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BREXIT BCCG EXPERTENGRUPPE TAXATION AND PROFESSIONAL SERVICES BREXIT – WAS KOMMT AUF DIE UNTERNEHMEN AUS UMSATZSTEUERLICHER UND ZOLLRECHTLICHER SICHT ZU? Nachdem insoweit Sicherheit besteht, als die Regierung in UK plant, im März 2017 den Antrag nach Art. 50 des Lissaboner EU-Vertrages zu stellen, werden verschiedene Modelle eines Austritts des UK aus der Europäischen Union diskutiert (z. B. EFTA-Modell, Schweizerische Lösung, Vertragsmodell WTO, Continental Partnership). Selbst wenn derzeit noch völlig offen ist, welche Variante sich am Ende durchsetzen wird (aktuell wird dem Vernehmen nach die sog. ‚Continental Partnership‘ in UK präferiert), bleibt aus umsatzsteuerlicher Sicht festzuhalten, dass UK nach dem Aus- tritt (ebenso wie Norwegen oder die Schweiz) nicht mehr zum Gemeinschaftsgebiet der Europäischen Union gehören wird. Dies bedeutet für die Unternehmen mit Liefer- und Dienstleis- tungsverkehr von und nach UK, dass die entsprechenden Rege- lungen der EU-Mehrwertsteuersystem-Richtlinie grundsätzlich nicht mehr zur Anwendung kommen. Denkbar ist jedoch, dass UK die derzeit geltenden EU-Regelungen für eine Übergangs- zeit als nationales Recht unverändert weiterhin gelten lässt. Un- ter dem Stichwort „Great Repeal Bill“ wird ein solches Vorgehen derzeit diskutiert. AUS SICHT DEUTSCHER UNTERNEHMEN FOLGT DARAUS UNTER ANDEREM: • Bei Warenlieferungen nach UK werden aus innergemein- schaftlichen Lieferungen (bei Vorliegen aller erforderlichen Voraussetzungen umsatzsteuerfreie) Ausfuhrlieferungen in das Drittlandsgebiet – mit anderen Beleganforderungen (z. B. würde die Gelangensbestätigung entfallen). • Vereinfachungen wie das innergemeinschaftliche Dreiecks- geschäft bei umsatzsteuerlichen Reihengeschäften (mehre- re zivilrechtliche Kaufgeschäfte, aber nur eine Warenbewe- gung) würden entfallen. • Wareneinkäufe in UK sind nicht länger als innergemein- schaftliche Erwerbe (die in aller Regel nicht zu einer Liquidi- tätsbelastung führen) zu erklären, sondern werden als Impor- te betrachtet, für die Einfuhrumsatzsteuer (und vorbehaltlich etwaiger Befreiungen und Vereinfachungen und in Abhän- gigkeit von dem jeweils eingeführten Produkt) grundsätzlich auch Zoll anfallen würde. • Warentransporte von einem Unternehmensteil derselben rechtlichen Einheit aus UK zu einem anderen Unternehmens- teil in Deutschland bzw. vice versa sind nicht länger als inner- gemeinschaftliches Verbringen zu qualifizieren und künftig unter Beachtung der zugrunde liegenden zollrechtlichen Vorschriften zu behandeln bzw. zu deklarieren. • Für Dienstleistungen an in Großbritannien ansässige Unter- nehmen muss der Nachweis der Unternehmereigenschaft künftig mittels ‚anderer‘ Nachweise und nicht mehr auf Basis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbracht werden. • Mit dem Tag des Austritts Großbritanniens aus der EU sind auch für die Anwendung des Vorsteuervergütungsverfah- rens die Rechtsvorschriften für Drittstaaten einschlägig. Dies führt unter anderem dazu, dass sich die Antragsfrist auf 6 Monate (30. Juni des Folgejahres) verkürzen würde und nicht mehr die 9-Monats-Frist für in der EU ansässige Unter- nehmen maßgebend wäre. BULLETIN 2017 | BREXIT BCCG EXPERTENGRUPPEN

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BREXIT BCCG EXPERTENGRUPPE TAXATION AND PROFESSIONAL SERVICESBREXIT – WAS KOMMT AUF DIEUNTERNEHMEN AUS UMSATZSTEUERLICHERUND ZOLLRECHTLICHER SICHT ZU?Nachdem insoweit Sicherheit besteht, als die Regierung in UK plant, im März 2017 den Antrag nach Art. 50 des Lissaboner EU-Vertrages zu stellen, werden verschiedene Modelle eines Austritts des UK aus der Europäischen Union diskutiert (z. B. EFTA-Modell, Schweizerische Lösung, Vertragsmodell WTO, Continental Partnership).

