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Gesundheit Hamburg!

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Kuscheln, Fühlen,Doktorspiele ...

Dokumentation zur Fachtagung„Frühkindliche Sexualerziehung in der Kita“

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Herausgeberin:Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAG)Repsoldstr. 420097 HamburgTel: 040 – 632 22 20Fax: 040 – 632 58 [email protected]

Die Dokumentation wurde mit finanzieller Unterstützungder Behörde für Wissenschaft und Gesundheit erstellt.

Redaktion: Petra Hofrichter und Dörte Frevel (HAG), Holger Hanck und Matthias Weikert (BWG)Gestaltung und Satz: Christine OrltTitelgestaltung: MedienMelange, Tel: 040 – 85 41 98 90Druck: DrucktechnikAuflage: 500 ExemplareHamburg, November 2005

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Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Einleitung 5Petra Hofrichter, Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAG);Matthias Weikert, Behörde für Wissenschaft und Gesundheit (BWG)

Grußwort 6Hildegard Esser, Amt für Gesundheit und Verbraucherschutzder Behörde für Wissenschaft und Gesundheit

Wie sexuell ist kindliche Sexualität? 8Ina-Maria Philipps, Institut für Sexualpädagogik, Dortmund

Sexuelle Bildung von Anfang an! 14Sexualität und Sexualerziehung im Bildungsauftragvon KindertagesstättenProf. Dr. Uwe Sielert, Universität Kiel

Die Kinderliedertour „Nase, Bauch und Po“ der BZgA 22Eine bundesweite Initiative zur länderspezifischen Umsetzungder Sexualerziehung im KindergartenEckhard Schroll, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

Wie sag’ ich’s nur den Eltern ...? 25Sexualerziehung und Eltern im ElementarbereichSilke Moritz, Sven Vöth, pro familia LV Hamburg e. V.

Kuschelt Ali anders als Anna? 30Interkulturelle Sexualerziehung im KindergartenAyse Can, Bernd Priebe, pro familia LV Hamburg e. V.

Auch Spielen will gelernt sein! 32Einblicke in die aktive Gestaltung von Sexualerziehung in der Kita.Vermittlung von Methoden und Kompetenzen durch Kennenlernen,Ausprobieren und ReflektierenBeate Martin, pro familia Münster

Methoden und Materialien für die Praxis 34am Beispiel der Kindergartenbox„Entdecken, Schauen, Fühlen!“ der BZgAMaria Gies, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

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Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Von weinenden Rittern, raufenden Prinzessinnen 36und liebenden DrachenImpulse für geschlechtssensible ErziehungMirjam Spitzner, Stephan Moschner, pro familia Schleswig-Holstein

Grenzen und Grenzsituationen 37Kritische Situationen im Umgang mit kindlicher SexualitätElke Heptner, Ulrich Kaulen, Kinderschutzzentrum Hamburg

Kritische Situationen im Umgang mit kindlicher SexualitätBärbel Ribbert, Ralf Specht, Familienplanungszentrum und Institutfür Sexualpädagogik, Dortmund

Kinder mit Behinderung 42Gibt es Unterschiede in der Sexualität?Birgit von Stebut, Lebenshilfe Buxtehude

Der „VerkehrsKasper” zum Anfassen, Begreifen und Spielen 45Die Box für Kindergarten, Elternabende und FortbildungenEine Theateraktion entwickelt und gespielt von Kaleidoskop e. V.Theater und Kommunikation in Hamburg

Referentinnen/Referenten 47

Literaturempfehlungen 48

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Einleitung

Einleitung

Petra Hofrichter, Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAG)Matthias Weikert, Behörde für Wissenschaft und Gesundheit (BWG)

Wie sexuell ist kindliche Sexualität? Wie kann ich mit Eltern über Sexualerziehung in der Kinder-tagesstätte sprechen? Wie können Erzieherinnen mit kritischen Situationen besser umgehen? Wiekann interkulturelle Sexualerziehung in der Kita aussehen? Diese und andere Fragen waren The-men auf der Tagung „Kuscheln, Fühlen, Doktorspiele...“, die die Behörde für Wissenschaft undGesundheit (BWG) in Kooperation mit der HAG am 21. Februar 2005 in Hamburg veranstaltete.Über 200 Erzieherinnen, Erzieher, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus dem Gesundheits-und Bildungsbereich nahmen an dieser Veranstaltung teil. Viel Beifall und Zustimmung erhieltenIna-Maria Philipps vom Institut für Sexualpädagogik und Prof. Uwe Sielert von der Universität Kiel.Es gelang ihnen ausgezeichnet mit ihren Eingangsreferaten die Facetten der kindlichen sexuellenEntwicklung und die damit verbundenen Anforderungen an die Umsetzung dieses Bildungsauftragesdarzustellen.

In den Arbeitsgruppen konnten (neue) Methoden des Spielens oder der Sexualerziehung erprobtwerden. Hier fand ein Fachaustausch zum Thema der geschlechtersensiblen und interkulturellenErziehung und zum Umgang mit behinderten Kindern im Rahmen der Sexualerziehung statt. Aufbesonders großes Interesse stieß der Umgang mit Grenzüberschreitungen, der in zwei parallelenArbeitsgruppen angeboten wurde.

Begleitet wurde die Tagung vom Theaterprojekt Kaleidoskop, dem es mit Sketchen und szenischenDarbietungen gelang, dem Umgang mit kindlicher Sexualität auf sehr spielerische Art und WeiseRaum zu geben.

Ein Markt der Möglichkeiten, an dem sich unterschiedliche Beratungseinrichtungen, die Bundes-zentrale für gesundheitliche Aufklärung aus Köln und ein Fachbuchhandel beteiligten, eröffnetenallen Teilnehmenden die Möglichkeit, sich zu informieren und neue Kontakte aufzubauen.

Die Veranstaltung ist ein weiterer Schritt der BWG und der HAG, das Thema Sexualerziehung in derKita zu bewegen: Im Oktober 2004 fand die Kinderliedertour „Nase, Bauch und Po“ mit 6 Aufführun-gen für 3200 Kinder und Erzieherinnen statt, im Anschluss daran folgten drei Seminare für Erziehe-rinnen. Neben der BZgA zählen der pro familia Landesverband Hamburg e. V., das Familienplanungs-zentrum e. V., das Kinderschutzzentrum Hamburg und die Trägerverbände der Hamburger Kinderta-gesstätten zu den Kooperationspartnern/innen.

Das Thema Sexualerziehung in der Kita wird auch weiterhin die Veranstaltungspartner/innen be-schäftigen, im Anschluss an die Fachtagung wurde das Gespräch mit den Trägerverbänden undden Fachschulen gesucht, um die Berücksichtigung von Sexualerziehung in der Aus- und Fortbil-dung nachhaltig zu implementieren.

Kuscheln, Fühlen, Doktorspiele ...

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Hildegard Esser, Abteilungsleiterin der Abteilung Gesundheit des Amtes für Gesundheit undVerbraucherschutz der Behörde für Wissenschaft und Gesundheit

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie heute hier so zahlreich zur Eröffnung der Fachtagung zur frühkindlichenSexualerziehung in der Kita mit dem Titel „Kuscheln, Fühlen, Doktorspiele“ begrüßen zu können.Auf dieser Fachtagung soll die Sicht der Kinder zu diesem Thema und die tägliche Praxis derMitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kitas im Mittelpunkt stehen.

Die Idee zu dieser Fachtagung entstand im Rahmen der Hamburger Aufführungen der Kinderlie-der-Tour der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu dieser Thematik unter dem Namen„Das Märchen von Nase, Bauch und Po“. Wie Sie vielleicht wissen, sind in Hamburg imvergangenen Oktober im Ernst-Deutsch-Theater an der Mundsburg und im Bürgerhaus Wilhelmsburginsgesamt sechs Aufführungen mit großen Erfolg vor insgesamt mehr als 3.200 Kindern und derenErzieherinnen und Erziehern durchgeführt worden. Außerdem haben qualifizierende Workshopsfür interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kitas stattgefunden und weitere sind nochgeplant. Die Resonanz auf die Kinderliedertour, die Workshops und die dabei vorgestellte „Kinder-garten-Box“ als pädagogische Fundgrube für die Praxis war so überaus positiv, dass sich eineFortsetzung und Vertiefung geradezu anbot.

Nun wird die heutige Fachtagung hier in den Räumen der Universität Hamburg Ihnen eine weitereMöglichkeit zur vertiefenden Auseinandersetzung mit der Thematik und zum gegenseitigen fachli-chen Austausch und Kennenlernen ermöglichen. Die Hauptvorträge sind mit renommierten Referent-innen und Referenten dieses Themenfeldes besetzt und führen grundlegend in die Thematik ein.Die verschiedenen Workshops belegen eine große thematische Vielfalt, welche die Komplexitätdes Themas deutlich macht.

Die Eröffnung dieser wichtigen Hamburger Tagung möchte ich auch als Gelegenheit nutzen, mei-nen herzlichen Dank insbesondere an die BZgA auszusprechen, die heute hier mit einem Informa-tionsstand vertreten ist. Frau Knipschild1 von der Agentur Sinus wird in ihrem Vortrag noch Näheresüber die von mir bereits erwähnte Kinderliedertour berichten. Dies gibt mir die Gelegenheit, michbei der Agentur Sinus und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die – im Auftrag der BZgA diedetaillierte Planung der Aufführungen der Kinderlieder-Tour in Hamburg zum Großteil übernom-men hat – zu bedanken. Ohne diese beiden Kooperationspartner wäre dieses Projekt sicherlichnicht durchzuführen gewesen.Mein Dank geht natürlich auch an die anderen Hamburger Kooperationspartner und die Träger-verbände der Kitas, ohne deren Mitarbeit die Umsetzung hier in Hamburg ebenfalls nicht denkbargewesen wäre.

Dies gilt insbesondere für die HAG, welche auf Hamburger Ebene die Organisation immer infesten Händen hatte, dies ist insbesondere Frau Hofrichter zu verdanken.

Der Erfolg der bisherigen Veranstaltungen und die große Nachfrage zu dieser Fachtagung zeigen,dass das Thema „vorschulische Sexualerziehung“ Vielen unter den Nägeln brennt. Wer Kinder hatoder mit Ihnen arbeitet, weiß, dass Kinder wissbegierig sind und unbefangen ihre Fragen zu kör-perlichen Vorgängen, Geschlechtsunterschieden, zu den Themen „Liebe, Schwangerschaft undGeburt“ stellen. Bereits im Kindergartenalter also werden Erwachsene mit diesen Fragen der Kin-der konfrontiert. Sowohl Eltern wie auch Erzieherinnen und Erzieher sind nicht selten hierdurchverunsichert und erleben eine gewisse Scheu, wann und wie sie die Kinder aufklären sollen.

Grußwort der Behörde für Wissenschaft und Gesundheit

Grußwort

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Wir müssen uns jedoch den Fragen der Kinder stellen und diese aufgreifen, um ihnen altersgemäßeLern- und Erfahrungsräume zu ermöglichen. Diese Erfahrungen der Kinder, welche sie im Kontaktmit Eltern, anderen vertrauten Menschen oder mit sich selbst machen, sind Lernerfahrungen, diedas Selbstvertrauen stärken und ein positives Körpergefühl fördern.

Eine gute frühkindliche Sexualerziehung trägt daher auch zu einem gesunden Aufwachsen derKinder bei. Damit reiht sich die Fachtagung in ein Themenspektrum ein, das mir ganz besondersam Herzen liegt, nämlich die „Gesundheit von Kindern von Anfang an“. Hierzu zählen u. a. auchProjekte meiner Behörde wie das „Hamburger Modell der Familienhebammen“ oder das„Kooperationsprojekt Gesunde soziale Stadt“, in dem es um das Thema „Ernährung und Bewe-gung“ bei Kindern und Jugendlichen geht. Auch das Thema „Frühförderung“ spielt hierbei einewesentliche Rolle.

Mit der frühkindlichen Sexualerziehung stehen die Kindertageseinrichtungen vor der Aufgabe,eine die Erziehungsarbeit der Familien ergänzende Funktion zu übernehmen und das Grundwissendes Kindes über seinen Körper und seine körperliche Entfaltung zu fördern. In Deutschland gibt esca. 50.000 Kindertageseinrichtungen, die dazu einen Beitrag leisten können. Dort werden über 3Millionen Kinder von rund 373.000 Fachkräften betreut. In Hamburg gibt es etwa 860 Kindertages-einrichtungen. So kann ein Großteil der Kinder im Vorschulalter erreicht werden.

Sexualerziehung im Kindesalter ist nur in wenigen Kindertagesstättengesetzen der Bundesländerverankert. Umfassende Konzepte und Materialien zur vorschulischen Sexualerziehung fehlen meistund in der erzieherischen Aus- und Fortbildung wird das Thema häufig ausgespart.

Nach Informationen der BZgA halten immerhin 97 Prozent der Eltern heute eine altersgerechteSexualerziehung im Kindergartenalter für notwendig (s. BZgA-Forum, 4-2003, S. 30 ff).

Sehr wichtig ist mir dabei eine ganzheitliche Perspektive dieser Arbeit: Sexualerziehung wird alsPersönlichkeitsbildung verstanden und will nicht etwa isoliert Aspekte wie Zeugung oder sexuel-les Verhalten behandeln. Vielmehr werden diese Maßnahmen unter die Überschrift „Körperer-leben und Sexualerziehung“ gestellt. Eine so verstandene Sexualerziehung trägt wesentlich auchzum Erlernen partnerschaftlichen Verhaltens bei. Indem ein Kind hierüber sich selbst, seinen Kör-per und seine Grenzen kennen lernt, ist es in der Lage, auch die Grenzen anderer zu respektieren.Somit werden hiermit wichtige Grundlagen für die körperlich-seelische Gesundheit geschaffen.

Ich wünsche Ihnen nun einen guten Verlauf der Tagung, viele gute Gespräche untereinander unddadurch eine Verstärkung ihrer gemeinsamen Vernetzung, die in sozialen Arbeitsfeldern die besteGrundlage für gute Kooperation darstellt.

Grußwort

1) Frau Knipschild vertrat den kurzfristig verhinderten Eckhard Schroll von der BZgA.

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Ina-Maria Philipps, Institut für Sexualpädagogik Dortmund

1. Kindliche Sexualität im Vergleich zu erwachsener SexualitätKinder sind von Geburt an bzw. sogar pränatal bereits sexuelle Wesen, doch ihre Sexualität unter-scheidet sich in zentralen Punkten von der Sexualität Erwachsener:

Sie sind vielseitig ansprechbar („polymorph pervers“ – Freud), d. h. mit allen Sinnen auf derSuche nach maximaler Lustgewinnung – im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen, die ehergenital orientiert sind und deren breite sinnliche Ansprechbarkeit tendenziell verkümmert ist.Kindliche Sexualität ist gekennzeichnet durch Spontaneität, Neugier und Unbefangenheit. Mäd-chen und Jungen kennen zunächst keine Regeln, aufgrund derer sie ihre lustorientierten Such-bewegungen begrenzen oder verstecken müssten. Alles, was ihnen gefällt oder was sie interes-siert, wird gelebt – ganz anders als Erwachsene, die viele sexuelle Wünsche und Gefühle eherzurückhalten: Sie erleben sich häufig ge- und befangen in Verhaltensvorschriften für den gleich-und gegengeschlechtlichen Umgang.Kindliche Sexualäußerungen wirken nicht zielgerichtet und sind meist ganzheitlich, d. h. derKontakt zum eigenen Körper oder dem anderer ergibt sich in der Regel aus dem Spiel bzw. derSituation und kann durch entsprechende Impulse in andere Bahnen gelenkt werden unter Betei-ligung von Körper, Geist und Seele, während bei Erwachsenen eine Ausrichtung auf größtmög-liche Erregung und Orgasmus bei autoerotischer oder partnerschaftlicher Sexualität zu be-obachten ist.So kennen Kinder keine Trennung zwischen Zärtlichkeit, Sinnlichkeit und genitaler Sexualität;sie bewerten die verschiedenen Genussmöglichkeiten nicht, sondern nutzen alle vorfindlicheGelegenheiten, um schöne Gefühle zu bekommen, sich wohl und geborgen zu fühlen, Erregungzu spüren oder Möglichkeiten zur Erregungsabfuhr zu erhalten, ihren Körper kennen zu lernenund sich der eigenen Geschlechtsidentität zu vergewissern.Insofern ist kindliche Lustsuche egozentrisch, nicht beziehungsorientiert wie häufig bei Erwach-senen. Wenn ein kleines Kind schmust, tut es das, weil es ihm gefällt, nicht weil es seine Liebezu der zärtlichen Person ausdrücken möchte.

Da, wo kindliche Sexualität den Charakter des „Unschuldigen“ verliert, irritiert sie Erwachseneund schafft Verhaltensunsicherheit: Die gelernte Befangenheit der Erwachsenen stößt sich ander Direktheit kindlicher sexueller Neugier und Lust(-suche).1 Nicht selten fühlen sich Erwachse-ne aufgerufen, Kindern Schamgefühle zu vermitteln, um sie auch vor Übergriffen zu schützen.Körperscham als „Hüterin der Privatsphäre“ (Schuhrke) entwickelt sich jedoch in Anfängen frühestensmit 3 Jahren, bei den meisten Kindern ab 5 Jahren.2

Nicht erst im Alter von drei Jahren, wenn die Mehrzahl der Kinder in eine Kindertagesstätte kommt,aber zu diesem Zeitpunkt in jedem Fall, werden Eltern wie Erzieherinnen mit der Tatsache konfron-tiert, dass Jungen und Mädchen sexuelle Wesen sind und in den folgenden Jahren bis zur Einschu-lung wichtige Aufgaben zur Entwicklung ihrer geschlechtlichen Identität zu bewältigen haben.Einige zentrale Aspekte sollen hier hervorgehoben werden:

2. Ich in meinem KörperFür Erwachsene ist es in der Regel ein Zeichen gesunder Entwicklung, wenn Babys und Kleinkin-der ihre Umwelt neugierig erkunden, indem sie Dinge berühren, greifen und ggf. in den Mundstecken. Dazu gehört für das Kind auch, sich selbst kennen zu lernen wie z. B.: Wo bin ich emp-findlich, wie viel Kraft habe ich, wie laut kann ich schreien und eben auch (auch wenn der Jungeoder das Mädchen das nicht so in Worte fassen könnte): Wo habe ich welche Körperöffnungen undwie reagieren etwa meine Genitalien auf welche Berührungen? Dies herauszufinden ist für das

Wie sexuell ist kindliche Sexualität?

Philipps: Wie sexuell ist kindliche Sexualität?

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Kind ebenso spannend wie ein Auto auseinander zu nehmen oder einen Käfer zu beobachten,während ein solches sexuelles Explorationsverhalten für den Großteil der Erwachsenen manchmalwesentlich brisanter und verunsichernder ist und nicht selten deutlich weniger Förderung erfährtals andere kindliche Lernbestrebungen.

Dieses Lernen passiert sowohl durch Selbst- als auch durch Fremduntersuchung. Die berühmtenDoktorspiele sind nichts Anderes, denn die Kinder möchten herausfinden, wie Andere des glei-chen bzw. des anderen Geschlechts aussehen. Die Tatsache, dass es dabei vorkommen kann,dass Gegenstände in die Scheide gesteckt werden, hat gerade in den letzten Jahren, als die Auf-merksamkeit für Anzeichen sexuellen Missbrauchs gewachsen ist, leicht den Verdacht ausgelöst,hier könne eine Wiederholung von selbst erlebten sexuellen Übergriffen vorliegen. Laut BettinaSchuhrke, die sich intensiv um die empirische Erforschung kindlichen Sexualverhaltens geküm-mert hat, kann ein solches Verhalten jedoch nicht automatisch als Hinweis auf Missbrauchs-erfahrungen gedeutet werden3. Auch die gemeinsamen Besuche der Toilette, wo etwa mehrereKinder ein anderes beim Pinkeln beobachten, dienen der Klärung von Fragen, befriedigen dieNeugier. Deshalb implizieren Verbote in diesem Zusammenhang für das Kind, dass es in SachenKörper und Sexualität nicht offen wissbegierig sein darf. Dies kann Folgen für die Fähigkeit zueinem unbekümmerten Umgang mit dem eigenen Körper und dem des Partners/der Partnerin alserwachsener Mensch haben.

3. Ich mit meinen Sinnen und meiner SinnlichkeitKinder brauchen von Geburt an zärtliche körperliche Berührung und lieben direkten Körperkontakt,am besten von nackter Haut zu nackter Haut. Sie sind vielfältig sinnlich ansprechbar und genuss-fähig. Schuhrke hat nachgewiesen, wie empirisch nachprüfbar körperliches Lustempfinden beiKleinkindern ist und wie sie signalisieren, dass sie solches Streicheln genießen4. Dabei spielen dieGenitalien als sensorisch besonders empfindliche Bereiche durchaus eine hervorgehobene Rolle.

Wenn Kinder in einem Elternhaus aufwachsen, in dem Erlaubnis zur Selbstentdeckung ohne Be-grenzung auf bestimmte Regionen erteilt und alle Körperteile einen Namen erhalten, Vorgängelustvoll beschrieben werden und ein wohlwollendes Klima in der Familie existiert, kann es vor-kommen, dass Kinder im Kindergarten ganz begeistert vom Schmusen, Rubbeln, Glitschen undQuieksen berichten. Vielleicht erzählen sie sogar auch, mit dem Vater gemeinsam gebadet unddessen „großen Pimmel“ gesehen zu haben. Mehr als einmal löste eine solche Schilderung bereitsden Verdacht bei der Erzieherin aus, hier könnte ein Missbrauch vorliegen.

