BRAK Mitteilungen

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6/2006 15. 2. 2010 41. Jahrgang PVSt 7997 BRAK Mitteilungen Herausgeber BundesrecHtsanwaltskammer Beirat RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Vorsitzender, Karlsruhe RA Dr. Matthias Kilian, Köln RA Dr. Ulrich Scharf, Celle RA JR Heinz Weil, Paris Aus dem Inhalt 1 /2010 www.brak-mitteilungen.de Akzente Pro bono Ehrenamt (RA Axel C. Filges) 1 Aufsätze Die Berufssituation von angestellten und frei mitarbeitenden Rechts- anwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich (Kerstin Eggert) 2 Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts (RA Dr. Andreas Klose) 6 Der Wandel im anwaltlichen Berufsbild – eine empirische Untersuchung im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V. (Kerstin Eggert/RA Ottheinz Kääb) 14 Für Recht und Freiheit – Felix Busse: Deutsche Anwälte, Geschichte der deutschen Anwaltschaft 1945–2009 (RAuN a.D. Dr. Eberhard Haas) 19 Pflichten und Haftung des Anwalts Das aktuelle Urteil (RA Holger Grams) Hinweispflicht auf Anzeigeobliegenheiten gegenüber Haftpflicht- versicherer bei Mandat zur Abwehr von Haftpflichtansprüchen (OLG Köln v. 12.10. und 16.11.2009) 22 Berufsrechtliche Rechtsprechung Syndikusanwalt – Zur Anerkennung besonderer praktischer Erfahrungen (BGH v. 4.11.2009) 27 Vergütung – Keine Zusatzgebühr bei Abgabe des Verfahrens an die Bußgeldbehörde nach Einstellung des Strafverfahrens (m. Anm. RAin Julia von Seltmann) (BGH v. 5.11.2009) 33 Verhältnis zwischen Abwickler und Insolvenzverwalter (OLG Köln v. 4.11.2009) 37 BRAKMagazin Blick zurück und nach vorn – 20 Jahre gesamtdeutsche Anwaltschaft Bei der Auswahl Ihrer Informations- quellen sollte Ihnen das Beste gerade gut genug sein. www.legios.de

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6/200615. 2. 2010 41. Jahrgang PVSt 7997 BRAK

MitteilungenHerausgeberB u n d e s r e c H t s a n w a l t s k a m m e r

Beirat

RA Prof. Dr. Christian Kirchberg,Vorsitzender, KarlsruheRA Dr. Matthias Kilian, KölnRA Dr. Ulrich Scharf, CelleRA JR Heinz Weil, Paris

Aus dem Inhalt

1/2010

www.brak-mitteilungen.de

AkzentePro bono Ehrenamt(RA Axel C. Filges) 1

AufsätzeDie Berufssituation von angestellten und frei mitarbeitenden Rechts-anwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich(Kerstin Eggert) 2

Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts(RA Dr. Andreas Klose) 6

Der Wandel im anwaltlichen Berufsbild – eine empirische Untersuchungim Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V.(Kerstin Eggert/RA Ottheinz Kääb) 14

Für Recht und Freiheit – Felix Busse: Deutsche Anwälte, Geschichteder deutschen Anwaltschaft 1945–2009(RAuN a.D. Dr. Eberhard Haas) 19

Pflichten und Haftung des AnwaltsDas aktuelle Urteil (RA Holger Grams)Hinweispflicht auf Anzeigeobliegenheiten gegenüber Haftpflicht-versicherer bei Mandat zur Abwehr von Haftpflichtansprüchen(OLG Köln v. 12.10. und 16.11.2009) 22

Berufsrechtliche RechtsprechungSyndikusanwalt – Zur Anerkennung besonderer praktischer Erfahrungen(BGH v. 4.11.2009) 27

Vergütung – Keine Zusatzgebühr bei Abgabe des Verfahrens an dieBußgeldbehörde nach Einstellung des Strafverfahrens(m. Anm. RAin Julia von Seltmann)(BGH v. 5.11.2009) 33

Verhältnis zwischen Abwickler und Insolvenzverwalter(OLG Köln v. 4.11.2009) 37

BRAKMagazinBlick zurück und nach vorn –20 Jahre gesamtdeutsche Anwaltschaft

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1/2010

Akzente

Pro bono Ehrenamt(A. C. Filges) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Aufsätze

Die Berufssituation von angestellten und frei mitarbeitendenRechtsanwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006im Vergleich(K. Eggert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz desRechtsanwalts(A. Klose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Der Wandel im anwaltlichen Berufsbild – eine empirischeUntersuchung im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsan-wälte e .V .(K. Eggert/O. Kääb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Für Recht und Freiheit – Felix Busse: Deutsche Anwälte,Geschichte der deutschen Anwaltschaft 1945–2009(E. Haas) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Aus der Arbeit der BRAK

Erfahrungsaustausch zur Fachanwaltsordnung –Berliner Empfehlungen 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Presseerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Satzungsversammlung in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Personalien

Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Pflichten und Haftung des Anwalts

Das aktuelle Urteil (H. Grams)

Hinweispflicht auf Anzeigeobliegenheiten gegenüberHaftpflichtversicherer bei Mandat zur Abwehr vonHaftpflichtansprüchen(OLG Köln, Beschl . v . 12 .10 . und 16 .11 .2009 – 5 U 57/09) . 22

Rechtsprechungsleitsätze (B. Chab/H. Grams/A. Jungk)

Haftung

Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs(BGH, Beschl . v . 22 .10 .2009 – IX ZR 237/06) . . . . . . . . . . . . 23

Fristen

Faksimile-Stempel ersetzt Unterschrift unter bestim-mendem Schriftsatz unter keinen Umständen(BAG, Urt . v . 5 .8 .2009 – 10 AZR 692/08) . . . . . . . . . . . . . . . 24

Weisung bezüglich Faxnummer(BGH, Beschl . v . 11 .11 .2009 – XII ZB 117/09) . . . . . . . . . . . 25

Faxversand zur Fristwahrung kurz vor Mitternacht(BGH, Beschl . v . 15 .9 .2009 – XI ZB 29/08) . . . . . . . . . . . . . . 25

Verlängerung der Frist des § 46 Abs . 1 Satz 2 WEGist unwirksam(BGH, Urt . v . 2 .10 .2009 – V ZR 235/08) . . . . . . . . . . . . . . . 26

Verfahrensrecht

Übergangsrecht Familiensachen(OLG Stuttgart, Beschl . v . 22 .10 .2009 – 18 UF 233/09) . . . . . 26

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IV Aktuelle Hinweise BRAK-Mitt. 1/2010

Berufsrechtliche Rechtsprechung

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

BGH 4.11.2009 AnwZ (B) 16/09 Syndikusanwalt – Zur Anerkennung besonderer praktischerErfahrungen 27

BGH 9.11.2009 AnwZ (B) 83/08 Zulassung – Widerruf wegen unvereinbarer Tätigkeit 29

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

BGH 30.9.2009 VIII ZR 7/09 Verbrauchereigenschaft einer Rechtsanwältin 32

BGH 5.11.2009 IX ZR 237/08 Vergütung – Keine Zusatzgebühr bei Abgabe des Verfahrens an dieBußgeldbehörde nach Einstellung des Strafverfahrens(m. Anm. RAin Julia von Seltmann) 33

BGH 10.12.2009 VII ZB 31/09 Beiordnung eines Rechtsanwalts bei Bewilligung der Prozesskostenhilfefür die Zwangsvollstreckung (LS) 36

Hessisches LAG 28.5.2009 9 TaBV 35/09 Unzulässige Beschwerde mangels Vertretung durch einen unabhängigenRechtsanwalt 36

OLG Naumburg 11.6.2009 1 U 122/08 Aufklärungspflicht nach Widerruf der Zulassung wegen Vermögens-verfalls (LS) 37

LSG Rheinland- 24.9.2009 L 1 AL 115/08 Zur Anrechnung eines schwerbehinderten Sozius auf einen Pflichtarbeits-Pfalz platz für schwerbehinderte Menschen (LS) 37

OLG Köln 4.11.2009 17 U 40/09 Verhältnis zwischen Abwickler und Insolvenzverwalter 37

LG München 9.10.2009 33 O 4273/09 Auswirkungen eines Verstoßes gegen das Verbot der Vertretung wider-streitender Interessen im Prozess (LS) 40

BUNDESRECHTSANWALTSKAMMER

Berufliche Vertretung aller Rechtsanwälte in der Bundesrepublik Deutschland; 28Mitgliedskammern (27 regionale Rechtsanwaltskammern und Rechtsanwaltskammerbeim Bundesgerichtshof). Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Rechtsanwalts­kammern und die Bundesrechtsanwaltskammer als Dachorganisation sind die Selbst­verwaltungsorgane der Anwaltschaft.

GESETZLICHE GRUNDLAGE: Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959,BGBl. I S. 565, in der Fassung vom 2. 9. 1994, BGBl. I S. 2278.

ORGANE: Hauptversammlung bestehend aus den 28 gewählten Präsidenten derRechtsanwaltskammern; Präsidium, gewählt aus der Mitte der Hauptversammlung;Präsident: Rechtsanwalt Axel C. Filges, Hamburg. Vorbereitung der Organentschei­dungen durch Fachausschüsse.AUFGABEN: Befassung mit allen Angelegenheiten, die für die Anwaltschaft von all­gemeiner Bedeutung sind; Vertretung der Anwaltschaft gegenüber Gesetzgeber, Ge­richten, Behörden; Förderung der Fortbildung; Berufsrecht; Satzungsversammlung;Koordinierung der Tätigkeit der Rechtsanwaltskammern, z. B. Zulassungswesen,Berufsaufsicht, Juristenausbildung (Mitwirkung), Ausbildungswesen, Gutachtenerstat­tung, Mitwirkung in der Berufsgerichtsbarkeit.

BRAK­MITTEILUNGENInformationen zu Berufsrecht und BerufspolitikHERAUSGEBER: Bundesrechtsanwaltskammer (Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel. 030/284939­0, Telefax 030/284939­11).E­Mail: [email protected], Internet: http://www.brak.de.Redaktion: Rechtsanwältin Peggy Fiebig (Referentin/Pressesprecherin der BRAK),Rechtsanwalt Christian Dahns, Cornelia Kaschel­Blumenthal (sachbearbeitend).VERLAG: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav­Heinemann­Ufer 58, 50968 Köln (Bay­enthal), Tel. (02 21) 9 37 38­01; Telefax 02 21/ 9 37 38­9 21.E­Mail: info@otto­schmidt.deKonten: Sparkasse KölnBonn (BLZ 37050198) 30602155; Postgiroamt Köln (BLZ37010050) 53950­508.ERSCHEINUNGSWEISE: Zweimonatlich jeweils zum 15. 2., 15. 4., 15. 6., 15. 8.,15. 10., 15. 12.BEZUGSPREISE: Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern werden die BRAK­Mit­teilungen im Rahmen der Mitgliedschaft ohne Erhebung einer besonderen Bezugs­gebühr zugestellt. Jahresabonnement 109 e (zzgl. Zustellgebühr); Einzelheft 19,80 e

(zzgl. Versandkosten). In diesen Preisen ist die Mehrwertsteuer mit 6,54% (Steuersatz7%) enthalten.

ANZEIGEN: Ralf Pötzsch (Anzeigenleitung), Telefon 02 11/8 87­14 90, Fax 02 11/8 87­15 00, E­Mail: [email protected]

Gültig ist Preisliste Nr. 25 vom 1. 1. 2010

DRUCKAUFLAGE dieser Ausgabe: 156.450 Exemplare (Verlagsausgabe).

DRUCK: Boyens Offset, Heide. Hergestellt auf chlorfrei gebleichtem Papier.

URHEBER­ UND VERLAGSRECHTE: Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträgesind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung infremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Ge­nehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andereVerfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbei­tungsanlagen verwendbare Sprache übertragen werden. Das gilt auch für die veröf­fentlichten Entscheidungen und deren Leitsätze, wenn und soweit sie von der Schrift­leitung bearbeitet sind. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenenGebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopienhergestellt werden.

IVW­Druckauflage 4. Quartal 2009: 155.725 Exemplare.

ISSN 0722­6934

Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt das „Jahresregister 2008–2009“ bei.Bestellformular für die Einbanddecken auf S. XIII.

Page 5: BRAK Mitteilungen

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Page 6: BRAK Mitteilungen

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Die BRAK in Brüssel

Am 1. Januar 2010 hat Spanien die Ratspräsidentschaft über-nommen. Es ist die erste Ratspräsidentschaft nach In-Kraft-Treten des Lissabon-Vertrags am 1. Dezember 2009. Diespanische Präsidentschaft hat sich vier Prioritäten vorgenom-men: Die vollständige Umsetzung des Lissabon-Vertrags, Ko-ordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik, um nachhalti-ges Wachstum zu fördern, Stärkung der EU-Außenpolitik unddie Schaffung eines Rechts- und Freiheitsraums in der EU,der den EU-Bürgern dient. Auf der Agenda der spanischenRatspräsidentschaft stehen im Bereich des Zivilrechts die Ar-beiten an einer Überprüfung der Brüssel I Verordnung. Wei-terhin soll der Entwurf für eine Erbrecht-Verordnung ange-nommen werden und die Arbeiten an einer Reform des an-wendbaren Rechts in grenzüberschreitenden Scheidungsver-fahren (ROM III) wieder aufgenommen werden. Die Präsi-dentschaft plant auch, sich mit der Umsetzung der Dienst-leistungsrichtlinie zu befassen, die bis Ende 2009 durch dieMitgliedstaaten umzusetzen war. Die im letzten halben Jahrin Angriff genommenen Reformen im Bereich des Strafrechtssollen weiterverfolgt werden. Diese Prioritäten werden flan-kiert durch ein 18-Monatsprogramm, dass Spanien zusam-men mit den nachfolgenden Ratspräsidentschaften Belgienund Ungarn erstellt hat. Im ersten Halbjahr 2010 wird einGesetzgebungsvorschlag über Schadensersatzklagen bei Ver-letzung im EU-Wettbewerbsrecht erwartet. Eine hohe Priori-tät wollen die drei Präsidentschaften der Umsetzung des„Small Business Act“ einräumen. Über die Einführung derEuropäischen Privatgesellschaft (EPG) soll eine Einigung er-zielt werden. Auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts wirdzudem eine Überprüfung der Verordnung über die Europäi-sche Aktiengesellschaft (SE) und der Übernahmerichtliniestattfinden. Aufbauend auf den Erfolgen der schwedischenRatspräsidentschaft in den vergangenen sechs Monaten solleine umfassende Einigung über ein einheitliches Patentge-richtssystem und das EU-Patent erreicht werden. Eine weiterePriorität soll die Umsetzung des am 11. Dezember 2009vom Rat angenommenen Stockholm-Programms sein. Im Be-reich der justiziellen Zusammenarbeit werden in dem Pro-gramm die Aspekte des Grundrechtsschutzes, des Daten-schutzes, von E-Justiz und der Fortbildung von Justizpersonalhervorgehoben. Weiterhin soll sowohl im Zivil- als auch imStrafrecht der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ge-stärkt werden. Im Strafrecht wollen die drei Präsidentschaf-ten dieses Prinzip insbesondere bei der Beweiserlangungfördern. Im Bereich der E-Justiz sollen vor allem die Aspekteder Zustellung, der Prozesskostenhilfe, des EuropäischenMahnverfahrens und des Verfahrens für geringfügige Forde-rungen geregelt werden. Im Bereich desVerbraucherschutzeswird der Arbeit an dem Vorschlag für eine Richtlinie überVerbraucherrechte Vorrang eingeräumt werden. Die Mög-lichkeiten kollektiver Rechtsdurchsetzung sollen weiterent-wickelt und die Richtlinie über Pauschalreisen überarbeitet

Aktuelle Hinweise

Fortsetzung Seite VIII

Page 8: BRAK Mitteilungen

VIII Aktuelle Hinweise BRAK-Mitt. 1/2010

werden. Die Ratspräsidentschaften wollen zudem dieModernisierungsagenda für europäische Hochschulenverstärkt umsetzen. Im März 2010 wird eine Ministerta-gung zur Bewertung der Fortschritte im Bologna-Prozessstattfinden.

In der Woche vom 11. Januar 2010 sind die designiertenKommissare vom Europäischen Parlament angehört wor-den. Vor der Anhörung hatten die Kandidaten schriftlichauf Basis eines Fragebogens der EU-Parlamentarier Stel-lung bezogen. Die designierte Justizkommissarin VivianeReding stellte in ihrer Stellungnahme ihr Arbeitsprogrammvor. Als Prioritäten nannte sie die Entwicklung einesRechtsraums innerhalb der EU ohne Schranken, eine Stär-kung der Grundrechte sowie die Stärkung der Bürgernäheder EU. Einer ihrer ersten Maßnahmen wird die Veröffent-lichung eines Aktionsplans zur Umsetzung des Stock-holm-Programms sein. Die strafrechtlichen Verfahrens-rechte sollen gestärkt werden. Mittelfristig ist geplant,Eurojust zu einer europäischen Staatsanwaltschaft auszu-bauen. Wie auch das Programm der Ratspräsidentschaf-ten will Reding weiter an einem System für die Erlangungverwertbarer Beweise in grenzüberschreitenden Verfah-ren arbeiten. Ein entsprechendes Grünbuch wurde kürz-lich veröffentlicht. Weiterhin will Reding die Arbeiten aneinem europäischen Vertragsrecht vorantreiben. Mittel-fristig soll dies zu einem europäischen Zivilrecht führen,das entweder freiwillig gewählt werden kann oder das alsoptionale 28. Rechtsordnung ausgestaltet werden kann.Das Gesetzgebungsverfahren für eine Verbraucherrechte-Richtlinie soll zu Ende geführt werden. Hierbei solle da-rauf geachtet werden, dass der Entwurf mit einem zukünf-tigen europäischen Vertragsrecht in Einklang zu bringensei. Den Vorschlag zum anwendbaren Recht bei Ehe-scheidungen (Rom III) will Reding notfalls im Wege derverstärkten Zusammenarbeit vorantreiben. Die Brüssel-I-Verordnung soll überarbeitet werden, insbesondere solldas Exequatur-Verfahren abgeschafft und die gegenseitigeAnerkennung auf weitere Bereiche erstreckt werden. ImBereich des Datenschutzrechts sollen die bereits vorlie-genden Instrumente in ein umfassendes, verständlichesInstrument zusammengefasst werden. Es müsse gewähr-leistet werden, dass persönliche Daten von EU-Bürgernvor unbefugten Gebrauch geschützt werden. Andernfallskönne kein Vertrauen der Bürger in die EU geschaffenwerden. In Bezug auf die Europäische Menschenrechts-konvention will Reding eng mit dem Europarat zusam-menarbeiten, um einen Gleichlauf in den Arbeiten erzie-len zu können. Weiterhin werde sie aufmerksam die Ent-wicklung in Gesetzgebung und Rechtsprechung in denEU-Mitgliedstaaten zum Thema Menschenrechte verfol-gen und einen Erfahrungsaustausch zwischen den Mit-gliedstaaten fördern, um eine europäische Menschen-rechtskultur entwickeln zu können. Das Europäische Par-lament wird am 9. Februar über die Kommissionsbeset-zung abstimmen. Der ursprüngliche Zeitplan hat sichverzögert, da die Parlamentarier die Ernennung der bulga-rischen Kandidatin Rumania Jeleva verweigern. Die Er-satzkandidatin soll am 3. Februar vom Parlament angehörtwerden. Die neue Kommission kann also voraussichtlicham 10. Februar 2010 die Arbeit aufnehmen.

RAin Anabel von Preuschen

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Fortsetzung von Seite VII

Page 9: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Akzente 1

Über die anwaltliche Selbstverwaltung ist an dieser Stellebereits wiederholt und ausführlich gesprochen worden: Sie istunabdingbar. Zum Erhalt des Rechtsstaates, zur Sicherung derUnabhängigkeit und Freiheit der Anwaltschaft und – zualler-erst – zum Schutz unserer Mandanten. Dieregionalen Rechtsanwaltskammern und dieBRAK erfüllen essentielle Aufgaben, die dieStellung der Rechtsanwaltschaft im Rechts-staat sichern. Sie sind als Körperschaften desöffentlichen Rechts unabhängig vom Staat,gleichzeitig aber in besonderer Weise demöffentlichen Interesse verpflichtet. Die Kam-mern sind Interessenvertretung für dieAnwälte und in ihrer Kontrollfunktion Interes-senwahrer für die Mandanten.

Angesichts der steigenden Zahl zugelassenerRechtsanwälte – derzeit sind es bereits mehrals 150.000 – und des stetigen Wandels, demunser Beruf unterliegt, werden die einzelnenAufgaben, die die Selbstverwaltung zu erfül-len hat, nicht geringer. Mit dem Gesetz zurStärkung der Selbstverwaltung wurde im Jahr2007 der Bereich des Zulassungswesens komplett den Kam-mern übertragen, die Zahl der Fachanwaltsausschüsse steigtmit der Zahl der Fachanwaltstitel, und nicht zuletzt gilt es,Eingriffe von außen in unsere Kernwerte, beispielsweiseunsere Unabhängigkeit und Verschwiegenheit, energischabzuwehren. Ich erinnere nur an unseren hoffentlich erfolg-reichen Kampf gegen die anwaltliche „Zweiklassengesell-schaft“ im Telekommunikationsgesetz.

Bei der Erfüllung all dieser Aufgaben braucht es das ehren-amtliche Engagement der Mitglieder. Die anwaltliche Selbst-verwaltung in Deutschland lebt vom und durch das ehrenamt-liche Engagement. Nur so ist eine unabhängige, uneigennüt-zige – und nicht zuletzt – kostengünstige Aufgabenwahrneh-mung gewährleistet. Wie etwa sollte man sich die gesamteSelbstverwaltung der Anwaltschaft in den Kammern vorstel-len, würden nicht Tausende von Kollegen ihre freie Zeit ein-

setzen – in den Präsidien, Vorständen und Ausschüssen derKammern, in der Verwaltung der Versorgungswerke, in derSatzungsversammlung und in den Spruchkörpern derAnwaltsgerichtsbarkeit. Allein in den Vorständen der 28

Rechtsanwaltskammern sind mehr als 500Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte tätig.

All diese Tätigkeiten sind – lassen Sie micheinen Begriff nutzen, der derzeit sehr in Modeist – pro bono. Pro bono publico – für dasWohl der Allgemeinheit, um genauer zu sein.Denn ohne all diese freiwilligen Aktivitätenwäre der Staat gezwungen, diese Aufgabendurch dotierte Mitarbeiter erledigen zu las-sen. Das Zulassungsverfahren, die Aufsichtüber Anwälte, die Mitgliederverwaltung, alldas müsste von einer staatlichen Institutiongeleistet werden, von Angestellten, Beamten,die von der Allgemeinheit finanziert werdenmüssten. Die Konsequenz wäre das Ende derUnabhängigkeit nicht nur für die Selbstver-waltung, sondern auch für die Anwaltschaftals solche.

Der Beginn eines neuen Jahres gibt traditionell Anlass fürgute Vorsätze. Ich möchte Ihnen daher heute, auch wenn dasneue Jahr schon nicht mehr ganz so neu ist, einen möglichenVorsatz für 2010 nahebringen: Engagieren Sie sich in deranwaltlichen Selbstverwaltung! Nehmen Sie Ihr Recht wahr,über die Geschicke unseres Berufsstandes mitzuentscheiden.Gehen Sie zur Kammerversammlung in Ihrem Kammerbe-zirk, nehmen Sie Ihre Vorstände und Präsidien kritisch-kolle-gial unter die Lupe und diskutieren Sie mit. Die anwaltlicheSelbstverwaltung bietet mehr Demokratie, als Sie vielleichtglauben. Und wie überall lebt auch diese Demokratie vomEngagement jedes Einzelnen. Bringen Sie also Ihre Erfahrun-gen und Ihren Sachverstand ein – pro bono advocatorum, probono publico.

Ihr Axel C. Filges

1/201015. 2. 2010 41. Jahrgang

Akzente

Pro bono Ehrenamt

www.Foto-Anhalt.de

Axel C. Filges

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2 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/2010

Eggert, Die Berufssituation von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich

Die letzten Beiträge zu den Ergebnissen des Statistischen Be-richtssystems für Rechtsanwälte (STAR) widmeten sich in ersterLinie der Situation der selbstständigen Anwältinnen und An-wälte.1 Es werden für STAR jedoch auch regelmäßig Daten zurLage der angestellten und frei mitarbeitenden Rechtsanwälteerhoben. In nachstehendem Aufsatz werden nun die Ergebnissefür die Wirtschaftsjahre 1998 und 2006 verglichen.2

Stellung im Beruf

Aus den Angaben der Befragten bei STAR geht hervor, dass imJahr 2006 insgesamt 13 % überwiegend3 als angestellte Anwäl-te und weitere 4 % überwiegend als freie Mitarbeiter tätig wa-ren. 1998 lagen die entsprechenden Anteile bei ca. 11 % bzw.6 %. 2006 waren von den Angestellten 86 % ausschließlich indieser beruflichen Stellung tätig; 14 % hingegen kombiniertenihre Angestelltentätigkeit mit einer anderen beruflichen Stel-lung oder Tätigkeit. Unter den freien Mitarbeitern bestand einweitaus größerer Trend zur Kombination: Nur 59 % arbeitetenausschließlich in freier Mitarbeit, während 41 % entweder zu-sätzlich selbstständig in eigener Kanzlei tätig oder angestelltwaren oder aber eine sonstige nichtanwaltliche Tätigkeit aus-übten.

Im Folgenden werden nur die ausschließlich Angestellten undfreien Mitarbeiter betrachtet. Zum Vergleich werden außerdemdie Kennzahlen für die ausschließlich in eigener Kanzlei selb-ständigen Rechtsanwälte4 ausgewiesen. Die für die freien Mit-arbeiter ausgewiesenen Daten beruhen für beide Vergleichs-jahre auf relativ geringen Fallzahlen. Daher sollten die für dieseGruppe nachfolgend beschriebenen Ergebnisse als Tendenzenmit hohem qualitativem Stellenwert aufgefasst werden.

Strukturmerkmale

Der Frauenanteil lag 2006 im gesamten Bundesgebiet bei denAngestellten mit 44 % und bei den freien Mitarbeitern mit40 % deutlich höher als bei den selbstständigen Rechtsanwäl-ten (28 %). Diese Abweichung ist vor allem in den alten Bun-desländern festzustellen. Hier betrug der Frauenanteil bei den

angestellten Anwälten 44 % und bei den in freier Mitarbeit Tä-tigen 41 %, während bei den Selbstständigen nur ein ViertelFrauen waren. In den neuen Bundesländern hingegen ist dieAbweichung nicht so deutlich zu erkennen. Zwar war der An-teil der Rechtsanwältinnen bei den Angestellten mit 45 %ebenfalls am höchsten, gefolgt vom Frauenanteil bei den freienMitarbeitern (38 %); von den Selbstständigen war hier aller-dings rund ein Drittel Frauen.

Der Vergleich zum Jahr 1998 zeigt zudem, dass sich der Frau-enanteil bei den Selbstständigen in den alten und neuen Bun-desländern seitdem jeweils um etwa ein Viertel vergrößert hat,während er bei den west- und ostdeutschen Angestellten nurgeringfügig gestiegen ist. Bei den in freier Mitarbeit Tätigen imOsten erhöhte sich der Frauenanteil um knapp ein Drittel von29 % im Jahr 1998 auf 38 % in 2006 und erreichte damit etwadas Niveau im Westen Deutschlands. Dort wiederum verzeich-neten die freien Mitarbeiter nur geringe Änderungen beimFrauenanteil (vgl. Tabellen 1 und 2).

Im gesamten Bundesgebiet hatten im Jahr 2006 44 % der ange-stellten Rechtsanwälte und 33 % der freien Mitarbeiter ihreErstzulassung nicht länger als drei Jahre. 1998 hatte dieser An-teil bei den Angestellten noch 70 % und bei den als freie Mitar-beiter Tätigen 68 % betragen; er ist im Jahresvergleich alsostark zurückgegangen. Weitere 43 % der Angestellten bzw.40 % der freien Mitarbeiter waren zwischen vier und zehn Jah-ren zugelassen. Für 1998 beliefen sich die entsprechenden Ver-gleichswerte auf 24 % bzw. 22 %; sie sind also erheblich ge-stiegen. Deutlich zugenommen hat in beiden Gruppen auchder Anteil Befragter, die seit mindestens 11 Jahren ihre An-waltszulassung haben. Er wuchs zwischen 1998 und 2006 beiden Angestellten von 6 % auf 13 % und bei den freien Mitar-beitern von 10 % auf 27 %. Im Vergleich zu den Selbstständi-gen, bei denen 2006 63 % 11 Jahre oder länger zugelassen wa-ren, fällt er zweifellos immer noch gering aus. Dagegen hattenin dieser Gruppe nur 12 % seit höchstens drei Jahren und wei-tere 25 % zwischen vier und zehn Jahren ihre Zulassung.

Die Betrachtung nach neuen und alten Ländern zeigt, dass derAnteil der zulassungsälteren Rechtsanwälte, die ihre Zulassungseit mindestens 11 Jahren haben, sowohl bei den Angestelltenals auch bei den freien Mitarbeitern in beiden Regionen starkangestiegen ist, wobei dieser Wert bei den freien Mitarbeiternjeweils etwa doppelt so hoch ausfällt wie bei den Angestellten.Zugleich kann festgestellt werden, dass dieser Anteil in beidenwestdeutschen Gruppen ebenfalls mindestens doppelt so großist wie bei den ostdeutschen Kollegen (vgl. Tabellen 1 und 2).

Insgesamt deuten die Daten darauf hin, dass die Tätigkeiten alsAngestellter und als freier Mitarbeiter zwar nach wie vor weit-gehend auf die Phase des Berufseinstiegs beschränkt sind; in-zwischen werden sie aber anscheinend immer öfter auch füreinen längeren Zeitraum über den Berufseinstieg hinaus ausge-übt oder stellen – vor allem bei den freien Mitarbeitern – eineAlternative zur eigenen Kanzlei dar, die eigentlich oftmals amEnde der beruflichen Laufbahn steht.

1 Zwecks Straffung der Darstellung wird im Folgenden oftmals ledig-lich die männliche Berufsbezeichnung verwendet.

2 Die STAR-Erhebung für das Wirtschaftsjahr 1998 fand 2000 statt underzielte mit 3.669 Fragebögen, die ausgewertet werden konnten,eine bereinigte Rücklaufquote von 42 %. Die STAR-Untersuchungfür das Wirtschaftsjahr 2006 wurde 2008 durchgeführt. Die um Aus-fälle bereinigte Rücklaufquote betrug hier mit 3.934 validen Frage-bögen 37 %. Für Befragungen dieser Art sind dies außerordentlichhohe Rückläufe. In diesem Zusammenhang soll allen Rechtsanwäl-ten, die sich an den Befragungen beteiligt haben, ein herzlichesDankeschön für ihre Bemühungen ausgesprochen werden.

3 D.h. zu mindestens 50 % oder mehr (bis einschließlich 100 %).4 In der Gruppe der ausschließlich in eigener Kanzlei Selbstständigen

sind auch Anwälte enthalten, die hauptsächlich oder ausschließlichals Anwaltsnotare tätig sind.„Selbstständigkeit“ und „Niederlassung“ bzw. „selbstständig“ und„niedergelassen“ sind im Folgenden synonym verwendete Begriffe,die nicht gleichzusetzen sind mit freier Mitarbeit.

Die Berufssituation von angestellten und frei mitarbeitenden Rechtsanwältinnenund Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich

Kerstin Eggert, Institut für Freie Berufe Nürnberg

Page 11: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Aufsätze 3

Eggert, Die Berufssituation von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich

Gab es 1998 hinsichtlich des Anteils von Fachanwälten zwi-schen den drei Vergleichsgruppen deutliche Abweichungen zuverzeichnen (Selbstständige trugen damals öfter einen Fachan-waltstitel als Angestellte und freie Mitarbeiter), unterschiedensich diese Anteile 2006 nur unwesentlich. Im Bundesgebietführte 2006 in jeder Gruppe etwa ein Drittel der Befragten min-destens einen Fachanwaltstitel (Angestellte: 33 %; freie Mitar-beiter: 36 %; Selbstständige: 35 %). Nach Region betrachtetfiel bei den ostdeutschen Berufsträgern der Anteil der Fachan-wälte fast durchweg niedriger aus als bei ihren Kollegen imWesten. So lagen die Anteilswerte in den neuen Bundesländern2006 bei 29 % bzw. 30 %, in den alten Ländern schwanktensie zwischen 36 % und 39 %. Seit 1998 hat damit der Anteilder Fachanwälte in den Vergleichsgruppen im Schnitt um dasZwei- bis Dreifache zugenommen, wobei die stärksten Zu-wächse an Fachanwälten die Angestellten zu verzeichnen ha-ben (vgl. Tabellen 1 und 2).

Der starke Trend zur beruflichen Differenzierung weist auf dieverschärfte Lage auf dem Arbeitsmarkt hin, von der nicht nurselbstständige, sondern auch angestellte und als freie Mitarbei-ter tätige Rechtsanwälte betroffen sind.

Wird untersucht, in welcher Kanzleiform die befragten Rechts-anwälte arbeiten, so zeigt sich, dass die Bedeutung der Einzel-kanzleien als Arbeitgeber bzw. Arbeitsstätte sowohl im Ostenals auch im Westen Deutschlands zugenommen hat. Freie Mit-arbeit und Angestelltentätigkeit finden zwar (immer noch)überwiegend in Sozietäten statt, seit 1998 hat sich der entspre-chende Anteil jedoch bei den westdeutschen Angestellten von79 % auf 64 % in 2006 und bei den ostdeutschen Angestelltenvon 75 % auf 68 % verringert. Bei den freien Mitarbeitern sankdieser Anteil im gleichen Zeitraum in den alten Bundesländernvon 69 % auf 60 %, im Osten geringfügig von 68 % auf 66 %.Die in eigener Kanzlei selbstständigen Anwälte waren 2006mit einem Anteil 60 % in den alten bzw. 58 % in den neuenLändern sogar häufiger als Einzelanwalt denn als Partner einerSozietät tätig. 1998 hingegen überwogen noch die Partner inSozietäten (vgl. Tabellen 1 und 2). Insgesamt arbeiteten 2006im Bundesgebiet 66 % der angestellten Rechtsanwälte und62 % der freien Mitarbeiter in Sozietäten. Bei den Selbstständi-gen hingegen waren rund 40 % Partner in einer Sozietät.

Der Anteil der Rechtsanwälte mit einer wöchentlichen Arbeits-zeit unter 40 Stunden (inkl. Zeit für Fort- und Weiterbildung)betrug 2006 im Bundesgebiet bei den hier betrachteten Berufs-trägern unabhängig von ihrer beruflichen Stellung insgesamtknapp 17 %. In den alten Ländern fiel dieser Anteil mit 20 %zwar höher aus als in den neuen Ländern mit 12 %; der Ver-gleich zu 1998 zeigt allerdings, dass er sich im Westen nur umein Viertel vergrößert (von 16 % auf 20 %), im Osten aber ver-doppelt hat (von 6 % auf 12 %). Im Westen waren insgesamt43 % aller hier berücksichtigten Frauen weniger als 40 Wo-chenstunden anwaltlich tätig, während dieser Anteil bei ihrenmännlichen Kollegen lediglich 11 % betrug. In den neuen Bun-desländern lag der Anteil der in Teilzeit tätigen Rechtsanwältin-nen mit 20 % deutlich niedriger als im Westen; die ostdeut-schen männlichen Berufsträger kamen auf einen Vergleichs-wert von 7 %. Bei den freien Mitarbeitern war der Anteil An-wälte, die weniger als 40 Stunden in der Woche arbeiten, ge-genüber den Angestellten und Selbstständigen 1998 und 2006sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern je-weils am höchsten (vgl. Tabellen 1 und 2).

Dieser Trend zu kürzeren Arbeitszeiten ist auch bei den Durch-schnittswerten in Tabelle 3 zu erkennen. So ist bei den Ange-stellten und Selbstständigen in den neuen Bundesländern diedurchschnittliche Wochenarbeitszeit 2006 im Vergleich zu1998 jeweils um vier Stunden, in den alten Ländern jeweils umdrei Stunden gesunken. Dennoch lag bei diesen beiden Grup-

pen die Durchschnittsarbeitszeit – wie schon 1998 – im Ostenjeweils höher als im Westen. Bei den freien Mitarbeitern lagendie ost- und westdeutschen Anwälte 2006 mit jeweils durch-schnittlich 43 Arbeitsstunden pro Woche gleich auf. Währendallerdings im Westen die durchschnittliche Arbeitszeit gegen-über dem Jahr 1998 gleich geblieben ist, verringerte sie sich beiihren Kollegen im Osten im Zeitraum um durchschnittlich neunStunden. Die Zeit für Fort- und Weiterbildung hat sich dagegennicht verändert,5 sie bewegt sich in der Regel immer noch zwi-schen drei und vier Stunden (vgl. Tabelle 3).

Die Frage nach den Gründen für die Entwicklung hin zu kürze-ren Arbeitszeiten kann nicht abschließend geklärt werden. Sokönnen hinter einer verringerten Arbeitszeit sowohl bewussteEntscheidungen für mehr Freizeit stehen, aber auch – und diesist angesichts der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt alswahrscheinlicher anzunehmen – eine defizitäre Auftragslage.

Bei der durchschnittlichen Zahl der Urlaubstage pro Jahr lassensich im Jahresvergleich vor allem bei den freien MitarbeiternVeränderungen feststellen. So sank bei dieser Gruppe in den al-ten Bundesländern der Jahresurlaub im Schnitt um drei Tage,während er bei ihren ostdeutschen Kollegen um drei Tage an-stieg. Mit 19 Urlaubstagen pro Jahr stand ihnen 2006 im Mittelein Tag mehr zur Verfügung als den freien Mitarbeitern imWesten. Bei den Angestellten lagen dagegen die Anwälte inden alten Bundesländern mit durchschnittlich 22 Urlaubstagenim Jahr um einen Tag vor ihren Kollegen in den neuen Ländern.Damit verfügten sie 2006 von allen Gruppen über die meistenUrlaubstage. Zum Jahr 1998 zeigen sich im Osten und Westennur geringe Veränderungen. Bei den selbstständigen Rechtsan-wälten in den alten Bundesländern verringerte sich der Jahres-urlaub im Schnitt um zwei Tage, während er bei den Selbst-ständigen in den neuen Bundesländern gleich blieb. Dennochhaben diese mit durchschnittlich 17 Tagen im Jahr immer nochweniger Urlaub als die westdeutschen Selbstständigen mit 19Tagen (vgl. Tabelle 3).

Wirtschaftliche Situation

In Tabelle 4 sind die Gehälter, Honorare6 und Gewinne7 derbetrachteten Gruppen von Rechtsanwälten für die Jahre 1998und 2006 gegenübergestellt. Während in den alten Bundeslän-dern 2006 gegenüber dem Jahr 1998 die persönlichen Gewin-ne der selbstständigen Rechtsanwälte um 9 % gesunken sind,stiegen die Gehälter der Angestellten geringfügig um 2 % unddie Honorare der freien Mitarbeiter um 12 %. Auch 2006 hat-ten die Niedergelassenen – wie schon 1998 – das höchste Ein-kommen mit einem durchschnittlichen Gewinn von 63.000 Eu-ro, während die westdeutschen Angestellten 42.000 Euro er-reichten. Die freien Mitarbeiter bildeten mit 37.000 Euro Jah-reshonorar zwar weiterhin das Schlusslicht, haben sich aber imVergleich zu 1998 den Angestellten angenähert.

In den neuen Bundesländern verdienten 2006 ebenfalls dieSelbstständigen mit einem persönlichen Jahresgewinn vondurchschnittlich 50.000 Euro von allen drei Gruppen am meis-

5 Ausschließlich bei den ostdeutschen Angestellten ist sie von durch-schnittlich vier auf drei Wochenstunden gesunken (vgl. Tabelle 3).

6 Die Gehälter und Honorare verstehen sich als Jahreseinkommen(ohne MwSt.) unter Einbezug eines etwaigen 13./14. Gehalts undsonstiger freiwilliger betrieblicher Leistungen bzw. geldwerter Vor-teile, jedoch ohne Abzug berufsbedingter Kosten.

7 Der persönliche, ebenfalls jährliche Gewinn des Rechtsanwalts ausseiner anwaltlichen Tätigkeit ergibt sich aus der Differenz zwischenpersönlichem Honorarumsatz und den individuell zurechenbarenKosten des Kanzleibetriebs (Überschuss der Einnahmen über dieAusgaben = Gewinn). Die Angaben beziehen sich auf die Über-schüsse vor Steuern.

