Broschüre "Lieber bekifft ficken als besoffen fahren"

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Die Broschüre der SJ Österreich

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8.000 Menschen sterben jährlich an den Folgen des Alkoholkonsums. 12.000 Menschensterben pro Jahr durch die gesundheitsschädigende Wirkungen von Tabak. Und das einzigund allein in Österreich. Der Konsum dieser Substanzen ist legal. Wie viele Menschen sterben in Österreich oder weltweit an den Folgen des Cannabiskonsums? Niemand, abertrotzdem ist es illegal und KonsumentInnen werden kriminalisiert!

Diese Schieflage gilt es aufzuzeigen, vor allem aber muss Schluss mit reaktionärerDrogenpolitik sein. Unsere Kampagne soll einen Beitrag dazu leisten. Im gesamten Raumder Europäischen Union beginnt ein Umdenkprozess. Im gesamten Raum? Nicht ganz,denn Österreich geht gerade den umgekehrten Weg und dreht die Daumenschraube derKriminalisierung noch ein Stück weiter.

Während PolitikerInnen in den Klatschspalten der Seitenblicke genüsslich ihr GläschenAlkohol in die Kameras halten, erklären sie gleichzeitig, wie schrecklich die illegalenDrogen sind und sie unsere Kinder vor diesen schützen müssen. Kennen diese Damen undHerren die oben erwähnten Zahlen nicht? Sind die Einnahmen durch die legalen Drogenso wichtig, dass darüber nicht ernsthaft gesprochen wird? Nicht vor Cannabis sollten“unsere Kinder” geschützt werden, sondern vor Politikerinnen und Politiker, die vorge-ben das zu tun.

Sucht ist ein viel zu komplexer Bereich, um ihn auf irgendeine Substanz reduzieren zukönnen. Familiäre, wirtschaftliche, gesellschaftspolitische, soziale und natürlich auch persönliche Aspekte gilt es dabei zu berücksichtigen. Wer sich in seiner Umgebung wohlfühlt, wird kein Problem haben, selbst wenn er/sie “Drogen” konsumiert.

Wir als Sozialistische Jugend treten für eine massive Veränderung im Bereich derDrogenpolitik ein. Die Legalisierung von Cannabis steht dabei im Mittelpunkt, verbundenmit einem Umdenken im Umgang mit Menschen, die von “härteren Drogen” abhängigsind, und einer Politik, die ihre suchtfördernden Aspekte reduziert.

Wir leben in einem süchtigmachenden System, das süchtig nach Gewinnen ist. DieMenschen werden dabei benutzt und haben im Wirtschaftsprozess zu funktionieren. Wenwunderts, wenn der eine oder die andere sich aus diesem Bereich ausklinkt und in dieAbhängigkeit abdriftet? Drogenpolitik heißt für uns eine Veränderung der wirtschafts-politischen Gegebenheiten.

Bieten wir gemeinsam den drogenpolitischen FundamentalistInnen die Stirn. Wir sindnicht dazu da, um uns von ihnen sagen zu lassen, was gut für uns sei, sondern wir sagenihnen was wir wollen! Nein zur Kriminalisierung! Legalize it!

Andreas KollrossVerbandsvorsitzender

Vorwort

Die Broschüre der Sozialistischen Jugend 1

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2 Die Broschüre der Sozialistischen Jugend

1. Definition des Begriffs Sucht 52. Ein Überblick über die Ursachentheorien des Substanzmißbrauchs 6

2.1 Persönlichkeitspsychologische, psychiatrische und psychoanalytische Ansätze 62.2 Prozess- und interaktionsorientierte Konzepte 62.3. Risikofaktoren-Konzepte 7 2.4 Suchtprotektive Konzepte 82.5 Zusammenfassung 8

3. Gesellschaft und Substanzmißbrauch 93.1 Die Bedeutung der Gesellschaft 9 3.2 Sucht als Symptom der Entfremdung 9 3.3 Sucht als Zivilisationskrankheit 103.4 Sucht und ihre historische Bedeutung 103.5 Zusammenfassung 11

4. Die Geschichte des Drogenkonsums und der Prohibition 115. Das Drogenverbot und die produzierenden Länder 13

5.1. Übersicht über die Anbauregionen 13 5.2 Die Gründe für den Drogenboom 15 5.3 Die Politik der alternativen Entwicklung 16

6. Die Ökonomie des Drogenverbots 17 6.1 Ökonomische Auswirkungen des Drogenverbots 17

7. Die “Szenedroge” Ecstasy 18 7.1 Geschichte 18 7.2 Wirkung von Ecstasy 19 7.3 Raves und Ecstasy 19 7.4 Der gesellschaftspolitische Aspekt der Raveszene und des Ecstasykonsums 20 7.5 Eine neue Drogenfront? 20

8. Drogenpolitische Modelle in Europa 218.1 Die Analyse der verschiedenen Modelle 21

9. Drogenpolitik in Österreich 2410. Drogenpolitische Alternativen 24

10.1 Ziele einer alternativen Drogenpolitik 2410.2 Alternative Drogenkontrollmodelle ohne Strafrecht 2510.3. Legalisierung von Cannabisprodukten 2610.4 Langfristige Schritte 2810.5 Zusammenfassung 28

Literaturliste 30Adressen der Sozialistischen Jugend 31

Inhalt

Impressum:Medieninhaber: TrotzdemVerlag GmbH, Herausgeber und Redaktion: Sozialistische Jugend Österreich, Mitarbeiter: Stefan Schimanowa, Andreas Kollross, Siegfried Ollinger, Torsten Engelage, Layout: Peter Reitmayr,alle Neustiftgasse 3, 1070 Wien

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www.wahlaltersenkung.at

Demokratie für Dich!Eine Initiative der Sozialistischen Jugend

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Die Broschüre der Sozialistischen Jugend 5

Beim Versuch Sucht zu definieren, stoßenwir auf die unterschiedlichsten Erklär-ungen, da WissenschaftlerInnen geprägtsind von den verschiedensten Einflüssen,wie kulturelle Traditionen, Ausbildung,wissenschaftliche Ausrichtung und politi-sche Ideologien. Die Akzente und Themen-schwerpunkte, die sie in ihrer wissenschaft-lichen Arbeit setzen, hängen also davon ab,was ihnen an ihrem sozialen Ort bzw. inihrer gesellschaftlichen Position als rele-vant erscheint und aus welchem Blickwin-kel sie die Thematik betrachten.

Sucht leitet sich ursprünglich vom althoch-deutschen Wort ,suht’ ab und bedeutetKrankheit. In vielen altertümlichen Be-zeichnungen für Krankheit lebt dieseBedeutung noch heute fort, ohne dass dabeian Abhängigkeit gedacht wird: Wasser-sucht, Gelbsucht etc.

Die WHO definiert Sucht folgendermaßen:“Es handelt sich bei ,Sucht’ um ein Stadiumchronischer oder periodischer Berauschungdurch die wiederholte Einnahme einernatürlichen oder synthetischen Droge.

Zu den typischen Kennzeichen gehören:

Bedürfnis, den Drogengebrauch fortzuset-zen und sich die Droge unter allenUmständen zu verschaffen;* eine Tendenz, die Dosis zu erhöhen;* eine psychische und/oder eine physischeAbhängigkeit von den Wirkungen derDroge;* eine zerstörerische Wirkung auf den ein

W. Jankes definiert Sucht als “ein psychi-scher und manchmal auch physischerZustand, der aus der Interaktion zwischeneinem lebenden Organismus und einerDroge resultiert, und gekennzeichnet istdurch Verhaltensweisen und andereReaktionen, die immer mit einem Zwangverbunden sind, die Droge ständig oder inperiodischen Abständen einzunehmen, umihre psychischen Auswirkungen zu erlebenund manchmal, um den unangenehmenZustand zu vermeiden, der auftritt, wenndie Droge über eine längere Zeit nichtgenommen wird”.2

Beiden Theorien ist gemeinsam, dass sieSucht einseitig aus der Perspektive derDrogenabhängigkeit definieren.

Modernere Ansätze differenzieren jedochzwischen substanzgebundenen (= unstill-bares Verlangen nach einem Suchtmittel)und prozeßgebundenen Süchten (= unstill-bares Verlangen nach einer Handlung bzw.Vorgang).

Nichtsubstanzgebundene Suchtformensind Eßstörungen, Spielsucht, Video- undFernsehabhängigkeit, Computerarbeits-und Spielsucht, Kaufsucht, süchtiges Ver-halten im Sport, süchtiges Risikoverhalten,etc.

Weiters wird Sucht als progressive, d.h. fort-schreitende psychosoziale Dynamik ver-standen, die auf einem seelischen oder sozi-alen Mangel beruht, der sich in ihremVerlauf noch vergrößert.3

1 Brosch R./Juhnke G. (Hrsg.): Jugend und Sucht. Wien (Orac) 1995, S 2262Haseloff O.W.: Sucht und Drogen. Düsseldorf (Rau) 1991, S 2313Bundesministerium für Umwelt Jugend und Familie (Hrsg.): Koller G.: Zumutungen. Wien 1994

1. Definition des Begriffes Sucht

* der überwältigende Wunsch oder das Bedürfnis, den Drogengebrauch fortzusetzen und sich die Droge unter allen Umständen zu verschaffen;

* eine Tendenz, die Dosis zu erhöhen;* eine psychische und/oder eine physi-

sche Abhängigkeit von den Wirkungen der Droge;

* eine zerstörerische Wirkung auf den Ein-zelnen und auf die Gesellschaft.”1

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Die meisten Theorien zur substanzgebun-denen Sucht sind sog. Subtheorien, die dasPhänomen der Abhängigkeit vom Stand-punkt einer bestehenden Theorie zu erklä-ren versuchen. Ihre Erklärungsmusterfußen entweder auf biologisch/medizini-scher, psychologischer oder soziologischerModellvorstellungen.

2.1 Persönlichkeitspsychologische,psychiatrische und psychoanalytischeAnsätze

Am bekanntesten sind hier die Versuche,bestimmte Persönlichkeitsmerkmale inBeziehung zum Substanzmißbrauch zubringen, um in letzter Konsequenz die“Suchtpersönlichkeit” zu finden. Die Suchenach den entsprechenden Persönlichkeits-merkmalen und -strukturen erbrachtejedoch keine brauchbaren Ergebnisse, sodass dieser Ansatz heute von der Wissen-schaft nicht mehr vertreten wird.

Der psychiatrische Ansatz geht u.a. davonaus, dass Drogensucht durch eine Persön-lichkeitsstörung ausgelöst wird, die auchgenetisch bedingt sein kann. Weiters wirdSubstanzmißbrauch als eine Art Selbsthei-lungsversuch gesehen oder als natürlicheFolge einer anlage- und entwicklungsbe-dingten Charakterschwäche.

Im psychonalytischen Erklärungskonzeptwird von einer neurotischen Störung ausge-gangen, wobei auch hier eine zusätzlichgenetische Anfälligkeit der Person gegenü-ber Sucht angenommen wird. Die Primär-ursache wird meist in einer gestörtenMutter-Kind-Beziehung gesehen. DieSchwäche dieser Theorie liegt jedoch an der

Unmöglichkeit einer Untermauerung, dadie Psychoanalyse keine rein empirischeWissenschaft ist, sondern Großteils aufmetapsychologischen Konzepten basiert.

In der Regel werden zur BeweisführungFallstudien herangezogen, wobei die Be-weise meist auf Interpretationen aufbauen.

2.2 Prozess- und interaktionsorientierteKonzepte

Zu den Prozeß- und interaktionsorientier-ten Konzepten werden folgende Ansätzegezählt:

1. Lernpsychologische Ansätze,2. Entwicklungspsychologische Ansätze,3. Sozialpsychologische Ansätze,4. Soziologische Ansätze und5. Sozialisationstheoretische Ansätze.

Lernpsychologische Ansätze

Lernpsychologische Konzepte gehen davonaus, dass jedes Verhalten erlernt wird undnach dem Reiz-Reaktionsmuster analysier-und interpretierbar ist. Im allgemeinengehen LernpsychologInnen von der Theorieder operanten Konditionierung aus. DieseTheorie besagt, dass jedes Verhalten daseine positive Reaktion auslöst, mit großerWahrscheinlichkeit wiederholt wird.Demnach wird in der Suchtforschung ange-nommen, dass der Drogenkonsum vorerstals “Belohnung” erlebt wird und die weitereEinnahme konditioniert weiterläuft. Unter-stützt wird diese Theorie durch biologischeUntersuchungen, die zeigen, dass psychoak-tive Stoffe das Belohnungssystem desGehirns aktivieren.