Die vielfältigen Sinneseindrücke gilt es im Kindergarten weiter zu fördern und dabei alle Sinnesor-gane einzubeziehen. Je stärker die Kinder ein Gefühl dafür bekommen, wie sie persönlich sinnlichansprechbar sind im Hören, Sehen, Schmecken, Riechen, Tasten und Fühlen, desto wahrscheinli-cher sind seelische Ausgeglichenheit und Wohlbefinden und – dies gilt gerade für Jungen undMänner – die Bereitschaft, sich breit gefächert anregen zu lassen statt Befriedigung nur durchgenitale Stimulation zu suchen.

Aber natürlich gehört genitale Genussfähigkeit auch zum kindlichen Erleben. Wenn Kinder dieMasturbation entdecken, suchen sie diese Lustquelle zunächst vermehrt auf. Auffällig ist, dasskindliche Selbstbefriedigung gegenüber früheren Epochen mehr Akzeptanz erfährt, weiterhinaber deutliche Unterschiede gemacht werden je nachdem, ob ein Junge oder ein Mädchen ineiner bestimmten Entwicklungsphase häufig und möglicherweise heftig masturbiert. Bei längerwährender Selbstbefriedung bei Mädchen kommt sehr viel häufiger der Verdacht einer ungesun-den Entwicklung auf und wird eher der Kinderarzt konsultiert.5 Mütter und Erzieherinnen – oftgenug ja selbst ohne ein positives Verhältnis zu Selbststimulation aufgewachsen – interpretierendas Verhalten nicht als das, was es zunächst einmal ist, nämlich als Ausdruck der Fähigkeit eineskleinen Mädchens, endlich autonom über den Körper und seine Lustquellen zu verfügen unddiese auszukosten.

Philipps: Wie sexuell ist kindliche Sexualität?

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4. Ich bin ein Mädchen – ich bin ein JungeUm ein Verständnis von der eigenen Weiblichkeit bzw. Männlichkeit zu gewinnen, bedarf es in-nerhalb der kindlichen Entwicklung immer wieder der Auseinandersetzung mit dem eigenen unddem anderen Geschlecht. Bereits im Alter von zwei Jahren stellt das Kind Fragen zu Geschlechts-unterschieden6; mit vier bis fünf Jahren verstärkt sich das Bedürfnis nach Klärung, u. a. durch ent-sprechende Rollenspiele.

Kinder ahmen nach und üben dadurch Verhaltensmöglichkeiten ein. Solange es das alt bewährteVater-Mutter-Kind-Spiel oder die Puppenbemutterung ist, gilt dies als „natürlich“. Imitieren Kinderaber den Geschlechtsverkehr, entsteht leicht größere Unruhe unter den Erwachsenen. MeinesErachtens ist Aufregung in der Regel nicht angebracht, sofern beide gern an diesem Spiel beteiligtsind, weil es zum einen vermutlich um angenehmes Reiben für den Jungen geht, zum anderen umProbehandeln ähnlich dem Brustgeben bei der Puppenmutter. Die beteiligten Kinder mögen davongehört haben, was die Erwachsenen „so machen“ oder sie haben eine entsprechende Szene realoder im Fernsehen gesehen und stellen sie nach. Die von Erwachsenen empfundenen Begierdenund aufgeladenen Körperempfindungen sind vermutlich dabei nicht vorhanden. „Kinder wollenkeine erwachsene Sexualität praktizieren, diese aber durchaus mit anderen Kindern zusammenimitieren, d. h. über Geschlechtsverkehr informierte Kinder spielen mitunter solche Situationen.Dazu veranlassen sie aber nicht Begehren und Lustgefühle, die denen Erwachsener vergleichbarsind, sondern spielerische Neugier, wie Geschlechtsverkehr wohl funktioniert. Es ist ein Auspro-bieren von Erwachsenen-Rollen, das nicht von Authentizität geprägt ist, ebenso wie ein Kindvielleicht seine berufstätigen Eltern, die abends von der Arbeit erschöpft zurückkommen, spiele-risch imitiert, ohne selbst diese Erschöpfung zu empfinden.“7

Nach den vorliegenden Beobachtungen ist auch davon auszugehen, dass Kinder derartigen Spie-len nur dann eine entsprechend höhere Bedeutung geben als Friseur oder Zahnarzt zu spielen,wenn die Erwachsenen nonverbal und/oder verbal genau diese Bedeutungsaufladung vorgenom-men haben, sei es durch besonders viel Kontrolle, Verbote oder Beschämung.

5. Wie drücke ich mich mit meinen Gefühlen und meinem Erleben aus?Kinder versuchen, über die Versprachlichung Dinge vertieft zu erfassen und für sich bzw. im Ge-spräch mit Anderen ihr Verständnis zu überprüfen. Dies gilt für alle Lebensbereiche, auch für dender Sexualität, der allerdings weiterhin teilweise tabuisiert ist. So stellt Hertha Richter-Appelt dieBedeutung des Umgangs der Eltern in den ersten zwei Lebensjahren mit dem Körper heraus: Beider Reaktion auf die Größe der Geschlechtsteile (die womöglich erschreckt) ebenso wie beimBaden und Wickeln erhält das Kind verbale und seelisch-nonverbale Botschaften, ob alles, was zuseinem Körper gehört, liebevoll benannt, mit Freude anerkannt oder eher mit Wortlosigkeit, Wider-willen, Ablehnung oder Ekel belegt ist. Laut Richter-Appelt werden diese Informationen im vor-sprachlichen Körpergedächtnis abgelegt – mit potenziell weit reichenden Auswirkungen auf er-wachsene Sexualität, was Selbstakzeptanz und Ausdrucksvermögen anbelangt.8

Aus meiner Sicht gibt es erfreulicherweise inzwischen mehr Elternhäuser, in denen der Versuchunternommen wird, für all das, was mit Sexualität zu tun hat, auch Wörter zu finden, vielleichtauch solche, die nicht klinisch steril, sondern lustvoll sind. Manche mögen dabei die sehr verharm-losenden und irreführenden wie „Pipimann“ nicht, sondern bevorzugen z. B. „Muschi“, sie redenvielleicht vom „Vögeln“ und nicht vom „Liebhaben“. Empörte Reaktionen auf bestimmte Kinder-bücher und Aufklärungsbroschüren zeigen, wie sehr unsere Empfindungen gegenüber derartigenBezeichnungen von völlig subjektiven Vorlieben und Abneigungen geprägt sind, so dass mancherBegriff bereits als vulgär und obszön verstanden wird, den andere liebevoll empfinden. Wenn einJunge „Ficken“ sagt, muss er damit nichts Aggressives, Frauenverachtendes im Sinn haben – eskönnte sein, dass er den selbstverständlich benutzten Begriff seines Vaters verwendet.Allerdings gibt es bei Vorschulkindern auch einen provozierend benutzten Sprachgebrauch ausdem Sexual- und Fäkalbereich, der Erwachsenen oft sehr zu schaffen macht. Gemeinsame Mahl-

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zeiten im Elternhaus oder im Kindergarten scheinen als ideale Gelegenheit betrachtet zu werden,um Witze zu erzählen oder Sprüche loszulassen. Zurück bleibt bei vielen Eltern und Erziehern/innen eine gewisse Ratlosigkeit, oft auch Entsetzen, was das Kind dazu bewegt haben mag, Zotenzu erzählen oder Ausdrücke aus dem Vulgärvokabular zu benutzen, und dies ja nicht nur einmal,sondern wiederholt und mit wachsendem Spaß! Es ist ihnen oft unklar, woher es solche Begriffehat, denn diese gehören in der Regel nicht zur Umgangssprache der Erwachsenen. Sicherlich istdas dazugehörige Repertoire wesentlich leichter verfügbar als früher, da Sexualität sehr viel selbst-verständlicher zu unserem Leben dazugehört und auch in nicht nur „reiner“ Form etwa in Musik-texten auftaucht.

Nun gibt es allerdings Beschimpfungen, die andere zutiefst verletzen. Nicht selten wissen dieKinder, die zum Beispiel „du alter Wichser“ oder „hau ab, du Fotze“ sagen, gar nicht, was sie dasagen. Hier empfiehlt es sich, mit dem betreffenden Kind zu sprechen und ihm zu erklären, welcheEmpfindungen derartige Ausdrücke auslösen. Bei den meisten Mädchen und Jungen kann hier andie Einsicht appelliert werden mit der Folge, dass sie solche Begriffe aus ihrem Vokabular streichen– zumindest in Gegenwart der betreffenden Erwachsenen. Allerdings gibt es wohl auch zuneh-mend oft Kinder, die genau die Tabuverletzung als Reiz erleben, weil sie dadurch die ansonstenherrschende Überlegenheit der Erwachsenen endlich mal wirksam außer Kraft setzen können.

Zu unterschätzen ist im Übrigen nicht, dass sprachliche Provokationen für Kinder bestimmter sozi-aler Milieus auch ein Kontaktangebot sein können, eine Art Test der Bereitschaft, auf sie einzuge-hen, wenn auch ein unglücklicher, weil er eher Barrieren schafft als Lust auf ein Gespräch zufördern.9

Pädagogische KonsequenzenKinder brauchen von ihren Eltern, aber gerade auch von Erziehern/innen einer Kindertagesstätteeine sexualfreundliche Haltung und entsprechende professionelle Handlungsbereitschaft, die fol-gende Aspekte umfasst:

Liebevoller, zärtlicher, Geborgenheit spendender Körperkontakt mit dem Kind, solange es die-sen braucht und unabhängig vom GeschlechtAkzeptanz von Neugierverhalten und Wissbegierde: Erlaubnis gebenOffensive Unterstützung von Lernbedürfnissen: Anregungen und Antworten gebenfür alle Sinne anregungsreiche Umgebung: vielfältige Angebote machenReflexion des eigenen Verhältnisses zum eigenen Körper und Geschlecht sowie zur Sexualität;Sprachfähigkeit: Modell sein

Folgende Ziele sollten dabei angestrebt werden:

Positives Selbstbild (Annahme des eigenes Körpers, der sexuellen Bedürfnisse und Gefühle, desGeschlechts)Gesunde Persönlichkeitsentwicklung (weder Unterdrückung noch Überbetonung von Sexualität)Reflexion und ggf. Korrektur von unbewusst oder bewusst aufgenommenen gesellschaftlich ver-mittelten Informationen und Bildern über Sexualität (heutzutage ist aufgrund der sexualisiertenUmwelt kein Kind mehr „unschuldig“) zum Abbau von Mythen, die die eigenen Verhaltens-möglichkeiten einschränken könnenErgänzung, ggf. auch Korrektur der Informationen zu und moralischen Bewertungen von sexuel-len Bedürfnissen, Äußerungsformen und Rollenvorstellungen seitens des Elternhauses, sowohldurch andere Erwachsene, v. a. aber durch das Lernen in der Gleichaltrigengruppe, die angesichtsvon Ein-Kind-Familien und fehlenden unbeaufsichtigten Erfahrungsräumen von geradezu un-schätzbarem Wert sind.10

Gerade weil Erzieher/innen leider oft in ihrer Ausbildung wenig Anregungen für einen kompeten-ten Umgang mit derartigen sexualpädagogischen Anforderungen erhalten haben, bedeuten solche

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Anforderungen oft eine große Herausforderung. Wenn dann auch noch eine multikulturelle Zu-sammensetzung der Gruppe, sexualängstliche Eltern und/oder eine fehlende Konzeption zurSexualerziehung in der Einrichtung hinzukommen, ist ein ängstlich-unsicherer Umgang, wie ersowohl im Weggucken oder im Verbieten zum Ausdruck kommt, verständlich. Die Erfahrungenzeigen jedoch, dass es oft nur einiger Informationen über die kindliche Sexualentwicklung undeines gewissen Trainings der Fachkräfte bedarf, um eine weitgehend souveräne Bewältigung dersexualpädagogischen Schwierigkeiten zu ermöglichen.

Literatur: Kindliche SexualitätBarth, Marcella/Markus, Ursula: Zärtliche Eltern. Gelebte Sexualerziehung durch Zärtlichkeit, Sinnesnahrung,Körpergefühl, Bewegung. Zürich: pro juventute, 1984Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Ausdrucksformen kindlicher Sexualität, bearbeitetvon Beate Martin. In: Handbuch für Erzieherinnen und Erzieher für die Kindergartenbox „Entdecken, schauen,fühlen!“ Materialien und Medien zur Körperaufklärung und Sexualerziehung für Kinder ab 3 Jahre. Köln 2003Eberhardt, Bernd/Enders, Ursula: Bandbreite sexuellen Verhaltens bei Kindern unter 12 Jahren. Zartbitter Köln2004Freund, Ulli/Riedel-Breidenstein, Dagmar: Sexuelle Übergriffe unter Kindern. Handbuch zur Prävention undIntervention. Mebes & Noack, Köln 2004Philipps, Ina-Maria: Körper, Liebe, Doktorspiele. Ein Ratgeber für Eltern zur kindlichen Sexualentwicklung.Teil 1: 1. – 3. Lebensjahr. Teil 2: 4. – 6. Lebensjahr. Hg. von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung(BZgA), Köln 2000Richter-Appelt, Hertha: Sexualität in der frühen Kindheit. In: Sexuell misshandelte Kinder im Spannungsfeldzwischen Bindung und Vernetzung. Dokumentation der Fachtagung der Kinderschutz-Zentren 1999Richter-Appelt, Hertha: Psychotherapie nach sexueller Traumatisierung. In: Sigusch (Hrsg.): Sexuelle Störun-gen und ihre Behandlung. 3. überarb. und erw. Aufl., Thieme, Stuttgart 2001Schmauch, Ulrike: Was geschieht mit kleinen Jungen? Der weibliche Blick auf Männlichkeit und das Konzeptder „sicheren weiblichen Identität“. In: Düring/Hauch (Hrsg.): Heterosexuelle Verhältnisse.Stuttgart 2000 (neu bearb. Aufl.)

Philipps: Wie sexuell ist kindliche Sexualität?

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Fußnoten:1 Vgl. Freund/Riedel-Breidenstein: Sexuelle Übergriffe unter Kindern. Handbuch zur Prävention und Interven-

tion. Köln, 2004, S. 242 Vgl. Bettina Schuhrke: Kindliche Körperscham und familiale Schamregeln. In: Wissenschaftliche Grundla-

gen. Teil 1 – Kinder. Bd. 13.1 der Reihe: Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienpla-nung, hg. von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln 1999, S. 103 ff.

3 Vgl. Bettina Schuhrke: Genitalentdecken im zweiten Lebensjahr. In: Zeitschrift für Sexualforschung,10. Jg., Heft 2/1997, S. 108 ff.

4 vgl. ebd., S. 112 ff.5 vgl. Marlies Klein: Masturbation im Kindesalter. In: Bach/Stumpe/Weller: Kindheit und Sexualität.

Braunschweig: Holtzmeyer 1993, S. 46 ff.6 Renate Volbert: Sexualwissen von Kindern. In: Wissenschaftliche Grundlagen. Teil 1 – Kinder. Bd. 13.1

der Reihe: Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, hg. von der Bundeszentralefür gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln 1999, S. 148

7 Freud/Riedel-Breidenstein a.a.O., S. 228 Vgl. Hertha Richter-Appelt: Sexualität in der frühen Kindheit. In: Sexuell misshandelte Kinder im Span-

nungsfeld zwischen Bindung und Vernetzung. Dokumentation der Fachtagung der Kinderschutz-Zentren1999, S. 212 – 213

9 vgl. dazu Heidi Schütz: „Sie testen oder ‚fühlen vor’ (meist in kleinen Gruppen), was passiert, wenn sieanrufen und wollen herausfinden, wie die Berater/innen am Telefon z. B. auf einen Scherz reagieren.Hinter diesen Anrufen verbirgt sich ein großes Beratungspotenzial.“ In: Wissenschaftliche Grundlagen.Teil 1 – Kinder. Bd. 13.1 der Reihe: Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung,hg.von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln 1999, S. 126

10 Vgl. Beate Martin: Ausdrucksformen kindlicher Sexualität. In: Entdecken, Schauen, Fühlen! BZgA,Köln 2003, S. 6

Schütz, Heidi: Fragen von Kindern und Jugendlichen zu Sexualität, Liebe und Partnerschaft. Zwischenergeb-nisse der Evaluation des Kinder- und Jugendtelefons. In: Wissenschaftliche Grundlagen. Teil 1 – Kinder. Bd.13.1 der Reihe: Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, hg. von der Bundeszentralefür gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln 1999, S. 119 ff.Schuhrke, Bettina: Körperentdecken und psychosexuelle Entwicklung. Theoretische Überlegungen und eineLängsschnittuntersuchung an Kindern im zweiten Lebensjahr. Regensburg: S. Roderer Verlag, 1991Schuhrke, Bettina: Genitalentdecken im zweiten Lebensjahr. In: Zeitschrift für Sexualforschung, 10. Jg., Heft2/ 1997Schuhrke, Bettina: Kindliche Körperscham und familiale Schamregeln. In: Wissenschaftliche Grundlagen. Teil1 – Kinder. Bd. 13.1 der Reihe: Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, hg. von derBundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln 1999, S. 103 ff.Schuhrke, Bettina: Sexuell auffälliges Verhalten von Kindern und Sexuelle Entwicklung von Kindern bis zurPubertät. In: Bange/Körner (Hrsg.): Handwörterbuch Sexueller Missbrauch. Hogrefe, Göttingen 2002, S. 542 –617Schuhrke, Bettina: Sexuelle Entwicklung im Kindes- und Jugendalter: Normalität und Störung. In: Körner/Lenz(Hrsg.): Sexueller Missbrauch. Bd. 1, Hogrefe, Göttingen 2004, S. 164 – 187Stein-Hilbers, Marlene: Sexuell werden. Sexuelle Sozialisation und Geschlechterverhältnisse. Zur Veröffentli-chung bearbeitet und herausgegeben von Birgitta Wrede. Leske + Budrich, Opladen 2000TPS (Theorie und Praxis der Sozialpädagogik) 7/2002: SCHMUSEN. Lust und Scham. Kallmeyer bei Friedrichin Velber (verschiedene Fachaufsätze zu kindlicher Sexualität und pädagogischen Handlungsmöglichkeiten)Volbert, Renate: Sexualwissen von Kindern. In: Wissenschaftliche Grundlagen. Teil 1 – Kinder. Bd. 13.1 derReihe: Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, hg. von der Bundeszentrale für ge-sundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln 1999, S. 139 ff.Wanzeck-Sielert, Christa: Kursbuch Sexualerziehung. So lernen Kinder sich und ihren Körper kennen. DonBosco, München 2004

Philipps: Wie sexuell ist kindliche Sexualität?

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Prof. Dr. Uwe Sielert, Universität Kiel

1. Bildung – ein vorbelasteter aber nützlicher BegriffKindertagesstätten haben einen Bildungsauftrag und dieser Bildungsauftrag enthält sexuelle Bil-dung von Anfang an! Beides ist begrifflich neu, ungewohnt:

Expertinnen und Experten fordern seit langem die Förderung der Selbsttätigkeit und Weltaneignungvon Kindern und auch in der Praxis der Elementarpädagogik werden Kinder nicht nur verwahrt,gepflegt, geschützt, belehrt. Beim Begriff „Bildung“ allerdings fällt uns eher der bürgerliche Bü-cherschrank ein, in dem zum Beispiel auch das aktuelle Buch „Bildung“ von Dietrich Schwanitzsteht, mit dem bezeichnenden Untertitel: „Alles, was man wissen muss“. Und das soll bis in dieKindheit hinein verlängert werden? Warnend drängen sich bei vielen von uns leidvolle Schul-erfahrungen auf, die mit Wissensaneignung, Büffeln und Stillsitzen, manchmal auch Beschämungverbunden sind, nicht gerade mit sehr erfreulich – sinnlichen Vorgängen, die wir Kindern wün-schen. Unser Bildungsbegriff ist vorbelastet, weckt eine Mischung aus Ehrfurcht und unangeneh-men Gefühlen, oft auch Versagensphantasien. Jede Menge Wortkombinationen fallen uns ein, dienicht gerade Lust machen oder Kinderfreundlichkeit ausstrahlen: „Bildungsnotstand, Bildungs-katastrophe, Bildungsgefälle, Bildungsoffensive, Bildungskanon, Bildungssystem“.

Von „sexueller Bildung“ zu sprechen ist auch nicht gerade selbstverständlich. Argwöhnen wirnicht sofort, dass etwas sehr Schönes, Spontanes, Nicht-Berechenbares mit kulturellem Gewichtdomestiziert werden soll?Obwohl: Lasst uns einen Augenblick bei den großen Worten bleiben. Es hat was, den Sexual-notstand auszurufen, eine Sexualkatastrophe zu konstatieren, empört vom Sexualitätsgefälle zwi-schen sexuell bevorteilten und sexuell benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu sprechen unddem allen mit einer Sexualitätsoffensive, einem verbindlichen Sexualitätskanon im Bildungssystemzu begegnen.

Also: Sexuelle Bildung von Anfang an!

Es klingt wie eine kabarettistische Einlage – aber warum eigentlich?

2. Vom sexuellen Bildungsnotstand in DeutschlandVon Sigmund Freud wird überliefert, dass er auf die Frage eines Journalisten, was ein erwachsenerMensch heute können müsse, kurz und knapp geantwortet hat: „Arbeiten und Lieben“. Das Arbei-ten werde den Kindern in entsprechenden Bildungsanstalten mit viel Geld, Energie und didakti-schen Kraftanstrengungen vermittelt, das Lieben dagegen dem Zufall überlassen. Und gerade Freudund viele andere von ihm inspirierten Wissenschaftler von Wilhelm Reich bis Erich Fromm habenuns gelehrt, wie sehr unsere Liebesfähigkeit mit ganz sinnlich-körperlichen Lernprozessen ver-bunden ist, mit einer grundlegenden Lebensenergie, die wie alle anderen grundlegenden Potenzi-ale des Menschen der Entfaltung bedürfen, der Anregung in einem entsprechend herausforderndenund anregungsreichen Umfeld.