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4 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/2010

Eggert, Die Berufssituation von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich

ten, während es die Angestellten auf einJahresgehalt von 33.000 Euro und diefreien Mitarbeiter auf ein Durchschnitts-honorar von 30.000 Euro jährlich brach-ten. Dennoch fielen die Einkünfte der ost-deutschen Rechtsanwälte unabhängigvon ihrer beruflichen Stellung auch 2006wieder niedriger aus als die Einkommender Anwälte im Westen.

Frauen verdienen in allen drei Untersu-chungsgruppen sowohl in den alten alsauch in den neuen Bundesländern oft-mals deutlich weniger als ihre männli-chen Kollegen, obwohl diese Einkom-mensdifferenzen in Ostdeutschland gerin-ger ausfallen als im Westen. Die größtenUnterschiede lassen sich bei den Selbst-ständigen feststellen. So erzielten 2006die selbstständigen Rechtsanwältinnen inden alten Ländern durchschnittlich 51 %des Jahresgewinns der männlichen Kolle-gen, während die angestellten Anwältin-nen auf 67 % des Durchschnittshonorarsder angestellten Rechtsanwälte kamen;bei den Freien Mitarbeitern betrug derentsprechende Vergleichswert 66 %. EinGrund für diese geschlechtsspezifischeEinkommenskluft ist neben weiteren Fak-toren sicherlich die Tatsache, dass die Ar-beitszeiten der Rechtsanwältinnen in derRegel kürzer sind als bei ihren männli-chen Kollegen bzw. dass Frauen öfter Teil-zeit arbeiten als Männer. 2006 etwa be-trug die durchschnittliche Wochenarbeits-zeit für die westdeutschen Rechtsanwälteunabhängig von ihrer beruflichen Stel-lung 49 Stunden, während ihre Kollegin-nen im Mittel auf 38 Stunden kamen. ImOsten waren diese Differenzen wenigerdeutlich ausgeprägt. Hier arbeiteten diemännlichen Berufsträger im Schnitt 51Stunden und die Frauen 46 Stunden.

Die Differenzierung nach Zulassungsdau-er erbringt das eher weniger überraschen-de Ergebnis, dass Rechtsanwälte – unab-hängig von ihrer beruflichen Stellung unddem betrachteten Jahr – umso mehr ver-dienen, je länger sie beruflich tätig sind.Die Selbstständigen verzeichnen dabeidie größten Unterschiede zwischen dendrei Klassen. Als junge Existenzgründerverdienen sie anfangs zwar deutlich we-niger als Kollegen, die als Angestellteoder freie Mitarbeiter in den Beruf einstei-gen, mit zunehmender Zulassungsdauerallerdings übertreffen die niedergelasse-nen Anwälte die beiden Gruppen schließ-lich mit deutlichem Abstand. Sowohl imOsten als auch im Westen Deutschlandsverdienten 2006 – wie schon 1998 – An-wälte, die in einer Einzelkanzlei arbeite-ten, unabhängig von ihrer beruflichenStellung weniger als ihre Kollegen in So-zietäten.

Anhand von Tabelle 4 kann ersehen wer-den, dass berufliche Differenzierung für

Tab. 3: Durchschnittliche Arbeitszeiten von angestellten, von frei mitarbeitenden undvon selbständigen Anwälten in den alten und neuen Bundesländern 1998 und2006 im Vergleich (Mittelwerte)

1998 2006 1998 2006 1998 2006Alte Bundesländer

Arbeitszeit (ink l. Fort-und Weiterbildung) 48 45 43 43 49 46(in Stunden pro Woche) (n=239) (n=208) (n=123) (n=59) (n=1.197) (n=1.411)

Zeit für Fort- undWeiterbildung 3 3 3 3 4 4(in Stunden pro Woche) (n=239) (n=192) (n=123) (n=51) (n=1.197) (n=1.289)

Jahresurlaub 21 22 21 18 21 19(in Tagen) (n=239) (n=209) (n=123) (n=58) (n=1.197) (n=1.399)

Neue BundesländerArbeitszeit (ink l. Fort-und Weiterbildung) 51 48 52 43 54 50(in Stunden pro Woche) (n=109) (n=208) (n=49) (n=37) (n=655) (n=590)

Zeit für Fort- undWeiterbildung 4 3 4 4 5 5(in Stunden pro Woche) (n=109) (n=200) (n=49) (n=33) (n=655) (n=560)

Jahresurlaub 20 21 16 19 17 17(in Tagen) (n=109) (n=212) (n=49) (n=37) (n=655) (n=585)

ausschließlich selbstständigeAnwä lte

ausschließlich angestellteAnwä lte

ausschließlich freieM ita rbeiter

Page 13: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Aufsätze 5

Eggert, Die Berufssituation von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich

Rechtsanwälte wirtschaftlich lohnens-wert ist. Unabhängig vom betrachtetenJahr und Bundesgebiet und der berufli-chen Stellung haben Berufsträger, die sichauf ein bestimmtes Rechtsgebiet oder be-stimmte Rechtsgebiete spezialisiert habenbzw. einen oder zwei Fachanwaltstitelführen, stets höhere Einkünfte vorzuwei-sen als Kollegen, die weder Fachanwaltnoch spezialisiert sind, so genannte Ge-neralisten. Bei den freien Mitarbeiternund Selbstständigen fällt im Jahresver-gleich zudem auf, dass die Generalistenhöhere Einkommenseinbußen hinneh-men mussten bzw. geringere Einkom-menssteigerungen für sich verbuchenkonnten als die Gruppe der Spezialistenund Fachanwälte.

In Tabelle 5 sind nun ergänzend die ebendargestellten Wirtschaftsdaten für die sogenannten Vollzeit-Anwälte ausgewiesen.Dabei handelt es sich um Berufsträger,die mindestens 40 Stunden pro Wochearbeiten und entweder ausschließlich an-gestellt, ausschließlich in freier Mitarbeitoder ausschließlich selbstständig in eige-ner Kanzlei tätig sind. Die Einkommens-entwicklungen für diese Gruppe vonRechtsanwälten entsprechen im Großenund Ganzen den bereits im Zusammen-hang mit Tabelle 4 beschriebenen Ten-denzen – wenn auch auf einem etwas hö-heren Einkommensniveau –, daher wer-den sie nicht mehr näher erläutert. Es sollallerdings nicht unerwähnt bleiben, dasstrotz des Wegfalls der Teilzeit Tätigen, beiden es sich überwiegend um Frauen han-delt, auch bei den in Vollzeit Tätigen im-mer noch große Einkommensdifferenzenzwischen Frauen und Männern zu Un-gunsten der Rechtsanwältinnen bestehen.

Insgesamt lässt sich zusammenfassen,dass der Berufseinstieg für Rechtsanwälteals Angestellte einer Kanzlei finanziell alsdie beste Option erscheint, jedoch ist mitzunehmender Berufserfahrung die Tätig-keit als Selbständiger in einer eigenenKanzlei (insbesondere als Partner einerSozietät) lukrativer. Auch die Spezialisie-rung auf bestimmte Rechtsgebiete lohntsich in wirtschaftlicher Hinsicht. DieseTendenzen sind in den alten Bundeslän-dern ebenso wie in den neuen Bundes-ländern zu erkennen, allerdings fallen imOsten des Landes die Einkünfte der An-wälte durchweg niedriger aus.

Nachfolgend sollen die Entwicklung derdurchschnittlichen Einkünfte der Anwälteund die Entwicklung ihrer wöchentlichenArbeitszeit sowie ihres Jahresurlaubs imZeitraum zwischen 1998 und 2006 (vgl.Tabellen 3 und 4) im Zusammenhang be-trachtet werden. Dazu wird außerdemdas Stundeneinkommen der Rechtsan-wälte herangezogen (vgl. Abbildung 1),

Tab. 4: Durchschnittliche Einkünfte von angestellten, von frei mitarbeitenden und von

selbständigen Rechtsanwälten in den alten und neuen Bundesländern 1998 und

2006 im Vergleich (in Tsd. EURO; Mittelwerte)

1998 2006 1998 2006 1998 2006 1998 2006 1998 2006 1998 2006

n=241 n=202 n=112 n=199 n=113 n=49 n=45 n=33 n=1.224 n=1.326 n=653 n=550

IN SGESAMT 41 42 32 33 33 37 37 30 69 63 50 50

Männer 46 49 33 37 35 44 39 31 79 72 54 58

Frauen 34 33 30 28 30 29 33 30 27 37 41 34

Zula ssung seit ...

höchstens 3 Jahren 39 36 30 30 26 23 31 22 24 15 22 11

4 bis 10 Jahre 48 46 37 33 45 42 48 32 55 43 51 44

11 Jahren u. länger 43 42 ** 47 46 48 ** 38* 85 77 74 64

Einzelk anzlei 31 33 23 28 30 33 37 28 46 46 43 37

Sozietä t 44 47 35 35 34 39 38 33 91 92 67 69

Genera list 34 35 28 27 26 18* 31 15* 53 41 43 31

spezia lisiert und/oder Fachanwa lt

7834 41 42 33

ausschließlich selbstständige

Anwä lte

ausschließlich angestellte

Anwä lte

ausschließlich freie

M ita rbeiter

44 44 34 37 71 56 57

a lte

Bundesländer

neue

Bundesländer

a lte

Bundesländer

neue

Bundesländer

a lte

Bundesländer

neue

Bundesländer

* Aufgrund zu geringer Fallzahlen statistisch nicht abgesichert.

** Daten werden nicht ausgewiesen, da Fallzahl zu gering.

Tab. 5: Durchschnittliche Einkünfte von angestellten, von frei mitarbeitenden und von

selbständigen Vollzeit-Anwälten in den alten und neuen Bundesländern 1998

und 2006 im Vergleich (in Tsd. EURO; Mittelwerte)

1998 2006 1998 2006 1998 2006 1998 2006 1998 2006 1998 2006

n=210 n=153 n=106 n=174 n=88 n=33 n=42 n=23 n=1.042 n=1.046 n=614 n=474

IN SGESAMT 44 48 33 34 34 44 38 35 77 72 53 54

Männer 47 50 34 37 37 44 40 37 83 77 56 61

Frauen 38 42 31 31 29 42 35 33* 37 50 43 38

Zula ssung seit ...

höchstens 3 Jahren 41 38 30 31 28 29 32 24* 28 18 25 12

4 bis 10 Jahre 50 55 39 36 48 48 51 39 63 51 52 49

11 Jahren u. länger 47 53 ** 43 50* 59 ** ** 93 85 77 67

Einzelk anzlei 34 40 23 30 30 35 37 36* 55 55 46 41

Sozietä t 46 50 36 36 36 49 39 35 95 96 69 70

Genera list 37 40 29 29 27 28* 30 22* 62 48 45 35

spezia lisiert und/oder Fachanwa lt

a lte

Bundesländer

neue

Bundesländer

a lte

Bundesländer

neue

Bundesländer

a lte

Bundesländer

neue

Bundesländer

ausschließlich selbstständige

Anwä lte

ausschließlich angestellte

Anwä lte

ausschließlich freie

M ita rbeiter

46 49 35 38 79 58 608535 46 44 37

* Aufgrund zu geringer Fallzahlen statistisch nicht abgesichert.

** Daten werden nicht ausgewiesen, da Fallzahl zu gering.

< 13 >< 12 >

< 19 >

< 17 >

< 15 >

< 17 >

< 15 >

< 11 >

< 23 >

< 21>

< 16 >< 15 >

18

20

13

15

1718

1514

28 28

1920

Angestellte Rechtsanwälte

West Ost West Ost West Ost

Freie Mitarbeiter Selbstständige Anwälte

n=238 n=194 n=109 n=193 n=109 n=47 n=45 n=33 n=1.194 n=1.271 n=641 n=530

Abb. 1: Durchschnittliche Einkünfte pro Stunde von angestellten, von frei mitarbeitenden

und von selbständigen Anwälten in den alten und neuen Bundesländern 1998

und 2006 im Vergleich (in EURO; Mittelwert und Median*)

1998 2006 1998 2006 1998 2006 1998 2006 1998 2006 1998 2006

* Median = derjenige Wert in einer Verteilung, den jeweils 50%der Befragten über- bzw. unterschreiten

< > Median*

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6 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/2010

Klose, Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts

bei dem zu beachten ist, dass es eine rein rechnerische Größedarstellt.8

Bei den angestellten Anwälten ging sowohl im Osten als auchim Westen Deutschlands das (geringfügig) gestiegene Einkom-men mit einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit einher,während sich die Anzahl der Urlaubstage pro Jahr jeweils umeinen Tag erhöht hat. Der durchschnittliche Stundenlohn stiegdamit in beiden Regionen jeweils um zwei Euro an. Insgesamtzeigt sich für 2006 im Vergleich zum Wirtschaftsjahr 1998 einepositive Entwicklung der wirtschaftlichen und beruflichen Situ-ation der ost- und westdeutschen Angestellten, da sie im Ver-gleich weniger arbeiten mussten und dennoch mehr verdien-ten.

Bei den freien Mitarbeitern im Westen Deutschlands hat sich2006 gegenüber 1998 zwar ihr Jahresurlaub im Mittel um dreiTage verringert; das durchschnittliche Jahreshonorar allerdingsist bei gleich bleibender Wochenarbeitszeit im Jahresvergleichgestiegen; auch ihr durchschnittliches Stundenhonorar hat umeinen Euro zugenommen. So kann bei den freien Mitarbeiternin den alten Bundesländern ebenfalls eine positive Entwicklungihrer beruflichen und wirtschaftlichen Lage angenommen wer-den. Das Stundenhonorar ihrer Kollegen in den neuen Bundes-ländern ist 2006 im Vergleich zu 1998 dagegen um einen Eurogesunken. Auch deren durchschnittliches Jahreshonorar hatsich verringert. Diese Einkommensrückgänge sind sicherlichauch darauf zurückzuführen, dass sich in diesem Zeitraumnicht nur die Wochenarbeitszeit der ostdeutschen freien Mitar-beiter im Schnitt um 17 % reduziert hat, sondern auch ihrdurchschnittlicher Jahresurlaub um drei Tage zugenommen hat.Die deutlich kürzere Arbeitszeit hat sich schließlich zusammenmit der gesunkenen Stundenvergütung negativ auf das Jahres-einkommen ausgewirkt. Geht man nun davon aus, dass diekürzeren Arbeitszeiten ungewollt durch fehlende Aufträge be-dingt sind, so ist die Lageentwicklung dieser Gruppe als ten-denziell negativ einzuschätzen.

Die niedergelassenen Rechtsanwälte in den alten Bundeslän-dern mussten 2006 gegenüber 1998 bei ihren durchschnittli-chen Jahresgewinnen Einbußen hinnehmen. Zwar verringerte

sich ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit, sie verfügtenaber auch über etwas weniger Jahresurlaub. Das Stundenein-kommen der westdeutschen Selbstständigen verharrte im Jah-resvergleich auf dem gleichen Niveau. Es ist anzunehmen, dassdie kürzeren Arbeitszeiten über das Jahr hinweg nicht durchden reduzierten Jahresurlaub kompensiert werden konnten undschließlich das Jahreseinkommen negativ beeinflusst haben.Die selbstständigen Kollegen im Osten konnten ihren persönli-chen Durchschnittsgewinn 2006 auf dem gleichen Niveau wie1998 halten (die ostdeutschen Vollzeit-Anwälte verzeichnetensogar eine geringfügige Steigerung), obwohl sich die Wochen-arbeitsstunden deutlich verringerten, während die Zahl der Ur-laubstage pro Jahr identisch blieb. Das Stundeneinkommenstieg damit um einen Euro an. Während also bei den westdeut-schen Selbstständigen im Westen von einer eher negativen Ent-wicklung ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Situation aus-gegangen werden kann, hat sich die Lage für die Selbstständi-gen in den neuen Ländern anscheinend etwas verbessert bzw.nicht verschlechtert.

Zusammenfassung

Im Gesamtbild zeigt sich für 2006, dass die niedergelassenenAnwälte im Westen Deutschlands gegenüber allen anderen be-trachteten Gruppen immer noch am meisten verdienen. Den-noch zeigt sich für ihre berufliche und wirtschaftliche Situationeine eher negative Entwicklung gegenüber 1998, da sie zwarim Mittel kürzere Arbeitszeiten (die jedoch auch auf fehlendeAufträge zurückzuführen sein könnten), allerdings auch Ein-kommensverluste zu verzeichnen hatten. Bei ihren selbststän-digen Kollegen in den neuen Bundesländern hingegen hat sichdie Lage nicht verschlechtert. Eher ist hier eine positive Ent-wicklung zu sehen, da sie 2006 im Jahresvergleich gleich hoheJahreseinkünfte bei verringerter Arbeitszeit erzielten. Bei denostdeutschen freien Mitarbeitern hingegen muss im Jahresver-gleich eher von einer negativen Entwicklung ausgegangen wer-den. Denn auch bei ihnen ist die durchschnittliche Arbeitszeitzurückgegangen, und zwar in sehr großem Umfang, allerdingssind auch ihre Stunden- und Jahreseinkünfte gesunken. Für diefreien Mitarbeiter in den alten Bundesländern hat sich die be-rufliche und wirtschaftliche Lage 2006 verglichen mit 1998eher verbessert, da sie 2006 über etwas weniger Jahresurlaubverfügten, bei gleich gebliebener Wochenarbeitszeit allerdingsauch mehr verdienten. Die positivsten Entwicklungen zeigensich wohl für die west- und ostdeutschen Angestellten. Ihr Jah-resgehalt hat sich 2006 gegenüber 1998 geringfügig erhöht, zu-gleich hatten sie kürzere Arbeitszeiten.

8 Beim Stundeneinkommen wird das Gehalt bzw. das Honorar bzw.der persönliche Jahresüberschuss durch die Jahresarbeitszeit divi-diert. Die Jahresarbeitszeit ergibt sich wiederum aus der wöchent-lichen Arbeitszeit, die mit der Anzahl der Wochen eines Jahres (also52) multipliziert wird, abzüglich der Urlaubszeit.

Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts

Rechtsanwalt Dr. Andreas Klose, Potsdam*

Der Widerruf der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfallshat in den vergangenen Jahren eine immer größere Bedeutungerlangt. Ein Widerruf ist nur dann unzulässig, wenn die Interes-sen der Rechtsuchenden trotz des Vermögensverfalls nicht ge-fährdet werden. In zwei Entscheidungen hat der BGH eine sol-che Nichtgefährdung auch für den Fall verneint, dass im Falleeines Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter die selbst-

ständige Tätigkeit des Rechtsanwalts freigegeben hat. Der Bei-trag untersucht die Voraussetzungen des Widerrufs der An-waltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts und be-leuchtet die genannten Entscheidungen kritisch.

I. Einleitung

In zwei nicht veröffentlichten Beschlüssen vom 16.4.2007 –AnwZ (B) 6/6 – und 26.11.2007 – AnwZ (B) 96/06 – hat derBGH entschieden, dass die Freigabe der Anwaltskanzlei einesRechtsanwaltes, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren

* Rechtsanwalt in Potsdam, Richter am Brandenburgischen Anwalts-gerichtshof. Der Aufsatz gibt allein die Auffassung des Verfasserswieder.

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BRAK-Mitt. 1/2010 Aufsätze 7

Klose, Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts

eröffnet wurde, durch den Insolvenzverwalter weder den Ver-mögensverfall des Antragstellers beseitige noch hierdurch dieInteressen der Rechtsuchenden nicht mehr gefährdet seien. DieGrundlage der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfallssei so lange nicht entfallen, wie das Insolvenzverfahren überdas Vermögen des Rechtsanwalts laufe. Die Vermögensverhält-nisse eines Schuldners könnten grundsätzlich erst mit der Auf-hebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der Schuldnerdas Recht zurückerhalte, über die Insolvenzmasse frei zu verfü-gen, und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durchBeschluss des Insolvenzgerichts wieder als geordnet angesehenwerden.1 Auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsu-chenden könne generell allein aufgrund der Freigabe der selb-ständigen Anwaltstätigkeit durch den Insolvenzverwalter nichtausgeschlossen werden.2

Diese Entscheidungen stehen in der Kontinuität einer Vielzahlvorausgegangener Entscheidungen zum Widerruf der Anwalts-zulassung bei Vermögensverfall. Die Begründungen dieser Ent-scheidungen lohnen jedoch eine nähere Auseinandersetzungmit diesem Thema.

II. Geordnete Vermögensverhältnisse bei Insolvenzeröffnung?

Vereinzelt wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dassdurch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Vermögens-verhältnisse geordnet werden, weil durch den Übergang derVerwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzver-walter eine Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse eintreteund der Schuldner lediglich über den pfändungsfreien Teil sei-nes Vermögens verfügen könne. Ob die Interessen der Auftrag-geber oder anderer Personen gefährdet seien, hänge im We-sentlichen vom Verhalten des Berufsträgers selbst ab.3

Diese Auffassung verkennt, dass der bloße Austausch der verfü-gungsberechtigten Person über das Vermögen des Schuldners –anstelle des Schuldners nun der Insolvenzverwalter – nichts anden schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldnersändert. Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters führt auch nichtzur Wiederherstellung geordneter Vermögensverhältnisse desSchuldners. Hierzu gehört, dass die Verbindlichkeiten desSchuldners nicht auf unabsehbare Zeit offen bleiben dürfen.4

Gerade dies aber kann der Insolvenzverwalter nicht erreichen.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterliegt gem. § 35Abs. 1 InsO auch nicht nur das zu diesem Zeitpunkt vorhande-ne Vermögen des Schuldners, sondern auch das danach vonihm erworbene Vermögen der Insolvenzbeschlagnahme. Insbe-sondere unterfällt auch eine freiberufliche Praxis des Schuld-ners der Insolvenzbeschlagnahme. Hierunter fallen auch diebestehenden praxisbezogenen Verträge.5 Wenn aber eine Frei-beruflerkanzlei inklusive der bestehenden Verträge der Insol-venzbeschlagnahme unterfällt und damit der Verfügungsbefug-nis des Schuldners entzogen ist, kann auch nichts anderes fürVerträge gelten, die innerhalb einer Freiberuflerkanzlei nachInsolvenzeröffnung neu abgeschlossen werden. Hierfür fehltdem Schuldner aufgrund der Beschlagnahme die Befugnis zumVertragsabschluss. Demgemäß kann aufgrund der bloßen Insol-venzeröffnung weder von geordneten Vermögensverhältnissen

noch von einer fehlenden Gefährdung der Interessen Recht-suchender gesprochen werden.

Vereinzelt wird auch darauf hingewiesen, dass durch die Eröff-nung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einesRechtsanwalts eine Gefährdung der Interessen Rechtsuchendergleichsam automatisch ausgeschlossen sei, weil die Gläubigerdes Rechtsanwalts keine Einzelzwangsvollstreckung mehr vor-nehmen können. Die Gefahr einer Veruntreuung von Mandan-tengeldern oder der Gebührenüberhöhung durch den Rechts-anwalt sei daher geringer als bei einem Anwalt in schwierigerfinanzieller Situation, bei dem die Gläubiger die Einzelzwangs-vollstreckung betreiben können.6

Der Vollstreckungsdruck ist bei einem eröffneten Insolvenzver-fahren sicherlich geringer als bei Vermögensverfall ohne Eröff-nung eines Insolvenzverfahrens. Die Gefahr einer Veruntreu-ung von Mandantengeldern oder der Gebührenüberhöhunghängt aber nicht allein vom Vollstreckungsdruck ab, sondernz.B. auch von dem vom Rechtsanwalt gepflegten Lebensstan-dard. Im Übrigen kann schon aus Rechtsgründen nicht davonausgegangen werden, dass mit der Eröffnung eines Insolvenz-verfahrens immer zugleich die Gefährdung der InteressenRechtsuchender zu verneinen wäre. Die gesetzliche Vermu-tung eines zwingend zum Widerruf der Anwaltszulassung füh-renden Vermögensverfalls bei Insolvenzeröffnung würde kei-nen Sinn machen, wenn gleichzeitig mit der Insolvenzeröff-nung stets und automatisch die den Widerruf verhinderndeAusnahmesituation anzunehmen wäre. Aufgrund der gesetz-lichen Regelung kann von einer fehlenden Gefährdung der In-teressen Rechtsuchender nur ausgegangen werden, wenn essich um Sachverhalte handelt, die nicht automatisch mit der In-solvenzeröffnung verbunden sind.

Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden bestehtdamit seit Geltung der Insolvenzordnung in Fällen des Vermö-gensverfalls aufgrund Insolvenzeröffnung bereits aus Rechts-gründen.

Bis zum 1.1.1999 galt in den alten Bundesländern die KO undin den neuen Bundesländern die GesO. Nach § 1 Abs. 1 KOumfasste die Konkursmasse nur das der Zwangsvollstreckungunterliegende Vermögen des Schuldners, welches ihm zumZeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens gehörte. § 1 Abs. 1Satz 2 GesO enthielt zwar nicht ausdrücklich die Beschrän-kung auf die zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vorhande-nen Vermögenswerte. Nach herrschender Meinung unterlagaber auch hier nur das zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnungvorhandene Vermögen der Beschlagnahme.7 Danach vomSchuldner abgeschlossene Verträge unterlagen nicht der Be-schlagnahme. Ein Rechtsanwalt konnte damit ohne weiteresrechtswirksame Verträge mit Mandanten abschließen.

Nach § 35 Abs. 1 der seit dem 1.1.1999 geltenden InsO um-fasst die Beschlagnahme nicht nur die zum Zeitpunkt der Insol-venzeröffnung vorhandenen Vermögenswerte des Schuldners,sondern auch die danach erworbenen Vermögenswerte. Durchdie Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Rechtsanwaltseine Verfügungsbefugnis über die Kanzlei und die praxisbezo-genen bestehenden und künftigen Verträge. Ebenso wenig wieder Inhaber eines gewerblichen Betriebes nach Insolvenzeröff-nung noch Verträge im Rahmen seines Unternehmens ab-schließen kann, kann dies ein Rechtsanwalt im Rahmen seinerKanzlei. Schließt er solche Verträge – ohne Freigabe der selb-ständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter – gleichwohlab, hängt die Wirksamkeit solcher Verträge von der Zustim-

1 BGH, Beschl. v. 7.12.2004 – AnwZ (B) 40/04, BRAK-Mitt. 2005, 132= AnwBl 2005, 363; BGH, Beschl. v. 16.4.2007, AnwZ (B) 6/06,juris.

2 BGH, Beschl. v. 16.4.2007, AnwZ (B) 6/06, juris.3 Schmittmann, NJW 2002, 182, 184.4 BGH, Beschl. v. 7.12.2004 – AnwZ (B) 40/04, BRAK-Mitt. 2005, 132

= AnwBl 2005, 363.5 Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 26 Rdnr. 7.

6 Schmittmann, NJW 2002, 182, 184.7 Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, KO/VglO/GesO, 17. Aufl., § 1

GesO Anm. 3.a m.w.N.

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8 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/2010

Klose, Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts

mung des Insolvenzverwalters gem. §§ 182, 184 BGB ab.Ohne eine solche Zustimmung haben die Rechtsuchenden kei-nen Anspruch auf die vereinbarte Dienstleistung, und zwar we-der gegen den Rechtsanwalt noch gegen den Insolvenzverwal-ter. Bei Zustimmung durch den Insolvenzverwalter würde derVertrag hingegen der Insolvenzbeschlagnahme unterfallen. DieRechte und Pflichten aus dem Vertrag wären damit vom Insol-venzverwalter zu erfüllen bzw. geltend zu machen.

Die in zahlreichen Gerichtsentscheidungen und in der Rechts-literatur geäußerte eher wirtschaftliche Betrachtungsweise derFrage einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden be-ruht offenbar auf vorausgegangenen Entscheidungen und Stel-lungnahmen aus der Zeit vor Inkrafttreten der Insolvenzord-nung oder betrifft Fälle des Vermögensverfalls ohne Eröffnungeines Insolvenzverfahrens. Eine rein wirtschaftliche Betrach-tungsweise kann aber seit Geltung der Insolvenzordnung nurdann erfolgen, wenn zwischen dem Rechtsuchenden und demin Vermögensverfall befindlichen Rechtsanwalt ein Vertragüberhaupt rechtswirksam abgeschlossen und erfüllt werdenkann. Dies ist bei einem Vermögensverfall ohne Insolvenzver-fahren der Fall, nicht aber bei einem Insolvenzverfahren.

III. Wiederherstellung geordneter Verhältnisse bei Freigabeder Anwaltstätigkeit?

Mit der Freigabe der Anwaltstätigkeit durch den Insolvenzver-walter kann der Rechtsanwalt wieder Mandantenverträgerechtswirksam abschließen.

Auch hier gilt aber, dass durch die bloße Änderung der Verfü-gungsbefugnis über einen Teil des Vermögens des Anwalts sichdie Vermögensverhältnisse nicht ändern. Sie bleiben so unge-ordnet, wie sie bereits zuvor waren. Dementsprechend hat derBGH ausgeführt, dass die gesetzliche Vermutung des Vermö-gensverfalls nicht entfällt, solange das Insolvenzverfahren nochläuft.8

Ob allerdings – wie vom BGH in ständiger Rechtsprechung ge-fordert9 – für eine Vermögenskonsolidierung die Wiedererlan-gung der Verfügungsbefugnis des Rechtsanwalts über sein Ver-mögen erforderlich ist, was bei einer Freigabe einzelner Wirt-schaftsgüter nicht der Fall ist, ist zweifelhaft.

Nach ständiger Rechtsprechung sind geordnete Vermögensver-hältnisse wiederhergestellt, wenn der Anwalt in der Lage ist,seine Gläubiger in absehbarer Zeit zu befriedigen und er dieunbeschränkte Verfügungsbefugnis über sein Vermögen wie-dererhält.10 Wenn diese beiden Voraussetzungen für die Wie-derherstellung geordneter Vermögensverhältnisse sollen vorlie-gen müssen, muss man hieraus im Umkehrschluss folgern kön-nen, dass das Fehlen bereits einer dieser Voraussetzungen zurHerbeiführung ungeordneter Vermögensverhältnisse genügt.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BRAO wird ein Vermögensver-fall auch dann vermutet, wenn eine Eintragung in dasSchuldnerregister erfolgt ist. Voraussetzung für den Vermögens-verfall ist, dass der Schuldner seine Gläubiger nicht vollständigbefriedigen kann, ansonsten hätte der Gläubiger nicht gegenden Schuldner vollstreckt. Die Eintragung in das Schuldnerre-gister ist aber mit keinerlei Verfügungsbeschränkung verbun-

den. Das Fehlen der vollständigen Verfügungsbeschränkung istalso nicht Voraussetzung für einen Vermögensverfall.

Auch in allen anderen Fällen, in denen ein Vermögensverfallaus Indizien abgeleitet wird – etwa bei Einzelvollstreckungengegen den Anwalt – ist dies nicht mit einer Verfügungsbe-schränkung verbunden. Eine Ausnahme bildet lediglich die In-solvenz des Schuldners.

Aus dem Gesetz ergibt sich damit nur, dass die fehlende Mög-lichkeit, die Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu kön-nen, ein zwingendes Element eines Vermögensverfalls ist. Einefehlende Verfügungsbefugnis kann hinzukommen, muss esaber nicht. Es ist dann allerdings auch nicht ersichtlich, warumbei eingetretenem Vermögensverfall eine Wiederherstellungder Verfügungsbefugnis für die Beseitigung des Vermögensver-falls erforderlich sein soll.11

Die Auffassung der Rechtsprechung würde auch zu unange-messenen Ergebnissen führen. Wenn im Insolvenzverfahrenalle Gläubiger befriedigt wurden, aber das Insolvenzverfahrennoch nicht aufgehoben wurde, wäre weiterhin von ungeordne-ten Vermögensverhältnissen auszugehen.12 Bei einer Insolvenzaufgrund Überschuldung mag dieser Fall rein theoretisch sein.Bei einer Insolvenz aufgrund Zahlungsunfähigkeit kann er hin-gegen schon größere Bedeutung haben. In diesem Fall ist auchnicht aufgrund der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BRAO enthalte-nen Vermutung, dass ein Vermögensverfall vorliegt, wenn einInsolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts er-öffnet wurde, zwingend von einem rechtlich fortbestehendenVermögensverfall auszugehen. Die gesetzliche Vermutung istwiderleglich.13 Damit lässt es das Gesetz auch zu, dass einInsolvenzverfahren besteht und gleichwohl wieder geordneteVermögensverhältnisse vorliegen.

Der BGH begründet das Erfordernis der Wiederherstellung derunbeschränkten Verfügungsbefugnis unter Berufung auf dieamtliche Gesetzesbegründung damit, dass sich der Widerrufs-grund des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO in der bis zum 31.12.1998geltenden Fassung14 in dem nunmehrigen § 14 Abs. 2 Nr. 7BRAO wiederfinde.15 Insoweit wird aber zutreffend darauf hin-gewiesen, dass einerseits sich die frühere Regelung über denWiderruf wegen gerichtlicher Verfügungsbeschränkungen nichtnur auf Verfügungsbeschränkungen durch Konkurs- oder Ge-samtvollstreckungsverfahren bezog, sondern z.B. auch auf dieAnordnung der Betreuung gem. §§ 1896, 1903 BGB, 65 ff.FGG, und die Vermögensbeschlagnahme gem. §§ 290 ff., 443StPO, andererseits die Insolvenzordnung anders als ihre Vor-gängerregelungen die Möglichkeit der Eigenverwaltung gem.§ 270 InsO zulasse. Bei Eigenverwaltung hat der Schuldneraber trotz Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis übersein Vermögen, auch wenn er nur unter Aufsicht eines Sachver-walters verfügen darf.16

Wenn der BGH verlangt, dass der Anwalt unbeschränkt übersein Vermögen verfügen können muss, kann dies zu Ergebnissenführen, die nur noch als kurios zu bezeichnen sind. Bei strengerAnwendung dieser Auffassung würde ein Anwalt, der, ohne dassein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, in Vermögensverfall ge-

8 BGH, Beschl. v. 16.4.2007 – AnwZ (B) 6/06, juris.9 BGH, Beschl. v. 13.3.2000 – AnwZ (B) 28/99, BRAK-Mitt. 2000,

144 = AnwBl 2001, 296; Beschl. v. 7.12.2004 – AnwZ (B) 40/04,BRAK-Mitt. 2005, 132 = AnwBl 2005, 363.

10 BGH, Beschl. v. 7.12.2004 – AnwZ (B) 40/04, BRAK-Mitt. 2005, 132= AnwBl 2005, 363; BGH, Beschl. v. 16.4.2007, AnwZ (B) 6/06,juris.

11 Im Ergebnis ebenso Maier, Die Insolvenz des Rechtsanwalts,S. 208 f.

12 Dieses Beispiel nennt Maier, a.a.O. (Fn. 11), S. 209.13 Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 14 Rdnr. 58.14 „Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu widerrufen, … wenn

der Rechtsanwalt infolge gerichtlicher Anordnung in der Verfügungüber sein Vermögen beschränkt ist.“

15 BGH, Beschl. v. 13.3.2000 – AnwZ (B) 28/99, BRAK-Mitt. 2000,144 = AnwBl 2001, 296.

16 Maier, a.a.O. (Fn. 11), S. 209.

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BRAK-Mitt. 1/2010 Aufsätze 9

Klose, Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts

raten ist und während dieser Phase eine Erbschaft mit Testa-mentsvollstreckung macht, selbst bei zwischenzeitlicher Befrie-digung seiner Gläubiger sich rechtlich noch in Vermögensverfallbefindet, nur weil er gem. § 2211 BGB nicht vollständig übersein Vermögen verfügen kann. Dieses Ergebnis wäre nach dembis zum 31.12.1998 geltenden § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO17 nichtmöglich gewesen, da ein Widerruf nur bei gerichtlich angeord-neten Verfügungsbeschränkungen zulässig war.

Das Bestehen der Verfügungsbefugnis kann daher kein Merk-mal für geordnete Vermögensverhältnisse sein.

Auch wenn es für die Wiederherstellung geordneter Vermö-gensverhältnisse auf die Erlangung der unbeschränkten Verfü-gungsbefugnis des Rechtsanwalts über sein gesamtes Vermögennicht ankommt, gehört hierzu doch eine vollständige Befriedi-gung der Gläubiger, die allein aufgrund einer Freigabe derselbstständigen Tätigkeit nicht eintritt. Der BGH geht daher imErgebnis zu Recht davon aus, dass auch bei Freigabe der selb-ständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter geordneteVermögensverhältnisse nicht vorliegen.

IV. Gefährdung der Interessen Rechtsuchender bei Freigabeder Anwaltstätigkeit?

1. Entscheidung des BGH

Nach Auffassung des BGH hat die Freigabe der selbstständigenTätigkeit eines Rechtsanwalts keine Auswirkungen auf die Fra-ge der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durchden Vermögensverfall.18 Der BGH begründet dies damit, dassdann, wenn sich der Insolvenzverwalter für den Verbleib derselbstständigen Tätigkeit in der Masse entscheidet, der Massedie Erträge aus der selbstständigen Tätigkeit zufließen, sie aberauch für die hieraus resultierenden Verbindlichkeiten wie z.B.Mieten, Löhne, Abgaben, Sozialversicherungsbeiträge etc. haf-tet. Gebe der Insolvenzverwalter hingegen die selbstständigeTätigkeit frei, so fließe zwar dem Insolvenzschuldner der Neu-erwerb aus ihr zu. Der Insolvenzschuldner hafte jedoch nun-mehr auch für die entstehenden Neuverbindlichkeiten. In ei-nem Restschuldbefreiungsverfahren müsse der Rechtsanwaltdarüber hinaus nach §§ 35 Abs. 2 Satz 2, 295 Abs. 2 InsO denden pfändungsfreien Teil seiner Einkünfte übersteigenden Be-trag an den Insolvenzverwalter abliefern. Der Insolvenzverwal-ter werde daher eine Freigabe nur erklären, wenn er die Ein-nahmen aus der selbstständigen Tätigkeit eher niedrig einschät-ze und das Risiko meiden wolle, dass die Masse mit Verbind-lichkeiten aus dieser Tätigkeit belastet werde. Eine Gefährdungder Interessen der Rechtsuchenden werde daher allein durchdie Freigabe weder ausgeschlossen noch vermindert.

Der BGH geht letztlich davon aus, dass eine Freigabe derselbstständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter nur er-folgen werde, wenn die Kosten aus der selbstständigen Tätig-keit die Einnahmen übersteigen. Wenn aber die Kosten höhersind als die Einnahmen, liege automatisch eine Gefährdung derInteressen der Rechtsuchenden vor, weil dann offenbar der In-solvenzschuldner wieder geneigt sein werde, überhöhte Rech-nungen zu schreiben oder Fremdgelder zu veruntreuen.

2. Kritik

Bei seiner Begründung übersieht der BGH, dass durch die Ein-nahmen der Kanzlei nicht nur die Sachmittelkosten und dasnichtanwaltliche Personal bezahlt werden können müssen.

Auch der die Mandate bearbeitende Rechtsanwalt will für seineTätigkeit ein Entgelt haben. Gibt der Insolvenzverwalter dieselbständige Anwaltstätigkeit aus der Insolvenzmasse frei, sokann der insolvente Rechtsanwalt als Entgelt nur den Pfän-dungsfreibetrag behalten. Allen darüber hinausgehenden Ge-winn muss der Rechtsanwalt an den Insolvenzverwalter abfüh-ren. Gegenwärtig liegt der Pfändungsfreibetrag, wenn Unter-haltsverpflichtungen nicht bestehen, bei 940,00 EUR monatlich.Von dem darüber hinausgehenden Gewinn sind rund 70 % anden Insolvenzverwalter abzuführen. Für ein solches Gehalt wirdein Insolvenzverwalter weder einen angestellten Rechtsanwaltfinden, noch wird er selbst Lust haben, die Fälle zu bearbeiten.Die Rechtsprechung sieht ein Gehalt von 1.000,00 EUR bruttomonatlich selbst für einen Berufsanfänger als sittenwidrig an.19

Nach mehreren Erhebungen liegen die Einstiegsgehälter vonBerufsanfängern im Durchschnitt bei ca. 3.000,00 EUR pro Mo-nat.20

Der Insolvenzverwalter wird sich also nicht die Frage stellen,ob die Einnahmen aus einer freigegebenen selbstständigen Tä-tigkeit die Kosten dieser Tätigkeit übersteigen, sondern ob dieEinnahmen aus einer freigegebenen selbstständigen Tätigkeitderen Kosten zzgl. eines angemessenen Gehaltes übersteigen.Der Insolvenzverwalter wird eine Freigabe einer selbstständi-gen Tätigkeit daher bei wirtschaftlicher Abwägung auch dannerklären, wenn die Einnahmen aus der freigegebenen Tätigkeitzwar die Kosten der freigegebenen Tätigkeit übersteigen, aberdie Summe dieser Kosten und eines angemessenen Rechtsan-waltsgehaltes nicht erreichen.