Selbst wenn derzeit noch völlig offen ist, welche Variante sich am Ende durchsetzen wird (aktuell wird dem Vernehmen nach die sog. ‚Continental Partnership‘ in UK präferiert), bleibt aus umsatzsteuerlicher Sicht festzuhalten, dass UK nach dem Aus-

tritt (ebenso wie Norwegen oder die Schweiz) nicht mehr zum Gemeinschaftsgebiet der Europäischen Union gehören wird. Dies bedeutet für die Unternehmen mit Liefer- und Dienstleis-tungsverkehr von und nach UK, dass die entsprechenden Rege-lungen der EU-Mehrwertsteuersystem-Richtlinie grundsätzlich nicht mehr zur Anwendung kommen. Denkbar ist jedoch, dass UK die derzeit geltenden EU-Regelungen für eine Übergangs-zeit als nationales Recht unverändert weiterhin gelten lässt. Un-ter dem Stichwort „Great Repeal Bill“ wird ein solches Vorgehen derzeit diskutiert.

AUS SICHT DEUTSCHER UNTERNEHMEN FOLGT DARAUS UNTER ANDEREM:

• Bei Warenlieferungen nach UK werden aus innergemein-schaftlichen Lieferungen (bei Vorliegen aller erforderlichen Voraussetzungen umsatzsteuerfreie) Ausfuhrlieferungen in das Dritt lands gebiet – mit anderen Beleganforderungen (z. B. würde die Gelangensbestätigung entfallen).

• Vereinfachungen wie das innergemeinschaftliche Dreiecks-geschäft bei umsatzsteuerlichen Reihengeschäften (mehre-re zivilrechtliche Kaufgeschäfte, aber nur eine Warenbewe-gung) würden entfallen.

• Wareneinkäufe in UK sind nicht länger als innergemein-schaftliche Erwerbe (die in aller Regel nicht zu einer Liquidi-tätsbelastung führen) zu erklären, sondern werden als Impor-te betrachtet, für die Einfuhrumsatzsteuer (und vorbehaltlich etwaiger Befreiungen und Vereinfachungen und in Abhän-gigkeit von dem jeweils eingeführten Produkt) grundsätzlich auch Zoll anfallen würde.

• Warentransporte von einem Unternehmensteil derselben rechtlichen Einheit aus UK zu einem anderen Unternehmens-teil in Deutschland bzw. vice versa sind nicht länger als inner-gemeinschaftliches Verbringen zu qualifizieren und künftig unter Beachtung der zugrunde liegenden zollrechtlichen Vorschriften zu behandeln bzw. zu deklarieren.

• Für Dienstleistungen an in Großbritannien ansässige Unter-nehmen muss der Nachweis der Unternehmereigenschaft künftig mittels ‚anderer‘ Nachweise und nicht mehr auf Basis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbracht werden.

• Mit dem Tag des Austritts Großbritanniens aus der EU sind auch für die Anwendung des Vorsteuervergütungsverfah-rens die Rechtsvorschriften für Drittstaaten einschlägig. Dies führt unter anderem dazu, dass sich die Antragsfrist auf 6 Monate (30. Juni des Folgejahres) verkürzen würde und nicht mehr die 9-Monats-Frist für in der EU ansässige Unter-nehmen maßgebend wäre.

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• Warenlieferungen nach UK und Dienstleistungen an in UK an-sässige Unternehmen sind nicht länger in der Zusammenfas-senden Meldung zu erklären. Ebenso sind für Warenlieferun-gen bei Überschreiten der jeweiligen Meldeschwellen keine Intrastat-Meldungen abzugeben, sondern Extrastat-Meldun-gen erforderlich.

Diese Regelungen gelten grundsätzlich mit dem Tag des Aus-tritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Dies ist allerdings nicht der Tag der Antragstellung nach Art. 50 des Lissaboner EU-Vertrages. Maßgebend für die umsatzsteu-erliche Beurteilung von Warenlieferungen ist grundsätzlich der

Zeitpunkt des Beginns der Beförderung bzw. Versendung. Der Zeitpunkt der (späteren) Rechnungsstellung ist irrelevant. Dies bedeutet, dass Warenlieferungen, die beispielsweise noch vor dem Zeitpunkt des Austritts beginnen und bei denen die Ge-genstände der Lieferungen erst nach dem Austritt an den Emp-fänger gelangen, noch als innergemeinschaftliche Lieferungen klassifiziert werden müssten. Wareneinkäufe in UK, bei denen die Warenbewegungen vor dem Austritt aus der EU beginnen, gelten im Bestimmungsland noch als innergemeinschaftliche Erwerbe.

Zollrechtlich ist zu bedenken, dass grundsätzlich die direkte Geltung des Unionszollkodex ab dem Tag des Austritts entfällt. In der aktuellen Diskussion ist aus UK zu hören, dass es Über-legungen geben soll, die eine Zollfreiheit im Verhältnis zu den verbleibenden EU-Mitgliedstaaten zum Ziel haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es derzeit zwischen der EU und einzelnen Ländern sowie Ländergruppen eine nicht unerhebliche Anzahl von Freihandelsabkommen gibt, die Zollfreiheit oder niedrigere Zollabgaben bei der Wareneinfuhr regeln. Diese Abkommen müssen bei einem EU-Austritt UKs neu verhandelt werden. Bei einer durchschnittlichen Dauer von Vertragsverhandlungen für ein Freihandelsabkommen von etwa sieben Jahren dürften sich für die Unternehmen in der Zwischenphase erhebliche Unsi-cherheiten ergeben.