Und wenn wir Sexualität in diesem Sinne als ein Potenzial begreifen, das von der körperlichenErregung über die erotische Ergriffenheit bis zur zärtlich-einfühlenden Fürsorge und langfristigenBeheimatung reicht, dann können wir angesichts einer Vielzahl von Störungen und Defiziten, diesowohl subjektives Leid als auch volkswirtschaftlichen Schaden anrichten, eine sexuelle Bildungs-katastrophe oder den sexuellen Bildungsnotstand ausrufen.

Sexuelle Bildung von Anfang an!Sexualität und Sexualerziehung im Bildungsauftrag von Kindertagesstätten

Sielert: Sexuelle Bildung von Anfang an!

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Sexueller Missbrauch ist eines der schlimmsten Symptome. Darüber hinaus konstatieren wir instatistisch relevanter Häufigkeit: verbal-aggressive und körperliche Grenzüberschreitungen im Kin-des- und Jugendalter, unbefriedigten Hauthunger und mangelnde Anerkennung in allen Lebens-phasen, Unfähigkeit, sexuelle Bedürfnisse aufeinander abzustimmen, mit den eigenen Widersprü-chen von Lust und Liebe freundlich umzugehen, Gefühlsanalphabetismus einer immer noch gro-ßen Gruppe von Jungen und Männern und eine gesellschaftlich vor allem kommerziell vernutzteSexualität.

Und wenn wir auf die Unterschiede in den sexuellen Erfahrungen, der lustvollen oder lustfeindlichen,der liebevollen oder aggressiven Anregungsmilieus, der sehr unterschiedlich verteilten sexuellenKompetenzen blicken, können wir ebenso mit Fug und Recht von sexuell bevorteilten und sexuellbenachteiligten Bevölkerungsgruppen sprechen und ein sexuelles Erfahrungs- und Kompetenz-gefälle diagnostizieren. Es deckt sich oft mit der sozialen Schichtung, verläuft aber ebenso oft auchquer zu den Schulbildungs- und Schichtgruppen. Denn auch in einem Akademikerhaushalt kannsexuelle Funkstille, erotische Eiszeit und Lieblosigkeit das Fundament bilden, auf dem die sexuelleKompetenz der Kinder im weitesten Sinne verkümmert. Als Lehrerinnen, Ärzte und Erzieherinnennoch Hausbesuche machten, konnten sie sich bei entsprechender persönlicher Sensibilität vonsolchen emotionalen Deprivationsmilieus selbst überzeugen, von Vernachlässigungs- und Über-griffsfamilien. Heute kommt vieles nicht ans Tageslicht und die Protokolle der Familienhilfe erfas-sen nur die auffällig gewordenen Haushalte.

Und was spricht dann dagegen, eine sexuelle Bildungsoffensive zu starten, die sich der Ursachenfür sexuelle Übergriffe auf Seiten der Täter und der gelernten Hilflosigkeit gegen sexuelle Über-griffe auf Seiten der Opfer annimmt, die den Kindern Fähigkeiten vermittelt und Räume eröffnet,ihren berechtigten Erkenntnis- und Forscherdrang miteinander auch sexuell körperlich auszudrü-cken und dabei die Erfahrung zu machen, was ihnen selbst und den anderen gut tut und wasverletzt, weil es persönliche Grenzen überschritten hat?Eine Offensive ist immer begleitet von der zumindest punktuellen Bündelung aller Kräfte, zur ma-teriellen, personellen und organisatorischen Förderung des Gewollten, also von Finanzspritzen,Beratungshilfen und Anreizsystemen, die dann darauf abzielen müssen, ein sexualfreundlichesBildungssystem zu schaffen. Eine Offensive nutzt die sensiblen Zeitfenster für eine strategisch sinn-volle Intervention und das kann bei sexueller Deprivation nur die frühe Kindheit sein.

Ich komme darauf zurück.

Doch zunächst ist erforderlich, sich mit einigen Missverständnissen und Fallstricken auseinanderzu setzen, die mit einem solchen Vorhaben verbunden sind.

3. Sexuelle Bildung ist nötig und möglich!Da sind zunächst die von mir eingangs schon erwähnten gemischten Gefühle, die sich bei unseinstellen, wenn von Bildung die Rede ist und ganz gewiss Unbehagen auslösen, wenn die früheKindheit mit einem (auch) negativ vorbelasteten Programmbegriff überzogen werden soll.

Die Frage ist also berechtigt: Wie geht es den Kindern, wenn die Bildung kommt?

Da ist noch ein weiterer Vorbehalt berechtigt, der mit einer ähnlichen Frage formuliert werdenkann: Was macht die Sexualität, wenn die Bildung kommt?

Die unsäglich traurige Geschichte der Sexualunterdrückung von der Anti-Onaniekampagne des18. Jahrhunderts über die Tabuisierung von Sexualität in der autoritär-bürgerlichen Familie bis zuden illusorischen Glücksversprechungen einer naiv emanzipatorischen Sexualpädagogik in den60er Jahren – diese Geschichte ist weitgehend von jenen Personen und Einrichtungen zu verant-worten, die immer den Anspruch vor sich hertrugen, die Menschen zu bilden. Hinter sexueller

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Bildung wittert mancher aufgeklärte Zeitgenosse wieder Domestizierung, eine Art Verhaustierungder potentiell emanzipatorischen Lebensenergie. Oder man beschränkt Bildung auf Informationund Aufklärung wie kritische Sexualforscher es schon immer vorschlugen. Dann sollen schon Kin-der vielleicht die wichtigsten Geschlechtsorgane auf Latein, Englisch und Hochdeutsch aufsagenund die fünf häufigsten Familienformen nennen können.

Bildung hat auch eine emanzipatorische Bedeutung!

Ohne an dieser Stelle auf die wechselvolle Geschichte des Bildungsbegriffs eingehen zu können,sei zusammenfassend gesagt, dass wichtige Klassiker der Philosophie und Pädagogik unter Bil-dung genau das Gegenteil von dem verstanden, was staatliche Schulbürokratien und Lehranstal-ten daraus gemacht haben. Gemeint war gerade nicht reiner Wissenserwerb durch Belehrung undDomestizierung durch Gefühlskontrolle, sondern im Verständnis von Platon (Bildung = Vernunft,Wille und Sinnlichkeit) über Humboldt (Bildung meint die zweckfreie Vervollkommnung aller Kräftedes Menschen) bis zu Hartmut von Hentig zielt Bildung auf:

die Anregung aller menschlichen Kräfte (es geht also nicht um Zwang und auch nicht nur um diegeistigen, sondern auch sozialen, emotionalen, sinnlichen Kräfte)die Entfaltung dieser Kräfte (sie sind also schon im Säuglingsstadium da, werden nicht einge-pflanzt)die selbsttätige Aneignung von Welt durch wechselseitige Ver- und Beschränkung (Botschaft desKonstruktivismus: Kinder konstruieren durch diesen Austausch ein Bild von sich selbst, von an-deren und von der Welt. Dabei verändern sich alle: mein Selbst, die Anderen und die Welt!Entfaltung ist also kein bloßes Vorsichhin-Wuchern, diese Aneignung fordert auch selbstgewählteDisziplin!)das Ziel der sich selbst bestimmenden Individualität – aber nicht um ihrer selbst willen, sondernweil sie als solche die Menschheit bereichert (Botschaft des Sozialkonstruktivismus: eine Indivi-dualität, die sich ihrer Mitverantwortung für andere bewusst ist und sie aktiv lebt!).

(vgl. von Hentig: Bildung, München 1996)

Sexualitätsverständnis heute:Sexualität (als Lebensenergie, die sich des Körpers bedient, aus unterschiedlichen Quellen ge-speist wird, sich vielfältig ausdrückt und wichtige Sinnfunktionen hat):

gehört zum Menschen von Anfang an, schon zum Säugling, zum Kindist gerade anfangs hoch energetisch aufgeladen, zur Eigenaktivität drängendist prägend für die weitere Entwicklung, biografisch grundlegendist mit viel Anschauen, Nachmachen, Nachfühlen, Erkunden verbundenprägt den Kern des kindlichen Selbsts (des Selbstkonzepts, Selbstwertgefühls, der Selbst-wirksamkeit)und verläuft sehr individuell – eigensinnig (Kentler: Nicht nur eine „Überlebensausrüstung“ fürdie Gattung Mensch, sondern auch für das einzelne Kind).

4. In Kindern begegnen Erwachsene sich selbstEin kritischer Blick auf bisherige Bildungs- und Präventionskonzepte:Was Kindern an sexueller Bildung zugestanden oder Ver-Bildung angetan wurde, hing immer mitder jeweiligen Sicht auf Kinder zusammen, gefiltert durch die Erwachsenenbrille. „In Kindern be-gegnen Erwachsene sich selbst. Sie interessieren sich für sie mit den Fragen, die ihnen ihrErwachsenenleben gerade aufgibt“, schreibt Donata Elschenbroich unter Rückgriff auf FriedrichSchiller zu Recht im „Weltwissen der Siebenjährigen“ (S. 19ff.).

Jahrhunderte lang galt das Kind – christlich motiviert – als Erlöser – dem Himmelreich nahe ste-hend („Und wenn ihr nicht werdet wie die Kinder …“) unschuldig – das hieß: noch nicht von der

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Sünde des wollüstigen Fleisches befallen. Die Erwachsenen kämpften in dieser Zeit mit ihren se-xuellen und aggressiven Begierden und projizierten auf das Kind ihre Vorstellung von einer gottge-fälligen Agape als rein geistige Nächstenliebe. Bildung hieß Austreibung aller körperlichen Regun-gen. Und doch spielte sie – vor allem im Untergrund – eine bedeutende, oft unheilvolle Rolle.

Zaghaft in der Reformpädagogik, trotzig provokant in der Kinderladenbewegung war Kindheitaus der Perspektive der antiautoritären Bewegung ein Modell für die Emanzipation des Men-schen aus autoritären Familienstrukturen und bürgerlicher Enge. Bildung hieß in einer zwar klei-nen aber lautstarken Gruppe „Freilassen aller sexuellen Triebregungen“, von Hentig würde sa-gen: „Bloßes Vorsichhin-Wuchern“ des spontan Gefühlten. Jedenfalls ein Verzicht auf jeglicheErziehung, weil die per se immer als Unterdrückungsinstrument gedeutet wurde. Diese antiau-toritäre Bildungsoffensive scheiterte wie ein schlecht organisierter Partisanenaufstand schon anden eigenen Widersprüchen, deren Korrektur Zeit und Dialog gebraucht hätte. Beides hat dievöllig verschreckte übermächtige Dominanzkultur nicht zugestanden. Bis heute werden dieNacktszenen zwischen Kindern und Eltern wie Erziehern in der Kommune 2 als Warnung vorsexueller Freizügigkeit missbraucht.

Den meisten Pädagoginnen war das ohnehin zu radikal aber geteilt wurde von vielen mit derantiautoritären Bewegung das Unbehagen am Leistungsgedanken, der sich am Ende der 70er Jah-re als Konsequenz der schulischen Bildungsoffensive auch in der Elementarpädagogik ausbreitete,die von nun an Vorschulerziehung hieß. Sozial Benachteiligte sollten von Anfang an auf die schu-lischen Leistungsstandards vorbereitet werden, zu kurz kamen tatsächlich alle sinnlichen Erfah-rungen. Das Kind als Vorschüler stand im Mittelpunkt einiger Programme. Sexuelle Bildung wurdedurch die Vermittlung von Wissen über Schwangerschaft, Zeugung und Geburt erledigt. Doktor-spiele fanden woanders statt und Hauthunger wurde beim Raufen befriedigt.

Doch diese Verschulung wollte man in vielen Einrichtungen gerade nicht. Nicht schon die Kindersollten zu konkurrenten Leistungsträgern werden; („man selbst“ litt als Erwachsener schon viel zusehr darunter) und entwarf das Idealbild des von Leistung verschonten glücklichen Kindes, dassich in Rückzugsecken mit gedimmertem Licht, in Klangmulden, Duftkojen und gepolsterten Nes-tern entfalten konnte. Sexuelle Bildung betonte das Lernziel Zärtlichkeit und eine insgesamt femi-nistisch geprägte Liebeserziehung, die den als männlich definierten genitalen Forschergeistmöglichst gar nicht erst aufkommen ließ. Doch auch hier presste sich das Unterdrückte hinterrücksfrei, drückte sich aus in einer sexualisiert-aggressiven Sprache und erheblichem Neugierverhaltenan allem, was die Medien an „Geilem“ zu bieten hatten.

Die öffentliche Entdeckung des sexuellen Missbrauchs in den 80er Jahren machte Kinder in denerschrockenen Augen der Erwachsenen zu Gefährdungsobjekten und führte in der sexuellen Bil-dung zur völligen Ausblendung einer aktiv anregenden Förderung sexueller Lebensäußerungen.Selbst die Zärtlichkeitserziehung geriet unter den Verdacht der Sexualisierung und damit künstlichgeförderten Gefährdung von Kindern. Aus Angst, etwas Falsches zu tun und mit gut gemeinten„Neinsage-Programmen“ geriet die Prävention sexuellen Missbrauchs mancherorts zur Sexual-prävention. Jede Anregung könnte als Animation, als Verführung gedeutet werden, nur was dieKinder selbst fragten wurde beantwortet. Wir ahnen inzwischen, was wir den Kindern damit ver-weigern, dass wir sie gerade schwächen statt zu stärken, dass wir ihnen eine kraftvolle Quelle derSelbstmächtigkeit, die Mut machende und Identität stärkende sexuelle Lebensenergie vorenthal-ten, die unbedingt nötig ist, um ungebetene Grenzüberschreitungen abzuwehren.

Ein zweischneidiger Trost: Nicht Konzepte, sondern das Leben bildet!

Alle anti- oder a-sexuellen Bildungskonzepte konnten Doktorspiele, Verliebtheiten, eigensinnigesLernen und Tun, autoerotische Sensationen – fernab pädagogischer Kontrolle – nicht verhindern,weil immer schon wirkte, was der Sozial-Konstruktivismus heute als Entdeckung feiert: Nicht Kon-

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zepte, sondern das Leben bildet durch Ko-Konstruktion!Oder andersherum: Kinder bilden sich in sozialen Kontexten untereinander, von Erwachsenen,durch warme oder kalte Beziehungen zu Hause, im Kindergarten, der Clique, durch Sich-identifi-zieren mit Personen und Situationen beim Medienkonsum. Kinder machen und machten sich schonimmer in Auseinandersetzung mit allen diesen Einflüssen ein Bild von sich selbst, von anderen undder Welt.

Wir mussten bescheiden werden angesichts unserer begrenzten erzieherischen Einflüsse. Hinzukam, dass angesichts der Einsicht in die von Erwachsenenwünschen eingefärbten Bilder von Kind-heit und Vielfalt von Lebens- und Sexualitätswelten die Ziele abhanden gekommen sind.

Das kann uns einerseits beruhigen und gelassen werden lassen. Immerhin konnten oft bildungs-feindliche Konzepte oder das Nicht-Thematisieren von Sexualität die Heranwachsenden nichtdavon abhalten, im sozialen Kontext das für den sexuellen Genuss Notwendige zusammen zusuchen, in Eigenregie – manchmal gegen den erklärten Willen der Erwachsenen.Das muss aber andererseits beunruhigen, weil der soziale Kontext auch überfordernd, schädlichoder ebenfalls sexualitätsrepressiv wirken kann, nicht immer jene komplexen Lernprozessebietet, die eine produktive Nutzung der Ressource Sexualität ermöglichen und somit geradeunser Liebesleben verbildet.Vor allem führte die Einsicht in die oft als übermächtig phantasierten Einflüsse des sozialenKontext bei den wenigen Erzieherinnen, die mutig Sexualerziehung anpackten, zu lähmenderResignation, so dass die so notwendige sexuelle Bildung nicht thematisiert wurde.

Die sexuelle Bildungsmisere wurde dadurch nicht aufgehalten. Kapitulation vor den vielen sozia-len Einflussfaktoren, gegen „die man sowieso nicht anerziehen könne“ und wechselseitige Verant-wortungs- und Schuldzuschreibungen bestimmten und bestimmen noch heute die Situation. Doches könnte die Zeit reif sein für eine sexuelle Bildungsoffensive, die diesmal mit staatlicher Unter-stützung breitenwirksam umsetzt, was einzelne Expertinnen und Experten sowie mutige Praktiker-innen schon immer vertreten oder auch nur geträumt haben.

5. Chancen einer sexuellen BildungsoffensiveMenschen brauchen schon heute und noch mehr in Zukunft einen eigensinnigen Zugriff auf ihresexuellen Ressourcen, auf einen selbst- und sozial förderlichen Umgang mit ihrer Lebensenergie.

Wir selbst können nicht mehr auf kontinuierlich erwartbare Lebensabläufe hoffen, sondern müssenmit Unsicherheit umgehen. Keine allgemeingültige Moral sagt uns mehr, was wir wann mit wem zuwelchem Zeitpunkt sexuell tun dürfen, wir müssen unablässig verhandeln. Und wenn es mal wieder„schief gegangen ist“, müssen wir neu anfangen, umlernen, die Leitplanken der Orientierung in unsselbst verankern, mit Phasen der Einsamkeit, mit und ohne Beziehung umgehen ohne depressiv zuwerden und in Phasen der Liebesleidenschaft genießen ohne aus der Balance zu kommen. Fremdeswirkt auf uns ein: Ein Freund hat plötzlich sein schwules Coming out, die türkische Freundin lässt sichvon ihrem Bruder einsperren, die eigenen Eltern ließen sich vielleicht scheiden, als wir selbst alsKinder aus dem Haus gingen. Wir verlieben uns, spüren neues pulsierendes Leben und können vonder Heimat spendenden Beziehung nicht lassen. Und wir ahnen, dass es nichts nützt, wenn wireinfach so tun, als ginge es uns nichts an, als sei nun mal alles möglich. Es kommt uns nahe, esverstört, bestürzt; wir müssen uns damit auseinandersetzen, lieb gewonnene Einstellungen loslassen,Fremdes in uns ansehen und immer wieder selbst entscheiden.

Und nun schauen wir voller Neugierde darauf, wie uns die Anfänger auf dieser Welt das vorma-chen. Wir entdecken ihre spontanen Lebensäußerungen, ihre Neugier auf Körperliches, ihre Erre-gung bei Berührungen, sind manchmal entzückt von ihrer Anmut, erschrocken-neidisch auf ihreDirektheit. Irritiert von ihrer Unterschiedlichkeit. Kinder zeigen uns die Dinge frisch, entdecken,erfinden, bewerten Vorhandenes einfach kreativ um, genießen und betrauern den Augenblick,

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konstruieren mit Spiel und Phantasie sich selbst, ihre Sicht auf andere und die Welt um sich herum.Kinder gelten heute als Erkenntniswesen, deren Selbstbildungspotenziale in einer komplexenUmwelt beschränkt oder entwickelt werden können.

Wir ahnen, dass es uns gelingen muss, diesen Schwung, diese Neugierde, Flexibilität und Selbst-steuerungsfähigkeit auch sexuell zu erhalten und suchen nach den richtigen Wegen.

Chancen einer sexuellen Bildungsoffensive durch landesweite Erziehungs- und Bildungspläne

Die nach der PISA-Ernüchterung über die Leistungsfähigkeit deutscher Elementarerziehung ein-geführte Qualitätsoffensive stärkt die Bedeutung der frühen Lebensjahre und macht immerhin denBildungsauftrag und dessen tatsächliche Umsetzung zum Thema. Es muss transparent gemachtwerden, was passiert und es kommt eine Diskussion in Gang über Ziele, Inhalte und Vermittlungs-weisen. Vor allem besteht die riesige Chance, sexuelle Bildung in den Gesamtkontext eines neuenund offensiven Bildungsverständnisses zu stellen – mit staatlichem Rückenwind und diesmalvielleicht erfolgreicher als in der Vergangenheit.

Einige der neuen Erziehungs- und Bildungskonzepte (z. B. des Landes Sachsen-Anhalt) enthaltendeutliche Ansatzpunkte für sexuelle Bildung:

Bildung ist als elementare Persönlichkeitsbildung definiert. Es sollen die emotionalen, sozialen,sinnlichen und kognitiven Kräfte der Kinder durch Wahrnehmung, Tun und Reflexion gefördertwerden. Es existiert ausdrücklich die Erlaubnis zum konkreten sexuellen Erfahrungslernen. Ge-sondert wird auf die Stärkung des Selbstkonzepts, Selbstwertgefühls, der Selbstwirksamkeit unddes Selbstvertrauens hingewiesen, auf die Ausbildung der kindlichen Energie und die Sinne als„Fühler zur Welt“.

Heterogenität wird nicht mehr als Belastung sondern grundsätzlich als Chance gewertet. Es wirdanerkannt, dass jedes Kind besondere Bedürfnisse, aber auch besondere Eigenschaften, Fähigkei-ten und Belastungen mitbringt: Jungen denken, fühlen und verhalten sich manchmal anders alsMädchen, Kinder mit Migrationshintergrund anders als Einheimische, Kinder mit einer Behinde-rung auch wieder anders als solche ohne Behinderung. Wir können fortsetzen: Kinder aus sexualitäts-freundlichen Milieus verhalten sich anders als solche aus sexualitätsfeindlichen oder gar gewalt-trächtigen Kontexten. Es ist unser Bewusstsein gewachsen und in den Bildungsplänen fixiert, dassjedes Kind ein Recht auf intersubjektive Anerkennung hat, gleich wie sehr es von uns selbst undunseren Idealvorstellungen auch abweicht und dass Kinder untereinander sich diese Anerkennunggönnen sollten.

