BOROPA - Das Magazin zur Spielzeit 2010/11

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BOROPA SPIELZEITMAGAZIN 2010/2011

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Spielzeitmagazin des Schauspielhauses Bochum zur Spielzeit 2010/11

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Wir geben Ihnen die nötige Energie

Stadtwerke Bochum

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TiTel: Paul KoeKilluSTRieRT VoN PhiliPP lemm

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Liebes Publikum,jedes Theater hat seine eigene Geschichte. oft ist sie ver-bunden mit erinnerungen und anekdoten oder einem la-byrinth eigenartiger ecken und Winkel, Stiegen und Flure. die Geschichte des Schauspielhauses Bochum ist vor al-lem verbunden mit besonderen menschen, die sich hier in den letzten Jahrzehnten auf und vor der Bühne trafen und die nicht selten Theatergeschichte geschrieben haben.

Wie kaum ein anderes Theater in deutschland ist das Schauspielhaus Bochum in der Stadt verwurzelt, die selbst in schwierigen Zeiten alle Kraft in ihr Theater gibt, um den Künstlern, die dort arbeiten, das Besondere zu ermögli-chen. und wie in kaum einer Stadt hat das Schauspielhaus in guten Zeiten immer auch das leben in der Stadt geprägt und sie durch seine arbeit zu etwas Besonderem gemacht. Bochum und sein Theater gehören von jeher eng zusam-men.

Nun gilt es, in dieser gemeinsamen Geschichte das nächste Kapitel aufzuschlagen, aber auch den nächsten Schritt zu wagen. in einer Gegend, die sich immer wieder neu erfindet und die das Zusammenleben von Menschen aus über 150 Nationen täglich neu regelt und gestaltet, ist es notwendig, nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft zu blicken, Visionen und Träume zu entwerfen und vor allem Verbindungen herzustellen: zwi-schen den unterschiedlichen menschen und Kulturen dieser Region, aber auch zwischen dieser Region und dem Rest der Welt. die Frage, wie wir in Zukunft zusammenle-ben werden, lässt sich dabei weder regional noch national beantworten. Wir brauchen Gespräche mit menschen aus vielen ländern und Kulturen, brauchen den weiten Blick, um über Zukunft nachdenken zu können.

die menschen, die wir zum Neustart des Schauspiel-hauses Bochum eingeladen haben, kommen deshalb nicht nur aus dem Ruhrgebiet und aus ganz deutschland, son-dern auch aus Warschau und istanbul, den Niederlanden, italien und der Schweiz, aus Tunis und der elfenbeinküste. Sie bringen ihre ganz eigenen Geschichten mit und ihren besonderen Blick: auf die Zukunft, auf deutschland und auf das, was sie hier in der Region vorfinden. Gemeinsam mit dem ensemble des Schauspielhauses Bochum werden sie von dem erzählen, was das Zusammenleben ausmacht. in Bochum wie in europa, gestern, heute und in Zukunft. das Schauspielhaus Bochum wird so zu einem ort, an dem unterschiedliche Künstler und Kulturen aus ganz europa und darüber hinaus aufeinander treffen, mitsamt ihren verschiedenen Sprachen und bekannten und unbe-kannten Formen Theater zu spielen. Vor allem aber wird es zu einem ort der Verbindung von Bochum und europa. Boropa entsteht, ein neuer ort, ein neues land, mitten im Ruhrgebiet, mitten im Zentrum der Stadt.

in der ersten ausgabe unseres magazins, das den Namen dieses neuen landes der Begegnungen und utopien trägt, möchten wir ihnen die menschen vorstellen, die uns im kommenden Jahr begleiten werden und mit denen wir gemeinsam das Theater, die Stadt und Boropa entdecken wollen. dazu gehören sowohl europäische und internati-onale Regisseure als auch deutschsprachige Regisseure wie david Bösch oder Roger Vontobel, die sich fest an das haus binden werden. außerdem die vielen neuen und so man-che bekannte Gesichter des neuen ensembles sowie eine ganze Generation junger autoren, die in ihren Stücken und auftragsarbeiten für das Schauspielhaus Bochum von einem land in Bewegung erzählen und die Zeit beschrei-ben, in der wir leben.

etwas ganz Besonderes kann das Schauspielhaus Bochum jedoch nur mit ihnen, dem Publikum, werden. ich lade Sie herzlich ein, gemeinsam mit uns das Theater mit leben zu füllen und zusammen ein Stück Zukunft zu erfinden.

herzlichst ihr anselm Weber

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36 Ich lebe in einem schizophrenen Land

Fadhel Jaibi kommt aus Tunesien. Ein Gespräch über Mut, den Präsidenten und einen Blick auf Deutschland.

44 MittelmeerbewohnerDer algerische Philosoph und Professor für internationale Beziehungen Mustapha Cherif über das komplizierte Ver-hältnis von Orient und Okzident.

48 Life Stream. Ein Brief von Dries Verhoeven

Nachricht vom anderen Ende der Welt.

50 Schuld & Verantwortung

Er ist seit über 40 Jahren in der Politik. Wer, wenn nicht er, sollte wissen, wie es geht? Ein Gespräch mit Otto Schily.

56 NExt GENEratIoN

Die Zukunft des Ruhrgebiets liegt in den Händen sei-ner Bewohner von morgen. Eine Übersicht über das Kulturhauptstadtprojekt und ein Ausblick von Nuran David Calis.

62 Das neue Ensemble

Sie spielen für Sie. Abend für Abend. Hier sind ihre Namen und ihre Gesichter. Das neue Ensemble des Schauspiel-hauses Bochum.

6 Der Spielplan 2010/2011Alle Stücke, alle Regisseure, alle Premierendaten auf einen Blick.

8 Der Utopist

Der Regisseur und Musiker Paul Koek hat, wie sich das für einen Niederländer gehört, eigentlich Gärtner gelernt. Ein Besuch in Holland.

18 renegade in residence

Renegade ist Tanztheater, das von der Straße kommt. Und außerdem neuer Partner des Schauspielhauses.

24 Schwarzweiß total

Monika Gintersdorfer war auf dem besten Weg, eine ganz normale Theaterregisseurin zu werden. Gut, dass sie vor-her noch einmal in die Elfenbeinküste gefahren ist.

30 David Bösch

Der zukünftige leitende Regisseur hat das Schauspielhaus fotografiert. Ein persönliches Fotoalbum.

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68 Wie kommt die Welt ins theater?Theater braucht Autoren, die gute Stücke schreiben. Fünf von ihnen schreiben für Bochum. Ein Treffen.

76 Phantomschmerz

Warum wir seit 100 Jahren um etwas trauern, das schon immer fort war.

82 Mephistanbul

Faust ist der deutscheste aller Stoffe. In Istanbul sieht man das möglicherweise anders. Ein Gespräch mit dem Regisseur Mahir Günsiray.

92 ZeitreiseEin Spaziergang durch Venedig mit der Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach.

98 auf dem Weg nach amerika

Linker Katholik, konservativer Rebell, klassikaffiner Punk. Ein Porträt des polnischen Regisseurs Jan Klata.

104 SpielregelnDie türkische Regisseurin Sahika Tekand über den Un-terschied von Kunst und leben und ihre eigene Metho-de Theater zu machen.

108 theater für alleDas Programm des Jungen Schauspielhauses.

112 Bochum für fast umsonst

lisa Nielebock inszeniert einen günstigen Tag in ihrer lieblingsstadt.

114 Phönix aus der KohleRanjit Hoskote ist Kulturkritiker für die Bombay Times. Trotzdem fühlt er sich im Ruhrgebiet auf merkwürdige Weise zu Hause.

116 In Bochum

Orte mit besonderer Bedeutung. Mitten in der Stadt oder an deren Rand. Gesucht und gefunden von Schauspielern des Ensembles.

124 FreundeWie der Freundeskreis des Schauspielhauses Bochum nicht nur für materielle Unterstützung sorgt.

126 MitarbeiterTheater ist Teamarbeit. Eine liste aller Beteiligten.

128 Preise, abonnements & Infos

Der Serviceteil mit allen Informationen zum Theaterbe-such. Egal, ob mit oder ohne Abonnement.

144 Impressum

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Das neue Jahrzehnt hat ohne zwei Ikonen des Bochumer Theaters begonnen: Peter Zadek und Tana Schanzara. Beide sind in den Erinnerungen des Bochumer Schauspielhau-ses und seiner Besucher tief verwurzelt, beide haben auf ihre Weise ganze Generationen von Theaterschaffenden geprägt. Und das nicht nur in Bochum. Zeit, dem Anden-ken an diese beiden Künstler einen angemessenen Raum zu geben. Deshalb heißt das TuT ab sofort wieder, wie sein Gründer Peter Zadek es ebenso schlicht wie anschaulich genannt hat: „Theater unten“. Und die Speisekammer, das gastronomische Herz des Hauses in den Kammerspielen, heißt jetzt „Tanas“. Und soll in Zukunft noch lauter, fröh-licher und persönlicher schlagen.

„Meine Erinnerung an das Ruhrge-biet ist ein Geruch. Hier roch es in meiner Kindheit immer nach Erb-sensuppe. Ich weiß nicht, ob das von der Zeche oder vom Metzger kam. Auf jeden Fall ist für mich der Duft von Erbsensuppe seitdem immer der Geruch des Ruhrgebiets.“ Dies ist eine der Erinnerungen, die die Regis-seurin Mirjam Strunk aufgezeichnet hat. Ein Jahr lang zieht sie mit einem mobilen Archiv durch das Revier und sucht „Das Gedächtnis des Ruhrgebiets“. Die gesammelten Er-innerungen gibt es auf der Bühne des Schauspielhauses am „Tag der Gene-rationen“ am 19. November 2010 zu sehen, zu hören – und gegebenenfalls auch zu riechen.

Die Dokumentation ihrer Suche, weitere Erinnerungen und die Mög-lichkeit zum Mitmachen unter:www.gedaechtnis-des-ruhrgebiets.de

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Der Bochumer wohnt mittendrin und hat fast alles, was er braucht. Und falls dann doch mal was fehlt, ist es nicht weit zum Nach-barn, der gerne mit dem Vermissten aushilft. Egal, ob man einen Li-ter Milch, einen Rasen-mäher oder eine Karte für die Oper braucht. Denn ab sofort wird eine besondere Form der Nachbarschafts-hilfe von zwei großen Kulturinstitutionen des Ruhrgebiets angeboten: Das Schauspielhaus Bo-chum knüpft eine enge Partnerschaft mit dem Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen. Wem in Bochum also die Oper fehlt, bekommt sie ab sofort unkom-pliziert beim Nachbarn in Gelsenkirchen. Und wenn die Gelsenkir-chener ins Schauspiel wollen, helfen die Bo-chumer gerne aus. Zum Beispiel durch das neue städteübergreifende Revier-Abonnement beider Häuser (Infos siehe Seite 137). Weite-re Nachbarschaftspflege ist geplant.n

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Im Fußball sind sie unsere leidenschaftlichsten Gegner. Aber wenn wir schnell ans Meer wollen, sind sie unser beliebtestes Reiseziel. Wir machen blöde Witze über sie, nicht nur, weil sie angeblich nicht Auto fahren können. Dafür haben sie eine Königin und die besten Pommes-Variationen der Welt. Ohne Frage, un-ser Verhältnis zu den Niederlanden ist ein widersprüchliches. Beruhigend, dass das umgekehrt nicht anders ist. Und höchste Zeit, einmal genauer hinzuschau-en, was aus unserem nächsten Nachbarland eigentlich alles an ausgezeichneter Kunst kommt. Das Schauspielhaus Bochum ist Partner des Programms NL-RUHR, das zum Kulturhauptstadtjahr viel Hochkarätiges in die Region bringt. Theater kommt deshalb vor allem nach Bochum. Was genau, steht in diesem Magazin und auf www.nl-ruhr.de.

Bei jedem Neueinzug kommen neue Gesichter ins Haus, neue Namen müssen gelernt werden, neue Gewohnheiten halten Einzug und vermischen sich mit dem Altbekann-ten und Liebgewonnenen. Das gegenseitige Kennenlernen geht dabei nicht immer ohne Scheu und Fremdheitsge-fühle einher. Damit die Neuen und die Alten, die auf der Bühne, die hinter der Bühne und die im Zuschauerraum, schneller persönlich miteinander bekannt werden, stellen wir uns ab Herbst regelmäßig vor – im Tanas, der Speise-kammer des Schauspielhauses. Wir spielen Musik von un-seren Lieblingsplatten, singen die Lieder unseres Lebens, lesen die spannendsten, traurigsten und lustigsten Stellen der Bücher, die uns am meisten bedeuten, wir zeigen Dias aus alten Tagen und schwärmen von dem Neuem, das wir erst kürzlich in der Stadt entdeckt haben, so dass aus den Fremden hoffentlich viele Freunde werden.

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Man muss nicht immer übers Meer segeln, um neue Welten zu entde-cken. Manchmal reicht der Weg ins Theater. Und der wird leichter durch „columbus“, das neue Besucher-angebot des Jungen Schauspielhau-ses speziell für Schulklassen des 9. und 10. Jahrgangs aus Bochum und Umgebung: Wer mit „columbus“ gemeinsam mit seiner Schulklasse zwei Jahre lang jeweils zweimal ins Theater geht, bekommt zu seinem Besuch noch eine Einführung vorher oder eine Begegnung mit den Thea-termachern im Anschluss dazu. Die teilnehmenden Klassen müssen also nur noch entscheiden, welche Stü-cke sie sehen wollen, den Rest erle-digt das Theater.

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Ein GastGastgeber ist einer, der als Gast kommt, um den Gastgebern zu helfen Gäste zu empfangen. Praktisch für alle, dass er dafür sein eigenes Gasthaus gleich mitbringt. So kann er in der Fremde den Fremden leichter aufnehmen. Im Falle des niederländischen Architekten und Aktionskünstlers Hans Venhuizen heißt das, dass er im Jahr 2010 mit einer Sammlung von alten Wohnwagen, aufblasbaren Zelten und gestrandeten Rettungsinseln hilfreich durchs Ruhrgebiet eilt. Das Besondere: Alle Objekte sind von namhaften niederländischen Künstlern und Designern umgebaut und neu gestaltet. Und in den meisten von ihnen kann man sogar wohnen. Kein Wunder, schließlich ist niemand so erfahren mit mobilen Heimstätten wie die Holländer. Eine Kostprobe an Gastfreundlichkeit bieten die Gast-Gastgeber im Oktober 2010 auf dem Platz vor dem Schauspielhaus.

