Brennpunkt Nr. 04/2011

4
brennpunkt 4 | 2011 Dr. Stefan Holenstein Direktor a.i. santésuisse INHALT Pillen sollen weniger bitter werden: Margen runter! santésuisse stellt sich auf die Seite der Versicherten und des Preisüberwachers: Die Handelsmargen bei Medikamenten müssen runter. Eine aktuelle santésuisse- Studie zeigt, dass die Schweizer Margen im europäischen Vergleich um einen Viertel zu hoch sind. Das Einsparpotential beträgt 300 Millionen Franken – oder umgerechnet 1,5 Prämienprozente – zugunsten der Versicherten. Am 23. November 2011 hat santésuisse eine neue Studie präsentiert, welche zeigt, dass die Schweizer Handelsmargen im Ver- gleich mit europäischen Referenzländern einen Viertel höher sind. Diese konserva- tive Berechnung untermauert die Ansicht des Preisüberwachers, dass die Margen wesentlich zu hoch sind. santésuisse setzt sich für Wirtschaftlichkeit im Gesundheits- wesen ein: Um das europäische Niveau zu erreichen, muss die Marge von heute 37% auf 28% des Fabrikabgabepreises gesenkt werden. Schweizer werden doppelt belastet Die verschreibungspflichtigen Medika- mente machen mit rund 90% den Gross- teil der von der Grundversicherung vergü- teten Arzneimittel aus. 2010 wurden sol- che Medikamente in Höhe von 4,8 Mrd. Fr. abgerechnet. Dabei fielen 3,4 Mrd. Fr. auf die Hersteller, 1,3 Mrd. Fr. auf den Han- del und 110 Mio. Fr. via Mehrwertsteuer auf den Staat. Der in der santésuisse-Stu- die vorgestellte internationale Margenver- gleich soll den seit 2005 praktizierten Aus- landspreisvergleich ergänzen, welcher auf die Hersteller fokussiert und somit auf den Fabrikabgabepreis der Medikamente. Weil die Schweiz auch in dieser Hinsicht zu den Spitzenreitern gehört, werden die Prämi- enzahler doppelt belastet: Zu hohe Preise und zu hohe Margen. Zum Vergleich wur- den die Referenzländer des Bundesamts für Gesundheit (Dänemark, Deutschland, England, Holland, Frankreich und Öster- reich) beigezogen. Margen-Senkung ist dringend nötig Der santésuisse-Margenvergleich wurde um Preis- und Zinsniveau bereinigt und zeigt, dass die Schweiz eine zu hohe Han- delsmarge im Medikamentenbereich auf- weist. Die übrigen Länder liegen bis zu 45% unter dem Schweizer Niveau. Im Schnitt fallen die europäischen Margen einen Viertel tiefer aus. santésuisse for- dert daher die Anpassung des Art. 35a der Krankenpflege-Leistungsverordnung. Um den europäischen Durchschnitts- wert zu erreichen, müsste der Packungs- zuschlag um 10% und der preisbezogene Zuschlag gemäss Vorschlag Preisüberwa- cher auf 4,53% gesenkt werden. So könn- ten die Prämienzahler um 1,5 Prämienpro- zente oder 300 Mio. Fr. entlastet werden. In Zukunft muss der Vertriebsanteil part- nerschaftlich zwischen Krankenversiche- rern und Leistungserbringern ausgehandelt werden, um im Interesse der Versicherten möglichst wirtschaftliche Lösungen zu er- reichen. (GPA) Editorial santésuisse fordert: Margen runter 1 Grundversicherung: Finanzströme bündeln 2 TARMED-Revision: Kostenneutralität statt Eigeninteressen 3 In Kürze 4 Margen-Senkung bei den Medika- menten – ein umstrittenes Thema: Preisüberwacher und Prämienzahler prangern seit langem die hohen Medikamentenpreise an. Die santésuisse-Studie verleiht diesen Forderungen Nachdruck: Würden die Schweizer Handelsmargen auf das europäische Niveau gesenkt, könn- ten 300 Millionen Franken bzw. 1,5 Prämienprozente eingespart werden. Das BAG begründet seine bishe- rige Zurückhaltung damit, dass die Forderungen des Preisüberwachers auf «Extremwerten» beruhen. santésuisse fordert eine rasche Anpassung der Margen. In Zukunft sollen sie partnerschaftlich zwischen den Tarifpartnern ausgehandelt wer- den – im Interesse der Versicherten. Gesundheitspolitik 4/11

description

Brennpunkt Nr. 04/2011 deutsch

Transcript of Brennpunkt Nr. 04/2011

Page 1: Brennpunkt Nr. 04/2011

brennpunkt 4 | 2011

Dr. Stefan holensteinDirektor a.i. santésuisse

iNhAlT

Pillen sollen weniger bitter werden: Margen runter!