Die Landesprogramme haben nicht nur die Konsequenzen des Konstruktivismus für das Bildungs-geschehen aufgenommen, der die Selbsttätigkeit des Kindes betont, sondern auch des neuen Sozial-konstruktivismus, der Bildung als sozialen und kontextbezogenen Prozess nahe legt. Der Selbst-reflexionsanspruch und Interventionsradius der Fachkräfte wird damit erweitert. Er erstreckt sichnicht nur auf die persönliche Beziehung zu den (unterschiedlichen) Kindern und derenGleichaltrigengruppe, sondern auch auf das Team der Fachkräfte, auf die Beziehung zu den Elternund das Netzwerk der Kontaktpersonen und Einrichtungen im Gemeinwesen.

Sexualitätsrelevante Ziele sind (z. B. im Konzept v. Sachsen-Anhalt) angegeben in den Bereichen1. Körper, Bewegung und GesundheitErfahrungen, die Kinder machen sollen:

Sich im eigenen Körper wohl fühlenerleben, dass eigene Bedürfnisse wichtig sind und ernstgenommen werdenZärtlichkeitLust und Unlust körperlich erleben und ausleben

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etwas genießenerleben, dass man Unangenehmes ablehnen kann

2. Kommunikation, Sprache, SchriftkulturErfahrungen, die Kinder machen sollen:

Sprache(n), Kommunikation und Beziehungen mit allen Sinnen wahrnehmeneigene Gefühle und Gedanken sprachlich ausdrücken und nichtsprachlich mitteileneigene Bedürfnisse angemessen ausdrücken (Worte, Gesten, Gebärden, Körpersprache Mimik,Blicke)Fragen stellen und Erklärungen geben, wie auch gefragt werden und Erklärungen bekommenangemessene und differenzierte Begriffe verwenden

3. (Inter)kulturelle und soziale GrunderfahrungenErfahrungen, die Kinder machen sollen:

wahrnehmen und akzeptieren, dass andere Menschen Wünsche und Bedürfnisse haben, die mitden eigenen teils übereinstimmen, teils nichterfahren, dass eigene Bedürfnisse ernst genommen und erfüllt werdenaushalten, dass eigene Bedürfnisse nicht immer erfüllt werdenerfahren, dass Menschen sich über ihre Bedürfnisse verständigen könnenerfahren, dass Kinder Rechte habenFreude am Kontakt mit anderen habenNähe und Aufmerksamkeit suchenpositive Erfahrungen mit dem gleichen und anderen Geschlecht machenKinder in ihrem „So-Sein“ (Fremdheit) akzeptieren

Diese Ziele werden als Fragen und Aufgaben noch weiter konkretisiert.

Strategische Umsetzungsschritte der sexuellen Bildungsoffensive:Die landesweiten Konzepte bedürfen einer Konkretisierung auf sexuelle Bildung hin: Möglichst einRahmenkonzept des Trägers sowie ein im Team der je besonderen Einrichtung erarbeitetes Kon-zept, eine Umsetzungsstrategie mit flankierenden Maßnahmen und Kriterien der Qualitätssicherung.Anknüpfend an die von Sigmund Freud formulierten beiden Hauptkompetenzen Arbeiten und Lie-ben bedürfen die Bildungsanstrengungen zu Liebe und Sexualität einer größeren gesellschaftli-chen Aufmerksamkeit. Das Thema selbst – mit seinen attraktiven und katastrophalen Facetten –kann sich über öffentliche Aufmerksamkeit nicht beklagen. Die Bildungspolitik und das Systemvon Erziehung und Bildung hat sich den Aspekten des sexuellen Bildungsnotstands bisher nichtoffensiv genug angenommen.Das ist in Zukunft notwendig und möglich – auch ohne Untergangsszenarien und pädagogischeUmklammerungen. Sexualpädagogik muss offensiv von einem Präventions- zum Bildungskonzepttransformiert werden, das selbst für die Initiatorinnen und Initiatoren Kraft, Mut und lustvollesMiteinander-Tun zur Folge hat. Das geht wie gute Selbstbildung nicht ohne Anstrengung, kannaber durchaus Momente des Flows einschließen, wenn die Lebensenergie auch als Kraftquelledes eigenen pädagogischen Handelns genutzt wird.

Dazu sind einige Schritte von Nöten:

Das eigene sexualpädagogische Selbstkonzept klären!Die Fachkräfte (Erzieher/innen) sind der Schlüssel für eine sexualfreundliche sexuelle Bildung. Injeder Kindertagesstätte geschieht Sexualerziehung – und auch das Nichtreagieren, das Überse-hen und Verdrängen des Sexuellen hat Konsequenzen für die Einstellung und das Verhalten derKinder. Eine selbstreflexive Haltung ist Voraussetzung für sexualpädagogisches Handeln. Sie er-möglicht auch, zwischen den eigenen biografisch bedingten Betroffenheiten und den vielleichtfremd anmutenden sexuellen Ausdrucksformen der Kinder professionell zu unterscheiden. Nütz-

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lich für den Anfang sind Fortbildungen und Supervision, Gold wert sind vertrauensvolle und her-ausfordernde Gespräche im Team.

Sexualpädagogik als Thema ins Team tragen!Eine sexualitätsbejahende und körperfreundliche Erziehung braucht die Kommunikation und Zu-sammenarbeit im Team. Eine solche Auseinandersetzung stärkt die Einrichtung nach innen undaußen. Es geht dabei nicht um Gleichschaltung, wohl aber – angesichts weiterhin bestehenderUnterschiede – um die Erarbeitung und Fixierung einer geteilten solidarischen Haltung, die ge-genüber anderen Kooperationspartnern vertreten wird.

Ein Konzept sexueller Bildung entwickeln und offensiv vertreten!Die Lebenswirklichkeit der Kinder, ihre Bedürfnisse und Interessen sowie das bisher Gelernte bie-ten situative Anlässe für Gespräche, Spiele, Sinnesschulung und Projekte. Es wird das individuelle,selbsttätige Lernen betont, das durch eine grundsätzlich anregungsreiche Umgebung im Gruppen-kontext der Gleichaltrigen zu Bildungserlebnissen qualifizieren kann. Diese Gestaltung derBildungsräume (einschließlich der realen Räumlichkeiten) durch Angebote soll immer die Überle-genheit des Möglichen über das Wirkliche deutlich machen, muss also deutlich über das den Kin-dern Bekannte und von ihnen Gefragte hinausgehen, weil man sie sonst in ihren schicksalhaftgegebenen Lebensmilieus belassen würde. Wir müssen selbst etwas Schicksal spielen, um Neueszu ermöglichen. Die Angebote sollten auch durch methodische Vielfalt auf die Heterogenität derKinder abgestimmt werden, damit Gleichwertigkeit der Unterschiede herrscht, die gleichzeitig alsQuellen für das Gemeinsame genutzt werden.

Eltern als Kooperationspartner gewinnen!Eltern sind nicht nur Kunden des „Dienstleistungsunternehmens“ Kita sondern Ko-Konstrukteureder sexuellen Erfahrungswelt der Kinder. Sie gehören zentral zu einer sexualfreundlichenKommunikationskultur, die Konflikte nicht vermeidet, sie aber bearbeitet, oft nur aushaltbar macht,manchmal auch löst. Der sexuelle Bildungsauftrag der Kita stärkt die moderative Funktion derFachkräfte bei der Gestaltung der sexuellen Erfahrungswelt der Kinder auch über die Einrichtunghinaus.

Selbstbewusst auftreten und moderierende Netzwerkarbeit betreiben!Beginnend bei der unmittelbaren Räumlichkeit der Einrichtung erstreckt sich der Interventions-radius der Fachkräfte auf die Besonderheiten des Trägers, das umgebende Gemeinwesen, denStadtteil und seine Institutionen, besonders der Schule. Auch diese Kontextfaktoren gehören zueiner offensiven Strategie sexueller Bildung. Jedes Team braucht eine Spezialistin für moderieren-de Netzwerkarbeit, um das eigene Konzept dem Dialog auszusetzen und die Arbeit strategischabzusichern.

Qualität kontinuierlich sichern!Die Qualitätssicherung beginnt mit einem konkret formulierten Konzept und umfasst ein komple-xes Evaluationskonzept, das die Wege und Methoden sowie Heterogenität des kindlichen Lernens,die Veränderung der Kompetenzen, der Interaktionen und Atmosphäre sowie Bezüge zur umge-benden Umwelt mit einbezieht.

Sielert: Sexuelle Bildung von Anfang an!

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Eckhard Schroll, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, Sie im Namen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf dieser Fach-tagung begrüßen zu dürfen. Zu Beginn möchte ich ein herzliches Dankeschön an die Organisatorenrichten – an die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAG), stellver-tretend für alle: Frau Hofrichter, die mit viel Engagement diese Tagung geplant hat. Mein Dank giltauch allen Referierenden und Workshop-Moderatoren/innen und den Menschen im Hintergrund, diefür die Organisation zuständig sind und einen reibungslosen Ablauf ermöglichen.Das hohe Interesse – die Anmeldungen überschritten ja bei weitem Ihre Erwartung und auch dieeingeplanten Plätze – zeigt, welcher Stellenwert dem Thema „Körpererleben und kindliche Sexuali-tät“ von den pädagogischen Fachkräften beigemessen wird. Das Thema ist immer auch ein Bestand-teil des Kindergartenalltags, Sexualerziehung findet unbewusst oder bewusst statt. „Mama, warumhat die Frau so einen dicken Bauch?“ „Warum sieht der Pimmel von Berrat anders aus als meiner?“„Heute haben wir Mädchen alle den Max geknutscht!“ sind typische Kinderfragen oder Bemerkun-gen, auf die sie ehrliche und altersgerechte Reaktionen erwarten. Situationen wie Doktorspiele inder Kuschelecke, Beobachten und Hänseln anderer Kinder beim Toilettengang, Beschimpfungenund Sprüche mit sexuellem Inhalt können Eltern und Erzieher/innen verunsichern, verletzen oderprovozieren. Kinder stellen – wie bei anderen Themen auch – viele Fragen, sie möchten ihren Körperund ihre Umwelt verstehen und mit allen Sinnen begreifen. Aber nicht immer verstehen Erzieher/innen die Fragen und sexuellen Aktivitäten der Kinder als Aufgabe der Persönlichkeitsentwicklungoder als Bildungsauftrag. Bildung ist aber zurzeit das zentrale Thema im Elementarbereich.

Die Kinderliedertour „Nase, Bauch und Po“Eine sexualfreundliche Erziehung bedeutet, die Wissbegierde der Kinder zu befriedigen, Fragenaltersgemäß zu beantworten und durch eine liebevolle Atmosphäre auch die Experimentierfreudeund Erlebnisse rund um den Körper und die Sinne zu unterstützen. Wenn diese Erfahrungen unter-stützt werden, stärken sie das kindliche Selbstvertrauen und fördern ein positives Körpergefühl.

Zur SituationDie Kindertageseinrichtungen übernehmen eine familienergänzende Funktion, indem sie das Grund-wissen des Kindes über seinen Körper sowie seine körperliche Entfaltung fördern. Dazu zählenauch altersgerechte Antworten auf die Fragen der Kinder zu Körper, Liebe, Schwangerschaft undGeburt.Sexualerziehung im Kindergarten wurde im pädagogischen Alltag wenig beachtet. Sie ist in nurwenigen Kindertagesstättengesetzen der Bundesländer verankert. In den letzten Jahren bestimmtedas Thema „sexueller Missbrauch“ die Diskussion und verunsicherte die im Kindergarten Tätigen.In vielen Einrichtungen mangelt es an Konzepten und Botschaften für den Umgang mit kindlicherSexualität und Sexualförderung. Die dazu nötige Selbstreflexion, die Auseinandersetzung der Er-zieher/innen mit ihrer eigenen Sexualität und ihren persönlichen Werthaltungen ist auch im Kolle-gen/innenkreis nicht immer einfach. Zudem befürchten manchen Pädagogen/innen Konflikte mitden Eltern, die die Verletzung ihrer Erziehungsrechte beklagen, wenn sich der Kindergarten derSexualaufklärung annimmt. In der Folge wird in vielen Einrichtungen selten über kindliche Sexua-lität besprochen.

Bestandsanalysen zur Situation der Erzieher/innenausbildung und Befragungen von Lehrkräftenund Erzieher/innen an Fachschulen und Berufsfachschulen für Sozialpädagogik zeigen, dass zudemdas Thema in der erzieherischen Aus- und Fortbildung häufig ausgespart ist. Ein Konsens über sexual-

Die Kinderliedertour „Nase, Bauch und Po“ der BZgAEine bundesweite Initiative zur länderspezifischen Umsetzung der Sexualerziehung im Kindergarten

Schroll: Die Kinderliedertour

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pädagogische Inhalte, Ziele und Methoden existiert vielerorts nicht und es fehlen Medien undMaterialien zur vorschulischen Sexualerziehung. Beides Punkte, die von unterschiedlichen Seitenin der pädagogischen Praxis beklagt werden. In einem dreijährigen Modellprojekt der Bundes-zentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Situation der Erzieher/innenausbildung wurde ein sexual-pädagogisches Curriculum mit Materialempfehlungen für den Einsatz an Fachschulen und Berufs-fachschulen für Sozialpädagogik erarbeitet.

Von der Idee zur KindergartenboxAuf der Grundlage entwicklungspsychologischer Erkenntnisse und Erfahrung an der praktischenArbeit mit Kindern und Kindergärten sowie den Ergebnissen eines Pretests wurde ein Grundlagen-konzept für die Kindergartenbox entwickelt.

Zielgruppe sollten alle Vorschuleinrichtungen und -gruppen mit Kindern ab dem vollendeten 3.Lebensjahr bis zum Schuleintritt sein. Für die konzeptionelle Entwicklung war die Ausrichtung aufInstitutionen unterschiedlicher Trägerschaften (Städte, Kirche, Verbände, Elterninitiativen) und ver-schiedener Konzeptionen besonders wichtig.

Das entwickelte Konzept beinhaltet:einerseits Materialien mit Anregungen und Methoden für Erzieher/innen, Fachberater/innen undMultiplikatoren/innen sexualfreundlicher Erziehung im Kindergarten, andererseits Medien undMaterialien direkt für Kinder, die es ermöglichen, situationsbezogen auf aktuelle Ereignisse oderFragen der Kinder einzugehen, zur Verfügung zu stellen.

Die Themen:Den Körper entdeckenKörperaufklärung und Körperwahrnehmung.Hier bewegt sich wasKörperkontakt und BewegungWeil ich ein Junge bin – weil ich ein Mädchen binGeschlechtsidentität und GeschlechterrolleVom Traurig- und vom GlücklichseinGefühleDas hab’ ich gern, das mag ich nichtGrenzen setzenMit allen Sinnen die Welt entdeckenSinneserfahrungEin Baby kommtZeugung, Schwangerschaft und GeburtMeine FamilieFamilie und andere BezugspersonenManchmal ist es andersVertrautes und Fremdes

Alle Themen werden in unterschiedlichen medialen Zugängen aufbereitet. Diese Medien sind Be-standteile der Kindergartenbox:Handbuch für Erzieherinnen und Erzieher, zwei Elternbroschüren, Videokassette, Hörkassette,Musik-CD, Lieder- und Notenheft, Puppen „Lutz“ und „Linda“, Grabbelsack, Bilderbuch, Spielkar-ten, Puzzle, Bildkarten und Brettspiel.

Die Phase der Entwicklung und ErprobungIm zweiten Schritt wurden Kinder in die Gestaltung der Materialien einbezogen. Sie bewertetenbeispielsweise unterschiedliche Musterpuppen, Spielkartenentwürfe und Grabbelsäcke.Anlässlich der Bildungsmesse im März 2003 in Nürnberg entstanden Prototypen von sämtlichen

Schroll: Die Kinderliedertour

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Medien und Materialien, die am Messestand der BZgA sowie in zwei Workshops vorgestellt wur-den. Zahlreiche Erzieher/innen, Kindergartenleiter/innen, Ausbilder/innen und Fachberater/innenäußerten Bedarf an den Materialien für die konkrete Arbeit, aber auch für die Fort- und Weiterbil-dung. Anregungen zu den Inhalten, der grafischen Gestaltung sowie der Haltbarkeit wurden nachder Messe ausgewertet und flossen in die Endproduktion mit ein.

Drei kommunikative Elemente: Kindergartenbox, Musikmärchen und begleitende FortbildungenEine inhaltliche Verzahnung erfährt die Kindergartenbox mit den Elementen der Kinderliedertour„Nase, Bauch und Po“, die seit Oktober 2003 auf Tour durch Deutschland geht. Die Kinderlieder-tour besteht aus einem einstündigen Bühnenstück „Das Märchen von Nase, Bauch und Po“ fürKinder ab 4 Jahren, das mit kuscheligen Figuren und wunderschönen Liedern die Fragen der Kin-der zu Freundschaft, Liebe und Berührung thematisiert. Zusätzlich werden begleitende Fortbildungenfür pädagogische Fachkräfte angeboten.

Die Initiative der BZgA zur Sexualerziehung im Kindergarten setzt Impulse und motiviert regiona-le Partner/innen, Eltern und Erzieher/innen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Durch dieKindergartenbox stehen konkrete Arbeitshilfen und ein breites Materialangebot zur Verfügung, daseine Lücke schließt und für alle Beteiligten einen nachhaltigen Effekt erzielt.

Musikmärchen, Kindergartenbox und Workshops werden ab 2004 wissenschaftlich begleitet, umdie Akzeptanz und die Lerneffekte bei der Zielgruppe zu überprüfen, Modifizierungen, die impraktischen Einsatz erforderlich werden, zu erfassen und diese Angebote optimieren zu können.

Projektplanung und OrganisationEinrichtungen oder Träger, die Interesse haben, das Programm in ihre Stadt oder Region zu holen,erhalten professionelle Unterstützung.Um Sexualerziehung nachhaltig, von möglichst vielen Akteuren im Arbeitsfeld getragen, zu för-dern, ist eine vernetzende Strategie notwendig, um eine Verankerung auf kommunaler, regionalerund landesweiter Ebene zu ermöglichen. Dabei sind die Akteure aus den Kindertagesstätten undden Trägerverbänden genauso entscheidend, wie die Akteure des fachlich qualifizierenden Sek-tors (z. B. Jugendämter, Beratungsstellen und deren Trägerverbände, der ÖGD, Fachinstitutionen,Landesjugendamt). Eine erfolgreiche Implementierung, die Nachhaltigkeit bewirkt, gelingt nur,wenn alle drei Ebenen miteinander kooperieren, Synergien nutzen und ein gemeinsam erarbeite-tes Konzept länderspezifisch umsetzen.

Die BZgA will dazu einen wichtigen Impuls mit Kindertheater, pädagogischem Material und einerQualifizierungsoffensive sowohl organisatorisch als auch inhaltlich geben. Die BundesländerSchleswig-Holstein und Hamburg sind hierbei 2004 vorangegangen, Mecklenburg-Vorpommernund Thüringen werden in diesem Jahr hinzukommen.

Hier in Hamburg haben wir dank einer frühzeitigen und engagierten Planung der Kooperations-partner/innen genau diesen Idealfall. In Zusammenarbeit mit dem Bundesland Hamburg und über10 landesweiten Kooperationspartnern/innen fanden 6 Auftritte des Kindermusicals statt, begleitetvon zahlreichen Fortbildungen mit Multiplikatoren/innen. Allein 3.200 Kinder konnten „Nase, Bauchund Po“ auf der Bühne erleben, zahlreiche Erzieher/innen nicht mitgerechnet. Die heutige Fach-tagung ist ein weiterer Meilenstein der landesweiten Aktion in Hamburg zur Implementierung derSexualerziehung im Kindergarten. Deswegen möchte ich an dieser Stelle allen Kooperations-partnern/innen und allen Referenten/innen ein großes Dankeschön aussprechen. Sie alle tragenmit dazu bei, dass mit Hilfe der Kinderliedertour und der Kindergartenbox eine sexualfreundlicheErziehung im Kindergarten befördert und unterstützt werden kann.

Schroll: Die Kinderliedertour

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Silke Moritz, Sven Vöth, pro familia LV Hamburg e. V.

Der zweijährige Finn möchte seine Erzieherin regelmäßig auf die Toilette begleiten und erzähltseiner Mutter beim Abholen begeistert von dieser Erfahrung ... Die vierjährige Anna-Lena ver-schwindet in letzter Zeit häufiger mit den gleichaltrigen Jungen Linus und Paul in der Kuscheleckeum Doktor und Patient zu spielen – Anna-Lenas Vater spricht besorgt eine Erzieherin darauf an,dass seine Tochter neulich keine Unterhose mehr unter der Jeans anhatte, als sie nach Hause kam ...Die Kinder der Marienkäfer Gruppe tanzen neuerdings gerne nackt zu lauter Musik in ihremGruppenraum und einige Elternteile wünschen sich das Thema als Anlass zu einem Elternabend ...

Wie sag’ ich’s nur den Eltern und wie bringe ich es ihnen am besten bei, dass ihre Kinder schonlängst sexuell empfindsame kleine Menschen sind? Wie kann Eltern am besten erklärt werden –ohne sie zu verschrecken – dass ihre Kinder schon jetzt ihre Sexualität haben ... sie sogar auchschon leben... und dass nicht „erst alles“ in ein paar Jahren mit der beginnenden Pubertät losgeht?

Kinder sind neugierig – Mädchen wie Jungen und Jungen wie Mädchen. Im Verlauf ihrer Kindheitbegegnen diesen vielen kleinen Menschen Situationen, die Fragen in ihnen aufwerfen: Die Kindersehen ihre nackten Eltern und wundern sich, „dass Mama und Papa ganz unterschiedlich ausse-hen“; die Kinder fragen sich „wo der kleine, neue Bruder wirklich herkommt“; die Kinder wun-dern sich, warum nachts manchmal so ein „Gestöhne“ aus dem Elternschlafzimmer kommt undüberhaupt finden sie es „ziemlich rätselhaft“, dass die Erwachsenen „immer miteinander knut-schen müssen“.