Während der zunächst auf zwei Jahre beschränkten Verhand-lungsphase gelten die Regelungen der EU weiter, da UK weiter-hin zunächst Mitgliedstaat der Europäischen Union sein wird. Die Zwei-Jahres-Frist kann unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. einstimmige Zustimmung der übrigen EU-Mitgliedstaaten) verlängert werden. Für diese Übergangszeit kommt es darauf an, auf welche Zwischenlösung sich UK und die verbleibenden EU-Mitgliedstaaten verständigen werden. Dies bedeutet für die Unternehmen, ihre operativen Geschäftsmodelle und deren umsatzsteuerliche bzw. zollrechtliche Auswirkungen kontinu-ierlich zu überprüfen und ggf. notwendige Anpassungen vor-zunehmen.

Wird die Zwei-Jahres-Frist nicht verlängert, scheidet UK zwei Jahre nach dem Zeitpunkt des „Art. 50-Antrags“ aus der EU aus und wird damit zum „Drittlandsgebiet“.

Nach der „Schockstarre“ der ersten Wochen und der nunmehr insoweit herrschenden Klarheit, dass UK im Frühjahr nächsten

Jahres den Antrag stellen wird, ist den Unternehmen dringend anzuraten, die diversen diskutierten Austrittsmodelle u.a. auf ihre (umsatz)steuerrechtlichen Auswirkungen zu durchleuch-ten. Daraus ableitend sollten Unternehmen Szenarien für die operative Umsetzung entwickeln und bereits zu einem frühen Zeitpunkt mit wesentlichen Lieferanten, Kunden und sonstigen Vertragspartnern in die Diskussion treten. Dass die vermeintlich einfachen umsatzsteuerrechtlichen Änderungen zu nicht uner-heblichen Anstrengungen in den Unternehmen führen, zeigen die im Folgenden aufgeführten Bereiche, für die Anpassungs-bedarf besteht:

• Prozesse (ggf. Änderung der Lieferkette: wer importiert die Ware in die EU, Lagerhaltung, Anpassung Buchnachweis )

• IT-Einstellungen (z. B. Steuerschlüssel, „Wording“ auf Rech-nungen)

• Rechnungsstellung (u. a. Texte, Preis) • Preisgestaltung (z. B. wenn künftig Zoll auf die Ware anfallen

sollte)• Zollrechtliche Bewilligungen / Vereinfachungen (z. B. Zolllager)

Sofern für die gelieferten Waren Zoll anfällt, ist zu prüfen, ob sich dieser Aufwand durch entsprechende Bewilligungen, Nut-zung von Zolllagern und/oder geänderte Tarifierungen redu-zieren lässt. Da der Zollaufwand nicht (wie beispielsweise die Vorsteuer) abzugsfähig ist, besteht für betroffene Unterneh-men dringender Handlungsbedarf. Anderenfalls müsste der zusätzliche Aufwand in der Preisgestaltung berücksichtigt wer-den, was sich ggf. nur schwer operativ durchsetzen ließe.

Sollte Schottland dagegen in der EU verbleiben, müssten be-troffene Unternehmen dies gesondert bei ihren Planungen und Anpassungen berücksichtigen.

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BREXIT - HERAUSFORDERUNGEN UND HANDLUNGSVORSCHLÄGE FÜR MITARBEITERENTSENDUNGEN

Die Volksabstimmung Großbritanniens zum Austritt aus der EU verursacht zwangsläufig Unsicherheiten für Unternehmen und deren international mobilen Arbeitnehmer.

Zu den kurzfristigen Auswirkungen bei grenzüberschreitenden Mit-arbeiterentsendungen ist auf den Austrittsprozess nach Art. 50 des Lissaboner EU-Vertrages zu verweisen. Während der zunächst auf 2 Jahre beschränkten Verhandlungsphase können insofern ent-sendungsspezifische Auswirkungen ausgeschlossen werden. Für bereits begonnene Entsendungen ist davon auszugehen, dass Übergangsvorschriften geschaffen werden.

Mittel- bzw. langfristig wirkt sich ein potentieller Austritt des Vereinigten Königreichs für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ins-besondere bei Fragen der Freizügigkeit, der Sozialversicherung und der steuerlichen Behandlung von geldwerten Vorteilen aus. Diesbezüglich macht sich die Unsicherheit bemerkbar, welchem „Austrittsmodell“ (EFTA-Modell, Schweizerische Lösung, Ver-tragsmodell WTO) das Vereinigte Königreich folgen wird. Wich-tig ist es hier, bei jeder entsendungsspezifischen Entscheidung mögliche Auswirkungen durch den Brexit in den Blick zu neh-men.