santésuisse stellt sich auf die Seite der Versicherten und des Preisüberwachers: Die handelsmargen bei Medikamenten müssen runter. Eine aktuelle santésuisse-Studie zeigt, dass die Schweizer Margen im europäischen Vergleich um einen Viertel zu hoch sind. Das Einsparpotential beträgt 300 Millionen Franken – oder umgerechnet 1,5 Prämienprozente – zugunsten der Versicherten.

Am 23. November 2011 hat santésuisse eine neue Studie präsentiert, welche zeigt, dass die Schweizer Handelsmargen im Ver-gleich mit europäischen Referenzländern einen Viertel höher sind. Diese konserva-tive Berechnung untermauert die Ansicht des Preisüberwachers, dass die Margen wesentlich zu hoch sind. santésuisse setzt sich für Wirtschaftlichkeit im Gesundheits-wesen ein: Um das europäische Niveau zu erreichen, muss die Marge von heute 37% auf 28% des Fabrikabgabepreises gesenkt werden.

Schweizer werden doppelt belastet

Die verschreibungspfl ichtigen Medika-mente machen mit rund 90% den Gross-teil der von der Grundversicherung vergü-teten Arzneimittel aus. 2010 wurden sol-che Medikamente in Höhe von 4,8 Mrd. Fr. abgerechnet. Dabei fi elen 3,4 Mrd. Fr. auf die Hersteller, 1,3 Mrd. Fr. auf den Han-del und 110 Mio. Fr. via Mehrwertsteuer auf den Staat. Der in der santésuisse-Stu-die vorgestellte internationale Margenver-gleich soll den seit 2005 praktizierten Aus-landspreisvergleich ergänzen, welcher auf die Hersteller fokussiert und somit auf den Fabrikabgabepreis der Medikamente. Weil die Schweiz auch in dieser Hinsicht zu den Spitzenreitern gehört, werden die Prämi-

enzahler doppelt belastet: Zu hohe Preise und zu hohe Margen. Zum Vergleich wur-den die Referenzländer des Bundesamts für Gesundheit (Dänemark, Deutschland, England, Holland, Frankreich und Öster-reich) beigezogen.

Margen-Senkung ist dringend nötig

Der santésuisse-Margenvergleich wurde um Preis- und Zinsniveau bereinigt und zeigt, dass die Schweiz eine zu hohe Han-delsmarge im Medikamentenbereich auf-weist. Die übrigen Länder liegen bis zu 45% unter dem Schweizer Niveau. Im Schnitt fallen die europäischen Margen einen Viertel tiefer aus. santésuisse for-dert daher die Anpassung des Art. 35a der Krankenpfl ege-Leistungsverordnung. Um den europäischen Durchschnitts-wert zu erreichen, müsste der Packungs-zuschlag um 10% und der preisbezogene Zuschlag gemäss Vorschlag Preisüberwa-cher auf 4,53% gesenkt werden. So könn-ten die Prämienzahler um 1,5 Prämienpro-zente oder 300 Mio. Fr. entlastet werden. In Zukunft muss der Vertriebsanteil part-nerschaftlich zwischen Krankenversiche-rern und Leistungserbringern ausgehandelt werden, um im Interesse der Versicherten möglichst wirtschaftliche Lösungen zu er-reichen. (GPA)

Editorial santésuisse fordert: Margen runter 1

Grundversicherung: Finanzströme bündeln 2

TARMED-Revision: Kostenneutralität statt Eigeninteressen 3

in Kürze 4

Margen-Senkung bei den Medika-

menten – ein umstrittenes Thema:

Preisüberwacher und Prämienzahler

prangern seit langem die hohen

Medikamentenpreise an. Die

santésuisse-Studie verleiht diesen

Forderungen Nachdruck: Würden die

Schweizer Handelsmargen auf das

europäische Niveau gesenkt, könn-

ten 300 Millionen Franken bzw. 1,5

Prämienprozente eingespart werden.