Wundern sich die Kinder nur oder stellen sie Fragen? Vielleicht ist es aber auch so, dass sie zumFragen gar nicht kommen, da ihnen jemand vorauseilend schon alles erklärt hat, ohne dass sieselbst fragen mussten? (Lit.: 1)

Bei genauer erzieherischer bzw. pädagogischer Beobachtung von kindlichem sexuellen Verhaltenwird deutlich, dass jenes in den allermeisten Fällen in einem unmittelbaren Zusammenhang mitdem Thema „Erkundung der Welt“ steht. Das bedeutet, Kinder wollen verstehen, begreifen, nach-vollziehen und lernen: So stellen sie Fragen und probieren auch aus. Für uns Erwachsene (Erzie-her/innen und Eltern) wird in den allermeisten Fällen durch z. B. Doktorspielen, die Benutzungsexueller Sprache oder durch neugieriges Nachfragen bei den Kindern ein sexuelles, entwicklungs-gemäßes und somit völlig natürliches (sexuelles) Verhalten und Agieren sichtbar. Dieses ist vomsexualisierten – von außen oktroyierten – kindlichen Verhalten abzugrenzen.Wie kann es mir als Erzieher/in am besten gelingen, dass die Eltern die Sexualität ihrer Kinderrichtig verstehen und begreifen und dass sie nicht „alles in den falschen Hals bekommen“?Wie sag’ ich es ihnen nur, dass ihre Kinder bereits auf Sexualität neugierig und auch lustvoll emp-findend sind? Wie bringe ich’s den Eltern am besten bei, dass die kindlichen sexuellen Erfahrungenfür die kleinen Menschen wichtig sind, da genau diese prägend für die erwachsende Sexualitätund die spätere Liebes- und Beziehungsfähigkeit sind?Entscheiden wir Erwachsenen uns, diese kindlichen, sexuellen Lernerfahrungen zu begleiten, zufördern und zu unterstützen, bedeutet dies: Sexualpädagogik. Sexualpädagogik heißt, Menschen –und somit auch den Kindern – einen Raum zur Verfügung zu stellen, innerhalb dessen sie sich überSexualität angstfrei, ungeniert und natürlich-ungehemmt zu und über Sexualität (und damit auchüber Körperabläufe und Liebes- und Freundschaftsgefühle) informieren, austauschen und auchausprobieren können. Diese Begleitung und das Zulassen des sexuellen Bildungsprozesses kleinerMenschen braucht vordergründig keinen besonderen Rahmen und auch keine besondere und auf-wändige Vorbereitung. Sie kann überall dort stattfinden, wo Kinder – lebensweltlich bedingt – ihre

Wie sag’ ich’s nur den Eltern ...?Sexualerziehung und Eltern im Elementarbereich

Moritz, Vöth: Wie sag’ ich’s nur den Eltern ...?

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meiste Zeit verbringen: Diese Orte sind in aller Regel ihr Zuhause und auch die Kitas. In ihnen sindsie in einem hohen Maße miteinander im Dialog, im ungezwungenen Austausch mit anderen: Siefühlen sich wohl und auch sicher; auch gerade dadurch, dass sie von Vertrauenspersonen umge-ben sind. In diesen Situationen kommt es – oft wie von selbst – zu sexuellen Themen oder auchHandlungen, ohne dass speziell noch ein zusätzlicher Rahmen geschaffen werden muss. Wenn inden Kitas kindliches, natürlich-sexuelles Verhalten „einfach vorkommt“ und kein besonderer äu-ßerlicher Rahmen geschaffen werden muss, heißt dass dennoch und gerade für die „professionelleerzieherische Seite“, dass u. U. „innerliche Rahmenbedingungen“ geschaffen werden sollten, umeine gelungene Kitasexualpädagogik möglich zu machen und umsetzen zu können.

Es geht es in diesem Workshop um die zentrale Frage: „Wie sag’ ich’s nur den Eltern ...? Zu klärenist, was sich hinter dieser Frage verbirgt, was kann der (sexuelle) Gesprächsgegenstand mit denEltern sein – und von was sprechen wir hier und heute?

Wir sprechen davon, dass

Ihr Kind eine sexuelle Sprache benutztIhr Kind sich und andere Kinder gerne berührt und erkundetIhr Kind heute Geschlechtsverkehr gespielt hatIhr Kind heute mit anderen Kindern Zungenküsse ausprobiert hatdie Kinder in unserer Kita gerne Doktorspiele spielenIhr Kind sich vor den anderen selbst befriedigt hatIhr Kind ganz deutlich ein sexuell empfindender kleiner Mensch ist!

„Der erste Schritt ...“Bevor dieser Schritt nach außen – auf die Eltern zugehend – erfolgt, können wir uns als Erzieher/innen die Momente zugestehen und gönnen, darüber nachzudenken (vielleicht auch gemeinschaft-lich im Team):

wie stehen wir selbst überhaupt zu dem Thema „(kindliche) Sexualität“ und wie gehen wir damit um?welche Kenntnisse und Informationen besitzen wir über „kindliche Sexualität“?wer kennt sich von uns (Erziehern/innen) mit dem Thema „kindliche Sexualität“ bereits aus? Werhat darüber gelesen oder hatte das Thema sogar früher im Rahmen der Erzieher/innenausbildung?wie sind meine persönlichen/moralischen Vorstellungen und wie wurde ich selbst geprägt, d. h.inwieweit fällt es mir und uns grundsätzlich leicht oder schwer über „Sexualität“ zu sprechen?sind wir vielleicht ein kulturell gemischtes Team oder gibt es aufgrund unseres unterschiedli-chen Alters und der unterschiedlich langen Berufserfahrung u. U. ganz unterschiedliche Heran-gehensweisen an das Thema „Sexualität“?inwieweit fällt es mir und uns überhaupt leicht oder schwer, Elterngespräche zu führen, unab-hängig vom Thema?was benötige ich als Erzieher/in als innerliche Rahmenbedingung, um überhaupt Gesprächs-sicherheit über das Thema „Sexualität“ zu erlangen?wie können wir als Team mit der (doch manchmal verständlichen) Sprachlosigkeit oder mitunserem Ausweichen umgehen?müssen wir immer einer fachlichen Meinung sein oder gestehen wir uns innerhalb des Teamsauch einen unterschiedlichen Umgang mit „kindlicher Sexualität“ zu?

„Der zweite Schritt ...“Die interne Teamabsprache und die bestenfalls gemeinschaftliche Übereinkunft können Angeboteund Empfehlungen für Eltern zum Thema „kindliche Sexualität“ generieren:Das Team einer Kita kann sich, z. B. darüber verständigen, wie, in welcher Form, mit welchemInhalt und in welchem Raum der Kita Elterngespräche zur Sexualität ihrer Kinder geführt werden.Unter Umständen kristallisieren sich bestimmte Kollegen/innen heraus, denen es „besonders liegt“

Moritz, Vöth: Wie sag’ ich’s nur den Eltern ...?

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Einzelgespräche zu führen. Aus einem evtl. Kitateambeschluss könnte hervorgehen, dass künftig,z. B. Telefonate mit Eltern über das Thema Sexualität der Kinder abgelehnt werden, da der persön-liche Kontakt das bessere Setting für ein solches Gespräch bedeutet.Sollten Eltern gemeinsam zu Gesprächen in die Kita kommen, wäre es überlegenswert, das Ge-spräch auch mit einer weiteren Kollegin an der Seite (also zu viert) zu führen, um mehr Sicherheitdadurch zu erreichen (Prinzip der Ausgewogenheit). Kitas können initiativ das Thema „kindlicheSexualität“ zum Thema machen, indem regelmäßig Informationsveranstaltungen, z. B. Elternaben-de, angeboten werden. Hierzu können auch Sexualpädagogen/innen (zur Unterstützung) hinzu-gezogen werden. Hierbei vermittelt die Initiativität im Gegensatz zum reaktiven Verhalten einenhohen Grad an Sicherheit.Erzieher/innen und Eltern können ohnehin bei Fragen zu „kindlicher Sexualität“ telefonische und/oder persönliche Beratungsangebote der institutionalisierten Sexualpädagogik in Anspruch nehmen.Erzieher/innen können kostenlose und mehrsprachige Informationsflyer und -Broschüren zu „kind-licher Sexualität“ in ihren Räumen auslegen. Ein entlastender Aspekt: Erzieher/innen und Elternmüssen im Hinblick „Begleitung und Erziehung der Kinder“ nicht immer einer Meinung sein; soauch nicht zwingend zum Thema der „kindlichen Sexualität“.

Bei allen Bemühungen und Bestrebungen, den „goldenen erzieherischen Weg“ – hinsichtlichSexualerziehung von Kindern und die Einbeziehung der Eltern – zu gehen, muss dennoch gesagtwerden, dass es kein Patentrezept gibt. Es bleibt, dass es trotz Qualifikation und innerer Sicherheitimmer wieder Tage und Momente und Konstellationen gibt, an/in denen es uns nicht leicht fällt,selbstverständlich und eloquent mit anderen Menschen über Sexualität ins Gespräch zu kommenund erfolgsversprechend sexualerzieherische Inhalte vermitteln zu können.

Erzieher/innen befinden sich oft in einem Spannungsdreieck zwischen den Kindern und den ElternSo „müssen“ Erzieher/innen häufig zwischen dem Willen der Eltern und dem des Kindes unter-scheiden, ggf. vermitteln und für das Wohl des Kindes mit den Eltern kooperieren (Lit.: 3). DiesesDreieck (Spannungsfeld) kann durch die institutionalisierte Sexualpädagogik1 „aufgebrochen bzw.aufgeweicht“ werden.Im Rahmen ihrer Erziehungsberechtigung und ihres „Erziehungsauftrags“ nehmen Eltern eine wich-tige Rolle als Vermittler von Sexualaufklärung ihren Kindern gegenüber ein. Sie sind in den meistenFällen ihren Kindern sehr nahe und damit für die Heranwachsenden vertrauenswürdigeAnsprechpartner/innen. Eltern besitzen somit die Chance, von Anfang an Sexualerziehung in dieGesamterziehung zu integrieren. In vielen alltäglichen Situationen haben Eltern oder einzelneElternteile die Gelegenheit, den „sexuellen Bildungsprozess“ ihrer Kinder zu begleiten und zuunterstützen und können hiermit einen unbefangenen und angstfreien Umgang mit Sexualität för-dern. Sie können allerdings ebenso – sollten sie das „sexualerzieherische Bewusstsein“ nicht insich tragen – diesen Bildungsprozess hemmen.

In der Konfrontation mit „kindlicher Sexualität“ kommt es auf der Seite der erwachsenen Bezugs-personen häufig zu einem „Ausweichverhalten“. „Empathie für die Erwachsenenwelt entwickelnd“,muss/sollte hinsichtlich der umsetzbaren sexualerzieherischen Möglichkeiten natürlich auch Er-wähnung finden, dass Eltern und Erzieher/innen ihren Kindern nur im Rahmen ihrer MöglichkeitenGesprächsangebote machen können. Die Bezugspersonen der Kinder haben (auch) ihre eigenePrägung (Kultur, Tradition und Moralvorstellungen etc.). Die eigene Biografie und individuelleSchamgrenzen beeinflussen die unterschiedlichen kommunikativen Fähigkeiten (und dies nichtnur in Bezug auf „Sexualität“).

Es bietet sich an, dass sich Kitas, Eltern und die institutionalisierte Sexualaufklärung (Sexualpäda-gogik) miteinander vernetzen. Das Ziel einer solchen „Kooperation“ kann idealerweise zu einerOptimierung des Bildungsangebotes für die heranwachsenden Kinder führen. Die institutionalisier-te Sexualpädagogik bietet in einigen Bundesländern spezielle Elternarbeit zur „Sensibilisierung fürdas Thema“ an. Innerhalb dieser Elternseminare wird den Bezugspersonen der Kinder die Möglich-

Moritz, Vöth: Wie sag’ ich’s nur den Eltern ...?

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keit der Selbstreflexion angeboten. Zudem haben die Seminarteilnehmenden immer die Möglich-keit, sich untereinander über „Sexualerziehung“ ihrer Kinder auszutauschen2. Ein weiteres Bei-spiel für die Vernetzung sind Kooperationen zwischen Kitas und der institutionalisierten Sexualpä-dagogik. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit können Projekteinheiten zum Thema „Kuscheln +Fühlen, Liebe + Freundschaft“ veranstaltet werden. Hierbei ist nicht nur die Umsetzung von, z. B.explizit sexualpädagogischem Arbeiten, sondern des Weiteren die Befähigung von Multiplikato-ren/innen zur eigenständigen Planung sexualerzieherischer Arbeitseinheiten das Ziel. Aber auchdie Kitas können sich mit den Eltern vernetzen und mit ihnen im Rahmen von thematischen El-ternabenden oder Workshops gemeinsam am Thema „Sexualerziehung der Kinder“ arbeiten. Hierbeiwird sichtbar, dass zu Beginn immer einer der Kooperationspartner/innen den initiativen Vorschlagder Zusammenarbeit machen muss/sollte.

Es bieten sich Eltern eine Vielzahl von Möglichkeiten, an der sexuellen, dieser „besonderen“ Ent-wicklung der Kinder teilzuhaben, sie zu unterstützen und sie somit zu fördern. Die naheliegendsteMöglichkeit des Austauschs für Mütter und Väter über die sexuelle Entwicklung der Kinder und diemit ihr in Verbindung stehenden Bedürfnisse, liegt im partnerschaftlichen Umgang der Eltern selbst.Hiermit ist nicht zwingend (nur) das „traditionelle“ Zusammenleben zwischen Mutter und Vatergemeint, die sich über die Erziehung der Kinder verständigen; auch im Freundeskreis – und geradewenn dort auch Eltern sind – werden Gespräche über Erziehungsangelegenheiten und über denUmgang mit besonderen Situationen möglich, vorausgesetzt sie sind gewollt.Selbstverständlich können sich Eltern auch in Form von Elternabenden zum Thema „kindlicheSexualität“ miteinander vernetzen, um über diese „brisanten“ Themen miteinander ins Gesprächzu kommen. Sie können sich an spezielle Beratungsstellen wenden, die abgestimmt auf die Fragender Eltern, Angebote zur Verfügung stellen. Eltern sind nicht gezwungen, einschlägige Fachlitera-tur zu recherchieren, um ihren Wissenstand über die sexuelle Entwicklung und die mit ihr verbun-denen Bedürfnisse (eben auch Informationsbedürfnisse) ihrer Kinder zu erweitern. Außer „schwe-ren Büchern“ gibt es andere Quellen zum Thema Sexualität, aus denen sich interessierte Eltern„praktischere und leichtere“ – meist auch kostenlose – Unterstützung für die Begleitung ihrerHeranwachsenden holen können. Inzwischen ist das Informationsangebot an Ratgebern für Erzie-hende zum Thema „kindliche Sexualität“ sehr umfangreich3.Aufgegriffen werden soll an dieser Stelle noch einmal das übergeordnete Ziel von Sexualpädagogik:Diese Form der Begleitung beabsichtigt, Kindern/Heranwachsenden einen Raum für den Austauschüber Sexualität zu ermöglichen. Dieses Angebot können Eltern, einzelne Elternteile und andere er-wachsene Bezugspersonen den Kindern machen, ohne über detailliertes Fachwissen verfügen zumüssen. Settings für Informationen und Gespräche über Sexualität können alltägliche, lebensweltlichesein; denn meistens genau in ihnen kommen bei den Kindern die Neugier und die Fragen auf.Kinder, auch durch Sexualerziehung, nach „besten Möglichkeiten“ zu fördern und derenPersönlichkeitsentwicklung zu unterstützen, wird in Hamburg durch die Inanspruchnahme dessexualpädagogischen Angebots des pro familia Landesverbands e. V. optimiert.

Speziell für Einrichtungen des Elementarbereichs bieten wir an:Fortbildungen für pädagogische FachkräfteElternabendeBeratungen für pädagogische Fachkräfte (incl. Methodenangebot)Beratungen für Eltern (auch türkischsprachig)

Besondere Schwerpunkte legen wir dabei auf:die psychosexuelle Entwicklung in den ersten 6 Lebensjahreneinen geschlechtsbezogenen AnsatzStärkung der Kinder durch Körperwahrnehmung und Sensibilisierung für Ja/Nein-Gefühleund einen genauen Blick auf die vielfältigen Bedingungen und Lebensweisen, unter denenKinder aufwachsen (Lit.: 4)

Moritz, Vöth: Wie sag’ ich’s nur den Eltern ...?

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Literatur:1) Vöth, S. (2005): „Auf welchem Weg informieren sich heranwachsende Männer zu den Themen

Sexualität und Partnerschaft und welche Anlässe (innere/äußere) bestimmen diesen Weg?“ ProblemzentrierteInterviews am Beispiel der männlichen Adoleszenz. Eine qualitative Untersuchung. Hamburg, S. 3

2) Moschner, S./Spitzner, M. (2004): Geschlechtssensible Erziehung. Hamburg, S. 13) Moritz, S. (2005): Exposé Projektbericht: Grundlagen für die Sexualpädagogik im Elementarbereich, S. 14) pro familia Landesverband Hamburg e. V. (2004): Flyer Sexualpädagogik; Einlage: Angebot für den Elemen-

tarbereich

Fußnoten:1 siehe u. a. sexualpädagogische Angebote des pro familia Landesbands Hamburg e. V.2 „Elternseminare“ sind klassische Angebote sexualpädagogischer Erwachsenenbildung.3 So bietet z. B. die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln (BZgA) kostenlose Broschüren

zum Thema in mehreren Sprachen an.

Moritz, Vöth: Wie sag’ ich’s nur den Eltern ...?

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Ayse Can, Bernd Priebe, pro familia LV Hamburg e. V.

Laut dem Statistischen Landesamt leben in Hamburg 257 318 Menschen nichtdeutscher Herkunftaus 42 Länder, davon sind 25 860 Kinder im Alter zwischen 0-9 Jahren.Faktisch leben wir also in einer multikulturellen Gesellschaft. Aber das heißt erst mal nicht mehr,als dass wir mit vielen Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenleben. Aus unserer päda-gogischen Praxis wissen wir, dass wir einen Weg finden müssen, mit diesen unterschiedlichenHintergründen umzugehen. Gerade im Kita-Alltag treffen die Kollegen/innen eben nicht nur aufdie Kinder, sondern auch auf die Eltern mit Migrationshintergrund. Oft führt das zur Verunsicherungder Pädagogen/innen gerade beim Thema frühkindliche Sexualerziehung. In unserem Workshopwollen wir zuerst Begriffe klären, die in dem Kontext wichtig sind. Weiterhin werden wir uns mitfolgenden Fragestellungen befassen:

Interkulturelles ArbeitenMenschen unterschiedlicher Herkunft treffen aufeinander und versuchen in einen Dialog zu kom-men. In diesem Dialog ist es wichtig, möglichst Hierarchien zu vermeiden oder aber, wenn mög-lich, sie zu benennen. Neugier aufeinander ist ein weiteres Prinzip dieses Arbeitsansatzes.

TrankskulturalitätDieser Begriff ist entwickelt worden, um nicht von zu statischen Vorstellungen von Kultur auszuge-hen. Wir wissen alle, wie stark wir uns in unserem Alltag von unseren Eltern, also den Menschender vorhergehenden Generationen unterscheiden. Auch Kollegen/innen oder Nachbarn haben ganzandere Werte und Vorstellungen als wir. Kultur ist nichts Feststehendes und speist sich aus vielenQuellen. Familie, Religion, Bildung, politische Einstellungen sind nur einige von ihnen. Auch Men-schen mit Migrationhintergrund sind von vielen Einflüssen geprägt. Es gibt nicht den türkischenGastarbeiter oder die kopftuchtragende Muslima. Deswegen benutzen wir hier den zugegebe-nermaßen auch nicht optimalen Begriff „Trankskulturalität“ (Wolfgang Welsch; Trankskulturalitätin „Texte zur Wirtschaft“ ‘97), um deutlich zu machen, dass nicht zwei geschlossenen Systemeaufeinander treffen und wir alle eingeschlossen in Bewegung sind.

Kindliche Sexualität und Wertevorstellung der ElternKindliche Sexualität ist z. B. spielerisch, sinnlich den eigenen und den anderen Körper zu entdecken.Anders als bei Erwachsenen, bei denen Sexualität häufig mit Genitalität gekoppelt ist.Diese Entdeckungslust von Kindern ist etwas, mit dem Eltern und pädagogisches Fachpersonal imElementarbereich meistens Berührungsängste haben. Es gibt unterschiedliche Anforderungen an Erzie-her/innen. Viele Mütter und Väter wollen damit etwas lockerer umgehen, als sie das in ihre Kindheit undJugend erlebt haben, also einen freundlicheren Umgang mit Körper und Sexualität. Und einige Elternwollen keinen offenen und lockeren Umgang mit dem Thema Sexualität in der Kita.Die Vielfalt von unterschiedlichen Lebensformen können hier für Erzieher/innen ein Problem wer-den. Es ist wichtig zu benennen, dass nicht nur die nichtdeutschen Eltern Berührungsängste mitdem Thema Sexualität haben, auch ohne nichtdeutsche Eltern würden ähnliche oder vielleichtauch die gleichen Anforderungen an Erzieher/innen vorhanden sein können. Diese unterschiedli-chen Wertevorstellungen von Eltern sind sicherlich ebenso unter Erzieherinnen wieder zu finden.Dass meistens ein bewusster Umgang mit frühkindlicher Sexualität in der Ausbildung an den sozi-alpädagogischen Fachschulen aber auch in den Einrichtungen nicht vorkommt, macht es für dieKollegen/innen nicht einfacher.