Ein wichtiger Diskussionsaspekt in Großbritannien ist die Frage der Freizügigkeit. Arbeitnehmer und Arbeitgeber pro-fitieren bei Entsendungen von den weitreichenden Privilegien der freien Einreise, dem Aufenthalt und der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat. Als Lösung kommt hier das von den „Leave“-Befürwortern diskutierte Modell eines punkteba-sierten Einwanderungssystems in Betracht. Die zu erlassenden Rechtsvorschriften im Vereinigten Königreich werden Bezug auf die Qualifikation des Bewerbers und die Höhe des gezahl-ten Gehaltes, ggf. auch die Einsatzregion nehmen. Die Rechts-entwicklung ist aufmerksam zu beobachten. Administrativer Mehraufwand im Rahmen von Entsendungsplanungen ist nicht auszuschließen.

Nicht minder wichtig sind für mobile Mitarbeiter die sozial-versicherungsrechtlichen und steuerlichen Auswirkungen des Brexit, auch Implikationen für Entsendungsprogramme sind in den Fokus zu nehmen (wie z. B. Ausgleichszahlungen für Wäh-rungsschwankungen).

Nach den einschlägigen Europäischen Verordnungen können Arbeitnehmer in der heimatlichen Sozialversicherung ver-bleiben (sog. A1-Bescheinigung). Jedoch stellen sich auch Fragen der Leistungserbringung in den verschiedenen Sozial-versicherungszweigen oder von Wartezeiten im Rahmen der Rentenversicherung. Hier ist zu empfehlen, bereits entstandene Rentenansprüche beziehungsweise Wartezeiten entsprechend zu dokumentieren. Als Lösungsansatz brächte hier das sog. EFTA-Modell die geringsten Auswirkungen mit sich, ist jedoch nach den aktuellen Diskussionen im Vereinigten Königreich un-wahrscheinlich. Ein vollständiger Exit führte dazu, dass in den 50er Jahren mit dem Vereinigten Königreich abgeschlossene bilaterale Sozialversicherungsabkommen in Kraft träten. Da diese den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt nicht entsprechen, müssten diese zeitaufwendig von den einzelnen Staaten verhandelt werden.

Zwar bestehen keine Folgewirkungen bei der individuellen Be-steuerung der Mitarbeiter auf der Ebene des abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens, der Wegfall familienbezoge-ner Vergünstigungen oder die Anrechnung negativer Einkünfte mit Bezug zu Drittstaaten bringen in Deutschland Veränderun-gen auf der Ebene des nationalen Steuerrechts mit sich.

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MÖGLICHE AUSWIRKUNGEN DES BREXITS: INTERNATIONALES ERTRAGSTEUERRECHT

1. ERTRAGSTEUERLICHE EINORDNUNG DER UNTERSCHIEDLICHEN AUSTRITTSSZENARIEN

Aus ertragsteuerlicher Sicht sind zwei Szenarien denkbar:

SZENARIO 1: EWRUK tritt dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) – neben den EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen – bei. Aus heutiger Perspektive scheint dies aber eher unwahr-scheinlich.

SZENARIO 2: DRITTSTAATUK fällt auf den Status eines „Drittstaates“ zurück. In diesem Fall verbleibt UK die Möglichkeit, den Status über bilaterale, sekto-rielle Abkommen – wie z.B. im Verhältnis EU-Schweiz – zu „ver-bessern“.

Da viele Ertragsteuervorschriften, die auf eine Mitgliedschaft in der EU abstellen, auch die Mitgliedschaft im EWR „ausreichen“ lassen, um deren (räumlichen) Anwendungsbereich zu eröff-nen, ist diese Unterscheidung wichtig, um die Auswirkungen eines EU-Austritts von UK einschätzen zu können. Derzeit offen ist, ob in den Austrittsverhandlungen mit UK eine Fortgeltung (von Teilen) des europäischen Rechts vereinbart wird und welche Auswirkungen dies auf die Anwendung der dem europäischen Recht entnommenen nationalen Ertragsteuervorschriften haben könnte. Betrachtungsgrundlage soll nachfolgend der worst case sein, d.h. die Einordnung von UK als Drittstaat ohne „Sondersta-tus“, um eine möglichst umfassende Bestandsaufnahme vorzu-nehmen und den Handlungsbedarf aufzuzeigen.

2. ÄNDERUNGEN FÜR NATÜRLICHE PERSONEN – ODER: LÖST DER EU-AUSTRITT EINE WEGZUGSBESTEUERUNG (§ 6 ASTG) AUS?

Verlegt eine natürliche Person ihren Wohnsitz (oder gewöhn-lichen Aufenthalt) und endet hierdurch ihre unbeschränkte Steuerpflicht, greift gem. § 6 Abs. 1 AStG grds. die Wegzugsbe-steuerung für Anteile i.S.v. § 17 EStG. Wenn also natürliche Per-sonen in ihrem steuerlichen Privatvermögen Anteile an Kapital-gesellschaften halten und die Beteiligungshöhe 1% übersteigt, wird im Falle eines Wegzugs aus Deutschland eine Veräußerung dieser Anteile fingiert. Entsteht fiktiv ein Veräußerungsgewinn, weil unrealisierte Wertsteigerungen in den Anteilen enthalten sind, so ist dieser zu versteuern.