Darüber hinaus berücksichtigt der BGH nicht, dass bei beraten-den Tätigkeiten der Erfolg der selbstständigen Tätigkeit mit derPerson des Beraters und dem Vertrauen, das ihm von seinenMandanten entgegengebracht wird, steht und fällt. Eine nichtfreigegebene selbstständige Tätigkeit kann nicht mit demselbenErgebnis vom Insolvenzverwalter fortgeführt werden, wenn ihmvon den Mandanten des in Insolvenz gefallenen Anwaltes nichtdasselbe Vertrauen entgegengebracht wird.21 Ein Insolvenzver-walter wird daher eine selbstständige Tätigkeit oftmals auchdann freigeben, wenn nach den vor Insolvenzeröffnung erziel-ten Einnahmen davon auszugehen ist, dass diese die Kostenund ein angemessenes Gehalt für den bearbeitenden Rechtsan-walt übersteigen, weil diese Einnahmen eben nur durch den in-solventen Rechtsanwalt, nicht aber durch einen anderenRechtsanwalt zu erzielen sind.

Gerade dann, wenn der Insolvenzverwalter die Mandanten desin Insolvenz gefallenen Anwaltes nicht selbst halten kann, weilsie ihm nicht das notwendige Vertrauen entgegenbringen, kanneine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit für die Insolvenz-masse sogar von Vorteil sein, weil nach §§ 35 Abs. 2 Satz 2,295 Abs. 2 InsO der den Pfändungsfreibetrag des insolventenRechtsanwaltes übersteigende Teil der Einkünfte aus der freige-gebenen selbstständigen Tätigkeit den Insolvenzgläubigern zu-gute kommt. Angesichts des Umstandes, dass bei einer Vielzahlkleiner und kleinerer mittelständischer Unternehmen mit derInsolvenz der Betrieb eingestellt wird, ist davon auszugehen,dass auch bei insolventen Anwaltskanzleien der Insolvenzver-walter allenfalls die bestehenden Mandate abwickelt, nichtaber neue Mandate im Hinblick auf eine Fortführung derselbstständigen Tätigkeit innerhalb der Masse annimmt.

17 S.o. Fn. 14.18 BGH, Beschl. v. 26.11.2007, AnwZ (B) 96/06, juris.

19 AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 2.11.2007, 2 ZU 7/07, BRAK-Mitt. 2008, 76.

20 Vgl. die Mitteilungen bei Sagel, AnwBl 2008, 126, 127.21 Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 26 Rdnr. 9,

weisen insoweit in anderem Zusammenhang darauf hin, dass einAnhalten des Zustroms früherer Mandanten nicht erzwungen wer-den kann.

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10 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/2010

Klose, Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts

Bei der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsan-walt durch den Insolvenzverwalter kann daher ein Ausschlussder Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden jedenfallsnicht pauschal mit der vom BGH gegebenen Begründung, dasseine Freigabe nur erfolgt, wenn die Einnahmen aus der selbst-ständigen Tätigkeit deren Kosten nicht decken, verneint wer-den. Dieser Begründungsansatz könnte allenfalls dann zutref-fen, wenn die Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit de-ren Kosten zuzüglich eines angemessenen Entgeltes für den be-arbeitenden Rechtsanwalt nicht decken.

V. Voraussetzungen der Gefährdung der InteressenRechtsuchender

Ein Widerruf der Anwaltszulassung hat nach § 14 Abs. 2 Nr. 7Halbsatz 2 BRAO zu unterbleiben, wenn ausnahmsweise dieInteressen Rechtsuchender durch eine weitere Tätigkeit des inVermögensverfall geratenen Rechtsanwalts nicht gefährdet sind.

Der Widerruf der Anwaltszulassung greift in die Grundrechtedes Rechtsanwalts auf freie Berufsausübung gem. Art. 12 GGund auf Gewährleistung des Eigentums gem. Art. 14 GG ein.Beide Grundrechte stehen allerdings unter Gesetzesvorbehalt.Wegen der Intensität des Eingriffs in die Berufsfreiheit und dasEigentumsrecht durch Entzug der Zulassung sind bei der Ausle-gung und Anwendung wertungsabhängiger Begriffe strenge An-forderungen zu stellen.22 Der Eingriff in die Grundrechte desRechtsanwalts muss geeignet und erforderlich sein, um die mitdem Gesetz bezweckten Ziele zu erreichen.

Hinsichtlich des Verbots der Vertretung widerstreitender Inter-essen in § 43a Abs. 4 BRAO hat das Bundesverfassungsgerichtausgeführt, dass die Definition, was den Interessen des eigenenMandanten und damit zugleich der Rechtspflege dient, nichtabstrakt und verbindlich von Rechtsanwaltskammern oder Ge-richten ohne Rücksicht auf die konkrete Einschätzung der be-troffenen Mandanten vorgenommen werden darf. Dem Ein-wand der Bundesnotarkammer, dass das wirtschaftliche Interes-se eines Rechtsanwalts, ein Mandat fortzuführen, ihm die nöti-ge Unabhängigkeit und Unparteilichkeit für ein am Maßstabdes § 43a Abs. 4 BRAO ausgerichtetes gesetzeskonformes Han-deln nehme, hat das Bundesverfassungsgericht entgegengehal-ten, dass das Gesetz nicht davon ausgeht, dass ein berufswürdi-ges und gesetzeskonformes Handeln der Rechtsanwälte nur imWege der Einzelkontrolle oder mit Mitteln des Strafrechts ge-währleistet werden könne. Das anwaltliche Berufsrecht beruhenicht auf der Annahme, dass eine situationsgebundene Gele-genheit zur Pflichtverletzung im Regelfall pflichtwidriges Han-deln zur Folge habe.23 Das muss auch bei der Beurteilung derGefährdung der Interessen Rechtsuchender gelten.

Das von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO bezweckte Ziel ist der Schutzder Interessen der Rechtsuchenden vor einer Gefährdung durcheinen in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt. Der Wider-ruf der Zulassung des Rechtsanwalts ist sicherlich ein geeigne-tes Mittel, um diesen Gesetzeszweck zu erreichen. Aber ist erauch immer erforderlich?

1. Interessen der Rechtsuchenden

Aufgrund des Umstandes, dass die Nichtgefährdung der Inter-essen der Rechtsuchenden einen Ausnahmetatbestand bildet,gehen Rechtsprechung und Literatur nahezu einstimmig und zuRecht davon aus, dass mit ungeordneten Vermögensverhältnis-

sen automatisch eine Gefährdung der Interessen Rechtsuchen-der verbunden ist.24 Ausführungen zu den Anforderungen andas Fehlen einer Gefährdung der Interessen Rechtsuchendersind in Rechtsprechung und Literatur eher einzelfallbezogen.Es finden sich keine systematischen Ausführungen dazu, wasdenn überhaupt die Interessen der Rechtsuchenden sind, son-dern nur Ausführungen dazu, ob der Anwalt im konkreten Fallderen Interessen ausnahmsweise nicht gefährdet. Allein unterdiesem Aspekt finden sich überhaupt Hinweise auf die Interes-sen der Rechtsuchenden.

Bei einer systematischen Darstellung stellt sich aber zunächstdie Frage, welches überhaupt die Interessen der Rechtsuchen-den sind. Dabei kristallisiert sich Folgendes heraus:

– Zunächst einmal hat der Mandant ein Interesse daran, dasser mit dem Rechtsanwalt überhaupt wirksam Verträge ab-schließen kann. Sind Verträge nicht wirksam abgeschlossen,mögen sie zwar von den Parteien durchgeführt werden. Spä-testens dann, wenn es um etwaige Regressansprüche geht,führt die Unwirksamkeit von Verträgen aber zu erheblichenProblemen.

– Er hat ein Interesse daran, die Gebühren nicht möglicherwei-se doppelt zahlen zu müssen, d.h. an einen nicht einzugsbe-rechtigten Rechtsanwalt und an einen einzugsberechtigtenInsolvenzverwalter.25

– Er hat ein Interesse daran, dass seine Rechtsangelegenheitenordnungsgemäß und unbeeinflusst bearbeitet werden.

– Er hat ein Interesse daran, dass seine Forderungen gegen denRechtsanwalt von diesem erfüllt werden.

– Sodann hat er ein Interesse daran, dass ihm gegenüber kor-rekt abgerechnet wird.

– Schließlich hat er ein Interesse daran, dass in seiner Angele-genheit gezahlte Fremdgelder nicht veruntreut werden.

2. Gefährdungspotential

Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit ist nach den Inter-essen der Rechtsuchenden in einer zweiten Stufe festzustellen,wodurch diese Interessen gefährdet werden können. Ist derarti-ges Gefährdungspotential bereits nicht vorhanden, kann esauch nicht zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsu-chenden kommen. Ist derartiges Gefährdungspotential hinge-gen vorhanden, so ist in einer weiteren Stufe festzustellen, obund durch welche Maßnahmen die aufgrund des Gefährdungs-potentials bestehende Gefährdung der Interessen der Recht-suchenden beseitigt bzw. in ausreichendem Maße beschränktwerden kann.

Die Gefährdungen der Interessen Rechtsuchender müssennicht abstrakt gegeben sein, sondern konkret vorliegen. Diesergibt sich aus dem Vergleich des Wortlauts von § 7 Nr. 9 und§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Nach § 7 Nr. 9 BRAO darf eine Zulas-sung zur Rechtsanwaltschaft nicht erteilt werden, wenn sichder Bewerber in Vermögensverfall befindet. Der Gesetzgebergeht hier von einer abstrakten Gefährdung der Interessen derRechtsuchenden durch die Zulassung eines solchen Bewerbersaus. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO darf die Zulassung hingegennicht widerrufen werden, wenn eine Gefahr für die Interessender Rechtsuchenden nicht besteht. Der Gesetzgeber geht hier

22 Feuerich/Weyland, a.a.O. (Fn. 13), § 14 Rdnr. 3.23 BVerfG, Beschl. v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01 unter Ziff. B.I.3.b,

BRAK-Mitt. 2003, 231, 234 = AnwBl 2003, 521, 523.

24 Vgl. nur BGH, Beschl. v. 18.10.2004 – AnwZ (B) 43/03, BRAK-Mitt.2005, 86 = AnwBl 2005, 216.

25 BGH, Beschl. v. 13.3.2000, AnwZ (B) 28/99, BRAK-Mitt. 2000, 144= AnwBl 2001, 296; Feuerich/Weyland, a.a.O. (Fn. 13), § 14 BRAORdnr. 63.

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BRAK-Mitt. 1/2010 Aufsätze 11

Klose, Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts

nicht von der abstrakten Gefährdung, sondern von einer kon-kreten Gefährdung durch den einzelnen Rechtsanwalt aus.26

Gleichwohl geht die Rechtsprechung letztlich von einem gene-rellen Gefahrenpotential bei dem in Vermögensverfall oder In-solvenz gefallenen Rechtsanwalt aus und nimmt eine aus-nahmsweise Nichtgefährdung nur dann an, wenn alle abstrak-ten Gefährdungspotentiale für den Rechtsuchenden ausge-schlossen werden können. Dabei wird nicht geprüft, ob die aus-zuschließenden Gefährdungen von dem betroffenen Rechtsan-walt überhaupt ausgehen. Es wird vielmehr stillschweigend un-terstellt, dass dies grundsätzlich der Fall ist. Dies wird in derRechtsliteratur teilweise heftig kritisiert und der Rechtsprechungvorgeworfen, entgegen den Ausführungen im oben zitierten Ur-teil des Bundesverfassungsgerichts in Vermögensverfall gerateneRechtsanwälte als potentielle Straftäter anzusehen.27

Ebenso wie die Rechtsprechung oftmals zu sehr generalisiert,ist aber auch der von der Kritik erhobene Vorwurf zu generell.Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts28 könnenhier nicht unbesehen übernommen werden. Bei dem von § 43aBRAO verfolgten Zweck der Vermeidung einer Gefährdung vonMandanten durch die Vertretung widerstreitender Interessenliegt ein abgeschlossener Kreis betroffener Personen vor. Beidem von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO verfolgten Zweck der Ver-meidung einer Gefährdung der Interessen Rechtsuchender isthingegen die Zahl der zu schützenden Personen nicht abgrenz-bar. Schon dies erfordert eine differenziertere Sichtweise.Wenn bei der Frage, ob von einem Anwalt eine Gefährdung fürbestimmte Rechtsgüter der Mandanten ausgeht, nicht die Ein-schätzung der betroffenen Personen eingeholt werden kann –so das Petitum des Bundesverfassungsgerichts –, muss einegroßzügigere Betrachtungsweise erfolgen, die möglichst allepotentiellen Einschätzungen berücksichtigt. Auch bei jeman-dem, der sich über Jahre hinweg rechtstreu verhalten hat, kön-nen aber Situationen eintreten, in denen es zu einem Rechts-bruch kommen kann. Bereits dies kann potentiell vom rechtsu-chenden Publikum als Gefährdung angesehen werden. Es istdaher gerechtfertigt, bei der Frage der Gefährdung der Interes-sen Rechtsuchender einen großzügigeren Maßstab anzusetzen.

Gleichwohl ist aber im konkreten Einzelfall festzustellen, obvon dem Rechtsanwalt hinsichtlich der oben genannten Inter-essen ein Gefahrenpotential ausgeht. Insoweit gilt Folgendes:

a) Wie oben dargelegt, unterfällt die Kanzlei eines Rechtsan-walts, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröff-net wurde, dem Insolvenzbeschlag. Damit kann der Rechts-anwalt keine wirksamen Verträge im Rahmen seiner selbst-ständigen Tätigkeit mehr abschließen. Die Gefahr unwirk-samer Verträge besteht daher immer dann, wenn ein Insol-venzverfahren eröffnet wurde, nicht hingegen bei Vermö-gensverfall aus sonstigen Gründen. Bei einer Freigabe derselbstständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter be-steht die Gefahr des Abschlusses unwirksamer Mandatsver-träge ebenfalls nicht.

b) Die Gefahr einer möglichen doppelten Gebührenzahlungkann sich nur dann ergeben, wenn der Rechtsanwalt nichtzum Einzug der sich aus dem Anwaltsvertrag ergebendenGebührenforderungen berechtigt ist. Auch dies ist nur dannder Fall, wenn die selbständige Tätigkeit dem Insolvenz-beschlag unterliegt.

Wird die selbstständige Tätigkeit vom Insolvenzverwalterfreigegeben, können die Auftraggeber der nach Freigabe an-genommenen Mandate ohne Weiteres befreiend an denRechtsanwalt zahlen.

Die Freigabe bezieht sich aber nur auf den Neuerwerb.29

Vermögenswerte, die vor der Freigabe geschaffen wurden,bleiben vom Insolvenzbeschlag erfasst. Wenn man meinenwollte, dass von einer Freigabe Forderungen aus vor Insol-venzeröffnung abgeschlossenen Mandatsverträgen erfasstwürden, müssten auch kanzleibezogene Verbindlichkeitenaus der Zeit vor Insolvenzeröffnung von der Freigabe erfasstsein. Dies würde aber den Wert eines Insolvenzverfahrenserheblich in Frage stellen. Demgemäß besteht bei einer Frei-gabe der selbstständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts dieGefahr, dass die Mandanten, mit denen vor Insolvenzeröff-nung Mandatsverträge abgeschlossen wurden, nicht schuld-befreiend an den Rechtsanwalt zahlen.

c) Hinsichtlich des Interesses an einer ordnungsgemäßen Bear-beitung einer Angelegenheit durch den Rechtsanwalt ist zu-nächst darauf hinzuweisen, dass der Rechtsanwalt aus derinhaltlichen Bearbeitung eines Mandates grundsätzlich kei-ne Vorteile für sich ziehen kann, die im Hinblick auf seineungeordneten Vermögensverhältnisse von Bedeutung sind.

In diesem Zusammenhang wird aber die Gefahr genannt,dass der Rechtsanwalt seinen Beruf nur noch unter dem As-pekt ausübe, möglichst viel Geld zu verdienen und aus die-sem Grunde zu viele und zu schwierige Mandate überneh-men könnte.30 Diese Gefahr dürfte in aller Regel rein theore-tisch sein. Die Praxis zeigt, dass die allermeisten in Vermö-gensverfall geratenen Rechtsanwälte gerade so in der Lagesind, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es mangelt eher anMandaten, als dass zu viele Mandate angenommen werden.

Außerdem bestimmt § 3 Abs. 1 BRAO, dass der Rechtsan-walt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in al-len Rechtsangelegenheiten ist. Auch ein weniger erfahrenerRechtsanwalt darf schwierigere Fälle bearbeiten. Wollteman hierin per se eine Gefährdung der Interessen Recht-suchender sehen, so hat der Gesetzgeber dies jedenfalls se-henden Auges bei jedem Berufsanfänger oder weniger qua-lifizierten Rechtsanwalt in Kauf genommen. Hieraus kannaber im Falle der Insolvenz eines Rechtsanwalts kein rele-vantes Gefährdungspotential abgeleitet werden. Im Übrigenbestünde hier auch das praktische Problem, wie man über-haupt abgrenzen wollte, welche Fälle zu schwierig sind?Letztlich müsste man eine Prüfung der Kenntnisse des inVermögensverfall geratenen Rechtsanwalts vornehmen, umüberhaupt feststellen zu können, bis zu welchem Schwierig-keitsgrad der Betroffene Mandate bearbeiten darf, ohne dasshiervon eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchen-den ausginge. Eine solche Auffassung geht zu weit.

Bisweilen wird darauf hingewiesen, dass – gleichsam entge-gengesetzt – eine Gefährdung daraus resultieren könne,dass der in Vermögensverfall geratene Rechtsanwalt in Vo-gel-Strauß-Manier untätig wird und sich nur noch mit sei-nem Überlebenskampf beschäftigt.31 Der Überlebenskampfbei einem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt er-folgt in zweierlei Richtung, einerseits eine Ruhigstellung derGläubiger durch Ratenzahlungsverhandlungen etc., ande-

26 BGH, Beschl. v. 7.3.2005 – AnwZ (B) 7/04, BRAK-Mitt. 2005, 190 =AnwBl 2005, 503; Feuerich/Weyland, a.a.O. (Fn. 13), § 14 Rdnr. 61.

27 Römermann, AnwBl 2005, 178, 181.28 BVerfG, Beschl. v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01 unter Ziff. B.I.3.b,

BRAK-Mitt. 2003, 231, 234 = AnwBl 2003, 521, 523.

29 Braun/Bäuerle, InsO, 3. Aufl., § 35 Rdnr. 84 f.30 Maier, a.a.O. (Fn. 11), S. 217; BVerwG, Urteil vom 17.8.2005, 6 C

15/04, NJW 2005, 3795, 3798 zum Wirtschaftsprüfer; vorinstanzlichOVG Münster, Beschl. v. 9.2.2001, 4 A 5645/99, NJW 2002, 234.

31 Für diesen Hinweis danke ich Herrn Kollegen Christian Dahns,Geschäftsführer der Bundesrechtsanwaltskammer.

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Klose, Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts

rerseits aber durch die notwendige Akquise und Bearbei-tung von Mandaten, um Einnahmen zu generieren, die zumLebensunterhalt und zur Zahlung von Raten an die Gläubi-ger ausreichen. Eine Vernachlässigung der Mandatsbearbei-tung aufgrund Beschäftigung mit den Gläubigern erscheintdaher wenig wahrscheinlich. Anders sieht dies allerdingsaus, wenn sich der betroffene Rechtsanwalt angesichts einerihm ausweglos erscheinenden Situation selbst aufgibt. Hierbesteht dann auch eine Gefährdung der Interessen Recht-suchender durch Nichtbearbeitung von Mandaten.

Schließlich wird auf die Gefahr einer sachfremden Beein-flussung durch Dritte hingewiesen. Dabei wird weniger aneine Beeinflussung durch den Gegner des Mandanten ge-dacht, als vielmehr an eine Beeinflussung des Rechtsanwaltsdort, wo er neutral vermitteln soll, nämlich als Mediator.32

Diese Gefahr ist nicht gänzlich ausgeschlossen. Sie kannaber auch nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Hiermuss vielmehr im Einzelfall eine Prüfung vorgenommenwerden, ob eine solche Gefahr von dem betroffenen Rechts-anwalt ausgehen könnte. Bei einem völlig integeren Rechts-anwalt, der berufsrechtlich bisher in keiner Weise aufgefal-len ist und auch ansonsten einen guten Leumund hat, isteine derartige Gefährdung zu verneinen.

Hinsichtlich der genannten Gefährdungspotentiale ist zuüberprüfen, inwieweit sie im konkreten Fall vorliegen. Umdies zu beurteilen, kann zum einen auf bei der Kammer an-hängige Beschwerden von Mandanten abgestellt werden.Liegen solche nicht vor, spricht dies nicht zwangsläufig füreine Nichtgefährdung, da ein Rechtsanwalt durchaus übereinen gewissen Zeitraum seine Mandanten beschwichtigenkann.

Ein Indiz gegen ein derartiges Gefährdungspotential ist dieStellung eines Insolvenzantrages durch den Rechtsanwaltselbst. Wer diesen Schritt geht, will durch ein anschließen-des Restschuldbefreiungsverfahren seine Vermögensverhält-nisse wieder ordnen, um nach Abschluss des Insolvenzver-fahrens als Rechtsanwalt wieder selbstständig und währenddes Insolvenzverfahrens zumindest als angestellter Rechts-anwalt tätig sein zu können. Er wird dieses Ziel nicht durchdie Nichtbearbeitung von Mandaten oder die Aufgabe sei-ner Neutralität als Mediator gefährden.

Es stellt sich aber die Frage, wie bei fehlenden Indizien indie eine oder andere Richtung zu verfahren ist. Da das an-waltliche Berufsrecht nicht auf der Annahme beruht, dasseine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzungim Regelfall pflichtwidriges Handeln zur Folge habe,33 kannman die abstrakte Möglichkeit einer Verletzung der Neutra-lität als Mediator nicht als Gefährdungspotential ansehen,zumal nur eine kleine Zahl von Rechtsanwälten sich als Me-diator betätigt. Ist bekannt, dass der Rechtsanwalt als Media-tor tätig ist, wird man hier eine Gesamtbetrachtung seinerPersönlichkeit vornehmen müssen, da es sich bei der hier zubeantwortenden Frage letztlich um eine Charakterfrage han-delt. Einem Rechtsanwalt mit ansonsten tadellosem Leu-mund kann man nicht allein aufgrund eines eingetretenenVermögensverfalls eine potentielle Verletzung seiner Neu-tralitätspflicht unterstellen.

Bei einer Selbstaufgabe des Rechtsanwalts liegt eine Gefähr-dung der ordnungsgemäßen Mandatsbearbeitung nahe undkann man grundsätzlich ein entsprechendes Gefährdungs-

potential bejahen. Ob eine Selbstaufgabe vorliegt, muss hin-gegen aus dem gesamten Sachverhalt und der Person desRechtsanwalts durch Abwägung entschieden werden. Dabekanntlich die Hoffnung zuletzt stirbt, sollte man aller-dings an die Annahme einer Selbstaufgabe strenge Maßstä-be anlegen. Ein sich hieraus ergebendes Gefährdungspoten-tial kann man nur in Ausnahmefällen annehmen.

d) Hinsichtlich der Interessen, seine Forderungen gegen denRechtsanwalt erfüllt zu bekommen, eine korrekte Abrech-nung zu erhalten und Fremdgelder ordnungsgemäß verwal-tet und ausgezahlt zu bekommen, kann sich eine Gefähr-dung daraus ergeben, dass der Rechtsanwalt Geld entwederzur Begleichung von Verbindlichkeiten oder zum Lebensun-terhalt benötigt. Eine solche Gefährdung kann sich aus ver-schiedenen Gefährdungspotentialen ergeben.

Ein Gefährdungspotential folgt hier in erster Linie aus demVollstreckungsdruck, dem sich der Rechtsanwalt durch seineGläubiger ausgesetzt sieht. Gerade weil der Rechtsanwaltweiß, dass Vollstreckungen gegen ihn zu einem Verlust sei-ner Anwaltszulassung führen können, könnte er leichter ge-neigt sein, zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmengegen ihn überhöht abzurechnen oder Fremdgelder zu ver-untreuen. Deswegen bestehen in derartigen Fällen keine Be-denken, auch bei einem sich bisher rechtstreu verhaltendenRechtsanwalt von einem Gefährdungspotential auszugehen.

Ein solcher Vollstreckungsdruck besteht jedoch nicht, wennein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsan-walts eröffnet wurde. In diesem Fall können die Gläubigerkeine Einzelzwangsvollstreckung gegen den Schuldnermehr vornehmen. Nach einer jüngst ergangenen Entschei-dung des BGH können die Gläubiger auch nicht in freigege-benes Vermögen vollstrecken.34 Damit besteht auch bei ei-ner Freigabe der selbstständigen Anwaltstätigkeit durch denInsolvenzverwalter kein Gefährdungspotential aufgrundVollstreckungsdrucks mehr.

Ein Gefährdungspotential kann sich hier aber trotz Freigabeauch daraus ergeben, dass die Einnahmen des Rechtsan-walts aus seiner Tätigkeit nicht zum Bestreiten des Lebens-unterhalts ausreichen. Reichen sie hierfür hingegen aus,kann ein Gefährdungspotential zu verneinen sein, weildann jedenfalls nicht generell davon ausgegangen werdenkann, dass der Rechtsanwalt überhöhte Gebühren abrech-net oder Fremdgelder veruntreut.

Insoweit stellt sich die Frage, was ein Rechtsanwalt zum Be-streiten seines Lebensunterhalts benötigt. Hierbei kann esnicht auf die Vorstellungen eines durchschnittlichen Rechts-anwalts über seinen Lebensunterhalt ankommen, sondernauf den vom Gesetzgeber pauschalisierend als angemessenangesehenen Unterhaltsbetrag. Dieser Betrag spiegelt sichin den Pfändungsfreibeträgen für Arbeitnehmer wider. Istnach den vor der Insolvenzeröffnung in der Kanzlei erziel-ten Gewinnen sicher davon auszugehen, dass die künftig zuerzielenden Gewinne den Pfändungsfreibetrag überschrei-ten werden, kann nicht grundsätzlich davon ausgegangenwerden, dass der Rechtsanwalt rechtswidrig auf Fremdgel-der zugreifen oder Gebühren überhöht abrechnen wird.Eine konkrete Gefährdung der Interessen Rechtsuchender isthier insoweit mangels eines Gefahrenpotentials zu vernei-nen. Werden die zu erwartenden Gewinne aus der freigege-benen selbstständigen Tätigkeit hingegen voraussichtlichden Pfändungsfreibetrag nicht erreichen, ist von einem Ge-

32 Maier, a.a.O. (Fn. 11), S. 217; BVerwG, Urteil vom 17.8.2005, 6 C15/04, NJW 2005, 3795, 3798.

33 BVerfG, Beschl. v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01 unter Ziff. B.I.3.b,BRAK-Mitt. 2003, 231, 234 = AnwBl 2003, 521, 523.

34 BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, NJW-RR 2009, 923 =MDR 2009, 832.

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BRAK-Mitt. 1/2010 Aufsätze 13

Klose, Der Widerruf der Anwaltszulassung in der Insolvenz des Rechtsanwalts

fährdungspotential bezüglich der Interessen der Rechtsu-chenden auszugehen.

Trotz einer den Pfändungsfreibetrag erreichenden Höhe derEinkünfte aus der Anwaltstätigkeit kann sich bei Freigabeder selbstständigen Tätigkeit ein Gefährdungspotential auchaus den Umständen ergeben, auf denen der Vermögensver-fall des Rechtsanwalts beruht. Beruht der Vermögensverfall– wie häufig – ausschließlich auf Investitionen in Immobili-en, die sich aufgrund von Veränderungen auf dem Grund-stücksmarkt nicht vermieten lassen oder nicht mehr die zurFinanzierung erforderlichen Beträge abwerfen, kann eineGefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausge-schlossen werden, weil sich der Lebensunterhalt des Rechts-anwalts aus dem pfändungsfreien Teil seiner Einkünfte fi-nanzieren lässt. Beruhen die ungeordneten Vermögensver-hältnisse hingegen darauf, dass der Rechtsanwalt – ggf. zu-sätzlich zu anderen Gründen – über seine Verhältnisse ge-lebt hat, ist auch bei den Pfändungsfreibetrag erreichendenbzw. übersteigenden Einkünften aus einer freigegebenenselbstständigen Tätigkeit ein Gefährdungspotential anzu-nehmen.

Schließlich kann sich ein Gefährdungspotential auf Seitendes Anwalts auch aus der Verletzung berufsrechtlicherPflichten gegenüber dem Mandanten, der Verurteilung we-gen berufsbezogener Straftaten, dem Vorliegen von Ver-bindlichkeiten gegenüber Mandanten etc. ergeben. Mit an-deren Worten kann bei einem Rechtsanwalt, der völlig inte-ger ist und einen tadellosen Leumund hat, insoweit ein Ge-fährdungspotential ausgeschlossen werden. Ist dies nicht derFall, ist von einem Gefährdungspotential auszugehen.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass bei einem Vermögensver-fall ohne Insolvenzverfahren stets von einem Gefährdungs-potential ausgegangen werden kann. Ist hingegen ein Insol-venzverfahren eröffnet und die selbstständige Tätigkeit desRechtsanwalts freigegeben worden, geht von einer weiterenTätigkeit des Rechtsanwalts keine Gefährdung für die Inter-essen der Rechtsuchenden hinsichtlich einer Gebührener-höhung oder Veruntreuung von Fremdgeldern aus, wennsämtliche Gefahrenpotentiale im konkreten Fall ausge-schlossen werden können. Nur wenn Gefährdungspotentia-le bestehen, ist in einer weiteren Stufe zu prüfen, ob undwie diesem Gefährdungspotential entgegengewirkt werdenkann, um eine Gefährdung der Interessen Rechtsuchendergleichwohl ausschließen zu können.

Die hier vorgenommene Differenzierung zwischen den Interes-sen der Rechtsuchenden einerseits und einem korrespondieren-den Gefährdungspotential auf Anwaltsseite andererseits kommtansatzweise auch in der Rechtsprechung des BGH zum Aus-druck. Der BGH hat in einem Beschluss vom 7.12.2004 zutref-fend darauf hingewiesen, dass durch die Nichtabführung vonBeträgen durch den Rechtsanwalt an den Insolvenzverwalterdie Interessen der Insolvenzgläubiger, nicht aber diejenigen derMandanten berührt werden.35 In diesem Falle lag auf Seitendes Anwalts zwar ein gefährdendes Verhalten vor. Dieses Ver-halten gefährdete aber nicht die Interessen der Rechtsuchen-den, sondern die Interessen der Gläubiger.

3. Der Gefährdung entgegenwirkende Maßnahmen

a) Gegen ein ausnahmsweise anzunehmendes Gefährdungs-potential hinsichtlich der ordnungsgemäßen Bearbeitungvon Mandaten sind entgegenwirkende Maßnahmen nicht

erkennbar. In diesem Falle muss es zwangsläufig zu einemWiderruf der Anwaltszulassung kommen.

b) Ein Gefährdungspotential aufgrund von Vollstreckungsdruckliegt immer dann vor, wenn sich der Rechtsanwalt zwar inVermögensverfall befindet, ein Insolvenzverfahren über seinVermögen aber nicht eröffnet wurde. In diesen Fällen kanneine Gefährdung der Interessen Rechtsuchender gleichwohlausgeschlossen werden, wenn der Rechtsanwalt keinen Zu-griff auf Mandantengelder mehr hat, dies auch ausreichendkontrolliert werden kann und weitere die Rechtsuchendenschützende Maßnahmen in einem Anstellungsvertrag mit ei-ner Sozietät mit mindestens zwei Sozien in dem Standort, indem der in Vermögensverfall geratene Rechtsanwalt ange-stellt wird, enthalten sind. Die insoweit ergangene, inzwi-schen recht umfangreiche Rechtsprechung betrifft sowohlFälle des Vermögensverfalls ohne Insolvenzverfahren alsauch mit Insolvenzverfahren.36

c) Wurde über das Vermögen eines Rechtsanwalts das Insol-venzverfahren eröffnet und die selbstständige Tätigkeit frei-gegeben, besteht kein Vollstreckungsdruck mehr. Selbstwenn hier alle anderen unter Ziff. 2. d) genannten Gefähr-dungspotentiale ebenfalls verneint werden können, bestehtaber die Gefahr, dass die Altmandanten, d.h. solche Man-danten, die vor der Insolvenzeröffnung mit dem Rechtsan-walt Verträge abgeschlossen haben, hierauf Zahlungen anden Rechtsanwalt leisten und sodann von dem Insolvenz-verwalter erneut in Anspruch genommen werden können.

Diese Gefahr ist in der Praxis aber eher gering. Hat derMandant von der Insolvenzeröffnung aufgrund eines Schrei-bens des Insolvenzverwalters Kenntnis, wird er in aller Re-gel nicht mehr an den Rechtsanwalt zahlen. Tut er diesdoch, ist er jedenfalls nicht schutzwürdig. Die Entscheidungdes Insolvenzverwalters über eine Freigabe der selbstständi-gen Tätigkeit ist zwar nicht fristgebunden, sie soll aber zurVermeidung einer etwaigen Haftung nach § 60 InsO alsbaldnach der Insolvenzeröffnung erfolgen.37 Sie wird aber nichtvor einer Sichtung der Kanzleiunterlagen erfolgen. Der In-solvenzverwalter hat demgemäß auch Gelegenheit, die vor-handenen Auftraggeber festzustellen und die Mandanten,die noch die Begleichung von Rechnungen schulden, anzu-schreiben. Eine Ausnahme besteht hier nur dann, wennnicht alle Akten vorhanden sind oder für ein Mandat keineAkte angelegt wurde. Hier handelt es sich aber um derartigeAusnahmefälle, dass von ihrem Vorliegen nicht ohne weite-re Anhaltspunkte ausgegangen werden kann.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in derartigenFällen eine Ausnahme vom Zulassungswiderruf ja nur in Be-tracht kommt, wenn von dem Rechtsanwalt keinerlei Ge-fährdungspotential im Sinne der Ausführungen unter Ziff.2. d) ausgeht, es sich insbesondere um einen völlig intege-ren Rechtsanwalt handeln muss. Der betroffene gefährdetePersonenkreis ist in der Regel äußerst klein und auch nichterweiterbar. Es handelt sich auch nicht um die Mandanten,mit denen erst nach der Freigabe der selbstständigen Tätig-

35 BGH, Beschl. v. 7.12.2004 – AnwZ (B) 40/04, BRAK-Mitt. 2005, 132= AnwBl 2005, 363.

36 Ohne Insolvenzverfahren: BGH, Beschl. v. 23.2.1987 – AnwZ (B)52, 86, BRAK-Mitt. 1987, 208; Beschl. v. 5.12.2005 – AnwZ (B) 13/05, BRAK-Mitt. 2006, 81 = AnwBl 2006, 280; Beschl. v. 17.9.2007 –AnwZ (B) 75/06, AnwBl 2008, 66; mit Insolvenzverfahren: BGH,Beschl. v. 18.10.2004 – AnwZ (B) 43/03, BRAK-Mitt. 2005, 86 =AnwBl 2005, 216; Beschl. v. 5.12.2005 – AnwZ (B) 14/05, AnwBl2006, 281.

37 Braun/Bäuerle, a.a.O. (Fn. 29), § 35 Rdnr. 87, der eine alsbaldigePrüfung der Freigabe bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeitdurch den Schuldner empfiehlt.

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14 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/2010

Eggert/Kääb, Der Wandel im anwaltlichen Berufsbild – eine empirische Untersuchung

Der Wandel im anwaltlichen Berufsbild – eine empirische Untersuchung imAuftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V.

Kerstin Eggert, Nürnberg und Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, München*

Das Berufsbild des Rechtsanwalts, aber auch seine Arbeitsfel-der und Formen der Leistungserbringung sind bereits seit Län-gerem starken Veränderungen unterworfen. Beeinflusst wurdedie Berufsausübung der Anwälte durch neue Informations- undTelekommunikationsmöglichkeiten, aber auch durch eine Viel-zahl von Gesetzesneuerungen wie etwa das Gesetz zur Stär-kung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft, das Rechts-

anwaltsvergütungsgesetz oder das Rechtsdienstleistungsgesetz.Hinzu kommt der verschärfte Wettbewerbsdruck innerhalb desBerufsstandes infolge der kontinuierlich steigenden Zahl derzugelassenen Rechtsanwälte.1 Darüber hinaus erlaubt dasnoch recht neue RDG inzwischen auch nichtanwaltlichen An-bietern Rechtsdienstleistungen zu erbringen.

Wie sich das Berufsbild des Rechtsanwalts unter den aktuellenEntwicklungen und Gesetzesänderungen wandelt bzw. bereitsverändert hat, untersuchte das Institut für Freie Berufe (IFB)

1 Zwecks Straffung der Darstellung wird im Folgenden oftmals ledig-lich die männliche Berufsbezeichnung verwendet.

keit Mandatsverträge abgeschlossen werden. Meines Erach-tens genügt daher hier eine Vereinbarung zwischen dem In-solvenzverwalter und dem Rechtsanwalt, in der sich derRechtsanwalt verpflichtet, auf Honorarforderungen aus Alt-verträgen eingegangene Zahlungen an den Insolvenzverwal-ter auszukehren.

Selbst bei Erfüllung aller vorgenannten Kriterien kann beiFreigabe der Anwaltstätigkeit eine Gefährdung der Interes-sen Rechtsuchender aber nur so lange ausgeschlossen wer-den, wie das Insolvenzverfahren läuft. Nach Abschluss desInsolvenzverfahrens können die Gläubiger des Rechtsan-walts wieder die Zwangsvollstreckung betreiben und liegtdann wieder ein Gefährdungspotential vor. Ein künftigesGefährdungspotential kann aber nicht zur Annahme einergegenwärtigen Gefährdung führen.

Im Übrigen hat der BGH mehrfach entschieden, dass füreine Wiederherstellung geordneter Vermögensverhältnissezwar ein Antrag auf Restschuldbefreiung nicht genügt.38

Wenn aber die Beendigung des Insolvenzverfahrens und dieAnkündigung der Restschuldbefreiung durch Beschlussgem. § 293 InsO erfolgt, sind wieder geordnete Vermögens-verhältnisse hergestellt. Dass dabei die Gefahr besteht, dassdie Restschuldbefreiung letztlich doch nicht erteilt wird, istnach Auffassung des BGH unerheblich.39 Bei der Frage desAusschlusses der Gefährdung der Interessen Rechtsuchen-der muss man daher bei Vorliegen aller anderen Vorausset-zungen jedenfalls den Antrag auf Restschuldbefreiung aus-reichen lassen. Die Gefahr, dass eine Ankündigung der Rest-schuldbefreiung nicht erfolgt, ist dabei genauso hinzuneh-men, wie dies der BGH hinsichtlich einer späteren Versa-gung der Restschuldbefreiung bei der Widerherstellung ge-ordneter Vermögensverhältnisse hinnimmt.

d) Ist nach den Ausführungen unter Ziff. 2. d) von einem Ge-fährdungspotential beim insolventen Rechtsanwalt auszuge-

hen, kann dem wiederum nur durch eine angestellte Tätig-keit mit den insoweit von der Rechtsprechung vorgegebe-nen Restriktionen entgegengewirkt werden. Entsprechen dieVereinbarungen zwischen dem in Vermögensverfall gerate-nen Rechtsanwalt und seinem Arbeitgeber dem nicht, kanneine Gefährdung der Interessen Rechtsuchender nicht aus-geschlossen werden und ist demgemäß die Zulassung zuwiderrufen.

VI. Zusammenfassung

Bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens liegt kraft gesetzlicherVermutung ein Vermögensverfall vor. Durch die Insolvenzeröff-nung können daher schon aus diesem Grunde keine geordne-ten Vermögensverhältnisse eintreten. Auch die Gefährdung derInteressen Rechtsuchender kann bei einer Insolvenzeröffnungnicht automatisch ausgeschlossen werden, da der Rechtsanwaltschon keine wirksamen Verträge für die dem Insolvenzbe-schlag unterliegende Kanzlei abschließen kann.