2. Ein Überblick über die Ursachentheoriendes Substanzmißbrauchs

1. Lernpsychologische Ansätze,2. Entwicklungspsychologische Ansätze,3. Sozialpsychologische Ansätze,4. Soziologische Ansätze5. Sozialisationstheoretische Ansätze.

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Entwicklungspsychologische Theorien

Einige Autoren haben in der Suchtfor-schung den Versuch unternommen,Drogenkonsum mit bestimmten Lebens-abschnitten und Entwicklungsschritten inVerbindung zu bringen.

Drogenkonsum wird u.a. als eine möglicheStrategie angesehen, mit der Jugendlicheentwicklungsbedingte Belastungen zubewältigen versuchen. Die Grundthese ist,dass Drogenkonsum individuell bewertetwerden muß.

Sozialpsychologische Theorien

Die sozialpsychologischen Theorien gehendavon aus, dass Sucht und Problemverhal-ten allgemein durch die Wechselwirkungvon Persönlichkeit und Umwelt entsteht.Der Persönlichkeit werden Werte, Erwar-tungen, Überzeugungen und Einstellungenzu sich selbst und zu anderen zugeordnet,der Umwelt Unterstützungspotentiale, sozi-aler Einfluß, Verhaltensmodelle und sozialeErwartungen. Sucht wird in diesem Zusam-menhang als Versuch interpretiert, Ziele zuerreichen, die auf anderen Wegen un-erreichbar bleiben.

Soziologische Ansätze

Soziologische Erklärungsmuster versuchenden Zusammenhang zwischen dem gesell-schaftlichen Umfeld und dem abweichend-en Verhalten des Individuums herzustellen.

Sozialisationstheoretische Ansätze

Sozialisationstheoretische Ansätze versu-chen wie die sozialpsycholgischen ModelleSucht als ein Zusammenwirken zwischenPerson und Umwelt zu erklären, wobei inder Sozialisationstheorie der Entwicklungs-

prozeß im Zusammenhang mit dem Ent-stehungsprozeß von Problemverhalten imMittelpunkt des Interesses steht. Als Ur-sachen von Sucht werden fehlende sozialeund personale Ressourcen angenommen.

2.3. Risikofaktoren-Konzepte

Als Risikofaktoren werden neben biologi-schen und psychischen Faktoren, dieFamilie, die Peer-Gruppe und sozialeStrukturen genannt, wobei darauf hinzu-weisen ist, dass das Konzept der Risikofak-toren, Substanzabhängigkeit nicht wirklicherklärt, da ein kausaler Zusammenhangzwischen Risikofaktor und Verhalten nichtbewiesen werden kann.

Biologische Risikofaktoren

Es gibt empirische Hinweise, dass für einigeSuchtformen Erbfaktoren eine Rolle spielenund gewisse Personen deshalb eine höhereAnfälligkeit für Substanzmißbrauch auf-weisen. Gerade Zwillings- und Adoption-studien werden zum Beweis dieser Theorieherangezogen, wobei auf die enge Wechsel-wirkung zwischen Erb- und Umweltfakto-ren hingewiesen wird.

Psychische Risikofaktoren

Untersuchungen zeigen einen hoch korrela-tiven Zusammenhang zwischen Substanz-mißbrauch und Persönlichkeitsstörungenvon Drogenabhängigen. Was nicht zubeweisen ist, ist eine charakteristischeMerkmalskombination von Persönlichkeits-eigenschaften bei Abhängigen. Weiterskonnte durch Studien festgestellt werden,dass gerade Erwachsene bei emotionalemStreß zu Drogen greifen, um ihre psychischeBefindlichkeit zu verbessern. Der emotiona-le Einflußbereich auf den Substanzmiß-brauch ist jedoch viel zu wenig erforscht.

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Familiäre Risikofaktoren

Als Risikofaktoren werden vor allem

* die Familiengeschichte* die Erziehung* der Konsum der Eltern und Geschwisterundangesehen.

Kinder von Eltern die viel Alkohol konsu-mieren, sind einem hören Risiko ausgesetzt,selbst viel Alkohol zu konsumieren. Es istjedoch strittig, welchen Anteil jeweils Lern-erfahrung und Vererbung am Zustande-kommen des Substanzmißbrauchs haben.Weiters weisen diese Konzepte darauf hin,dass Kinder sozial auffälliger Familien eherDrogen konsumieren, als Kinder “normaler”Familien. Als Risikofaktor gilt auch dasErziehungsverhalten der Eltern. EmpirischeBefunde zeigen das vor allem Gleichgültig-keit, Verständnislosigkeit, Überbesorgtheitder Mutter und Inkonsequenz im Verhaltender Eltern zu Substanzmißbrauch führen.Die These, dass DrogenkonsumentInnenhäufig aus unvollständigen Familienkommen, ist äußerst umstritten. Es gibtdazu eine Vielzahl von Untersuchungen diediese Annahme belegen aber auch widerle-gen.

Soziale Strukturen als Risikofaktoren

Die soziale Herkunft galt lange als Haup-tursache für Substanzmißbrauch. So habenUntersuchungen in der USA ergeben, dassgerade Kinder die in großer Armut auf-wachsen, extrem gefährdet sind. Der Zu-sammenhang zwischen Schichtzugehörig-keit und Drogensucht läßt sich jedoch nichtin jeder Studie nachweisen. Nicht zu ver-nachlässigen ist in der Ursachenfrage derEinflußfaktor Kultur. Dies zeigen beispiels-

weise Studien über kulturell variierendeTrinkmuster Erwachsener.

2.4 Suchtprotektive Konzepte

Das Konzept der “protektiven Faktoren”wurde in den letzten 10 Jahren vor allem inder psychiatrischen Risikoforschung ange-wandt. Unter protektiven Faktoren verstehtman Bedingungen, die eine Person davorbewahren, eine bestimmte negative Ver-haltensweise wie z.B. Substanzmißbrauchzu entwickeln. Dieser Ansatz geht von derBeobachtung aus, dass Personen unter glei-chen negativen Einfluß verschieden reagie-ren. So entwickeln die einen neurotischeStörungen, während die anderen überhauptkeinen Schaden nehmen. Die Frage nachden protektiven Faktoren wird in dreiAspekten untergliedert:

1. Was sind protektive Faktoren?2. Wie werden sie erworben?3. Wie schaffen es Personen protektiveFaktoren trotz negativer Erlebnisse auf-rechtzuerhalten, während andere negativeVerhaltensweisen entwickeln?

In der modernen Suchtprävention geht esdeshalb vor allem um Stärkung der persön-lichen Kompetenzen zur Bewältigungschwieriger Lebenssituationen.

2.5 Zusammenfassung

Die aktuelle Forschung geht von einerSynthese der verschiedenen Theorien aus.Sie versteht Sucht “als komplexen Prozeß,der sich innerhalb des SpannungsfeldesIndividuum (körperlicher und seelischerOrganismus) - Droge - Gesellschaft entwi-ckelt”4. Betont wird, dass in jedem einzel-nen Fall, die Einflüsse verschieden wirksamsind.

1. die Familiengeschichte2. die Erziehung3. der Konsum der Eltern und Geschwister 4. sogenannte “unvollständige” Familien

1. Was sind protektive Faktoren?2. Wie werden sie erworben?3. Wie schaffen es Personen protektive

Faktoren trotz negativer Erlebnisse auf-rechtzuerhalten, während andere negative Verhaltensweisen entwickeln?

4 Bundesministerium für Unterricht und Kunst (Hrsg.): Springer A.: Drogen und Drogenmißbrauch. Wien. S. 67

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5 Petzold H.: Integrative Therapie. Paderborn 19936 Bundesministerium für Umwelt Jugend und Familie (Hrsg.): Koller G.: Zumutungen. Wien 1994

3.1 Die Bedeutung der Gesellschaft

Systemische Ansätze in der Psychologie zei-gen, dass Personen in hohem Maße von derGesellschaft beeinflußt werden. DerMensch wird von Geburt an gesellschaftlichgeprägt. Erziehung vollzieht sich imRahmen einer politischen Gemeinschaft,die durch sie bestimmte Ziele erreichen will.

Sie/Er ist ein Bündel von ökologischen, öko-nomischen und sozialen Beziehungen.Treten in diesem BeziehungsgeflechtStörungen auf, kann es zu psychischenAuffälligkeiten kommen.

3.2 Sucht als Symptom der Entfremdung

Der Begriff der Entfremdung wurde ur-sprünglich von Karl Marx geprägt. In seinenökonomisch-philosophischen Manuskrip-ten von 1844 beleuchtet er Entfremdung invier Variationen.

1. Die Entfremdung des Arbeiters von sei-nem Produkt und der äußeren Natur;2. die Entfremdung des Arbeiters von seinerTätigkeit und sich selbst;3. die Entfremdung des Menschen von sei-nem Gattungswesen;4. die Entfremdung des Menschen vonanderen Menschen.

Für Marx ist es der Kapitalismus, der zurEntfremdung führt. Daraus folgt, dass erstdie positive Veränderung der Gesellschaftzur vollen Entfaltung des Menschen führt.Der Wissenschaftler Hilorian Petzold weistin seinem Standardwerk “IntegrativeTherapie” auf die Bedeutung des marxschen

Ansatzes der Entfremdung als Erklärungs-modell für die Entstehung von psychischenStörungen hin5.

Weltweit gesehen, hat unser Wirtschafts-system fast nur Chaos hinterlassen. So ster-ben täglich 35.000 Menschen an Unter-ernährung. Weiters leben 800 MillionenMenschen in Hunger und 500 Millionenleiden an Unterernährung.

Seit Ende der Siebziger Jahre kann man/frauimmer deutlicher auch die Schäden erkenn-nen, die wir der Natur zufügen. Mittlerweilenehmen sie ein solches Ausmaß an, dass siealle Befürchtungen bereits übertreffen.

Marx zeigt, dass der Mensch im Kapital-ismus bloß Mittel zum Zweck ist. OberstesZiel ist, immer mehr Profite zu machen. Der“reine” Kapitalismus feiert im Gewand desNeoliberalismus seine Wiedergeburt. Pri-vatwirtschaftliche Interessen wie die Steig-erung der wirtschaftlichen Effizienz, Ko-stensenkung, Markt-, Wettbewerbs- undGewinnorientierung stehen im Mittelpunktdes politischen Diskurses. Staats- undSozialabbau sind das Gebot der Stunde.

So sieht Gerald Koller in der Sucht denVersuch, “dem Entfremdungsprozeß einerindustrialisierten und in ihren Werthaltun-gen banalisierten Welt (meist vergeblich) zuentkommen . . .”6. Die/Der Süchtige ist vonder Sehnsucht getrieben sich als Individu-um voll zu entwickeln. Das Problem istjedoch, dass ihr/ihm die notwendigenBedingungen zur Erfüllung dieser Sehn-sucht in ihrem/seinem sozialen Umfeld(Arbeit, Schule, Familie etc.) fehlen.

3. Gesellschaft und Substanzmißbrauch

1. Die Entfremdung des Arbeiters von seinem Produkt und der äußeren Natur;

2. die Entfremdung des Arbeiters von seiner Tätigkeit und sich selbst;

3. die Entfremdung des Menschen von seinem Gattungswesen;

4. die Entfremdung des Menschen von anderen Menschen.

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3.3 Sucht als Zivilisationskrankheit7

Dass Sucht ein spezifisches Problem derkapitalistischen Welt ist, zeigt der Umgangder Naturvölker mit Rauschdrogen.

Die Kenntnis und der Gebrauch von Rausch-drogen kann in der menschlichen Kultur-geschichte bis zur Entwicklungsstufe derJäger und Sammler zurückverfolgt werden.

Die Menschen waren damals auf Nahrungs-mittel angewiesen, die sich im Augenblickanboten. In diese Zeit könnten auch dieersten Erfahrungen mit Pflanzen fallen,deren Verzehr Rauschzustände auslöste.

Diese Pflanzen wurden jedoch unter dieKontrolle des Schamanen/der Schamanin ge-stellt. Entweder berauschte sich diese/die-ser stellvertretend für den Stamm und stell-te so den Kontakt zu den Geistern undGottheiten her oder der ganze Stamm nahmdie Rauschdroge nach streng rituellenVorschriften zu sich.

So wandert der mexikanische Indianer-stamm der Huichol noch heute zu den 400km entfernten heiligen Orten, wo sie sichkollektiv berauschen. Für den Rest desJahres gibt es keine Drogen.