Worum es für die Erzieherinnen geht?Die Mitarbeiterinnen sollten sich selbst und im Team mit folgenden Fragestellungen und Aufgabenauseinandersetzen:

Kuschelt Ali anders als Anna? Interkulturelle Sexualerziehung im Kindergarten

Can, Priebe: Kuschelt Ali anders als Anna? Interkulturelle Sexualerziehung im Kindergarten

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Kindliche SexualitätWas erfordert trankskulturelle Arbeit von der Einrichtung, den Teams und von den Pädagogen/innen?Was brauchen die Kinder aus verschiedenen Kulturen?Wie ist mit den Forderungen der Eltern umzugehen?Brauchen nicht deutsche Eltern eine andere Anbindung?

Im Workshop versuchen wir einer Antwort näher zu kommen, was trankskulturelle Erziehung kon-kret in der Einrichtung vor Ort bedeuten könnte. Dabei wollen wir anhand von Fallbeispielen ausder Kitapraxis Umgangsstrategien erarbeiten bzw. an der eigenen Haltung arbeiten.

Eindrücke aus dem WorkshopDie Ergebnisse des Workshops deckten sich weitgehend mit Thesen, die wir vorbereitet hatten.Deutlich wurde der Bedarf nach einer Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität, gerade vordem Hintergrund unterschiedlicher kultureller und religiöser Hintergründe. Ganz wichtig ist dafür,nach Einschätzung der Kolleginnen aus der Praxis, die Arbeit mit den Eltern. Gerade Eltern mitMigrationshintergrund sind oft unsicher, was sie ihren Kindern erlauben dürfen und was nicht.Häufig fehlt, aufgrund von sprachlichen Barrieren, die Möglichkeit Bildungsarbeit mit den Elternzu machen oder in eine Auseinandersetzung über unterschiedliche Vorstellungen einzusteigen.Entscheidend ist allerdings auch, inwieweit die Einrichtung sich auf einen Prozess einlässt in demdas Ziel ein offener, lustbetonter Umgang mit der Körperlichkeit und der Sexualität der Kinder ist.Am Ende eines solchen Weges könnte ein Konzept stehen, das die frühkindliche Sexualität alsintegralen Bestandteil des Bildungsauftrages in der frühkindlichen Erziehung betont.Die Haltung oder im besten Fall das Konzept, das eine Einrichtung zu dieser Thematik entwickelt,kann als Qualitätskriterium und Teil des pädagogischen Ansatzes von vornherein den Eltern mitge-teilt werden, die es dann leichter haben die Arbeit in der Kita einzuschätzen.Schade ist es, dass einige Teilnehmerinnen davon berichteten, dass eine Folge der neuen Kita-Politik in Hamburg ist, dass Eltern die Einrichtung über die Finanzierung der Kita-Plätze unter Druckzu setzen versuchen. Nach dem Motto: wenn hier etwas passiert, was ich nicht möchte, geht meinKind in eine andere Einrichtung. Das verhindert zum Teil die Auseinandersetzung mit dem ThemaSexualität. Gerade im Sinn einer erfolgreichen präventiven Pädagogik wäre es fatal, wenn Ein-richtungen ihre pädagogischen Konzepte nach der Marktlage erarbeiten müssten.

Transkulturelle Arbeit erfordertdie Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstreflektiondie persönliche Auseinandersetzung mit dem Eigenem und dem FremdenOffenheit für unterschiedliche LebensweisenEinbeziehung von Spielen, Märchen, Festen aus unterschiedlichen Ländern in den Alltag derEinrichtungeine Haltung vorleben „es gibt nicht die richtige/falsche Lebensweise“bewusste Positionierungeigene Haltung/eigene Grenzen zur kindliche Entwicklung bzw. Sexualität entwickelnKonfliktfähigkeitInstitutionelle Öffnungdie Auseinandersetzung mit unterschiedlichen LebensweisenHaltung/KonzeptUnterstützung von Mitarbeitern/innen durch Fortbildung und ProjekteTranskulturelle Teamzusammensetzungeine multikulturelle Teamzusammensetzung birgt die Auseinandersetzung mit dem Thema trans-kulturelle Kompetenz in sichElternarbeitGeduld und langen Atem

Can, Priebe: Kuschelt Ali anders als Anna? Interkulturelle Sexualerziehung im Kindergarten

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Beate Martin, pro familia Münster

Spielen gehört zum Alltag des KindesKinder haben Spaß am Spiel, an Bewegung und an sinnlichen Erfahrungen. Das liegt in der Naturdes Kindes. Die meisten Erwachsenen kennen das: Selbst alltäglich notwendige Arbeiten können,in ein Spiel eingebunden, ein befriedigendes Ergebnis für Kinder und Erwachsene hervorbringen.So ist das auch beim Thema „Sexualität“. Sexualerziehung sollte nicht einmalig oder punktuellstattfinden, sondern in den Alltag des Kindes spielerisch eingebettet sein. Kinder erleben ihre Sexu-alität ganzheitlich, mit allen Sinnen. Sie sind neugierig, interessiert und haben Freude daran, etwaszu erforschen oder auszuprobieren. Das setzt voraus, dass sie in ihrem sexuellen Erleben vonErwachsenen mit Sensibilität, Bereitschaft, Lust am Spiel und Wissen im Sinne von Erfahrungsvor-sprung begleitet werden.Bewusstes Handeln ist eine Grundlage für eine aktive Sexualerziehung. Dazu gehört das Festset-zen von Regeln und Grenzen genauso wie das Schaffen von Möglichkeiten, die es dem Kindermöglichen, sich zu bewegen, sich im Spiel mit anderen Kindern zu erfahren oder sich an einengeschützten, privaten Ort zurückzuziehen (Wahrung der Intimsphäre!).Genauso wie Sexualität im Laufe des Lebens erlernt wird, gehört das Spielen zu einem elementa-ren Lernbereich des Kindes, der mit Fantasien verbunden wird. Das Kind entwickelt ein Gefühl fürdie Unterscheidung von Fiktion und Realität und braucht das Spiel, um:

bewegende Erlebnisse zu verarbeitenNeues ohne Risiko auszuprobiereneinmal Ruhe zu haben und für sich sein zu könnenin eine Fantasiewelt eintauchen zu können

Für Kinder ist das Spielen zur Förderung ihrer Entwicklung genauso notwendig wie das Essen undTrinken. Es bietet ihnen die Möglichkeit positive oder negative Erfahrungen, Problematisches, Schö-nes, Unerklärliches nachzuempfinden, daraus zu lernen und in die Persönlichkeit zu integrieren.Viele Wünsche und Träume werden nur im Spiel und in der Fantasie zur Wirklichkeit. Die Fähig-keit zu spielen kann gefördert oder gehemmt werden. Da Kinder im Vorschulalter einen großenTeil ihrer Zeit im Kindergarten verbringen, darf hier auch das Thema „Sexualität“ nicht ausgespartwerden. Aktive Sexualerziehung unterstützt Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und trägtauch zum Schutz vor Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen bei.

Eine gute Planung und Vorbereitung ist die „halbe Miete“Im Kindergartenalltag tragen die Beachtung der inhaltlichen und methodischen Seite sowie diePlanung und die Absprachen dazu bei, dass sexualpädagogische Interventionen und Projekte zu-friedenstellend gelingen.Für das Spielen gilt grundsätzlich, ebenso wie für Sexualerziehung allgemein, dass kein Zwangausgeübt werden sollte: weder für die Erzieher/innen noch für die Kinder! Nur durch Selbstreflexion,Wissen und Fortbildung entsteht angemessene Handlungskompetenz, Motivation, Sicherheit undLust, etwas Neues auszuprobieren. Ohne die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem The-ma „Sexualität“, den eigenen Beweggründen und „blinden Flecken“ können durch sexual-pädagogisches Agieren Gefühle und Situationen ausgelöst werden, in denen sich die Erzieher/innen überfordert fühlen.Eine sexualpädagogische Konzeption und ein vorbereitender Elternabend tragen zum besserenGelingen bei. Die Chance eine befriedigende Sexualität zu erleben, liegt im Erkennen und Erle-ben der eigenen Lust. Sexualfreundliche Erziehung ermöglicht dem Kind ein positives Körper-

Auch Spielen will gelernt sein!Einblicke in die aktive Gestaltung von Sexualerziehung in der Kita. Vermittlung von Methodenund Kompetenzen durch Kennenlernen, Ausprobieren und Reflektieren

Martin: Auch Spielen will gelernt sein!

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bewusstsein, Neugier und Spaß an sich selber und anderen Kindern zu erleben. Die Wahrneh-mung sinnlicher Erfahrungen gehört ebenso dazu wie das Erlernen von eigenen und fremden Gren-zen, die eine spätere Beziehungsfähigkeit und soziales Miteinander unterstützen. Bereits im Vor-schulalter werden Grundlagen in der Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen gelegt, die sieim späteren Erwachsenenleben in ihrer Partnerschaft und Sexualität beeinflussen.

Lebendiges Lernen erhöht den LernerfolgZum lebendigen Lernen gehören Spaß und Lust, Offenheit, Vertrauen, aber auch Intimität undErnst. Spiele sollten deshalb immer Änderungsmöglichkeiten und Varianten zulassen. Spiel-situationen können eine eigene Dynamik entwickeln, die gefördert werden sollte, wenn sie nichtgegen die Regeln verstoßen. Veränderungen und neue Erfahrungen können die Fantasie und dieKreativität beflügeln und den Lernprozess befruchten. Andererseits soll die Methode als strukturel-ler Rahmen eines Spiels sicherstellen, dass bestimmte Ziele erreicht werden und der Prozess, wennnötig, gesteuert werden kann. Das setzt Flexibilität von Erwachsenen voraus, die vor allemdurch Erfahrungen, Auseinandersetzung mit dem Thema und einem „Gefühl der Sicherheit“ er-reicht werden kann.Die ausgewählten Methoden und Spiele sollten den Erzieher/innen bekannt sein, noch besser istes, wenn sie diese selbst ausprobiert haben. Eine gute Planung, die Vorbereitung und der Aus-tausch im Team und mit den Eltern (z. B. durch einen Elternabend) erhöhen den Erfolg. Sexualer-ziehung im Kindergarten ist als ein familienergänzendes Angebot zu verstehen.

Was beim Einsatz von Spielen berücksichtigt werden sollte ...

Spielzwang erhöht unterschwellige Widerstände und missachtet die Grenzen und Selbstbestim-mung der Kinderkleine Kinder lernen mehr über das Erleben und Erfahren als über die Kognition. Erzieher/innenhaben demnach einen „Vorbildcharakter“!Spiele sind kein Ersatz für mangelnde Ideen! Die eigene Lust und Motivation fördert den ge-meinsamen Spaß und die MotivationErklärungen sollen altersgemäß in einer einfachen und deutlichen Sprache formuliert werdenSpiele ersetzen nicht die Aufmerksamkeit für ein Kind und/oder das Gespräch. Kinder habenFragen, die beantwortet werden sollten. Weitergehende Fragen, die im Anschluss an ein Spielentstehen, sollten bedürfnisorientiert bearbeitet werden, z. B. mit einer kleineren Gruppe der amThema interessierten Kinder.Auch Spiele, die sich bewährt haben, sind nicht als Rezepte für gelungene Sinnesschulung oderSexualerziehung zu verstehen. Sie müssen immer situativ und an die Individualität der Kinderangepasst werden.

Martin: Auch Spielen will gelernt sein!

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Maria Gies, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat die bundesweit erste Initiative für einesexualfreundliche und körperbewusste Erziehung in Kindertageseinrichtungen gestartet.Seit Oktober 2003 ist die Kinderliedertour „Nase, Bauch und Po“ unterwegs. Ziel ist es, die Fragenund Erfahrungen der Kinder zu den Themen Körper, Zärtlichkeit, Liebe und Sinnlichkeit aufzugrei-fen und ihnen altersgemäße Lernerfahrungen zu ermöglichen.Erzieher/innen wie Eltern werden unterstützt, die Neugier der Kinder einfühlsam zu befriedigenund sie ihrer Entwicklung entsprechend zu fördern und zu begleiten.

Denn bereits im Kindergartenalter konfrontieren Kinder Erwachsene mit Fragen zu Geschlechts-unterschieden, Liebe, Schwangerschaft oder Geburt.Bei Eltern und Erziehern/innen herrscht noch immer eine gewisse Scheu und Unsicherheit, wannund wie sie Kinder aufklären sollen. 97% der Eltern halten eine Sexualerziehung im Kindergarten-alter zwar für notwendig, geben aber auch an, dass sie zwar über Geschlechtsunterschiede,Schwangerschaft und Geburt mit ihren Kindern sprechen, Themen wie „Zeugung“ und „Sexuali-tät“ aber als „schwierig“ betrachten.

Sexualerziehung wird als Persönlichkeitsbildung und als Bildungsauftrag verstanden, eine sexual-freundliche Erziehung bedeutet, die Wissbegierde der Kinder zu befriedigen, Fragen altersgemäßzu beantworten und durch eine liebevolle Atmosphäre auch die Experimentierfreude und Erlebnis-se rund um den Körper und die Sinne zu unterstützen.Wenn diese Erfahrungen unterstützt werden, stärken sie das kindliche Selbstvertrauen und fördernein positives Körpergefühl. Eine so verstandene Sexualerziehung ist mehr als nur Aufklärung überbiologische Sachverhalte, sie ist auch Sozialerziehung und trägt zum Erlernen partnerschaftlichenVerhaltens bei.Nur wenn ein Kind sich selbst, seinen Körper und seine Grenzen kennt, ist es in der Lage, auch dieGrenzen anderer zu respektieren.

Sexualerziehung im Kindesalter ist in nur wenigen Kindertagesstättengesetzen der Bundesländerverankert. Umfassende Konzepte und Materialien zur vorschulischen Sexualerziehung fehlen undin der erzieherischen Aus- und Fortbildung wird das Thema häufig ausgespart. Vor diesem Hinter-grund füllt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit der Kinderliedertour „Nase, Bauchund Po“ eine Lücke.

Mit der Kindergartenbox stellt die BZgA ein umfangreiches Medienpaket zur Sexualerziehung zurVerfügung, das Erzieher/innen im Kindergarten unterstützt, Antworten auf die Fragen der Kinder zugeben und die Sexualerziehung in ihre Arbeit einzubetten.Die Box enthält Sachinformationen, Medien, Spiele und vielfältige praktische Anregungen, mitderen Hilfe Erzieher/innen Sexualerziehung so gestalten können, dass Kinder ihre Bedürfnisse undWünsche entdecken und leben können. Die Materialien sind eine Hilfe, Sexualerziehung als fes-ten Bestandteil in den Kindergartenalltag zu integrieren.Dabei greifen die Medien und Methoden auf bekannte Bausteine der Vorschulerziehung zurück.Die Materialien sind differenziert nach Alter und Entwicklungsstand.Der Zugang erfolgt spielerisch, erlebnis- und handlungsorientiert. Alle Themen, Spielideen undMedien sind miteinander verknüpft und bieten den Erziehern/innen vielfältige Handlungs-möglichkeiten, z. B. die Nachbereitung des Musikmärchens und der unterschiedlichen Themen,die im Stück angesprochen werden.

Methoden und Materialien für die Praxis:am Beispiel der Kindergartenbox „Entdecken, Schauen, Fühlen!“ der BZgA

Gies: Methoden und Materialien für die Praxis

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Die Medien und Materialien der Kindergartenbox:ein umfangreiches Handbuch für Erzieher/innenzwei Elternbroschüren „Körper, Liebe, Doktorspiele“eine Videokassette „Lutz und Linda“ mit 10 Bildergeschichten à 3 bis 4 Minuten, die im Rahmender „Sesamstraße“ ausgestrahlt wurdeneine Hörkassette „Lutz und Linda“ mit 10 Hörgeschichten, die auf den Geschichten der Video-kassette basierendie Musik-CD „Nase, Bauch und Po“ mit einer Zusammenstellung von Liedern aus dem Büh-nenstück sowie weiteren Musikstücken und Reimen inklusive 14 Playbackversionen und einemTextheftein Text- und Notenheft, das alle Texte und Notensätze der Musik-CD enthältein Bilderbuch „Mama bekommt ein Baby“, in dem die Themen Schwangerschaft und Geburtangesprochen werdenSpielkarten zum Thema Gefühleein Puzzle „Lutz und Linda“22 ausgewählte Bildkarten „Lutz und Linda“ aus den Bildergeschichten des Videosein Brettspiel mit Ereigniskarten

Die Inhalte und Themen der Kindergartenbox:In den Materialien der Kindergartenbox werden vielfältige Themen angesprochen, die in derSexualerziehung von Bedeutung sind:

„Den Körper entdecken“ – Körperaufklärung und Körperwahrnehmung„Hier bewegt sich was“ – Körperkontakt und Bewegung„Weil ich ein Junge bin – weil ich ein Mädchen bin“ – Geschlechtsidentität und Geschlechter-rolle„Vom Traurig- und vom Glücklichsein“ – Gefühle„Das hab ich gern, das mag ich nicht“ – Grenzen setzen„Mit allen Sinnen die Welt entdecken“ – Sinneserfahrung„Ein Baby kommt“ – Zeugung, Schwangerschaft und Geburt„Meine Familie“ – Familie und andere Bezugspersonen„Manchmal ist es anders“ – Vertrautes und Fremdes

Gies: Methoden und Materialien für die Praxis

Foto

: BZ

gA

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Mirjam Spitzner, Stephan Moschner, pro familia Schleswig-Holstein

In der Gruppe der Maulwürfe spielen heute alle Jungen laut im Raum Cowboys, die Mädchensitzen still in einer Ecke und malen Blumenbilder. Im erzieherischen Alltag erleben Erziehende oftsolche Situationen, die den Eindruck machen, als hätte sich an den Zuschreibungen und Verhal-tensweisen qua Geschlecht nur wenig bewegt. Oft geraten sie dadurch in den Widerspruch, aufder einen Seite die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder ohne pädagogischen Zeigefinger ernstnehmen zu wollen, auf der anderen Seite aber auch nach Wegen zu suchen, Geschlechter-stereotypen zu hinterfragen. Was kann in einem solchen Kontext eigentlich geschlechtssensibleErziehung heißen? Wie nehmen Erzieherinnen (im seltenen Falle auch Erzieher) Mädchen undJungen wahr? Und wie können Angebote und Spiele in der KiTa aussehen?Grundlage für diese Fragen sind einige Aspekte zu Entwicklung der Geschlechtsidentität.Die Geschlechtsidentität lässt sich in drei Komponenten aufteilen:

Kern-Geschlechtsidentität Bin ich ein Mädchen, bin ich ein Junge?Geschlechtsrolle Wie verhalte ich mich, damit mich andere als Mädchen

oder Junge wahrnehmen?Sexuelle Orientierung In wen verliebe ich mich?

In unserer Kultur der Zweigeschlechtlichkeit gilt die Geschlechtsidentität fast immer als eindeutig,Kinder haben so nur die Möglichkeit, entweder Mädchen oder Junge zu sein.In der Festigung der Geschlechtsidentität zwischen 2-6 Jahren erlernen Kinder an realen Personen,was es heißt, weiblich oder männlich zu sein, kopieren Verhaltensweisen erwachsener Bezugs-personen und übernehmen mediale Vorbilder. Dabei werden in dieser Phase oft klischeehafte Bil-der ausgelebt, um sich des eigenen Geschlechts zu vergewissern. Während die Kernidentität imerzieherischen wie auch sexualwissenschaftlichen Kontext meist nicht verhandelt wird, ergebensich bezogen auf Geschlechtsrolle und sexuelle Orientierung mehr Handlungsspielräume, die oftgenutzt werden. Hier setzt geschlechtssensible Erziehung an. Aus Sicht der Workshopteilnehmendenbeinhaltet geschlechtssensible Erziehung unter anderem folgende Aspekte:

jedes Kind in seiner Persönlichkeit bestärkenSpielmöglichkeiten für alle gleichermaßen anbieten und Unterschiede akzeptierenAnregungen schaffenUnterschiede innerhalb der Jungen- bzw. Mädchengruppe anerkennenwas wollen die Kinder?eigenes Rollenbild (wer bin ich) hinterfragenRaum geben, verschiedene Bilder zu findenniemanden ausschließenallen das Gleichejedes Kind das Geschlecht sein lassen, das es sein möchte

Bei Angeboten und Spielen gilt es entsprechend, auf der einen Seite alle gleich zu fördern (zumBeispiel im Bereich der Wahrnehmung, Gefühle, Motorik), auf der anderen Seite, die individuellenBedürfnisse wahrzunehmen, die durchaus geschlechtsstereotyp sein können (zum Beispiel Mäd-chen spielen mit Puppen, Jungen mit Fußball). Gerade diese aber können durch neue Anregungenweiter werden, wenn zum Beispiel Mädchen und Jungen in Bilderbüchern andere Vorbilder sind,wenn Erzieherinnen durch ihre Art neue Impulse geben oder eben ein Spiel weinende Ritter, rau-fende Prinzessin und liebender Drache heißt. Das Dilemma, mit einer geschlechtssensiblen Erzie-hung immer auch Gefahr zu laufen, bestehende Unterschiede zu zementieren, bleibt und fordertimmer wieder neu auf, die eigenen Bilder und Erfahrungen zu reflektieren.