Auch bei Freigabe der selbstständigen Tätigkeit durch den In-solvenzverwalter bleiben die Vermögensverhältnisse desRechtsanwalts ungeordnet. Hinsichtlich der Gefährdung der In-teressen Rechtsuchender ist allerdings zu differenzieren. Kannder Rechtsanwalt aus den zu erwartenden Umsätzen der freige-gebenen Anwaltstätigkeit die Kosten der Kanzlei und einen Be-trag mindestens in Höhe seines persönlichen Pfändungsfreibe-trages decken, beruht die Insolvenz des Rechtsanwalts nicht aufeinem seinen Einkünften unangepassten Lebensstil, hat sich derRechtsanwalt auch ansonsten nichts zuschulden kommen las-sen und schließt er eine Vereinbarung mit dem Insolvenzver-walter, dass er eventuelle aus vor der Insolvenzeröffnung abge-schlossenen Mandatsverträgen eingehende Honorare unver-züglich an den Insolvenzverwalter weiterleitet, so ist eine Ge-fährdung der Interessen Rechtsuchender ausnahmsweise aus-geschlossen. Die Zulassung darf nicht widerrufen werden. Inallen anderen Fällen ist die Gefährdung der Interessen Recht-suchender nicht ausgeschlossen. Hier kann allenfalls durcheine angestellte Tätigkeit mit entsprechenden vertraglichen Be-schränkungen des insolventen Rechtsanwalts und ausreichen-der Kontrolle durch seine Arbeitgeber eine Gefährdung der In-teressen der Rechtsuchenden ausgeschlossen werden.

38 BGH, Beschl. v. 11.3.2000 – AnwZ (B) 28/99, BRAK-Mitt. 2000, 144= AnwBl 2001, 296.

39 BGH, Beschl. v. 7.3.2005 – AnwZ (B) 7/04, BRAK-Mitt. 2005, 190 =AnwBl 2005, 503.

* Frau Eggert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für FreieBerufe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg;Herr Kääb ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrechtund für Verkehrsrecht sowie Vorsitzender der Selbsthilfe der Rechts-anwälte e.V. in München.

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BRAK-Mitt. 1/2010 Aufsätze 15

Eggert/Kääb, Der Wandel im anwaltlichen Berufsbild – eine empirische Untersuchung

Nürnberg 2009 im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwältee.V. mittels einer schriftlichen Befragung mit einem vierseitigenFragebogen.2 Der Erhebungsbogen umfasste insgesamt 33 Fra-gen, die vom IFB und der Selbsthilfe der Rechtsanwälte ent-wickelt wurden.

Bis Ende September 2009 gingen beim IFB insgesamt 479 aus-wertbare Fragebögen ein. Dies entspricht einem bereinigtenRücklauf von 7 %. Die Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V. unddas IFB bedanken sich an dieser Stelle sehr herzlich bei denteilnehmenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Diegeringe Gesamtrücklaufquote kann sicherlich mit einer gewis-sen Befragungsmüdigkeit innerhalb der Anwaltschaft begründetwerden.3

Im Folgenden werden nun die wichtigsten Ergebnisse der Be-fragung berichtet.

Die Ergebnisse der UntersuchungVorbereitung auf den Anwaltsberuf

Insgesamt haben sich 69 % der an der Studie teilnehmendenAnwälte bereits vor Abschluss des zweiten Staatsexamens aufden Beruf des Rechtsanwalts vorbereitet, z.B. durch den Be-such von entsprechenden Seminaren und Veranstaltungen oderindem sie während ihres Referendariats die Wahlstation erneutin einer Anwaltskanzlei absolvierten. Bei insgesamt 31 % derBerufsträger war dies nicht der Fall: 23 % haben sich nichtdarauf vorbereitet, da ihre Absicht, Anwalt zu werden, erstnach dem Bestehen des zweiten juristischen Examens gereiftist. 9 % der Antwortenden haben sich nicht vorbereitet, ob-wohl sie bereits vor dem zweiten Staatsexamen den Wunschhatten, als Rechtsanwalt zu arbeiten.

Die bewusste Vorbereitung auf den Beruf wirkt sich offensicht-lich positiv auf die spätere berufliche und wirtschaftliche Lageund Entwicklung aus. Anwälte, die berufsvorbereitende Maß-nahmen unternommen haben, sind öfter in größeren Kanzleienbeschäftigt und verdienen in der Regel mehr. Zudem sind indieser Gruppe öfter Spezialisten oder Fachanwälte zu finden.

Aktuelle Wettbewerbssituation auf demRechtsdienstleistungsmarkt

Insgesamt 67 % der Anwälte berichten, dass ihre Kanzlei untereinem steigenden Konkurrenzdruck steht. Zusätzliche 24 %können diese Entwicklung zumindest teilweise bestätigen. Nur9 % der Berufsträger nehmen keinen zunehmenden Wettbe-werbsdruck wahr (vgl. Abb. 1).

Für den erlebten Wettbewerbsdruck verantwortlich gemachtwird von den Berufsträgern vor allem die kontinuierlich stei-gende Zahl der Rechtsanwälte: 95 % der Antwortenden sehenin dieser Entwicklung eine Ursache für den Konkurrenzdruck.Dazu kommt die wirtschaftlich schwierige Lage vieler Mandan-ten, die von 82 % als maßgebend für den Wettbewerbsdruckerachtet wird. 77 % der Rechtsanwälte verbinden mit den zu-nehmenden Rechtsdienstleistungen anderer Anbieter (z.B. vonVersicherungen oder Kfz-Werkstätten) weitere Beeinträchtigun-gen der eigenen Chancen. Die vermehrte Rechtsberatung imRahmen neuartiger Kanzleikonzepte (z.B. Rechtsberatung perTelefon oder Internet) bereitet 72 % Sorgen. Die Zunahme in-ternationaler Großkanzleien in Deutschland steht bei 59 % derAnwälte im Fokus der Befürchtungen.

Maßnahmen zur Erfolgssicherung der eigenen Kanzlei

Welche Maßnahmen zur Erfolgssicherung werden von denRechtsanwälten bzw. ihren Kanzleien angesichts des Wettbe-werbsdrucks eingesetzt? Die Befragten wurden gebeten, vonihnen bzw. ihrer Kanzlei bereits bzw. derzeit unternommenesowie zukünftig geplante Gegenstrategien zu benennen, wobeisie die Möglichkeit zu Mehrfachantworten hatten. In erster Li-nie denken die Rechtsanwälte an Spezialisierung, um den wirt-schaftlichen Erfolg ihrer Kanzlei zu sichern: Mit 68 % steht ander Spitze der erfolgssichernden Maßnahmen, die schon wahr-genommen wurden bzw. für die Zukunft vorgesehen sind, dieAusweisung von Spezial- oder Schwerpunktfeldern. 61 % derBerufsträger sehen in der Fachanwaltsausbildung eine Möglich-keit zur Erfolgssicherung. Verstärkte Fort- und Weiterbildungnennen 46 % als geeignete Maßnahme. 52 % der Antworten-den führen den Ausbau von Werbung und Marketing als Mög-lichkeit zur Erfolgssicherung der Kanzlei an. 44 % setzen aufService- und Qualitätssteigerung. Die berufliche Zusammenar-beit mit anderen Professionen (z.B. Steuerberater oder Wirt-schaftsprüfer) geben ebenfalls 44 % der Anwälte an, währendstrategische Kooperationen mit anderen Rechtsanwälten von42 % der Berufsträger als ein Erfolgsfaktor erachtet werden. Dieprofessionelle Organisation der Kanzlei wird von 41 % ge-nannt und 32 % sehen in der Ausdehnung der räumlichenReichweite der Kanzlei eine erfolgssichernde Möglichkeit. EineErweiterung der Tätigkeitsfelder bzw. der Rechtsgebiete führennoch 29 % der Antwortenden an, während 24 % die Bildungeiner größeren Kanzleieinheit durch Zusammenschlüsse mitanderen Rechtsanwälten nennen. Eine Zusatzausbildung halten22 % für eine geeignete Maßnahme, um der zunehmendenKonkurrenz entgegenzutreten. Die Vergrößerung der Kanzleidurch den Zusammenschluss mit anderen Professionen kommtnur noch für 13 % der Anwälte in Betracht (vgl. Abb. 2).

Vergütungsvereinbarungen

Rund 19 % der Antwortenden teilen mit, dass in ihrer Kanzleikeine Vergütungsvereinbarungen ausgehandelt werden. Dage-gen werden bei 81 % der Berufsträger Vergütungsvereinbarun-gen in ihrer Kanzlei abgeschlossen, wobei wiederum in 23 %dieser Kanzleien außertarifliche Honorarvereinbarungen erst-mals nach dem Wegfall der gesetzlichen Gebühren für Bera-tungstätigkeiten verabredet wurden.

Vergütungsvereinbarungen werden umso häufiger getroffen, jehöher der Spezialisierungsgrad und das persönliche Einkom-men der Anwälte ist, aber auch je größer die Kanzlei und ihrUmsatzvolumen ist. Zudem werden Vergütungsvereinbarungenöfter in Kanzleien mit fachlichen Schwerpunkten ausgehandeltals in „Allgemeinkanzleien“.

2 Die Verschickung des Fragebogens erfolgte Mitte des Jahres 2009.Insgesamt erhielten 7.060 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte,die bei den Kammern Frankfurt, Freiburg, Hamm, München, Nürn-berg, Stuttgart und Thüringen gemeldet waren, einen Erhebungsbo-gen. Die angeschriebenen Anwälte waren zuvor jeweils durch eineeinfache Zufallsstichprobe aus der Grundgesamtheit aller Kammer-mitglieder ausgewählt worden. Dabei lag die Stichprobenquote inder Rechtsanwaltskammer Thüringen als einziger Kammer aus denneuen Bundesländern mit 40 % höher als in den Kammern der altenBundesländer (10 %), um auch für Ostdeutschland eine ausreichen-de Zahl von Beteiligten zu erhalten.

3 Trotz der niedrigen Rücklaufquote sollen natürlich aufgrund der vor-liegenden Stichprobe Aussagen über die Grundgesamtheit allerRechtsanwälte getroffen werden. Stimmen Stichprobe und Grundge-samtheit wie in der vorliegenden Untersuchung hinsichtlich be-stimmter relevanter Merkmale wie Alter und Geschlecht überein, sokann davon ausgegangen werden, dass die Stichprobe bezüglichdieser Merkmale repräsentativ ist. Ist dies der Fall, lassen sich statis-tisch signifikante Ergebnisse von einer Stichprobe auf die Grundge-samtheit verallgemeinern.

Page 24: BRAK Mitteilungen

16 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/2010

Eggert/Kääb, Der Wandel im anwaltlichen Berufsbild – eine empirische Untersuchung

Danach gefragt, wie sich seit dem Wegfallder Beratungsgebühr die Höhe des An-teils von Vergütungsvereinbarungen anallen Mandaten, die in der Kanzlei insge-samt bzw. von den Rechtsanwälten per-sönlich bearbeitet wurden, bis zum Befra-gungszeitpunkt verändert hat, gibt jeweilsetwas mehr als die Hälfte der Berufsträgeran, dass die entsprechenden Anteilegleich geblieben sind. Jeweils rund einDrittel berichtet, dass sich diese Anteilezumindest etwas erhöht haben. Etwa je-der zehnte bzw. jeder neunte Anwalt be-richtet für die Gesamtheit der Mandate inder Kanzlei bzw. für seine von ihm über-nommenen Mandate, dass der Anteil vonVergütungsvereinbarungen daran deutlichgestiegen ist. Bei jeweils 2 % der Befrag-ten sind die entsprechenden Anteile ge-sunken.

Vereinbarung von Erfolgshonoraren

12 % der an der Studie teilnehmendenRechtsanwälte hatten zum Zeitpunkt derErhebung bereits erfolgsabhängige Hono-rarvereinbarungen getroffen. Die Diffe-renzierung nach Kanzleiform ergibt, dassErfolgshonorare insbesondere von Anwäl-ten in lokalen Sozietäten vereinbart wur-den, gefolgt von ihren Kollegen in über-örtlichen Sozietäten. In Einzelkanzleienkommen Erfolgshonorare am seltenstenvor.

Diejenigen Berufsträger, die bis zum Zeit-punkt der Untersuchung noch kein Er-folgshonorar verabredet hatten, wurdengefragt, ob sie zukünftig bei entsprechen-den Mandaten ein solches vereinbarenwürden. Während erfolgsabhängige Ho-norare für 46 % dieser Rechtsanwälteauch weiterhin nicht in Frage kommen,schließen 54 % diese Art der Vergütungs-vereinbarung für die Zukunft nicht aus.

Bei den Rechtsanwälten, die zum Erhe-bungszeitpunkt bereits Erfolgshonorareausgehandelt hatten, war von besonde-rem Interesse, welchen Stellenwert dasErfolgshonorar inzwischen neben der Ab-rechnung über das RVG bzw. neben an-deren außertariflichen Vergütungsformeneinnimmt. Daher wurden diese Anwältegebeten, die Häufigkeit einzuschätzen,mit der sie erfolgsabhängige Honorarebisher vereinbart haben. Bei 58 % warensie bislang nur ganz selten, in Ausnahme-fällen, und bei 31 % hin und wieder ab-geschlossen worden. Bei 11 % wurdenErfolgshonorare zum Zeitpunkt der Befra-gung bereits regelmäßig ausgehandelt.Insgesamt gesehen kommt der Vereinba-rung von Erfolgshonoraren im Vergleichzu anderen gängigen Vergütungsformenund -möglichkeiten (noch) eine sehr un-tergeordnete Bedeutung zu.

IFB-Studie zum Wandel im anwaltlichen Berufsbild

im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V.

Abb. 1: „Meine Kanzlei steht unter einem steigenden Konkurrenzdruck“ –

Zustimmung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu dieser

Aussage (in %)

1,6

7,1

24,0

37,0

30,3

stimme voll zu stimme zu teils/teils stimme nicht zu stimme überhaupt

nicht zu

(n=474)

IFB-Studie zum Wandel im anwaltlichen Berufsbild

im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V.

Abb. 2: „Welche Möglichkeiten zur Erfolgssicherung wurden bereits bzw.

werden von Ihnen bzw. von Ihrer Kanzlei derzeit wahrgenommen oder

sind zukünftig geplant?“ (Mehrfachnennungen möglich; in %)

(2.454 Antworten von 474 Befragten)

44,0

42,2

41,0

31,9

28,7

23,8

22,4

13,0

44,1

46,0

51,6

61,1

67,7Ausweisung von Spezial- oder Schwerpunktbereichen

Erwerb eines (weiteren) Fachanwaltstitels

Ausbau von Werbung/Marketing

verstärkte Fort-/Weiterbildungsmaßnahmen

Service-/Qualitätssteigerung

berufliche Zusammenarbeit mit anderen Professionen

berufliche Zusammenarbeit mit anderen Anwälten

professionelle Organisation der Kanzlei

Ausdehnung der räumlichen Reichweite

Erweiterung der Tätigkeitsfelder bzw. Rechtsgebiete

Bildung einer größeren Kanzleieinheit durchZusammenschlüsse mit anderen Rechtsanwälten

Zusatzausbildung

Bildung einer größeren Kanzleieinheit durchZusammenschlüsse mit anderen Professionen

IFB-Studie zum Wandel im anwaltlichen Berufsbild

im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V.

22,5 36,9

17,2

29,9

29,7

9,8

26,7 13,313,2

65,7 28,4 4,6

0,7

1,0

0,7

stimme voll zu stimme zu teils/teils stimme nicht zu stimme überhaupt nicht zu

Abb. 3: Meinungsbild der befragten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

hinsichtlich des veränderten Stellenwertes folgender Aufgaben und

Tätigkeiten im Rahmen der anwaltlichen Berufsausübung (in %)

Unternehmerisches

Denken wird für Anwälte

heutzutage immer

wichtiger

Die beratende Tätigkeit

gewinnt in meiner

Kanzlei immer mehr an

Bedeutung

Mediation bzw. die

außergerichtliche

Konfliktlösung gewinnt

in meiner Kanzlei immer

mehr an Bedeutung

(n=470)

(n=472)

(n=470)

Page 25: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Aufsätze 17

Eggert/Kääb, Der Wandel im anwaltlichen Berufsbild – eine empirische Untersuchung

Anwaltliche Tätigkeiten undAufgaben

Die Nachfrage bei den Anwälten, wiesich im Laufe ihres Berufslebens der Stel-lenwert von verschiedenen anwaltlichenAufgaben und Tätigkeiten verändert hat,ergab, dass die Wahrnehmung von Büro-organisationsaufgaben, Arbeiten also, dienicht unmittelbar zu den Tätigkeiten ei-nes Rechtsanwalts zählen, bei den Berufs-trägern im Zeitverlauf offenbar am stärks-ten von allen Aufgaben zugenommen hat.Dahinter folgt die Beratung von Mandan-ten in allen Rechtsangelegenheiten. Einenunverändert hohen Stellenwert habenz.B. die Vorbereitung von Gerichtsver-handlungen oder die Vertretung der Inter-essen der Mandanten vor Gericht. Die Er-zielung einer einvernehmlichen außerge-richtlichen Einigung im Bereich Mediati-on spielt dagegen im Vergleich immernoch eine eher untergeordnete Rolle.

Nur insgesamt 30 % der Anwälte berich-ten, dass Mediation bzw. die außerge-richtliche Konfliktlösung in ihrer Kanzleiimmer mehr an Bedeutung gewinnt, wäh-rend 40 % dies nicht bestätigen können.59 % und damit fast doppelt so viele Be-rufsträger teilen mit, dass die beratendeTätigkeit in ihrer Kanzlei eine immer grö-ßere Rolle spielt, während dies bei nur11 % der Rechtsanwälte nicht der Fall ist.Beinahe alle Antwortenden (94 %) sindschließlich der Ansicht, dass unternehme-risches Denken für Anwälte immer wich-tiger wird, weitere 5 % sind zumindestteilweise davon überzeugt und nur 1 %schließt sich dieser Meinung nicht an(vgl. Abb. 3).

Unternehmerisches Denken

Bei 10 % der Rechtsanwälte spielte beiihrer Arbeit unternehmerisches Denkenim Vergleich zu ihren juristischen Fähig-keiten und Kenntnissen früher eine we-sentlich größere, für weitere 11 % spieltees eine etwas größere Rolle. Bei 37 %hatten unternehmerisches Denken undjuristische Fachkompetenz einen etwagleich großen Stellenwert inne, währendfür 31 % der Berufsträger juristische Fach-kompetenz früher eine etwas größere Be-deutung als unternehmerisches Denkenhatte. Bei 11 % der Anwälte überwogenklar juristische Fähigkeiten (vgl. Abb. 4).

Für die Zukunft nehmen 40 % der Befrag-ten an, dass unternehmerisches Denkengegenüber juristischer Fachkompetenzeine wesentlich größere Rolle spielenwird und 33 % gehen von einer etwasgrößeren Rolle aus. 22 % denken, dassfür sie unternehmerisches Denken und ju-ristische Kenntnisse zukünftig von ehergleich großer Bedeutung sein werden.

IFB-Studie zum Wandel im anwaltlichen Berufsbild

im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V.

40,3

11,1

33,230,6

3,5

11,0

0,8

9,9

22,2

37,3

Abb. 4: Einschätzung der befragten Anwältinnen und Anwälte, welchen Stellen-

wert unternehmerisches Denken in ihrer anwaltlichen Berufsausübung

früher eingenommen hat und zukünftig einnehmen wird (in %)

(n=463) (n=475)

Bei meiner Arbeit spielte unternehmerisches

Denken im Vergleich zu meinen juristischen

Fähigkeiten und Kenntnissen früher eine ...

Bei meiner Arbeit spielt unternehmerisches

Denken im Vergleich zu meinen juristischen

Fähigkeiten und Kenntnissen zukünftig eine ...

wesentlich

größere

Rolle

etwas

größere

Rolle

eher

gleich

große

Rolle

etwas

kleinere

Rolle

erheblich

kleinere

Rolle

wesentlich

größere

Rolle

etwas

größere

Rolle

eher

gleich

große

Rolle

etwas

kleinere

Rolle

erheblich

kleinere

Rolle

IFB-Studie zum Wandel im anwaltlichen Berufsbild

im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V.

Abb. 5: Verteilung der befragten Anwältinnen und Anwälte nach der Anzahl der

Fortbildungsstunden pro Woche 2003, 2006 und 2009 (in %)

3,4

39,5

20,7

26,9

9,5

1,2

30,1

18,8

32,3

17,5

7,1

34,3

21,2

28,1

9,3

0 Stunden 1 bis 2 Stunden 3 bis 4 Stunden 5 bis 9 Stunden 10 Stunden und

mehr

2003 (STAR): 2006 (STAR): 2009 (IFB-Studie Wandel):

Arith. Mittelwert (in Stunden): 3,9 4,0 5,3

(2003: n=3.597; 2006: n=3.540; 2009: n=432)

Quellen: STAR 2003, STAR 2006

IFB-Studie zum Wandel im anwaltlichen Berufsbild

im Auftrag der Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V.

5,1 28,5

14,6

35,4

48,7

26,1

33,5

12,1

0,2

52,9 29,7 5,0

3,1

0,3

4,8

Die Einführung des

RDG

Die Lockerung des

striken Verbots von

Erfolgshonoraren

Die Einführung des

RVG

sehr negative eher negative keinerlei eher positive sehr positive Auswirkungen

(n=469)

(n=473)

(n=467)

Abb. 6: „Welche Auswirkungen haben nach Ihrer Meinung die folgenden

Maßnahmen auf die anwaltliche Unabhängigkeit?“ (in %)

Mittelwert:*

3,7

3,0

2,8

(=5) (=4) (=3) (=2) (=1)

*Den Ausprägungen wurden nach dem „Schulnotenprinzip“ Werte zugeordnet:

Von „sehr positive Auswirkungen“ = 1 bis „sehr negative Auswirkungen“ = 5

(siehe oben). Daraus wurde der arithmetische Mittelwert berechnet.

Page 26: BRAK Mitteilungen

18 Aufsätze BRAK-Mitt. 1/2010

Eggert/Kääb, Der Wandel im anwaltlichen Berufsbild – eine empirische Untersuchung

Nur insgesamt etwa 5 % der Rechtsanwälte glauben, dass un-ternehmerisches Denken geringfügig (4 %) bzw. erheblich(1 %) hinter den juristischen Kenntnissen zurücktreten wird(vgl. Abb. 4).

Anwaltliche Tätigkeit außerhalb der Kanzlei

25 % der befragten Rechtsanwälte berichten, dass sie 2008schätzungsweise bis zu 10 % ihrer anwaltlichen Arbeitszeit au-ßerhalb ihrer Kanzlei verbracht haben. Bei knapp einem Drittelbetrug dieser Anteil zwischen 11 % und 20 %. Wiederum einViertel nannte entsprechende Anteile zwischen 21 % und30 %. Die verbleibenden 19 % der Anwälte waren 2008 zumindestens 31 % ihrer Arbeitszeit nicht in der Kanzlei anwalt-lich tätig. Im Durchschnitt lag der Anteil der Arbeitszeit, die in2008 außerhalb der Kanzlei verbracht wurde, für alle an derStudie teilnehmenden Berufsträger bei 24 %. Dabei kommenAnwälte aus Einzelkanzleien, insbesondere Einzelanwälteohne weiteren beschäftigten Anwalt, tendenziell auf einen et-was höheren Anteil als ihre Kollegen aus größeren Kanzleien.

Bei knapp 4 % der Berufsträger haben anwaltliche Tätigkeitenaußerhalb der Kanzlei im Laufe der Berufstätigkeit deutlich ab-genommen. Bei 8 % sind sie leicht zurückgegangen. Bei 39 %der Rechtsanwälte ist der Anteil der Arbeitszeit, in der sie sichnicht in der Kanzlei aufhalten, gleich geblieben. 27 % teilen ei-nen geringfügigen Anstieg mit und bei 22 % der Anwälte hatsich der Umfang anwaltlicher Tätigkeiten außerhalb ihrerKanzlei beträchtlich erhöht. Dabei haben Treffen mit bzw. Be-suche von Mandanten gegenüber Terminen vor Gericht etwashäufiger zugenommen.

Zugleich glauben 9 % der Rechtsanwälte, dass der Anteil derArbeitszeit außerhalb der Kanzlei zukünftig erheblich zuneh-men wird, während 38 % von einer leichten Erhöhung ausge-hen. 44 % denken, dass dieser Anteil auch in Zukunft gleichbleiben wird. Lediglich 7 % der Rechtsanwälte meinen dage-gen, dass sich der Umfang anwaltlicher Tätigkeiten außerhalbdes Büros geringfügig verringern wird, und nur 2 % nehmeneine deutliche Abnahme an.

Wie die bisherigen Ergebnisse zeigen konnten, verbringen dieRechtsanwälte immer mehr Arbeitszeit außerhalb ihrer Kanz-lei. Daran schließt sich die Frage an, ob die Sätze des RVGnoch ausreichen, um die vermehrten Reisekosten, die den An-wälten entstehen, angemessen vergüten zu können. Insgesamt80 % der Antwortenden sind der Meinung, dass die Vergütungder Reisekosten unzureichend ist; nur 20 % vertreten die An-sicht, dass die Sätze des RVG eine ausreichende Vergütung ge-währleisten.

Berufliche Fort- und Weiterbildung

Werden die Angaben, die die Anwälte in der vorliegenden Un-tersuchung zur Anzahl der von ihnen pro Woche für fachlicheFort- und Weiterbildung aufgewendeten Stunden gemacht ha-ben, mit den Ergebnissen der regelmäßigen STAR-Befragungdes IFB4 verglichen, so zeigt sich, dass der ohnehin geringe An-teil an Rechtsanwälten, die keine Zeit für Fortbildung aufwen-den, von 7 % im Jahr 2003 auf 1 % in 2009 abgenommen hat.Gleichzeitig liegen für 2009 die Anteile der Anwälte, die fünfund mehr Stunden pro Woche in Fortbildung investieren, deut-lich höher als in den Vergleichsjahren 2003 und 2006. Im

Durchschnitt ist die Anzahl an Stunden, die von den Berufsträ-gern pro Woche in Fortbildung investiert wurden, im betrachte-ten Zeitraum von 3,9 auf 5,3 Stunden pro Woche angestiegen(vgl. Abb. 5).

Anwaltliche Tätigkeiten im Urlaub

Insgesamt geben 29 % der Rechtsanwälte an, dass sie (norma-lerweise) ihre Arbeit ruhen lassen, wenn sie im Urlaub bzw. aufeiner Urlaubsreise sind. 62 % ihrer Kollegen hingegen schlie-ßen Arbeit im Urlaub nicht aus. Sie sind grundsätzlich auchwährend ihrer Urlaubsreise für die Kanzlei stets erreichbar undarbeiten auch, jedoch eher selten in Ausnahmefällen. Immer-hin 9 % der Anwälte berichten, dass sie normalerweise auchim Urlaub ihre Kanzlei weiterführen bzw. sich in großem Um-fang ihrer Arbeit widmen. Insgesamt gesehen kann damit alsobei rund zwei Drittel der Berufsträger nicht ganz ausgeschlos-sen werden, dass sie eigentlich gerade im Urlaub sind, wennsie sich mit Kollegen oder Mandanten telefonisch oder per Mailbesprechen.

Am häufigsten sind Rechtsanwälte aus der höchsten Einkom-mensklasse sowie Anwälte aus großen Kanzleien und insbe-sondere aus überörtlichen Sozietäten auch während ihres Ur-laubs weiterhin in großem Umfang anwaltlich tätig. Ihnen fol-gen diesbezüglich Anwälte aus der niedrigsten Einkommens-stufe bzw. Einzelanwälte, die die Urlaubszeit öfter als ihre Kol-legen aus lokalen Sozietäten mit anwaltlichen Tätigkeiten ver-bringen.

Anwaltliche Unabhängigkeit

Besonders bedroht sehen die Rechtsanwälte ihre Unabhängig-keit durch die Einführung des Rechtsdienstleistungsgesetzes;diesbezüglich nehmen 12 % sehr negative und weitere 53 %eher negative Auswirkungen auf die anwaltliche Unabhängig-keit an. Die Lockerung des strikten Verbots der Vereinbarungvon Erfolgshonoraren erachten wesentlich weniger Berufsträgerals Gefahr für diesen Grundwert anwaltlicher Berufsausübung.Diesbezüglich glauben nur 5 % an sehr negative und 29 % aneher negative Auswirkungen. Die Einführung des Rechtsan-waltsvergütungsgesetzes gilt den Befragten im Vergleich eherweniger als Bedrohung für die anwaltliche Unabhängigkeit. Le-diglich 0,2 % befürchten sehr negative und weitere 15 % ehernegative Auswirkungen des RVG darauf (vgl. Abb. 6).

Berufliche und wirtschaftliche Lage und Entwicklung

Für 35 % der Berufsträger hat sich das Jahr 2008 in beruflicherund wirtschaftlicher Hinsicht nach eigenen Angaben ähnlichwie das Jahr 2007 entwickelt. Für 20 % verlief das Jahr 2008schlechter als das Vorjahr, während es sich für 45 % erfolgrei-cher gestaltete als 2007. Zugleich glaubten zum Befragungs-zeitpunkt (Mitte 2009) 35 % der Anwälte, dass sich ihre per-sönliche berufliche und wirtschaftliche Lage im Jahr 2009gegenüber 2008 verbessern werde. 39 % nahmen keine bedeu-tenden Veränderungen an und 26 % der Rechtsanwälte warender Ansicht, dass 2009 ein schlechteres Jahr als 2008 werdenwürde. Weiterhin dachten 53 % der Berufsträger, sich gegen-über anderen Rechtsanwälten in einer durchschnittlichen be-ruflichen und wirtschaftlichen Situation zu befinden. 30 % ginges nach ihrer Meinung im Vergleich zu ihren Kollegen besser,während es 17 % ihrer Ansicht nach schlechter ging. Grund-sätzlich fallen die Vergleiche der Rechtsanwälte umso positiveraus, je höher ihr Spezialisierungsgrad und ihre persönlichenEinkünfte sind, aber auch je größer die Kanzlei, in der die Be-fragten arbeiten, und deren Umsatzvolumen ist.

4 Die STAR-Untersuchung (STAR = Statistisches Berichtssystem fürRechtsanwälte) zur beruflichen und wirtschaftlichen Lage und Ent-wicklung der deutschen Anwaltschaft wird vom IFB im Auftrag derBundesrechtsanwaltskammer regelmäßig seit 1993 durchgeführt.

Page 27: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Aufsätze 19

Haas, Für Recht und Freiheit

Für Recht und FreiheitFelix Busse: Deutsche Anwälte, Geschichte der deutschen Anwaltschaft 1945–2009

Rechtsanwalt und Notar a.D. Dr. Eberhard Haas, Bremen*

Felix Busse: „Deutsche Anwälte: Geschichte der deutschenAnwaltschaft 1945–2009. Entwicklungen in West und Ost“.Deutscher Anwaltverlag, Bonn 2010, 677 Seiten, 98 Euro.

1.Man muss ihn gelesen haben, den „Busse“, wie das Werk unterAnwälten mit Gewissheit genannt und auch vielfach zitiertwerden wird. Dieses „Muss“ gilt nicht nur für historisch Interes-sierte, sondern für alle Anwälte und Anwältinnen, die ihren Be-ruf bewusst als Mitwirkende unseres Rechtssystems und nichtallein des Broterwerbs wegen ausüben.Felix Busse schließt mit seiner unglaublich detaillierten undalle Entwicklungen des formellen und materiellen Anwalts-rechts ausleuchtenden Schilderung seit 1945 bis in die jüngsteZeit an die Werke von Adolf Weißler1 und Fritz Ostler 2 an. Ergibt darüber hinaus einen umfassenden Überblick über alleAbschnitte des Ringens um die bestmögliche Ausgestaltung un-seres Berufsrechts, das mit der 1878 gegen manche Widerstän-de erkämpften Rechtsanwaltsordnung seinen ersten großen Er-folg verbuchen konnte, jedoch auch heute noch Gefahren aus-gesetzt bleibt, wie die sich leider so oft wiederholenden staat-lichen Eingriffe in die Vertraulichkeit der Kontakte mit denMandanten zeigen.Literarisches Neuland betritt er zusätzlich mit seiner breit ange-legten, sorgfältig recherchierten und mit Ergebnissen von insge-samt 15 Interviews mit Zeitgenossen angereicherten Dokumen-tation der Entwicklung der Anwaltschaft in der DDR.

2.Indem er Geschichte aufschreibt, streitet Busse für die Freiheitder Advokatur, die zu erreichen und zu erhalten er als Rechtdes Bürgers in einem Verfassungsstaat freiheitlicher, demokrati-scher und rechtsstaatlicher Prägung auffasst. Zu allen berufs-rechtlichen Themen nimmt Busse mutig Stellung, wobei er je-doch ihm widerstreitende Auffassungen nicht unterdrückt unddadurch die gesamte Diskussionsbreite, die die Entwicklungdes Anwaltsrechts durch die Jahrzehnte begleitet hat, wieder-gibt. Das macht das Buch zu einem beeindruckenden Ge-schichtswerk.Es verwundert nicht, dass Busse in seiner liberalen Einstellungmit der Freiheit der Advokatur nicht nur die Unabhängigkeitdes Anwalts vom Staat und von seinem Mandanten versteht,sondern auch die freie Berufsausübung in unreglementierterSelbstbestimmung, wie es das BVerfG in seinen Bastille-Ent-scheidungen vom 14. Juli 1987 formuliert hat. Die Entwicklungseitdem, als die früheren Richtlinien dem Verdikt des BVerfGverfielen, habe gezeigt, so Busse, dass die anwaltliche Streitkul-tur keinen Schaden genommen, die Gemeinwohlverpflichtet-heit nicht gelitten und die Gewinnorientiertheit nicht Über-hand genommen habe. Wenn er hinzufügt (Seite 643):

„Ich meine, die genaue Betrachtung der Entwicklung derletzten Jahrzehnte ergibt zwar Gefährdungen, auch eineKommerzialisierung, die derzeit in allen gesellschaftlichenBereichen abläuft. Sie sind aber nicht prinzipieller Naturund keine notwendige Folge der Liberalisierung desBerufsrechts, ... Die behauptete Denaturierung zu einemDienstleister, der sich von dem gewerblichen Dienstleisterkaum noch unterscheidet, hat jedenfalls in der großen Mehr-heit der Anwaltschaft nicht stattgefunden“,

so kann dem wohl zugestimmt werden, zumal eine gewisseSkepsis für die zukünftige Entwicklung durchklingt. Seine Ab-lehnung (Seite 648) des Vorschlag von Henssler3, Regeln guterfreiberuflicher Berufsausübung aufzustellen, teile ich allerdingsnicht, denn meine Skepsis ist größer. Unserem Anwaltsbild wi-dersprechenden Einflüssen des Auslands als Folge der Globali-sierung, Gefährdungen durch schlechte wirtschaftliche Verhält-nisse, die auch Busse erwähnt, könnte durch einen Verhaltens-kodex erfolgreicher begegnet werden. Denn „unreglementierteSelbstbestimmung“ bedarf als Gegenpol der Einhaltung desKant’schen kategorischen Imperativs. Und da dieser nicht je-dem Anwalt eingepflanzt ist, sollte die nicht von ungefähr inden letzen Jahren aufgelebte Ethikdiskussion4 fortgesetzt wer-den und, entsprechend Hensslers „Plädoyer für ethischeGrundsätze“, in einem als Leitbild dienenden Verhaltenskodexmünden. Denn angesehene Manager und als ehrbar erachteteBankenchefs haben in den letzten Jahren leider bewiesen, wo-hin grenzenlose Unreglementiertheit führen kann. Große Wirt-schaftsprüfungsgesellschaften sind ins Gerede gekommen.Gleiches darf in der Anwaltschaft nicht geschehen, will sie alsunverzichtbarer, eigenständiger Teil unseres Rechtssystems, alsOrgan der Rechtspflege, Garant des Bürgers gegen Eingriffe inseine Freiheitsrechte bleiben.

Vor 10 Jahren hat deshalb die BRAK in der von ihr gemeinsammit der Bundeszentrale für politische Bildung initiierten einzi-gen Feier zum 50-jährigen Bestehen des Grundgesetzes in denRäumen des BVerfG angeregt5, in das Grundgesetz folgendesGrundrecht des Bürgers aufzunehmen:

Jeder kann sich in allen Rechtsangelegenheiten durch einenRechtsanwalt beraten und vertreten lassen. Die Vertraulich-keit der Beratung darf nicht angetastet werden.

Es war allein die Anwaltschaft, die mit der Wanderausstellung„In bester Verfassung?! 50 Jahre Grundgesetz“ dieses Jubiläumwürdigte. Zu Recht teilt Busse das Befremden von uns Anwäl-ten, dass 10 Jahre später keiner ihrer gewählten Vertreter zur60-Jahr-Feier des Grundgesetzes geladen wurde. Noch ist einweiter Weg zu gehen.

3.

Was soll man Busse außer einer zahlreichen Leserschaft seinesWerkes wünschen?

1 Geschichte der Anwaltschaft im 19. Jahrhundert.2 Entwicklung unseres Berufsrechts in der Zeit von 1871 bis 1971.

3 Zuletzt in „Anwaltschaft und Wissenschaft“ Band 80 der Schriftenreihedes Instituts für Anwaltsrecht, Köln, S. 105 ff.

4 Vgl. allein den Inhalt des Anwaltsblatts 12/2009.5 Vgl. BRAK-Mitt. 1999, 101 f.

* Präsident der BRAK von 1991–1999.

Page 28: BRAK Mitteilungen

20 Aus der Arbeit der BRAK BRAK-Mitt. 1/2010

Zum einen eine lebhafte und aktive Reaktion all derer, die miteigenen Erlebnissen und mit Dokumentationen zur Ergänzungseiner Recherchen und Erkenntnisse, insbesondere bei der Auf-hellung der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zusammen-bruch im Jahre 1945 und vor allem der 40 Jahre DDR beitragenkönnen.

Zum anderen: Busses Werk weist alle Merkmale einer exzel-lenten Dissertation auf und ist darüber hinaus spannend zu le-sen. Es wäre eine Referenz ihm gegenüber, wenn eine deutscheUniversität diese Leistung mit einem Titel anerkennen und eh-

ren würde, die einer erfolgreichen klassischen Dissertation inaller Regel folgt.

4.

Felix Busse wird es mir schließlich nicht übel nehmen, wenn ich(nicht nur) als Bremer abschließend anrege, in der 2. Auflage aufSeite 656 nach Dr. Otto Dettmers und vor Dietrich von Wahlden Namen des von ihm als Präsident der Hanseatischen Rechts-anwaltskammer Bremen in den Jahren 1966–1968 übergange-nen Kollegen Hermann Wentzien in sein Werk einzufügen.

Aus der Arbeit der BRAK

Erfahrungsaustausch zur Fachanwaltsordnung –Berliner Empfehlungen 2009

Am 23. und 24. November 2009 diskutierten ca. 100 Vertreterzahlreicher Fachausschüsse der Rechtsanwaltskammern unterder Leitung von Rechtsanwältin Dr. Offermann-Burckart inten-siv über aktuelle Probleme im Zusammenhang mit der Anwen-dung und Auslegung der Fachanwaltsordnung. Die Aussprachemündete in die nachfolgend abgedruckten Empfehlungen.

Berliner Empfehlungen 2009

I. Einleitung

Bei den nachfolgend abgedruckten Beschlüssen wird unter-schieden zwischen Auslegungen zur bestehenden FAO bzw.Anregungen an BRAK und Rechtsanwaltskammern (II.) sowieAnregungen zur Änderung der FAO an die Satzungsversamm-lung (III.).

II. Auslegung

1. Anforderungen an Fernlehrgänge gemäß § 4 FAO unterbesonderer Berücksichtigung der 120 Zeitstunden

Fernlehrgänge können dann anerkannt werden, wenn aus denZeugnissen gemäß § 6 Abs. 2 FAO ersichtlich ist, dass das Zeit-volumen 120 Stunden entspricht und der Umrechnungsschlüs-sel aus den Unterlagen nachvollziehbar ersichtlich ist.1

2. Möglichkeit, nach § 4 Abs. 2 i.V.m. § 15 FAO nachzuwei-sende Fortbildung nachzuholen

Fortbildung im Sinne von § 4 Abs. 2 FAO kann nur inbestimmten Härtfällen nachgeholt werden. Härtefälle sindnur auf Antrag und bei entsprechendem Nachweis zu berück-sichtigen.

3. Fortbildungspflicht im Jahr der Antragstellung gemäß §§ 4Abs. 2, 15 FAO anteilig oder ganz am Jahresende?

Fortbildung nach § 4 Abs. 2 FAO ist für das Jahr der Antragstel-lung bis zum 31.12. nachzuweisen.