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Spielplan 2010/2011

Candide oderder optimiSmuSvon VoltaireRegie: Paul Koek

Premiere am 23. September 2010im SchauspielhausEine Koproduktion mit der Veenfabriek Leiden, Niederlande

nouvelle pieCeRenegade in ResidenceChoreografie und Regie:Malou Airaudo

Uraufführung am 24. September 2010in den KammerspielenEine gemeinsame Produktion vonSchauspielhaus Bochum und Pottporus/Renegade, Herne

eleganz iSt keinverbreChenvon Gintersdorfer/KlaßenRegie: Monika Gintersdorfer

Uraufführung am 24. September 2010 im Theater unten

der Sturmvon William ShakespeareRegie: David Bösch

Premiere am 25. September 2010im Schauspielhaus

eiSenSteinvon Christoph NußbaumederRegie: Anselm Weber

Uraufführung am 26. September 2010in den Kammerspielen

life StreamingEine Weltverbindung von Dries Verhoeven

Premiere am 1. Oktober 2010 auf dem Platz vor dem SchauspielhausEine Produktion von Dries Verhoeven in Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum, dem Festival a/d Werf, Utrecht und LIFT, London

medeain einer Bearbeitung von Jalila Baccar und Fadhel JaibiRegie: Fadhel Jaibi

Premiere am 8. Oktober 2010in den Kammerspielen

die labdakidenEine Politsaga – Ödipus, Sieben gegen Theben und Antigone von Sophokles und AischylosRegie: Roger Vontobel

Premiere am 9. Oktober 2010im Schauspielhaus

next generationdaS StuCkvon Nuran David Calis und Jugendlichen aus dem ganzen RuhrgebietRegie: Nuran David Calis

Uraufführung am 28. Oktober 2010in den KammerspielenEin Projekt von Schauspielhaus Bochum, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010

Jim knopf undlukaS derlokomotivfuhrerKinder- und Familienstück von Michael EndeRegie: Katja Lauken

Premiere am 14. November 2010im Schauspielhaus

hoChStapelnvon Jan NeumannRegie: Jan Neumann

Uraufführung am 2. Dezember 2010im Theater unten

oft iSt die naturniCht einmal SChonEin romantisches Requiem vonChristoph Frick und Karsten Riedel Regie: Christoph FrickMusik: Karsten Riedel

Premiere am 3. Dezember 2010in den Kammerspielen

fauStvon Johann Wolfgang von GoetheRegie: Mahir Günsiray

Premiere am 4. Dezember 2010im Schauspielhaus

die rattenvon Gerhart HauptmannRegie: David Bösch

Premiere am 28. Januar 2011in den Kammerspielen

Cyranode bergeraCvon Edmond RostandRegie: Katharina Thalbach

Premiere am 29. Januar 2011im Schauspielhaus In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität

kaSimir undkarolinevon Ödön von HorváthRegie: Lisa Nielebock

Premiere am 19. Februar 2011im Schauspielhaus

Jimi bowatSki hatkein SChamgefuhlvon Dirk LauckeRegie: Heike M. Götze

Uraufführung am 25. März 2011in den Kammerspielen

amerikavon Franz KafkaRegie: Jan Klata

Premiere am 2. April 2011im Schauspielhaus

der fall deSrobert k.von Reto FingerRegie: Anselm Weber

Uraufführung im Mai 2011in den Kammerspielen

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honigherzEin Stück für Kinder ab 2 von Cristina GottfridssonRegie: Martina van Boxen

Premiere am 3. Oktober 2010im Melanchthonsaal

hikikomorivon Holger SchoberRegie: Martina van Boxen

Premiere am 26. November 2010im Melanchthonsaal

parzivalvon Lukas BärfussRegie: Martina van Boxen

Premiere am 18. Februar 2011in den Kammerspielen In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität

Weiter im Spielplan:

die verwirrungendeS zoglingStorleSSvon Robert MusilRegie: Martina van Boxen

der aufhaltSameaufStiegdeS arturo uivon Bertolt BrechtRegie: Sahika Tekand

Premiere am 28. Mai 2011im Schauspielhaus

die Jungfrau vonorleanSvon Friedrich SchillerRegie: Roger Vontobel

Premiere im Juni 2011in den Kammerspielen

next generationdie zukunftShauSermit Jugendlichen aus Bochum, Essen, Duisburg, Herne und dem ganzen Ruhrgebiet

Bei X-Vision in Wattenscheid, in den Ausbildungswerkstätten des Opel-Werks Bochum, der Ruhr-Universität Bochum, dem Medien-Bunker Marxloh in Duisburg, in Essen-Altendorf, den Jugendhäusern des Essener Nordens, der UNESCO-Schule Essen, bei Pottporus in Herne und mit einem Erinnerungsmobil zwischen Essen und Bochum.

Ein Projekt von Schauspielhaus Bochum und Schauspiel Essen, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010Partner: Deutschlandradio Kultur

Weiter im Spielplan:

a tributeto Johnny CaShMusikalische Leitung:Torsten Kindermann undKarsten RiedelRegie: Arne Nobel

Übernahmenaus dem Repertoire desSchauspiel Essen:

ubuvon Alfred Jarry/Simon StephensRegie: Sebastian Nübling

Eine Koproduktion mit Toneelgroep Amsterdam

woyzeCkvon Georg BüchnerRegie: David Bösch

don CarloSvon Friedrich SchillerRegie: Anselm Weber

peer gyntvon Henrik IbsenRegie: Roger Vontobel

tranSitnach dem Roman von Anna Seghers in einer Bearbeitung von Reto FingerRegie: Anselm Weber

nathan der weiSevon Gotthold Ephraim LessingRegie: Lisa Nielebock

effi brieStvon Theodor FontaneRegie: Cilli Drexel

und weitere Inszenierungen von David Bösch, Carola Bühn und Stephanie Sewella

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P a u l K o e k i s t S c h l a g z e u g e r , K o m p o n i s t u n d T h e a t e r r e g i s s e u r . V o r s e i n e m M u s i k s t u d i u m i n D e n H a a g h a t e r , w i e f a s t a l l e i n s e i n e r F a m i l i e , e i n e L e h r e a l s G ä r t n e r g e m a c h t u n d i n d e n K o e k ’ s c h e n

G e w ä c h s h ä u s e r n S c h n i t t b l u m e n f ü r E u r o p a g e z ü c h t e t .

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DER UTOPIST

TExT: OLaF KRöcKFOTOS: MycHa ScHEKaLLa

PaUL KOEK — DER UTOPIST

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E i n S t ü c k K l i s c h e e - H o l l a n d m i t K ü h e n u n d S c h a f e n a u f g r ü n e n W i e s e n u n d s o g a r W i n d m ü h l e n d r e h e n s i c h .

a b e r v o m T o u r i s m u s w i r d d i e R e g i o n i g n o r i e r t .

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„ a l s i c h d i e M u s i k v o n c a g e u n d V a r è s e z u m e r s t e n M a l g e h ö r t h a b e , w a r d a s f ü r m i c h e i n e O f f e n b a r u n g . D a s k l a n g w i e d a s Z e u g ,

d a s i c h s e l b e r a u s p r o b i e r t h a t t e . “

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PaUL KOEK — DER UTOPIST

ie ein endloser Trommelwirbel pras-selt der Regen auf das Dach des Ge-wächshauses. Es regnet schon den ganzen Tag und wird noch lange nicht aufhören. Nass von oben und unten, Holland eben. Umgeben von dünnen Wassergräben steht das Gewächshaus in einem Dorf in der Nähe von Leiden auf einem der un-zähligen Polder, mit denen die Nie-derländer nahezu die Hälfte ihres Landes dem Meer abgerungen ha-ben. Im Glashaus sind es tropische 29 Grad bei achtzigprozentiger Luft-feuchtigkeit. Draußen nähert sich das Quecksilber dem Gefrierpunkt. „Diese Temperatur mag ich sehr. Ich habe viel an solchen Orten gearbei-tet. Meine ganze Kindheit und Jugend habe ich dort verbracht. In meiner Familie sind fast alle Gärtner, nur ich bin letztlich doch das schwarze Schaf geworden“, sagt Paul Koek und lacht, während er die beschlagenen Gläser seiner Hornbrille am Fleece-pullover säubert. „Ein friedlicher Ort, nicht?“ Er lässt die Stille wir-ken, die nur durch ein Radio gestört wird, das leise Popmusik spielt. „Ich habe bei der arbeit nie Musik gehört. Ich habe die Stille genossen. Die ist hier oft wie eine Meditation. Du musst welke Blätter zupfen, fängst vorne an und bewegst dich tagelang ganz langsam von Pflanze zu Pflanze durch den Raum.“ Er macht noch eine Pause. Wieder rauscht nur der Regen, und es könnte auch ein fei-ner Wasserstaub sein, der auf die fleischigen Blätter der Topfpflanzen gesprüht wird, die hier zu zehntau-senden gezüchtet werden. Es ist die Dieffenbachia, vor allem die beliebte

Sorte „Tropical Snow“, die in dieser holländischen Dschungel-Hitze für Millionen europäische Wohnzim-mer wächst. Sein Schwager, dem das Gewächshaus gehört, hat die Züch-tungsrechte für ganz Europa an der Zimmerpflanze mit ihrer giftigen Milch, die aus dem brasilianischen Regenwald kommt.

„Ich hatte ja auch gar keine ah-nung von Musik. Das kam ja alles erst später. Heute höre ich viel Mu-sik bei der arbeit, vor allem wenn ich mich vorbereite. Dann höre ich mo-derne Klassik des 20. Jahrhunderts, Varèse, cage, so was. Es war für mich fast eine Offenbarung, als ich da-mals diese Musik kennen lernte. Ich hatte ja jahrelang keinen Musikun-terricht und habe mir alles selbst bei-gebracht. Und auf einmal waren da diese Kompositionen, die so klangen

wie das Zeug, das ich selbst auspro-biert hatte.“

Während Paul Koek mir voraus durch das Gewächshaus geht, stelle ich ihn mir als jugendlichen Gärtner vor, der umgeben von Tulpen und Fresien bei der arbeit mit Klängen und Rhythmen experimentiert und noch nicht weiß, dass er einmal ein bedeutender europäischer Musik-theatermacher sein wird. Ein seltsam schönes Bild.

Paul Koek – dessen Name man übrigens „Kuck“ und nicht „Köck“ ausspricht – ist heute Musiker, Kom-ponist und Theaterregisseur. Vor sei-nem Musikstudium hat er, wie fast alle in seiner Familie, eine Lehre als Gärtner gemacht und schließlich in den Koek’schen Gewächshäusern gearbeitet. Doch nebenher ging er heimlich seiner größten Leidenschaft nach – er spielte Schlagzeug.

als er nach abschluss seiner Gärtnerlehre auf die Meisterschule gehen sollte, radelte er an den Be-rufsschultagen in den Proberaum und ließ die Gärtnerklasse ausfallen.

Dort spielte er stundenlang alleine oder mit Band, hörte Musik der ak-tuellen Rockmusikgrößen wie Soft Machine oder Pink Floyd und genoss die Bewunderung der Mädchen aus der Nachbarschaft. Bis eines Tages die Tür aufflog und sein Vater im Bandraum stand. Ein Schock für den schulschwänzenden jungen Drum-mer, der gerade – umgeben von Mädchen – Tee trank und Haschisch rauchte. Der Vater fixierte den Sohn streng im Kreis der erschrocken verstummten Teenager. Dann ver-schwand er wieder, ohne wirklich etwas gesagt zu haben.

aus angst vor dem bevorstehen-den Familienkrach kam Paul erst spät in der Nacht nach Hause. Drei Tage sprachen Vater und Sohn kein Wort miteinander. Erst am vierten Morgen war es der Vater, der sei-nem Spross schnörkellos mitteilte, dass er ihn an der Musikschule von Leiden angemeldet habe. Und dann ging alles recht schnell. Paul Koek war schon zu diesem Zeitpunkt viel zu gut für die Musikschule. aber er hatte sich alles selbst beigebracht und keinerlei Technik gelernt. Sein Schlagzeug-Lehrer, der auch am Kö-niglichen Konservatorium von Den Haag unterrichtete, nahm ihn mit in die Musikhochschule und von nun an studierte Koek dort. Früh morgens und an den Wochenenden arbeitete er weiterhin als Gärtner, an den Wochentagen studierte er Schlagzeug am Konservatorium. Bis heute ist Paul Koek der renommier-ten ausbildungsstätte verbunden. Er ist Professor und leitet den gerade von ihm und seinem Dramaturgen Paul Slangen gegründeten Studien-gang für Musiktheater.

„Mein Vater glaubte mir erst, dass ich von der Musik leben kann, als er mich in diesem riesigen Symphonie-orchester im Frack sitzen sah. Und was habe ich da gespielt? Triangel. Nach zwei Tagen habe ich meine Or-chesterkarriere für immer beendet“, grinst er. Dann fügt er erklärend hin-zu: „Die Mentalität dort war nicht das, was ich von der Musik wollte. Ich wollte keine Sicherheit, ich woll-te Risiko.“

Wir verlassen die tropische Wär-me. Paul zieht die Gewächshaustür

„Vielleicht bin ich hier geblieben, weil ich das Mädchen Von nebenan geheiratet habe.“

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P a u l K o e k i s t e i n I d e a l i s t . E r e x p e r i m e n t i e r t i m m e r . E r w ä h l t n i e d a s s i c h e r e T e r r a i n . U n d e r h a t e i n e S c h w ä c h e f ü r v i s i o n ä r e M e n s c h e n .

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nal über die aktuelle Regierungskrise im Land. Gleichzeitig laufen in der unteren Bildzeile die Börsenwerte globaler Großunternehmen. Koek stöhnt und sagt mehr zu sich selbst, dass das jetzt sehr schlimm für sein Land werden kann. Nach dem Schei-tern der Regierungs-Koalition haben die Rechten enorme Wählerzuläufe. Das Land, das so viele Jahre für sei-ne Politik der Toleranz und Integra-tion europaweit Standards gesetzt hat, driftet nach zwei spektakulären, politisch motivierten Morden nach rechts. Vor allem die Ermordung des umstrittenen Filmemachers Theo van Gogh durch einen religi-ösen Fanatiker hat das Land unter Schock gesetzt. In den Niederlanden, wo selbst Königin Beatrix über viele Jahrzehnte keinen aufwendigen Per-sonenschutz benötigte, ist der Geist der Toleranz aufs Meer hinausgeweht und braune Wolken sind über dem Land aufgezogen. Da wissen auch die Intellektuellen und Künstler kein Mittel gegen diese Entwicklung. „Natürlich haben wir eine echte Kri-minalitäts- und Gewaltproblematik mit Zugewanderten, vor allem in den Großstädten. aber die Rezepte, die dagegen verkündet werden, sind einfach absurd“, sagt Koek. Es sieht

ganz danach aus, als könnten die Niederlande das erste Land Europas werden, das einen rechts-nationa-len Ministerpräsidenten bekommt. „aber gerade deswegen müssen wir weiterhin das tun, was wir tun.“

Paul Koek ist kein agitator. Er ist leise und bedächtig in seinen Äu-ßerungen. auch in seinen Stücken bringt er keine tagesaktuelle Politik auf die Bühne. aber seine arbeit ist nie frei von kritischer auseinander-setzung mit der Welt. Seit vielen Jah-ren setzt er sich mit den Menschen, die die Welt verändern wollten, und ihren Konzepten auseinander. Seine Faszination gilt all jenen, die es ge-wagt haben, Utopien zu formulieren.