Die indigenen Völker Amerikas lernten dieSucht erst durch den Alkohol der Weißenund durch die systematische Zerstörungihrer Kultur bzw. ihrer sozialen Bindungenkennen8.

3.4 Sucht und ihre historische Bedeutung

Es gibt eine Tradition des Drogengebrauchsbzw. der Sucht die vielen unbekannt ist.

So zeigt der Kulturhistoriker PieroCamporesi, wie Rauschzustände, Hysterienund Delirien im vorindustriellen Europamit der extremen Armut und dem Hungerzusammenhingen.

Drogen waren integraler Bestandteil einerArmenkost um den Hunger erträglicher zumachen. “Das ‘Brot der Armen’ war deshalboft ein ‘Brot der Träume’, weil es sich umeine Ersatznahrung handelte: um ‘Brot’, dasaus verschiedensten, mitunter halluzino-gen, psychotomimetisch und euphorischwirkenden Surrogaten zusammengesetztwurde. Mohn, Hanf, Mutterkorn undNachtschat-tengewächse wurden zu Ingre-dienzen der Alltagsernährung”9. Sucht wardie Folge des exzessiven Drogenkonsumsund der Alternativlosigkeit der Armen.

Die These Camporesis hilft uns auch dieSuchtproblematik der Industrialisierungs-phase des 19. Jahrhunderts zu beleuchten.Die Industrialisierung bedeutete für Europaeinen massiven sozialen Wandel, der eineVielzahl an Problemen mit sich brachte.

Alkohol diente damals als Durstlöscher,Hungerstiller und Sorgenbrecher in einem.Schnaps war in dieser Zeit eines der wich-tigsten Nahrungsmittel der Arbeiter-Innenklasse10. Schon damals erkannten bür-gerliche Sozialreformer den Zusammen-hang zwischen sozialer Entwurzelung bzw.Armut und der Alkoholproblematik, ohnejedoch die notwendigen Konsequenzen zuziehen.

7 mehr dazu unter Pkt. Die Geschichte des Drogenkonsums8 Renggli/Tanner: Das Drogenproblem. Geschichte, Erfahrungen, Therapiekonzepte. Berlin/Heidelberg/New

York. 19949 Renggli/Tanner: Das Drogenproblem. Geschichte, Erfahrungen, Therapiekonzepte. Berlin/Heidelberg/NewYork. 1994 S. 3310 a.a.O.

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Die Broschüre der Sozialistischen Jugend 11

Auch wirtschaftliche, politische und gesell-schaftliche “Zustände” verursachen bzw.begünstigen Suchtprozesse. Das heißt, dassSucht nicht privatisiert werden darf bzw.völlig gesellschaftsunabhängig gesehenwerden kann. Arbeitslosigkeit, Mangel anZukunftsperspektiven, desolate und belas-tende politische Verhältnisse, Ohnmachts-empfindungen gegenüber politischen Ent-

wicklungen, Konsumorientierung, schlech-te Umwelt- und Lebensqualität, Kinder-und Jugendfeindlichkeit, schlechte Schul-und Ausbildungsverhältnisse sind allesFaktoren die Sucht mitverursachen11.Sucht kann also nur dann sinnvollbekämpft werden, wenn suchtgefährdendewirtschaftliche, politische und gesell-schaftliche Verhältnisse verändert werden.

11 Bäuerle D.: Sucht & Drogen - Prävention in der Schule. München 199612 a.a.O.13 Renggli R./Tanner J.: Das Drogenproblem. Geschichte, Erfahrungen, Therapiekonzepte. Berlin Heidelberg 199414 a.a.O.

In den alten Kulturen wurden psychodeli-schen Pflanzen meist zu religiösen Ritenund Heilungszeremonien verwendet:

* in den dionyschen WeinkulturenGriechenlands der vordorischen Zeit,* im skythischen Totenkult des 6.Jahrhunderts v. Chr. bei dem Haschischgeraucht wird,* in den eleusischen Mysterienkulten desantiken Griechenlands, in denen Opiumund halluzinogene Stoffe zum Zweck derEntrückung verwendet worden sind,* im Peyotl-Kult der nordamerikanischenIndianer, in dem u.a. durch den Konsum vonPeyotl die Begegnung und Erleuchtungdurch den Großen Geist vermittelt wurde,* in den mittelamerikanischen Pilzkulturen,die den Psilocybe mexicana verzehrten, ummit den Göttern in Kontakt zu kommen,* in den Kultformen der Assasinen(Haschischfresser), einer islamischenReligionsgruppe, die sich nach dem Verzehrvon Haschisch in den paradisischen GärtenAllahs glaubten,etc.12.

Die ältesten Berichte über Alkohol undOpium sind um die 6000 Jahre alt. Zu einemintensiven Austausch zwischen denKulturen kam es in der Antike, durch dieKreuzzüge im Mittelalter und durch diekoloniale Expansion Europas im 15. Jhd13.Wichtig für Europa waren vor allem dieBeziehungen zur arabisch-islamischen Weltund die Eroberung Amerikas. So kamenBranntwein und Kaffee aus dem Orient undTabak und Koka aus Amerika und wurdenüber Europa in der ganzen Welt verbreitet.

Die Etymologie des Begriffs “Droge” zeigt,dass dieses Wort früher noch kaum miteinem Problem in Verbindung gebrachtwurde. Das was früher unter Droge verstan-den wurde, ist heute noch im Wort“Drogerie” präsent. Umgangssprachlichwurde es für getrocknete Präparate verwen-det, die pflanzlichen, tierischen oder mine-ralischen Ursprungs waren und alsStimulanzien, Heilmittel oder Gewürze ver-wendet wurden14.

Doch auch schon damals gab es sogenannte“Drogenprobleme”. So verursachten im

4. Die Geschichte des Drogenkonsums und der Prohibition

* in den dionyschen Weinkulturen Griechenlands der vordorischen Zeit,

* im skythischen Totenkult des 6. Jahrhunderts v. Chr. bei dem Haschischgeraucht wird,

* in den eleusischen Mysterienkulten des antiken Griechenlands, in denen Opium und halluzinogene Stoffe zum Zweck der Entrückung verwendet worden sind,

* im Peyotl-Kult der nordamerikanischen Indianer, in dem u.a. durch den Konsumvon Peyotl die Begegnung und Erleuchtung durch den Großen Geist vermittelt wurde,

* in den mittelamerikanischen Pilzkulturen, die den Psilocybe mexicanaverzehrten, um mit den Göttern in Kontakt zu kommen,

* in den Kultformen der Assasinen (Haschischfresser), einer islamischen Religionsgruppe, die sich nach dem Verzehr von Haschisch in den paradisischen Gärten Allahs glaubten, etc.12.

3.5 Zusammenfassung

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12 Die Broschüre der Sozialistischen Jugend

16/17 Jahrhundert die Substanzen Tabak,Kaffee und Branntwein heftige Kontrover-sen. Die bedeutendste Antidrogenkam-pagne der frühen Neuzeit, wurde von JakobI. von England Anfang des 17. Jhd. gegenTabak gestartet. In seinem Werk “Counter-blast to Tabaco” rief der Monarch zumKampf gegen diese Droge auf, mit dem Ziel,dem Hauptfeind Englands, Spanien, einelukrative Einnahmequelle zu nehmen.Drastische Zollerhöhungen führten jedochnur zur Ausbreitung des Schwarzhandels.Der englische Antitabakkampf wurde ein-gestellt, als die Engländer durch steigendenEigenanbau in Nordamerika fähig waren,das Tabakmonopol Spaniens zu brechen.Greogery Austin schreibt dazu: “Selbst eineflüchtige Untersuchung der Geschichte desDrogengenusses zeigt, dass Kontrollbestre-bungen wesentlich häufiger scheiterten alserfolgreich waren”15.

Nicht nur die englische Tabakpolitik zeigt,dass der Umgang mit Drogen massiv durchpolitische und wirtschaftliche Interessengeprägt war und ist.

So verbot beispielsweise die katholischeKirche in Lateinamerika den Anbau undKonsum von Koka als heidnischen Brauch,während die Betreiber von Silber- undGoldbergwerken den Konsum förderten, dasie entdeckten, dass Indianer die Koka-blätter kauten, länger gesund und auchtrotz schlechter Ernährung leistungsfähigerblieben. Der Anbau von Koka wurde mono-polisiert und die spanische Kolonialverwal-tung vergab die Anbaugenehmigung anweiße Pflanzer. Koka wurde dadurch zueinem billigen Zahlungsmittel für Gruben-arbeiter. Es ließ sich jedoch nicht wieNikotin gewinnbringend in Europa umset-zen und wurde schließlich Anfang des 20Jhd. endgültig verboten.

Die Unzulänglichkeit der Prohibition zeigtsich am Beispiel des Alkoholverbots in denUSA zwischen 1919 und 1933. Es war dies derVersuch eine ganze Nation über Nacht“trocken” zu legen. Mit einem Schlag wur-den Millionen von Menschen kriminalisiertund zu heimlichen Komplizen des organi-sierten Verbrechens gemacht. “Die Prohibi-tion stellte für die bereits etablierten Clansund Banden den idealen Hebel dar, um dieGesetzlichkeit gänzlich aus den Angel zuheben. Der von den Prohibitionsbefürwor-tern prognostizierte heilsame gesellschafts-politische Gesamteffekt blieb demgegen-über aus (. . .) Eine Bilanzierung der Auswir-kungen zeigt, dass die Prohibition - gemess-sen an ihren eigenen Zielsetzungen - einDebakel, eine kontraproduktive Maßnahmewar; angesichts des tatsächlich erreichtenRückgangs des Pro-Kopf-Konsums könnteman bestenfalls von einem ‘Pyrrhussieg’sprechen”16.

Und doch sind es die Vereinigten Staaten,die seit Anfang dieses Jahrhunderts dieAusrichtung der Drogenpolitik bestimmen.In keinem anderem Land hat die gesell-schaftliche und politische Auseinanderset-zung mit Drogen einen so hohen Stellen-wert eingenommen.

Für die drogenpolitische Debatte in der USAsind zwei Phänomene besonders charakte-ristisch: Der Drogenkonsum war im Ver-gleich zu anderen Ländern stets höher undwurde auch immer als ganz besondersbrennendes gesellschaftliches Problemwahrgenommen. HistorikerInnen vermu-ten, dass es sich in beiden Fällen um denAusdruck spezifischer Widersprüche deramerikanischen Einwandergesellschafthandelt17. Dazu kommt, dass die protestanti-sche Ethik der puritanischen Einwandererdas Werte- und Normengefüge der nord-

15 zit. n. a.a.O.16 Renggli R./Tanner J.: Das Drogenproblem. Geschichte, Erfahrungen, Therapiekonzepte. Berlin Heidelberg 1994 S 60-61, 6417 a.a.O.

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amerikanischen Gesellschaft entscheidendgeprägt hat. Der Puritanismus forderte Fleißund Sparsamkeit, Beherrschung des Trieb-lebens und Zügelung des Genusses alsGrundlagen des irdischen Erfolgs, der alsGradmesser der Gunst Gottes galt.

Abweichendes Verhalten wurde nicht nurals unmoralisch bezeichnet, sondern wurdeauch als Gefahr für den gesunden Gesell-schaftskörper bekämpft. Der Kampf gegenDrogen richtete sich deshalb auch immergegen gesellschaftliche und ethnischeMinderheiten. So schreibt Lessmann zumOpiumverbot: “Dass die Sorge um denOpiumkonsum weniger dem Gesundheits-zustand der chinesischstämmigen Bevöl-kerung als vielmehr möglicherweise vonihr ausgehenden Gefahren für dieGesellschaft galt, wird auch darin deutlich,dass diese Sorge insbesondere zu demZeitpunkt wuchs, da die Chinesen alsKonkurrenz auf dem Arbeitsmarkt wahrge-nommen wurden”18. Auch die Kampagnegegen Marihuana in den 30ger Jahren warrassistisch motiviert. So hieß es in einemLeitartikel des “Daily Courier” aus Almoasa/Colorado: “Ich wünsche ich könnte ihnenzeigen was eine Marihuanazigarette auseinem unserer degenerierten spanischspra-chigen Einwohner machen kann. Das ist derGrund für unser Problem: Der größte Teil

der Bevölkerung setzt sich aus spanisch-sprachigen Personen zusammen, die wegensozialer und rassischer Bedingungenmeistens geistig niedrig stehen”.