4. Festlegung des „Lehrgangsendes“ i.S.v. § 4 Abs. 2 FAO beinachgeschriebenen Klausuren

Der Fachlehrgang endet mit dem Schreiben der letzten bestan-denen Klausur. Das Datum der Teilnahmebescheinigung istnicht maßgeblich.

5. Erklärung über die persönliche und weisungsfreie Bearbei-tung i.S.d. § 5 Satz 1 FAO

In der Regel reicht zum Nachweis der persönlichen und wei-sungsfreien Bearbeitung der vorgelegten Fälle eine entspre-chende Erklärung des Antragstellers aus.

6. Abgrenzung gerichtlicher und außergerichtlicher Fälle

Gerichtliche Verfahren sind Verfahren, die bei Gericht anhän-gig geworden sind.

Als gerichtliche Verfahren gelten dementsprechend auch Fälle,die durch Strafbefehl erledigt werden, sowie gerichtlicheMahnverfahren.

7. Werden Mahnverfahren als gerichtliche Verfahren gewer-tet, und wie sind reine Mahnverfahren zu gewichten?

Bei Mahnverfahren ist typischerweise die Annahme gerechtfer-tigt, dass der entsprechende Fall von geringerer Bedeutung,geringerem Umfang und geringerer Schwierigkeit ist. Deshalbist eine Abgewichtung gerechtfertigt, sofern der Antragstellernicht Gegenteiliges darlegt.

8. Mehrfachverwertung fachübergreifender Fälle in der Fall-liste oder Verbrauch?

Derselbe Fall kann, soweit die in den einzelnen Buchstabendes § 5 Satz 1 FAO festgestellten Voraussetzungen erfüllt sind,zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen in biszu drei Fachgebieten verwendet werden.

9. Werden im Bau- und Architektenrecht das selbstständigeBeweisverfahren und das anschließende Hauptsacheverfah-ren als zwei Verfahren gewertet?

Im Bau- und Architektenrecht kann bei selbstständigemBeweisverfahren und anschließendem Hauptsacheverfahreneine höhere Gewichtung in Betracht kommen.

1 In ihrer 122. Sitzung am 3.12.2009 hat die Hauptversammlung derBundesrechtsanwaltskammer festgestellt, dass die mit diesem Be-schluss gefassten Anforderungen an Fernlehrgänge gemäß § 4 FAOunter besonderer Berücksichtigung der 120 Zeitstunden nicht aus-reichend sind.

Page 29: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Aus der Arbeit der BRAK 21

10. Anerkennung von Verfahren vor der Schiedsstelle nach§ 14 Urheberwahrnehmungsgesetz als gerichtliche Ver-fahren?

Verfahren vor der Schiedsstelle nach § 14 Urheberwahrneh-mungsgesetz gelten nicht als gerichtliche Verfahren.

11. Inwiefern wird die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Neben-klägervertreter oder Zeugenbeistand anerkannt?

Die Tätigkeit als Zeugenbeistand wird als Fall i.S.v. § 5 Satz 1lit. f) FAO anerkannt.Die Tätigkeit als Zeugenbeistand kann als Hauptverhandlungs-tag i.S.v. § 5 Satz 1 lit. f) FAO anerkannt werden.

12. Kann die Geltendmachung von Prämien im Mahnverfah-ren als versicherungsrechtlicher Fall angesehen werden?

Auch die Geltendmachung von Prämien für den Versicherergehört zum Versicherungsvertragsrecht und ist somit grundsätz-lich ein versicherungsrechtlicher Fall.Allerdings ist in diesen Fällen stets die Möglichkeit einer Abge-wichtung zu berücksichtigen.

13. Definition des rechtsförmlichen VerfahrensRechtsförmliche Verfahren sind Rechtsangelegenheiten, für diebestimmte gesetzlich festgelegte Verfahrens- oder Formvor-schriften existieren.Erbscheinsanträge sind rechtsförmliche Verfahren i.S.v. § 5Satz 1 lit. m) FAO.

14. Handhabung der Fortbildungsverpflichtung für Fachan-wälte

Fortbildung in einem Gebiet kann bei Überschneidung derThemen durch den Besuch eines Fachlehrgangs in einem ande-ren Gebiet nachgewiesen werden. „Doppelverwertung“ ist hierausnahmsweise möglich.

III. Anregungen zur Änderung der FAO an die Satzungsver-sammlung

1. QualitätsprüfungUnter Bezugnahme auf III. Ziff. 2. der Beschlüsse zum BerlinerErfahrungsaustausch 2006 wird der Satzungsversammlungerneut empfohlen klarzustellen, den Kammervorständen eineQualitätsprüfung im Sinne einer inhaltlichen Kontrolle der Vor-aussetzungen der Verleihung der Fachanwaltschaft zu ermög-lichen und auf die hierzu erforderliche Gesetzesänderung hin-zuwirken.

2. Ergänzung des § 14j Ziff. 2 FAO um das MusikvertragsrechtDer 7. Berliner Erfahrungsaustausch empfiehlt der Satzungsver-sammlung, in § 14j Ziff. 2 FAO das Musikvertragsrecht zuergänzen.

Stellungnahmen

Die nachfolgende Stellungnahme der BRAK kann im Internetunter www.brak.de/„Stellungnahmen“ abgerufen werden:Dezember 2009– Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (Nr. 32)

zum Referentenentwurf für eine Verordnung zur Einführungder elektronischen Aktenführung und zur Erweiterung deselektronischen Rechtsverkehrs bei dem Patentamt, dem Pa-tentgericht und dem Bundesgerichtshof

Presseerklärungen

Nr. 16 vom 4. Dezember 2009

Innenpolitik ist nicht gleich Rechtspolitik – Bundesrechtsan-waltskammer betont Notwendigkeit einer eigenständigen

Generaldirektion für Justiz in Europa

Bundesrechtsanwaltskammer, Berlin. Auf dem gestrigen parla-mentarischen Abend der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)betonte deren Präsident Axel C. Filges gegenüber der Bundes-justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und zahl-reichen Rechtspolitikern noch einmal die Wichtigkeit einereigenständigen Generaldirektion für Justiz in der EU-Kommis-sion. Kommissionspräsident Barroso hatte in der vergangenenWoche für die neue EU-Kommission erstmals jeweils eineKommissarin für die Innenpolitik und die Justizpolitik vorge-stellt, zwei Ressorts, die bisher von einem Kommissar verwaltetwurden. Allerdings soll die gemeinsame Generaldirektion„Innen und Justiz“ aufrecht erhalten werden.

„Wir haben in der Vergangenheit allzu oft gesehen, dass Innen-politik und Rechtspolitik eine völlig andere Zielrichtunghaben“, erklärt BRAK-Präsident Filges. „Bei der Innenpolitiksteht immer das grundsätzlich legitime Sicherheitsinteresse desStaates im Vordergrund. Die Rechtspolitik ist dagegen häufignotwendiges Korrektiv zur Wahrung der Bürger- und Men-schenrechte. In einer gemeinsamen Generaldirektion kann dieRechtspolitik diese Aufgabe nicht mehr wahrnehmen.“

Filges appellierte daher in seiner Rede an die Ministerin unddie Parlamentarier, die Zeit bis zur Ernennung der Kommissionzu nutzen, um sich in den europäischen Gremien für eineadministrative Trennung des Innen- und des Justizressort einzu-setzen und die neue Justizkommissarin Viviane Reding miteiner eigenen Generaldirektion auszustatten.

Nr. 17 vom 15. Dezember 2009

Kein Generalverdacht gegen die Bevölkerung –Bundesrechtsanwaltskammer bekräftigt Ablehnung

der Vorratsdatenspeicherung

Bundesrechtsanwaltskammer, Berlin. Anlässlich der heutigenmündlichen Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht inKarlsruhe bekräftigt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)erneut ihre Ablehnung einer anlasslosen Vorratsspeicherungvon Telekommunikationsdaten.

Dem Karlsruher Gericht liegen mehrere Verfassungsbeschwer-den vor, die sich gegen das Gesetz zur Neuregelung der Tele-kommunikationsüberwachung richten. In diesem Gesetz, dasin der vergangenen Legislaturperiode verabschiedet wurde, istunter anderem vorgesehen, dass Telekommunikationsdatenvon den Diensteanbietern sechs Monate lang gespeichert wer-den. Die Daten können dann unter bestimmten Voraussetzun-gen von den Behörden zur Strafverfolgung und Gefahren-abwehr abgerufen werden.

„Der Gesetzgeber hat hier dem Staat Kompetenzen eröffnet,die in erheblichem Widerspruch zu unseren verfassungsmäßi-gen Grundrechten stehen“, erläutert der Präsident der BRAKAxel C. Filges die Ablehnung der BRAK. „Bürger werden durchdie Vorratsdatenspeicherung unter einen Generalverdachtgestellt. Das Gesetz greift damit unverhältnismäßig in das Fern-meldegeheimnis und in das Recht der informationellen Selbst-bestimmung ein und verletzt den vom Bundesverfassungsge-richt wiederholt festgestellten absolut geschützten Kernbereichprivater Lebensgestaltung.“

Die 5. Sitzung der 4. Satzungsversammlung findet am 25./26. Juni 2010 in Berlin statt.

Page 30: BRAK Mitteilungen

22 Personalien/Pflichten und Haftung des Anwalts BRAK-Mitt. 1/2010

Das aktuelle Urteil

Verleihung der Ehrenmedaille derRechtsanwaltskammer Hamm an

Herrn Vizepräsidenten Rechtsanwalt undNotar a.D. Dr. Wilhelm Krekeler

In der Sitzung vom 9.12.2009 hat der Vorstand der Rechtsan-waltskammer Hamm Herrn Rechtsanwalt und Notar a.D. Dr.Wilhelm Krekeler aus Dortmund in Würdigung seiner besonde-ren Verdienste um den anwaltlichen Berufsstand und dieRechtsanwaltskammer sowie seiner langjährigen Ausübungvon Ehrenämtern in der Rechtsanwaltschaft die Ehrenmedailleder Rechtsanwaltskammer Hamm verliehen.

Herr Kollege Dr. Krekeler wurde im Januar 1964 zur Rechtsan-waltschaft zugelassen. Bereits wenige Jahre später, im April1973, wurde er Mitglied des Vorstandes der Rechtsanwalts-kammer. Hier war er von Mai 1973 bis Juli 1982 Mitglied undzeitweise Vorsitzender der Gebührenabteilung. Im Juli 1982wurde er in das Präsidium gewählt, dem er bis heute als Vize-präsident angehört. Darüber hinaus war er von 1997 bis 2001Mitglied und Vorsitzender des Fachanwaltsausschusses Straf-recht der Rechtsanwaltskammer Hamm.

Dr. Krekeler hat sich über die Kammertätigkeit hinaus berufs-rechtlich engagiert. So war er von 1974 bis 2003, also fast 30Jahre lang, Mitglied des Strafrechtsausschusses der Bundes-rechtsanwaltskammer und daneben langjähriges Mitglied desStrafrechtsausschusses des DAV. Mit Gründung der Arbeitsge-

meinschaft Strafrecht des DAV im Mai 1994 wurde er bis zumJahre 2006 Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses undim selben Jahr wegen seiner besonderen Verdienste zum(ersten) anwaltlichen Ehrenmitglied der ArbeitsgemeinschaftStrafrecht im DAV ernannt. Darüber hinaus war er ein langjäh-riges Mitglied des gemeinsamen Prüfungsamtes der LänderHessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland undThüringen. Nach wie vor ist er als renommierter Strafrechtler indie Fortbildungsveranstaltungen der RechtsanwaltskammerHamm sowie in vielfältige weitere Lehrtätigkeiten eingebun-den, wie etwa als ständiger Dozent der Deutschen Anwaltsaka-demie, des Deutschen Anwaltinstituts, der ArbeitsgemeinschaftStrafrecht des DAV sowie der Universitäten Bielefeld undHagen. Nicht zuletzt ist er hervorgetreten als Mitherausgeberfachspezifischer Zeitschriften, wie etwa der ‚Praxis Steuerstraf-recht‘, ‚Strafverteidiger Forum‘ und ‚wistra‘ – Zeitschrift fürWirtschafts- und Steuerstrafrecht. Seine fachspezifischen Veröf-fentlichungen reichen von „Unternehmer- und Strafrecht“ überdie „Strafverteidigung in der Praxis“, die „Verteidigung in Wirt-schaftsstrafsachen“ bis hin zur Mitherausgeberschaft beim„Anwalt-Kommentar StPO“.

In Anerkennung seiner besonderen Verdienste wurde HerrnKollegen Dr. Krekeler im Jahre 1988 das Verdienstkreuz amBande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschlandverliehen. Im Wege der Höherstufung hat er dann im Jahre2006 das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens derBundesrepublik Deutschland erhalten.

Mitteilung der Rechtsanwaltskammer Hamm

Personalien

Pflichten und Haftung des Anwalts

Rechtsanwältin Antje Jungk und Rechtsanwalt Bertin Chab,Allianz Versicherungs-AG, München,

Rechtsanwalt Holger Grams

Das aktuelle Urteil

Hinweispflicht auf Anzeigeobliegenheiten gegenüber Haft-pflichtversicherer bei Mandat zur Abwehr von Haftpflicht-ansprüchen

Der Anwalt ist in einem Mandat zur Abwehr von Haftpflicht-ansprüchen (hier: Zahnarzthaftung) verpflichtet, den Mandantenüber dessen Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige des Versi-cherungsfalls an den Haftpflichtversicherer und über die mögli-che Konsequenz von Obliegenheitsverletzungen (vollständigerVerlust des Versicherungsschutzes) hinzuweisen. Dies gilt auchdann, wenn der Anwalt keine positive Kenntnis hat, ob der Man-dant haftpflichtversichert ist.

OLG Köln, Beschl. v. 12.10. und 16.11.2009 – 5 U 57/09

Besprechung:

Der Kläger, ein Zahnarzt, verlangt vom beklagten Anwalt Scha-densersatz wegen unzureichender Beratung. Er war von einemehemaligen Patienten im Juli 2003 zur Herausgabe der Patien-tenunterlagen und im März 2004 mit Anwaltsschreiben zumSchadensersatz wegen fehlerhafter Zahnbehandlung und zurBekanntgabe seines Haftpflichtversicherers aufgefordert wor-den. Daraufhin wandte sich der Kläger an den Beklagten. Die-ser wies die Haftpflichtansprüche zurück. Die Einschaltung desHaftpflichtversicherers unterblieb. Im März 2005 forderte derPatient vom Kläger erneut die Herausgabe der Behandlungsun-terlagen, was dieser tat. Im Juni 2006 machte der Patient durchAnwaltsschreiben unter Fristsetzung und Klageandrohungerneut Schmerzensgeld- und Kostenerstattungsansprüche fürkünftige Behandlungen geltend; diese wies der Beklagte erneutzurück und erhob die Einrede der Verjährung.

Page 31: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Pflichten und Haftung des Anwalts 23

Rechtsprechungsleitsätze

In dem anschließenden Arzthaftungsprozess ließ sich derZahnarzt anderweitig anwaltlich vertreten und verkündete demersten Anwalt den Streit. Der Zahnarzt wurde zur Zahlung von10.000 EUR Schmerzensgeld verurteilt; außerdem wurde fest-gestellt, dass er dem Patienten sämtliche materiellen Schädenersetzen müsse. Erst jetzt erfolgte die Einschaltung der Arzthaft-pflichtversicherung. Diese lehnte eine Eintrittspflicht wegenVerletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige desVersicherungsfalls ab (§ 5 Nr. 2 AHB). Der Zahnarzt schlossschließlich mit dem Versicherer einen außergerichtlichenAbfindungsvergleich, wonach der Versicherer eine Leistungvon 12.000 EUR erbrachte. Der Patient machte danach gegenden Zahnarzt Behandlungskosten in fünfstelliger Höhe geltend.

Der Zahnarzt machte nun im Anwaltshaftungsprozess geltend,der beklagte Anwalt hätte ihn darauf hinweisen müssen, dassnach § 5 Nr. 2 AHB die Obliegenheit zur unverzüglichenAnzeige eines Versicherungsfalls bestehe und dass im Falleeiner Verletzung der Versicherungsschutz vollständig entfallenkönne. Der Anwalt wandte ein, der Mandant habe beiAnspruchserhebung durch den Patienten nicht gewusst, ob erüberhaupt eine Haftpflichtversicherung habe, habe abererklärt, er werde für den Fall, dass eine Versicherung bestehe,dieser selbst Meldung machen. Er, der Anwalt, habe keineKenntnis gehabt, dass eine Versicherung bestehe. Bei seinerpersönlichen Anhörung durch das Gericht in I. Instanz sagteder Anwalt aus, er habe dem Mandanten mitgeteilt, dass dieVersicherung informiert werden müsse und dass andernfalls„persönliche Konsequenzen“ auf ihn zukämen. Mit nicht nach-gelassenem Schriftsatz trug der Anwalt nach Schluss der münd-lichen Verhandlung ergänzend vor, er habe den Mandantendarauf hingewiesen, dass der Versicherer seine Eintrittspflichtablehnen könne, wenn er nicht über den Fall informiert werde.

Das Landgericht gab der Schadensersatzklage des Mandantenüberwiegend statt. Der nicht nachgelassene neue Sachvortragdes Anwalts wurde vom Gericht gem. § 296a ZPO nichtberücksichtigt. Trotz Nachfrage des Gerichts bei der persönli-chen Anhörung habe der Anwalt dort die später behaupteteBelehrung des Mandanten nicht vorgetragen. Soweit der Sach-vortrag des Anwalts zu berücksichtigen sei, ergebe sich bereitsaus diesem eigenen Vortrag, den sich der Kläger hilfsweise zueigen gemacht hatte, eine anwaltliche Pflichtverletzung desBeklagten. Es sei nicht ausreichend, den Mandanten lediglichallgemein auf mögliche „persönliche Konsequenzen“ hinzu-weisen. Es bleibe unklar, was darunter zu verstehen sei, undgenüge nicht, um dem Mandanten den drohenden Verlust desVersicherungsschutzes vor Augen zu führen. Dem Mandantenkomme für den Fall einer ordnungsgemäßen Belehrung dieVermutung beratungsgemäßen Verhaltens zugute. Der Anwalthabe auch fehlerhaft die Arzthaftungsansprüche als verjährtangesehen.

Das OLG wies die Berufung des Anwalts durch Beschluss gem.§ 522 Abs. 2 ZPO nach vorausgegangenem Hinweis zurück.Der Vortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung sei zuRecht nicht berücksichtigt worden. Das LG sei zu Recht davonausgegangen, dass die nach dem berücksichtigungsfähigenVortrag des Anwalts erfolgte Belehrung des Mandanten durchden Anwalt unzureichend gewesen sei und nicht den Anforde-rungen der ständigen Rechtsprechung an eine „umfassendeund erschöpfende Belehrung“ genüge. Er hätte konkret auf denmöglichen vollständigen Verlust des Versicherungsschutzeshinweisen müssen.

Jedenfalls nach dem Anspruchsschreiben vom März 2004 seidie Unterlassung der Unterrichtung des Haftpflichtversicherers

als vorsätzliche Obliegenheitsverletzung mit der Folge der Leis-tungsfreiheit des Versicherers gem. §§ 5 Nr. 2, 6 AHB, § 6Abs. 3 VVG a.F. zu bewerten. Nach dem Sachvortrag desAnwalts, den sich der Mandant hilfsweise zueigen gemachthatte, stehe fest, dass der Mandant auf die Notwendigkeit einerSchadensanzeige hingewiesen worden sei, wenn auch ohneausreichende Rechtsfolgenbelehrung. Der Abschluss desDeckungsvergleichs durch den Kläger mit seinem Haftpflicht-versicherer sei daher vertretbar gewesen.

Es könne den Anwalt nicht entlasten, dass er nach seinem Vor-trag nicht gewusst habe, ob der Mandant überhaupt eine Versi-cherung hatte; er hätte den Mandanten unabhängig davon voll-ständig belehren müssen. Hinzu komme, dass dem Senatbekannt sei, dass Zahnärzte „zumindest regelmäßig“ berufs-haftpflichtversichert seien. Das Bestehen einer Versicherung seidaher nicht bloß hypothetisch, sondern „äußerst wahrschein-lich“ gewesen.

Ein Mitverschulden sei dem Mandanten aufgrund der unterlas-senen Schadensanzeige nicht zuzurechnen, da der Anwalt die-sen ja gerade über den drohenden Verlust des Versicherungs-schutzes habe belehren müssen.

Die Bewertung des OLG, der bloße Hinweis auf mögliche„persönliche Konsequenzen“ stelle keine umfassende underschöpfende Belehrung über mögliche Nachteile dar, ist fürsich genommen vertretbar. Vor dem Hintergrund des Vortragsdes Anwalts, der Mandant habe zugesagt, das Bestehen einerVersicherung zu überprüfen und diese gegebenenfalls zu unter-richten, stellt sich jedoch schon die Frage, ob eine weiterge-hende Beratung überhaupt erforderlich war, da der Anwalt auf-grund der Zusage des Mandanten davon ausgehen durfte, dassdie Anzeigeobliegenheit gewahrt werde. Dieser Frage ist dasOLG nicht ausreichend nachgegangen.

Nicht mehr vertretbar erscheint die Verneinung eines Mitver-schuldens des Mandanten. Wenn der Senat als Sachverhaltzugrunde legt, dass der Anwalt über die Anzeigeobliegenheitbelehrt hat und dem Mandanten daher im Versicherungsver-tragsverhältnis bezüglich der Obliegenheitsverletzung Vorsatzzur Last gelegt werden konnte, hätte diese Bewertung ange-sichts bloßer Fahrlässigkeit des Anwalts bezüglich der unzurei-chenden Rechtsfolgenbelehrung nicht ohne Auswirkungen hin-sichtlich der Frage eines Mitverschuldens bleiben dürfen.

Wäre die Obliegenheitsverletzung nur als grob fahrlässig anzu-sehen, hätte gegenüber der Versicherung der Kausalitätsgegen-beweis geführt werden können, dass die verspätete Anzeigesich nicht ursächlich auf das Urteil im Arzthaftungsprozess aus-gewirkt hat.

Rechtsanwalt Holger Grams

Rechtsprechungsleitsätze

Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs

Für die Frage der Unterbrechung des Zurechnungszusammen-hangs durch Handlungen des Mandanten lassen sich die zumAbschluss eines zivilrechtlichen Vergleichs entwickelten Recht-sprechungsgrundsätze in der Beraterhaftung auch auf das Zustan-dekommen einer tatsächlichen Verständigung im Verfahren vordem Finanzamt übertragen. Auch hier kommt es darauf an, ob die

Haftung

Page 32: BRAK Mitteilungen

24 Pflichten und Haftung des Anwalts BRAK-Mitt. 1/2010

Rechtsprechungsleitsätze

Abrede als eine vernünftige Reaktion im Sinne der vorgenanntenRechtsprechungsgrundsätze anzusehen ist. (eigener Leitsatz)

BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZR 237/06

Anmerkung:

Wird durch eine pflichtwidrige Beratung oder Vorgehensweisedes Rechts- oder Steuerberaters eine für den Mandantenungünstigere Position geschaffen, so steckt der Mandant ineinem Dilemma: Einerseits ist er gehalten, den zu befürchten-den Schaden möglichst gering zu halten, andererseits vereitelter sich selbst dadurch eventuell die Möglichkeit, z.B. durcheine gerichtliche Entscheidung Pflichtverletzung und Schadendarlegen zu können.

Die Rechtsprechung betrachtet daher solche Bemühungen,eine unsichere Situation durch eine vergleichsweise Einigungzu beseitigen, grundsätzlich als adäquat und sieht denZurechnungszusammenhang zwischen anwaltlicher Pflicht-verletzung und Schaden als gegeben an, wenn die Maßnahmeeine vernünftige Reaktion darstellt. Unterlässt der Mandanthingegen eine schadensmindernde Maßnahme, so entfällt derZurechnungszusammenhang zwischen Anwaltsfehler undSchaden.

Hier waren Unsicherheiten im Rahmen eines Betriebsprüfungs-verfahrens aufgetreten, welche letztlich durch eine „Verständi-gung“ beseitigt werden konnten. Der BGH sieht hierin einevergleichbare Situation, da auch hier die rechtliche Auseinan-dersetzung durch fehlerhafte Beratung beeinträchtigt war. DerZurechnungszusammenhang wurde daher nicht unterbrochen.Bei der Schadensberechnung ist dann allerdings darauf zu ach-ten, dass nur der Differenzbetrag zwischen dem erzieltenErgebnis und dem ohne den Vergleichsschluss erzielbarenErgebnis als Schaden in Betracht kommt.

Rechtsanwältin Antje Jungk

Faksimile-Stempel ersetzt Unterschrift unter bestimmen-dem Schriftsatz unter keinen Umständen

1. Ein Faksimile-Stempel der Unterschrift eines Prozessbevoll-mächtigten unter einem Berufungsbegründungsschriftsatz genügtnicht den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO.

2. Die Vorschrift enthält trotz der Verwendung der Worte „sollenenthalten“ ein zwingendes Erfordernis der eigenhändigen Unter-schriftsleistung.

3. Die gesetzlichen Ausnahmen hiervon in § 130 Nr. 6 Alt. 2, in§§ 130a und 130b ZPO sowie die Einschränkungen, die durch dieRechtsprechung gemacht wurden, zwingen nicht dazu, die eigen-händige Unterschrift durch einen Faksimile-Stempel ersetzbar zuhalten.

(Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)

BAG, Urt. v. 5.8.2009 – 10 AZR 692/08 (LAG München)

Anmerkung:

Der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers hatte seineBerufungsbegründungsschrift im heimischen Büro fertiggestellt,anschließend seiner Sekretärin in die Kanzlei übermittelt unddiese angewiesen, den Schriftsatz mit dem dort vorgehaltenenFaksimilestempel der Unterschrift zu versehen und abzusen-den. Dieser Stempel war nur der Sekretärin und dem Anwalt

selbst zugänglich; er durfte nur aufgrund konkreter Einzelwei-sung benutzt werden. Das LAG wies die so begründete Beru-fung als unzulässig zurück, das BAG bestätigte die Entschei-dung. Es hält grundsätzlich daran fest, dass bestimmendeSchriftsätze eigenhändig vom Prozessbevollmächtigten zuunterzeichnen seien. Die Formulierung des § 130 Nr. 6 ZPOsei bzgl. des Unterschriftserfordernisses als „müssen“ zu inter-pretieren, auch wenn es dort „sollen“ heißt.

Die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen träfenhier nicht zu. Sowohl das BGB in den §§ 126 und 126a alsauch die ZPO würden zwischen Schriftform und elektronischerForm unterscheiden. Wenn Schriftform vorgeschrieben sei,genüge die Aufzeichnung als elektronisches Dokument nurdann, wenn dieses für die Bearbeitung durch das Gerichtgeeignet sei. Wenn aber – wie hier – die Übertragung in derherkömmlichen Übersendung per Post gewählt würde, müsseman sich auch an die dafür normierten Voraussetzungen hal-ten. Die Ausnahmen, die die Rechtsprechung für diese Über-mittlungsart gefunden habe, träfen in ihren Voraussetzungenfür den Faksimile-Stempel nicht zu. Soweit man eine einge-scannte Unterschrift zulasse, wenn der Schriftsatz unmittelbarund ohne Papierausdruck als Computerfax ans Gericht gesandtwerde, sei dies dem Umstand geschuldet, dass hier eine Unter-schrift tatsächlich nicht möglich sei. Es liege damit eine sach-gerechte Differenzierung vor, wie es das BVerfG, NJW 2007,3117 auch verdeutlicht habe. Statt den Faksimile-Stempel zuverwenden, hätte der Anwalt im vorliegenden Fall auch dieMöglichkeit gehabt, den Schriftsatz in sein Büro zu senden undvon einem der ca. 30 dort ansässigen Kollegen unterschreibenzu lassen oder sogar gleich an den Gerichtsort zu schicken, woweitere ca. 57 in der Kanzleigemeinschaft tätige Anwälte fürdie ordnungsgemäße Unterzeichnung nach nochmaliger Über-prüfung hätten sorgen können.

Die Unterschrift soll dazu dienen, den Urheber zu identifizie-ren, und den unbedingten Willen des Prozessbevollmächtigtendokumentieren, die Verantwortung für den Schriftsatz zu über-nehmen. Mit ihr soll weiterhin sichergestellt werden, dass dasSchreiben nur mit Wissen und Wollen des Unterzeichnendenans Gericht gelangt. Man kann trefflich darüber streiten, obdiese Ziele einerseits erreicht werden können, indem man dieeingescannte Unterschrift beim Computerfax zulässt, manandererseits aber den Faksimilestempel als taugliches Mittelablehnt. Im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel wird esohnehin immer fraglicher, ob die Unterschrift noch die Gewährfür die zugesprochenen Eigenschaften bieten kann. Anderer-seits ist dem BAG darin zuzustimmen, dass man sehr wohl dieFrage stellen darf, wozu es denn überhaupt eines Faksimile-stempels bedarf, wenn genügend andere zugelassene Übertra-gungsformen gewählt werden können; insoweit ist die weitereAufweichung des Unterschriftserfordernisses in der Tat nichtdurch Sachzwänge zu rechtfertigen.

Für die Anwaltschaft bleibt also nur, sich auch an diese Vorga-ben zu halten. Noch weiter: Das LAG als Berufungsgerichthatte geäußert, dass es im Hinblick auf die zwischenzeitlicheingetretene Rechtsänderung in der ZPO zweifelhaft sei, obman mit dem GmS OGB (NJW 2000, 2340) noch ein Compu-terfax mit eingescannter Unterschrift zulassen könne. Das liefedarauf hinaus, dass bei Verwendung elektronischer Übermitt-lungstechniken (zu denen das Telefax von einem herkömmli-chen Faxgerät aus nicht zählt) eben nur die gesetzlich nor-mierten Möglichkeiten unter den dort bestimmten Vorausset-zungen zur Verfügung stehen und bei herkömmlicher Über-mittlung auch die althergebrachten Voraussetzungen, insbe-sondere eigenhändige Unterschrift, vorliegen müssen. Wersichergehen will, schickt wohl besser kein Computerfax mit

Fristen

Page 33: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Pflichten und Haftung des Anwalts 25

Rechtsprechungsleitsätze

eingescannter Unterschrift mehr ans Gericht. Der Faksimile-stempel sollte bestenfalls noch für die Weihnachtskarten zumEinsatz kommen.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Weisung bezüglich Faxnummer

Die Anweisung, als Telefaxnummer in erster Linie diejenige zubenutzen, die von dem erkennenden Gericht in seinem letztenübermittelten Schriftstück angegeben worden ist und erst falls einsolches Schriftstück nicht vorhanden ist, die im Gerichtsverzeich-nis genannte Faxnummer zu verwenden, bietet keine ausrei-chende Gewähr dafür, dass die Telefaxnummer des angeschriebe-nen Gerichts verwendet wird, da sich nicht hinreichend klar ent-nehmen lässt, ob das „erkennende“ Gericht das Gericht ist, des-sen Entscheidung angegriffen wird, oder das Gericht, das dieseEntscheidung überprüfen soll. (eigener Leitsatz)

BGH, Beschl. v. 11.11.2009 – XII ZB 117/09

Anmerkung:

Die Berufung war zutreffend an das Oberlandesgericht adres-siert worden, nur hatte die Büromitarbeiterin statt der Faxnum-mer des OLG diejenige des erstinstanzlichen Landgerichts ein-getragen und den Schriftsatz sodann dorthin gefaxt. Wie meis-tens in diesen Fällen, geschah dies am Tag des Fristablaufs, sodass die Weiterleitung an das OLG am nächsten Tag zu spätkam.

Der Senat bemängelt die im Leitsatz genannte Anweisung inder Kanzlei des Prozessbevollmächtigten, da diese nicht hinrei-chend klar mache, ob die Telefaxnummer des Gerichts, dessenEntscheidung angegriffen wird, oder des Gerichts, das dieseüberprüfen soll, die maßgebliche ist.

Man kann dem Senat zustimmen, dass die Bezeichnung„erkennendes Gericht“ gerade in dem Zeitraum zwischen zweiInstanzen durchaus mehrdeutig ist. Andererseits geht es ja hiernicht um die Auswahl des Gerichts selbst, sondern nur um dasHeraussuchen der Faxnummer zu einem Gericht, das bereitsals Empfänger im Adressfeld des Schriftsatzes genannt ist. Dassdie Faxnummer dann eine dem Empfänger zuzuordnende seinmuss, liegt an sich klar auf der Hand und dürfte im Regelfallkeine Überforderung der Mitarbeiter darstellen. Man hätte die-sen Denkfehler daher ebenso gut als „menschliches Versagen“einordnen und Wiedereinsetzung gewähren können.

Rechtsanwältin Antje Jungk

Faxversand zur Fristwahrung kurz vor Mitternacht

1. Anders als bei der Entnahme von Postsendungen aus einemNachtbriefkasten des Gerichts bekundet der Beamte, der den Ein-gangsstempel auf einem Telefaxausdruck anbringt, keinen persön-lich beobachteten Vorgang, der den Zeitpunkt des Eingangs voroder nach Mitternacht belegen könnte.

2. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines perTelefax übersandten Schriftsatzes kommt es auf den vollständigenEmpfang (Speicherung) der elektronischen Daten, nicht auf denZeitpunkt des Ausdrucks an.

3. Wegen der technischen Vergleichbarkeit der Übertragungs-techniken werden insoweit die Grundsätze der für elektronischeDokumente geltenden Regelung in § 130a Abs. 3 ZPO entspre-chend herangezogen, so dass eine Frist gewahrt ist, wenn die vomAbsenderfax gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten

Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfan-gen (gespeichert) worden sind.

BGH, Beschl. v. 15.9.2009 – XI ZB 29/08

Anmerkung:

Der Anwalt hatte gegen ein für den Mandanten negatives Urteilfristgerecht Berufung eingelegt. Die verlängerte Berufungsbe-gründungsfrist lief am 7.2.2008 ab. Am 7.2.2008 sandte derAnwalt die Berufungsbegründung per Telefax an das Beru-fungsgericht, wobei er den Schriftsatz auf zwei Sendevorgängeaufteilte. Die erste Sendung mit den Seiten 1 bis 8 des Schrift-satzes hat nach dem Journal des gerichtlichen Telefaxgeräts um23:55 Uhr begonnen und 1 Minute 59 Sekunden gedauert. DerBeginn der zweiten Sendung mit den Seiten 9 bis 14, denen dieSeite 14 vorangestellt war, wurde vom Telefaxgerät des Beru-fungsgerichts mit 23:59 Uhr und die Dauer der Übertragungmit 1 Minute 26 Sekunden aufgezeichnet. Die von demgerichtlichen Telefaxgerät empfangenen Daten wurden in des-sen internem Speicher abgelegt und erst später ausgedruckt.Das Journal des Telefaxgeräts, das der Anwalt für die Absen-dung der Berufungsbegründung benutzte, weist für die zweiteSendung als Anfangszeit 23:58 Uhr und eine Übertragungs-dauer von 1 Minute 16 Sekunden aus.

Der Anwalt machte geltend, aus den im Faxjournal des Beru-fungsgerichts festgehaltenen Verbindungsdaten lasse sich ent-nehmen, dass vor Ende des 7.2.2008 jedenfalls die Seite 14,die die Unterschrift des Anwalts trage, an das Gericht übermit-telt worden sei. Diese Seite erfülle zusammen mit den zuvorübersandten Seiten 1 bis 8 die Voraussetzungen einer wirksa-men Berufungsbegründung. Das OLG verwarf die Berufunggleichwohl als unzulässig.

Der BGH verwarf auch die dagegen gerichtete Rechtsbe-schwerde als unzulässig. Die Sache habe keine grundsätzlicheBedeutung, eine Entscheidung des BGH sei auch nicht zurSicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich(§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung des OLG stehe im Ein-klang mit der BGH-Rechtsprechung.

Der Berufungskläger trage die Beweislast für die Rechtzeitigkeitdes Eingangs der Berufungsbegründung. Der Eingangsstempeldes Gerichts mit dem Datum 7.2.2008 habe jedoch insofernkeine Beweiskraft. Zwar stelle der gerichtliche Eingangsstempelgrundsätzlich eine öffentliche Urkunde dar. Hier stehe jedochfest, dass der Schriftsatz erst am 8.2. ausgedruckt worden sei.Dem Stempel liege, anders als bei der Entnahme aus demNachtbriefkasten, keine unmittelbare eigene Wahrnehmungdes für den Posteingang zuständigen Gerichtsbeamtenzugrunde.

Der Berufungskläger habe entgegen der Anforderung derRechtsprechung (BGH, WM 2004, 648) und trotz Hinweiseskeinen Einzelverbindungsnachweis des Telekommunikations-anbieters vorgelegt, so dass das OLG keine Veranlassung zueiner weiteren Aufklärung des Sendezeitpunkts gehabt habe.

Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines perTelefax übersandten Schriftsatzes kommt es auf den vollständi-gen Empfang (Speicherung) der elektronischen Daten, nicht aufden Zeitpunkt des Ausdrucks an. Wegen der technischen Ver-gleichbarkeit der Übertragungstechniken seien insoweit dieGrundsätze der für elektronische Dokumente geltenden Rege-lung in § 130a Abs. 3 ZPO entsprechend heranzuziehen, sodass eine Frist gewahrt sei, wenn die vom Absenderfax gesen-deten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vomTelefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert)worden seien (BGHZ 167, 214).

Page 34: BRAK Mitteilungen

26 Pflichten und Haftung des Anwalts BRAK-Mitt. 1/2010

Rechtsprechungsleitsätze

Dabei habe das Berufungsgericht nicht übersehen, dass derZulässigkeitsprüfung auch Teile eines Schriftsatzes zugrunde zulegen seien, soweit diese innerhalb der Frist eingegangen seien(BGH, NJW-RR 2005, 793). Die Seiten 1 bis 8 der Berufungsbe-gründung, die mit dem ersten Übertragungsvorgang vor Mitter-nacht beim OLG eingegangen seien, reichten jedoch zur Wah-rung der Begründungsfrist schon deswegen nicht aus, weil sienicht die nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO erforderlicheUnterschrift des Prozessbevollmächtigten der Beklagten trügen(vgl. BGH, NJW 2005, 2086).

Dass die Datei, die die Daten aller Seiten der zweiten Telefax-sendung und damit auch die Kopie der von dem Prozessbevoll-mächtigten unterschriebenen Seite 14 der Berufungsbegrün-dung enthalten habe, vor Mitternacht vollständig vom Emp-fangsgerät des OLG gespeichert worden sei, stehe gerade nichtfest. Vielmehr sei diese Datei erst am Folgetag zwischen00:00:26 und 00:01:25 Uhr im Datenspeicher des gerichtli-chen Faxgeräts abgelegt worden. Erst damit seien die gesamtenanalogen Signale der zweiten Telefaxübertragung vom Emp-fangsgerät vollständig aufgenommen und nach Verarbeitung alsabrufbare digitale Datei auf den internen Datenspeicher desGerätes geschrieben worden.

Rechtsanwalt Holger Grams

Verlängerung der Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG istunwirksam

1. Eine Verlängerung der Begründungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2WEG sieht das Gesetz nicht vor; eine nach der höchstrichterli-chen Klärung dieser Frage bewilligte Fristverlängerung ist unwirk-sam.

2. Sind die Fristen des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gewahrt, ist ledig-lich zu prüfen, ob ein Rechtsfehler vorliegt, der den Bestand desangegriffenen Beschlusses berührt; zwischen Anfechtungs- undNichtigkeitsgründen (§ 23 Abs. 4 WEG) braucht dann nicht unter-schieden zu werden.

BGH, Urt. v. 2.10.2009 – V ZR 235/08 (LG Dessau-Roßlau)

Anmerkung:

Die Entscheidung ist zusammen mit dem Urteil des gleichenSenats vom 16.1.2009 – V ZR 74/08 – zu lesen. Dort entschiedder BGH, dass es sich bei § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG um einemateriellrechtliche Ausschlussfrist handelt. Die Verlängerungder Begründungsfrist entspräche damit einem privatrechtsge-staltenden Eingriff zu Lasten der anderen Partei und bedürfe alssolche einer Ermächtigung, an der es hier fehle. Das Gesetzordnet in § 46 Abs. 1 Satz 3 WEG lediglich eine Regelung an,die der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entspricht.