„Jeder sohn Muss erst einMal seinen Vater tö-ten. das Verstehe ich.“

PaUL KOEK — DER UTOPIST

hinter sich fest ins Schloss, damit die wertvolle Wärme nicht entweicht. Sofort schlägt uns der eisige Regen ins Gesicht. Wir flüchten in den Wa-gen, fahren ein Stück über das „Plat-te Land“, wie sie die Gegend hier

nennen. Tatsächlich würde man bis zum Horizont sehen können, wenn der Regen nicht wäre. aber auch so sieht man weit ins Land, sieht grüne Wiesen, Kühe und Schafe auf den Feldern und mehrere Windmühlen. Eine von ihnen dreht sich sogar. Ein Stück Klischee-Holland, das vom Tourismus vollkommen ignoriert wird. „Ich bin aus dieser Gegend ei-gentlich nie weg gekommen“, sagt Koek, während er die Richtung weist. „Obwohl ich hier natürlich nie mehr gearbeitet habe und mit den Bands und Theaterproduktionen auf der ganzen Welt auf Tour war, habe ich immer in dem Dorf gelebt, in dem ich geboren wurde. Und das ist ein echt hässliches Kaff. Vielleicht bin ich hier geblieben, weil ich das Mäd-chen von nebenan geheiratet habe“, sagt er und lacht schallend. Es ist nicht zu erkennen, ob ihm vor La-chen die Tränen kommen oder ob sich Regentropfen hinter die vom Großvater geerbte Brille geschlichen haben.

Wir kommen an einen See, den man mit dem Meer verwechseln könnte, so groß ist er. Und da passt es doch, dass im Niederländischen das „Meer“ heißt, was bei uns ein See ist, und die „Zee“, gesprochen „See“, das Meer meint. auf dem grauen Wasser des Braassemermeers schwimmen nur wenige Boote. Die großen Eis-schollen am Ufer lassen ahnen, dass man hier vor kurzem tatsächlich noch Schlittschuh laufen konnte. Es ist still und schön. Nur das Eis klingt leise, wie zerbrechendes Glas.

Das kleine Backsteinhaus, das Paul von seinem Onkel geerbt hat, liegt direkt am Ufer. Dahinter rei-

hen sich wieder Gewächshäuser an-einander. „als meine Kinder noch klein waren, haben wir einige Jahre in einem Gewächshaus gewohnt. Ich mochte die Wärme darin, auch im Sommer. aber als sich dann durch die feuchte Luft all meine Bücher auflösten und wir tagelang die Sei-ten zusammenkleben mussten und als die Felle meiner Trommeln Risse bekamen, sind wir doch in das Haus gezogen. Es ist natürlich viel kleiner, aber letztlich war es besser.“ Vier Kinder hat Koek. Sein Sohn ist auch

Schlagzeuger. „Ich habe ihn nie un-terrichtet“, stellt er entschieden fest. „Er spielt viel besser als ich, hatte eine eigene, erfolgreiche Popband, aber trotzdem wird er in jedem Inter-view immer erstmal auf seinen Vater angesprochen. Für ihn ist das kein Problem, aber ich finde es schreck-lich. Ich verstehe schon, was Pasolini meinte, als er gesagt hat, dass jeder Sohn erst einmal seinen Vater töten muss.“ Und dann fragt er gleich im anschluss: „Hunger?“ Die richtige Frage zur rechten Zeit. Wir machen uns auf den Weg, um unsere frieren-den Leiber und knurrenden Mägen mit einer landestypischen Spezialität zu besänftigen – mit Pommes, oder wie sie die Holländer nennen – „Pa-tatjes“.

In der Frittenbude, die ein ame-rikanisches Diner mäßig gelungen imitiert, bestellen wir Pommes Spe-zial, also mit Mayonnaise, Ketchup und gehackten Zwiebeln. auf einem übergroßen Flachbildfernseher be-richtet derweil ein Nachrichten-Ka-

„als Meine Kinder noch Klein waren, haben wir einige Jahre in eineM ge-wächshaus gewohnt.“

IN SEINEM HaUS aM SEE STEHT EIN aLTES ScHLaGZEUG. DaS BENUTZT ER, WENN ER ES NIcHT IN DEN PROBERaUM ScHaFFT.

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PaUL KOEK — DER UTOPIST

Es sind die manifestverfassenden Künstlerinnen und Künstler, die Da-daisten und Futuristen, die ihn be-schäftigen. So widmete er sich 2009 beispielsweise mit seiner Truppe, der „Veenfabriek“, dem Gesellschafts-theoretiker charles Fourier. Der Franzose, dessen Theorien aus dem 18. Jahrhundert heute nahezu ver-gessen sind, hat die Grundlagen einer Gesellschaftsform gelegt, die heute als „anarchismus“ eher be-rüchtigt als bekannt ist. In einem Flugzeughangar, auf einem ehema-ligen Militärflughafen nahe dem Badeort Katwijk, hat Koek mit der Veenfabriek das Leben Fouriers in einer großen dadaistischen Musik-theater-aufführung nachgezeichnet. Mit einem zwanzigköpfigen Orches-ter, mit tanzenden camping-Zelten und dem von der Veenfabriek ge-gründeten ersten Sirenen-Orchester der Welt. In der gigantischen Halle – neben der Flugpiste, auf der die Königin zuweilen landete, aber auch Slobodan Miloševic, als der dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal überstellt wurde – übersetzte das En-semble die Ideen dieses Utopisten in visionäres Musiktheater. Paul Koek ist ein Idealist. Er will etwas mit seinem Theater. Er expe-rimentiert immer. Er wählt nie das sichere Terrain. Er forscht, kramt vergessene Texte aus, baut verloren gegangene Instrumente nach, wie die Geräuschtrompeten der Futuris-ten, die Intonarumori. Die kombi-niert er dann mit Instrumenten alter Musik wie des Mittelalters und des Barock. Dazu spielt er Instrumen-te, die man in Spielzeugabteilungen von Kaufhäusern findet, und mischt sie mit Sounds aus dem computer. Diese Musik spielt er zu den bildge-waltigen aktionen, den verschmitzt-komischen Handlungen und spek-takulären visuellen Effekten seiner Stücke. Sein Musiktheater ist keine verschreckende, anstrengende Ex-perimentalkunst. Es sind schöne, fremde, emotionale Tonwelten, die seine Stücke bevölkern.

Zum Theater kam Paul Koek zu-nächst als Bühnenmusiker. Dann begegnete er Mitte der 1980er Jahre dem Regisseur Johan Simons. Die beiden waren von Beginn an ein un-

zertrennliches Team, wie Brüder, die alles voneinander wissen und sich ohne Worte verstehen. „Wir waren ständig zusammen unterwegs. Er wohnte ja schon fast bei mir. Ge-meinsam fuhren wir mit seinem ca-dillac durch die Gegend und redeten pausenlos. Wir dachten uns neue Projekte aus, suchten Orte, an denen wir unser nächstes Stück entwickeln konnten, sprachen über die Proben, die vor oder hinter uns lagen. Einmal fuhren wir an einem Schild vorbei, auf dem stand, dass jemand Zirkus-

zelte verkaufe. Das war so was wie ein Laden für Second-Hand-Zirkuszelte irgendwo in Nord-Holland. Sofort steuerte Johan den amerikanischen Schlitten in die Seitenstraße und wir verhandelten über eines der Zelte. Wir kauften es tatsächlich und der schräge alte Kerl erklärte uns, wie wir es aufbauen mussten. So zogen wir mit dem Zirkuszelt übers Land, um in abgelegenen Gegenden unsere Stücke zu spielen.“ Wer es nicht bes-ser weiß, muss annehmen, dass Koek und Simons eine Zirkustheatertrup-pe betrieben haben. Tatsächlich war es aber die von Simons gegründe-te Gruppe „Hollandia“, die in den 1990er Jahren zum bedeutendsten zeitgenössischen Theaterensemble der Niederlande wurde und zu den einflussreichsten Gruppen Europas zählte. Sie tourten über den ganzen Kontinent, zeigten ihre Produktionen auf Festivals weltweit und wurden mit diversen Preisen ausgezeichnet, so im Jahr 2000 mit dem Europäischen Preis für Innovation im Theater.

Bei Hollandia gründete Paul Koek, der ab 1993 der künstlerische Kolei-ter des Theaters war, das „Veen Stu-dio“. „Veen“, das holländische Wort für Moor und Sumpf, spielt auf die feuchte Landschaft an, aus der Koek stammt. Im Veen Studio wurde mit einem eigenen Ensemble zeitgenös-sisches elektronisches Musiktheater erprobt. Der Musiker, Komponist und Koregisseur von Hollandia be-gann so, das Verhältnis von Theater und Musik zu untersuchen. auch im Ruhrgebiet, in Bochum, hinterließen Paul Koek und Johan Simons einen bleibenden Eindruck mit ihrer Pro-duktion „Sentimenti“. 2003 insze-nierten sie für die Ruhrtriennale in der Jahrhunderthalle diese Bühnen-fassung nach dem Roman „Milch und Kohle“ von Ralf Rothmann mit Musik von Verdi. Diese arbeit ist bis heute eine der Inszenierungen, die für das Ruhrgebietsfestival stilbil-dend waren. Sie war zugleich die letz-te arbeit der beiden unter dem Dach von Hollandia.

Nach der Auflösung der Gruppe 2005 zögerte Paul Koek nicht lange,

als ihm eine ehemalige Fabrikhalle im Zentrum von Leiden angeboten wur-de, nur wenige Kilometer von seinem Haus am See entfernt, um dort seine arbeit fortzusetzen. Zusammen mit Ensemblemitgliedern von Hollandia, allen voran dem Musiker Ton van der Meer und dem Dramaturgen Paul Slangen, gründete er die Veenfabriek. Er ließ die ehemalige Militärdecken-Fabrik umbauen und machte sie zum Stammsitz des Musiktheater-ensembles. Heute beherbergt das Gebäude ein Restaurant, eine Gale-rie, ateliers und vor allem die Büros, Proben- und aufführungsräume der Gruppe. Dennoch spielt die Veenfa-briek nach niederländischer Thea-tertradition überall im Land. In den großen Städten und in der Provinz.

„so zogen wir Mit deM zirKuszelt übers land, uM in abgelegenen ge-genden unsere stücKe zu spielen.“

DIE BRILLE HaT PaUL IN EINER KISTE SEINES GROSSVaTERS GEFUNDEN UND NUR NEUE GLÄSER EINSETZEN LaSSEN.

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paul KoeK

wurde 1954 in Roelofarendsveen, ei-nem Dorf in der Nähe von Leiden, in den Niederlanden geboren. Er arbeitete als Schlagzeuger mit Künstlern wie Pe-ter Greenaway, Heiner Goebbels oder Bob Wilson. 1987 schloss er sich der Theatergruppe „Hollandia“ von Johan Simons an, wo er 1993 künstlerischer Koleiter wurde. 2005 gründete er sein eigenes Mu-siktheaterensemble, die „Veenfabriek“ in Leiden. Seine Arbeiten wurden viel-fach ausgezeichnet. Im Jahre 2009 er-hielt Paul Koek die höchste Kulturaus-zeichnung der Niederlande, den Prinz Bernhard Kulturfond Theaterpreis. Seine gemeinsam mit Johan Simons erarbeitete Inszenierung von Horváths „Kasimir und Karoline“ ist zum Berli-ner Theatertreffen 2010 eingeladen.

Candide oder der optimismusvon Voltaire

Premiere am 23. September 2010 im Schauspielhaus

Ist das hier schon alles oder wartet die beste aller mögli-chen Welten noch irgendwo auf uns? Das ist die zentrale Frage, der Voltaires Roman von 1759 mit bösem Spott auf die weltverbesserlichen ansichten seiner Zeit nachgeht. In seinem Roman erzählt er das Leben des unbelehrbaren Optimisten candide, der am Hofe Westfalens vom Meister Pangloss unterrichtet wird. Der sagt, dass diese Welt die beste aller möglichen Welten sei. Doch candide muss die-se Behauptung am eigenen Leib schmerzlich überprüfen: Unsanft wird er mit einem Tritt in den allerwertesten aus seinem herzöglichen Paradies verjagt. Trotzdem versucht er, sich die Worte des Lehrers weiterhin zu Eigen zu machen und in allem nur das Gute zu sehen – selbst als er in den Krieg gerät, einen Inquisitionsprozess, das große Erdbeben von Lissabon, Piratenangriffe und Schiffsuntergänge nur knapp überlebt. candide irrt in einer aberwitzigen Reise, die von den unwahrscheinlichsten Zufällen und verblüffends-ten auferstehungen Totgeglaubter geprägt ist, über Meere und Kontinente. Er ist getrieben von der Hoffnung, seine geliebte Kunigunde und vor allem die beste aller Welten zu finden. Paul Koek bearbeitet mit dem Bochumer Ensemble und seiner Musiktheatergruppe diese große philosophische Erzählung zur Saisoneröffnung für das Schauspielhaus.

Regie: Paul Koek Bühne und Licht: Theun Mosk Kostüme: Dorothee Curio Film: David Lammers Komposition: Anke Brouwer Sounddesign: Will-Jan Pielage Dramaturgie: Olaf Kröck, Paul Slangen Mit: Reinout Bussemaker, Therese Dörr, Joep van der Geest, Jürgen Hartmann, Raiko Küster, andreas Maier, Veronika Nickl, Roland Riebeling, yonina Spijker, Jutta Wachowiak, anke Zillich; Musiker: Lieke arts, Hans van der Meer, Ton van der Meer, John van Oostrum, antonis Pratsinakis, Ka-tya Woloshin Eine Koproduktion mit der Veenfabriek in Leiden, Niederlande

Gefördert im Fonds Wanderlust der Kulturstiftung des Bundes sowie dem Theaterinstitut der Niederlande im Rahmen von NL-RUHR.2010

Und wie schon bei Hollandia entwi-ckeln die Musiker und Schauspieler mit Koek auch weiterhin Stücke für Orte, die kein Theater sind. Eine Pro-duktion führten sie in verschiedenen Kaufhäusern des größten Waren-hauskonzerns des Landes auf. Das Besondere dabei: das Kaufhaus war während der Vorstellung geöffnet. So gab es skurrile und tiefgründige Be-gegnungen von Theater und Leben, von Kunst und Konsum. „Ein Künst-ler muss immer einen Bezug zur Wirtschaft haben, sonst verliert er den Kontakt zur Welt“, zitiert Koek die amerikanische Musikerin Laurie anderson. Paul Koek hat die Grande Dame der elektronischen Popmusik vor einigen Jahren eingeladen, um sich das von der Veenfabriek gegrün-dete Sirenen-Orchester anzuhören. „Wir haben einen Weg gefunden, wie man Sirenen, die man vom Feu-eralarm kennt, wie ein normales In-strument spielen kann. Wir haben also mit den umgebauten Sirenen ein Orchester gegründet und Songs von Laurie anderson einstudiert. Ich habe ihrem agenten geschrieben und sie zu einem Privatkonzert eingeladen. Ja, und dann habe ich ihn angerufen und gefragt, ob sie schon geantwortet hat. Jeden Tag habe ich angerufen. Zwei Wochen lang.“ Wen wundert es, dass die amerikanische Künstle-rin tatsächlich zusagte und zwei Tage bei der Veenfabriek verbrachte.