Allerdings erfolgt eine Privilegierung von Wegzügen in einen anderen EU/EWR-Staat, da eine zinslose Stundung der „Weg-zugsteuer“ gewährt wird (§ 6 Abs. 5 AStG).

Mit dem EU-Austritt von UK (ohne Beitritt zum EWR) • sind die Voraussetzungen einer Stundung für zukünftige

Wegzüge gem. § 6 Abs. 5 S. 1 AStG grds. nicht mehr erfüllt. • ist es bei bereits erfolgten Wegzügen offen, ob es zu einem

Wegfall der Stundungsvoraussetzungen kommt.

Petitum: Wünschenswert wäre von Seiten der Finanzverwal-tung mindestens eine klarstellende Äußerung, ob diese den Brexit als Auslöser für den Wegfall der Stundungsvorausset-zungen sieht. Für nach dem Brexit erfolgende Wegzüge wäre zu überlegen, diese auch weiterhin auf Basis einer gesetzlichen Grundlage zu privilegieren.

Der Handlungsbedarf ist hier sehr hoch, da es sich um einen aus Sicht der Praxis häufigen und wichtigen Regelungsbe-reich handelt.

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3.1.1. WEGZUGSBESTEUERUNG (§ 12 ABS. 3 KSTG)

Eine Körperschaft gilt nach § 12 Abs. 3 S. 1 KStG als aufgelöst (fik-tive Liquidationsbesteuerung), wenn sie durch die Verlegung ih-res Ortes der Geschäftsleitung oder Sitzes aus der unbeschränk-ten Steuerpflicht eines EU/EWR-Mitgliedstaates ausscheidet. Es ist hierzu eine aktive Handlung der Verantwortlichen nötig. Der EU-Austritt von UK löst damit aus sich selbst heraus weder bei UK-Gesellschaften mit Geschäftsleitung in UK und einer deut-schen Betriebsstätte noch bei entsprechenden Tie-Breaker Kon-stellationen (z.B. deutsche Gesellschaften mit Geschäftsleitung in UK) die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 S. 1 bzw. S. 2 KStG aus.

Mit dem Austritt von UK aus der EU ändert sich die Rechtslage so, dass eine derartige Verlegung künftig aufgrund des nun-mehr gegebenen Wegzugs in einen Drittstaat eine fiktive Liqui-dationsbesteuerung auslösen kann. Praktisch dürfte diese Ände-rung insbesondere UK-Gesellschaften treffen, die derzeit eine inländische Geschäftsleitung haben und nach dem EU-Austritt nach UK verziehen.Petitum: Es sollte über einen (gesellschaftsrechtlichen) Be-standsschutz für bereits vor dem Brexit vorhandene Strukturen nachgedacht werden.

3. ÄNDERUNGEN FÜR UNTERNEHMEN

3.1. GESCHÄFTSBEZIEHUNGEN VON DEUTSCHLAND NACH UK: „OUTBOUND“

3.1.2. ENTSTRICKUNG UND STUNDUNG

Realisiert der Steuerpflichtige im Zuge einer Entstrickung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG einen Gewinn aus einer fingierten Entnahme bzw. Veräußerung, kann unter den Voraussetzungen des § 4g EStG, insbesondere der Zuordnung des entstrickten Wirtschaftsguts zu einer EU-Betriebsstätte, ein über fünf Jahre aufzulösender Ausgleichsposten gebildet werden. Ein solcher Ausgleichsposten kann nach erfolgtem EU-Austritt nicht mehr gebildet werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nach § 4g Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG der Ausgleichs-posten in voller Höhe aufzulösen ist, wenn das entstrickte Wirt-schaftsgut „aus der Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten der EU ausscheidet“. Da der Wortlaut der Vorschrift damit nicht unmittelbar an eine Handlung des Steuerpflichtigen anknüpft,

wäre der Tatbestand damit grundsätzlich bereits durch den EU-Austritt von UK erfüllt und der Steuerpflichtige hätte die Anzeigepflicht des § 4g Abs. 5 S. 1 EStG zu beachten. Petitum: Hoher Handlungsbedarf besteht dergestalt, dass zumindest für bestehende Ausgleichsposten ein „Bestands-schutz“ gesetzlich geregelt werden sollte bzw. der Wortlaut so angepasst wird, dass es zwingend einer aktiven Handlung des Steuerpflichtigen bedarf, um den (verbleibenden) Ausgleichs-posten auflösen zu müssen. Anleihe genommen werde könnte hierfür bei der analogen Regelung des § 36 Abs. 5 EStG für Fälle der grenzüberschreitenden Betriebsverlegung nach § 16 Abs. 3a EStG, welche eine aktive Handlung des Steuerpflichtigen vo-raussetzt, um die Stundung wegfallen zu lassen.