Marihuana, so hieß es, fördere dieKriminalität und mache sexuell hemm-mungslos bzw. aggressiv. Das BeispielMarihuana “zeigt über das übliche Musterder Stigmatisierung von Minderheiten imZusammenhang mit dem Drogenkonsumhinaus auch, daß diese Argumentations-muster von den Eigenschaften einer Drogetendenziell unabhängig sind. Die Perzep-tion der Wirkungsweise einer Droge im Dis-kurs ist wandelbar und weitgehend subjek-tiv bestimmt”19.

Die Verschärfung des Kampfes gegen Can-nabiskonsum fiel in den USA mit derNiederlage der Alkoholprohibition zusam-men. 1930 wurde das Bureau of Narcoticseingerichtet, das in Folge eine massive Anti-Drogen Kampagne startete und das durch-aus aus bürokratischen Eigeninteresse, danach Aufhebung der Alkoholprohibition1933 ein Großteil der Alkoholfahnder imKampf gegen Cannabis ein neues Betäti-gungsfeld fanden. Einer der bekanntestenwar Harry J. Anslinger, Comissioner imBureau of Narcotics, der als der Erfinder dersog. Einstiegsdrogentheorie gilt.

18 Lessmann R.: Drogenökonomie und Internationale Politik. Frankfurt/Main. 1996 S 2819 Lessmann R.: Drogenökonomie und Internationale Politik. Frankfurt/Main. 1996 S 28

5. Das Drogenverbot und die produzierenden Länder

5.1. Übersicht über die Anbauregionen

5.1.1. Die Produktion von Kokain

1988 schätzte man die Produktion vonKokain in den Andenländern (Bolivien,

Peru, Kolumbien) auf etwa 400 bis 700Tonnen. Sieben Jahre später wurde dasProduktionsvolumen trotz der gezieltenZerstörung von Anbauflächen durch dieNationalregierungen und die USA, auf 1000bis 1500 Tonnen geschätzt.

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Es muß davon ausgegangen werden, dass esin Südamerika kein einziges Land gibt, dasnicht irgendwie in das Drogengeschäft ver-strickt ist. So werden in Venezuela Koka-sträucher, Marihuana und Schlafmohnangebaut und im Norden von Argentinien,in Chile und im brasilianischen Amazonas-gebiet gibt es riesige Drogenlaboratorien.Brasilien fungiert weiters als Drehscheibefür Exporte nach Europa. Das kleineSurinam hat sich auf den Handel mit denNiederlanden spezialisiert. Das Drogengeldwird in Venezuela, Brasilien und Uruguaygewaschen. Dazu kommt, dass fast jedesLand von Korruption auf höchster Staats-ebene betroffen ist.

Die Produktion wird nach streng wissen-schaftlichen Kriterien geplant und durchge-führt. So beschäftigen Drogenbarone Land-wirtschaftsexperten, die sich um die Zuchtund Auswahl der Arten kümmern.Drogenfachleute meinen, dass vor allem diekolumbianischen Drogenbosse die Produk-tion viel genauer als früher planen, organi-sieren und kontrollieren und sie daherschneller den Bedürfnissen des Marktesanpassen können. Besorgniserregend ist,dass in Lateinamerika eine Diversifizierungder Produktion festzustellen ist. Wurde z.B.Schlafmohn bis vor zehn Jahren ausschließ-lich in Mexiko angebaut, ist Kolumbien seitBeginn der 90er Jahre mit einer Anbauflä-che von 20.000 Hektar zu einem ernstzunehmenden Produzenten am Weltmarktgeworden. Auch in Peru, Ecuador undVenezuela ist die zusätzlich Produktion vonMohn zu beobachten. Hinzu kommt dieHerstellung von synthetischen Drogen inMexiko, die vor allem für den amerikani-schen Markt bestimmt sind. Laut demDrogenbericht 2000 ist der Anbau in Peruund Bolivien zwar gesunken jedoch inKolumbien weiter gestiegen. Zusammen-fassend kann festgestellt werden, dass sich

die Produktion von Kokain von 1987 bisheute mehr als verdreifacht hat.

5.1.2 Die Produktion von Heroin

In der Region des “Goldenen Halbmondes”(Afghanistan und Pakistan) schätzte mandie Produktion 1988, also vor dem Abzug dersowjetischen Armee, auf ca. 1000 bis 1500Tonnen Opium. Aus dieser Menge können100 bis 150 Tonnen Heroin verarbeitet wer-den. 1994 ergab eine Untersuchung desUNO-Kontrollorgans die Produktion von3200 Tonnen Opium. Ein wichtiger Faktorfür das Ansteigen der Produktionsmengewar der bewaffnete Kampf der Muhade-schedinds gegen die Sowjetarmee, die ihreWaffen, toleriert von den US-Geheimdien-sten, aus dem Drogenhandel finanzierten.Laut Experten wird die Produktion heuteauf 4500 Tonnen ge-schätzt.

Der Großteil des produzierten Heroins wirdvon Afghanistan in den Westen geliefert, ca.70 bis 80 Tonnen sind für die Süchtigen inPakistan bestimmt. Vor dem Afghanistan-krieg wurden dort keine Heroinkonsument-Innen registriert, heute schätzt man ihreZahl auf ca. 1,5 Millionen, die nebenAfghanistan auch aus der Türkei beliefertwerden. Ein Teil der afghanischen Produk-tion geht zur Verarbeitung nach Aserbaid-schan, das zu einem immer wichtigerenOpium-Verarbeitungsstandort wird. Mitden Taliban Milizen wird zwar über eineReduktion der Anbauflächen verhandelt,aber wie den Berichten des OGDs zu ent-nehmen ist, bestehen kaum ernsthafteAbsichten. Weiters gibt es im Iran, aber auchin den kurdischen Gebieten Produktions-stätten.

Ein weiteres Gebiet der Heroinproduktionbildet das “Goldene Dreieck”. So werden inBurma zwischen 2400 und 2500 Tonnen

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20 vgl auch Fottorino E.: Afrika - ein neuer Drogenkontinent. in: Labrouesse A./Wallon A.: Der Planet derDrogen. Analyse einer kriminellen Weltmacht. Frankfurt/M. 199621 Labrousse A.: In den Ländern des Südens wird der Anbau von Drogen ausgeweitet. Übersicht und Analysezur Lage in den Anbauregionen. in: Rütsche B./Stirnimann P. (Hrsg.): Drogen und Dritte Welt. Plädoyer für eineneue Nord-Süd-Drogenpolitik. Luzern 1997

Opium produziert, wobei ca. 500 Tonnenvon den ansässigen Stämmen selbstgeraucht werden und der Rest zu Heroinverarbeitet wird. Von Burma aus werden vorallem die USA und die Pazifikstaaten belie-fert. In Südwestasien ist u.a. die vietnamesi-sche und thailändische Produktion beacht-lich gestiegen. Aber auch in zentralasiati-schen Ländern boomt die Produktion vonOpiaten.

Die Gründe dafür sind der Zerfall derSowjetunion, die daraus resultierendenkriegerischen Auseinandersetzungen unddie miserable Lage der Bauern. Der Drogen-boom in diesen Ländern führte am Anfangdes Jahres 2001 zu Kämpfen an der thailän-dischen Grenze zu Burma. Als Ursache derbewaffneten Auseinandersetzungen wer-den Verteilungskämpfe zwischen verfein-deten Milizen vermutet.

5.1.3 Der Anbau von Cannabis

Was den Anbau von Cannabis betrifft, istMarokko der Hauptlieferant für Europa. DerAnbau beträgt derzeit ca. 70.000 bis 80.000Hektar, wobei der Ertrag auf 1500 bis 2000Tonnen Haschisch geschätzt wird.

Für die Produktionsländer Pakistan undAfghanistan liegen keine Statistiken vor.Man vermutet jedoch, dass die Produktionnicht viel geringer ist als in Marokko.

Der weltweit größte Produzent vonMarihuana ist Mexiko, dicht gefolgt von denUSA. Aus den Vereinigten Staaten liegenkeine vertrauenswürdigen Zahlen vor.Weiters ist in Kolumbien eine Ausweitungdes Marihuanaanbaus zu beobachten. DieProduktion wird auf ca. 3000 Tonnengeschätzt, die hauptsächlich für Europabestimmt ist.

5.1.4 Der Drogenanbau in Afrika

Experten sprechen in Afrika von einerProduktionsexplosion20. So erstreckt sichbeispielsweise der Cannabisanbau inSüdafrika auf über 80.000 Hektar. 1991wurde allein in der Provinz Natal sovielCannabis wie im gesamten subsaharischenAfrika sichergestellt. Es wird vermutet, dassdie Produktion in Südafrika mit der Ver-schlechterung der Wirtschaftslage weiteransteigen wird. Auch Nigeria spielt in derDrogenproduktion eine wichtige Rolle. Sowurden in Europa 1994 über 40 TonnenMarihuana mit der Herkunftsbezeichnung“Nigeria” beschlagnahmt. Was Drogen-labors betrifft, so wurde herausgefunden,dass im Norden Nigerias in verstecktenLabors Morphinbase in Heroin umgewan-delt wird. Weiters wird vermutet, dass dieitalienische Mafia bei ähnlichen Unterfan-gen in Kamerun technische und finanzielleHilfe leistet. Untersuchungen der nicht-staatlichen Organisation ObservatoireGeopolitique des Drogues (OGD) hat erge-ben, dass in allen Ländern Westafrikas derAnbau von Cannabis voranschreitet. So istz.B. die Elfenbeinküste im Begriff, zu einemwichtigen Cannabisproduzenten aufzustei-gen.

5.2 Die Gründe für den Drogenboom

Der Hauptgrund für die Angebotsexplosionist vor allem in der Vergrößerung desUngleichgewichtes zwischen Nord und Südzu sehen. Für viele Bauern ist der Anbau vonillegalen Produkten die einzige Möglichkeitdas Überleben ihrer Familien zu sichern. Sozeigt eine Studie des OGD, dass in derElfenbeinküste der Anbau von 0,1 HektarCannabis den Bauern denselben Betrag ein-bringt wie die Ernte von 16 Tonnen Kakao,der auf 30 Hektar angebaut werden muß21.

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Die Gewinnunterschiede sind bemerkens-wert.

Die Lage in Lateinamerika ist kaum anders.In Kolumbien schätzt man, dass ca. 85.000Familien im illegalen Anbau von Pflanzenfür die Drogenproduktion beschäftigt sind.Nicht vergessen darf man auch jeneArbeitsplätze, die durch die Investitionender Drogenkartelle in die Industrie, dieAgroindustrie, das Baugewerbe, den Handelund in den diversen Dienstbranchen entste-hen. Alle diese Bereiche weisen legaleProduktionen auf und dienen vor allem alsFassade für die Geldwäsche22.

Für den Wirtschaftswissenschaftler Chossu-dowsky besteht ein kausaler Zusammen-hang zwischen den wachsenden Schuldendes Südens und dem Ansteigen derDrogenproduktion. “Verschuldete und rui-nierte Volkswirtschaften sowie eine durchPreisverfall für legale Produkte (Rohstoffeund Fabrikwaren) gekennzeichnete welt-weite Überproduktion fördern kaum dieSchuldentilgung. Dagegen ermöglicht dieAusweitung illegaler Geschäfte (. . .) dieÜberweisung riesiger Summen auf dieKonten privater und öffentlicher Kredit-geber. Es besteht eine Logik in dieser Re-strukturierung des Bankensystems, dennletztendlich begünstigen die Gläubiger einSystem, das die freie Kapitalzirkulationermöglicht. Die Geopolitik der Drogen gehtunmittelbar aus diesem Prozess vonVerschuldung und der von den Schuldner-ländern vorgeschlagenen Strukturanpass-ungen hervor”23.

Die Drogenproduktion bietet jedoch nichtwirklich Alternativen einer gangbaren und

nachhaltigen Entwicklung für die Anbau-regionen. So werden zwar an einemWochenende Umsätze von 1,5 bis 2 Millio-nen US-Dollar erzielt, das Geld für Schulen,Lehrpersonen, Gesundheitsposten und eini-germaßen ausgerüsteten Spitäler, Wasser-versorgung, Abwasser- und Müllbeseiti-gung fehlt jedoch.