Mittlerweile stehen wir im Flug-zeughangar, der weiterhin auf militä-rischem Sperrgebiet liegt. Nur gegen Vorlage des ausweises kommt man in die zweite arbeitsstätte der Veen-fabriek. Wir gehen in einen kleinen, beheizten Nebenraum und schauen auf das Rollfeld, wo keine Flugzeuge mehr landen. Es hat tatsächlich für einen augenblick aufgehört zu reg-nen. Jetzt macht nur die Kaffeema-schine röchelnde Geräusche. „Im Sommer ist es hier sehr schön. Dann kann man die Hasen beobachten. Man hat einen weiten Blick, fast bis zum Meer. Seit der Flughafen nicht mehr benutzt wird, sieht man, wie sich die Natur das Gelände langsam zurückerobert. Das gefällt mir.“ Da steht er hinter der kleinen Theke in der Kaffeeküche und trommelt einen schnellen, komplizierten Rhythmus

mit den Händen auf den Tresen. Und wieder lacht dieser fröhliche Mensch. „aber das wird so nicht bleiben. Die planen hier zwölftausend Wohnun-gen zu bauen. Verrückt. alles wird abgerissen und umgepflügt und wir müssen weg. Es bleibt kein Platz für Künstler und ihre Visionen.“ Und dann flammt gleich wieder eine Vi-sion in seinen augen auf: „Vielleicht sollte man mit den Baugeräten ein riesiges Konzert der Maschinen ver-anstalten. Das wäre ein schöner ab-schluss, nicht?“

Er wünscht sich mehr Kontinuität für die arbeit der nächsten Jahre und will sich mit anderen verbünden. Da-her hat er sich vorgenommen, in den nächsten drei Jahren mit seinem En-semble am Schauspielhaus Bochum zu arbeiten. „Das wird großartig. Das Theater ist so schön und es gibt hier für uns viele Möglichkeiten.“

als Paul Koek zum abschied winkt, beginnt der Regen auf einen Schlag heftig auf den Wagen einzuschla-gen. Nur mit der höchsten Stufe des Scheibenwischers verschaffe ich mir Durchblick durch die Windschutz-scheibe. Und dann fahre ich weg aus diesem nassen Land, 230 Kilometer an einen Ort, an dem das Wetter nicht besser ist, wo aber bald einer sein wird, der etwas wagen will.

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UmweltserviceBochum

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Wo das geht, geht alles.

Sauber: Die Metropole Ruhr ist Kulturhauptstadt Europas!

www.usb-bochum.de

Page 20: BOROPA - Das Magazin zur Spielzeit 2010/11

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Air•chAir

Der Tänzer steht waagerecht auf einer Hand oder beiden Händen (Double Air Chair). Der Ellbogen der Standhand befindet sich dabei am Rücken. Wegen des hohen Grades an Gelenkigkeit einer der schwierigsten und ästhetischsten Freezes zum Ab-schluss eines Sets.

RENEGADE IN RESIDENCE

[e |t∫e ]

['renigeid|in|'rezid ns]

IlluSTRATIoNEN: ANNIkA kEp

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Air•freeze

Der Air Freeze ist im prinzip ein Handstand auf einem Arm. Die kör-perlage kann dabei variieren. Bei-spielsweise kann der Rücken zum Bo-den zeigen, aber auch, wie in diesem Fall, die Seite. Beim Air Freeze gibt es viele Möglichkeiten für Variationen, da die Beine und ein Arm vollkom-men frei sind.

RENEGADE IN RESIDENCE

[e |fr z]

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Six•Step [siks|step]

Basis-Schritt, bestehend aus sechs Schritten für Footworks und damit wesentliches Element für jedes Style Set. Footworks sind Tanzschritte am Boden, Styles sind kombinationen aus Footworks und Freezes. Wichtig bei einem Style sind vor allem die originalität des Sets und des Stils, mit dem dieser getanzt wird.

RENEGADE IN RESIDENCE

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Das Fahren auf einem Fahrrad ist kein traditionelles Stilmittel des Tan-zes, auch nicht des HipHop oder Breakdance. Doch richtig gebraucht, ist auch das BMX-Rad als Teil eines guten Sets einsetzbar. ob auf einem Rad oder auf zwei, ob vorwärts oder rückwärts oder sogar als Teil eines klassischen pas de deux.

flAt•LINER

RENEGADE IN RESIDENCE

[flæt|'lain ]

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KicK•dowN

Der kick Down wird benutzt, um beim Breakdance einen Sixstep oder einen Ebenenwechsel flüssig ein-zuleiten. Dabei wird ein Fuß in die kniekehle des anderen gestreckten Beines geführt. Dann erfolgen das Einknicken im kniegelenk und die landung auf der Fußsohle des an-deren Fußes, der fest am kniegelenk bleibt.

RENEGADE IN RESIDENCE

[kik|da n]

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Straße, aber sie durchqueren in ihrer Arbeit die ganze Stadt. Sie haben es geschafft, aus den traditionellen Straßenkünsten wie HipHop, Break-dance und Graffiti in Verbindung mit klassischem Tanz und moder-nem Tanztheater eine Ästhetik zu entwickeln, die sich eindeutig draußen auf der Straße verortet, aber niemals im Vorstadt-Ghetto ge-fangen bleibt. Auf den vielfältigen Ebenen ihrer künstlerischen Arbeit verbinden sie immer wieder wider-sprüchliche kräfte und Strategien. Sie mixen Tanz, Musik, Schauspiel und bildende kunst zu einer neuen, hochaktuellen Ausdrucksform: aus-gebildete Tänzer arbeiten mit den besten Streetart-künstlern des Ruhr-gebiets, Deutschlands und Europas. So verbinden sich nicht nur sozia-le Milieus und kulturen, sondern auch künstlerische Techniken und Ausdrucksformen, die jenseits einer Trennlinie von Sub- und Hochkultur funktionieren. Nicht mehr Bühne gegen Straße, nicht Migranten-Battle gegen deutsche leitkultur, nicht drinnen gegen draußen, sondern eine neue kreative Mischung führt zu einer spannungsgeladenen eigen-ständigen Ästhetik.

Das Schauspielhaus Bochum erhält wieder einen Tanzpartner: Mit Be-ginn der neuen Intendanz startet „Renegade in Residence“. Renega-de nutzt die Räume des Schauspiel-hauses in Bochum, Choreografen und Tänzer werden Teil des Hauses und arbeiten immer wieder auch in den „klassischen“ produktionen des Hauses. und einmal im Jahr entsteht unter der künstlerischen leitung von Renegade eine gemeinsame produk-tion – mit den Tänzern, mit vielen künstlern aus Europa wie auch mit dem Ensemble des Schauspielhau-ses. Die erste gleich am Eröffnungs-wochenende der neuen Saison im Herbst.

Die neue Zusammenarbeit ist zu-gleich Fortsetzung und Weiterent-wicklung einer bereits erprobten Verbindung: Regisseurin und Cho-reografin des neuen Stückes ist Ma-lou Airaudo.

Nouvelle PieceRenegade in Residence

Uraufführung am 24. September 2010in den Kammerspielen

Die erste neue Tanztheaterarbeit von Renegade am Schau-spielhaus Bochum entsteht in der Regie und Choreografie von Malou Airaudo. Auf der Bühne stehen acht Tänzer, die teils aus dem professionellen Tanz- und HipHop-Bereich, teils aus dem regionalen und europäischen Streetart-Kon-text stammen. Das Thema entwickeln Renegade und Schauspielhaus Bochum gemeinsam. Es wird um Momente des „Dazwi-schen“ gehen, in denen Neues entsteht oder Altes vergeht: Ein Bergsteiger im Moment des Absturzes, das Durchque-ren eines Tunnels, Transiterfahrungen, der Augenblick zwischen Leben und Tod. Momente, in denen das Leben stillsteht und gleichzeitig an einem vorüberrast, in denen alles denkbar ist und zugleich alles im nächsten Augenblick zu Ende sein könnte. Momente, die sich anfüllen mit Er-innerungen, mit Visionen, mit ungeahnten Möglichkeiten und Vorstellungen. Momente, in denen sich Bekanntes mit Unbekanntem verbindet und daraus etwas Explosives entsteht. Die Tänzer dieser ersten gemeinsamen Produkti-on stammen aus Herne und Berlin, aus Duisburg und der Schweiz, aus Celle und Italien. Sie sind Pantomimen und B-Boys, klassische Tänzer und Modernisten.

Regie und Choreografie: Malou Airaudo

Eine gemeinsame Produktion von Schauspielhaus Bochum und Pottporus/Renegade

Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen

MAlou AirAudo

wurde 1948 geboren und begann früh ihre Tanzausbildung. Schon im Alter von acht Jahren lernte sie an der Schule der Opéra de Marseille und tanzte dort unter der Leitung von Joseph Lazzini im Ensemble. Über Monte Carlo und Amiens gelangte sie 1970 nach New York, wo sie nicht nur mit Ma-nuel Alum arbeitete, sondern auch Pina Bausch traf. So kam sie 1973 nach Nordrhein-Westfalen in die Compagnie des neu gegründeten Tanztheaters in Wuppertal und wurde dort eine der prägenden Solistinnen. Ihr Solo „Le Sacre du Printemps“ ist sicher die berühmteste Arbeit, die aus der Zusammenarbeit dieser beiden Tanztheater-Ikonen entstand. Später arbeitete sie in Paris, Lorraine und Genf, pflegt aber seit langem eine Verbindung zum Ruhrgebiet: Seit 1984 ist sie Professorin für Zeitgenössischen Tanz an der Folkwang Universität. So kommt sie nicht als Fremde, sondern als Freundin in die Region, wenn sie mit Renegade am Schauspielhaus Bochum arbeitet.

Es treffen sich drei B-Boys – Break-dancer – aus Duisburg und Herne, die zur Musik Bewegungen machen kön-nen, die sich ein normaler Mensch nicht einmal vorstellen kann, deren Bühne aber bisher ausschließlich die Straße war. Eine klassische Tänze-rin aus Rom, die sonst auf den in-ternationalen Ballettbühnen Euro-pas zu Hause ist. Ein junger Modern Dancer, der direkt von der Folkwang universität in Essen kommt. und ein Flatliner – BMX-Radfahrer – mitsamt seinem Bike aus köln.

Sechs Tänzer, die unterschied-licher kaum sein könnten und die eigentlich, so sollte man meinen, nicht zusammengehören. In der Tanztheaterproduktion „Schwarze katze“ standen sie vor zwei Jahren trotzdem gemeinsam auf der Bühne in der Bochumer Jahrhunderthalle und zeigten zu einem gewagten Mu-sikmix quer durch alle Stilrichtungen eine neue Form von Tanztheater, die es so vorher in der Ruhrregion nicht gegeben hatte. Choreografin des Abends war Malou Airaudo, langjäh-rige Solotänzerin in der Compagnie von pina Bausch. Verantwortlich für die Mischung und dafür, dass diese Begegnung überhaupt zustande kam, war eine Truppe, die unter dem Na-men „Renegade“ seit einigen Jahren von einem unscheinbaren gemeinde-zentrumsähnlichen Haus in Herne aus die Tanz- und Streetart-Szene der Region aufmischt.

Die „Abtrünnigen“ (so die wört-liche Übersetzung) kommen von der

renegade.Neues tanztheater in Bochum

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Monika Gintersdorfer & Gadoukou La star — schwarzweiss totaL

schwarzweiß total

text: arnd weseMannfotos: christian roLfes

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Monika Gintersdorfer & Gadoukou La star — schwarzweiss totaL

ie elfenbeinküste in westafrika wird von zwei Präsidenten regiert. Vom echten und einem schattenpräsi-denten, der in der opposition jeder-zeit mit Bürgerkrieg drohen kann. darum ist der echte Präsident sehr vorsichtig, und das ist gut so. nicht nur der Präsident, auch der Papst hat einen Gegenpapst, den schwarzen Papst. den hält er im keller des Vati-kan gefangen wie einen anti-christ. sowas erzählt man in abidjan, einer stadt aus zehn eigenständigen städ-ten, die von der Lagune am atlanti-schen ozean wie eine krabbenschere ins Land greifen. regiert wird das Land nicht von hier aus, sondern aus der Gegenhauptstadt Yamoussoukro. dort steht die Basilika notre-dame de Paix, die aussieht wie der Peters-dom in rom. nur ist sie sehr viel größer, das größte christengebäude der welt. auch das ist gut so, denn ob der islam oder das christentum an der elfenbeinküste zahlenmäßig stärker ist, ist nicht erwiesen. so liegt hier alles auf einer fein austarierten waage. es gibt nicht das Gute ohne das Böse, den Papst nicht ohne Ge-genpapst, das christentum nicht ohne islam.

und man hörte ja schon vom Bürgerkrieg an der elfenbeinküste, der trotz offiziellem Friedensvertrag noch nie ganz beendet wurde, weil frieden ohne krieg nicht existieren kann. in abidjan gab es noch einen dritten Präsidenten, der Le prési-

dent douk saga hieß. zu Beginn des Bürgerkriegs hielt sich Le président douk saga in Paris auf, um dann wie mit einem kulturellen staatsstreich von Paris aus mitten in den Bürger-krieg hinein in der elfenbeinküste zu einem Präsidenten der freude zu werden. franck edmond Yao ali-as Gadoukou la star zog mit dem Präsidenten douk saga und seinen freunden, dem selbsternannten ivo-rischen Jet set, durch die nachtclubs von Paris als choreograf und super-tänzer. Gadoukou la star ist ein sehr schöner, sehr kräftiger Mann mit viel Blingbling. unter den fanfaren eines dJs bewegt er sich cool, weich im an-tritt, als würde er mit unglaublicher Beschleunigung aus sich selbst hin-ausspringen können. Gadoukou la star kann das Land verlassen, um je-derzeit im triumphzug immer wieder einzuwandern. ein auswanderer, der ständig einwandert, ist kein flücht-ling, sondern ein personifizierter Pri-vatjet zwischen europa und afrika, den man einen „Bengisten” nennt – der Botschafter eines Lebensstils, der in abidjan, in Paris und längst auch in deutschland „couper décaler” genannt wird.

„couper” bedeutet abhauen, einen schnitt machen, „décaler” heißt umfallen, im sinn von sich durchs Leben schlagen ohne die Balance zu verlieren. den guten stil wahren heißt, präsidialen Glamour zu zeigen und selber ein Label zu sein durch hauteng getragene edelmarken – so liegen ruch und ruhm immer schön dicht beieinander. die „fou-ka fouka”-Geste, ein hämmernder oberarm, signalisiert kraft durch form. der dJ des „couper décaler” betreibt das sampling der unter-schicht mit dem der oberen zehn-tausend. es wirkt wie das lautstarke Verhöhnen der armut und zugleich als vollkommene karikatur des west-lichen Lebensstils. es ist perfekt in-

Gadoukou la Star iSt ein Sehr Schöner, Sehr kräftiGer Mann Mit viel BlinGBlinG.