Das BAG begründet seine bishe-

rige Zurückhaltung damit, dass die

Forderungen des Preisüberwachers

auf «Extremwerten» beruhen.

santésuisse fordert eine rasche

Anpassung der Margen. In Zukunft

sollen sie partnerschaftlich zwischen

den Tarifpartnern ausgehandelt wer-

den – im Interesse der Versicherten.

BrennpunktBrennpunktBrennpunktBrennpunktGesundheitspolitik 4/11

Page 2: Brennpunkt Nr. 04/2011

brennpunkt 4 | 2011

LEISTUNGS-ERBRINGER

SPITÄLER

KRANKEN-VERSICHERER

STEUER-ZAHLER

PRÄMIEN-ZAHLER

5,6 MRD. CHF BRUTTO1,4 MRD. CHF NETTO

RISIKOAUSGLEICH

9 MRD. CHF

QUELLE: SANTÉSUISSE

4 MRD. CHF

KANTONEBUND GEMEINDEN

STAAT

3 MRD. CHFKOSTENBETEILIGUNG

VERSICHERTE

20 MRD. CHFKOPFPRÄMIEN

4 MRD. CHFPRÄMIENVERBILLIGUNG

9 MRD. CHFSPITALFINANZIERUNG

LEISTUNGEN IN DER GRUNDVERSICHERUNG (2009)

W i E bÜ N DElT M A N D i E F i N A N ZFlÜSSE i M GESU N DhE i TS W ESEN?

Das Parlament diskutiert zurzeit aufgrund mehrerer Vorstösse, wie die komplexe Finanzierung der Grundversiche-rung vereinfacht werden könnte. Die lösung liegt auf der hand: Eine einzige Schleuse, welche alle Finanzströme passieren müssten, würde zu einem Mehr an Kostenwahrheit und Transparenz führen. Die Krankenversicherer haben das Know-how, um diese Aufgabe als Schleusenwärter für die Finanzierung aus einer hand zu erfüllen.

tungsabrechung und Kontrolle der WZW-Kriterien müssen von den Versicherern durchgeführt werden. Dort ist das Know-how bereits vor-handen. Eine Ausweitung auf den gesamten Spitalbereich würde den Wettbewerb zwischen Spitalambu-latorien und Arztpraxen zugunsten der Spitäler verzerren und Managed Care schwer behindern. Eine Aus-weitung auf alle Leistungen würde eine erneute Neuregelung der austa-rierten Pfl egefi nanzierung von 2011 nach sich ziehen.

Finanzierung aus einer HandEinzig vernünftige Lösung ist die Fi-nanzierung aus einer Hand mit fi -nanzieller Mitverantwortung der Kantone. Nur durch eine solche Bündelung der Finanzströme wer-den aufgeblähte Bürokratie verhin-dert, Fehlanreize beseitigt und mehr Transparenz sichergestellt. Der heu-tige Anteil der staatlichen Finanzie-rung muss im System bleiben. Die Versicherer erhalten den Anteil der Kantone pauschal (und nicht auf Ein-zelrechnungsebene) nach schweiz-weit einheitlichen Prozessen und ver-bindlichen technischen Standards. Dadurch werden die Rollenkonfl ikte der Kantone abgebaut. Die Versiche-rer sind die Spezialisten für Rech-nungskontrolle, Leistungseinkauf und -vergütung sowie Ansprechpartner der Leistungserbringer. (GPA)

Fatale dual-fi xe Finanzierung:

• RollenkonfliktederKantonewerdenverschärft

• AufblähungderAdministrationen• WiderspruchzurPflegefinanzierung• BehinderungderEntwicklungvon

Managed Care

Bundesrat Burkhalter konnte in der Herbstsession eine «seltene politische Einigkeit» feststellen: Eine SP-Mo-tion für eine einheitliche Finanzie-rung der Leistungen in der Grund-versicherung wurde angenommen. Zwei ähnliche Vorstösse sind noch im Parlament (Pa. Iv. Humbel (CVP): Finanzierung aus einer Hand und Mo. Brändli (SVP): Transparente Fi-nanzierung).