5.3 Die Politik der alternativen Ent-wicklung

Seit mehr als 20 Jahren versuchen die reichen Länder des Westens den Anbau illegaler Produkte in der sogenanntenDritten Welt durch spezielle Entwicklungs-programme zu stoppen. Um den Ausstiegaus der illegalen Produktion zu erleichtern,werden für die Zerstörung der Anbauflä-chen Entschädigungen an die Bauern aus-gezahlt. Die Ergebnisse dieser Entwick-lungsprogramme sind jedoch sehr dürftig.So meinte ein bolivianischer Kokabauern-vertreter in der Zeitung Los Tiempos: “Diealternative Entwicklung ist eine Kuh, diekeine Milch gibt”24. Den Bauern fehlt esmeist an Behandlungsmitteln, Kreditenund technischen Kenntnissen. Hinzukommt, dass in den meisten Regionen keinMarkt für Produkte wie Kakao und Kaffeebesteht, da es weder eine Nachfrage nochKaufkraft, noch Transportmittel gibt. DerGründer und Direktor des OGDs meint zurPolitik der alternativen Entwicklung: “Sokann nicht geleugnet werden, dass es sinn-los ist, die Bauern dazu zu überreden, stattKoka oder Schlafmohn Kaffee oder Kakaoanzubauen, wenn die Börsenkurse dieserProdukte auf dem Weltmarkt zusammen-brechen, wie dies seit einigen Jahren derFall ist”25.

22 Vargas R.: Die ökonomischen und sozialen Auswirkungen einer Gangsterwirtschaft. in: RütscheB./Stirnimann P. (Hrsg.): Drogen und Dritte Welt. Plädoyer für eine neue Nord-Süd-Drogenpolitik. Luzern 199723 Chossudowsky M.: Der Internationale Währungsfond und Drogengelder. in: Labrouesse A./Wallon A.: DerPlanet der Drogen. Analyse einer kriminellen Weltmacht. Frankfurt/M. 1996 S 21024 Roncken T.: Die Alternative Entwicklung ist eine Kuh, die keine Milch gibt. Bolivianische Drogenökonomiezwischen Repression und Illusion. in: Rütsche B./Stirnimann P. (Hrsg.): Drogen und Dritte Welt. Plädoyer füreine neue Nord-Süd-Drogenpolitik. Luzern 199725 Labrouesse A.: Die Politik der alternativen Entwicklung. in: Labrouesse A./Wallon A.: Der Planet der Drogen.Analyse einer kriminellen Weltmacht. Frankfurt/M. 1996 S 185

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26 de Choiseul-Praslin C.-H.: Die Mikroökonomie der Drogen. in: a.a.O. S 49

In den 90er Jahren wurden 300 MilliardenDollar aus Drogengeschäften umgesetzt,wobei die größten kriminellen Organi-sationen durch Geldwäsche einen Gewinnvon 80 Milliarden Dollar erzielten. An-gesichts der hohen Gewinne sprechenKritiker der derzeitigen Drogenpolitik voneinem reinen theoretischen Drogenverbot,da nur ungefähr fünf bis zehn Prozent derTransaktionen des Drogenhandel verhin-dert werden können.

6.1 Ökonomische Auswirkungen desDrogenverbots

Auf der Angebotsseite erhöhen sich durchdas Verbot die Produktions- und Vertei-lungskosten, da geschicktere und längereAbsatzwege erforderlich, mit Beschlagnah-mungen gerechnet und Vorkehrungengetroffen werden müssen, um die imDrogenhandel erlösten Gelder reinzuwa-schen. Die Strafandrohung für Drogenhan-del bewirkt jedoch auch, dass die amDrogenhandel Beteiligten Zusatzprämienverlangen, um ihr persönliches Risiko abzu-decken. Eine Folge der Prohibition ist, dasssich besser strukturierte Organisationengegenüber kleineren Anbietern durchset-zen. Die erhöhten Produktions- und Vertei-lungskosten, die steigenden Risikoprämienund die Monopolisierung des Marktes füh-ren daher zu einer massiven Preissteige-rung.

Die hohen Gewinnspannen steigernwiederum das Bestreben, weitere Nachfra-gepotentiale zu erschließen. Der Preisauf-trieb führt jedoch auch dazu, dass dieKonsumentInnen gezwungen sind, ein

zusätzliches Einkommen zu suchen, umsich die Drogen beschaffen zu können. Vielebeginnen deshalb selbst Drogen zu verkau-fen. Charles-Henri de Choiseul-Prasil,Präsident des Observatoire geopolitique desdrouges, meint dazu: “Je teurer das Produktist - wenn auch innerhalb bestimmterGrenzen - desto zahlreicher sind die Kon-sumentInnen, die, um es bezahlen zu könn-nen, sich in VerkäuferInnen verwandelnund neue KundInnen werben müssen. Umsich den Preisauftrieb etwas wenigerabschreckend zu gestalten, wird oft einegeringere Menge des Produktes zu demsel-ben Preis verkauft. Es handelt sich hier umeine Technik, die offensichtlich nur aufeinem Schwarzmarkt und nicht auf einemgewöhnlichen Markt existieren kann”26

Einer der ersten grundlegenden Regulie-rungsmechanismen des illegalen Drogen-handel ist also die Preise regelmäßig zuerhöhen, um die Nachfrage mittels der Ver-braucher anzuregen, die sich dadurch inAnbieter verwandeln müssen.

Der gleiche Mechanismus wirkt auchbezüglich der Qualität der Produkte. Wirdim legalen Markt die Qualität gesteigert ummehr Nachfrage zu erzielen, wird im illega-len Drogenhandel die Qualität der Produktebei gleichbleibenden Preisen immer mehrverringert. Die KonsumentInnen werden sogezwungen mehr zu kaufen und müssensich, um ihre Bedürfnisse befriedigen zukönnen, wiederum in Verkäufer verwan-deln. “Außerdem führt dies unausweichlichdazu, dass sich eine bestimmte Zahl vonKonsumentInnen, die von dieser niedrigenQualität des Stoffes enttäuscht sind, zu

6. Die Ökonomie des Drogenverbots

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einer stärkeren Droge hinwendet, derenAnkunft auf dem Markt auf diese Weisegeplant und vorbereitet wird”27.

Doch erst die Sucht läßt den Markt so funk-tionieren wie er beschrieben worden ist. Soist die Nachfrage auf Grund der Abhängig-keit relativ preisunelastisch, weshalb trotzmassiver Preiserhöhungen die nachgefragteMenge kaum zurückgeht28. Aus dieser Un-elastizität folgt auch, dass die Nachfragenicht proportional zum Rückgang der Preisewächst beziehungsweise überhaupt nichtwächst. Das heißt jedoch nicht, dass diePreise astronomische Höhen erreichen kön-nen und die Qualität völlig nebensächlichist, da bei zu hohen Preisen und zu schlech-ter Qualität ErstkonsumentInnen abge-schreckt werden. Die Strafverfolgung dientin der illegalen Drogenökonomie zur Markt-

regulierung. Durch die Erfolge der Polizeiwird die absolute Monopolisierung verhin-dert und die Unfähigsten aus dem Verkehrgezogen.

Der deutsche Drogenfachmann HeinoStöver kommt angesichts der ökonomisch-en Fakten zu folgendem Schluß: “Die prohi-bitive Drogenpolitik fast aller Staaten gar-antiert (. . .) enorme Profitraten und unter-stützt das organisierte Verbrechen beimAuf- und Ausbau ihres wichtigsten Ge-schäftszweiges. In der WachstumsbrancheDrogen hat eine Kapital- und Machtkon-zentration stattgefunden, die überstaatli-che Ausmaße angenommen hat.Die Fortsetzung der Prohibition bedeutetalso gleichzeitig die Fortsetzung der profi-tablen Geschäfte der organisierten Krimi-nalität”29.

27 a.a.O. S 5028 Prommerehne W.W./Hart A.: Drogenpolitik(en) aus ökonomischer Sicht. in: Grötzinger G.: Recht auf Sucht?Drogen Markt Gesetzte. Berlin 199129 Stöver H.: Drogenfreigabe. Plädoyer für eine integrale Drogenpolitik. S 2130 Sounders N.: Ecstasy. Zürich 1996, S 20

7.1 Geschichte

MDMA wurde 1898 vom deutschenDissertanten Haber erstmals hergestelltund im Auftrag der deutschen ChemiefirmaE. Merck 1913 patentiert. 1953 wird dieAnwendung der Substanz durch die US-Armee berichtet. Als “Vater” von MDMA giltjedoch der Chemiker Alexander Shulgin, derdie Substanz 1965 in seinem Labor resynthe-tisiert.

Zu erwähnen sind die Versuche in der USA,MDMA in der Psychotherapie einzusetzen.So wird von Erfolgen in der Behandlung desPosttraumatischen Stressyndroms, vonBulimie, in der Arbeit mit todkranken

PatientInnen und in Paartherapien berich-tet. In einem Erfahrungsbericht einesPsychotherapeuten heisst es: “MDMA istPenicillin für die Seele, und wenn Du ein-mal gesehen hast, was Penicillin tun kann,verschreibst du es immer wieder”30. Um zuverhindern, dass diese Substanz durch dieUS-Regierung wie LSD verboten wird, wer-den die Forschungsergebnisse jedoch kaumveröffentlicht.

Die Jahre zwischen 1977 und 1985 werdenals das Goldene Zeitalter von Ecstasybetrachtet. Für einige Zeit soll die Droge inDallas und Fort Worth sogar an Bars überKreditkartenbezahlung erhältlich gewesensein.

7. Die “Szenedroge” Ecstasy

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Aufgeschreckt durch Medienberichten underste medizinische Zwischenfälle wirdMDMA 1985 von der amerikanischen DrugEnforcement Administration (DEA) probe-weise für ein Jahr in die strengste Kategoriealler Drogen eingeordnet, jene der schäd-lichen und Sucht erzeugenden Substanzenohne medizinische Anwendungserlaubnis.1986 wird MDMA durch den Druck der USAvon der WHO in die Convention onPsychotropic Substances aufgenommen, dieallen WHO Mitgliedstaaten empfiehlt,MDMA der strengsten rechtlichen Kontrollezu unterwerfen. 1988 wird die Substanz inder USA endgültig verboten, ein Einsprucham Berufungsgericht wird trotz Empfehl-ung eines Richters, MDMA in einer niedri-geren Kategorie einzuordnen, abgelehnt.Um 1987 kommt die Droge über Ibiza nachGroßbritannien und Holland.

7.2 Wirkung von Ecstasy

Durch die Einnahme von Ecstasy kommt eszu einer Reduzierung des Hunger- undDurstgefühls, zu einer erhöhten Wachheitund Aufmerksamkeit, zu einer Erhöhungder Körpertemperatur und des Blutdruckssowie zu einer Verstärkung von Gefühlenund zu Zuständen wie Glück und Euphorie.In der psychotherapeutischen Anwendungwird eine emotional “öffnende” sowieEmpathie und Selbstakzeptanz verstärken-de Wirkung beschrieben31. Wenn die einge-nommene Substanz an Wirkung verliert,klagen Betroffene jedoch oft überMüdigkeit, Erschöpfung, Verwirrung sowieüber Traurigkeit und depressive Verstim-mung. Der Drogenexperte NicholasSounders schreibt dazu: “Die Erfahrungenvon KonsumentInnen reichen (. . .) vonSchlaf bis Paranoia, sie werden großteils

von Faktoren mitbestimmt, die Set undSetting genannt werden und die kulturellePrägung und Überzeugung, die Erwartungund die Stimmung zum Zeitpunkt ein-schließen”32.

Die möglichen Langzeitfolgen durch dieEinnahme von Ecstasy werden in derWissenschaft unterschiedlich gesehen.Sieht Sounders durch die regelmäßige Ein-nahme keine Gefahr, weist der deutscheMediziner Achim Scholdt vor allem aufnegative Auswirkungen auf das Zentral-nervensystem hin33.