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Monika Gintersdorfer

wurde 1967 geboren. Sie studierte Germanistik und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft in Köln und Regie in Ham-burg. 2000 bis 2004 inszenierte sie am Hamburger Schau-spielhaus, an den Münchner Kammerspielen und bei den Salzburger Festspielen. 2002 erhielt sie für ihre Inszenierung „Bedbound“ von Enda Walsh den Gertrud-Eysold-Preis. Seit 2005 arbeitet sie regelmäßig mit dem ivorischen Choreografen und Tänzer Franck Edmond Yao und dem bildenden Künstler Knut Klaßen. Ihre Produktion „Othello, c’est qui“ wurde mit dem Jury-Preis des Impulse Festivals 2009 ausgezeichnet. Im April 2010 veranstaltete sie unter dem Titel „Rue Princesse“ ein ivorisch-deutsches Festival in Abidjan.

franck edMond Yao aliaS Gadoukou la Star

wurde in Abidjan in der Elfenbeinküste geboren. Dort stu-dierte er Tanz und Schauspiel. Von 2003 an gewann er in vier aufeinander folgenden Jahren den African Award als bester afrikanischer Tänzer in Paris. Seit 2005 arbeitet Franck Ed-mond Yao mit Gintersdorfer/Klaßen. 2008 veröffentlichte er sein Debüt-Album „Couper Décaler“ als Gadoukou la Star und wurde damit zum Shootingstar der ivorischen Popmusik. Franck Edmond Yao lebt in Paris und Abidjan.

szenierter starkult, der aus nichts als eigenwerbung besteht. niemand will hier nur bescheidene fünfzehn Minuten berühmt sein. wenigstens so bekannt wie nivea-creme muss man sein, so unverwechselbar wie ein Päckchen Marlboro.

in bestem fummel auf einem sofa lümmelnd zählt Gadoukou la star geduldig seine investitionen für die perfekte ivorische inszenierung auf: Musik komponieren, ein studio mie-ten, die Musik „piratisieren” lassen, sie also umsonst ins internet stellen, die dJs „bestechen”, damit sie in den Grand Maquis die titel spielen, überall für sich spendable reklame machen und das Glück haben, im fernsehen aufzutreten, damit end-lich ein großes Konzert stattfinden kann, das einen teil der unkosten wieder reinbringt. es ist vor allem der ruhm, der abfällt, der all das aufwiegt, worauf europa seine Lan-geweile begründet: ausgeglichene haushalte, unauffällige Gleichheit, Bürgerruhe, traditionelles Ballett, zeitgenössische tanzverweigerung. Ganz abidjan dagegen, so scheint es mitten in der nacht in den heißen Vierteln von Yopougon, ist ein ge-waltiger tanzwettbewerb, eine große feier des ich, ein narzisstisches spiel wie vor den spiegeln in den Maquis der rue Princesse. kein einziges Mal trennen sich dort die tanzenden Mädchen von ihrer eigenen schön-heit. „spiegel”, sagt franck, „dienen bei euch zur kontrolle, uns beweisen sie, dass wir stolz sein können.”

Längst hat Gadoukou la star eine doppelkarriere als schauspieler in deutschland, wo er franck edmond Yao heißt. Monika Gintersdorfer, die Regisseurin, filmte ihn bei einem Gastauftritt in einem hamburger nachtclub. sie kennt die szene in abidjan wie ihre westentasche. da-bei wäre sie fast eine ganz normale regisseurin am deutschen stadtthe-

ater geworden, lauter erstauffüh-rungen junger autoren bis hin zu den salzburger festspielen, die statt zum höhepunkt zur endstation dieser Literatur-inszenierungen wurden. zum Glück. es folgte ein Jahr mit hundert aktionen, die den gesicher-ten rahmen verließen. in einer akti-on namens „ausziehen” zerschmet-terte sie in hamburg eine wohnung, lernte beim Brunnengraben an der alster den bildenden künstler knut klaßen kennen und verliebte sich an die elfenbeinküste. seitdem ist sie Übersetzerin, von theater in tanz, von afrika in europa, von wahrheit in wirklichkeit.

Übersetzen heißt: sich einem wettbewerb stellen, sich von einem vollkommen trainierten körper, der überquillt von tanzlust, Bewegungs-schärfe, Variantenwitz, nicht abhän-gen zu lassen. und es als europäer auch mal aushalten zu können, dass unsere todsünden, eitelkeit, neid, Gier, sämtlich afrikanische tugen-den sind. Übersetzerin zu sein ist für Monika Gintersdorfer nicht das erklären einer afrikanischen kultur, die mit tanz redet. es gibt stattdessen in ihrer bekannten serie „Logobi” eine völlig angstlose konfrontation der ivorischen tänzer Gotta depri und franck edmond Yao mit je einem deutschen Übersetzer, einem schau-spieler, tänzer oder choreografen. diese Pas de deux werden auf augen-höhe übersetzt, ohne gleich Gleich-heit zu fordern. es werden schritte erklärt, ohne Pädagogik. es werden fremde welten geöffnet, ohne sie zu besetzen. Übersetzen heißt nicht: aneignen. sondern im fremden die Freiheit der eigenen Sprache zu fin-den. die der ivorer. und auch die der deutschen.

arnd WeSeMann ist redakteur der zeitschrift „tanz”.

So Bekannt Wie nivea-creMe MuSS Man Sein,unverWechSelBar WieMarlBoro.

ElEganz istkEin VErbrEchEnvon Gintersdorfer/Klaßen

Premiere am 24. september 2010 im theater unten

dies ist die perfekte show! dieses theater ist reich, ist inter-national, ist glamourös, virtuos und elegant. das ivorisch-deutsche ensemble entwickelt mit seiner sprache, seinem Gesang und seinen tanzenden körpern einen funkelnden abend. hier geht es nicht um die perfekte Länge oder die perfekte dramaturgie. die schauspieler und tänzer aus Bochum in deutschland in europa und aus abidjan an der elfenbeinküste in afrika zeigen, welche texte, welche themen eine „perfekte show“ braucht. es geht in diesem abend nicht um illusionen, nicht um Parodien oder Ver-stellungen, es geht um schillernde Behauptungen und eine spekulative wirklichkeit. die show wird zu einer Verstän-digung zwischen kulturen jenseits der plattgetrampelten Pfade politischer korrektheit, die uns in unsere eigenen widersprüche verwickelt, indem sie mit Vorurteilen auf-räumt und sie gleichzeitig zementiert.

Regie: Monika GintersdorferBühne und Kostüme: Knut KlaßenDramaturgie: Olaf Kröck

Mit: friederike Becht, Jean claude dagbo alias dJ Meko, hauke heumann, franck edmond Yao alias Gadoukou la star

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Fotos und text: david Bösch

david Bösch wird leitender Regisseur am schauspielhaus Bochum. in Bochum hatte er mit acht Jahren sein erstes theatererlebnis, aller-

dings nicht im schauspielhaus, sondern bei „starlight express“. am schauspielhaus hat er dann seine erste große inszenierung gemacht,

„zum ersten Mal richtig theater, in einer Guckkastenbühne mit allem, was dazu gehört“: Romeo und Julia. das war vor sechs Jahren. inzwischen hat er in essen, hamburg, Zürich, Wien und Berlin gear-beitet. Jetzt freut er sich darauf, zurückzukehren und richtig anzufan-gen an diesem Haus. Erstmal hat er es fotografiert, von innen, in den

ecken, die man als Zuschauer sonst nicht zu Gesicht bekommt.

david Bösch — ein FotoalBuM

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david Bösch — ein FotoalBuM

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david Bösch — ein FotoalBuM

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david Bösch — ein FotoalBuM

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Der Sturmvon William Shakespeare

Premiere am 25. september 2010 im schauspielhaus

er muss für ordnung sorgen. das ist sein Ziel und dafür ist er bereit alles zu tun, was in seiner Macht steht. Jahrzehnte verbringt er auf einer einsamen insel, gemeinsam mit sei-ner tochter Miranda und zwei wilden Kreaturen, die er nur tochter Miranda und zwei wilden Kreaturen, die er nur tmühsam zu bändigen vermag. er schmiedet Pläne und ver-teidigt Moral und Gesetz in einer feindlichen Welt. dann kommt der tag, an dem sein Plan in tag, an dem sein Plan in t erfüllung gehen wird. es beginnt mit einem mächtigen sturm und noch weiß nie-mand, wen dieser sturm am ende hinwegfegen wird. als eine kleine Gruppe Gestrandeter plötzlich hilflos über die insel irrt, ändert das alles. ihr erscheinen bringt die sen-sible ordnung in Prosperos kleiner Welt ins schwanken. Selber vollkommen hilflos und orientierungslos setzen die schiffbrüchigen in der hermetischen inselgesellschaft neue sehnsüchte und Gefühle frei. die beiden wilden Geister, ariel und caliban, spüren, dass der Moment gekommen ist, sich zu befreien. Miranda, aufgewachsen an der seite der beiden Wilden, entdeckt den sanften Ferdinand. es ist für alle der Moment der Wahrheit, der Regeln außer Kraft setzt. dass sie spielbälle sind in Prosperos Plan, interessiert am ende niemanden mehr. Prospero muss sich eingeste-hen, dass er die Kontrolle verloren hat. nicht er nimmt Rache für widerfahrenes unrecht, es sind die anderen, die sich rächen an ihm und einer ordnung, die die Welt be-herrschen wollte. doch die Welt ist anders, als er dachte. dieses grausame Märchen von shakespeare, sein letztes Werk, inszeniert david Bösch zu Beginn der spielzeit in Bochum.

Regie: David BöschBühne: Dirk ThieleKostüme: Meentje NielsenDramaturgie: Sabine Reich

Mit: Manfred Böll, Florian lange, nicola Mastroberardi-no, Ronny Miersch, Bernd Rademacher, Felix Rech, henrik schubert, xenia snagowski, daniel stock, Werner strenger, Klaus Weiss

Die rattenvon Gerhart Hauptmann

Premiere am 28. Januar 2011 in den Kammerspielen

nichts wünschen sich Frau John und ihr Mann sehnlicher als ein Kind, seit ihr albertchen drei Monate nach der Ge-burt gestorben ist. als Frau John mit der Zeit klar wird, dass ihre hoffnungen umsonst sind, lässt sie sich auf ein zwei-felhaftes Geschäft ein: sie nutzt die lange abwesenheit ih-res Mannes und kauft sich ein Baby. von der verzweifelten von der verzweifelten vhochschwangeren Pauline Piperkarcka, die drauf und dran war, sich in die spree zu stürzen. so scheint erstmal allen geholfen. stolz präsentiert Frau John ihrem Mann und der nachbarschaft das Kind. doch Pauline bekommt Gewis-sensbisse und verlangt ihren sohn zurück. da Frau John das Kind jedoch freiwillig nicht hergeben will, vertauscht es Pauline heimlich mit dem todkranken Kind der nach-barin. die tragische Geschichte der verzweifelten Mütter entwickelt sich zur verwechslungskomödie, in der schließ-verwechslungskomödie, in der schließ-vlich niemand mehr weiß, wer was vor wem geheim hält und welches Kind zu wem gehört.

eine „Berliner tragikomödie“ nennt Gerhart tragikomödie“ nennt Gerhart t haupt-mann sein stück, das er 1909 am höhepunkt seines Ruh-mes fast zwanzig Jahre nach seinem skandaldebüt „vor vor vsonnenaufgang“ schrieb. hier ist versammelt, was unter dem titel naturalismus am ende des 19. Jahrhunderts die theatermittel radikal erneuerte: in einer verkommenen Mietskaserne, auf deren dachboden der arbeitslose the-aterdirektor hassenreuther seinen Kostümfundus un-tergebracht hat, tummeln sich die Ratten und die kleinen leute, deren lebensdramen hauptmann auf die Bühne bringt. dass der theologiestudent erich spitta, der unbe-dingt schauspieler werden möchte und bei hassenreuther unterricht nimmt, als eine art alter ego hauptmanns auf-tritt und vehement fordert, dass es auf der Bühne genauso lächerliche Figuren wie im leben geben sollte, hält dem naturalismus den spiegel vor und erinnert daran, dass manchmal die dramen des echten lebens die bewegends-ten sind.

Regie: David BöschBühne: Patrick Bannwart

david bösch

Auch wenn David Bösch in den letzten Jahren viel in Essen am Schauspiel inszenierte, oder in Wien, Zürich und Frankfurt, wohnt er in Bochum, wo er in den nächsten Jahren wieder re-gelmäßig arbeiten wird. Geboren wurde er 1978 in Lübbecke/NRW, dann studierte er Regie an der Hochschule für Musik und Theater in Zürich. 2004 brachte er in Bochum „Romeo und Julia“ von Shakespeare auf die Bühne, 2005 eröffnete er die Intendanz von Anselm Weber am Schauspiel Essen mit sei-ner Inszenierung „Ein Sommernachtstraum“, 2006 gewann er mit „Viel Lärm um nichts“ (Thalia Theater Hamburg) den „Young Directors Award“ der Salzburger Festspiele. Aber nicht nur Shakespeare inszeniert er, er bringt Klassiker von Büch-ner, Hauptmann, Schiller und Goethe ebenso auf die Bühne wie zeitgenössische Stücke oder große Opern.

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IntervIew: thomas Laue und anseLm weberFotos: ChrIstIan roLFes

FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land

Ich lebe in einemschizophrenen Land

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adhel Jaibi, anders als viele Regisseure inszenierst du nur ein Stück im Jahr.sogar weniger! Ich produziere ein stück alle drei oder vier Jahre.

Warum brauchst du so lange, um eine neue Produktion vorzubereiten?nach der premiere begleite ich zu-nächst die aufführungen meiner stücke, die an vielen orten der welt gezeigt werden. In jeder neuen arbeit bringe ich dann junge schauspieler, die zum ersten mal mit mir arbei-ten, mit schauspielern zusammen, die mich seit 20 Jahren begleiten. so wird jede produktion zu einem neuen, komplizierten abenteuer. Ich versuche dabei jedes mal, das voran-gegangene stück zu vergessen. mit je-dem neuen thema ändere ich meine art zu arbeiten.

Fängst du immer wieder bei Null an?man fängt nie bei null an. es ist im-mer eine Kontinuität und ein bruch zugleich. aber null nicht. auch wenn ich wollte, könnte ich nicht bei null anfangen.

FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land

„Ich habe meIne eIgene Welt, dIe mIch, WIe hof-fentlIch jeden Künst-ler, schon sehr lange begleItet.“

Warum nicht?weil ich in meinem Gedächtnis, meinen Reflexen und dem, was ich bis jetzt gelernt oder erworben habe, dinge mit mir herumtrage, die nicht mehr auszulöschen sind. Ich habe, wie hoffentlich jeder Künstler, mei-ne eigene welt, die mich schon sehr lange begleitet.

Was beschäftigt dich in dieser Welt der-zeit am meisten?die zukunft meiner tochter. sie ist einundzwanzig und lebt in paris.

Warum lebt sie nicht in Tunesien?weil es einerseits notwendig war, sie ein bisschen von ihren eltern zu lö-sen. und weil das Leben in tunesien einen jungen menschen töten kann.

Wie das?der horizont dort ist eingeschränkt. die türen und Fenster dieses Lan-des schließen sich immer mehr: die religiöse und moralische zensur, die zensur der medien, die zensur des ausdrucks. Ich möchte, dass meine Tochter dem entfliehen kann. Aber wenn ich davon spreche, dass mei-ne größte sorge die zukunft meiner tochter ist, dann meine ich auch die zukunft überhaupt.

Während wir hier reden, sollte zu Hau-se in Tunis eigentlich eine neue Pro-duktion von dir zu sehen sein. Aber die Premiere am letzten Samstag hat nicht stattgefunden, weil dein Stück von der Zensurkommission nicht freigegeben wurde. Wie geht es nun weiter?als ich am montag in düsseldorf am Flughafen auf meine Koffer ge-wartet habe, rief mich der minister

an, der letzten donnerstag eine pro-be meines stückes gesehen hat. Ich wartete seit samstag, an dem eigent-lich premiere sein sollte, auf diesen anruf. als er dann anrief, verlangte

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Wer unter bedIngungen theater macht WIe der tunesI-sche regIsseur fadhel jaIbI, entWIcKelt vIele Persön-lIchKeIten: er Ist eIner der schärfsten KrItIKer seInes landes und zugleIch eInes seIner WIch-tIgsten aus-hängeschIl-der. In jedem fall also eIne staatsange-legenheIt. eIn IntervIeW.

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der Minister die Textfassung des stückes. nun ist es so, dass dieser minister früher selbst regisseur war. er kennt also die subversive Kraft des

bildes und es ist erstaunlich, dass er, obwohl er die aufführung schon kennt, jetzt auch noch den Text ha-ben möchte. nun erwarte ich jeden moment seine entscheidung. es kann sein, dass das stück wegen des themas – es ist eine metapher auf das Leben in der derzeitigen tunesischen Gesellschaft – ganz verboten wird, weil er angst um sich selbst und sei-ne stellung hat. vielleicht wird der minister aber auch nur Kürzungen verlangen, die ich aber nur bereit bin vorzunehmen, wenn sie nichts an der essenz des stückes verändern. wenn er die essenz berühren will, werde ich nein sagen. dann ist es mir lieber, dass das stück ganz verboten wird. dann müsste ich allerdings eine sehr schwere verantwortung tragen: die für 20 Familien, die von mir und die-ser produktion abhängig sind.

Würdest du dich unter diesen Arbeits-umständen als einen mutigen Mann bezeichnen?Ich bin nicht in der position, so etwas von mir zu behaupten. Ich begreife mich in erster Linie als un-abhängigen bürger und nicht als Künstler. Ich habe nie Kunst um der Kunst willen gemacht, ich habe im-mer Ideen verteidigt, die dem tunesi-schen establishment und der tunesi-schen Nomenklatura missfielen. Ich bin seit vierzig Jahren regisseur und seltsamerweise hat man nur zweimal versucht, meine stücke zu verbieten. einmal unter präsident bourguiba und jetzt, viel radikaler, unter ben ali. warum erlaubt man mir in der regel, die stimme zu erheben? war-um akzeptiert man, dass ich auf eine subversive art sehr kritisch bin? weil meine arbeit respektiert wird und weil behauptet wird, dass ich wichti-ge sachen auf intelligentere art und

weise sage als andere. und weil ich für die regierung auch eine art vor-zeigekünstler bin, weil meine stücke auf der ganzen welt zu sehen sind. wenn man mir in tokio, in seoul, in berlin oder London die Frage stellt: „du lebst doch in einer diktatur?“, dann sage ich: „Ja“. und dann wird immer gefragt, ob das stück, das ge-rade gespielt wurde, in tunesien zen-siert ist, und ich antworte: „nein“. man versucht, mich zu vereinnah-men und durch mich die Illusion zu erzeugen, dass ich in einer demokra-tie lebe. aber ich lebe in einem Land der schizophrenie: man toleriert im theater und im Kino durch mich und andere etwas, das im Fernsehen nie akzeptiert würde. Im Fernsehen bin ich seit zehn Jahren verboten. we-der meine stücke noch meine Filme werden im tunesischen Fernsehen gezeigt. auch meine Interviews sind nur im arabischen oder westlichen Fernsehen zu sehen.

Ist Tunesien in dieser Hinsicht beson-ders streng im Vergleich zu anderen nordafrikanischen Ländern?was die medien angeht, ist tunesien ein totalitäres Land. In marokko und algerien gibt es eine freie presse, wie wir sie in tunesien nicht haben. aber

in tunesien haben wir eine Freiheit im tonfall, wie du sie weder in ma-rokko noch in algerien und noch we-niger in Libyen finden wirst. Aber das ist eine Freiheit, die sich der einzelne, das Individuum einräumt, und kei-ne, die vom system vorgegeben wird. Wir sind immer im Konflikt mit dem system. meine Frau Jalila baccar und ich stehen auf einer roten Liste.

Die Schizophrenie, die du für deine eige-ne Arbeit beschreibst, also einerseits auf einer roten Liste zu stehen und gleich-zeitig aber auch ein Aushängeschild der Kultur zu sein, was bedeutet die für das

Land und für die Menschen, die in die-sem Land leben und die nicht in so einer ausgestellten Situation sind wie du?mein Glück ist, dass meine arbeiten im ausland gezeigt werden. alle an-deren werden auf der stelle erstickt. Leider haben nur wenige den mut, durch Kunst das zu sagen, was sie denken. Fast alle meine Freunde, die wie ich im ausland studiert haben, in rom, London oder paris, sind dem staat hörig, um bestimmte positi-onen und posten zu bekleiden. sie machen formales, oberflächliches oder historisches theater, um nicht über die realität zu sprechen. viele bleiben aus angst auch einfach zu hause.

In den sechziger und siebziger Jahren hat Tunesien unter dem ersten unab-hängigen Präsidenten Habib Bourgui-ba einen enormen Aufschwung erlebt. Bourguiba hat sich auch sehr um die Künstler und Intellektuellen des Landes gekümmert. Inzwischen ist seit fast 25 Jahren Zine el-Abidine Ben Ali Präsi-dent. Was hat sich verändert von Bour-guiba zu Ben Ali? Und was hat sich für dich verändert?was bourguiba für tunesien getan hat, ist außergewöhnlich und einma-lig im afrikanischen raum. auf der ebene der bildung, der Gesundheit, der Freiheit der Frau und der Kultur. er hat den Kulturdenkmälern, dem buchwesen, den medien und vor al-lem dem theater ein großes budget zur verfügung gestellt. er hat überall Kultur- und Jugendzentren einge-richtet. aber das alles tat er nur um seiner selbst willen. Für seine eigene ehre. aber auf der ebene der Freihei-ten war er ein monster, ein düste-rer diktator, schlimmer als Franco, schlimmer als Ceausescu. wir wa-ren zu der zeit noch sehr jung. aber schon damals versuchte man, uns zu vereinnahmen, weil unsere stücke von anfang an im maghreb und im mittleren orient sehr gefragt waren. die nomenklatura wollte sich unse-rer bedienen, um durch junge Künst-ler zu glänzen.

Was hat sich unter Ben Ali dann ver-ändert?Unter Ben Ali gab es eine exponen-tielle entwicklung von allem. das

FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land

„Ich begreIfe mIch als unabhängIgen bürger und nIcht als Künstler.“

„man tolerIert Im thea-ter und Im KIno durch mIch und andere etWas, das Im fernsehen nIe aKzePtIert Würde.“

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heißt, es gibt immer mehr Leute auf dem markt, immer mehr Kunst-schaffende, immer mehr techniker, schauspieler, im theater wie im Film. er hat das budget für Kunst nochmal erhöht, so dass jetzt 1,5 prozent des staatshaushalts für Kunst ausgege-ben wird. das ist für die arabische welt äußerst ungewöhnlich. Heißt das, dass sich die Situation unter Ben Ali verbessert hat?nein! absolut nicht! auch bei ben ali wird dieses Geld für seine eige-ne ehre und die ehre seines staates eingesetzt und manchmal gibt es dann ein paar Krümel für unabhän-gige Künstler, wie wir es sind, in der hoffnung, etwas davon zurückzuer-halten. aber ben ali ist ein diktator und die Freiheiten waren noch nie so eingeschränkt wie jetzt. durch ben

ali sind wir auf der roten Liste und dürfen nicht im Fernsehen auftre-ten. durch ben ali sind wir zensiert, noch mehr als unter bourguiba.

Was hat diese Diktatur, die du be-schreibst, für einen Charakter? Ist es eine religiöse Diktatur, wie wir sie aus anderen arabischen Ländern kennen?nein, sie ist fast ausschließlich po-litischer natur. es ist verboten, den präsidenten zu kritisieren. Ihn und seine Familie, die Familie seiner Frau, ihre brüder und schwestern, die Mafia. Es ist verrückt. Ich denke, dass tunesien das Land auf dieser welt mit den meisten polizisten ist. wenn du auf der avenue bourguiba in tunis spazieren gehst, steht alle zehn meter ein polizist, in uniform oder zivil. es herrscht die totale pa-ranoia. sie glauben, dass es alle zehn meter ein attentat geben könnte. die theater, die stadien, die moscheen, die straßen sind voll von polizisten. wenn ich 500 zuschauer in einem

saal habe, sind mindestens 50 von ihnen polizisten. es ist völlig wahn-sinnig. es geht so weit, dass die tune-sier selber zu polizisten werden. es ist eine terrorherrschaft. ben ali hat die Liga der menschenrechte verboten. er hat alle parteien der opposition verboten und die zivilgesellschaft zerstört.

Welche Auswirkungen hat das auf das Leben der normalen Menschen, die eben nicht die Möglichkeit haben, sich künstlerisch auszudrücken?es gibt mindesten zwei arten von tunesiern im Land. viele sind wie du und ich. sie sind die Kinder von bourguiba und erben des fran-zösisch- und englischsprachigen raums. Laizisten und republikaner, die eigentlich bürger der welt sind. die an Freiheit, demokratie und menschenrechte glauben. daneben existiert ein Land, das religiös und konservativ ist. dieses Land zieht sich immer mehr auf sich selbst zu-rück. seit dem 11. september und den diskursen, die dieses datum mit sich gebracht hat, wegen der medien und des arabischen Fernsehens, we-gen Israel und der probleme in paläs-tina, aber auch wegen des westens, der sich immer mehr verschließt, gibt es Leute, die sich radikalisieren. Innerhalb einer einzigen Familie gibt es so den progressiven vater und den konservativen sohn. es gibt die progressive tochter und die konser-vative mutter. Innerhalb dieser Fa-milien herrschen ständig Konflikte. Die gleichen Konflikte findet man in der schule, auf der straße und in den büros. und sogar unter der herrschenden Klasse. Ich habe das bei meinem stück „Corps otages“ miterlebt. minister und abgeordnete aus der gleichen und einzigen partei stritten sich darum, was mit mir zu tun sei. sollte man mir mein visum geben oder mich eher ins Gefängnis stecken? man braucht mich. die, die nicht für mich sind, sind nicht un-bedingt gegen mich. das ist schizo-phren.

Was bedeutet es für dich, in Europa, in Deutschland zu arbeiten?Ich denke nicht: ich werde zu hause unterdrückt, also werde ich es aus-

nutzen, im westen zu sein, um end-lich zu sagen, was ich denke. was ich euch jetzt gerade erzähle, könnte ich genau so gut in tunesien erzählen. deshalb spreche ich auch nicht ger-ne von mut. Ich wurde nie bedroht oder verhaftet. reporter werden ab-gewehrt, wenn ich komme, und Ka-meras werden zerstört, und jedes mal erwarte ich, dass mir etwas angetan wird. dass man meine Frau angreift oder meine tochter entführt. aber nein, nie passiert etwas. aber ich lebe trotzdem in dieser paranoia. wenn ich nach europa komme, ist das für mich erstmal ein menschliches und künstlerisches aufatmen. aber die „medea“, die hier entstehen wird, wäre die gleiche, wie wenn ich al-leine in tunesien beschlossen hätte, „medea“ zu produzieren.

Wir haben dich eingeladen, in Bo-chum zu inszenieren, auch weil uns die Konfrontation mit einem fremden Blick interessiert. Wie schaust du auf Deutschland und sein eurozentristi-sches Weltbild?erstmal denke ich, dass ich mit all meinen eigenarten hierher komme. Ich entwickele ja selbst eine doppelte Identität: zur hälfte bin ich araber, also aus einer muslimischen Kultur, obwohl ich atheist bin. das ist mei-ne mediterrane, meine afrikanische Identität. aber ich bin auch, ob ich will oder nicht, die Kreuzung von 33

völkern, die tunesien im Laufe der Geschichte besetzt haben. zusätzlich habe ich das Glück, dass ich reisen kann. mein theater und meine Fil-me reisen um die welt. Ich arbeite überall und lerne dadurch auf der ganzen welt Künstler kennen. wenn ich ein stück in europa inszeniere, tue ich das mit den gleichen ansprü-chen, mit denen ich zu hause insze-niere. als ich vor fast zehn Jahren in deutschland „araberlin“ inszeniert habe, gab es deswegen viele ausein-

FadheL JaIbI — ICh Lebe In eInem sChIzophrenen Land

„es Ist verboten, den PräsIdenten zu KrItIsIe-ren. Ihn und seIne fa-mIlIe, dIe famIlIe seIner frau, Ihre brüder und schWestern, dIe mafIa.“

„Wenn Ich 500 zuschau-er In eInem saal habe, sInd mIndestens 50 von Ihnen PolIzIsten.“

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andersetzungen. mit den schauspie-lern, dem dramaturgen, mit einem bestimmten publikum und mit einer bestimmten presse. Ich habe gelernt, dass es überall totalitäres und kon-servatives denken und auch Intole-ranz gibt, in jedem Land. warum das Ganze? weil „araberlin“ sich getraut

hat, den deutschen zu sagen, dass es ihnen schwer fällt, sich von ihren al-ten rassistischen dämonen zu tren-nen. wenn ihr nach einem palästi-nensischen terroristen fahndet oder nach jemandem, den ihr dafür hal-tet, vergesst ihr, dass ihr mit baader meinhof das gleiche gekannt habt. Ihr urteilt über uns, und wir urteilen auch. versuchen wir also gemeinsam durch die Kunst uns ein bisschen besser zuzuhören. es war eine un-glaubliche erfahrung, in der wir die Komplexität und die Widersprüche deutschlands entdeckt haben.