Zwei Lösungen für komplexe LageHeute sind die Finanzströme in der Grundversicherung komplex. Mit einer Vereinfachung würden Kos-tenwahrheit, Transparenz und eine ganzheitliche Betrachtung der me-dizinischen Behandlungsketten er-möglicht. Fehlanreize durch den un-terschiedlichen Finanzierungsmix der medizinischen Leistungen wür-den beseitigt. Grundsätzlich gibt es dazu zwei Wege: Bei der Finanzie-rung aus einer Hand fl iessen die Anteile von Bund und Kantonen

an die Versicherer. Diese bezahlen als Tarifpartner alle Leistungen der Grundversicherung. Bei der dual-fi xen Finanzierung beteiligen sich die Kantone mit einem fi xen Vergü-tungsteiler an allen medizinischen Leistungen. Jeder einzelne Kanton regelt die Abwicklung mit den Ver-sicherern.

Gefahren des dual-fi xen WegesAngesichts der föderalistisch viel-fältigen Vollzugsprobleme – vgl. die negativen Erfahrungen mit der Kan-tonswillkür beim Vergütungstei-ler der Spitalfi nanzierung – ist drin-gend von einer Ausweitung der dual-fi xen Finanzierung abzuraten. Wenn Kantone und Versicherer ihre Vergütungsteile separat in Rechnung gestellt erhalten, prüfen und be-zahlen, müssen die Kantone eigene Verwaltungsapparate aufbauen. Sol-che unnötigen und teuren Parallel-strukturen müssen verhindert wer-den. Einzelrechnungsprüfung, Leis-

Für die komplexen Finanzströme in der Grundversicherung braucht es einen Schleusen-wärter, der den Überblick bewahrt und das Know-how hat: die Krankenversicherer.

Page 3: Brennpunkt Nr. 04/2011

brennpunkt 4 | 2011

TARM ED : D i E hA l bE WAhRhE i T DER FMh

«Wir kennen die Wahrheit», verkündet die FMh im Zusammenhang mit ihrem Projekt TARViSiON. Nur mit einer betriebswirtschaftlichen Anpassung würde «Kostenwahrheit» erreicht. indem aber Aspekte der Effizienz- und Produktivitätssteigerung ausser acht gelassen werden, entpuppt sich diese halbe Wahrheit als ganze lüge. santésuisse will eine TARMED-Revision für Grundversorger, aber mit der gesetzlich geforderten Kostenneutralität.

Dass der ambulante Einzelleistungs-tarif TARMED einer Revision bedarf und vereinfacht werden soll, darü-ber herrscht Einigkeit. Gemeinsam mit Bundesrat Burkhalter wurden von den Tarifpartnern mehrere Eck-werte festgesetzt: Die Grundversor-gung soll gestärkt werden. Die Kos-tenneutralität ist gemäss Art. 59c Abs. 1 KVV umzusetzen. Die Revi-sion wird von allen Tarifpartnern gemeinsam durchgeführt. Jetzt wol-len aber FMH und H+ eine betriebs-wirtschaftliche «Kostenwahrheit» und fordern, dass ein «allfälliges Delta» (sprich: mehr Geld) politisch abge-segnet werde. Mit dieser Forderung verstossen sie gegen alle vereinbar-ten Eckwerte.

Jammern auf hohem NiveauSeit Jahr und Tag weisen die Ärzte ihr Einkommen nicht pensenbe-reinigt aus. 2010 betrug dieses 230 000 Franken. Dieses Jahr wurde in der Ärztezeitung erstmalig ermit-telt, dass Ärzte im Schnitt nur einem Teilpensum von 85% nachgehen. Will man von Kostenwahrheit und Transparenz sprechen, dann muss man das Einkommen – wie in der Wirtschaft üblich – auf ein Vollpen-sum hochrechnen: Ein Arzt verdient also gut 270 000 Franken. Bezeich-nend, dass die FMH die Pensen für die einzelnen Facharztgruppen nicht nachweist. Fakt ist: Allgemeinärzte

auf dem Land leisten viele Notfall-dienste und arbeiten auch sonst viel. Spezialärzte in der Stadt haben sehr moderate Praxisöffnungszeiten, ver-dienen dabei aber ein Vielfaches. Der Verdacht liegt nahe, dass die Lohnschere zwischen Spezialisten und Grundversorgern mit Pensenbe-reinigung noch weiter aufginge.