Der Gesetzgeber habe sich bei der Ausgestaltung der Anfech-tungsklage im WEG an der aktienrechtlichen Anfechtungsklageorientiert. Es entspreche ständiger Rechtsprechung des BGH,dass der Kläger dort zur Vermeidung des materiellrechtlichenAusschlusses innerhalb der Anfechtungsfrist zumindest denwesentlichen Kern der Gründe vortragen müsse, auf die erseine Anfechtung stütze. Auch das WEG möchte – so dieBegründung durch den BGH weiter – den zeitnahen Eintritt derBestandskraft anfechtbarer Beschlüsse und damit die ordnungs-gemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentumsgewährleisten, indem der Verwalter alsbald Klarheit hat. Rich-terliches Ermessen über die Fristen stünde diesem Gedankenentgegen. Die Wiedereinsetzung hingegen komme nur inbegründeten Ausnahmefällen zum Tragen und sei allein an dasVorliegen gesetzlicher Voraussetzungen geknüpft.

Allerdings entfalte die richterlich verfügte Fristverlängerungtrotz dieses Befundes und entgegen der Annahme des Beru-fungsgerichts durchaus Rechtswirkungen. Die Prozessparteidürfe grundsätzlich von der Wirksamkeit der Fristverlängerungeines rechtzeitig vor Fristablauf gestellten Antrags ausgehen.Dies gelte nur dann nicht, wenn die Verlängerung schlechthinund offensichtlich ausgeschlossen war. Das sei hier aber nichtder Fall gewesen. Das Amtsgericht habe nämlich die Verlänge-rung bereits am 20.9.2007 und damit vor der Senatsentschei-dung vom 16.1.2009 zur materiellrechtlichen Einordnung derFrist bewilligt. Seinerzeit sei es durchaus vertretbar gewesen,von dieser Möglichkeit auszugehen. Der BGH sieht die Fristdamit für den konkreten Fall als gewahrt an. Aus heutiger Sichtwäre es nach der Klärung durch den BGH allerdings falsch,eine Verlängerung zu beantragen. Mit der Bewilligung kannnicht mehr gerechnet werden; selbst wenn noch ein Gericht inVerkennung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Frist-verlängerung verfügen würde, könnte sie keine Wirkung entfal-ten, denn nunmehr muss der Klagepartei klar sein, dass siekeine Rechtswirkungen mehr entfalten wird.

Die Anfechtungsklage ist also innerhalb eines Monats zu erhe-ben und muss unbedingt binnen zweier Monate begründetwerden.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Übergangsrecht Familiensachen

Wurde ein Verfahren vor dem 1.9.2009 beim Familiengericht ein-geleitet, ist für das nachfolgende Rechtsmittelverfahren allein dasalte Recht maßgebend.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.10.2009 – 18 UF 233/09

Anmerkung:

Geänderte Verfahrensvorschriften sind gerade im Übergangs-zeitraum kritisch, da man sie zuweilen übersieht oder missver-steht. Erschwert wird die Einhaltung der Vorschriften auchdadurch, dass regelmäßig bei Inkrafttreten der neuen Vorschrif-ten die entsprechende Fachliteratur noch rar ist.

Hier ging es um die Frage, ob eine Beschwerde gegen einenBeschluss vom 18.8.2009 über das Aufenthaltsbestimmungs-recht nach altem Recht an das OLG oder nach neuem Recht(§ 64 FamFG) an das Ausgangsgericht zu richten war. Das OLGmeint hierzu, dass eine fristgerechte Einlegung der Beschwerdebeim Ausgangsgericht nach § 64 FamFG nicht möglich war, daauch in Fällen, in denen ein Verfahren in Familiensachen ersterInstanz vor dem 1.9.2009 eingeleitet, eine Beschwerde aberfristgerecht noch nach dem 1.9.2009 möglich war, nicht dasneue FamFG, sondern das alte Recht gilt. Diese Rechtsauffas-sung des Senats stehe in Übereinstimmung mit der nahezu ein-heitlichen Meinung der bislang hierzu veröffentlichten Litera-tur.

Die Prozessbevollmächtigte hatte allerdings Wiedereinsetzungbeantragt, da ein namhafter Kommentar (Prütting/Helms) diegegenteilige Ansicht vertrat und auch im Rahmen einerAnwaltsfortbildung diese Meinung nachdrücklich vertretenworden sei. Der Senat zeigte sich gnädig und bewilligte wegeneines unverschuldeten Rechtsirrtums Wiedereinsetzung in denvorigen Stand. „Glück gehabt“…

Rechtsanwältin Antje Jungk

Verfahrensrecht

Page 35: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Berufsrechtliche Rechtsprechung 27

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Syndikusanwalt – Zur Anerkennung besonderer praktischerErfahrungen

FAO § 5, § 6; BRAO § 215 Abs. 31. Eine persönliche Bearbeitung i.S.v. § 5 FAO liegt nur vor, wennsich der RA – etwa durch Anfertigung von Vermerken und Schrift-sätzen oder die Teilnahme an Gerichts- und anderen Verhandlun-gen – selbst mit der Sache inhaltlich befasst hat.

2. Eine persönliche Bearbeitung in diesem Sinne hat der RA in derForm des § 6 FAO nachzuweisen, soweit er nicht durch Verwen-dung eines eigenen Briefkopfs oder in ähnlicher Weise nachaußen als Bearbeiter in Erscheinung tritt.

3. Bei einem Syndikusanwalt können Fallbearbeitungen berück-sichtigt werden, die er als Syndikus erbracht hat, wenn sie imÜbrigen den Vorgaben der Norm entsprechen, in erheblichemUmfang der selbstständigen anwaltlichen Tätigkeit entstammenund insgesamt bei wertender Betrachtung die praktische Erfah-rung vermitteln, die die Führung der Fachanwaltsbezeichnung beidem anwaltliche Beratung und Vertretung suchenden Publikumerwarten lässt.

4. Der Senat für Anwaltssachen des BGH entscheidet vom1.9.2009 an auch in Altverfahren in der seitdem maßgeblichenverkleinerten Besetzung.

BGH, Beschl. v. 4.11.2009 – AnwZ (B) 16/09

Aus den Gründen:

[1] I. Der Ast. ist seit dem 1.4.1998 bei einem Unternehmender Versicherungsgruppe H. (fortan Versicherung) im Bereich„Allgemeine Haftpflicht“ beschäftigt und bearbeitet dort in derzentralen Rechtsabteilung Großschäden und Prozesse. Nachseinen Angaben umfasst seine Tätigkeit in erster Linie die Bera-tung und Prozessvertretung von Versicherten des Unterneh-mens, soweit sie von Dritten in Anspruch genommen werden.Neben dieser Tätigkeit ist der Ast. seit dem 3.11.2004 als RAzugelassen und mit eigener Kanzlei tätig.

[2] Mit seinem am 24.5.2007 bei der Agin. eingegangenenAntrag beantragte er die Gestattung der Fachanwaltsbezeich-nung „Fachanwalt für Versicherungsrecht“. Dazu legte er Zerti-fikate der DAA über die Absolvierung eines Fachlehrgangs Ver-sicherungsrecht und die erfolgreiche Anfertigung von dreischriftlichen Aufsichtsarbeiten von je fünf Stunden Dauer vor,ferner eine Liste mit 16 gerichtlichen Verfahren und 68 außer-gerichtlichen Fällen. Von diesen insgesamt 86 Fallbearbeitun-gen entfallen 12 auf eine anwaltliche Tätigkeit und 74 auf dieSyndikustätigkeit des Ast. Nach einer Bescheinigung der Versi-cherung hat er die in der Fallliste aufgeführten Fälle, sofern siedie Versicherung oder deren Tochterunternehmen, bei dem derAst. beschäftigt ist, betreffen, allein, persönlich und weisungs-frei bearbeitet. In einer weiteren Bescheinigung erklärte RAin S.aus G., der Ast. vertrete sie seit über 20 Jahren bei Urlaub undKrankheit und habe die in der Liste unter den Nummern 5, 7,9, 16, 23, 24, 26, 35, 43 und 44 aufgeführten Fälle allein undselbstständig bearbeitet.

[3] Mit Bescheid v. 29.2.2008 hat die Agin. den Antrag aufGestattung der Bezeichnung „Fachanwalt für Versicherungs-

recht“ im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen,der Ast. habe nur ein Gerichtsverfahren und 11 außergerichtli-che Fälle als RA bearbeitet. Den Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung hat der AGH unter Berufung auf den Beschl. deserkennenden Senats v. 25.10.2006 (AnwZ [B] 80/05, NJW2007, 599) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von demAGH zugelassene sofortige Beschwerde des Ast., mit welcherer seinen Antrag weiterverfolgt. Die Agin. beantragt, dasRechtsmittel zurückzuweisen. Die Beteiligten haben auf einemündliche Verhandlung verzichtet.

[4] II. Der Senat entscheidet nach § 106 Abs. 2 Satz 1 BRAOi.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren imanwaltlichen und notariellen Berufsrecht v. 30.7.2009 (BGBl. I2449, 2456) in der Besetzung mit dem Vorsitzenden und nur jezwei statt bisher drei berufsrichterlichen und anwaltlichen Bei-sitzern. Diese Regelung zur Verkleinerung des Senats auf insge-samt fünf Mitglieder gilt auch für Gerichtsverfahren, die beiInkrafttreten der Regelung am 1.9.2009 anhängig waren.

[5] 1. Änderungen von Vorschriften über die Verfassung unddas Verfahren der Gerichte sind nämlich mit ihrem Inkrafttretensofort und ohne Unterschied auf alle Verfahren und damit auchauf bereits anhängige Sachen anzuwenden, es sei denn, dassder Gesetzgeber ausdrücklich etwas anderes regelt (BVerfGE11, 139 juris Tz. 29; BGHZ 7, 161, 167). Eine solche abwei-chende Regelung hat der Gesetzgeber hier mit § 215 Abs. 3BRAO getroffen. Danach werden die vor dem 1.9.2009 anhän-gig gerichtlichen Verfahren in verwaltungsrechtlichen Anwalts-sachen nach den bis dahin geltenden Bestimmungen fortge-führt. Mit „Bestimmungen“ ist aber nur das Verfahrensrechtgemeint, nicht die geänderte Besetzung des Senats für Anwalts-sachen bei dem BGH.

[6] 2. Ein Überleitungsproblem hat der Gesetzgeber nur bei derUmstellung des Verwaltungsverfahrens vor der RAK und demgerichtlichen Verfahren vor den AnwG in verwaltungsrechtli-chen Anwaltssachen gesehen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/11385, 48 f.). Nach den sich hierbei stellendenwesentlichen Fragen – Fortführung anhängiger Verwaltungsver-fahren (§ 215 Abs. 1 BRAO), Anfechtbarkeit erlassener, abernoch nicht gerichtshängiger Entscheidungen (§ 215 Abs. 2BRAO) und Fortführung anhängiger Gerichtsverfahren (§ 215Abs. 3 BRAO) – hat er die Überleitungsvorschrift aufgebaut.Weil sich diese Fragen in gleicher Weise auch bei der Umstel-lung des Verfahrensrechts in den verwaltungsrechtlichen Notar-sachen stellen, hat er in demselben Gesetz mit § 118 BNotOfür die BNotO eine nahezu wortgleiche Regelung vorgesehen,die mangels Änderung der gerichtsverfassungsrechtlichenRegelungen nur das Verfahrensrechts, nicht aber die Gerichts-verfassung anspricht.

[7] 3. Ein Überleitungsproblem löste inhaltlich auch nur dieÄnderung im Verfahrensrecht aus. Es war zwar möglich, einunter Geltung des in diesem Bereich sehr sparsam ausgestalte-ten früheren Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilli-gen Gerichtsbarkeit eingeleitetes Verfahren nach den Bestim-mungen des VwVfG fortzusetzen (§§ 32, 215 Abs. 1 Satz 1

Berufsrechtliche Rechtsprechung

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)

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28 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/2010

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

BRAO). Einer Fortsetzung der unter Geltung des früheren, aufdiesem Gesetz aufbauenden Verfahrensrechts begonnenengerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften der VwGO standaber der grundlegende Systemwandel entgegen, den dasGesetz v. 30.7.2009 für die gerichtlichen Verfahren über dieZulassung von RAen durch Ersetzung des alten ViertenAbschnitts des Zweiten Teils der BRAO (Art. 1 Nr. 14) durchden neu eingeführten Vierten Abschnitt des Fünften Teils (Art. 1Nr. 42) vorgenommen hat. Insbesondere die tiefgreifendenÄnderungen, die sich daraus ergeben, dass künftig ergänzenddie Vorschriften der VwGO (§ 112c Abs. 1 BRAO n.F.) anstellederjenigen des früheren Gesetzes über die Angelegenheitender freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 40 Abs. 4 BRAO a.F.) ent-sprechend anzuwenden sind, sowie die Reform des Rechtsmit-telrechts ließen auch im Hinblick auf das Vertrauen der Betrof-fenen in den Bestand ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten dieAnwendung des neuen Verfahrensrechts auf Altfälle nicht zu.

[8] 4. Bei der geänderten Besetzung des Senats für Anwalts-sachen des BGH stellte sich dagegen kein Überleitungsproblem.Der Gesetzgeber sieht die verkleinerte Besetzung des Senats alsqualitativ gleichwertig an und hat sie gerade deshalb eingeführt(Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/11385, 40). Ist diegeänderte Besetzung aber gleichwertig, besteht sachlich keinAnlass, den Senat Altfälle in der bisherigen Besetzung entschei-den zu lassen. Der dafür notwendige Aufwand bei derGeschäftsverteilung und die damit verbundene fortdauerndeBindung der richterlichen Arbeitskraft für Altfälle liefen zudemdem angestrebten Ziel einer Verschlankung im Gegenteil eherzuwider. Vor allem könnte der unzutreffende Eindruck entste-hen, als bedeute die Verkleinerung der Besetzung doch eineQualitätseinbuße. Diesen Eindruck wollte der Gesetzgeber aufjeden Fall vermeiden. Deshalb hat er auch auf die zunächstvorgesehene Veränderung im Vorsitz des Senats verzichtet undes insoweit bei der bestehenden Regelung belassen (Beschluss-empfehlung in BT-Drucks. 16/12717, 55). Aus ähnlichen Grün-den sind vergleichbare Änderungen in der Besetzung vonSpruchkörpern anders als geänderte Verfahrensvorschriftenauch für laufende Verfahren in Kraft gesetzt worden. Beispiel ist§ 2 der Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechts-pflege v. 4.1.1924 (RGBI. I 15), durch den die Besetzung derSenate des Reichsgerichts von sieben auf fünf Mitglieder ver-kleinert wurde. Ähnlich ist der Gesetzgeber bei der Änderungder Besetzung der Strafkammern der LG durch das Gesetz zurEntlastung zur Rechtspflege v. 11.1.1993 (BGBl. I 50) vorge-gangen, die nur in Altverfahren nicht angewendet werdensollte, in denen die Hauptverhandlung mit der bisherigenBesetzung schon begonnen hatte (Art. 14 Abs. 5 und 6 desGesetzes).

[9] 5. Die Überleitungsregelung, die § 215 Abs. 3 BRAO fürdas Verfahrensrecht trifft, lässt sich schließlich auch inhaltlichnicht sinnvoll auf die Änderung der Besetzung anwenden. DieRegelung befasst sich nur mit den verwaltungsrechtlichenAnwaltssachen, weil nur hier eine Änderung des Verfahrens-rechts eingetreten ist. Der Senat für Anwaltssachen hat dagegenauch die anwaltsgerichtlichen Verfahren zu entscheiden, die§ 215 Abs. 3 BRAO aber nicht betrifft, weil das Verfahrensrechtfür diese Sachen im Wesentlichen unverändert geblieben ist.Die Folge wäre, dass der Senat für Anwaltssachen des BGH inanwaltsgerichtlichen Altfällen in der verkleinerten Besetzung,in den verwaltungsrechtlichen Altverfahren dagegen in der frü-heren Besetzung zu entscheiden hätte. Diese Unterscheidungwäre sachlich nicht begründbar und ist ersichtlich nichtgewollt. Dies zeigt, dass sich der Gesetzgeber in der Über-gangsregelung des § 215 Abs. 3 BRAO nicht mit der geänder-

ten Besetzung des Senats befasst hat, die deshalb sofort mitWirkung auch für alle Altfälle gilt.

[10] III. Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel istzulässig (§ 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 223 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4,§ 42 Abs. 4 BRAO a.F.), hat in der Sache aber keinen Erfolg.

[11] 1. Die Agin. ist nach §§ 43c Abs. 1 Satz 1, 59b Abs. 2Nr. 2 Buchst. a) BRAO i.V.m. § 1 Satz 2 FAO verpflichtet,einem RA die Befugnis zu verleihen, die Bezeichnung als Fach-anwalt für das Versicherungsrecht zu führen, wenn er beson-dere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen aufdiesem Gebiet erworben und nach Maßgabe von §§ 2, 4, 5 und6 FAO nachgewiesen hat. Dass der Ast. besondere theoretischeKenntnisse auf dem Gebiet des Versicherungsrechts erworbenund ordnungsgemäß nachgewiesen hat, stellt die Agin. nicht inAbrede. Hiervon geht auch der AGH aus. Unbestritten ist fer-ner, dass der Ast. die für den Nachweis des Erwerbs besondererpraktischer Erfahrungen auf dem Gebiet des Versicherungs-rechts notwendige Anzahl von Fallbearbeitungen in der erfor-derlichen Verteilung auf die einzelnen Teilbereiche diesesFachanwaltsgebiets nachgewiesen hat. Ob dem Ast. die Füh-rung der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwalt für Versiche-rungsrecht“ zu gestatten ist, hängt deshalb allein davon ab, obdie Bearbeitung der von ihm nachgewiesenen Fälle i.S.v. § 5Satz 1 Halbs. 1 FAO persönlich und weisungsfrei als RA erfolgtist. Das hat der AGH zutreffend verneint.

[12] 2. Es fehlt schon an einerpersönlichen Bearbeitung der fürdie Fachanwaltsbezeichnung„Fachanwalt für Versicherungs-

recht“ erforderlichen mindestens 80 Fälle. Sie hat der Ast. nurfür 12 der 86 Fälle aus der von ihm vorgelegten Fallliste nach-gewiesen.

[13] a) Eine i.S.v. § 5 Satz 1 Halbs. 1 FAO persönliche Bearbei-tung von Fällen liegt nur vor, wenn sich der RA – etwa durchAnfertigung von Vermerken und Schriftsätzen oder die Teil-nahme an Gerichts- und anderen Verhandlungen – selbst mitder Sache inhaltlich befasst hat. Beschränkt sich seine Befas-sung auf ein Wirken im Hintergrund, liegt eine persönlicheBearbeitung i.S.v. § 5 Satz 1 Halbs. 1 FAO dagegen nicht vor(Senat, Beschl. v. 25.10.2006, AnwZ [B] 80/05, NJW 2007,599, Rdnr. 8). Ein solches Wirken im Hintergrund kann näm-lich einem RA die in § 5 Satz 1 Halbs. 1 FAO geforderte prakti-sche Erfahrung in der unmittelbaren Wahrnehmung der Interes-sen seiner Mandanten gegenüber ihren Kontrahenten undBehörden oder Gerichten nicht vermitteln. Eine in diesemSinne persönliche Bearbeitung hat der RA in der Form des § 6FAO nachzuweisen, soweit er nicht durch Verwendung eineseigenen Briefkopfs oder in ähnlicher Weise nach außen alsBearbeiter in Erscheinung tritt.

[14] b) Dieser Nachweis war hier nur für die in der Falllistezulässigerweise (dazu Senat, BGHZ 166, 292, 297, Rdnr. 25)enthaltene Eigenvertretung und den weiteren Fall entbehrlich,den der Ast. in der eigenen Praxis bearbeitet hat. Im Übrigen ister erforderlich, aber nur für die zehn in der Bescheinigung derRAin S. aufgeführten Fallbearbeitungen geführt. Diese sindzwar unter dem Briefkopf der RAin erfolgt. RAin S. hat aberunter Bezugnahme auf die Nummern in der Fallliste versichert,der Ast. habe die Fälle allein bearbeitet. Das reicht als Nach-weis persönlicher Bearbeitung durch den Ast. aus, wie derAGH zutreffend erkannt hat.

[15] c) Für die Fallbearbeitungen im Rahmen seiner Syndikus-tätigkeit hat der Ast. den erforderlichen Nachweis persönlicherBearbeitung dagegen nicht geführt. Diesen Nachweis kann derRA führen, indem er seine Beteiligung an der Fallbearbeitungstichwortartig beschreibt. Das ist hier nicht geschehen. Möglich

Nur teilweise persön-liche Bearbeitung

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BRAK-Mitt. 1/2010 Berufsrechtliche Rechtsprechung 29

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

ist auch ein Nachweis durch Vorlage einer Bescheinigung desArbeit- oder Auftraggebers. Eine solche Bescheinigung hat derAst. vorgelegt. Sie ist indessen inhaltlich unzureichend. Darinwird dem Ast. bescheinigt, alle in der Fallliste aufgeführtenFälle, sofern sie die Versicherung oder deren Tochterunterneh-men, bei dem der Ast. beschäftigt ist, betreffen, allein, persön-lich und weisungsfrei bearbeitet zu haben.

Eine solche Erklärung genügt alsNachweis nicht. An diesen sindzwar keine übertriebenen Anfor-derungen zu stellen. Der Arbeit-oder Auftraggeber kann auch auf die Fallliste des RA Bezugnehmen. Eine solche Bezugnahme muss aber erkennen lassen,dass die – mit Namen und Funktionsbezeichnung kenntlich zumachende – Leitung der Arbeitseinheit, in der die Fälle bear-beitet worden sind, die Liste geprüft hat und dem RA für alleoder bestimmte in der Liste aufgeführte Fälle eine persönlicheBearbeitung bescheinigen will. Die hier vorgelegte Bescheini-gung lässt schon nicht erkennen, welche Funktion ihr Ausstel-ler in dem Unternehmen hat und ob er das Wirken des Ast. indem Tochterunternehmen der Versicherung überhaupt beurtei-len kann. Außerdem lässt sie nicht erkennen, welche Fälle ihrAussteller auf eine persönliche Bearbeitung durch den Ast.überprüft hat und für welche Fälle er ihm diese bescheinigenwill.

[16] 3. Unabhängig davon genügen die Fallbearbeitungen desAst. auch deshalb nicht zum Erwerb der angestrebten Fach-anwaltsbezeichnung, weil der Ast. sie nicht i.S.v. § 5 FAO wei-sungsfrei als RA bearbeitet hat.

[17] a) Eine in diesem Sinne weisungsfreie Fallbearbeitung alsRA liegt bei einem Syndikusanwalt im Ansatz nur vor, wenn erFälle im Rahmen seiner selbstständigen anwaltlichen Tätigkeitbearbeitet.

Eine Fallbearbeitung als Syndikusist dagegen grundsätzlich keineFallbearbeitung als RA, weil derSyndikusanwalt, anders als einangestellter RA (zu diesem Senat,

BGHZ 166, 299, 303 f.), innerhalb seines festen Beschäfti-gungsverhältnisses nicht anwaltlich tätig wird (BGHZ 141, 69,76 f.; Senat, Beschl. v. 13.3.2000, AnwZ [B] 25/99, NJW 2000,1645; Beschl. v. 18.6.2001, AnwZ [B] 41/00, NJW 2001,3130). Dennoch lässt der Senat in st. Rspr. die Berücksichti-gung von Fallbearbeitungen als Syndikus zu, wenn die Tätig-keit als Syndikus weisungsfrei und unabhängig erfolgt und dienach § 6 Abs. 3 FAO vorzulegende Fallliste eine erheblicheAnzahl nicht unbedeutender Mandate außerhalb des Anstel-lungsverhältnisses aufweist (Senat, Beschl. v. 18.6.2001, AnwZ[B] 41/00, NJW 2001, 3130, 3131; Beschl. v. 13.1.2003, AnwZ[B] 25/02, NJW 2003, 883, 884; Beschl. v. 6.3.2006, AnwZ [B]37/05, NJW 2006, 1516, 1517, insoweit in BGHZ 166, 299nicht abgedruckt; Beschl. v. 25.10.2006, AnwZ [B] 80/05, NJW2007, 599, 600).

[18] b) Ausgangspunkt dieser Rspr. war der Umstand, dass § 5FAO in seiner bis zum Ablauf des 31.12.2002 geltenden Fas-sung Regelanforderungen beschrieb und damit eine wertendeBetrachtung erforderte (Senat, Beschl. v. 18.6.2001, AnwZ [B]41/00, NJW 2001, 3130, 3131). Einen vergleichbaren Ausnah-mevorbehalt enthält § 5 FAO in der seit dem 1.1.2003 gelten-den Fassung zwar nicht mehr. Die geänderte Fassung der Vor-schrift führt auch dazu, dass die in der Vorschrift festgelegtenFallzahlen seitdem zwingend sind (Henssler/Prütting, BRAO,2. Aufl., § 5 FAO Rdnr. 1). Auch in ihrer geänderten Fassungerlaubt die Vorschrift aber, bei einem Syndikusanwalt Fallbear-beitungen zu berücksichtigen, die er nicht in seiner selbststän-

digen anwaltlichen Tätigkeit, sondern als Syndikus erbrachthat, wenn sie im Übrigen den Vorgaben der Norm entspre-chen, in erheblichem Umfang der selbstständigen anwaltlichenTätigkeit entstammen und insgesamt bei wertender Betrach-tung die praktische Erfahrung vermitteln, die die Führung derFachanwaltsbezeichnung bei dem anwaltliche Beratung undVertretung suchenden Publikum erwarten lässt (Senat, Beschl.v. 6.3.2006, AnwZ [B] 37/05, NJW 2006, 1516, 1517, insoweitin BGHZ 166, 299 nicht abgedruckt; Beschl. v. 25.10.2006,AnwZ [B] 80/05, NJW 2007, 599, 600). Wann das der Fall ist,entzieht sich zwar einer allgemeinen Festlegung. Der Senat hatindessen unter Geltung der früheren, offeneren Fassung derNorm eine solche Wertung als möglich angesehen, wenn eineerhebliche Anzahl nicht unbedeutender Mandate im Rahmenselbstständiger anwaltlicher Tätigkeit erbracht war (Beschl. v.18.6.2001, AnwZ [B] 41/00, NJW 2001, 3130, 3131). Dies hatder Senat bei einem Anteil von 22 v.H. zum Zeitpunkt derAntragstellung und mit 35 v.H. zum Zeitpunkt der Entschei-dung des AGH für nicht ausgeschlossen gehalten. DieseSchwelle kann auch unter Geltung der heutigen stringenterenFassung der Norm nicht unterschritten werden.

[19] c) Gemessen daran hat der Ast. eine hinreichende Zahl anFallbearbeitungen als RA nicht nachgewiesen. Zweifelhaft istschon, ob von einer anwaltsähnlichen Ausgestaltung der Tätig-keit des Ast. bei seinem Arbeitgeber ausgegangen werdenkann. Er ist dort nach den Akten in die zentrale Rechtsabteilungintegriert und einem Abteilungsleiter unterstellt. Wie bei diesenorganisatorischen Vorgaben eine unabhängige anwaltsähnlicheBearbeitung der Fälle sichergestellt ist, hat der Ast. nicht näherdargelegt. Typisch ist eine solche Absicherung für die Syndikus-tätigkeit eines Syndikusanwalts nicht (Senat, Beschl. v.18.6.2001, AnwZ [B] 41/00, NJW 2001, 3130).

Das bedarf aber keiner Vertie-fung. Die 12 Fälle, die nachge-wiesenermaßen in selbstständi-ger anwaltlicher Tätigkeit bear-beitet wurden, machen nur etwa17,5 % der erforderlichen Fallzahl von 80 aus. Das rechtfertigtdie Annahme einer bei wertender Betrachtung gleichwertigenpraktischen Erfahrung noch nicht.

Zulassung – Widerruf wegen unvereinbarer Tätigkeit

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8

*1. Der rechtliche und tatsächliche Handlungsspielraum, der fürdie (weitere) Ausübung des Anwaltsberufs unentbehrlich ist, istdanach zu bestimmen, ob der Anwalt in der Lage ist, denAnwaltsberuf in einem, wenn auch beschränkten, so doch nen-nenswerten Umfang und jedenfalls mehr als nur gelegentlich aus-zuüben.

*2. Dadurch soll ein Mindestmaß an Unabhängigkeit und Professi-onalität des RA gesichert werden, um den reinen „Feierabendan-walt“ auszuschließen und die Berufsbezeichnung des RA nicht zueinem bloßen Titel werden zu lassen.

*3. In dem Büro des nichtanwaltlichen Arbeitgebers muss ein RAwährend der üblichen Büro- und Sprechzeiten für aktuelle undpotentielle Mandanten, für gegnerische Anwälte und sonstigeVerhandlungspartner sowie für Behörden und Gerichte ansprech-bar sein.

*4. Erforderlich ist zudem das Einverständnis des Arbeitgebersdamit, dass der Anwalt während der Arbeitszeit Schriftsätzeabfasst, E-Mails schreibt oder Telefonate führt.

BGH, Beschl. v. 9.11.2009 – AnwZ (B) 83/08

Unzureichende Erklä-rung des Arbeitgebers

Fallbearbeitung alsSyndikus ist keine Fall-

bearbeitung als RA

Nur 17,5 % Fälle ausselbstständiger

anwaltlicher Tätigkeit

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30 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/2010

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Aus den Gründen:

[1] I. Der Ast. ist im April 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelas-sen worden. Seit dem 19.4.2004 ist er als Sachbearbeiter beider Anstalt des öffentlichen Rechts „Z...- Z.“ (fortan: Z.) ange-stellt. Seine Arbeitszeit beträgt wöchentlich 38,5 Stunden. Vondieser Tätigkeit erfuhr die Agin. im April 2006. Auf ihre Auffor-derung hin brachte der Ast. folgende „Erklärung des Arbeitge-bers zur Nebentätigkeit“ v. 11.7.2006 bei:

„In Ergänzung des Arbeitsvertrages v. 1.12.2004 erteilen wirunser Einverständnis, dass Herr S. neben seiner Tätigkeit beimZ. den Beruf als RA ausüben kann. Insbesondere ist er berech-tigt, seine Arbeitsstätte zur Wahrnehmung anwaltlicher Ter-mine zu verlassen, wenn dies seine Tätigkeit als RA im Einzel-fall zwingend erforderlich macht. Herrn S. ist es im Rahmenseiner Tätigkeit untersagt, Belegschaftsmitglieder nach demRVG zu beraten oder unentgeltlich zu beraten oder zu vertre-ten.“

[2] Der Ast. ist Einzelanwalt. Bis zum 16.9.2009 befand sichseine Kanzlei in seiner Wohnung, und zwar – wie er gegenüberder Agin. erklärt hat – in einem separat abschließbaren Raumvon 12 qm Größe, der mit Büromöbeln, einem PC sowie einemTelefon- und Internetanschluss ausgestattet ist. Seinen Angabenin der mündlichen Verhandlung zufolge besteht seine anwaltli-che Tätigkeit wesentlich in der Erarbeitung von gutachterlichenStellungnahmen für seinen jetzigen Verfahrensbevollmächtig-ten (seinen Vater). Seit dem 16.9.2009 betreiben der Ast. undsein Vater ein gemeinsames Büro in W., ... weg.

[3] Mit Bescheid v. 29.5.2007 hat die Agin. die Zulassung desAst. gem. § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO widerrufen. Der Antrag desAst. auf gerichtliche Entscheidung ist zurückgewiesen worden.Mit seiner sofortigen Beschwerde will der Ast. weiterhin dieAufhebung der Widerrufsverfügung erreichen. Am 10.9.2009ist der Ast. in die RAK F. aufgenommen worden. Das vorlie-gende Widerrufsverfahren wird – wie die Agin. mitgeteilt hat –in Absprache mit der RAK F. von der Agin. fortgeführt.

[4] II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 42 Abs. 1 Nr. 2BRAO) und auch im Übrigen zulässig (§ 42 Abs. 4 BRAO). Siebleibt jedoch ohne Erfolg.

[5] 1. Das Verfahren ist mit der bisherigen Agin. als derjenigenKörperschaft fortzusetzen, die den angefochtenen Widerrufsbe-scheid erlassen hat. Daran ändert es nichts, dass der Ast. wäh-rend des laufenden Beschwerdeverfahrens von einer anderenRAK aufgenommen wurde. Dies führt jedenfalls in Verfahren,die – wie hier – die Anfechtung eines von der RAK erlassenenVerwaltungsakts zum Gegenstand haben, dann nicht zu einemWechsel der Passivlegitimation, wenn die aufnehmende Kam-mer mit einer Fortführung des Verfahrens durch die abgebendeKammer einverstanden ist (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 4 BRAO a.F.).

[6] 2. Die Zulassung zur Anwaltschaft ist zu widerrufen, wennder RA eine Tätigkeit ausübt, die mit seinem Beruf, insbeson-dere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflegenicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeitgefährden kann (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 Halbs. 1 BRAO). Die Rege-lung des § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO greift in das Grundrecht derFreiheit der Berufswahl ein, welches auch das Recht umfasst,mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben(BVerfGE 87, 287, 316 = NJW 1993, 317, 318). Wird die Frei-heit der Berufswahl mit dem Ziel beschränkt, die Verbindungbestimmter beruflicher Tätigkeiten auszuschließen, so ist dasnur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes und nur zumSchutze eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes imRahmen der Verhältnismäßigkeit zulässig. Gegen die Wider-rufsregelung des § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO als solche bestehen –ebenso wie gegen die Zulassungsschranke des § 7 Nr. 8 BRAO

– von Verfassungs wegen keine Bedenken (BVerfG, NJW 1993,317). Beide genannten Vorschriften sollen die Freiheit desAnwaltsberufs schützen (BT-Drucks. 12/4993, 24). Sie dienendazu, die fachliche Kompetenz und Integrität sowie einen aus-reichenden Handlungsspielraum der RAe zu sichern sowie dienotwendigen Vertrauensgrundlagen zu schützen, welche dieRechtsanwaltschaft im Interesse einer funktionierenden Rechts-pflege benötigt (BVerfG, NJW 1993, 317, 319).

[7] 3. Der Hauptberuf des Ast. als Sachbearbeiter beim Z. miteiner wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden ist trotz derFreistellungserklärung des Z. v. 11.7.2006 mit dem Beruf desRA unvereinbar.

[8] a) Der rechtliche und tatsächliche Handlungsspielraum, derfür die (weitere) Ausübung des Anwaltsberufs unentbehrlich ist,wird vom BGH in st. Rspr. danach bestimmt, ob der Anwalt inder Lage ist, den Anwaltsberuf in einem, wenn auchbeschränkten, so doch nennenswerten Umfang und jedenfallsmehr als nur gelegentlich auszuüben (BGHZ 33, 266, 268;BGH, Beschl. v. 16.11.1998 – AnwZ [B] 44/98, NJW-RR 1999,570; v. 17.3.2003 – AnwZ [B] 3/02, NJW 2003, 1527).

Diese Rspr., die ein Mindest-maß an Unabhängigkeit undProfessionalität des RA sichernsoll, ist vom BVerfG gebilligtund auch für erforderlich gehal-ten worden, um den reinen

„Feierabend-Anwalt“ auszuschließen und die Berufsbezeich-nung des RA nicht zu einem bloßen Titel werden zu lassen. Fürdie Betroffenen ist die so begründete Einschränkung zumutbar,weil sie über einen ausfüllenden und zeitlich belastendenHauptberuf verfügen, i.d.R. also durch den Ausschluss vom RA-Beruf weniger hart getroffen werden (BVerfG, NJW 1993, 317,319).

[9] b) Dem Ast. fehlen die rechtlichen und tatsächlichen Mög-lichkeiten, die Erfordernisse beider Berufe eigenverantwortlichzu organisieren und aufeinander abzustimmen.

[10] aa) In seinem Hauptberuf als Sachbearbeiter beim Z. hatder Ast. 38,5 Stunden in der Woche zu arbeiten. Nähere Anga-ben dazu, zu welchen Zeiten er seinem Hauptberuf nachgeht,hat der Ast. nicht gemacht. Er hat nur ohne Darlegung von Ein-zelheiten von „Gleitzeit“ gesprochen. Aus der vom AGH einge-holten Auskunft des Leiters der Hauptabteilung Personal des Z.ergibt sich, dass Sachbearbeiter und Referenten – eine solcheStellung hat der Ast. inne – eine Präsenzpflicht trifft. Der Ast.hat die 38,5 Stunden pro Woche an seinem Arbeitsplatz zu ver-bringen und in dieser Zeit nach Weisung seiner Vorgesetztenzu arbeiten. Seine Arbeitszeit im Hauptberuf steht danach füreine Anwaltstätigkeit grundsätzlich nicht zur Verfügung.

[11] bb) Für seine Anwaltstätigkeit bleibt dem Ast. folglichrechtlich gesehen nur diejenige Zeit, die er nicht beim Z. zuverbringen hat. Im Wesentlichen wird es sich dabei um denfrühen Morgen, die Abendstunden sowie die Wochenendenhandeln. Nun kann ein RA nach eigenem Ermessen entschei-den, wie viele und welche Mandate er annimmt und wie undwann er die zur angemessenen Erledigung der Aufträge not-wendigen Arbeiten leisten will (Feuerich/Weyland, BRAO,7. Aufl., § 7 Rdnr. 124). Dem Ast. stünde es – bliebe er alsAnwalt zugelassen – grundsätzlich frei, nur einige wenige Man-date anzunehmen und zu ihrer Bearbeitung diejenige Zeit zuverwenden, die ihm sein Hauptberuf belässt. Mandantenge-spräche können auch abends und an Wochenenden stattfin-den. Gleiches gilt für das Fertigen von Schriftsätzen, für Recher-chen sowie für die Fortbildung.

Reiner „Feierabend-anwalt“ und „Titular-

anwalt“ soll verhindertwerden

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BRAK-Mitt. 1/2010 Berufsrechtliche Rechtsprechung 31

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

In seinem Büro ist der Ast.jedoch während der üblichenBüro- und Sprechzeiten für aktu-elle und potentielle Mandanten,für gegnerische Anwälte undsonstige Verhandlungspartner sowie für Behörden undGerichte nicht ansprechbar. Er mag über sein Handy jederzeitund überall erreichbar sein. Anfragen beantworten oder inanderer Weise sachgerecht reagieren kann ein Anwalt ohneseine im Büro verwahrten Handakten und seine sonstige infor-mationelle Ausstattung vielfach jedoch nicht. Die neu einge-gangene Bürogemeinschaft ändert daran nichts.

[12] cc) Über die erforderliche Unabhängigkeit und die damitverbundene rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, denAnwaltsberuf auch auszuüben, verfügt der Anwalt nach gefes-tigter Rspr. des BGH nur dann, wenn er über seine Dienstzeitim Zweitberuf hinreichend frei verfügen kann und während derDienstzeiten bei seinem Arbeitgeber nicht nur in Ausnahmefäl-len erreichbar ist. Im Interesse einer geordneten Rechtspflegeund im Interesse des rechtsuchenden Publikums an einer wirk-samen Vertretung und Beratung durch einen unabhängigen RAmuss auch der in einem anderen Beruf tätige Anwalt grundsätz-lich – auch während der Dienststunden bei seinem Arbeitgeber– in der Lage sein, Gerichtstermine, eilige Schriftsätze, Telefon-gespräche und alle sonstigen nicht aufschiebbaren Tätigkeitenzu erledigen (BGH, Beschl. v. 16.11.1998, a.a.O.).

Diese Voraussetzung ist im vor-liegenden Fall, wie gezeigt, nichterfüllt. Der Ast. ist in untergeord-neter Stellung tätig, hat die Wei-

sungen seiner Vorgesetzten zu befolgen und keine rechtlicheoder tatsächliche Möglichkeit, erforderlichenfalls für Vertretungin seinem Hauptberuf zu sorgen, um sich einer dringendenAnwaltstätigkeit zu widmen.