Du lebst in Tunis, hast aber noch ein Haus an der Küste. Denkst du manch-mal daran, dich dorthin zurückzuzie-hen und dich nur noch um deine Oli-venbäume zu kümmern?nein. nach all der arbeit träume ich davon, mehr als nur ein wochen-ende dort zu verbringen. aber nach einem wochenende muss ich sofort die arbeit wieder aufnehmen.

Wer kümmert sich dann um die Oli-venbäume?Ich habe einen Gärtner.

Wenn du also über die Zukunft deiner Tochter nachdenkst, was glaubst du, wie diese Zukunft aussieht?dieses schizophrene Land hat auch aus mir einen schizophrenen ge-macht. Ich weiß heute selber nicht, was ich meiner tochter sagen soll: bleib im westen oder komm zurück nach tunesien. Ich wäre sehr un-glücklich, wenn sie im westen blei-

ben würde. und ich hätte angst um sie, wenn sie nach tunesien zurück-kehren würde.

„man braucht mIch. dIe, dIe nIcht für mIch sInd, sInd nIcht unbedIngt gegen mIch. das Ist schIzoPhren.“

aus dem FranzÖsIsChen von aLmut pape

fadhel jaibi

wurde 1945 geboren. Er hat in den 1960er und 70er Jahren an der Sor-bonne und an der Université Interna-tionale du Théâtre in Paris studiert. Anschließend ist er wieder in sein Hei-matland Tunesien zurückgekehrt, wo er seitdem als Regisseur und Filmemacher arbeitet. In Tunis leitet er seit 1993 die Theater- und Filmcompagnie „Fami-lia Productions“ und gilt als einer der profiliertesten, aber auch streitbarsten Künstler des Landes. Seine Inszenie-rungen, für die er mit seiner Frau, der Schauspielerin Jalila Baccar, meist auch die Texte schreibt, entstehen in der Re-gel in einer sehr intensiven und langen Proben- und Improvisationsphase ge-meinsam mit dem Ensemble. Seine Ar-beiten werden im gesamten arabischen Raum gezeigt, unter anderem in Beirut, Damaskus und Kairo. Zunehmend sind seine Arbeiten auch als Gastspiele in Europa zu sehen, unter anderem in Holland, Spanien, Portugal und Frank-reich. „Junun“ entstand 2002 mit dem Festival Avignon, seine Produktion „Khamsoun“, eine Auseinandersetzung mit dem modernen Islam, 2006 als Ko-produktion mit dem Theater l’Odeon in Paris und war anschließend weltweit auf Festivals zu sehen.

Im April 2010 sollte in Tunis seine aktuelle Inszenierung Premiere haben, zum Zeitpunkt des Gesprächs war sie aber noch nicht von der tunesischen Zensurkommission freigegeben.

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Medeain einer Bearbeitung von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi

premiere am 8. oktober 2010 in den Kammerspielen

wenn wir den namen medea hören, denken wir sofort an die ganz großen Gefühle und ihre tragischen Folgen: an Kindsmord und eifersucht, an hass und raserei. schon deswegen gehört ihre Geschichte bis heute zu den be-kanntesten mythen der griechischen antike. aber medea ist auch die sehr gegenwärtige Geschichte einer doppelten Fremdheit: einer jungen Frau, die ihre heimat verlässt, weil sie sich dort, wo sie lebt, fremd fühlt, und statt zu bleiben, lieber dem mann folgt, den sie liebt: Jason. und die dort, wo Jason lebt, wieder fremd ist, als barbarin verschrien und als ungläubige verunglimpft. Kompliziert wird die Geschichte dadurch, dass auch Jason doppelt fremd ist: In medeas heimat gilt er als eindringling, als ungläubiger und als Fanatiker, der gekommen ist, um die Kultur des Landes zu zerstören und mit dem Goldenen vlies das heiligste zu rauben. und zu hause ist er ebenfalls fremd, weil er nicht alleine zurückkommt, sondern medea mitbringt, die an-dersartige, die nicht dazu gehört und so sehr auf den bräu-chen und Kulturen ihres Landes beharrt. alles eine Frage der perspektive also. der tunesische regisseur Fadhel Jaibi wagt den versuch eines perspektivwechsels und erzählt mit einem deutschen ensemble und der autorin Jalila baccar seine überraschend nahe version einer fremden medea.

Regie: Fadhel Jaibi Bühne: Kaïs RostomKostüme: Gerhard GollnhoferLicht: Yvan LabasseDramaturgie: Thomas Laue

mit: dunja dogmani, mandana mansouri, marco massaf-ra, matthias redlhammer, nadja robiné, stephan ullrich

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Dialog der Kulturen, diese Worte sind so abgenutzt, dass ihr Gebrauch suspekt erscheint. Bezeichnen sie nicht in einem Kontext, in dem Zynismus, Grausamkeit, Arro-ganz und Doppelzüngigkeit banalisiert werden, den Ver-such, die Hegemonie zu rechtfertigen, deren Gesetz in der zunehmenden Konzentration des Reichtums und der Entscheidungsinstrumente besteht? Aber der, der sich als Mittelmeerbewohner und Erbe des andalusischen Geistes versteht, kennt den wahren Wert dieses Begriffes, der die Begegnung der Kulturen, die sich dennoch nicht vereinen, meint. Heute sind die zwei Welten durchdrungen und ver-flochten. Goethe, Hegel und Hölderlin, genau wie Aver-roès, Rumi und Ibn Arabi, sie alle wussten, dass der Islam Teil des Okzidents ist.

So haben sich einstmals die Kulturen und Völker des Ori-ents und des Okzidents gemischt. Warum sind wir heute nicht in der Lage, uns unsere Völker als einen Schmelztie-gel vorzustellen, der eine Kultur, noch unbekannt und un-vorhersehbar, hervorbringt? Die Globalisierung birgt die Chance, Raum für eine gemeinsame Sinngebung zu schaf-fen. Ich habe mich dieser Überzeugung verschrieben und daran glaube ich. Im Angesicht der Hegemonialstrategie und des Wiedererstarkens fremdenfeindlicher Strömungen sind Dialog, Annäherung und Öffnung der Kulturen umso wichtiger. Der Ausweg aus der moralischen Krise führt über den Dialog. Man spricht nicht miteinander, um dem an-deren sein Gesetz aufzuzwingen. Ein Dialog ist nicht nur eine Begegnung von Fremden oder Gegnern. Ein Dialog ist immer auch ein Dialog mit sich selbst. Wir brauchen den anderen, um den eigenen Horizont zu öffnen.

Seit 1993 und schon vor den Attentaten des 11. Septembers waren die Theorien über den Clash der Kulturen zwischen der muslimischen Welt und dem Westen Ausdruck der Er-findung eines neuen Feindes. Sie wurden 1989 nach dem Fall der Berliner Mauer zur offiziellen Theorie. Die Islam-feindlichkeit ist eine Täuschung, die schon vor dem Terro-rismus der Schwachen bestand. Das Konzept der „Kultur“

TEXT: MuSTApHA CHERIF

Ein Dialog ist immEr auch Ein Dialog mit sich sElbst.

Es braucht immEr DEn anDErEn, um DEn EigEnEn horizont zu öffnEn.

„DiE WahrhEit DEs glaubEns kann niEmals im WiDErspruch sEin zur

WahrhEit DEr VErnunft.“

papst Benedikt der XVI. lud Mustapha Cherif 2006 ein zu einem Gespräch über das Verhältnis der Religionen in Europa, als der sogenannte „Clash of Civilizations“ heiß diskutiert wur-de. „Der Clash der Kulturen“ ist ein Begriff des uS-amerikanischen politikwissenschaftlers Samuel phil-lips Huntington, der einen dauerhaf-ten Kampf insbesondere von Chris-tentum und Islam behauptet.

Dem gegenüber erinnert der algeri-sche philosoph und Soziologe Mus-tapha Cherif an die gemeinsamen Wurzeln von Okzident und Orient. Westen und Osten, oder anders ge-sagt, der Norden und Süden Europas, haben sich schon immer in einem engen und fruchtbaren Austausch entwickelt. Es waren die Kulturen des Mittelmeerraumes, die von Andalu-sien ausgehend bis in den Maghreb eine erste Idee von Europa formu-lierten. Er ruft auf zu einem Dialog, der sich erinnert und auf die Suche begibt nach einer Kultur Europas, die noch fehlt.

MITTELMEERBEWOHNER

MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF

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verbirgt die Widersprüche des vorherrschenden Systems und reduziert die Spannungen auf kulturelle Fragen. Die Islamfeindlichkeit im Norden und die entsprechenden Strömungen im Süden stellen angesichts jahrhunderte-langer fruchtbarer Beziehungen verkürzte Sichtweisen dar. Sie verleugnen die Verbindungen zwischen dem „Grie-chen“ und dem „Araber“, zwischen dem „Juden“ und dem „Araber“, zwischen dem „Römer“ und dem „Araber“. Wert-urteile werden gebildet, die die Vielfalt negieren und ima-ginäre Gegensätze schaffen: Jesus und Mohammed, Ori-ent und Okzident, Islam und Christentum, Barbaren und Zivilisierte, rationaler Westen und emotionale Araber.

Der Okzident wurde sowohl jüdisch-islamisch-christ-lich als auch griechisch-arabisch geprägt. Der Monothe-ismus und der gemeinsame Raum des Mittelmeeres sind unsere gemeinsamen ursprünge. Man kann den Huma-nismus, das heißt die Frage „Was ist der Mensch?“, ohne den Dialog mit anderen Kulturen nicht verstehen. „Der Humanismus denkt nicht hoch genug über die ,humani-tas’ des Menschen“, so Martin Heidegger. Die Kultur des Humanismus ist nicht sichtbar. Es geht nicht darum, auf das Religiöse als eine Lösung zurückzugreifen, sondern drei punkte zu sehen:1. Der andere trägt dazu bei, zu verstehen, was „Mensch-sein“ bedeutet, 2. sich einem gemeinsamen Horizont zu öffnen hat we-nig zu tun mit den Gefahren, denen geschlossene Systeme Freiheit und Menschenwürde aussetzen und 3. ein Zusammenleben ist möglich. Wie es Averroès ausdrückt: „Die Wahrheit des Glaubens kann niemals im Widerspruch sein zur Wahrheit der Ver-nunft.“

Es dominiert die Täuschung eines Clashs der Kulturen und sie nährt sich aus der Hegemonie des Nordens und den subjektiven Reaktionen des Südens. politiker, Intellek-tuelle und die Medien drängen dem Norden eine negative Debatte auf über den Islam, den propheten und die mus-limischen Bürger in den Städten Europas und dem Süden drängen sie eine Debatte über den Okzident auf. Doch die zentrale Stellung des Mittelmeerraumes erfordert, dass man sich nicht nur auf technische projekte beschränkt. Ohne die politische und kulturelle Dimension ist die part-nerschaft um wesentliche Teile verkürzt.

Der Westen wurde im Grunde seit mehr als zweitausend Jahren von kulturellen umbrüchen geprägt. Es lohnt, sich die Säkularisierung, die als prozess von Europa monopo-lisiert wurde, zu hinterfragen. Religiösen Dogmatismus durch den Dogmatismus des Laizismus zu ersetzen, ist kei-ne Lösung. Es setzen zwar nicht alle Europäer den Islam mit Fanatismus gleich, aber in weit verbreitetem unwissen betrachtet man den „Moslem“ als einen Gläubigen, der sich dem modernen Wertesystem verschließt. Moslems

Fragen zu stellen, ist legitim. Wir akzeptieren Kritik bezüg-lich problematischer Verhaltensweisen, aber keine Verall-gemeinerungen.

Das Licht der Aufklärung, das instrumentalisiert wurde, erleuchtete nicht alle Menschen. Wenn Fragen wie „Wie lernt man zu leben?“, „Was ist der Mensch?“, „Welchen Sinn dem Leben geben?“ gestellt werden, verweigert man uns das Recht, Formen der modernen Kultur zu kritisieren. Die Europäer fragen nach dem Zustand der muslimischen Welt: Es gibt Debatten über Reformen, pluralismus und gute politische Führung. Es ist nicht islamfeindlich, diese Fragen zu stellen. Aber im Gegensatz zu dem, was Nicht-Moslems denken könnten, existiert eine Islamfeindlich-keit, in der es der Moslem ist, der, wie vormals der Jude, verurteilt wird. Heimgesucht vom Gespenst der Religion wird Europa von zwei Bewegungen bestimmt: von dem Be-mühen, Integration zu fördern und von einer verkrampf-ten Haltung gegenüber den muslimischen Mitbürgern, die ihre Religion überwiegend friedlich ausüben.

Es stimmt nicht, dass der gesamte Westen „muslimisch“ mit „fanatisch“ gleichsetzt, aber die propagandisten, um ihre Defizite und ihre Schande zu verbergen, lassen uns glauben, dass der Islam eine Quelle der Gewalt sei. Diese propagandisten „machen“ den Terror und die „Terroristen“ und manipulieren sie, um Angst zu erzeugen und um die Besetzung und Vormachtstellung zu rechtfertigen. Chaos, ungerechtigkeit und eine politik wie in palästina, die mit zweierlei Maß misst, widersprechen den prinzipien, die der Norden selbst predigt. Im Kontext der brutalen präsenz fremder Soldaten auf islamischem Boden – 20 Mal zahlrei-cher als während der Kreuzzüge, wobei auf einen getöteten westlichen Soldaten oder einen getöteten Israeli 100 getö-tete Moslems kommen, die überwiegend Zivilisten sind – stellt sich eine Frage: Wie lange noch werden ungerechtig-keit und Aggression andauern, die im Süden Verzweiflung, Extremismus und eine Kultur der Wut hervorbringen und Angst im Norden erzeugen? Anstatt von Zusammenprall und Teilung zu sprechen, wäre es dringend an der Zeit, ge-meinsam über die ursachen nachzudenken.

Das unverständnis dominiert und die öffentliche Mei-nung erschöpft sich darin, nur noch die Gewalt des an-deren zu sehen, obwohl sie nichts weiß über ihre Gründe. Natürlich nimmt die ganze Welt wahr, zu welchem Extre-mismus die fanatische Ausprägung bestimmter „Anhän-ger“ einer großen Religion wie des Islam führen kann. Dabei handelt es sich aber um Archaismen. Der Miss-brauch des Namens des Islam ist unentschuldbar und „der Moslem ist manchmal eine Manifestation gegen seine Re-ligion“, wie es vor einem Jahrhundert Emir Abdelkader El Djazairi formulierte. Aber dies ist, wie es Hannah Arendt unterstrich, oft das Ergebnis von provokationen und un-gerechtigkeit: „In totalitären Regimen wird die provokati-

Europa: hEimgEsucht Vom gEspEnst DEr rEligion

Das licht DEr aufklärung ErlEuchtEtE nicht allE mEnschEn

MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF

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on […] eine Art und Weise, sich gegenüber seinem Nach-barn zu verhalten; eine Methode, der jeder, trotz guten Willens, folgen muss.“ Auch wenn die Vorurteile fünfzehn Jahrhunderte zurückreichen, es ist die Islamfeindlichkeit, die seit Ende des Kalten Krieges die blinden Reaktionen der muslimischen Welt ausnutzt und verstärkt.