7.3 Raves und Ecstasy

1987 entstand auf der Ferieninsel Ibiza eineRaveszene, die sich durch den englischenDJ Paul Oakenfeld über England in ganzEuropa ausbreitete. Sounders schreibtüber das Auftauchen der neuen Jugend-bewegung in England: “(...) Lagerhäuserwurden von den Veranstaltenden heimlichvorbereitet, damit sie keine gerichtlicheVerfügung gegen die Raves erhalten. DieTickets wurden im voraus verkauft, ohneAdresse, aber mit Telefonnummer, unter derin der Veranstaltungsnacht nähere An-gaben über den Treffpunkt, wie etwa eineAutobahntankstelle, zu erhalten waren.Wenn genügend Leute den Treffpunkterreicht hatten - mit bis zu tausend Autos,zu viele, um von der Polizei gestoppt zu wer-den -, fuhr der Konvoi zum eigentlichenVeranstaltungsort. Die Raves stießen aufheftigen Widerstand, denn AnwohnerInnenim Umkreis bis zu zwei Meilen lagen dieganze Nacht wach. Die Polizei ging mitSpezialeinheiten gegen die Raves vor, führ-ten Razzien durch und setzten sogarUndercover-Agenten ein. Doch die Hinder-

31 Kriener H.: Neue Wege in der Suchtprävention: das wissenschaftliche Pilotprojekt ChEck iT!. In: FellöckerK./Franke S. (Hrsg.): Suchtvorbeugung in Österreich. Wien/New York 200032 Sounders N.: Ecstasy. Zürich 1996, S 2633 Scholdt A.: Hirnschädigungen durch Ecstasy. in: Büro f. Suchtprävention (Hrsg.): Ecstasy - Prävention desMissbrauchs. Hamburg 1996

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nisse machten die Sache noch attraktiver.Raves wurden populär - und mit ihnenEcstasy”34.

1988 nimmt sich die britische Boulevard-presse dieser neuen Entwicklung an. Eswird von extremen Nebenwirkungen der“Teufelsdroge Ecstasy” wie Halluzinatio-nen, Panikattacken und der Gefahr, unterder Wirkung von Ecstasy sexuell miß-braucht zu werden, berichtet.

Das Phänomen der Technokultur undDrogen sind aufs engste miteinander ver-quickt35. Vergleicht man die Daten, zeigtsich, dass der Konsum von illegalen Drogenin der Raveszene ausgeprägter ist, als in derDurchschnittsbevölkerung. Neben Ecstasywird vor allem Cannabis, Amphetamineund Halluzinogene wie LSD konsumiert.Das Besondere an Ecstasy ist, dass dieSubstanz die Wahrnehmung von Berüh-rungen und Geräuschen intensiviert.Sounders beschreibt die Wirkung vonMDMA bei Raves wie folgt: “Die Kombi-nation der Droge mit Musik, Lichteffektenund Tanz bewirkt einen angeregten, trance-ähnlichen Zustand, der vielleicht mit demzu vergleichen ist, der während Stammesri-tualen oder religiösen Zeremonien erfahrenwird”36.

7.4 Der gesellschaftspolitische Aspekt derRaveszene und des Ecstasykonsums

Für den Drogenexperten Patrick Walderbesteht ein Zusammenhang zwischen maß-losem Ecstasykonsum und “düsterenLebensaussichten” Jugendlicher37. Währendunter der Woche Höchstleistungen in

Schule und Beruf erbracht werden müssen,sind am Wochenende Genuss undSinnesfreuden angesagt.

Auffallend ist jedoch, dass sich die Jugendauch in ihrer Freizeit den “unvermeid-lichen” Gesetzen der Gesellschaft unter-wirft. So entspricht die Beschleunigung derGesellschaft, der “Beschleunigung durchDrogen und Beats. Der knappen Freizeit undden engen Freiräumen muss das Letzte anEreignis und Attraktion abgerungen wer-den: Immer schneller, immer mehr! DieseLeistung ist ohne Doping nicht zu schaf-fen”38. Verstärkt wird dieser Teufelskreislaufdurch die Kommerzialisierung der Techno-kultur. Sponsoring, Werbung und ProductPlacemaent durch die Freizeit- und Sucht-mittelindustrie gehören zur Normalität derRaveszene. Der Konsum von illegalenDrogen scheint dabei nicht zu stören, denndie Wirtschaft hat längst erkannt, dass dieTechnokultur den idealen Markt bietet.

7.5 Eine neue Drogenfront?

Ecstasy ist ein gutes Beispiel für dasScheitern der prohibitiven Drogenpolitik,da die Droge erst nach ihren Verbot Ver-breitung fand. Sounders schreibt: “DieKriminalisierung vom MDMA zeigte weit-reichende Konsequenzen. Erstens wurdeverhindert, dass die Droge von professio-nellen TherapeutInnen gebraucht werdenkonnte. Zweitens nahm die Qualität dergehandelten Droge ab, weil die Nachfragenur von illegalen Labors gedeckt und dieDroge von einem eben solchen Netz vertrie-ben wurde”39.Walder meint dazu: “Das Gefährliche am

34 Sounders N.: Ecstasy. Zürich 1996, S 2435 vgl. Kriener H.: Neue Wege in der Suchtprävention: das wissenschaftliche Pilotprojekt ChEck iT!. In:Fellöcker K./Franke S. (Hrsg.): Suchtvorbeugung in Österreich. Wien/New York 200036 Sounders N.: Ecstasy. Zürich 1996, S 28 37 Walder P.: Ecstasy in der Schweiz. in: Sounders N.: Ecstasy. Zürich 1996 38 ebd.: Love, Peace & Ecstasy. in: Büro f. Suchtprävention (Hrsg.): Ecstasy - Prävention des Missbrauchs.Hamburg 1996 39 Sounders N.: Ecstasy. Zürich 1996, S 24

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Drogenkonsum ist bekanntlich weniger dieDroge selbst, als das Unwissen der Kon-sumenten und das Risiko durch die Illegal-ität”40.

Österreichische SuchtexpertInnen forderndaher ein pragmatisches Vorgehen. NebenInformation über die Inhaltsstoffe vonEcstasy-Tabletten soll vor allem das richtige

Umgehen mit der Droge erlernt werden, umdie Risiken des Drogenkonsums zu mini-mieren41. Der Leiter des Ludwig BoltzmannInstitutes für Suchtforschung, AlfredSpringer, weist jedoch darauf hin, dass dieRahmenbedingungen, die durch das Sucht-mittelgesetz vorgegeben sind, die Anwend-ung des schadensbegrenzenden Zugangs inder Suchtprävention äußerst erschweren42.

40 Walder P.: Love, Peace & Ecstasy. in: Büro f. Suchtprävention (Hrsg.): Ecstasy - Prävention des Missbrauchs.Hamburg 1996, S 3641 vgl. Kriener H.: Neue Wege in der Suchtprävention: das wissenschaftliche Pilotprojekt ChEck iT!. in: FellöckerK./Franke S. (Hrsg.): Suchtvorbeugung in Österreich. Wien/New York 200042 vgl Spriner A.: Drogenpolitik und Suchtprävention in Österreich. in: Fellöcker K./Franke S. (Hrsg.):Suchtvorbeugung in Österreich. Wien/New York 2000

8.1 Die Analyse der verschiedenen Modelle

In Europa kommen folgende Konzepte zurAnwendung:

1. das Modell der Schadensminimierung2. das therapeutische Modell und3. das Modell der Kontrolle.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieseModelle in der Realität nicht 1:1 umgesetztwerden, aber den ideologischen Hinter-grund für bestehende Konzepte bilden oderals Leitbilder bei der Ausarbeitung einerneuen Politik fungieren.

8.1.1 Das Modell der Schadens-minimierung

Ziel dieses Modells ist es, Risiken undSchäden die durch den Drogenkonsum ent-stehen können, zu vermeiden bzw. mög-lichst gering zu halten. So wird Sucht auchnicht als Krankheit oder kriminelle Tatbetrachtet.

Teil dieses Modells ist das in England entwi-ckelte Konzept der “harm reduction”. DiesesKonzept beinhaltet mehrere Zielsetzungen,die alle die Risiken im Zusammenhang mitillegalen und legalen Drogen vermindernsollen. So sind langfristige Entzugsthera-pien genauso möglich, wie die kontrollierteAbgabe von Heroin.

Ein Teilkonzept des Modells der Schadens-minimierung ist die “Politik der Normali-sierung”. Es geht davon aus, dass die dro-genfreie Gesellschaft nicht verwirklichbarist. Ziel ist es daher, die Drogendiskussion zuversachlichen, damit die effiziente Be-kämpfung realer Probleme und Gefahren,die der Konsum illegaler und legaler Drogenmit sich bringt, möglich wird.

Eine der wichtigsten Maßnahmen desModells der Schadensminimierung ist diebestmögliche Begleitung der Drogen-abhängigen während sämtlicher Stadienihrer Abhängigkeit. Das Polizei- bzw.Justizsystem hat dabei die Aufgabe, auf

8. Drogenpolitische Modelle in Europa

1. das Modell der Schadensminimierung2. das therapeutische Modell und3. das Modell der Kontrolle.

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22 Die Broschüre der Sozialistischen Jugend

symbolische repressive Handlungen zu ver-zichten.

Was die gesetzlichen Bestimmungenbetrifft, wird die Entkriminalisierung desKonsums von sogenannten härterenDrogen und die Legalisierung von Cannabisdurchaus als sinnvoll erachtet.

Das Angebot im medizinischen und thera-peutischen Bereich ist im Modell derSchadensminimierung sehr weit gefaßt. Sowerden sowohl stationäre Langzeitthera-pien, als auch niedrigschwellige Aktivitätenwie Spritzen- oder Methadonabgabe ange-boten.

Die Arbeit von SozialarbeiterInnen undÄrztInnen findet direkt auf der Straße statt,um die Drogensüchtigen besser zu errei-chen. Die Wiedereingliederung wird in die-sem Zusammenhang nicht als letzterSchritt eines langen therapeutischenProzesses mit dem Ziel der völligenAbstinenz gesehen, sondern als Bewahrungder Drogenabhängigen vor Marginalisie-rung und Verelendung. Drogenkonsum undsoziale Integration müssen sich nach die-sem Konzept also nicht widersprechen.Weiters werden die Probleme der Drogen-abhängigen ausschließlich auf Wunsch derAbhängigen selber angegangen.

So wird das Modell “Therapie statt Strafe”nicht als sinnvoll erachtet, da erzwungeneTherapien keinen Heilungserfolg verspre-chen und Lösungen aus der Abhängigkeitnur auf Initiative der betroffenen Personenselbst erfolgen können.

Die große Bandbreite drogenpolitischerMaßnahmen erfordert natürlich ein effi-zientes Netzwerk der verschiedenenHilfsinstitutionen. Diese Koordinations-struktur entsteht durch regelmäßige

Arbeitstreffen, wobei dem öffentlichenBereich in diesem Modell die wichtigeStellung eines Initiators zukommt. Eineandere Aufgabe des Staates ist es, Experi-mente anzuregen. Durch diese Experimentebleibt das Modell der Schadensminimie-rung entwicklungsfähig.

8.1.2 Das therapeutische Modell

Durch die Medizinalisierung des Drogen-problems wird die Drogensucht alsKrankheit gesehen, die vom Staat imRahmen seines Auftrags zur Wahrung der“Volksgesundheit” geheilt werden muß. Dastherapeutische Modell ist durch dreiAspekte gekennzeichnet:

1. durch eine klare Ausrichtung aufAbstinenz2. durch die Behandlung der Symptome und 3. durch die Dominanz staatlicherEinrichtungen.

Das Ziel dieses Modells ist es, Drogen-abhängige von ihrer “Krankheit” zu heilen,wobei in der Behandlung Entzugstherapienim Mittelpunkt stehen. Überlebenshilfenwerden nur in zweiter Linie angeboten undzwar nur in Extremfällen, die als nicht rele-vant für den Drogenbereich angesehen wer-den. So kommt auch der sozialen Betreuungder Abhängigen kaum Bedeutung zu.Weiters wird die Prävention völlig vernach-lässigt.

Im Bereich der Kontrolle/Repression gibt eszwei Handlungsansätze. In dem einem Fallwird dem Süchtigen jede Verantwortungfür sein Tun abgesprochen, da er ja “krank”ist. Die Polizei konzentriert sich dement-sprechend auf die Bekämpfung desHandels. Im zweiten Fall wird der Abhängi-ge zum Kriminellen und Drogenabhängig-keit mit Kriminalität gleichgesetzt. Das

1. durch eine klare Ausrichtung auf Abstinenz

2. durch die Behandlung der Symptome 3. durch die Dominanz staatlicher

Einrichtungen.

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Die Broschüre der Sozialistischen Jugend 23

Aufgabenfeld des therapeutischen Modellsist somit vorwiegend durch ein breitesAngebot von Therapien und durch dieRepression durch Ordnungskräfte gekenn-zeichnet.

Als Voraussetzung der sozialen Wiederein-gliederung wird die Abstinenz gesehen,wobei soziale Ursachen des Suchtverhaltenswie Arbeitslosigkeit, Armut, etc. ausge-klammert werden.