3.1.3. ASTG-SUBSTANZTEST BEI UK-ZWISCHENEINKÜNFTEN

Obwohl bereits bisher für Aktivitäten in UK von einer Niedrig-besteuerung im Sinne des AStG (derzeitiger nominaler Körper-schaftsteuersatz in UK von 20 %; dieser wird weiter gesenkt auf 19 % ab dem 1. April 2017 und 17 % ab dem 1. April 2020) aus-zugehen war, konnte bisher eine Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG regelmäßig unter Berufung auf die tat-sächliche wirtschaftliche Tätigkeit (Substanz im Sinne der Cad-bury-Schweppes-Rechtsprechung des EuGH) in UK vermieden werden. § 8 Abs. 2 S. 1 AStG sieht einen Substanztest jedoch nur für potenzielle Zwischengesellschaften vor, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in der EU bzw. dem EWR haben. Tritt der Ansässigkeitsstaat der Zwischengesellschaft aus der EU aus (ohne zugleich dem EWR beizutreten), entfällt grundsätzlich

die Möglichkeit, den Substanztest i.S.d. § 8 Abs. 2 AStG für die Zwischeneinkünfte zu führen. In diesen Fällen wirkt sich dann verschärfend aus, dass die Hinzurechnungsbesteuerung keine praxisrelevante Nichtaufgriffsgrenze bei nur geringen schädli-chen passiven Einkünften neben ansonsten überwiegend akti-ver Tätigkeit kennt. Petitum: Angeregt wird neben einer Anpassung der seit 2000 unveränderten Niedrigbesteuerungsgrenze an aktuelle Ent-wicklungen eine gesetzliche Regelung zur Weitergeltung des § 8 Abs. 2 AStG bei UK-Tochtergesellschaften.

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3.1.4. RÜCKFÜHRUNG VON EINLAGEN UND DIVIDENDEN

3.1.4.1. Einlagenrückgewähr von UK-Gesellschaften an deutsche Anteilseigner

§ 27 Abs. 8 KStG regelt die Rückgewähr von Einlagen – und ggf. auch reine Nennkapitalrückzahlungen – bei Kapitalgesellschaf-ten, die in einem EU-Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtig sind. Die Finanzverwaltung erstreckt den Anwendungsbereich der Vorschrift zudem und zutreffenderweise auch auf EWR-Fäl-le. Bei Drittstaatenkonstellationen und damit auch nach einem EU-Austritt von UK besteht mangels ausdrücklicher gesetzli-cher Regelung allerdings erhebliche Rechtsunsicherheit, wie und ob die Steuerneutralität von Kapitalrückzahlungen an deutsche Anteilseigner gewährleistet werden kann. Offen ist, wie die Finanzverwaltung mit der jüngsten Rechtsprechung des BFH (VIII R 47/13) umgehen wird, die in Drittstaatenfällen auf Basis der Kapitalverkehrsfreiheit eine Steuerneutralität der Einlagenrückgewähr gewährleistet sieht. Petitum: Nach Ergehen der Rechtsprechung des BFH in VIII R 47/13 sollte der Anwendungsbereich von § 27 Abs. 8 KStG auf Drittstaaten- und damit zukünftig auch auf UK-Fälle ausgewei-

tet werden, um eine gewisse Rechtssicherheit im Hinblick auf das Verfahren zur Feststellung der Steuerneutralität zu gewähr-leisten. Andernfalls verbliebe mangels (expliziter) gesetzlicher Grundlage erhebliche Rechtsunsicherheit.

3.1.4.2. Strikteres GewSt-Schachtelprivileg bei Ausschüttungen von UK-Gesellschaften

Gemäß § 9 Nr. 7 GewStG kann bei Auslandsdividenden unter gewissen Voraussetzungen das gewerbesteuerliche Schach-telprivileg in Anspruch genommen werden. Hierbei gilt nur gegenüber Drittstaaten ein Aktivitätsvorbehalt, welcher nicht mehr auf dem letzten Stand des AStG selbst ist. Da allerdings das Doppelbesteuerungsabkommen mit UK hier eine weiterge-hende Freistellung (inklusive Verweis auf den aktuellen Aktivi-tätskatalog des AStG) vorsieht, dürfte es im Zusammenspiel mit § 9 Nr. 8 GewStG nur in Einzelfällen zu gravierenden Nachteilen kommen. In diesen Fällen kann u.E. ergänzend zu Gunsten des Steuerpflichtigen mit einer Verletzung der Kapitalverkehrsfrei-heit argumentiert werden.