Effizienzgewinne weitergeben2010 arbeiteten laut Ärztezeitung 63% der Ärzte in Einzelpra-xen, 37% in Gruppenpraxen, tei-len sich also Infrastruktur und Per-sonal. TARMED beruht aber auf der betriebswirtschaftlichen Struk-tur von Einzelpraxen. 2010 betrug laut Ärztezeitung die Arbeitszeit der Ärzte 8,5 Halbtage pro Woche. Im TARMED sind neun Halbtage hin-terlegt. Der medizinische Fortschritt hat dazu geführt, dass die abge-rechnete Zeit (Minutage) sich nicht mit der real gearbeiteten Zeit deckt. Auch die Kombination von Zeit- und Handlungsleistungen im TARMED führt zum selben Effekt. Deutsch und deutlich: Heute wird mehr ver-rechnet als gearbeitet. Die FMH ver-schliesst die Augen vor den eigenen Fakten und den dadurch belegten notwendigen Anpassungen an die Realität. Fazit: Die Produktivitäts- und Effizienzgewinne fliessen heute in die Taschen der Mediziner anstatt an die Prämienzahler.

Mehr Transparenz für VersicherteDiese Effizienzwahrheit wird vor den Versicherten vertuscht. Bis heute warten die Patienten auf eine Vereinfachung ihrer Arztrechnun-gen. Verständliche Informationen über die effektive Behandlungs-dauer und deren Kosten sucht man bis heute vergeblich. santésuisse schliesst sich dieser Forderung von Öffentlichkeit, Patientenverbänden und der Eidg. Finanzkommission (EFK) nach mehr Transparenz voll-umfänglich an. Der EFK-Bericht von 2010 stellte auch fest, dass auf Druck verschiedener Ärztegesellschaften die Produktivitäten (= Ausnutzungs-faktor) von technisch-operativen Be-handlungsräumen zu tief festgelegt wurden und nicht den real höheren Produktivitäten entsprechen. Resul-tat: hohe Produktivitätsgewinne v. a. bei Spezialisten. Auch diese müssen an die Versicherten weitergegeben werden. (GPA)

Bei der TARMED-Revision ist keine Pölsterli- und Pflästerli-Politik gefragt, die nur den Spezialärzten dient. Gefragt ist eine Revision, die die Grundversorgung besser stellt und Produktivitätsfortschritte und Effizienzsteigerungen an die Prämienzahler weitergibt.

Foto

: W

alte

r im

ho

f

Mögliche TARMED-Hebel:

• VerrechneteZeitmitderrealenbehandlungszeit abgleichen

• MehrTransparenzdankZeitanga-ben auf der Patientenrechnung

• ZutiefeProduktivitätsfaktorenderbehandlungsräume anpassen

• FreieKombinationvonZeit-undhandlungsleistungen einschränken

Page 4: Brennpunkt Nr. 04/2011

iMPRESSUMHERAUSGEBER santésuisse – Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn REDAKTION Gregor Patorski, Maud hilaire Schenker, Abt. Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 41 54, Fax: 032 625 41 51, E-Mail: [email protected], homepage: www.santesuisse.ch PRODUKTION City-Offset, Solothurnstrasse 84, 2540 Grenchen TITELBILD Carsten Reisinger, stockphoto-images.com

iN KÜRZE

brennpunkt 4 | 2011

SP gefährdet Managed Care-Vorlage

In der Herbstsession wurde die Mana-ged Care-Vorlage verabschiedet. Weil sie den Kompromiss nicht mittragen wol-len, sammeln derzeit gewisse Ärztegrup-pen Unterschriften für ein Referendum. Gegen die Interessen der Allgemeinheit will die Ärzteschaft ihre Pfründe sichern und die Vorlage bodigen. santésuisse steht im Gegensatz zur FMH zum aus-gehandelten Kompromiss. Die Versiche-rer halten Wort und werden die integ-rierte Versorgung gemeinsam mit inno-vativen Leistungserbringern weiter ent-wickeln. Der Kompromiss beinhaltet auch einen verbesserten Risikoausgleich. Diesen unbestrittenen Teil der Vorlage will die SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr mittels einer parlamentarischen Initia-tive «unabhängig vom Resultat eines all-fälligen Referendums» umgesetzt sehen. Auch santésuisse unterstützt die Verfei-nerung des Risikoausgleichs nach wie vor, empfi ehlt aber vorerst abzuwarten: Eine Annahme dieser pa. Iv. vor einem Volksentscheid würde die Chancen der MC-Vorlage deutlich schmälern. In vor-auseilendem Gehorsam stellt sich die SP mit diesem durchsichtigen politischen Manöver auf die Seite von gut- und bes-serverdienenden Ärzten, anstatt die In-teressen der Versicherten zu vertreten. Stellt sich die Frage: Weshalb?