Was die drogenpolitischen Aktivitätenbetrifft, wird ausschließlich dem Staat dieprofessionelle Kompetenz zur Übernahmemedizinischer und repressiver Tätigkeitenzugetraut. Dementsprechend hat der priva-te Sektor in diesem Modell wenig Einfluß.

Da als oberstes Ziel die Abstinenz derDrogenabhängigen gilt, ist die Behandlungmit Substitionsmitteln und die Entkrimi-nalisierung bzw. Legalisierung von Drogennicht vorgesehen.

8.1.3 Das Modell der Kontrolle

Das Modell der Kontrolle ist durch folgendeAspekte gekennzeichnet:

1. durch eine umfassende soziale und politi-sche Kontrolle des Drogenproblems2. durch die utopische Einstellung der dro-genpolitischen Akteure und3. durch eine starke Integration, die alleBereiche miteinander verbindet.

Drogensucht wird als gesellschaftlichesProblem gesehen und fällt deshalb in denAufgabenbereich der allgemeinen Sozial-und Gesundheitspolitik. Für die konkreteDrogenarbeit bedeutet dies, dass drogenpo-litische Aktivitäten innerhalb bereits beste-

hender Einrichtungen aus dem Sozial- undGesundheitswesen durchgeführt werden.Dies erlaubt, Präventionsstrategien zu ent-wickeln, die auf der Früherkennung undFrühmeldung durch die Bevölkerung auf-bauen, um bereits auf frühzeitige Anzei-chen einer Abhängigkeit reagieren zu könn-nen.

Die Aufgabe der Polizei ist es, das Entsteheneiner offenen Szene zu verhindern umdadurch zu vermeiden, dass unter der Be-völkerung die Befürchtung entsteht, dieSituation sei außer Kontrolle geraten.

Der Utopismus des Modells der Kontrolleführt dazu, dass unter den Akteuren einhoher Konsens bezüglich Zielsetzung undMaßnahmen herrscht, Experimente jedochfast unmöglich sind.

Drogensucht wird nicht nur als Krankheit,sondern auch als anormales Verhalten ge-wertet, da sie die gesellschaftliche Integra-tion und das Gemeinwesen gefährdet.

Die Aufgabe der Drogenpolitik ist deshalb,die Drogensüchtigen nicht zu verdammenoder zu stigmatisieren, sondern sie in dieGesellschaft zu integrieren.

Dementsprechend gibt es eine hohe Zahlvon Angeboten im Bereich der Wiederein-gliederung und der Prävention. So geht dasModell der Kontrolle auch davon aus, dassDrogenkonsum immer mit einer Reihe vonsozialen Problemen verbunden ist, auf diereagiert werden muß. In Spritzenabgabe,Substitionsbehandlung und Entkriminali-sierung bzw. Legalisierung von Drogen,wird kein Sinn gesehen, da diese Maßnah-men nicht zum Ziel einer drogenfreienGesellschaft führen bzw. die Drogenabhän-gigen nicht zum Entzug motivieren.

1. durch eine umfassende soziale und politische Kontrolle des Drogenpro-blems

2. durch die utopische Einstellung der drogenpolitischen Akteure

3. durch eine starke Integration, die alle Bereiche miteinander verbindet.

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24 Die Broschüre der Sozialistischen Jugend

Durch den Eintritt der FPÖ in die Bundes-regierung hat sich die Ausrichtung derDrogenpolitik grundlegend geändert. Fürdie neue Regierung sind Drogensüchtigenicht nur krank, sondern vor allem auch kri-minell. Die bis jetzt beschlossenen Gesetzeund Verordnungen weisen darauf hin, dassder bisherige drogenpolitische Grundkon-sens aufgekündigt wurde. Stand für sozial-demokratisch geführte Regierungen dasPrinzip “Therapie statt Strafe” im Mittel-punkt, konzentriert sich die FP/VP Koalitionauf abschreckende Maßnahmen43. Bezeich-

nend ist, dass nicht sachliche Argumentedrogenpolitische Entscheidungen prägen,sondern irrationale Einstellungen vonPolitikerInnen. Die Empfehlungen derösterreichischen Drogenfachleute werdendabei immer wieder negiert. Schon 1997 kri-tisierte der Drogenkoordinator des Burgen-landes Ewald Höld, dass die österreichischeDrogenpolitik vor allem durch die kritikloseÜbernahme “von irrationalen Strategienwie ‘war on drugs’ Ideologien, Wellnesspro-grammen, Sektenmethoden etc.” geprägtist44.

9. Drogenpolitik in Österreich

43 z.B. Absenkung der Grenzmenge bei Heroin von fünf auf drei Gramm.44 a.a.O. S 13445 Amendt G.: Eine radikale Kurskorrektur vornehmen. Über Interessen und Interessensgegensätze in der dro-genpolitischen Auseinandersetzung. S 158 in: Rütsche B./Stirnimann P. (Hrsg.): Drogen und Dritte Welt.Plädoyer für eine neue Nord-Süd-Drogenpolitik. Luzern 1997

10.1 Ziele einer alternativen Drogenpolitik

Die selektive Drogenprohibition ist geschei-tert und der Drogenkrieg verloren.Angesichts des dramatischen Anstiegs derDrogenproduktion, bleibt jedoch nicht mehrviel Zeit für eine radikale Kurskorrektur.“Drei Jahrzehnte illegalen Drogenhandels,drei Jahrzehnte, in denen Drogengeldergewaschen und in den legalen Sektor derWirtschaft transferiert wurden, habenFakten geschaffen, die es immer schwerermachen, die Grenze zu ziehen zwischenlegaler und illegaler Wirtschaftstätigkeit.Mit jedem Tag, an dem das Prohibitions-dogma unangetastet bleibt, wächst nichtnur der soziale Problemdruck, es wächstauch die politische und ökonomischeMacht der Prohibitionsgewinnler”45. Nebender Stärkung des organisierten Verbre-

chens, führte die selektive Drogenprohi-bition vor allem zur Marginalisierung undVerelendung der Drogensüchtigen. Aus derAnalyse der drogenpolitischen Realitätergeben sich für eine alternative Drogen-politik folgende Ziele:

* bessere Regulierung des Drogenmarktes * Verdrängung des organisiertenVerbrechens aus dem Drogenhandel* Verminderung der Risiken und Schädendie durch den Drogenkonsum entstehen* Verhinderung von Sucht* Verhinderung von Verelendung undMarginalisierung bei Drogenabhängigkeit* Normalisierter Umgang mit Drogen undDrogenkonsumentInnen* Erziehung zum selbstbestimmtenKonsum.

10. Drogenpolitische Alternativen

* bessere Regulierung des Drogenmarktes

* Verdrängung des organisierten Verbrechens aus dem Drogenhandel

* Verminderung der Risiken und Schädendie durch den Drogenkonsum entstehen

* Verhinderung von Sucht* Verhinderung von Verelendung und

Marginalisierung bei Drogenabhängigkeit

* Normalisierter Umgang mit Drogen undDrogenkonsumentInnen

* Erziehung zum selbstbestimmtenKonsum.

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10.2 Alternative Drogenkontrollmodelleohne Strafrecht

Heino Stöver definiert alternativeDrogenkontrollmodelle ohne Strafrecht alsKonzepte, die “von den Interessen undBedürfnissen der GebraucherInnen stattvon abstrakten staatlichen Verhaltens-ansprüchen” ausgehen46. Im Mittelpunktdieser Modelle stehen Verbraucherinfor-mationen, Kontrollen der Produktion,Distribution und der Schutz der Gesellschaftvor unmittelbar drogeninduziertenSchäden. Dass eine Kontrolle von Rausch-drogen grundsätzlich notwendig ist, wirdals gesellschaftlicher Minimalkonsens vor-ausgesetzt. “Die strafrechtlich-orientierteKontrolle hat jedoch nicht vermocht, Pro-duktion, Verkehr und Handel von Drogenwie auch die Qualität der konsumiertenSubstanzen wirksam zu kontrollieren. Sieüberläßt alles der Anarchie des Schwarz-markts, dessen Existenz und Gewinne siegarantiert. Prohibition bewirkt das Gegen-teil von Regulation und Kontrolle: Deregu-lation”47.Das Ziel alternativer Drogenkon-trollmodelle ist wirksame, gesellschaftlicherprobte, legitimierter und bereits akzetier-te Kontrollmaßnahmen in das Suchtmittel-gesetz zu integrieren.

10.2.1 Kultur als Kontrolle

Stöver definiert den Begriff Drogenkulturals “Prozeß des gemeinen, autonomen undkundigen Umgehen-Könnens mit Dro-gen”48. Drogenkulturen schaffen sich selbstRegeln eines erwünschten oder geduldeten,verpönten Drogengebrauchs und geben sol-che Regeln weiter. “Dieses kulturelleRegulativ mit seinen informellen Sank-tionssystemen, die in der Lebenswelt derKonsumentInnen verankert sind, basiertgerade auf den Prinzipien von Selbstbestim-

mung und Einübung von Kompetenz derDrogengebraucher. Ein Prozeß der ‘Norm-alisierung’, der tendenziell das nachholt,was gegenüber legalen Drogen längstselbstverständlich ist”49. Die Gesellschafthat die Aufgabe, die KonsumentInnen inihrer Selbstregulation zu unterstützen.

10.2.2 Suchtprävention als Stützung derSelbstregulation

Suchtprävention hat nicht die Aufgabe,Kinder und Jugendliche zur Abstinenz zuerziehen. Sie muß vielmehr als Stützung derSelbstregulation gesehen werden. Die dro-genfreie Gesellschaft wird nie verwirklichtwerden. Das Ziel der Prävention sollte des-halb die Erziehung zum selbstbestimmtenKonsum sein. Drogenkonsum wird in die-sem Zusammenhang nicht als Gefahr wahr-genommen, sondern als alternative Formdes Genusses akzeptiert.

Stöver schreibt dazu: “Prävention imDrogenbereich als Element allgemeiner Ge-sundheitsförderung sollte die (potentiellen)KonsumentInnen nicht mit moralisieren-den Botschaften belehren, sondern sie alsaktive, kompetente und in vielfacher Hin-sicht zu unterstützende AkteureInnen vonGesundheitsförderung begreifen. IhreAufgabe läge einerseits in der Hilfe zurVorbeugung vor subjektiv unerwünschten(Neben-) Wirkungen von Drogen (etwaunerwünschten Abhängigkeiten odergesundheitlichen Schäden), andererseits ineiner Form der Drogenberatung als Genuß-erziehung und Vermittlung bedürfnisadä-quater Hilfen. Ebensowenig wie Gesundheitauf einen Zustand des Freiseins von Krank-heit oder Gebrechen reduziert werden kann,ist Gesundheitsförderung zu verstehen alsPropaganda für Abstinenz von Drogen oderanderen Risiken”50.

46 Stöver H.: Drogenfreigabe. Plädoyer für eine integrative Drogenpolitik. Freiburg i. Brsg. 1994 S 6647 a.a.O.48 a.a.O. S 6849 a.a.O. S 7050 a.a.O. S 74

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10.3. Legalisierung von Cannabisprodukten

Es gilt als medizinisch erwiesen, dassCannabisprodukte weit weniger gesund-heitsschädlich sind als Nikotin oderAlkohol. In einem Urteil des LandesgerichtsLübeck heißt es: “Die von der Kammergetroffenen Feststellungen belegen, dassdie gesundheitlichen und sozialenGefahren, die mit dem Haschischkonsumverbunden sind, sogar ungleich geringereinzustufen sind als die, die mit demMißbrauch von Alkohol verbunden sind”51.Auch ist es wissenschaftlich längst bewie-sen, dass Cannabis keine Einstiegsdroge fürsogenannte härtere Drogen ist.

Dazu das Lübecker Landesgericht: “DieTheorie von der sogenannten Einstiegs-droge wird von der (unzutreffenden)Denkschablone getragen, dass aus derVerwendung der Droge ein Drang nachDosissteigerung logisch folge und dieservon der leichten zur starken Dosis führenmüsse.

Dabei wird übersehen und unberücksich-tigt gelassen, ob die Drogen in ihrer Wir-kung miteinander vergleichbar sind unddass dann doch der leichte und beliebig stei-gerbare Alkoholkonsum als Alternative vielnäher liegt”52. Cannabis wirkt eher beruhi-gend und einschläfernd, während Drogenwie Kokain und Heroin stark euphorisieren-de Auswirkungen haben. Diese Drogenkönnen daher von ihrer Wirkungsweisenicht als Steigerung des Cannabiskonsumsgesehen werden, sondern haben eine ent-gegengesetzte, dem Alkohol ähnlicheWirkung53.