3.2. GESCHÄFTSBEZIEHUNGEN VON UK NACH DEUTSCHLAND: „INBOUND“

3.2.1. BESTEUERUNG VON DIVIDENDENAUSSCHÜTTUNGEN AN UK-ANTEILSEIGNER (MUTTER-TOCHTER-RICHTLINIE)

Bei Dividendenausschüttungen einer deutschen Tochterge-sellschaft an eine UK-Muttergesellschaft fällt nach nationalem Steuerrecht grds. Quellensteuer iHv 25 % plus Solidaritätszu-schlag an. Diese Quellensteuer kann nach der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie (MTRL; umgesetzt in § 43b EStG) unter gewissen Voraussetzungen bis auf 0% reduziert werden. Die MTRL gilt aber nur zwischen EU-Staaten. Nach dem Brexit verbleibt im Verhältnis zu UK nur noch die Anwendung des DBA (Reduktion der Quellensteuer auf 5 %). Die Quellensteuersitu-ation für UK-Muttergesellschaften „verschlechtert“ sich somit

durch den Brexit. Dies hat auch nachteilige Auswirkungen auf Inbound-Investitionen z.B. aus den USA, die sich einer UK-Kapi-talgesellschaft als „Europa-Holding“ bedienen.Petitum: Wenn es im Rahmen der Austrittsverhandlungen nicht dazu kommen sollte, dass die Fortgeltung der MTRL gegenüber UK vereinbart wird, ist mit hoher Dringlichkeit zu überlegen, ob im Rahmen eines kurzfristig zu verhandelnden Revisionsproto-kolls in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-UK/Deutschland – zumin-dest bilateral – ein „Nullsatz“ für Quellensteuern auf Dividenden vereinbart wird.

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3.2.4. UMWANDLUNGSSTEUERRECHT

3.2.4.1. AllgemeinesInfolge eines EU-Austritts vollzieht sich eine empfindliche Ein-schränkung des Anwendungsbereiches des UmwSt-Rechts auf grenzüberschreitende Umstrukturierungsvorgänge mit UK-Be-zug: Von Ausnahmen abgesehen ist das UmwStG grundsätzlich nur für solche Umwandlungsvorgänge anwendbar, an denen EU/EWR-Rechtsträger als umwandelnde/übertragende/über-nehmende Rechtsträger beteiligt sind. Nach dem Brexit wird insbesondere die Steuerneutralität bei der Implementierung einer UK-Holding im Wege des Anteilstausches versagt werden: § 21 UmwStG gelangt zwar zur Anwendung, wenn der die An-teile tauschende Rechtsträger in einem Drittstaat ansässig ist, nicht aber, wenn die übernehmende Gesellschaft (d.h. die zu-künftige UK-Holding) in einem Drittstaat ansässig ist.

3.2.4.2. Ersatzrealisation durch SperrfristverletzungVon erheblicher praktischer Relevanz dürfte die Frage sein, ob der Brexit eine Sperrfristverletzung i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG darstellt, weil eine solche Sperrfristverletzung zur Steuerpflicht von Umwandlungsvorgängen führen könnte, die bereits in der Vergangenheit stattgefunden haben.

Konkret würde dies beispielsweise den Fall einer UK-Kapital-gesellschaft betreffen, die ihre deutsche Betriebstätte steuer-neutral in eine deutsche Kapitalgesellschaft einbringen möch-te. Nach § 20 UmwStG geht dies nach geltender Gesetzeslage ohne Aufdeckung stiller Reserven. Allerdings sieht das UmwStG vor, dass ein sog. Einbringungsgewinn I entsteht, wenn inner-halb einer siebenjährigen Sperrfrist ein sperrfristverletzen-des Ereignis eintritt. Der Einbringungsgewinn I schmilzt pro Jahr um 1/7 ab und ist im Grundfall gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG dann zu versteuern, wenn die neuen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft veräußert werden. Nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG liegt grundsätzlich ein sog. „Ersatzrealisationstatbestand“ (der ebenso die Besteuerung des Einbringungsgewinns I vorsieht) vor, wenn für die einbringen-de UK-Kapitalgesellschaft die (Ansässigkeits-)Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG nicht mehr erfüllt sind. Dies bedeutet im Klartext, dass der Brexit eine „nachträgliche“ Besteuerung des Einbringungsvorgangs auslösen kann, ohne dass ein Anteils-verkauf stattgefunden hat.Petitum: Es sollte gesetzlich klargestellt werden, dass bei der An-wendung des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG der Brexit kein Grund ist, eine Besteuerung des Einbringungsgewinns I vorzunehmen.

3.2.2. BESTEUERUNG VON ZINS- UND LIZENZZAHLUNGEN AN UK-EMPFÄNGER (ZINS- UND LIZENZRICHTLINIE)

Ähnlich wie bei Dividenden fällt auch bei Lizenzzahlungen grds. Quellensteuer (hier iHv 15% plus Solidaritätszuschlag) an. Nach der europäischen Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie (ZLRL; umgesetzt in § 50g EStG) kann die Quellensteuer unter gewissen Voraussetzungen auf 0% reduziert werden. Gleiches gilt – sogar unter weniger „strengen“ Voraussetzungen – auch nach dem DBA-UK/Deutschland. Augenscheinlich besteht so-mit an dieser Stelle kein Handlungsbedarf. Allerdings bietet die ZLRL in bestimmten Fällen einen besseren Schutz als ein DBA: Fließen beispielsweise Lizenzzahlungen zwischen deut-

scher und polnischer Schwestergesellschaft mit gemeinsamer UK-Muttergesellschaft, so werden hierauf nach dem DBA-Polen 5% Quellensteuer fällig. Wegen der gemeinsamen UK-Mutter-gesellschaft ist allerdings die ZLRL mit der Folge anwendbar, dass grds. keine Quellensteuer fällig wird. Nach dem Brexit droht ein Rückfall auf das DBA-Polen/Deutschland.Petitum: Um in bestimmten Konstellationen verschlechterte Quellensteuersituationen durch den Brexit zu vermeiden, sollte in den Austrittsverhandlungen darauf hingewirkt werden, dass die ZLRL gegenüber UK weiter Anwendung findet.