Von weinenden Rittern, raufenden Prinzessinnen und liebende DrachenImpulse für geschlechtssensible Erziehung

Spitzner, Moschner: Von weinenden Rittern, raufenden Prinzessinnen und liebende Drachen

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Elke Heptner, Ulrich Kaulen, Kinderschutzzentrum Hamburg

Inhalt des Workshops war, kritische Situationen im Kita-Alltag näher zu beleuchten und gemein-sam zu reflektieren. Ausgehend von einem ganzheitlichen Ansatz in der Sexualerziehung, der diepositiven, lustvollen und lebensbejahenden Aspekte kindlicher Sexualität thematisiert und auchauf die unterschiedlichen Facetten von Aggression und Gewalt eingeht, standen folgende Fragenim Mittelpunkt der Auseinandersetzung:

Mit welcher Haltung begegnen wir kindlicher Sexualität?Wie können wir mit Kindern über Sexualität sprechen?Welches Verhalten ist „normal“, wann gibt es Grund zur Sorge?Wann und wie sollten wir Grenzen setzen?Welche Bedeutung spielt der kulturelle Hintergrund?Wie gehen wir mit eigenen Unsicherheiten um?

Am Anfang des Workshops stand eine Selbstreflexion und eine kurze gegenseitige Vorstellung derTeilnehmerinnen und Teilnehmer mit Hilfe der Methode „Konzentrische Kreise“. Diese Methodewurde vorgestellt, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben sie ggf. für die Gestaltung vonTeamveranstaltungen und Elternabenden nutzen zu können. Dabei ging es mit wechselndenGesprächpartnerinnen um einen Austausch zu folgenden Fragen:

Welchen Stellenwert hat Sexualpädagogik in Ihrer Einrichtung und in Ihrer täglichen Arbeit?Welche sexualpädagogische Methode setzen Sie bevorzugt ein?Welche Situationen im Kita-Alltag verunsichern Sie?Was war die letzte Situation, in der Sie sich hilflos gefühlt haben?

Die anschließende Auswertung im Plenum ergab, dass die Methode „Konzentrische Kreise“ gutgeeignet ist, eine größere Gruppe von sich fremden Menschen miteinander in Kontakt zu bringen,die erste Befangenheit aufzulösen, Vertrauen für weitere Gespräche zu schaffen und gleichzeitigein Thema einzuführen.Als nächsten Schritt wurden Situationen gesammelt und besprochen, die von den Teilnehmerinnenund Teilnehmern als verunsichernd erlebt werden. Hier standen folgende Themen im Mittelpunkt:

grenzverletzendes Verhalten unter Kindern, insbesondere wenn sie unterschiedlichen Alters undGeschlechts sindübergriffiges Verhalten in Doktor- und anderen Rollenspielenauffälliges körperliches Verhalten (z. B. häufiges, intensives Onanieren)Verwendung von drastischen Ausdrücken

Es wurde deutlich, dass Unsicherheiten im eigenen Verhalten häufig mit der Frage verbunden sind,was als „normal“ bzw. „auffällig“ bewertet wird. Die persönliche Toleranzgrenze und der eigeneHintergrund spielen für die Einschätzung der genannten Situationen eine wesentliche Rolle. Un-terschiedliche Haltungen und Kenntnisse zu sexualpädagogischen Themen im Team vergrößernmitunter die eigenen Unsicherheiten und Vorbehalte, was nicht selten zu eher vermeidenden Re-aktionen führt.

Hinsichtlich des Themas Elternarbeit – insbesondere mit Eltern nichtdeutscher Herkunft und unter-schiedlichem kulturellen/religiösen Hintergrund – wurde die Auseinandersetzung teilweise alsbereichernd, aber auch als schwierig beschrieben. Spürbar wurde, dass sich Erzieher und Erzie-herinnen oft aufgerieben fühlen, da sie den unterschiedlichsten Ansichten und Erwartungen vonEltern, der Institution und eigenen Vorstellungen gerecht werden möchten. Hinzu kommt, dass dieöffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Sexueller Missbrauch“ zwar die Sensibilität auf

Grenzen und GrenzsituationenKritische Situationen im Umgang mit kindlicher Sexualität

Heptner, Kaulen: Grenzen und Grenzsituationen

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allen Seiten erhöht hat, gleichzeitig aber häufig auch zu vermehrter Verunsicherung führt.Im weiteren Verlauf der Arbeitsgruppe wurden folgende Fragen bearbeitet:

Was braucht es, um mit verunsichernden Situationen möglichst gut umgehen zu können?Was ist hilfreich, um sich sicherer und kompetenter zu fühlen?

Nach Einschätzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer führt eine intensive Auseinandersetzungmit sexualpädagogischen Themen z. B. im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen und Studien-tagen auch zu einer größeren Sicherheit im Umgang mit kritischen Situationen. Fundierte Kennt-nisse über die psychosexuelle Entwicklung von Kindern, geübter Umgang mit sexualpädagogischenMethoden und die Notwendigkeit, die eigene Haltung und Praxis immer wieder zu reflektieren,wurden als wichtige Bestandteile dieses Arbeitsbereiches besonders hervorgehoben.

Die Haltung „Ich weiß, kann beschreiben und begründen, was ich tue“ wird von den Erzieherin-nen und Erziehern auch in der Zusammenarbeit mit Eltern als hilfreich erlebt – besonders, wenn esum kritische oder konfliktträchtige Situationen geht, die ein ruhiges und besonnenes Vorgehenerfordern.

Ein Ziel der konstruktiven Auseinandersetzung mit Konzepten und Methoden einer ganzheitlichenSexualpädagogik sollte die konzeptionelle Verankerung im pädagogischen Alltag der eigenen Kitasein. Dies ist leider bisher viel zu wenig der Fall, was sich u. a. daran zeigt, dass in den wenigstenKonzeptionen Hamburger Kindertagesstätten das Thema Sexualerziehung explizit erwähnt ist.

Im zweiten Teil des Workshops wurden einzelne kritische Situationen näher betrachtet. Im Laufeder Diskussion wurde deutlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema „Grenzen“ zum päda-gogischen Alltag gehört und sich diese nicht auf Situationen beschränken lässt, in denen kindlicheSexualität eine Rolle spielt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist das Bewusstsein, dass Erziehe-rinnen und Erzieher in anderen Situationen (z. B. bei Raufereien, Missachtung von Spielregeln,Durchsetzen von eigenen Interessen mit unerlaubten Mitteln) durchaus ein sicheres Gefühl fürGrenzen haben und meist wissen, was zu tun ist.

Das Erleben und Austesten von Grenzen ist wichtiger Bestandteil kindlichen Lernens. Wo Kinderneugierig sind und etwas ausprobieren wollen, werden immer auch Grenzen berührt und mitunterauch übertreten – wie überall im Leben. Dies darf selbstverständlich nicht dazu führen, die An-wendung von Gewalt zu bagatellisieren. Kinder brauchen nicht nur in diesem Zusammenhang dasEngagement von Erwachsenen, sie in ihrem Mut, ihrem Wissensdurst und ihrer Experimentierfreu-de zu unterstützen und sie so für die Bewältigung von unterschiedlich schwierigen Lebenssituationenzu stärken. Konstruktive Konfliktlösung und achtsamer Umgang mit eigenen und anderen Grenzenerlernen Kinder am ehesten in einer Atmosphäre, die von Respekt, Vertrauen und Offenheit geprägtist. Diese Herausforderungen gilt es anzunehmen und im Rahmen des Bildungsauftrages von Kin-dertagesstätten in die (sexual-)pädagogische Praxis umzusetzen.

Wenn es allerdings um die Vermutung oder das Bekanntwerden von sexuellen Grenzüberschrei-tungen von Seiten Jugendlicher oder Erwachsener gegenüber Kindern geht, ergibt sich aus fachli-cher Sicht die Notwendigkeit, das weitere Vorgehen mit der Kita-Leitung ausführlich zu bespre-chen und ggf. eine Fachberatungsstelle mit einzubeziehen.

Die abschließende Auswertung ergab, dass die teilnehmenden Erzieherinnen und Erzieher die ge-samte Fachtagung als sehr bereichernd und unterstützend erlebt haben. Die Arbeit in der Arbeits-gruppe wurde besonders wegen ihrer Nähe zur Praxis positiv bewertet. Dazu beigetragen hat diehohe Bereitschaft, sich mit eigenen Fragestellungen zu zeigen und diese respektvoll zu diskutieren.

Heptner, Kaulen: Grenzen und Grenzsituationen

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Bärbel Ribbert, Ralf Specht, Familienplanungszentrum/Institut für Sexualpädagogik, Dortmund

Ziele und InhalteSexualität ist ein grundlegender Bestandteil der Persönlichkeit. Von Geburt an sind Kinder sexuelleWesen. Die Sexualentwicklung verläuft individuell verschieden und wird durch psychische undkörperliche Reifungsprozesse bestimmt. Kindertagesstätten stehen vor der Aufgabe, (auch) diepsychosexuellen Entwicklungen der Kinder zu fördern und zu schützen.Vor dem Hintergrund einer erhöhten Wachsamkeit pädagogisch Tätiger gegenüber Verletzungender körperlichen und seelischen kindlichen Sexualentwicklung, beschäftigte sich dieser Work-shop zentral mit der Wahrnehmung und Diskussion einschlägiger (sexual)pädagogischer Grund-thesen und exemplarischer, als beunruhigend oder irritierend erlebter Praxissituationen.Leitlinien sexualpädagogischen Handelns wurden herausgearbeitet und Erfahrungen ausgetauscht.Der/Die Referent/in ergänzten Informationen aus Forschung und Praxis. Bezüge zu den Eingangs-vorträgen wurden hergestellt. Die Teilnehmerinnen sollten insgesamt eine größere Sicherheit nichtzuletzt im Umgang mit heiklen Situationen gewinnen.

Ressourcen der Workshop-GruppeDie Wahrnehmung und Bewertung von Alltagssituationen wird entscheidend geprägt durch per-sönliche Lebenserfahrungen und die aktuelle Lebenssituation der Erziehenden. Daher wurden ineiner Bewegungsübung Einblicke in ausgewählte Ressourcen der Teilnehmerinnen gewährt. Hierein Ausschnitt: Die 23 Teilnehmerinnen arbeiteten überwiegend in Hamburger Kindertagesstättenmit verschiedenen Altersgruppen. Eine Frau war in einer Beratungsstelle zur sexuellen Gewalttätig, eine andere im Bereich Fortbildung. Etwa die Hälfte der Anwesenden verfügte über langjäh-rige Berufserfahrung in Kindertagesstätten, viele waren selbst Mütter von einem oder mehrerenKindern. Die anderen zeigten sich in dieser Hinsicht als unvoreingenommen. Überwiegend be-stand nicht nur beruflich, sondern auch privat Kontakt zu Menschen des nicht eigenen Herkunfts-landes. Alle Teilnehmerinnen waren weiblich. Einige Teilnehmerinnen gaben an, bereits sexual-pädagogisch fortgebildet zu sein, manche hatten mit ihren Kita-Kindern die Musiktheater-Veran-staltung „Nase, Bauch und Po“ besucht und/oder schon mit der Kita-Box gearbeitet.

Thesen und PraxissituationenZur Annäherung an das Thema Grenzen und Grenzverletzungen diskutierten die Workshop-teilnehmerinnen in Kleingruppen exemplarisch entlang ausgewählter kontroverser Thesen undPraxissituationen. Im Plenum wurden die Ergebnisse der „Murmelgruppen“ gesammelt und offeneFragen besprochen.Im Folgenden fassen wir eine Auswahl der in der Diskussion gewonnenen Erkenntnisse zusammen.

Grenzverletzungen gehören zur kindlichen EntwicklungGrenzerfahrungen sind Bestandteile des Lernens. Sie gehören nicht nur dazu, sondern haben aucheine wichtige Bedeutung für die (Sexual-)Entwicklung eines Kindes: Zum Sich-Ausprobieren ge-hört es – wie in anderen Lebensbereichen auch – Grenzen zu überschreiten.Kinder brauchen und fordern Grenzen (Grenzsetzung) heraus. In Lebensbereichen jenseits desSexuellen besteht in der Regel eine größere Handlungssicherheit als im Zusammenhang mit Sexu-alität. Hier ist die Sorge um Missbrauch und anhaltende Schädigung eines Kindes besonders groß.

Von Wahrnehmungen und AuslegungenAnhand praktischer Beispiele wurden verschiedene Grenzverletzungen wahrgenommen, reflek-tiert und mögliche Umgangsformen mit kritischen Situationen im Zusammenhang mit Sexualitätbesprochen.

Grenzen und GrenzsituationenKritische Situationen im Umgang mit kindlicher Sexualität

Ribbert, Specht: Grenzen und Grenzsituationen

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Wichtige Erkenntnisse waren zum einen, wie unterschiedlich eine Situation von verschiedenenBetrachterinnen aus gesehen und eingeschätzt werden kann und zum anderen, dass Erwachseneoftmals ihren Blick auf die kindliche Sexualität projizieren. Die kindliche Sexualität unterscheidetsich deutlich von der Sexualität Erwachsener. Bestimmte Ausdrucksformen kindlicher Sexualität –wie zum Beispiel Doktorspiele oder das „Spielen von Geschlechtsverkehr“ – werden von Erwach-senen jedoch häufig nicht differenziert wahrgenommen und ausschließlich als Ausdruck „frührei-fer Sexualität“ interpretiert.

„Was tun?“ sprach Zeus …Verschiedene Handlungsstrategien wurden betrachtet und deren Brauchbarkeit in konkreten Situ-ationen abgewogen. So diskutierten die Teilnehmerinnen beispielsweise das Für und Wider von(Gruppen)regeln wie etwa „Freiwilligkeit“/„Akzeptanz eines Neins“/„Fragen und Hilfe holen er-laubt“. Deren Brauchbarkeit wurde anhand verschiedener Alltagssituationen geprüft.Im Kontext von Grenzerfahrungen fand „Freiwilligkeit“ als zentrale Grundregel allgemeine Zu-stimmung: Die Überprüfung der Freiwilligkeit der Teilnahme von Kindern an Spielen (wie z. B.beim Doktorspiel) ist häufig ein wichtiger Gradmesser für die Wahrnehmung und Einschätzungeiner Alltagssituation. In einem weiteren Schritt entscheidet deren Überprüfung und Bewertungauch über die Umgangsweise mit einer Situation.

Die Teilnehmenden des Workshops stellten fest, dass viele Erziehende in kritischen Situationendazu neigen, möglichst rasch zu reagieren. Häufig ist es jedoch sinnvoll, eine Situation erst einmalwahrzunehmen, um einen blinden Aktionismus zu vermeiden: Sexualfreundliche Begleitung kannauch bedeuten, eine als heikel eingeschätzte Situation erst einmal zu beobachten.Dies wurde am Beispiel der Doktorspiele erörtert, die von vielen Erzieherinnen aus der Befürch-tung vor Grenzüberschreitungen heraus am liebsten nur unter „erwachsener Beobachtung“ durch-geführt werden sollten. Kinder hierbei gewähren zu lassen bedeutet, ihnen die Chance zu geben,unter sich Situationen zu regeln, zumal, wenn alle beteiligten Kinder offensichtlich Spaß daranhaben, sich zu untersuchen. Diese Lern- und Entwicklungsmöglichkeit durch generelle Verboteoder ständige Präsenz der Erwachsenen von vornherein zu verhindern bzw. reglementieren, miss-fiel allen Teilnehmerinnen des Workshops.

Um Kinder bei Doktorspielen gleichermaßen zu fördern und zu schützen wurde – ausgehend voneiner grundsätzlichen Akzeptanz – auch nach Kriterien gesucht, die einen Eingriff ins kindlicheSpiel oder die Unterstützung einzelner Kinder durch die Erziehenden erfordern. Dies ist z. B. beieinem deutlichen Machtgefälle gegeben, etwa bei einem erheblichen Altersunterschied der amSpiel beteiligten Kinder oder durch die Dominanz einzelner Kinder, die anderen ihren Willen fort-während aufdrängen.Das Gleiche gilt, wenn zur Untersuchung Gegenstände benutzt werden. Hier obliegt es der Auf-sichtspflicht der Erziehenden ein Verletzungsrisiko auszuschließen.

Eine längere Diskussion entwickelte sich im Workshop aus folgender Praxissituation:Zwei 6-jährige Mädchen folgen einem 4-jährigen Jungen immer wieder zur Toilette, schauen beimPinkeln zu und machen abwertende Bemerkungen.

In der Besprechung wurde deutlich, dass die Situation zunächst unterschiedliche Fragen aufwirftund – abhängig von der Phantasie über die beteiligten Kinder – verschieden interpretiert werdenkann.

Was bedeutet „immer wieder“? Wie oft? „Abwertende Bemerkung? Für wen?Worum geht es? Warum werten die Mädchen ab? (Motivsuche)Eigene Sexualität der 6-jährigen Mädchen? Hinweis auf Probleme?Wie fühlt sich der 4-jährige Junge?Wie/wer thematisiert Grenzverletzungen?Berücksichtigen: 6 und 4 Jahre sind unterschiedliche Entwicklungsphasen

Ribbert, Specht: Grenzen und Grenzsituationen

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Als mögliche Reaktionen wurden besprochen:Situation zunächst beobachtenHilfe signalisieren (ich bin da)Über die Situation hinaus: mit Kolleginnen und/oder Leitung sprechen und gemeinsam Strategi-en überlegenMit den drei Kindern Gespräche führen (Vor- und Nachteile von Einzel- und Gruppengesprächwurden abgewogen; wer braucht welche Art von Unterstützung?)Gibt es Toilettenregeln? Manchmal können intervenierend oder präventiv einzelne Regeln hel-fen, aber nicht zwangsläufig (Keine Verregelung des Kita-Alltags)

ResümeeÜbergreifend wurden anhand der Thesen und Praxissituationen Wege gefunden, die Kinder alters-gerecht auf dem Weg zu einer bejahenden Sexualität zu begleiten. Geschlechtsspezifische Be-sonderheiten fanden dabei genauso Berücksichtigung wie kulturenspezifische Fragestellungen.Deutlich wurde allen Teilnehmerinnen, dass ein umfangreiches Wissen über Sexualität und deneigenen Körper, Sprachfähigkeit, ein verantwortungsvoller, selbst bestimmter Umgang mit Sexua-lität, Identität und Selbstbewusstsein stärken und sexuellen Übergriffen und sexueller Gewaltentgegen wirken. Eine sexualpädagogische Begleitung, die diese Kompetenzen von klein auf för-dert, sollte in jeder Kita-Konzeption verankert werden. Die Definition von Sexualerziehung alsBildungsauftrag bewerten wir als einen wichtigen Schritt in diese Richtung.

Abschließend bleibt noch zu betonen, dass jenseits der beschriebenen Praxissituationen und inAbgrenzung zu „alltäglichen“ Grenzüberschreitungen, die Vermutung eines sexuellen Missbrau-ches zusätzliche bzw. andere Aktivitäten erfordert. In jedem Fall ist es sinnvoll, hier keine Einzel-aktionen zu unternehmen, sondern sich rechtzeitig Unterstützung von Kolleginnen zu holen undsich an qualifizierte Beratungsstellen zu wenden.

Ribbert, Specht: Grenzen und Grenzsituationen

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Birgit von Stebut, Lebenshilfe Buxtehude

Es gibt nicht die Behinderung.Es gibt nicht die Sexualität.Aber es gibt viele verschiedene, individuelle Erlebnisse und Erfahrungen von Menschen.

Ganz sicher unterscheidet sich die Sexualität eines Menschen ohne Behinderung nicht von derSexualität eines Menschen mit Behinderung. Aber ebenso sicher unterscheidet sich die Sexualitätvon Mensch zu Mensch.

Dr. Frank Herrath hat in einem Vortrag den Sonderschulrektor Siegfried Schröder zitiert:„Wenn Sexualität zu tun hat mit Sehen, Licht, Farben, Durchsichtigkeit, Anmut und Schönheit,mit dem Bild im Spiegel, mit Angeschaut werden und Suchen, mit Gesichtern und der Spracheder Augen, dann muss man objektiv sagen, dass Blindheit sicher Sexualität beeinflusst.Wenn Sexualität zu tun hat mit Hören, Flüstern und Lauschen, mit Hinhören und Gehören, mitBegriffen, Namen und gestammelten Erklärungen, mit dem Klang der Stimme, mit Musik undgesprochenen Worten, dann muss man objektiv sagen, dass Gehörlosigkeit sicher Sexualitätbeeinflusst.Wenn Sexualität über ihre organische Bedingtheit hinaus zu tun hat mit Körperlichkeit, mit Strei-cheln, Wärme, mit Festhalten und Gehaltenwerden, mit Angenommen- und Getragenwerden, mitTanzen, Bewegungen und Bewegt sein, mit Nähespüren, Berührungen und Behutsamkeit, dannmuss man objektiv sagen, dass schwere Körperbehinderungen sicher Sexualität beeinflussen.Wenn Sexualität zu tun hat mit Gefühlen und Empfindungen, mit Traurigkeit, Schmerz und Ver-zweiflung, aber auch mit Lust und Freude, mit Unbewusstem und Träumen, Ahnungen und Sichverlieren, mit Staunen, unendlich viel Zärtlichkeit und einem roten Kopf, dann muss man objektivsagen, dass seelische Behinderungen sicher Sexualität beeinflussen.Wenn Sexualität zu tun hat mit Dialog, benötigt sie das Gegenüber, sucht Bestätigung, möchte sievertraut und geborgen sein, braucht sie Gemeinsamkeit und Solidarität, ist voll Drängen und Seh-nen, voll Dankbarkeit und Sorge, greift sie nach Verantwortung, kennt Eifersucht und wird ge-zeichnet durch die Einsamkeit und das Gefühl des Verlassenseins, dann müsste, objektiv gesehen,soziale Behinderungen auch Sexualität beeinflussen.Wenn Sexualität zu tun hat mit Gedanken, Vorstellungen und Ideen, Sprache und Erinnerung,Erfahrung und Bewusstsein, Hoffen und Wollen, Phantasie und Kreativität, Entdecken, Begreifen,Erkennen und Verstehen, dann muss man objektiv sagen, dass geistige Behinderung Sexualitätbeeinflusst.“

Leider gibt es eine ganze Menge von Beeinträchtigungen in der Sexualität von Menschen miteiner Behinderung.