[13] dd) Die vom Ast. bei-gebrachte Erklärung der Haupt-abteilung Personal des Z. v.11.7.2006 ändert daran imErgebnis nichts. Das Z. gestattet dem Ast. mit dieser Erklärung,„neben seiner Tätigkeit beim Z.“ den Beruf als RA auszuüben.Entgegen der vielfach geäußerten Ansicht des Ast. liegt darinnicht zugleich das Einverständnis des Arbeitgebers damit, dassder Ast. während der Arbeitszeit Schriftsätze abfasst, E-Mailsschreibt oder Telefonate führt. Die Erlaubnis, den Beruf des RA„neben“ der Tätigkeit beim Z. auszuüben, bedeutet geradenicht, dass die mit dem Anwaltsberuf verbundenen Tätigkeitenwährend der mit dem Hauptarbeitgeber vereinbarten Arbeits-zeit stattfinden dürfen. Das Z. gestattet dem Ast. lediglich,„seine Arbeitsstätte zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine zuverlassen, wenn dies seine Tätigkeit als RA im Einzelfall zwin-gend erforderlich macht“. Diese Ausnahmeregelung könntedahingehend zu verstehen sein, dass der Ast. außerdem dann,wenn es im Einzelfall zwingend erforderlich ist, an seinerArbeitsstätte (also während seiner Arbeitszeit im Hauptberuf)anwaltlichen Tätigkeiten nachgehen darf. Ständig oder auchnur regelmäßig darf er seine Arbeitszeit jedoch nicht für andereals die mit dem Arbeitgeber arbeitsvertraglich vereinbartenTätigkeiten verwenden. Ob dies – wie der Ast. und sein Vaterin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angedeutethaben – in der Praxis beim Z. anders gehandhabt wird und ins-besondere der unmittelbare Vorgesetzte des Ast., der über eineAnwaltszulassung verfügt, insoweit sehr verständnisvoll ist, istfür die Entscheidung nicht von Belang. Die Möglichkeit, gegenVertragspflichten zu verstoßen, erweitert den rechtlichenHandlungsspielraum des Ast. nicht.

[14] Darauf, ob der Ast. oder aber der Arbeitgeber über dasVorliegen eines dringenden Ausnahmefalles zu befinden hat,kommt es nicht entscheidend an. Ggf. würde schon aus zeitli-chen Gründen kein Konflikt ausgetragen werden, sondern eineeinvernehmliche, den Interessen aller Beteiligten möglichstgerecht werdende Lösung gefunden werden müssen. DieZustimmungserklärung des Z. ist jedoch darauf angelegt, dassvon ihr – wenn überhaupt – nur in geringem Umfang Gebrauchgemacht wird. In der Stellungnahme des Z. v. 28.2.2008 überdie Praxis der Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigungenheißt es dazu, die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnenerklärten i.d.R., dass sie „gerade mit Blick auf die Konkurrenzsi-tuation bei der Anwaltschaft nur sehr begrenzt tätig sind“. DerAst. selbst hat gegenüber dem AGH vorgetragen, ein Ausgleichzwischen den Interessen des Haupt- und des Anwaltsberufs seischon deshalb erforderlich, um zu vermeiden, dass der haupt-berufliche Anstellungsvertrag gekündigt oder das Fortkommenim Hauptberuf erschwert werde. Das leuchtet unmittelbar ein.Im Ergebnis läuft das auf eine „Feierabendtätigkeit“ des haupt-beruflich anderweitig gebundenen Anwalts hinaus, welche dieVorschriften der §§ 7 Nr. 8, 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO gerade ver-hindern wollen, wenn es nicht sogar nur um die Führung desTitels „Rechtsanwalt“ und die mit der Zulassung zur Rechtsan-waltschaft verbundenen versorgungsrechtlichen Vorteile geht(„Titularanwalt“).

[15] ee) Für seine gegenteilige Auffassung kann sich der Ast.nicht auf die Entscheidungen v. 7.11.1960 (AnwZ [B] 2/60,BGHZ 33, 266 = NJW 1961, 216) und v. 17.3.2003 (AnwZ [B]3/02, NJW 2003, 1527) berufen, in welchen der Senat die Aus-übung des Anwaltsberufs neben einer vollschichtigen abhängi-gen Berufstätigkeit jeweils für zulässig erachtet hat. Die Fälle,welche diesen Entscheidungen zugrunde lagen, unterscheidensich wesentlich vom vorliegenden Fall. In der erstgenanntenEntscheidung ging es um einen Prokuristen, welcher im Haupt-beruf nicht an feste Dienststunden gebunden war und sichdurch einen Assessor vertreten lassen konnte. Den Anwaltsbe-ruf wollte er im Rahmen einer Sozietät mit zwei bereits zuge-lassenen hauptberuflich tätigen Anwälten ausüben. Die zweiteEntscheidung betraf einen leitenden Arzt, dem sein Arbeitgeberunwiderruflich gestattet hatte, seiner anwaltlichen Tätigkeit –soweit erforderlich – auch während seiner Dienstzeit den Vor-rang einzuräumen, und welcher sich in seinen ärztlichen Auf-gaben kraft seiner Weisungsbefugnis als leitender Arzt durcheinen von vier ihm nachgeordneten Ärzten vertreten lassenkonnte. Seinen Beruf als Anwalt übte er in Sozietät mit einemvollberuflich tätigen Anwalt aus, so dass jedenfalls Besetzungund Erreichbarkeit der Kanzlei während der üblichenGeschäftszeiten gewährleistet war; er hatte überdies – andersals der Ast., der für seine vornehmlich gutachterliche Tätigkeitkeine Anwaltszulassung braucht – nachgewiesen, dass er inerheblichem Umfang tatsächlich als Anwalt tätig war. In beidenFällen konnte der jeweilige Anwalt also auftretende Pflichten-kollisionen zwischen dem Hauptberuf einerseits und deranwaltlichen Nebentätigkeit andererseits eigenverantwortlichregeln, wie es jeder RA tut, der nicht alle ihm gestellten Aufga-ben gleichzeitig erledigen kann. Der Ast. ist demgegenüber imHauptberuf in untergeordneter Stellung beschäftigt, dabei anfeste Zeiten gebunden und hat keinen weisungsabhängigenVertreter zur Seite, der für ihn einspringen könnte. Von der ihmerteilten Erlaubnis, anwaltliche Tätigkeiten in dringenden Ein-zelfällen auch während seiner Arbeitszeit auszuüben, kannund darf er allenfalls in geringem Umfang Gebrauch machen.Eine anwaltliche Tätigkeit kann er unter diesen Umständen –wenn überhaupt – nur als „Feierabendanwalt“ ausüben. Dasgenügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Keine Ansprechbarkeitwährend der üblichen

Bürozeiten

MangelndeUnabhängigkeit

Unzureichende Frei-stellungserklärung

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32 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/2010

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)

Verbrauchereigenschaft einer Rechtsanwältin

BGB § 13

Schließt eine natürliche Person ein Rechtsgeschäft objektiv zueinem Zweck ab, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbst-ständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, sokommt eine Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftli-chen Handeln objektiv verfolgten Zweck nur dann in Betracht,wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutigund zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person inVerfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichenTätigkeit handelt.

BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09

Aus dem Tatbestand:

[1] Die Kl. ist RAin in H. Die Bekl. vertreibt Lampen über dasInternet. Am 7.10.2007 bestellte die Kl. über die Internetplatt-form der Bekl. u.a. drei Lampen zu einem Gesamtpreis von766 Euro. Sie gab dabei als Liefer- und Rechnungsadresse an:

„Kanzlei Dr. B.“.

[2] In ihrer Bestelleingangsbestätigung v. 7.10.2007 räumte dieBekl. der Kl. ein Widerrufsrecht von 14 Tagen ein; die Wider-rufsfrist begann mit Erhalt der Bestätigung. Die Kl. bezahlte underhielt die bestellten Lampen. Mit E-Mail-Schr. v. 19./21.11.2007 widerrief die Kl. ihre Vertragserklärungen mit derBegründung, sie habe die Lampen als Verbraucherin bestelltund sei – was zwischen den Parteien außer Streit steht – nichtordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1,§ 312d Abs. 1, § 312b Abs. 1 BGB belehrt worden. Die Bekl.wies den Widerruf als verspätet zurück.

[3] Das AG hat sich – im weiteren Verfahren unangegriffen –nach Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die bestelltenLampen für die Privatwohnung der Kl. bestimmt waren, und hatder auf Zahlung von 766 Euro sowie Feststellung des Annah-meverzugs hinsichtlich der zurückzugebenden Lampen gerich-teten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat das LGdie Klage abgewiesen. Mit ihrer vom LG zugelassenen Revisionerstrebt die Kl. die Wiederherstellung des amtsgerichtlichenUrteils.

Aus den Gründen:

[4] Die Revision hat Erfolg.

[5] I. Das Berufungsgericht (LG Hamburg, CR 2009, 261) istder Auffassung, der Kl. stehe kein Widerrufsrecht nach § 355Abs. 1, § 312d Abs. 1, § 312b Abs. 1 BGB zu, da sie bzgl. desLampenkaufs nicht als Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB gehan-delt habe. Ob ein Verbraucherhandeln vorliege, sei nach demobjektiven Empfängerhorizont zur Zeit des Vertragsschlusses zubeurteilen. Dies gebiete der Verkehrsschutz, der nicht grund-sätzlich nachrangig zu den Belangen des Verbraucherschutzessei. Der Kunde habe es in der Hand, sich in Zweifelsfällen klarund eindeutig zu verhalten, während sich der Verkäufer imHinblick auf Gewährleistungsausschlüsse und Belehrungs-pflichten auf das Auftreten seines Geschäftspartners verlassenmüsse. Stelle man auf den objektiven Empfängerhorizont ab,

könnten auch Abgrenzungsprobleme bei sowohl für den priva-ten wie auch den geschäftlichen Bereich nutzbaren Wirt-schaftsgütern vermieden werden. Dies entspreche auch allge-meinen Auslegungsgrundsätzen für empfangsbedürftige Wil-lenserklärungen, nach denen es nicht auf den inneren Willendes Erklärenden ankomme, sondern auf den durch normativeAuslegung zu bestimmenden objektiven Erklärungsgehalt ausder Sicht des Erklärungsempfängers. Im hier zu entscheidendenFall habe die Bekl. das Auftreten der Kl. beim Kaufvertrags-schluss so verstehen müssen, dass sie als RAin für freiberuflicheZwecke gehandelt habe. Entscheidend hierfür sei, dass die Kl.die Kanzleianschrift nicht nur als Lieferadresse, sondern auchals Rechnungsadresse angegeben habe.

[6] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nichtstand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Wirksamkeitdes von der Kl. erklärten Widerrufs mit der Begründung ver-neint, die Kl. habe die ihr von der Bekl. gelieferten Lampennicht als Verbraucherin bestellt.

[7] 1. Nach § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person,die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der wederihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichenTätigkeit zugerechnet werden kann.

Danach hat die Kl. bei derBestellung der Lampen objektivals Verbraucherin gehandelt,denn der Zweck ihres Handelns

– die Ausstattung ihrer Privatwohnung mit den bestellten Lam-pen – ist, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, objek-tiv nicht ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit als RAin,sondern ihrem privaten Lebensbereich zuzurechnen.

[8] 2. Der Wortlaut des § 13 BGB lässt allerdings nicht erken-nen, ob für die Abgrenzung von Verbraucher- und Unterneh-merhandeln allein objektiv auf den von der handelnden Personverfolgten Zweck abzustellen ist (so MünchKommBGB/Mick-litz, 5. Aufl., § 13 Rdnr. 35; PWW/Prütting, BGB, 4. Aufl., § 13Rdnr. 9; Jauernig/Jauernig, BGB, 13. Aufl., § 13 Rdnr. 3;Schmidt-Räntsch in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 13Rdnr. 9), wie die Revision unter Hinweis auf zwei Entscheidun-gen des BGH (BGHZ 162, 253 ff.; BGH, Urt. v. 15.11.2007 –III ZR 295/06, NJW 2008, 435) meint, oder ob es – wie dasBerufungsgericht annimmt – für die Zurechnung des Handelnsauf die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände ankommt(so auch Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 13 Rdnr. 4;AnwK-BGB/Ring, § 13 Rdnr. 30; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teildes Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., § 42 Rdnr. 41; vgl. auch K.Schmidt, JuS 2006, 1, 8; wohl auch Staudinger/Weick, BGB(2004), § 13 Rdnr. 42, 64).

[9] Der erkennende Senat hat die Frage bislang offen gelassen(Senatsurt. v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04, NJW 2005, 1045,unter II 2 a, m.w.N.). Sie bedarf auch hier keiner Entscheidung.

[10] a) Aus der vom Gesetzgeber gewählten negativen Formu-lierung des zweiten Halbsatzes der Vorschrift des § 13 BGBwird deutlich, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürli-chen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen

Objektiv als Verbrau-cherin gehandelt

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BRAK-Mitt. 1/2010 Berufsrechtliche Rechtsprechung 33

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

ist und etwa verbleibende Zweifel, welcher Sphäre das kon-krete Handeln zuzuordnen ist, zugunsten der Verbraucher-eigenschaft zu entscheiden sind.

[11] b) Eine Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäft-lichen Handeln objektiv verfolgten Zweck kommt daher nurdann in Betracht, wenn die dem Vertragspartner erkennbarenUmstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dassdie natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oderselbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Zwar trägt derVerbraucher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nachdem von ihm objektiv verfolgten Zweck ein seinem privatenRechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt (Senatsurt.v. 11.7.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619, Tz. 13).

Unsicherheiten und Zweifel auf-grund der äußeren, für den Ver-tragspartner erkennbaren Um-stände des Geschäfts gehen in-des nach der negativen Formulie-rung des Gesetzes nicht zu Lasten des Verbrauchers. Es kanndaher – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nichtdarauf ankommen, ob der Erklärende sich dem anderen Teileindeutig als Verbraucher zu erkennen gibt. Vielmehr ist beieinem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person grundsätz-lich von Verbraucherhandeln auszugehen. Anders ist dies nurdann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln ausder Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer ge-werblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzu-rechnen ist.

[12] c) An solchen Umständenfehlt es im vorliegenden Fall. DieAngabe der Anschrift der RA-Kanzlei als Lieferanschrift für die

bestellten Lampen mag schon darin eine naheliegende Erklä-rung finden, dass die Kl. an Arbeitstagen zu den üblichen Post-zustellzeiten unter ihrer Privatanschrift nicht erreichbar war.Auch die Angabe der Anschrift „Kanzlei Dr. B.“ i.V.m. demhiervon abweichenden Namen der Kl. als Rechnungsadresselässt keinen eindeutigen und zweifelsfreien Schluss auf eineBestellung der Lampen zu selbstständigen freiberuflichen Zwe-cken zu. Denn hieraus konnte die Bekl. allenfalls erkennen,dass die Kl. in der RA-Kanzlei beschäftigt war. Damit blieb ausder verständigen Sicht der Bekl. jedenfalls offen, ob es sich beider Kl. um eine dort tätige RAin oder um eine angestellte Kanz-leimitarbeiterin, etwa die Bürovorsteherin oder eine RA-Gehil-fin, handelte.

[13] 3. Auch nach den für unternehmensbezogene Geschäfteentwickelten Regeln (dazu etwa BGH, Urt. v. 15.1.1990 – II ZR311/88, WM 1990, 600, unter II 1) kann aus der Sicht der Bekl.das Handeln der Kl. nicht deren freiberuflicher Tätigkeit alsRAin zugerechnet werden. Die Bekl. hat stets die Kl. persön-lich, nicht den Inhaber und Namensgeber der Kanzlei Dr. B. alsihre Vertragspartnerin angesehen. Dass sie ungeachtet derNamensverschiedenheit die Kl. für die Kanzleiinhaberin gehal-ten habe, hat die Bekl. nicht behauptet.

[14] III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestandhaben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zurEndentscheidung reif, da weitere tatsächliche Feststellungennicht zu treffen sind. Der Senat entscheidet daher in der Sacheselbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Kl. den Kaufvertrag wirksamwiderrufen hat (§§ 312d, 355 BGB) und somit die Klage aufKaufpreisrückzahlung und Feststellung des Annahmeverzugsder Bekl. begründet ist, ist die Berufung der Bekl. gegen das derKlage stattgebende amtsgerichtliche Urteil zurückzuweisen.

Vergütung – Keine Zusatzgebühr bei Abgabe des Verfah-rens an die Bußgeldbehörde nach Einstellung des Strafver-fahrens

RVG VV Nr. 4141

1. Eine Zusatzgebühr nach RVG VV Nr. 4141 fällt nicht an, wennein strafrechtliches Ermittlungsverfahren durch die anwaltlicheMitwirkung eingestellt und die Sache zur Verfolgung der Tat alsOrdnungswidrigkeit an die Verwaltungsbehörde abgegeben wird.

*2. Sinn und Zweck der Nr. 4141 VV verlangen eine endgültigeEinstellung „des Verfahrens“, also eine Erledigung der Sache ohneein noch folgendes Bußgeldverfahren. Dass ein Bußgeldbescheid,ein Einspruch und eine Hauptverhandlung folgen, ist nichtunwahrscheinlich.

BGH, Urt. v. 5.11.2009 – IX ZR 237/08

Aus dem Tatbestand:

[1] Der Kl. beauftragte einen RA, ihn in einem wegen einesVerkehrsunfalls gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren zuvertreten. Der RA nahm gegenüber der Staatsanwaltschaft fürden Kl. Stellung. Die Staatsanwaltschaft stellte das Strafverfah-ren ein und gab die Sache an die für die Verfolgung der dem Kl.vorgeworfenen Tat als Ordnungswidrigkeit zuständige Verwal-tungsbehörde ab.

[2] Gegenüber dem beklagten Rechtsschutzversicherer des Kl.rechnete der RA neben der Grundgebühr und der Verfahrens-gebühr für das vorbereitende Verfahren auch eine zusätzlicheGebühr für die Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhand-lung ab. Die Bekl. vertrat die Ansicht, diese Gebühr sei nichtangefallen.

[3] Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kl. Freistellungvon der Zusatzgebühr nebst USt (insgesamt 166,60 Euro). DasAG hat die Klage abgewiesen; das LG hat die Bekl. antragsge-mäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenenRevision will die Bekl. die Wiederherstellung des Urteils desAG erreichen.

Aus den Gründen:

[4] Die Revision hat Erfolg.

[5] I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BRAK-Mitt. 2009,40 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Die zusätzliche Gebührnach Nr. 4141 VV RVG entstehe auch dann, wenn die Staats-anwaltschaft das Verfahren nach Einstellung gem. § 170 Abs. 2StPO zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit an die Verwal-tungsbehörde abgebe. Der in Nr. 4141 VV RVG verwandteBegriff „Verfahren“ bezeichne ausschließlich das strafrechtlicheErmittlungsverfahren, wie sich aus einer Gesamtschau des § 17Nr. 10 RVG sowie der Vorschriften der Teile 4 und 5 des Vergü-tungsverzeichnisses ergebe. Straf- und Bußgeldverfahren stell-ten verschiedene Angelegenheiten dar, für die unterschiedlicheGebührentatbestände gälten. Hinzu komme die Kompensati-onsfunktion der zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG.Ein Anwalt, der sowohl in der Hauptverhandlung im Strafver-fahren als auch in einem sich anschließenden Bußgeldverfah-ren tätig werde, erhalte sowohl die im Straf- als auch die imBußgeldverfahren anfallenden Gebühren; finde eine Hauptver-handlung im Strafverfahren nicht statt, müsse aus Gründen derGleichbehandlung die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG greifen.Eine Anrechnung der strafrechtlichen Erledigungsgebühr habeder Gesetzgeber – anders als hinsichtlich der Verfahrensgebührin Nr. 5100 Abs. 2 VV RVG – gerade nicht vorgesehen.

[6] II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprü-fung nicht stand.

Unsicherheiten gehennicht zu Lasten des

Verbrauchers

RA-Kanzlei alsLieferanschrift

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34 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/2010

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

[7] Die Gebühr nach Nr. 4141 des Vergütungsverzeichnisseszu § 2 Abs. 2 RVG (fortan: VV RVG) entsteht, wenn „das Ver-fahren nicht nur vorläufig eingestellt wird“ (Abs. 1 Nr. 1 derErläuterungen). Wie der Begriff des „Verfahrens“ im hier vorlie-genden Fall des Zusammentreffens eines Straf- und eines Buß-geldverfahrens zu verstehen ist, ob die Gebühr also auch dannverdient ist, wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein-gestellt wird und die Sache gem. § 43 OWiG an die Verwal-tungsbehörde abgegeben wird, ist im Gesetz nicht näher gere-gelt und in der instanzgerichtlichen Rspr. und der Literaturumstritten (dafür z.B. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 18. Aufl.,VV 4141 Rdnr. 16; Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen,2. Aufl., Angelegenheiten, Rdnr. 15; Uher in Bischof u.a., RVG,3. Aufl., VV 4141 Rdnr. 110; Schneider in AnwKommRVG,4. Aufl., VV 4141 Rdnr. 19 ff.; LG Osnabrück, ZfSch 2008,711 f.; AG Nettetal, AGS 2007, 404; AG Lemgo, JurBüro 2009,254; dagegen Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., VV 4141Rdnr. 4; AG München, JurBüro 2007, 84; AG Osnabrück, Urt.v. 4.1.2008 – 31 C 421/07, zit. nach juris.; AG Dortmund, Urt.v. 13.10.2008 – 411 C 3253/08, n.v.).

[8] Der Wortlaut der Vorschriftder Nr. 4141 VV RVG gibt für dieBeantwortung der Frage nichtsher. Der Begriff „Verfahren“ kannals Oberbegriff verstanden wer-

den, der sowohl das strafrechtliche Ermittlungsverfahren alsauch das Bußgeldverfahren umfasst; er kann aber auch nur dasstrafrechtliche Ermittlungsverfahren meinen. Die systematischeStellung der Vorschrift im Teil 4 des Vergütungsverzeichnisseszu § 2 Abs. 2 RVG, der mit „Strafsachen“ überschrieben ist,könnte dafür sprechen, dass der Begriff „Verfahren“ hier i.S.v.„Strafverfahren“ unter Ausschluss der „Bußgeldverfahren“ ver-wandt wird. Zwingend ist dies aber nicht. Die Vorschrift des§ 17 Nr. 10 RVG, nach welcher das strafrechtliche Ermittlungs-verfahren einerseits, ein nach dessen Einstellung sich anschlie-ßendes Bußgeldverfahren andererseits gebührenrechtlich ver-schiedene Angelegenheiten darstellen, hilft ebenfalls nicht wei-ter, weil Nr. 4141 VV RVG nicht auf den Abschluss der gebüh-renrechtlichen „Angelegenheit“ abstellt, sondern eben auf dieEinstellung „des Verfahrens“. Die Gesetzesmaterialien zuNr. 4141 VV RVG (BR-Drucks. 830/03, 286 f. = BT-Drucks. 15/1971) und zu § 84 Abs. 2 BRAGO als der Vorgängervorschrift(BT-Drucks. 12/6962, 106) enthalten keinerlei Anhaltspunktedafür, dass der Gesetzgeber das Problem erkannt hat und einerLösung zuführen wollte. Gleiches gilt für die amtliche Begrün-dung zu § 17 Nr. 10 RVG (BR-Drucks. 830/03, 237).

[9] Sinn und Zweck der Vor-schrift verlangen jedoch eineendgültige Einstellung „des Ver-fahrens“, also eine Erledigungder Sache ohne ein noch folgen-des Bußgeldverfahren. Die Vorschrift des § 84 Abs. 2 BRAGO,der Vorgängervorschrift der Nr. 4141 VV RVG (vgl. BR-Drucks.830/03, 286), ist eingeführt worden, um Tätigkeiten des RA imErmittlungsverfahren besser zu honorieren. Wörtlich heißt es inder amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks.12/6962, 106):

„Bisher bieten die Gebührenkonstruktionen im Strafverfahreneher einen Anreiz, die Verteidigungsbemühungen auf dieHauptverhandlung zu konzentrieren. Eine intensive und zeit-aufwändige Mitwirkung des RA im Ermittlungsverfahren, diedazu führt, dass eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, istgebührenrechtlich wenig attraktiv. Im neuen Abs. 2 ... wird des-halb eine gebührenrechtliche Verbesserung entsprechenderTätigkeiten des RA vorgeschlagen. Mit der Regelung sollen

Fälle der Verfahrenseinstellung mit dem Ziel der Endgültigkeitder Einstellung erfasst werden ... Wegen der einheitlich einVerfahren abgeltenden Gebühren können Einstellungen imErmittlungsverfahren nach §§ 153, 153a StPO nicht nach derhier vorgeschlagenen Vorschrift abgerechnet werden, wenndieses Ermittlungsverfahren wegen anderer Taten weitergeführtund zur Anklagereife gebracht wird ... Die vorgeschlageneRegelung soll weiter dem Phänomen entgegenwirken, dassvielfach Einsprüche gegen den Strafbefehl nach Aufruf zurSache zurückgenommen werden. Verbessert werden soll dieVergütung für denjenigen Verteidiger, dessen rechtzeitige Prü-fung dazu führt, dass eine Hauptverhandlung und die damitverbundene Vorbereitung des Gerichts, aber auch gegebenen-falls der Zeugen und Sachverständigen entbehrlich werden“.

[10] Die jetzt geltende Regelung der Nr. 4141 VV RVG hat denGrundgedanken des § 84 Abs. 2 BRAGO übernommen, näm-lich intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten des Verteidigers,die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damitbeim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebührführten, gebührenrechtlich zu honorieren (BR-Drucks. 830/03,286). Ziel der Regelung ist damit eine Verringerung der Arbeits-belastung der Gerichte. Dieses Ziel soll durch eine adäquateVergütung des Verteidigers bereits im Vorfeld der Hauptver-handlung erreicht werden. Kann die Tat, die Gegenstand desErmittlungsverfahrens ist, nur als Straftat verfolgt werden, hatdie nicht nur vorläufige Einstellung des Verfahrens zur Folge,dass keine Hauptverhandlung stattfindet. Der Verteidiger, derdaran mitgewirkt hat, erhält die zusätzliche Gebühr nachNr. 4141 VV RVG. Wird das Verfahren nur wegen der Straftateingestellt und die Sache dann an die Verwaltungsbehördeabgegeben werden, steht hingegen keineswegs fest, dass keineHauptverhandlung stattfinden wird. Eine Abgabe findet nurstatt, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Tatals Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann (§ 43 Abs. 1OWiG). Die Staatsanwaltschaft prüft also, ob konkrete Tatsa-chen den Verdacht einer Ordnungswidrigkeit begründen undkeine Verfahrenshindernisse (etwa Verjährung) bestehen (Göh-ler/Gürtler, OWiG, 15. Aufl., § 43 Rdnr. 5). Gibt sie das Verfah-ren ab, wird das Verfahren regelmäßig – jedenfalls nach derVorstellung, die der Vorschrift des § 43 Abs. 1 OWiG zugrundeliegt – fortgesetzt. Staatliche Ressourcen werden weiterhin inAnspruch genommen.

Dass ein Bußgeldbescheid, einEinspruch und eine Hauptver-handlung folgen, ist nichtunwahrscheinlich. Das Gerichtist – anders als die Verwaltungs-behörde (§ 44 OWiG) – auch

nicht an die Entschließung der Staatsanwaltschaft gebunden,ob eine Tat als Straftat verfolgt wird oder nicht. Es prüft viel-mehr von Amts wegen erneut auch die Voraussetzungen derStraftatbestände, die durch die Tat verwirklicht sein können(§ 81 OWiG). Das Ziel, das Nr. 4141 VV RVG erreichen will,ist im Falle einer Abgabe an die Verwaltungsbehörde trotz Ein-stellung des wegen der Straftat geführten Ermittlungsverfahrensalso noch nicht erreicht.

[11] Werden die Bemühungen des Verteidigers um eine Einstel-lung wegen der Straftat und Abgabe der Sache an die Verwal-tungsbehörde nicht mit der Zusatzgebühr der Nr. 4141 VVRVG honoriert, verliert die Vorschrift dadurch nicht, wie in derLiteratur vertreten wird, nahezu jede Funktion. Bei weitemnicht jede Tat im prozessualen Sinne kann sowohl als Straftatals auch als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. In derartigenFällen kommt eine Abgabe der Sache an die Verwaltungsbe-hörde von vornherein nicht in Betracht; mit der nicht nur vor-

Wortlaut der Nr. 4141VV RVG und Gesetzes-materialien unergiebig

Sinn und Zweck ver-langen endgültige

Beendigung

Bußgeldbescheid,Einspruch und Haupt-verhandlung können

folgen

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BRAK-Mitt. 1/2010 Berufsrechtliche Rechtsprechung 35

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

läufigen Einstellung des Ermittlungsverfahrens hat der Verteidi-ger folglich die Zusatzgebühr verdient. Aber auch im Fall dessich an die Einstellung anschließenden Bußgeldverfahrens ent-fällt für den Verteidiger dadurch, dass er keine Zusatzgebührdes Nr. 4141 VV RVG verdient, nicht jegliche (gebührenrechtli-che) Veranlassung, sich für seinen Mandanten um eine Einstel-lung des Ermittlungsverfahrens wegen der Straftat zu bemühen.Auch im Bußgeldverfahren fällt eine Zusatzgebühr i.H.d. jewei-ligen Verfahrensgebühr an, wenn durch die anwaltliche Mitwir-kung das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erledigt oderdie Hauptverhandlung entbehrlich wird (Nr. 5115 VV RVG).Wie der Senat bereits entschieden hat, kann das Tatbestands-merkmal „Mitwirkung bei der Erledigung des Verfahrens“bereits durch eine Einlassung im staatsanwaltschaftlichenErmittlungsverfahren erfüllt werden (BGH, Urt. v. 18.9.2008 –IX ZR 174/07, NJW 2009, 368, 369 Rdnr. 13); so war es auchim vorliegenden Fall. Die Zusatzgebühr nach Nr. 5115 VVRVG wird zwar regelmäßig geringer sein als diejenige nachNr. 4141 VV RVG. Hinzu kommen jedoch noch die Gebührendes Bußgeldverfahrens selbst (VV RVG Teil 5). Die Grundge-bühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall entstehtzwar nicht, wenn in einem vorangegangenen Strafverfahren fürdieselbe Handlung oder Tat bereits die Gebühr 4100, also dieGrundgebühr für das Strafverfahren, entstanden ist (Nr. 5100VV RVG Abs. 2). Im Verfahren vor der Verwaltungsbehördeverdient der Verteidiger zumindest eine weitere Verfahrensge-bühr (Nr. 5101 ff. VV RVG). Eine weitere Kompensation desVerlustes, der dem Verteidiger dadurch entsteht, dass im Straf-verfahren keine Hauptverhandlung stattfindet, ist weder erfor-derlich noch sachlich angezeigt.

[12] Das Berufungsgericht hat für ausschlaggebend gehalten,dass ein Verteidiger nach durchgeführter Hauptverhandlung imStrafverfahren und einem sich anschließenden Bußgeldverfah-ren mehr an Gebühren erhält als im Falle eines Bußgeldverfah-rens nach Einstellung des Strafverfahrens. Wie gezeigt, dientder Gebührentatbestand der Nr. 4141 VV RVG jedoch geradenicht der Vermeidung gebührenrechtlich ungleicher Bewertungvergleichbarer anwaltlicher Tätigkeiten. Ein Verteidiger, derzunächst im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und dann imBußgeldverfahren tätig wird, verdient – entgegen der Ansichtder Revisionserwiderung – mehr als ein Verteidiger, der nur imBußgeldverfahren tätig wird: Zwar wird die Grundgebühr derNr. 4100 VV RVG auf diejenige der Nr. 5100 VV RVG ange-rechnet, nicht jedoch die Verfahrensgebühr.

[13] III. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestandhaben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhe-bung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Geset-zes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach Letzte-rem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in derSache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufungdes Kl. gegen das zutreffende Urteil des AG N. wird zurückge-wiesen.

Anmerkung zum Urteil des BGH vom 5.11.2009

Mit dem vorstehend abgedruckten Urteil v. 5.11.2009 hatder BGH entgegen der herrschenden Meinung in der Litera-tur entschieden, dass die Befriedungsgebühr nach Nr. 4141VV RVG nicht entsteht, wenn das strafrechtliche Ermitt-lungsverfahren durch die anwaltliche Mitwirkung zwar ein-gestellt, die Sache zur Verfolgung der Tat als Ordnungswid-rigkeit aber an die Verwaltungsbehörde abgegeben wird.

Der BGH legt den Begriff „Verfahren“ in Nr. 4141 VV RVGum zu diesem Ergebnis zu kommen so aus, dass Nr. 4141VV RVG eine endgültige Einstellung, also eine Erledigungder Sache ohne ein noch folgendes Bußgeldverfahren erfor-dere.

Diese Entscheidung ist kritisch zu bewerten.

Der BGH und das LG Oldenburg als Vorinstanz haben zuRecht erkannt, dass für die zu entscheidende Rechtsfragemaßgeblich ist, wie der Begriff „Verfahren“ zu verstehen ist.Während das Landgericht den Begriff „Verfahren“ imgebührenrechtlichen Sinne auslegt, argumentiert der BGHvom Ergebnis her mit dem Sinn und Zweck der Vorschriftund betrachtet als „Verfahren“ den zugrunde liegendenLebenssachverhalt.

Der rechtlichen Bewertung durch das LG Oldenburg istzuzustimmen. Es ist eine gebührenrechtliche Betrachtungauf dem Hintergrund der gebührenrechtlichen Angelegen-heit im Sinne des § 17 Nr. 10 RVG vorzunehmen. Das straf-rechtliche Ermittlungsverfahren und ein nach dessen Einstel-lung sich anschließendes Bußgeldverfahren sind nach § 17Nr. 10 RVG verschiedene Angelegenheiten. Dies bedeutet,dass jede Angelegenheit für sich nach den für sie geltendenVorschriften jeweils selbständig abzurechnen ist. Für dieGebühren des Verteidigers im strafrechtlichen Ermittlungs-verfahren gilt Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses, für dieTätigkeit im anschließenden Bußgeldverfahren Teil 5. DieserSystematik folgt die zutreffende Rechtsauffassung des Land-gerichts, dass unter „Verfahren“ im Sinne der Nr. 4141Abs. 1 Nr. 1 VV RVG ausschließlich das strafrechtlicheErmittlungsverfahren zu verstehen ist. Für andere Verfahrenund damit Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinnegilt Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses nicht, sodass auchnicht die Vorschrift der Nr. 4141 VV RVG anzuwendenwäre. Das Landgericht hat daher zu Recht angenommen,dass unter dem Begriff „Verfahren“ in Nr. 4141 VV RVGnicht der gesamte zugrunde liegende Lebenssachverhalt zufassen ist, sondern – gebührenrechtlich gedacht – lediglichdie Angelegenheit.

Eine andere Bewertung der Rechtsfrage folgt auch nicht ausdem Sinn und Zweck der Vorschrift. Sinn und Zweck derVorschrift ist die Honorierung zusätzlicher Tätigkeiten desVerteidigers, die zu einer nicht nur vorläufigen Einstellungdes Verfahrens führe. Die Vorschrift enthält somit wie dieEinigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG eine Erfolgskom-ponente und bietet einen Anreiz, die Tätigkeit des Rechtsan-walts auf den Zeitpunkt vor der Hauptverhandlung zu verla-gern. Dieser Zweck ist aber schon erreicht, wenn das straf-rechtliche Ermittlungsverfahren nicht nur vorläufig einge-stellt wird. Das sich dann ggf. anschließende Bußgeldver-fahren ist unabhängig von dem nach Teil 4 des Vergütungs-verzeichnisses abzurechnenden strafrechtlichen Ermitt-lungsverfahren, sodass sämtliche Gebühren nach Teil 5 desVergütungsverzeichnisses neu entstehen, es sei denn, derenEntstehung ist ausdrücklich ausgeschlossen.

Diese Rechtsauffassung entspricht im Übrigen auch dergemeinsamen Auffassung der Gebührenreferenten derRechtsanwaltskammern, die anlässlich ihrer 57. Tagung am11.10.2008 in Osnabrück festgestellt haben, dass es sich beider Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrensmit anschließendem Bußgeldverfahren um zwei Angelegen-heiten mit der Folge handelt, dass die zusätzliche Gebührnach Nr. 4141 VV RVG für die Verfahrenseinstellung ent-steht.

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36 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/2010

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Um die gebührenrechtlich negativen Folgen dieser Entschei-dung des BGH zu kompensieren, empfiehlt es sich für Fälle,in denen der Abschluss von Vergütungsvereinbarungenmöglich ist, selbst bei Anwendung des RVG im Übrigen mitdem Mandanten zu vereinbaren, dass im Falle der Einstel-lung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und sichanschließenden Bußgeldverfahrens die zusätzliche Gebührnach Nr. 4141 VV RVG entsteht. Zu beachten ist aber, dassdiese vereinbarte Gebühr dann nicht aus der Staatskasseersetzt verlangt werden kann. Darauf sollte der Mandanthingewiesen werden.

Rechtsanwältin Julia von Seltmann, Berlin

Beiordnung eines Rechtsanwalts bei Bewilligung der Pro-zesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung

ZPO § 119 Abs. 2, § 121 Abs. 2

1. Auch bei der eingeschränkten pauschalen Bewilligung der PKHfür die Zwangsvollstreckung gem. § 119 Abs. 2 ZPO ist die Not-wendigkeit der Beiordnung eines RA in Anwendung des § 121Abs. 2 ZPO für die jeweilige Maßnahme der Zwangsvollstreckungzu prüfen.

*2. Maßgebend ist die jeweilige Zwangsvollstreckungsmaßnahme,so dass nicht allein darauf abgestellt werden kann, ob die Zwangs-vollstreckung insgesamt wenige oder erfahrungsgemäß vielerechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweist.

BGH, Beschl. v. 10.12.2009 – VII ZB 31/09

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Unzulässige Beschwerde mangels Vertretung durch einenunabhängigen Rechtsanwalt

BRAO § 1; ArbGG § 11 Abs. 4 Satz 2, § 89 Abs. 3 Satz 1

*Eine auf dem Briefbogen des nichtanwaltlichen Arbeitgebers ein-gelegte Beschwerde, die von einem RA unterschrieben ist, dereinen Anstellungsvertrag als Personalreferent Arbeitsrecht beieiner Servicegesellschaft der Unternehmensgruppe hat, ist unzu-lässig, da diese Beschwerdeschrift nicht durch einen freien undunabhängigen RA i.S.d. § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG eingelegtwurde.

Hessisches LAG, Beschl. v. 28.5.2009 – 9 TaBV 35/09

Aus den Gründen:

I. Die Beteiligten streiten um die Kosten für eine Betriebsrats-schulung, die der Beteiligte zu 3) als Mitglied des Betriebsrats(Beteiligter zu 1) besucht hat. Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberinhat die Übernahme der Kosten verweigert, weil sie die Schu-lung nicht für erforderlich hielt. Wegen des beiderseitigenerstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, ihrer Anträgeund des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdar-stellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das ArbG W. hat den Zahlungsanträgen des Betriebsrats durchBeschl. v. 16.12.2008 – 3 BV 14/08 – stattgegeben und dieArbeitgeberin zur Zahlung der Seminar- und Fahrtkosten ver-pflichtet.

Gegen den der Beteiligten zu 2) am 26.1.2009 zugestelltenBeschluss hat diese am 23.2.2009 unter ihrem BriefkopfBeschwerde eingelegt, unterzeichnet von „A. Rechtsanwalt“.Der Beschwerdeschrift lag eine vom Geschäftsführer der Betei-

ligten zu 2) für „Herrn RA A., geb. am …“ ausgestellte Voll-macht bei.

Da die Beteiligte zu 2) die erstinstanzlichen Schriftsätze eben-falls unter ihrem Briefkopf, unterzeichnet von RA A., einge-reicht hat, dieser im Protokoll der Anhörung v. 16.12.2008 (Bl.183 d.A.) und im angefochtenen Beschluss aber nicht als Ver-fahrensbevollmächtigter genannt ist, wies das Beschwerdege-richt mit Schr. v. 5.3.2009 darauf hin, dass Bedenken gegen dieZulässigkeit der Beschwerde bestünden, da die Beschwerde-schrift nicht erkennen ließe, dass RA A. die Beteiligte zu 2) alszugelassener, freier und unabhängiger RA vertrete. RA A. teiltedaraufhin mit Schr. v. 16.3.2009 unter seiner Kanzleianschriftund Beifügung einer Vollmacht mit, er vertrete die Beteiligte zu2) als unabhängiger RA und stünde nicht in einem Arbeitsver-hältnis zur Beteiligten zu 2).

RA A. ist bei der B. GmbH & Co. KG, der zentralen Dienstleis-terin der C. Group, zu der auch die Beteiligte zu 2) gehört, alsPersonalreferent Arbeitsrecht angestellt. Die B. nimmt für dieUnternehmen der C. Group u.a. die Rechts- und Personalbera-tung wahr. Die Beteiligte zu 2) trägt vor, nach dem Anstellungs-vertrag von RA A. mit der B. GmbH & Co. KG v. 1.8.2002 (Bl.264 ff. d.A.) sei diese nicht als Syndikusanwalt tätig. Eine Tätig-keit für die Beteiligte zu 2) erfolge zwangsläufig außerhalb sei-nes Dienstverhältnisses.