3.2.3. AUSWIRKUNGEN AUF FREISTELLUNGSBESCHEINIGUNGEN

Bei Ausschüttung von Dividenden bzw. Zahlung von Lizenzen von Deutschland nach UK fallen nach nationalem Recht grund-sätzlich Quellensteuern an. Damit die Vorteile aus der MTRL bzw. der ZLRL liquiditätsschonend bereits bei Zahlung in An-spruch genommen werden können, können nach § 50d Abs. 2 EStG (üblicherweise auf 3 Jahre befristete) Freistellungsbe-scheinigungen erteilt werden. Gemäß Satz 4 des § 50d Abs. 2 EStG besteht eine Pflicht zur Anzeige geänderter „Verhältnisse“. Es ist fraglich, ob der Brexit eine Anzeigepflicht auslöst, da die-ser auch der Finanzverwaltung bekannt ist. Es besteht aber das

Risiko, dass das Bundeszentralamt vom in den Freistellungs-bescheinigungen enthaltenen Widerrufsvorbehalt Gebrauch macht und die Bescheinigungen für die Zukunft nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO aufhebt. Aber selbst wenn es zu keinem automatischen Widerruf der Bescheinigungen seitens des BZSt kommt, darf der inländische Entrichtungsschuldner uE nicht mehr nach Treu und Glauben auf die Gültigkeit der Freistel-lungsbescheinigung vertrauen und in der Folge vom Steuerab-zug ganz oder teilweise absehen.

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4. KONSEQUENZ FÜR STEUERPFLICHTIGE: UMFASSENDER HANDLUNGSBEDARF!

Folgende wesentliche Probleme können durch den Brexit ausgelöst werden:• Insbesondere bei Inbound-Strukturen verschlechtert sich der

Quellensteuersatz für Dividendenzahlungen unter dem DBA-UK/Deutschland auf 5 %. Kurzfristig sollte die Ausschüttungs-politik entsprechend ausgerichtet werden, langfristig sind die Konzernstrukturen zu überdenken, wenn nicht das DBA nach-verhandelt wird bzw. die Mutter-Tochter-Richtlinie fort gilt.

• Auch in Outbound-Fällen wird die Repatriierung von Finanz-mitteln erheblich erschwert. Eine Einlagenrückgewähr un-ter Anwendung des § 27 Abs. 8 KStG sollte daher vor dem EU-Austritt erwogen werden.

• Bei geplanten Reorganisationen ist zu berücksichtigen, dass UK als Drittstaat in aller Regel nicht in den räumlichen An-wendungsbereich des UmwStG fällt und damit die Möglich-keit der steuerneutralen Buchwertfortführung vielfach ver-

sagt bleiben sollte. Folglich sollten entsprechende Schritte mit UK-Bezug neu bewertet und ggf. vorgezogen werden.

• Da der Substanztest des § 8 Abs. 2 AStG im Verhältnis zu UK zukünftig nicht mehr vor einer Hinzurechnungsbesteu-erung schützen wird, sollten bestehende Strukturen auf „schlummernde“ Hinzurechnungsbesteuerungsrisiken un-tersucht werden.

• Auch die gesellschaftsrechtlichen Implikationen können ge-eignet sein, erhebliche steuerliche Auswirkungen zu zeitigen.

Angesichts der politischen Unwägbarkeiten als auch der – zum Teil – gravierenden steuerlichen Implikationen eines EU-Aus-tritts für Steuerpflichtige sollten dementsprechend rechtzeitig Strategien für einen kurz-, mittel- und langfristigen Planungsho-rizont entwickelt werden, um für mögliche Entwicklungen ge-wappnet zu sein.

5. FAZIT

Derzeit ist (noch) nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt der Austritt von UK erfolgt und auf welchen Status UK „zurückfal-len“ wird bzw. wie Austritt und Neuregelungen ineinander-greifen werden. Schließt sich UK dem EWR an, bleibt es ertrag-steuerlich grundsätzlich bei dem Status quo (zu beachten sind aber die Implikationen bei der Kapitalertragsteuer!). Sollte UK

allerdings auf den Status eines Drittstaates zurückfallen, erge-ben sich zahlreiche Änderungen. Insbesondere wird genau zu beobachten sein, ob mittels bi- oder multilateraler Abkommen – ähnlich wie im Verhältnis EU-Schweiz – ein gewisses Schutzni-veau erhalten bleibt.

B R E X I T B CCG E X P E R T E N G R U P P E N | B U L L E T I N 2017

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