Es gibt eine Reihe von Ländern, dieCannabisprodukte faktisch legalisiert ha-ben, ohne dass es zu epidemischen Ausweit-ung des Konsums gekommen ist54. So habendie Niederlande durchaus positive Erfahr-ung mit der Einführung der Coffeeshopsgemacht.

Die Legalisierung von Cannabis muß jedochan bestimmte Voraussetzungen gebundenwerden. Der deutsche Jurist SiegfriedFranke schlägt daher vor, Cannabisproduktein speziell dazu lizensierten Geschäften(Drogerien, Apotheken oder spezielle Caféswie in den Niederlanden) zu verkaufen. DieLizenznehmerInnen sollten fallweise über-prüft werden und bei Mißbrauch die Zulas-sung für das gesamte Geschäft verlieren.Weiters sollte die Abgabe nur in geringenMengen und ausschließlich zum persön-lichen Gebrauch erfolgen. Partielle Verbotekönnten sich nach Franke darauf erstrecken,den Verkauf an unter 16-jährige zu verbie-ten55.

Die Legalisierung von sogenannten wei-chen Drogen impliziert eine Aufhebung desVerbots der Anpflanzung geeigneter Vor-produkte und ihrer Weiterverarbeitung.Dies würde sich vor allem auf Produzenten-länder der sogenannten Dritten Welt positivauswirken.

10.3.1 Kontrollierte Abgabe von Heroin undKokain an Suchtkranke und die Entkrimi-nalisierung des Konsums von sogenann-ten harten Drogen

Franke geht von dem Grundsatz aus, “dassden Süchtigen die Möglichkeit einzuräu-men ist, bei ärztlich festgestellter Sucht,

51 Vorlagebeschluß des Landesgericht Lübeck Art 100 GG S 4752 a.a.O. S 3953 a.a.O.54 Franke S.F.: Grundlagen und Umrisse eines Konzeptes zur Freigabe illegaler Drogen. in: Grötzinger G.: Rechtauf Sucht? Drogen Markt Gesetzte. Berlin 199155 a.a.O.56 a.a.O. S 113

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harte Drogen gegen eine geringe Gebühr -notfalls sogar kostenlos - zu erhalten”56. Dievorgeschlagene Maßnahme ist Bestandteilder “harm reduction”. Ziel ist es, die mit derBeschaffung und dem Konsum von soge-nannten harten Drogen verbundenenProbleme (Infektionskrankheiten, Krimi-nalität, Prostitution, Verelendung undMarginalisierung) zu verringern und mögli-cherweise zu beseitigen57.

Der deutsche Jurist schlägt vor, dieFeststellungs- und Verordnungsbefugnis indie Hand spezieller Ärzte zu legen. Weiterssollte die Einnahme nur in der Höhe der ver-ordneten Dosis und unter Aufsicht in denSuchtstationen bzw. den Gesundheits-ämtern erfolgen. Dies soll verhindern, dassSüchtige einen Teil des verordneten Quan-tums an Dritte weitergeben. Für die not-wendige Qualität der Produkte könnte diePharmaindustrie oder ein genossenschaft-lich organisiertes Drogenzentrum sorgen58.

Zusätzlich schlägt Franke folgende partielleVerbote vor:

* Heranwachsender und Kindern solltenDrogen nur in Ausnahmefällen für begrenz-te Zeit verordnet werden. Im allgemeinenmuß der ärztlichen Behandlung mit demZiel der Drogenfreiheit Vorrang eingeräumtwerden und* der Handel wie auch sonstige Weitergabevon harten Drogen ist zu unterbinden59.

Neben der kontrollierten Abgabe ist einegenerelle Entkriminalisierung des Konsumsvon sogenannten harten Drogen durchzu-führen.

10.3.2 Drogenpolitik aus entwicklungspoli-tischer Perspektive

Das Drogen”problem” kann nur dann er-folgreich angegangen werden, wenn Fragender Produktion, des Handels und des Kon-sums gleichermaßen berücksichtigt wer-den.

Ein Großteil der unabhängigen Fachleutegeht davon aus, dass sich die Drogenlegali-sierung für die Produzentenländer positivauswirken kann. So könnte die Legalisi-erung “wesentlich dazu beitragen, dieKorruption durch Drogengelder auf allenEbenen zu unterbinden, ebenso die Finanz-ierung von Waffen, um ethnische oder reli-giöse Kriege auszutragen. Es könnte ganzallgemein der Eskalation von Gewalt welt-weit Einhalt geboten werden, denn esbesteht ein eindeutiger Zusammenhangzwischen Drogenwirtschaft und gewaltsa-men, regionalen Konflikten”60.

Als problematisch werden Vorschläge zureinseitigen Entkriminalisierung des Dro-genkonsums betrachtet. “Bei einer Konsum-legalisierung des Drogenkonsums wärender Handel und die Produktion weiterhinillegal. Es kann also eine Ware konsumiertwerden, die weder produziert noch gehan-delt werden darf. Ein Widerspruch. Mehrnoch: Damit wird einseitig das ganzeGewicht der Repression auf den Schulternder ProduzentInnen abgeladen”61. Für dieproduzierenden Länder macht daher nureine generelle Drogenlegalisierung Sinn.Diese muß jedoch von flankierenden, ent-wicklungspolitischen Maßnahmen zurAnbausubstituierung und Angebotsredu-zierung begleitet werden62.

57 Renggli R./Tanner J.: Das Drogenproblem. Geschichte, Erfahrungen, Therapiekonzepte. Berlin Heidelberg 199458 Franke S.F.: Grundlagen und Umrisse eines Konzeptes zur Freigabe illegaler Drogen. in: Grötzinger G.: Rechtauf Sucht? Drogen Markt Gesetzte. Berlin 199159 a.a.O.60 Stirnimann P.: Handlungsmodelle und Diskurse in der europäischen Drogenpolitik. S 141-142 in: RütscheB./Stirnimann P. (Hrsg.): Drogen und Dritte Welt. Plädoyer für eine neue Nord-Süd-Drogenpolitik. Luzern 199761 a.a.O. 62 a.a.O.

* Heranwachsenden und Kindern sollten Drogen nur in Ausnahmefällen für begrenzte Zeit verordnet werden. Im allgemeinen muß der ärztlichen Behandlung mit dem Ziel der Drogen-freiheit Vorrang eingeräumt werden und

* der Handel wie auch sonstige Weitergabe von harten Drogen ist zu unterbinden59.

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10.4 Langfristige Schritte

Die Schweizer Stirnimann und Rütscheschlagen als langfristige Schritte die Legali-sierung aller Drogen vor63. Der Staat hättedabei die Aufgabe, Produktion, Handel undKonsum zu regeln. Bezüglich des Konsumsfordern sie klare Vorschriften, die dieZugänglichkeit der Stoffe entsprechendihres tatsächlichen Gefährlichkeitsgradesund ihres Abhängigkeitspotentials regeln.Werbung für Drogen wäre generell verbo-ten.

Eine Politik der generellen Drogenlegalisie-rung ist jedoch nur dann verantwortlich,wenn sie von umfassenden Präventions-maßnahmen auf der Ebene des Konsumssowie von Entwicklungsmaßnahmen aufder Ebene der Produktion begleitet wird.Solche Maßnahmen müßten jedoch schonheute eingeleitet werden.

Weiters schlagen Stirnimann und Rütschedie internationale Abstimmung der skizz-zierten Politik im Rahmen einer “AnderenWiener Drogenkonvention” vor, die dasResultat eines breiten demokratischenProzesses sein muß, “an dem Produzent-Innen und KonsumentInnen, Vertreter-Innen und Vertreter der Zivilgesellschaftund der Wissenschaft sowie die Regier-ungen aller betroffenen Länder gleichbe-rechtigt teilnehmen”64.

10.5 Zusammenfassung

Der “Krieg gegen Drogen” ist verloren. Erhat dem organisierten Verbrechen enormeGewinne ermöglicht und die Drogensüch-tigen marginalisiert und ins Elend getrie-ben. Die Drogenlegalisierung würde bedeu-

ten, diesen Prozeß zu stoppen. Die Beendi-gung des Drogenkriegs führt jedoch nichtautosmatisch zu einem endgültigen Siegüber das organisierte Verbrechen. “Dochden Profit aus dem Drogenhandel zu neh-men wäre ein wirkungsvoller Angriff aufseine wichtigste Einnahmequelle. Den‘Krieg gegen Drogen’ zu beenden hießeauch, die politischen Profiteure kaltzustell-len. Anstatt enorme finanzielle Mittel inrepressive Institutionen zu leiten, würdenMitteln frei, um Präventionsstrategien zuentwickeln, die mehr sein müssen als dieübliche Anti-Drogen-Propaganda”65.

Das “Drogenproblem” als solches ist jedochnicht lösbar. Wer noch immer von der dro-genfreien Gesellschaft träumt, ignoriertbewußt alle Erfahrungen und Erkenntnisseder letzten Jahre. Alle zukünftigen drogen-politischen Maßnahmen müssen deshalbdahingehend überprüft werden, ob sie hel-fen die Risiken und Schäden die mit demKonsum von Drogen verbunden sind, zumindern. Nicht zu vergessen ist aber auch,dass es nicht nur um eine Veränderung derDrogenpolitik, sondern auch um eineVerminderung von Suchtpotentialen gehenmuß. Hier ist vor allem auch die Politikgefordert, die Wirtschafts- und Gesell-schaftspolitik als großen Suchtfaktor inFrage zu stellen.

Wer zum Thema Sucht & Drogen Stellungbezieht, und dabei die menschenverachten-de nach Profitmaximierung ausgerichteteWirtschaftspolitik außer acht läßt, betreibtletztendlich keine suchtpräventive Politik,da unser System ein süchtiges System nachProfit ist, und somit zu substanzungebun-denen wie substanzgebundenen Süchtenjeder/jedes Einzelnen beiträgt.

63 Rütsche B./Stirnimann P.: Drogen und Dritte Welt. Plädoyer für eine Nord-Süd Drogenpolitik. in: RütscheB./Stirnimann P. (Hrsg.): Drogen und Dritte Welt. Plädoyer für eine neue Nord-Süd-Drogenpolitik. Luzern 199764 a.a.O. S 18965 Amendt G.: Eine radikale Kurskorrektur vornehmen. Über Interessen und Interessensgegensätze in der dro-genpolitischen Auseinandersetzung. in: Rütsche B./Stirnimann P. (Hrsg.): Drogen und Dritte Welt. Plädoyer füreine neue Nord-Süd-Drogenpolitik. Luzern 1997 S 160

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lieber ficken als fahren

bekifftbesoffen

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Literaturliste

Drogen und Dritte Welt Plädoyer für eine neue Nord-Süd-Drogenpolitik. Luzern 1997Drogenfreigabe Plädoyer für eine integrative Drogenpolitik. Freiburg i. Brsg. 1994Drogenökonomie und Internationale Politik Frankfurt/Main. 1996Das DrogenproblemGeschichte, Erfahrungen, Therapiekonzepte. Berlin/Heidelberg/New York. 1994Ecstasy Zürich 1996Ecstasy Prävention des Missbrauchs. Hamburg 1996Integrative Therapie Paderborn 1993Jugend und Sucht Wien (Orac) 1995Der Planet der Drogen Analyse einer kriminellen Weltmacht. Frankfurt/M. 1996Recht auf Sucht? Drogen Markt Gesetzte. Berlin 1991Sucht & Drogen Prävention in der Schule. München 1996Sucht und Drogen Düsseldorf (Rau) 1991Suchtvorbeugung in Österreich Wien/New York 2000Zumutungen Wien 1994

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Die Broschüre der Sozialistischen Jugend 31

JUSOS -Burgenland 7000 Eisenstadt, Permayerstr. 2Tel.: 026 82/775-292Fax: 026 82/[email protected]

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JUSOS Tirol6020 Innsbruck, Salurnerstr. 2Tel.: 0512/53 66-0Fax: 0512/53 [email protected]

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SJ-Linz4020 Linz, Kaisergasse 14aTel.: 0732/77 26 22Fax.: 0732/ 79 58 [email protected]

Sozialistische Jugend ÖsterreichVerbandsbüroNeustiftgasse 3, 1070 WienTel.: 01/523 41 23Fax: 01/523 41 [email protected]

Adressen der Sozialistischen Jugend

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Notizen

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denken, wo andere nicht mehr könnendie zivildienstbroschüre der sozialistischen jugend

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it’s friday...you ain’t got no job...you ain’t got any shit to do!

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