bund beobachtet branchenvereinbarung

Ende Januar haben die Krankenversiche-rer eine Branchenvereinbarung unter-zeichnet, welche die telefonische Kaltak-quise in der Grundversicherung verbie-tet, die Provisionen für Makler auf 50 Fr. begrenzt und die Qualität bei Maklern sichert. Der Bundesrat erwähnte in der Herbstsession in seiner Antwort auf eine Interpellation von SP-Nationalrat Jean-François Steiert das Meldeformular für Versicherte, welches santésuisse unter www.santesuisse.ch/de/meldeformular aufgeschaltet hat. Damit können fehlbare Versicherer oder Versicherungsvermittler gemeldet werden. Überdies verfolge das Bundesamt für Gesundheit die Umset-zung der Vereinbarung aufmerksam. Des

Weiteren wies der Bundesrat darauf hin, dass bei Maklern «ohne vertragliche Ver-bindung […] die Versicherer keine Mög-lichkeit [hätten], die Tätigkeit dieser Ver-mittler zu kontrollieren.» Bei der Analyse der bislang rund 50 Verstösse (von ins-gesamt gut 170 eingetroffenen Meldun-gen) lässt sich eine Mehrzahl auf unge-bundene Makler zurückführen, gegen deren unqualifi ziertes Auftreten die Ver-sicherer – wie der Bundesrat feststellte – keine Handhabe haben. Im Gegensatz zu diesem Makler-Wildwuchs liessen sich nur drei Verstösse direkt auf Ver-sicherer zurückführen. santésuisse hat in diesen Einzelfällen das Gespräch mit den Versicherern gesucht und sie an die Vereinbarung erinnert.

Was ist Repräsentativität?

CVP-Präsident Christoph Darbellay for-dert in seinem Postulat Kriterien für die Repräsentativität bei Tarifverträgen im Gesundheitswesen. Er verteidigt darin die Physiotherapeuten, welche den Ta-rifvertrag gekündigt haben, greift den neuen Vertrag von tarifsuisse ag mit ASPI als «unbedeutend» an und bezeichnet ihn indi-rekt als unglaubwürdig und nicht repräsentativ. Die Zah-len von Herrn Darbellay sind falsch: Mittlerweile haben sich weit über 700 Physio-therapeuten dem Vertrag an-geschlossen und täglich wer-den es mehr. Dies entspricht gut 15% aller selbstständigen Physiotherapeuten. Der CVP-Präsident sollte das Wort «unbedeutend» daher nicht allzu vorschnell gebrau-chen. Die Fakten: In den letzten Jahren stieg die Zahl der Physio-Praxen um 15%. Dieses wachsende Angebot führte zu einer Mengenaus-weitung und liess das Brut-tovolumen der von den Phy-siotherapeuten zu Lasten der Grundversicherung verrech-neten Leistungen von 475 Mio. Fr. im Jahr 2006 auf 551 Mio. Fr. im Jahr 2010 (+16%) steigen. Gäbe man den For-

derungen von physioswiss nach, würde das zu einem zusätzlichen Prämien-sprung von 110 Mio. Fr. jährlich führen.

Weshalb auch Kinder Prämien zahlen müssen

Die beiden parlamentarischen Initi-ativen (pa. Iv.) der Nationalrätinnen Ruth Humbel (CVP) und Susanne Leu-tenegger Oberholzer (SP) fordern die Prämien befreiung für Kinder. Dies würde zu einer Mehrbelastung von 1,8 Mia. Fr. für alle anderen Versicher-ten führen, was rund neun Prämienpro-zenten entspricht. Diese beiden Initia-tiven senden grundsätzlich ein falsches Signal aus: Etwas was nichts koste, ist nichts wert. Zudem würde eine solche Verteilung mit der Giesskanne auch Rei-che entlasten. Die pa. Iv. greifen in die Kompetenz der Kantone ein, die be-reits mit den individuellen Prämienver-billigungen v. a. auch Familien mit Kin-dern entlasten. Aus diesen Gründen lehnt santésuisse beide Initiativen klar ab. Das KVG ist kein Instrument für Familien politik. (GPA)