Sexualität wird gelernt. Und wenn es Beeinträchtigungen in der Sexualität von Menschen mitBehinderung gibt, dann weil es gelernt wurde. Sie haben in den Vorträgen über die Wichtigkeitund Bedeutung der Sexualität gehört, über die Natürlichkeit des Körpers, die ersten Berührungen,die ersten sinnlichen Erfahrungen. Und hier möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte vorlesen,die als Einstieg dienen soll:

Willkommen in Holland

... Wenn Sie ein Baby erwarten, dann ist das ähnlich, als wenn Sie eine Traumreise nach Italien planen.Sie kaufen eine Anzahl Reiseführer und machen wundervolle Pläne. Es ist alles sehr aufregend.

Kinder mit BehinderungGibt es Unterschiede in der Sexualität?

Stebut, von: Kinder mit Behinderung

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Nach Monaten eifriger Erwartung ist der Tag schließlich da. Sie packen Ihren Koffer und es gehtlos. Einige Stunden später landet das Flugzeug. Die Stewardess kommt herein und sagt: „Willkom-men in Holland.“ „Holland?“ sagen Sie. „Was meinen Sie mit Holland? Ich habe für Italien ge-bucht! Mein ganzes Leben habe ich davon geträumt, einmal nach Italien zu reisen.“Doch es gab einen Wechsel im Flugplan. Sie sind in Holland gelandet und dort müssen Sie nunbleiben ...Sie müssen ausgehen und andere Reiseführer kaufen. Und sie müssen eine ganz neue Sprachelernen. Sie werden eine ganz neue Gruppe Menschen kennen lernen, welche sie ansonsten niegetroffen hätten.Es ist nur ein anderer Ort. Es ist alles langsamer in Holland, weniger leuchtend als in Italien.Doch nachdem Sie eine Weile dort waren und wieder zu Atem gekommen sind, schauen Sie sichum und bemerken, dass Holland Windmühlen hat. Holland hat Tulpen. Holland hat Rembrandts ...Aber jedermann, den Sie kennen, kommt entweder gerade von Italien oder bereitet sich auf eineReise dorthin vor, und sie alle prahlen mit der wunderschönen Zeit, die sie dort hatten.Für den Rest Ihres Lebens werden Sie sagen: „Ja, dorthin hätte ich auch reisen sollen. Das hatte ichgeplant.“Und der Schmerz darüber wird niemals mehr vergehen, weil der Verlust dieses Traumes ein sehrbedeutsamer Verlust ist.Aber wenn Sie den Rest Ihres Lebens damit verbringen, über die Tatsache zu trauern, dass Sie nienach Italien kamen, werden Sie niemals fähig sein, die ganz besonderen, sehr lieblichen Dinge inHolland zu genießen.

Eltern, die ein behindertes Kind haben, müssen erst einmal Trauerarbeit leisten. Sie müssen sichverabschieden von dem Kind, dass sie erwartet, gewünscht haben und sie müssen ihre Wünscheund Hoffnungen, die sie für die Zukunft ihres Kindes hatten, neu definieren.In dieser ganz frühen Phase kann es sein, dass eine Mutter ihr behindertes Kind nicht so liebevoll inden Arm nehmen kann, vielleicht, weil es ein anderes, als das gewünschte Kind ist, ein Neues,noch Fremdes vielleicht auch, weil es im Brutkasten liegt, vielleicht muss das Kind operiert wer-den, hat Schmerzen …Hier gibt es viele Faktoren, die zu einer Beeinträchtigung der Mutter/Eltern-Kind Beziehung führenkönnen, in der die kindlichen Bedürfnisse nicht befriedigt werden oder das Kind wird überbehütetund kann sich in seinen Möglichkeiten nicht frei entfalten.Auch ein Kind mit Behinderung kommt als sinnlich vergnügtes Wesen auf die Welt und sobald esdas kann, erforscht es seinen Körper, wobei es irgendwann auch sein Genital entdeckt.Bei Kindern mit sehr schweren Behinderungen kann es sein, dass es sein Genital nie alleine ent-deckt und kennen lernt.Eltern sollen ihre Kinder mit ihrer Neugierde nicht allein lassen, sie sollen die Entdeckungen zulas-sen und sich den Fragen der Kinder nicht entziehen und ehrlich, unverkrampft und vernünftigantworten.Wenn diese natürlichen Interessen nicht gelebt werden können, kann es die positive Identifikationmit der eigenen Geschlechtsrolle erschweren.Auch für die Entwicklung der Ich-Identität hat sein Körpererleben und die emotionale Bewertung,die seine Eltern ihm vermitteln, eine zentrale Bedeutung: Eine harmonische Einstellung zum Kör-per kann nur schwer entwickeln, wem die geliebten Erwachsenen spiegeln, dass seine Ausschei-dungen, seine sexuelle Neugierde, seine Onanie oder Doktorspiele etwas Schlechtes sind. EinKind das seine Ausscheidungen für schlecht hält oder seine angenehmen Gefühle, die es sich beider Masturbation verschafft, hat es schwer, ein positives Selbstbild zu entwickeln, es kann sichselbst verabscheuungswürdig oder wertlos fühlen, seinen Körper ablehnen, vielleicht auch seineGeschlechtlichkeit überhaupt.

Kinder mit einer Behinderung erleben die Befriedigung der elementarsten Bedürfnisse oft nicht. Sohaben z. B. Kinder mit schweren Behinderungen häufig keinen Mundschluss, sind so hyperton,

von Emily Perl Kingsley

Stebut, von: Kinder mit Behinderung

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dass sie keine Kraft zum Saugen haben oder sie können nicht schlucken. Diesen Kindern ist dieschöne Erfahrung des Saugens an der Brust der Mutter, oder auch die Ernährung mit der Flasche,wobei es die Mutter oder den Vater auch sinnlich wahrnimmt und sich gehalten fühlt, nichtgegönnt.

Kinder mit einer Behinderung erleben häufig, dass sie so wie sie sind nicht „richtig“ sind. Es wirdtherapiert, speziell gefördert, weil es „anders“ werden soll.Ein Kind mit einer körperlichen Beeinträchtigung erlebt oft viele schmerzliche Erfahrungen mitseinem Körper, z. B. in einer Vojta Therapie oder bei Operationen.Kindern mit einer Behinderung wird es schwer gemacht, sich in seinem So-sein angenommen zufühlen und einen positiven Bezug zu sich und seinem Körper zu finden.Ein Kind mit einer Behinderung kann häufig kein natürliches Schamempfinden entwickeln. Unter-suchungen beim Arzt oder Therapeuten sind so häufig und werden schnell selbstverständlich, dassKinder die Zur-Schau-Stellung ihres Körpers normal empfinden und den Schutz einer individuellenIntimsphäre nicht kennen lernen. Ebenso ist es normal, dass fremde Personen an dem Körper desKindes herum greifen und hantieren, es kann für das Kind normal werden, das diese Untersuchun-gen mit Schmerz und Unannehmlichkeiten verbunden sind. Da bleiben einem Kind nicht mehrviele Möglichkeiten, seinen Körper freudig und positiv zu erleben.Wie soll ein Kind Grenzen setzen und sich abgrenzen, nein sagen können, wenn es täglich andereErfahrungen macht? Ein „Nein“ beim Arzt oder Therapeuten bleibt ungehört …

An dieser Stelle sei auf die immense Wichtigkeit der Sexualerziehung im Kindergarten – für alleKinder – aufmerksam gemacht. Kinder mit Behinderungen sollen hier, wie in jeden anderen Pro-zess, so natürlich wie möglich mit eingebunden sein, unter Berücksichtigung ihrer ganz individu-ellen kleinen Geschichte.

Erst wenn Sie sich bewusst machen können, welche negativen oder andere/nicht der Norm ent-sprechenden Erfahrungen ein Kind mit einer Behinderung gemacht hat, dem es aufgrund seinerBehinderung immer ausgesetzt ist, erst dann können Sie die Unterschiede in der Sexualerziehungbei behinderten und nicht behinderten Kindern erkennen und die „Besonderheiten“ eines Kindesmit Behinderung in Ihre Sexualerziehung mit einbauen.Seien Sie sensibel für diese Besonderheiten.

Stebut, von: Kinder mit Behinderung

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Eine Theateraktion entwickelt und gespielt von Kaleidoskop e. V.Theater und Kommunikation in Hamburg

Liebe Erzieherin, lieber Erzieher!

Sexualität geht uns alle an. Nur darüber reden fällt schwer.Besonders als Erzieherinund Erzieher sind Sie gefor-dert, den rechten Ton zutreffen, die richtigen Wortezu wählen und den Spagatzwischen Kindergarten undElternhaus zu meistern. MitKasper und Gretel könnenSie „drauflos quasseln” undSuper Nanny weiß auf jedeFrage eine Antwort. MitKasper und Gretel machtdas Doktorspielen erst sorichtig Spaß. Jede Untersu-chung wird ein voller Erfolgund Super Nanny steht Ih-nen mit Rat und Tat zur Sei-te. Mit Kasper und Gretel istKuscheln ein Genuss undSuper Nanny erkennt den Wunsch nach Intimität.Holen Sie sich die Super Nanny in den Kindergarten und alles läuft wie am Schnürchen. Sie erhal-ten Tipps und Tricks, wie Sie den Kindergartenalltag sexualfreundlich gestalten, mit schwierigenSituationen umgehen, Eltern aktiv einbeziehen und sich dabei rundum wohl fühlen können.

Inhalt für die Kinder und die Erzieher/innen:der Kasperdie Greteldie Super Nannydie Super Nanny Brille (plus einer Ersatzbrille)ein Doktorspiele-Setsexuelle Begriffeein Kinderzeltpraxiserprobte Rollenspiele für Kasper, Gretel und Super Nanny

Diese Box ist in zwei Größen erhältlich (small/extra large). Der großen Version liegt eine genaueAnleitung für die Puppen sowie eine Fernbedienung bei. Ansonsten ist der Inhalt identisch.

Auf der Fachtagung konnten die Teilnehmer/innen in beide Boxen Einblick gewinnen. AlsAnschauungsmaterial gab es sie in „groß“ und in „klein“.Kasper, Gretel und Super Nanny waren in „groß“ live unterwegs und leiteten die Besucher/innendurch den Tag.Zu Beginn der Tagung begrüßte Super Nanny die Gäste und stellte stolz Kasper und Gretel alsneue wissenschaftlich anatomische Puppen vor, die sensibel auf sexuelle Begriffe reagieren.

Der „VerkehrsKasper” zum Anfassen, Begreifen und SpielenDie Box für Kindergarten, Elternabende und Fortbildungen

Kaleidoskop e. V.

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Natürlich kam es darauf an, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Und in kaum einem ande-ren Bereich gibt es so viele unterschiedliche Begriffe für ein und dieselbe Sache wie in der Sexu-alität. So wurden umgangssprachliche Begriffe wie „Muschi“, „Pimmel“, „Möpse“, „Hammer”oder auch „Fotze” auf ihre Wirkung auf den Menschen untersucht. Kurzer Hand klebte SuperNanny unterschiedlichste Begriffe bei Kasper und Gretel auf die Geschlechtsteile und auf Knopf-druck der Fernbedienung reagierten sie entsprechend der Begriffe darauf. Bei „Muschi” fing Greteldann an zu Miauen und der „Hammer” zieht Kasper im wahrsten Sinne des Wortes runter.Super Nanny konnte sich mit diesen neuen Puppen wirklich sehen lassen und machte kräftig Wer-bung für den sinnvollen Einsatz im Kindergarten. Alles lief wie am Schnürchen.Doch plötzlich gerieten Kasper und Gretel außer Kontrolle. Während eines Vortrages platzten sieungefragt laut kichernd herein und verschwanden dann in dem Zelt neben dem Podium. SuperNanny versuchte die Situation per Fernbedienung wieder in den Griff zu bekommen, aber dieTechnik spielte offensichtlich verrückt. Deshalb verkündete sie verlegen: „Kinder brauchen ebenRückzugsmöglichkeiten.” Dennoch blieb offen, was die beiden im Zelt während des gesamtenVortrages „trieben“.Ausgerechnet in der Mittagspause spielten sie für die Tagungsgäste das Programm für den Kinder-garten ab. In der Schlange für das Mittagessen gibt es eine angeleitete Rückenmassage, weil Kas-per und Gretel plötzlich „Pizza backen” wollten und was viel schlimmer ist: Es wurde „stille Post”mit Schimpfwörtern gespielt. An den Tischen tauchten sie dann als Arzt und Ärztin auf und impftenmunter drauflos, verteilten Tabletten frei Schnauze. Bevor Kasper und Gretel zur genaueren Unter-suchung schritten, wusste Super Nanny Rat: „Es ist wichtig, dass ihr nur tut woran alle Spaß haben.Und wenn ihr keine Lust mehr habt, könnt ihr Stopp sagen.”

Den Abschluss der Tagung gestaltete Super Nanny, doch auch hier kamen ihr Kasper und Gretelzuvor und spulten das Programm eines Elternabends ab. In einem großen goldenen Rahmen stell-ten sie Bilder: „Der erste Kuss“, „Der Hochzeitsantrag” und „Kasper ist schwanger“. Super Nanny,die längst das Vertrauen in die Technik verloren hatte, nahm diese Vorgabe zum Anlass, die Teil-nehmer/innen der jeweiligen Arbeitsgruppen ein Bild innerhalb des goldenen Rahmens als Ergeb-nis aus ihren Gruppen stellen zu lassen.Nach der Auswertung verschwanden sie dann alle in der großen Box. Kasper, Gretel und auch dieSuper Nanny.

Also nur Mut. Mittlerweile sind die Puppen im Werk general überholt worden. Pannen sind so gutwie ausgeschlossen und die Puppen können in „groß” und „klein” sinnvoll im Kindergartenalltageingesetzt werden.

Gespielt und entwickelt von:Kaleidoskop e. V. Theater und KommunikationDorothea Erl, Günter Garrels, Ulrike Krogmann

Kaleidoskop e. V.

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Kontakte

Behörde für Wissenschaft und GesundheitAmt für Gesundheit und Verbraucherschutz,Abteilung für GesundheitHildegard EsserBillstr. 8020539 [email protected]

Behörde für Wissenschaft und GesundheitAmt für Gesundheit und Verbraucherschutz,Fachabteilung Gesundheitsberichterstattungund GesundheitsförderungMatthias WeikertTel: 040 – 428 37 24 [email protected]

Bundeszentrale für gesundheitlicheAufklärung (BZgA)Eckhard SchrollOstmerheimerstr. 22051109 KölnTel: 0221 – [email protected]

Familienplanungszentrum Hamburg e. V.Bärbel Ribbert und Ralf SpechtBei der Johanniskirche 2022767 HamburgTel: 040 – 439 28 [email protected]@web.de

Hamburgische Arbeitsgemeinschaft fürGesundheitsförderung e. V. (HAG)Petra HofrichterRepsoldstr. 420097 HamburgTel: 040 – 636 477 [email protected]

Kaleidoskop – Theater undKommunikation e.V.Dorothea Erl, Günter Garrels,Ulrike KrogmannBillrothstr. 7922767 HamburgTel: 040 – 38 61 10 49www.kaleidoskop-hamburg.de

Kinderschutzzentrum HamburgElke Heptner, Ulrich KaulenEmilienstr. 7820159 HamburgTel: 040 – 491 00 [email protected]

Lebenshilfe Buxtehude e. V.Birgit von StebutApenserstr. 9321614 [email protected]

Maria GiesRothenbaumchaussee 13520149 HamburgTel: 040 – 413 53 [email protected]

Ina-Maria PhilippsBeerenheide 1640882 RatingenTel: 02102 – 88 96 [email protected]

pro familia LV Hamburg e. V.Silke Moritz und Sven VöthKohlhöfen 2120355 HamburgTel: 040 – 34 11 [email protected]@profamilia.de

Ayse Can und Bernd PriebeTel: 040 – 34 14 [email protected]@profamilia.de

pro familia MünsterBeate MartinBohlweg 1548147 MünsterTel: 0251 – [email protected]

pro familia Bad SegebergMirjam Spitzner, Stephan MoschnerLübeckerstr. 1423795 Bad SegebergTel: 04551 – 948 [email protected]@profamilia.de

Universität KielProf. Uwe SielertPhilosophische FakultätOlshausenstr. 7524118 [email protected]

Referentinnen/Referenten

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Literaturempfehlungen

AufklärungsbücherCole, Babette: Wovon Mama niemals spricht, Gerstenberg 2003 (ab 5 Jahre)Cole, Babette: Wahre Liebe, Gerstenberg 2001 (ab 3 Jahre)Cole, Babette: Ei, was sprießt denn da? Verlag Sauerländer, Frankfurt/M. 2000Cole, Babette: Mami hat ein Ei gelegt, Verlag Sauerländer, Frankfurt/M. 1995 (ab 6 Jahre)Fagerström, G., Hansson, G.: Peter, Ida und Minimum, Ravensburg 1992Flacke, Uschi: Wie kommt das Baby in den Bauch? Arena 2003Flacke, Uschi: Das will ich wissen: wie ein Baby entsteht, Arena 1999Geisler: Das bin ich von Kopf bis Fuß (ab 7 Jahre)Härdin, Sonja: Wo kommst Du her, Müller, Jörg; Geisler, Dagmar: Ganz schön aufgeklärt, Loewe, Bindlach1993 (Vorpubertät)Harries, R.: Einfach irre! Liebe, Sex und Kinder kriegen, Alibaba, Frankfurt/M. 2002, 2. Auflage (7-12 J.)Hanson: Ein Baby für uns alle! (ab 2 Jahre)Lenain: Hat Pia einen Pipimax? (ab 4 Jahre)Moeller, Liller: Kinder machen geht so, Altberliner, Berlin 1992 (7-11 Jahre)Müller: Ganz schön aufgeklärt (ab 11 Jahre)Rübel: Das bin ich & das bist du (ab 2 Jahre)Rübel: Woher die kleinen Kinder kommen (ab 4 Jahre)Schneider, S.: Mein Körper ist mein Haus, Christophorus, Freiburg im Breisgau 2000Schneider, S.: Das große Buch vom Körper, Ravensburg 2003 (ab 8 Jahre)Van der Doef, S.: Vom Liebhaben und Kinderkriegen, mein erstes AufklärungsbuchVan der Doef, S.: Wie ist das mit der Liebe? Loewe, Bindlach 2002 (ab 9 J.)Van der Doef, S.: Ach so ist das, ein Aufklärungsbuch für Kids, Loewe, Bindlach 1996 (ab 10 J.)

Vorlesebuch: Mai, M.: Vom Schmusen und Liebhaben, Loewe, Bindlach 1994 (3. Aufl.)

Bücher zur Prävention sexuellen MissbrauchsAppenrade/Knipping: Ich kenn dich nicht, ich geh nicht mit (ab 4 Jahre)Braun, G. , Wolters: D. Das große und das kleine Nein, Ruhr Verlag 1991Enders, U., Wolters,D.: LiLoLe Eigensinn, Anrich Verlag, Köln 1994Enders: Das große und das kleine Nein (ab 3 Jahre)Geisler: Mein Körper gehört mir (ab 5 Jahre)Mebes, M.: Kein Küsschen auf Kommando, Donna Vita 1988 (ab 4 Jahre)Mebes, M.: Kein Anfassen auf Kommando, Donna Vita 1992 (beide Bücher sind als Bilderbuch und Malbuch erhältlich)Mönter/Wieners: Geh mit niemanden mit, Lena (ab 4 Jahre)Pro Familia: Mein Körper gehört mir! Loewe, Bindlach 1994Tost: Wen, Do und der Dieb (ab 5 Jahre)

Sexualpädagogische Literatur und Arbeitshilfen für Erzieher/innenBZgA: Körper-Liebe-Doktorspiele, kostenlose Broschüren zur psychosexuellen Entwicklung der KinderEtschenberg, K.: Sexualerziehung in der Grundschule (didaktisch-pädagogische Überlegungen) Beispielefür die Klasse 1 bis 4; Cornelsen Scriptor, Berlin 2000Milhoffer, Petra: Sexualerziehung, die ankommt, ein Leitfaden für Schule und außerschulische Jugendar-beit zur Sexualerziehung von Mädchen und Jungen der 3.-6. Klasse, Bundeszentrale zur gesundheitlichenAufklärung (Hg. u. Verlag): Köln 1999Kleinschmidt, L., Martin, B., Seibel, A.: Lieben – Kuscheln – Schmusen, Pro Familia NRW, ÖkotopiaVerlag Münster 1994: sehr empfehlenswert!Mackoff, B.: Was wollen die Mädchen? 7 Strategien zur Erziehung selbst bewusster Töchter, Beltz Wein-heim und Basel 1998Müller, Else: Du spürst unter deinen Füßen das Gras, Autogenes Training in Phantasie- und Märchenreisen,Fischer Verlag Frankfurt a.M., 1994Müller, Heike: Wir müssen uns für gar nichts schämen; Sexualität im Vorschulalter, Burckhardthaus - LaetareVerlag Offenbach 1998ergänzend: Berger, M.: Sexualerziehung im Kindergarten, Brandes & Apsel Verlag, Frankfurt/M. 1988ergänzend: Kaiser, Heidi: So sag ich´s meinem Kinde, Rowohlt Verlag, Reinbek 1990Wanzeck-Sielert: Kursbuch Sexualerziehung, don Bosco Verlag, 2004

Literaturempfehlungen von der Buchhandlung „Druckerei – Kinderbücher und Pädagogik“und dem Familienplanungszentrum – eine kleine Auswahl