Die Beteiligte zu 2) beantragt, den Beschl. des ArbG W. v.16.12.2008 – 3 BV 14/08 – abzuändern und die Anträge desBeteiligten zu 1) zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1) beantragt, die Beschwerde des Beteiligtenzu 2) als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründetzurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1) hält die Beschwerde für unzulässig, da RAA. bei Einlegung der Beschwerde nicht erkennbar als unab-hängiger RA tätig geworden sei. Die Formulierungen derBeschwerdeschrift ließen nicht erkennen, dass RA A. in einergeänderten Rolle für die Beteiligte zu 2) tätig geworden sei. RAA. sei für sämtliche Unternehmen der C. Gruppe tätig undgegenüber der B. GmbH & Co. KG insoweit auch weisungsge-bunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Beschwer-devorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schrift-sätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift v. 28.5.2009Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist gem. § 89 Abs. 3 Satz 1 ArbGG alsunzulässig zu verwerfen. Sie ist entgegen §§ 89 Abs. 1, 87Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG von der Beteiligten zu 2) nicht binneneinen Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidungdurch einen RA als Verfahrensbevollmächtigter i.S.d. § 11Abs. 4 Satz 2 ArbGG eingelegt worden. Gem. § 11 Abs. 4Satz 2 ArbGG müssen sich die Beteiligten vor den LAG bei derEinlegung und Begründung der Beschwerde durch RAe oderGewerkschaften/Arbeitgeberverbände als Prozessbevollmäch-tigte vertreten lassen. Vorliegend kommt nur die erste Alterna-tive in Betracht. Im Rahmen des § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG istjeder zugelassene RA zur Vertretung berechtigt. RA A. ist zwarals RA zugelassen, es ist aber nicht erkennbar, dass er die Betei-ligte zu 2) bei der Einlegung der Beschwerde als solcher vertre-ten hat. § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG soll gewährleisten, dass einfreier und selbstbestimmter RA (§ 1 BORA), der unabhängigvon Weisungen seines Mandanten ist, die Verantwortung fürdie Prozesshandlungen übernimmt (BAG, Beschl. v. 19.3.1996– 2 AZB 36/95 – EzA § 11 ArbGG 1979 Nr. 12).

Unabhängigkeit ist ein Wesens-merkmal des RA. Ein RA, der imRahmen eines Anstellungsvertra-ges mit einer Gesellschaft, die als

Weisungsfreiheitist notwendig

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BRAK-Mitt. 1/2010 Berufsrechtliche Rechtsprechung 37

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zentrale Dienstleisterin die Rechts- und Personalberatung fürdie Gruppenunternehmen wahrnimmt, als PersonalreferentArbeitsrecht tätig wird, entspricht bei seiner Tätigkeit nicht demallgemeinen anwaltlichen Berufsbild eines freien und unab-hängigen RA. In dieses Berufsbild lässt sich nur die Tätigkeiteinfügen, die der angestellte RA als Anwalt außerhalb seinesDienstverhältnisses ausübt.

Im Rahmen des Anstellungsver-hältnisses besitzt er keine Unab-hängigkeit, sondern unterliegtdem Prinzip der Über- und Unterordnung, auch wenn das An-stellungsverhältnis nicht unmittelbar mit der Bfin. besteht, son-dern mit einem anderen Unternehmen der Gruppe, das für dieBfin. die Rechtsberatung durchführt. Herr D. ist immerhin inbeiden Unternehmen (Mit-)Geschäftsführer. Die Beschwerde-schrift und die sonstigen Umstände lassen nicht erkennen, dassRA A. bei der Beschwerdeeinlegung als freier und unabhängi-ger RA tätig geworden ist. Die Beschwerdeschrift wurde unterdem Briefkopf der Beteiligten zu 2) eingelegt. Im Rubrum derBeschwerdeschrift ist RA A. nicht als Verfahrensbevollmächtig-ter benannt. Für die Beschwerdeeinlegung hat RA A. wie schonin den im ersten Rechtszug eingereichten Schriftsätzen nichtdie „Ich“-Form, sondern die „Wir“-Form verwendet. Die mitder Beschwerde vorgelegte Vollmacht deutet in keiner Weisedarauf hin, dass er als unabhängiger RA tätig werden sollte. Esist ungewöhnlich, dass dort sein Geburtsdatum genannt ist. Ineiner Anwaltsvollmacht geschieht dies normalerweise nicht.

Gegen ein Tätigwerden als freier RA sprechen auch die weite-ren Umstände, nämlich dass RA A. in keinem der erstinstanz-lichen Protokolle und auch nicht in dem angefochtenen Be-schluss als Verfahrensbevollmächtigter ausgewiesen wurde unddass die Zustellung dieses Beschlusses unbeanstandet mit Post-zustellungsurkunde an die Beteiligte zu 2) erfolgte. Die weite-ren Angaben in der Beschwerdeschrift (Anschrift, Telefon, Tele-fax) weisen zudem darauf hin, dass RA A. in die Organisationder Beteiligten zu 2) eingebunden ist (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.2.2003 – 4 Sa 75702 – Juris). DieAnwaltsanzeige v. 16.3.2009 erfolgte außerhalb der Beschwer-defrist.

Aufklärungspflicht nach Widerruf der Zulassung wegenVermögensverfalls

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7; BGB § 705, 723 Abs. 1

1. Wurde einem RA die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegenVermögensverfalls entzogen und ist der Verwaltungsakt erst voretwa acht Monaten widerrufen worden, so hat der betroffene RAdiesen Umstand vor Abschluss eines Vertrages zur Begründungeiner Sozietät mit einem anderen RA jenem gegenüber auchungefragt zu offenbaren.

2. Eine Verletzung dieser Aufklärungspflicht rechtfertigt einesofortige Kündigung des Sozietätsvertrages aus wichtigemGrunde.

OLG Naumburg, Urt. v. 11.6.2009 – 1 U 122/08

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Zur Anrechnung eines schwerbehinderten Sozius auf einenPflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen

§ 75 SGB IX*1. Ein schwerbehinderter Sozius einer aus mehreren RAenbestehenden Sozietät ist nicht nach § 75 Abs. 1 und 3 SGB IX auf

einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen anzu-rechnen.

*2. Das Verbot der reformatio in peius gilt nach § 63 Abs. 3 GKGnicht für die Abänderung der Kostenentscheidung des Sozialge-richts im Berufungsverfahren.

LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.9.2009 – L 1 AL 115/08

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Verhältnis zwischen Abwickler und Insolvenzverwalter

BRAO § 53 Abs. 10 Satz 1, § 55 Abs. 3; InsO § 324 Abs. 1Nr. 6; BGB § 667

1. Ist für einen insolventen ehemaligen RA (Schuldner) sowohl einAbwickler als auch ein Insolvenzverwalter bestellt, so stehen dieauf dem Geschäftskonto des Schuldners eingehenden oder vomAbwickler eingezogenen Gebühren in der Zeit bis zum Ende derAbwicklung grundsätzlich dem Abwickler zu.

2. Lässt der Insolvenzverwalter während der laufenden Abwick-lung ohne Einverständnis des Abwicklers solche Gebühren aufsein Anderkonto transferieren, so steht dem Abwickler gegen denInsolvenzverwalter ein Herausgabeanspruch nach § 55 Abs. 3,§ 53 Abs. 10 Satz 1 BRAO zu.

3. Vergütungs- und Auslagenansprüche des Abwicklers gehenanalog § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO denjenigen des Insolvenzverwal-ters vor.

4. Die Beweislast dafür, dass Überschüsse vorhanden sind, die derAbwickler zur Fortführung der Abwicklung nicht benötigt, trifftden Insolvenzverwalter.

5. Der Abwickler hat hingegen keinen Anspruch gegen den Insol-venzverwalter auf Herausgabe auf dem Insolvenzanderkonto ein-gegangener Honorare und Fremdgelder.

OLG Köln, Urt. v. 4.11.2009 – 17 U 40/09

Aus den Gründen:

I. Der Kl., der durch Verfügung der RAK ... v. 24.7.2007 zumAbwickler der Kanzlei des ehemaligen RA X. bestellt und des-sen Bestellung zuletzt bis zum 31.12.2009 verlängert wordenist, nimmt die Bekl. auf Rückgewähr eines Betrages von –zuletzt – 4.407,08 Euro in Anspruch. Ferner begehrt er die Fest-stellung, dass die Bekl. verpflichtet ist, bei ihr eingehendesFremdgeld sowie eingehende Honorare, die aus einem Man-datsverhältnis mit dem früheren RA X. resultieren, an ihn aus-zuzahlen.

Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenenUrteils Bezug genommen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es imWesentlichen ausgeführt: Dem Kl. stehe als Kanzleiabwicklergegen die Bekl. ein Anspruch auf Auszahlung der von dieservereinnahmten Anwaltshonorare aus §§ 55 Abs. 3, 53 Abs. 10Satz 1 BRAO zu. Zu den Gegenständen, auf die sich gem.§ 53 Abs. 10 Satz 1 BRAO der Herausgabeanspruch desAbwicklers beziehe, gehörten auch Forderungen. Zwar fielenHonorarforderungen von RAen prinzipiell auch in die Insol-venzmasse, so dass ein Konkurrenzverhältnis zwischen insol-venzrechtlichen und berufsrechtlichen Regelungen bestehe,das vorliegend zugunsten des Abwicklers aufzulösen sei.Denn dieser müsse in die Lage versetzt werden, die laufendenMandate ordnungsgemäß abzuwickeln. Dies ergebe sich ausdem Schutzzweck der Abwicklungsvorschriften, welche u.a.der Sicherheit des Rechtsverkehrs dienten. Da der Abwickler

Keine Unabhängigkeit

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38 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/2010

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berechtigt sei, eingehende Honorare zur Finanzierung deslaufenden Kanzleibetriebs zu verwenden und ihm darüberhinaus Vorschüsse auf sein eigenes Honorar zustünden,werde der Herausgabeanspruch des Insolvenzverwaltersi.d.R. erst nach dem Ende der Abwicklung fällig. Eine Abgren-zung zwischen laufenden und beendeten Mandaten sei sach-fremd und führe dazu, dass der Abwickler verpflichtet wäre,nach Beendigung jedes einzelnen Mandats die erzieltenHonorare an den Insolvenzverwalter herauszugeben. Dieswiderspreche dem Ablauf des Abwicklungsverfahrens, da derAuftrag des Abwicklers nicht lediglich einzelne Mandate,sondern die Kanzlei im Ganzen umfasse. Auch der BGH seiin der in JR 2007, 109, 110 veröffentlichten Entscheidung v.23.6.2005 – IX ZR 139/04 – davon ausgegangen, dass derAbwickler während des bestehenden Abwicklungsverhältnis-ses allenfalls nach § 271 Abs. 1 Fall 2 BGB verpflichtet seinkönne, die Überschüsse herauszugeben, die offensichtlichnicht mehr für die weitere Abwicklung benötigt würden.Hierzu sei vorliegend aber nichts vorgetragen. Da die Bekl.danach derzeit nicht Herausgabe des aus der Abwicklung derKanzlei Erlangten verlangen könne, sondern dieser Ansprucherst nach Beendigung der Abwicklung fällig werde, könnedem klageweise geltend gemachten Anspruch auch nichtnach Treu und Glauben entgegengehalten werden, dass nichtheraus verlangt werden dürfe, was sofort zurückzugewährensei. Schließlich bestehe auch ein Feststellungsinteresse des Kl.gem. § 256 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf den Klageantrag zu2). Denn der Kl. habe ein Interesse an der Feststellung, wiesich das rechtliche Verhältnis zwischen ihm und der Bekl. imHinblick auf die Mandantengelder gestalte.

Gegen dieses ihr am 31.3.2009 zugestellte Urteil richtet sichdie am 29.4.2009 eingelegte und nach Verlängerung der Beru-fungsbegründungsfrist bis zum 2.7.2009 mit einem an diesemTage eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Bekl.,mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag wei-terverfolgt.

Sie macht geltend: Das LG habe sich nicht mit ihrem Sachvor-trag auseinandergesetzt, wonach zwischen den Parteien eineAbsprache über die einvernehmliche Aufteilung der Akten derAnwaltskanzlei X. getroffen worden sei. Dementsprechendhabe sie absprachegemäß die abgeschlossenen Akten in Besitzgenommen, in denen sich Titel über ausstehendes Anwaltsho-norar befunden hätten, die gegenüber den vormaligen Man-danten des Insolvenzschuldners durchzusetzen gewesen seien.Die Herausgabe dieser Akten habe der Kl. bis heute nichtgefordert. Auch sei im Rahmen der Absprache zwischen denParteien keine Regelung getroffen worden, wonach eingezo-gene Gelder an den Kl. auszukehren seien.

Darüber hinaus habe das LG das zwischen der Kanzleiabwick-lung und der Abwicklung des Insolvenzverfahrens über dasVermögen des Insolvenzschuldners X. bestehende Spannungs-verhältnis nicht ausreichend berücksichtigt. Der Kl. habe näm-lich nicht dargetan, dass er das von ihr – der Bekl. – eingezo-gene Geld benötige, um die bei ihm befindlichen Akten zuEnde führen zu können.

Schließlich habe das LG die Entscheidung des BGH v.23.6.2005 – IX ZR 139/04 – fehlinterpretiert und verkannt, dassdiese Entscheidung nicht die Herausgabepflicht bzgl. des ver-bliebenen Vermögens nach Abschluss der Kanzleiabwickler-tätigkeit betroffen habe, sondern über einen Herausgabean-spruch betreffend die verwalteten Barmittel, mithin währendder Kanzleiabwicklungstätigkeit, befunden worden sei. Zudemhabe das LG die Beweislast falsch bewertet, indem es ausge-

führt habe, es sei nichts dazu vorgetragen worden, ob Über-schüsse vorhanden seien, die der Kl. nicht mehr zur weiterenVerfahrensabwicklung benötige. Ihr – der Bekl. – sei nichtbekannt, ob der Kl. Überschüsse aus der Abwicklung verwalteoder bei ihm verwaltete Beträge bereits zur Insolvenzmasseauskehren könne, da der Kl. die Auskunftserteilung hierzu ver-weigere. Es sei Sache des Kl. zu beweisen, dass er Anspruchauf die bei ihr verwaltete Masse habe.

Die Bekl. beruft sich schließlich auf die dolo-agit-Einrede undvertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, der Kl. müssedie eingeklagten Beträge im Fall des Obsiegens unverzüglichwieder an sie zurückerstatten, da er diese nach seinem eigenenVortrag nicht zur Fortführung der Abwicklungstätigkeit bzw.zur Deckung seiner Vergütungsansprüche benötige. Die Bekl.meint, aufgrund dessen stehe ihr ein Zurückbehaltungsrecht anden vereinnahmten Geldern zu, bis die Vergütung des Kl. fest-gesetzt worden sei und dieser nachgewiesen habe, dass die beiihm verwaltete Masse nicht ausreiche.

Die Bekl. beantragt, die Klage unter Abänderung des angefoch-tenen Urteils abzuweisen.

Der Kl. beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung undVertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und trägtergänzend vor: Er benötige die von der Bekl. vereinnahmtenGelder. Die von ihm „vereinbarten“ Honorare würden seineVergütung nicht abdecken, weshalb er die zuständige RAK ...als Bürgin habe in Anspruch nehmen müssen, welcheAbschläge auf die Abwicklervergütung zahle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandeswird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Bekl. ist hinsichtlich des Kla-geantrags zu 2) begründet. Im Übrigen ist die Berufung unbe-gründet.

1. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kl.gegen die Bekl. ein Herausgabeanspruch aus §§ 55 Abs. 3, 53Abs. 10 Satz 1 BRAO zusteht.

Nach diesen Vorschriften ist derAbwickler berechtigt, die zurKanzlei gehörenden Gegen-stände einschließlich des der

anwaltlichen Verwahrung unterliegenden Treuguts in Besitz zunehmen, herauszuverlangen und hierüber zu verfügen. Er hatnach der Rspr. des BGH auch das Recht, eingehende Gebührenin Besitz zu nehmen und sie im Rahmen des Erforderlichen fürAufwendungen und Vorschüsse auf die spätere Vergütung zuverwenden (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2005, IX ZR 139/04). Diediesbezügliche Zugriffsberechtigung des Kanzleiabwicklersergibt sich aus dessen gesetzlich normierter Verfügungsberech-tigung.

Allerdings war im Streitfall auch die Bekl. als Insolvenzverwal-terin über das Vermögen des ehemaligen RA X. berechtigt, des-sen Bankguthaben einzuziehen.

Diese war nämlich bereits vorder am 24.7.2007 erfolgtenBestellung des Kl. zumAbwickler der RA-Kanzlei X.durch Beschl. v. 20.7.2007 zur vorläufigen Insolvenzverwalte-rin über das Vermögen des ehemaligen RA X. mit Zustim-

Zugriffsberechtigungdes Abwicklers

Einzugsermächtigungdes Insolvenzverwalters

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BRAK-Mitt. 1/2010 Berufsrechtliche Rechtsprechung 39

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

mungsvorbehalt bestellt und ermächtigt worden, Bankgut-haben und sonstige Forderungen des Schuldners einzuziehensowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die streitgegen-ständlichen Gelder befanden sich auch nicht auf einem geson-derten Abwicklungskonto, sondern wurden auf das vormalsvon dem Schuldner unterhaltene Privat- und Geschäftskontoüberwiesen und von dort auf das von der Bekl. eingerichteteInsolvenzanderkonto transferiert.

a) Da sich weder aus den Vorschriften der BRAO noch ausdenjenigen der Insolvenzordnung entnehmen lässt, dass einerder Parteien hinsichtlich des Rechts zur Inbesitznahme der aufdem Geschäftskonto eingehenden Gelder der Vorrang gebührt(so auch Sattler/Rickert, ZInsO 2006, 76; Franke/Böhme,AnwBl. 2004, 339, 340), ergibt sich in derartigen Situationen –wie das LG zutreffend ausgeführt hat – ein Konkurrenzverhält-nis zwischen dem Kanzleiabwickler und dem Insolvenzver-walter, die gleichermaßen zur Verfügung über die auf demGeschäftskonto des Schuldners eingehenden Honorareberechtigt sind.

Dieses Konkurrenzverhältnis istauch nach Auffassung des Senatsdahin aufzulösen, dass die auf

dem Geschäftskonto des Schuldners eingehenden oder vondem Abwickler eingezogenen Gebühren bis zum Ende derAbwicklung bei dem Abwickler zu verbleiben haben, der hier-aus die laufenden Ausgaben bestreiten sowie Vorschüsse aufseine Vergütung entnehmen darf.

Anderenfalls würde zum einen das Institut der Abwicklung, dasdurch die Insolvenz eines RA nicht entbehrlich wird, da beideAmtsträger unterschiedliche Ziele verfolgen, in sinnwidrigerWeise entwertet. Die Bestellung eines Kanzleiabwicklers dientdem Zweck, eine „verwaiste“ Kanzlei nach dem Tod bzw.Zulassungsverlust des Kanzleiinhabers einem möglichst schnel-len Ende zuzuführen (vgl. Hartung/Römermann, Berufs- undFachanwaltsordnung, 4. Aufl., 2008, § 55 BRAO Rdnr. 3).

Der Kanzleiabwickler soll imInteresse der Mandanten undder Rechtssicherheit die laufen-den Angelegenheiten sicher-stellen, fortführen und abwi-ckeln (vgl. Sattler/Rickert, ZInsO 2006, 76; Franke/Böhme,AnwBl. 2004, 339; Nolzen, Die Abwicklung einer RA-Kanzlei,Diss. 2008, S. 20 ff.). Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters istdagegen auf die bestmögliche Befriedigung der Gläubigergerichtet. Seine auch dem öffentlichen Interesse, nämlich derSicherheit des Rechtsverkehrs und der Wahrung des Ansehensder Anwaltschaft, dienenden Aufgaben kann der Abwickler nursinnvoll wahrnehmen, wenn er über alle für die Abwicklungbenötigten Gegenstände, Güter, Unterlagen und Einrichtungenverfügen kann (vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2006, 6 U220/06, BeckRS 2007, 04456).

Entscheidend kommt zum anderen hinzu, dass kein berechtig-tes Interesse der Masse daran besteht, dass der Insolvenzver-walter die auf dem Geschäftskonto des Schuldners eingehen-den Gelder bereits während der Abwicklung in Besitz nimmt.Unter der Geltung der Konkursordnung wurde aus der Vor-schrift des § 224 Abs. 1 Nr. 6 KO, nach der diejenigen Aufwen-dungen, die zur Erhaltung und Mehrung des Nachlasses einge-setzt wurden, als Masseschulden vorrangig zu befriedigenwaren, gefolgert, dass auch die Vergütungs- und Aufwendungs-ersatzansprüche des Abwicklers Vorrang vor sonstigen Masse-schulden haben, da der amtlich bestellte Kanzleiabwickler eineArt besondere Nachlasspflegschaft übernehme (vgl. Sattler/

Rickert, ZInsO 2006, 76, 77; Franke/Böhme, AnwBl. 2004,339, 340; LG Hamburg, NJW 1994, 1883 f.). Nach §§ 53, 54,55, 209 InsO sind zwar die Vergütungs- und Auslagenansprü-che des Insolvenzverwalters neben den Gerichtskosten als ein-zige Kosten des Insolvenzverfahrens privilegiert. Gleichwohl istder Senat mit der herrschenden Meinung der Auffassung, dassVergütungs- und Auslagenansprüche des Abwicklers – nun-mehr analog § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO – denjenigen des Insol-venzverwalters vorgehen (vgl. OLG Celle, BRAK-Mitt. 2002,198 f.; Hartung/Römermann, a.a.O., § 55 Rdnr. 84; Franke/Böhme, AnwBl. 2004, 339, 340; Siegmann in: MünchenerKommentar zur InsO, 2. Aufl., § 324 Rdnr. 12; Marotzke in:Staudinger, BGB, Neubearb. 2002, § 1967 Rdnr. 38; vgl. auchOLG Rostock, a.a.O., für den Fall, dass der Abwickler vor Eröff-nung des Insolvenzverfahrens bestellt wurde; vgl. auch Ueber-feldt, DStR 2008, 2386, 2388 für die Abwicklung einer StB-Pra-xis; a.A. wohl Nolzen, a.a.O., 226 f., der eine einzelfallbezo-gene Betrachtungsweise vertritt, die indes weder praktikabelnoch aus Gründen der Rechtssicherheit vertretbar erscheint).Hierfür spricht zunächst, dass die Abwicklung auch der Insol-venzmasse zugute kommen kann, soweit aus ihr Honorarforde-rungen entstehen, die als Überschuss in die Insolvenzmasseeingehen (vgl. auch Hartung/Römermann, a.a.O., § 55Rdnr. 84).

Darüber hinaus rechtfertigt auchder Umstand, dass die Tätigkeitdes Abwicklers öffentlichen Inte-ressen dient, eine Privilegierungder Vergütungsforderungen des

Abwicklers. Könnte der Abwickler wegen seines Vergütungsan-spruchs nur quotale Befriedigung aus der Masse erlangen, sokönnte dieser die RAK, welche eine nachrangige Bürgenhaf-tung trifft, in Anspruch nehmen. Es erscheint aber nichtgerechtfertigt, dass die Rechtsanwaltschaft – finanziell – dasRisiko der Insolvenz eines ihrer früheren Mitglieder zu tragenhat, obwohl die Abwicklung, die gerade auch die Sicherheitdes Rechtsverkehrs bezweckt, im allgemeinen Interesse liegt. Indiesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass dieÜbernahme der Abwicklung nicht im Belieben des Abwicklerssteht. Dieser kann die Übernahme vielmehr nach § 55 Abs. 3Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 5 Satz 3 und 4 BRAO nur aus wichti-gem Grund ablehnen, wozu u.a. Arbeitsüberlastung, gesund-heitliche Gründe und die Gefährdung seiner eigenen Leistungs-fähigkeit zählen können, nicht aber die Liquiditätsschwächeder abzuwickelnden RA-Kanzlei (vgl. Hartung/Römermann,a.a.O., § 55 BRAO Rdnr. 26; Kleine-Cosack, BRAO, 5. Aufl.2008, § 55 Rdnr. 3). Da die Bürgenhaftung der RAK nur hin-sichtlich der Vergütung des Abwicklers, nicht jedoch bzgl. sei-ner Aufwendungsersatzansprüche besteht (vgl. Kleine-Cosack,a.a.O., § 55 Rdnr. 7), müsste der Abwickler, der nur quotaleBefriedigung aus der Masse erlangt, das Risiko tragen, mit sei-nen Aufwendungsersatzansprüchen teilweise auszufallen.Gegen eine Gleichstellung der Abwicklervergütung mit denMasseverbindlichkeiten des § 55 InsO spricht letztlich auch,dass diese auf Handlungen des Insolvenzverwalters beruhenoder in anderer Weise aus der Verwaltung, Verwertung oderVerteilung der Masse in der Verantwortung des Verwalters ent-standen sind, was auf die Tätigkeit des Abwicklers nicht zutrifft(vgl. OLG Celle, a.a.O.).

Sind danach Vergütungs- und Aufwendungsansprüche des Ab-wicklers vorrangig vor sonstigen Masseschulden zu befriedi-gen, so wird die Masse nicht geschmälert, wenn dem Abwick-ler die eingehenden Gebühren – bis auf einen sich bei Endeder Abwicklung ergebenden Überschuss, der dann ohnehin

Konkurrenzverhältnis

Abwicklung der laufen-den Angelegenheiten

hat Vorrang

Privilegierung derVergütungsforderungen

des Abwicklers

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40 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 1/2010

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

herauszugeben ist – zur Fortführung seiner Tätigkeit zur Verfü-gung gestellt werden. Damit besteht grundsätzlich auch keinInteresse des Insolvenzverwalters daran, die auf dem Ge-schäftskonto des Schuldners eingehenden Gebühren bereitswährend der Abwicklung zur Masse zu ziehen.

b) Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der Abwickler Über-schüsse erwirtschaftet, die offensichtlich für die weitereAbwicklung nicht benötigt werden, bedarf keiner Entschei-dung. Das LG hat zutreffend festgestellt, dass die darlegungs-pflichtige Bekl. keine Tatsachen vorgetragen hat, die daraufschließen lassen, dass vorliegend entsprechende Überschüsseerwirtschaftet worden sind.

Die Bekl. trifft die Darlegungs-und Beweislast dafür, dassÜberschüsse vorhanden sind,welche zur Fortführung derAbwicklung nicht benötigt wer-den. Würde nämlich die Bekl. einen Herausgabeanspruch aus§ 667 BGB gegen den Kl. geltend machen, müsste sie dessenVoraussetzungen beweisen. In diesem Fall träfe den Kl. auchnicht die Beweislast dafür, dass auf dem Geschäftskonto desSchuldners vorhandenes Guthaben für die weitere Abwick-lung benötigt wird, da der Auftraggeber für die tatsächlichenVoraussetzungen des Anspruchs aus § 667 BGB beweispflich-tig ist, während der Auftragnehmer nur die bestimmungs-gemäße Verwendung der Gelder beweisen muss (vgl. BGH,Urt. v. 23.6.2005, IX ZR 139/04, zitiert nach juris; vgl. auchNolzen, a.a.O., 212). Die Bekl. könnte sich insofern auchnicht mit Erfolg auf die Unkenntnis der tatsächlichen Ver-hältnisse berufen, da ihr gem. § 666 BGB ein Auskunftsan-spruch über den Stand der Geschäfte zusteht (vgl. auch BGH,a.a.O.; Nolzen, a.a.O.). Diesen muss sie ggf. gerichtlichdurchsetzen.

Die Tatsache, dass die Bekl. die Gelder bereits auf das von ihrgeführte Anderkonto hat transferieren lassen, vermag an dieserBeweislastverteilung nichts zu ändern. Es ist allgemein aner-kannt, dass – auch über die Fälle der Eingriffskondiktion hinaus(vgl. hierzu Schwab in Münchener Kommentar zum BGB,5. Aufl., § 812 Rdnr. 370) – derjenige, der Verfügungen überfremde Konten bzw. Sparbücher trifft, die Beweislast für seineVerfügungsberechtigung trägt (vgl. BGH, NJW 1986, 2107,2108; OLG Bamberg, ZEV 2004, 207, 208; OLG Köln, NJW1993, 939 f.). Dieser Grundsatz ist wegen der vergleichbarenInteressenlage auf den Streitfall übertragbar.

c) Auch die von der Bekl. vorgetragene Vereinbarung, wonachbesprochen worden sei, dass der Kl. die „laufenden“ Aktenübernehme, während sie diejenigen Unterlagen in Besitznehme, in welchen Forderungen gegen Mandanten aus abge-schlossenen Akten offen stünden, vermag zu keiner anderenBeurteilung zu führen. Nach der Sachdarstellung der Bekl.haben die Parteien lediglich die Besitzverhältnisse bzgl. derAkten geregelt. Eine derartige Regelung besagt aber nicht, dassdie Parteien rechtsverbindlich vereinbart haben, der Bekl. soll-ten die Honorare auf Dauer zufließen. Soweit die Bekl. schließ-lich in der Berufungsbegründung ausführt, bei der Aufteilungder Akten sei keine Regelung darüber getroffen worden, dassdie eingezogenen Gelder an den Kl. auszukehren seien, trägtsie selbst nicht vor, der Kl. sei damit einverstanden gewesen,dass die Gelder ihr zufließen sollten.

2. Die Berufung ist hingegen begründet, soweit die Bekl. sichgegen die Feststellung wendet, sie sei verpflichtet, bei ihr ein-gehendes Fremdgeld und eingehende Honorare, die aus einem

Mandatsverhältnis mit dem früheren RA X. resultieren, an denKl. zu zahlen.

a) Der Kl. hat keinen Anspruchdarauf, dass die Bekl. Honor-arzahlungen, die auf ihremInsolvenzverwalteranderkontoeingehen, an ihn auskehrt. Einsolcher Anspruch lässt sich

nicht aus §§ 55 Abs. 3, 53 Abs. 10 Satz 1 BRAO herleiten.Danach darf der Abwickler „die zur Kanzlei gehörendenGegenstände einschließlich des anwaltlicher Verwahrungunterliegenden Treuguts“ in Besitz nehmen. AusstehendeGebühren sind aber weder „zur Kanzlei gehörende Gegen-stände“ noch „Treugut“. Zwar ist unter einem „Gegenstand“alles zu verstehen, was Objekt von Rechten sein kann (vgl.Nolzen, a.a.O., 123; Heinrichs/Ellenberger in: Palandt, BGB,68. Aufl., vor § 90 Rdnr. 2). Auch ist der Kanzleiabwicklernach § 55 Abs. 3 BRAO berechtigt, ausstehende Honoraran-sprüche einzuziehen. Hiervon ist aber ein Herausgabeverlan-gen gegenüber einem Dritten, der die Außenstände bereitsberechtigterweise eingezogen hat, zu unterscheiden. Auchaus der Tatsache, dass der Abwickler nach § 55 Abs. 3 BRAOzur Einziehung ausstehender Honoraransprüche des früherenRA nicht verpflichtet ist, lässt sich entnehmen, dass Außen-stände nicht schlechthin dem Zugriff des Abwicklers unterlie-gen. Vielmehr gehört die Einziehung ausstehender Honorarenicht primär zu den Aufgaben des Abwicklers, sondern fällt inden Pflichtenkreis des früheren Anwalts, seiner Erben bzw.seines Nachlassverwalters (vgl. auch Schwärzer, BRAK-Mitt.2008, 108). Treugut können schließlich nur solche Gegen-stände sein, die bereits vorhandenes Treugut der konkretenKanzlei sind (so auch Nolzen a.a.O., 124). Das ergibt sichbereits daraus, dass es sich um der anwaltlichen Verwahrungunterliegende Werte handeln muss.

b) Auch ein Herausgabeanspruch des Kl. hinsichtlich zukünftigbei der Bekl. eingehender Fremdgelder besteht nicht.

Insoweit steht den Mandanten des Insolvenzschuldners gegendiesen ein Herausgabeanspruch aus § 667 BGB zu. Diesenmuss die Bekl., soweit Fremdgelder bei ihr eingehen, nach § 80InsO erfüllen (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2005, IX ZR 139/04,zitiert nach juris). Daran ändert auch der Umstand nichts, dassder Kl. zum Abwickler der Kanzlei des Insolvenzschuldnersbestellt worden ist, da hiervon die privatrechtlichen Rechtsbe-ziehungen des Insolvenzschuldners nicht berührt werden. Viel-mehr bestehen die gesetzlichen Pflichten des Abwicklers unab-hängig von und neben den privatrechtlichen Pflichten desInsolvenzschuldners (vgl. BGH, Urt. v. 7.7.1999, VIII ZR 131/98, zitiert nach juris).

Auswirkungen eines Verstoßes gegen das Verbot der Ver-tretung widerstreitender Interessen im Prozess

BRAO § 43a Abs. 4; BGB § 134

*1. Eine (angebliche) Verletzung des Verbots der Vertretungwiderstreitender Interessen auf der Gegenseite kann nicht erstmit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden.

*2. Zu den Auswirkungen einer Verletzung des Verbots der Ver-tretung widerstreitender Interessen auf den Prozessverlauf.

LG München, Urt. v. 9.10.2009 – 33 O 4273/09

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Darlegungs- undBeweislast für Insol-

venzverwalter

Kein Anspruch bzgl. aufInsolvenzverwalter-konto eingegangenerHonorarzahlungen

Page 49: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Aktuelle Hinweise IX

Veranstaltungen

Crashkurs Europarecht desCentrums für Europarecht an

der Universität Passau e.V.(CEP)

Das CEP veranstaltet am 4./5. März 2010einen Crashkurs Europarecht auf SchlossHofen am Bodensee in Österreich. Die-ses Fortbildungsseminar richtet sich je-weils an Juristen aller Berufsfelder, die inihrer täglichen Praxis mit der stetig wach-senden Bedeutung des Europarechtskonfrontiert werden. In den Seminarblö-cken 1–3 werden die Grundlagen desEuroparechts vermittelt. Im Rahmen desSeminarblocks 4 erhalten die Teilnehmerdie Möglichkeit, einen für sie besondersrelevanten Bereich zu vertiefen. ZurWahl stehen die Grundfreiheiten desEG-Vertrages, das EG-Beihilfenrecht so-wie das EG-Vergaberecht. Referierenwerden Prof. Dr. Michael Schweitzer(CEP), Prof. Dr. Werner Schroeder (Uni-versität Innsbruck), Prof. Dr. Walter Ob-wexer (Universität Innsbruck), Rechtsan-walt Dr. Hans-Georg Kamann (Wil-merHale LLP, Frankfurt a.M.) und SabineAhlers (Fachhochschule für ÖffentlicheVerwaltung und Rechtspflege in Bayern,Hof). Der Teilnahmebeitrag beträgt 550Euro. Die Anmeldung ist bis zum18.2.2010 möglich.

Interessenten wenden sich bitte an dasCentrum für Europarecht an der Univer-sität Passau e.V. (CEP), GeschäftsführerinMarina Schuldheis, LL.M., Innstraße 39,94032 Passau, Tel.: 0851 509-2395, Fax:0851 509-2396, [email protected],www.cep-passau.eu.

Vermischtes

Forum Anwaltsgeschichteverleiht Preis für heraus­

ragende Anwaltsbiographie

Das Forum Anwaltsgeschichte e.V. hatteim Jahre 2008 erstmals einen mit 4.000Euro dotierten Preis für einen herausra-genden Beitrag zum Verständnis der An-walts- bzw. Advokaturgeschichte ausge-lobt. Die Ausschreibungskriterien sindim Internet unter www.anwaltsgeschich-te.de einsehbar. Die Wahl fiel auf IlseReiter-Zatloukal und ihre Gustav-Harp-ner-Biographie. Die feierlicheVerleihungfand am 24. November 2009 im Juridi-

cum der Johannes-Gutenberg-UniversitätMainz in Anwesenheit des rheinland-pfälzischen Justizministers Dr. Heinz Ge-org Bamberger statt, den das FORUM alsSchirmherrn der Veranstaltung gewon-nen hatte. Der Vizepräsident der BRAK,Justizrat Dr. Norbert Westenberger,sprach ebenfalls ein Grußwort. Der DAVwar durch den Vorsitzenden des Rhein-

hessischen Anwaltvereins, Justizrat Dr.Hans-Albert Braunbeck, vertreten.Mit ihrem fast 600 Seiten umfassendenund sorgfältig edierten Werk setzt diePreisträgerin, außerordentliche Professo-rin am Institut für Rechts- und Verfas-sungsgeschichte der Universität Wien,Maßstäbe auf dem Gebiet der biographi-

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Page 51: BRAK Mitteilungen

BRAK-Mitt. 1/2010 Aktuelle Hinweise XI

und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsver-gütungsgesetz – RVG) auf den Stand1. Oktober 2009 aktualisiert.

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im Anglo-German Club of Hamburg vorAnwälten und Unternehmensjuristenzum Thema: „Das Recht in den Werkenvon Sir Walter Scott“ referiert. Für Febru-ar 2010 ist ein Arbeitstreffen mit der LawSociety of Scotland in Edinburgh geplant.Die Mitgliedschaft in der DSJUV richtetsich an diejenigen Personen, die ein be-sonderes Interesse am schottischen Rechthaben und durch ihr Studium oder ihreberufliche Betätigung mit dem schotti-schen Recht verbunden sind. Wenn SieMitglied der DSJUV werden möchten,wenden Sie sich bitte per Mail an:

Deutsch-SchottischeJuristenvereinigung e.V.Herrn RA Matthias W. Kroll, LL.M.c/o. Dr. Nietsch & Kroll RechtsanwälteSpaldingstraße 110 B (Hanse-Haus)20097 HamburgE-Mail: [email protected]: www.dsjuv.de

BRAK Information Heft 4

BRAK Information Heft 4 Gesetz überdie Vergütung der Rechtsanwältinnen

schen Forschung. Obwohl selbst demFachpublikum weitgehend kein Begriff,ist Harpner eine der herausragenden An-waltspersönlichkeiten seiner Zeit imdeutschsprachigen Raum. Die Autorinhat Leben und Wirken des WienerRechtsanwalts minutiös rekonstruiert.Seine bürgerliche Herkunft einerseitsund sein politisches Engagement für diefortschrittlich-republikanischen Kräfteandererseits verschafften ihm Zugang zueiner Klientel, die den Arbeiter und Ge-werkschaftler genauso umfasste wie densozialdemokratischen Parteifunktionärund die Wiener Künstlerszene. Indemdie Autorin die von Harpner geführtenProzesse in ihren geschichtlichen undkulturellen Kontext einbettet, entstehtgleichzeitig ein Bild der österreichischenGesellschaft in den Jahren um 1900 bisin die 20er Jahre hinein, also in einerZeit tiefgreifender politischer Umbrüche.Dabei kommt die Zeit nach dem 1. Welt-krieg deswegen besonders zur Geltung,weil Harpner als „Anwalt der Republik“intensiv mit den juristischen Folgen derKonfiskation des Habsburger-Vermögensbefasst war. 1919 wurde er Mitglied desVerfassungsgerichtshofes und 1921 zumPräsidenten des Kriegsgeschädigtenfondsernannt. 1922 wählte ihn die Rechtsan-waltskammer in Wien zu ihrem Präsi-denten.Voraussichtlich wird das FORUM imJahr 2010 wiederum einen Preis auslo-ben. Die Messlatte für die Preiswürdig-keit liegt hoch – Dank und Anerkennunghierfür gebühren der Professorin ausWien.

RA Dr. Tillmann Krach, MainzVorsitzender des Forums

Anwaltsgeschichte e.V.

Deutsch-Schottische Juristen-vereinigung e.V. gegründet

In Hamburg hat sich die Deutsch-Schot-tische Juristenvereinigung e.V. (DSJUV)gegründet. Zweck der Vereinigung ist dieFörderung deutscher Juristen auf demGebiet des schottischen Rechts sowiedie Förderung schottischer Juristen undanderer Interessierter auf dem Gebietdes deutschen Rechts. Am 16.9.2009 hatRechtsanwalt Dr. Stechern, Düsseldorf,

Sie sind Rechtsanwältin/Rechtsanwalt in eigener Kanzlei oder kleinerer Sozietätund haben Interesse am Steuerrecht und Sie können sich vorstellen, Ihre Tätigkeitauch auf die steuerliche Beratung von Arbeitnehmern auszudehnen. Wir sind alseiner der großen Lohnsteuerhilfevereine bundesweit für unsere Mitglieder tätig.Um unsere Betreuung vor Ort weiter ausbauen zu können, suchen wir Rechtsan-wältinnen/Rechtsanwälte, die im Rahmen einer

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Fortsetzung von Seite IX

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