Die Strategie hinter dem Clash der Kulturen betreibt Desinformation und erzeugt die Vorstellung, dass Wider-stand gegen Hegemonie und Besatzung einen Akt unzuläs-siger Gewalt darstellt. Doch der Einsatz von Gewalt wur-zelt vielmehr in den Bedingungen, die seinen Gebrauch gestatten – oder untersagen. Im Islam kann die Frage des Widerstands, wie es der Hl. Augustinus für den Begriff des gerechten Krieges ausdrückt, nicht außerhalb seines Kon-textes gedacht werden. So kann der Rückgriff auf „Gewalt“ nur erfolgen, wenn der Frieden, das Überleben oder die Würde beeinträchtigt werden. Dank des Monotheismus war die Humanisierung der menschlichen Beziehungen möglich. Die Freiheit hat der Gläubige im 18. Jahrhundert nicht gefunden, doch die Werte Abrahams sind eine der Quellen des Humanismus. Das, was probleme bereitet, sind die Repräsentation der modernen Welt und die Instru-mentalisierung der Religion.

Trotz der Emanzipation gegenüber religiösen Autoritäten und der logischen Trennung zwischen kirchlicher und staatlicher Autorität wie auch der öffentlichen und priva-ten Sphäre erleben wir einen Rückzug des Rechts, die Ver-drängung der prinzipien Abrahams von Gastfreundschaft und Dialog sowie den Zusammenbruch der Gerechtigkeit.

Das Risiko besteht in der Neutralisierung der beiden Di-mensionen des Menschen: das politische (die Demokratie) und das Religiöse (die Ethik). Nichts ist politisch, nichts ist religiös, so sagt man, um dem Nihilismus und der parole „alles ist Ware“ Raum zu lassen. Diese Sichtweise erzwingt einen Dialog der Tauben mit katastrophalen Folgen.

Die Sinnfrage hat für die meisten keine Verbindung mehr zur Religion. Das ist nicht das Ende der Welt, aber das Ende einer Welt. Das müssen wir verstehen, um etwas anderes zu finden, das sich der Begrenzung entzieht. Im Bereich des Wissens besteht der besorgniserregende As-pekt darin, dass die Möglichkeit des Denkens und des An-dersdenkens in Frage gestellt wird. Das moderne Denken bevorzugt die Mathematik und ihre Anwendungen auf den Markt. Zwei paradoxe Sichtweisen der modernen Kultur besagen, dass die Religion entweder trösten soll, ohne sich in das Weltgeschehen einzumischen, oder sie ist Entfrem-dung. Im Bereich der politik wird die Gesellschaft als ein produktivkörper wahrgenommen, unterworfen den Inte-ressen der Kapitaleigner. Diese Entpolitisierung stellt die Möglichkeit in Frage, ein Volk zu sein, das im Namen der Freiheit darüber entscheiden kann, einen Gesellschafts-entwurf nach erfolgter Debatte Realität werden zu lassen.

Trotz der Legitimität der Institutionen und des freien Marktes ist die öffentliche und gemeinsame Suche nach dem Gerechten, dem Schönen und dem Wahren rund um das Mittelmeer mit Hypotheken belastet. Diese Sack-gassen, die sich globalisieren und von der politik der zwei Maße gegenüber den eher passiven Moslems noch vergrö-ßert werden, macht die Idee des Clashs der Kulturen hin-fällig und die Notwendigkeit einer neuen Kultur, die ein Zusammenleben ermöglicht, dringend.

Der Dialog hat drei Ziele: Das erste Ziel ist die wechsel-seitige Erkenntnis, verbunden mit der Notwendigkeit, den anderen und sich selbst zu erkennen. Das zweite Ziel ist die gemeinsame Suche nach dem Schönen, dem Guten und dem Wahren, um einen gemeinsamen Begriff und universelle Normen zu finden. Das dritte Ziel des Dialogs ist die Tat. Das Ziel ist die Vermehrung guter und gerechter Handlungen. Wechselseitige Erkenntnis, eine gemeinsame Sprache und Begriffe sowie Gerechtigkeit sind die drei Zie-le des Dialogs zwischen Orient und Okzident.

Was die muslimische Welt verstehen muss, ist, dass die Stärke der europäischen Kultur, trotz ihrer probleme, in der Entschlossenheit besteht, mit der sich die Vernunft ihren eigenen Grenzen stellt.

Was der Okzident verstehen muss: der Islamismus ist ein Anti-Islam. Der Moslem jedoch hat immer schon teilgenommen und kann immer noch teilnehmen an der Suche nach einer Kultur, die noch fehlt.

nicht Das EnDE DEr WElt,abEr Das EnDE EinEr WElt

notWEnDigkEit EinEr nEuEn kultur

MITTELMEERBEWOHNER — MuSTApHA CHERIF

AuS DEM FRANZÖSISCHEN VON EVA NACKE

mustapha chErif IST pHILOSOpH, pROFESSOR FÜR INTERNATIONALE BE-ZIEHuNGEN AN DER uNIVERSITé D’ALGER uND, NEBEN VIELEN ANDEREN puBLIKATIONEN, AuTOR VON „DER ISLAM uND DER WESTEN – BEGEG-NuNG MIT JACQuES DERRIDA“, WILHELM FINK VERLAG MÜNCHEN 2009.

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WDR 3 Anzeige Schauspielhaus Bochum, Jahresprogramm · DIN A4, Beschnitt · 4c · 24. März 2010

wdr

WDR3_AZ_SchausphausBochum_A4.ind1 1 25.03.2010 15:45:44 Uhr

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Dries VerhoeVen — nachricht Vom anDeren enDe Der Welt

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24. märz 2010

hallo Bochum,

hier kommt eine nachricht vom anderen ende der Welt:gerade arbeite ich an der Produktion „life streaming“, die wir im oktober an

ihrem theater zeigen werden. ich habe eben mal im internet nachgesehen und herausgefunden, dass Bochum 8212 km von dem ort entfernt ist, an dem ich im augenblick bin.

in den letzten Jahren habe ich Produktionen entwickelt, die die Distanz de-finiert haben, die wir zueinander haben; also die tatsächliche und die emoti-onale Distanz, die wir für Menschen empfinden, denen wir zufällig begegnen – im supermarkt, in der nachbarschaft, in dem haus, in dem wir leben. in „You are here“ habe ich ein hotel gebaut, das ein model für unsere gesellschaft sein sollte, in der wir nur 80 cm von unseren nachbarn entfernt schlafen, ohne sie eigentlich zu kennen. in „life streaming“ werde ich das gegenteil machen. ich versuche, die Distanz zu den menschen zu bestimmen, die wirklich ganz woan-ders leben, denen wir aber über das internet oder die medien zu jeder beliebigen tagesszeit in unseren Wohnzimmern begegnen können. ich arbeite mit einer gruppe von zwanzig Darstellern. Die eigentliche Vorstellung wird in einem in-ternet-Café stattfinden, das wir auf dem Platz vor dem Schauspielhaus aufbauen werden. Jeder Zuschauer wird mit einem Darsteller in direkten Kontakt treten, der hier am strand sein wird.

ich habe mich entschieden, nicht zu sagen, wo ich genau bin. Der ort liegt von Bochum etwa soweit entfernt wie miami, ist aber auf einem anderen Kon-tinent. ich arbeite in einem land, in dem es keine schauspielschule gibt. Die Vorstellungen, die ich hier bisher gesehen habe, würden wir europäer als Folk-lore beschreiben. es ist ein tourismusland, aber in der hauptstadt sind überall checkpoints des militärs. Die surfer am strand wurden gestern von einem Boot der marine bewacht. Vor noch nicht all zu langer Zeit waren Bilder einer Katas-trophe aus diesem land auf der ganze Welt zu sehen. es scheint, als würden tou-rismus und tod manchmal hand in hand gehen: ich wohne gerade in einem der beliebtesten städtchen am meer und doch geben sich die leute hier keine mühe, die vielen gräber vor den touristen zu verstecken. aber wenn man es nicht selber gesehen hat, versteht man wahrscheinlich nicht, wie friedlich und schön es hier ist.

Wie und ob ich all diese Eindrücke in die Produktion einfließen lasse, weiß ich noch nicht. Bis jetzt kann ich nur sagen, dass all dies sehr inspirierend und verwirrend ist. ich frage mich, wie wir europäer mit tod und Verlust umgehen, bei der Überdosis von Bildern, mit denen wir täglich in den acht-uhr-nachrich-ten konfrontiert werden. und ich frage mich, ob die menschen hier emotional anders beschaffen sind und uns das die erbärmlichen Bilder, die wir in europa empfangen, gar nicht vermitteln. schaffen medien wie das internet wirklich einfachere Verbindungen zwischen den menschen oder sorgt eine höhere Band-breite der Datenströme für eine größere Unfähigkeit, wirklich miteinander in Kontakt zu treten?

Es grüßt herzlich von einem windigen Ort

Dries Verhoeven

LIFE STREAMINGIs it really possible to connect to people at the other side of the world?Eine Weltverbindung von Dries Verhoeven

Premiere am 1. oktober 2010 auf dem Platz vor dem schauspielhaus

Dries Verhoeven zählt zu den interessantesten jungen eu-ropäischen Künstlern. seine arbeiten bewegen sich zwi-schen Dokumentar-theater und bildender Kunst. Der 1973 geborene niederländer entwirft seit 2002 eigene in-stallationen und experimentelle inszenierungen, die auf diversen Festivals gezeigt wurden. Sie finden oft im öffent-lichen raum statt. in seinen aufwendigen Produktionen bekommt der Zuschauer immer eine aktive rolle und wird in das geschehen verwickelt. und man lässt es erstaun-licherweise gerne mit sich machen. Verhoeven spielt mit unserer Wahrnehmung, manipuliert die Besucher seiner installationen emotional. er kommt uns nahe, balanciert an der grenze, wo es zu nah werden kann. Dabei ist er aber nie aggressiv überrumpelnd, immer lässt er raum für den rückzug. so erlebt man in seinen inszenierungen die Welt auf eine neue, verwirrende und poetische Weise. 2009 erhielt er für seine hotel-installation „You are here“ den „Young Directors award“ der salzburger Festspiele. Jetzt zeigt er seine neue Produktion in Koproduktion mit dem schauspielhaus Bochum, in der sich die Zuschauer live mit dem anderen ende der Welt verbinden und mit fremden menschen in direkten Kontakt treten.

Konzept und Regie: Dries Verhoeven

30. September (Voraufführung); 1. (Premiere) bis 3. Ok-tober und 7. bis 10. oktober 2010 jeweils um 10.00 uhr, 12.00 uhr und 13.45 uhr für je 20 Personen auf dem Platz vor dem schauspielhaus.

aufgrund der Zeitverschiebung zum anderen ende der Welt finden die Vorstellungen am Vormittag statt. Die Vorstellungen sind in englischer sprache.

Eine Produktion von Dries Verhoeven in Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum, dem Festival a/d Werf (Utrecht) und LIFT (London)

Mit Unterstützung durch den Fonds Podiumkunsten, Prince Bernhard Cultural Fund, Hivos-NCDO Cultural Fund, BKVB and SNS Reaal Fund, VSBfonds und dem Theaterinstitut der Niederlande im Rahmen von NL-RUHR.2010

aus Dem englischen Von olaF KröcK

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Ein GEspräch übEr politik, rEcht und EntschEidunGsstärkE mit otto schily

Verantwortung

Schuld&OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung

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interView: thOmaS laue und Sabine reichFOtOS: harry weber

Er wurdE in bochum GEborEn und ist sEit übEr viErziG Jah-rEn politisch aktiv. Er war anwalt von Gudrun Ensslin und GründunGsmitGliEd dEr GrünEn, spätEr sass Er für diE spd als bundEsinnEnministEr auf dEr rEGiErunGsbank. wEr, wEnn nicht otto schily, soll dEnn bEschEid wissEn übEr diE vErstrickunGEn von macht und vErantwortunG, von Ent-schEidunGsnot und schuld?

OttO Schily — Schuld & VerantwOrtung

Herr Schily, woher nehmen Sie Ihre Überzeugungen? Wie kommen Sie da-hin, zu sagen: „Das, was ich tue, ist richtig.“?indem ich das Für und wider abwä-ge. in der Politik gibt es eine einfache grundregel für entscheidungen: „was kann ich durch einen be-stimmten Schritt gewinnen, und was kann ich verlieren?“ das ist eine ab-wägung, die ich immer vornehmen muss. Sie unterscheidet sich von der Frage „Kann ich die entschei-dung verantworten, oder kann ich sie nicht verantworten?“ auch diese Frage muss ich mir stellen. da kom-men Sie in der Politik nicht selten in sehr belastende entscheidungssitua-tionen.

Können Sie eine solche Entscheidung benennen?als ich ganz neu im amt als innen-minister war, hatten wir es mit ei-nem erpressungsversuch zu lasten der bahn zu tun ... da wollte jemand von der bahn viel geld. dann brach-te er – oder die, die da am werke waren – einen güterzug zum ent-gleisen. Man merkte, das sind Profis, die verstehen ihr handwerk. und dann fingen die Erpresser an, sich an eine ice-Strecke heranzumachen.

die Vorstellung, ein ice-Zug könn-te durch das verbrecherische treiben der erpresser verunglücken, hat mir seinerzeit schlaflose Nächte bereitet. es ist ja nicht einfach, hunderte von Kilometern der eisenbahnstrecke zu überwachen. um der erpresser habhaft zu werden, habe ich mich seinerzeit entschlossen, Kräfte der bundespolizei von der grenze abzu-ziehen. das war nicht ungefährlich, aber in der risikoabwägung war es sicherlich die richtige entscheidung. dank der ausgezeichneten arbeit der bundespolizei und des bundeskri-minalamtes konnten wir schließlich den erpresser – es stellte sich heraus, dass es ein einzeltäter war – hinter Schloss und riegel bringen. eine weitaus schwierigere entschei-dung war die beteiligung deutsch-lands am Kosovokrieg. wir kamen 1998 in die regierung und wurden

bereits in den ersten monaten mit dieser Frage konfrontiert. die ent-scheidung über den einsatz im Koso-vo ist mir ungeheuer schwer gefallen. Sie begleitet mich bis heute und wird mich bis an mein lebensende be-gleiten. merkwürdigerweise ist mir in erinnerung geblieben, dass durch ei-nen bombenabwurf auf ein Fernseh-gebäude in belgrad eine Friseuse zu tode kam. Sie hatte mit dem ganzen nichts zu tun, hatte mit miloševic nichts zu tun, und sie verlor ihr jun-ges leben. es sind viele andere umge-kommen. wir bemänteln diese Opfer als so genannte Kollateralschäden

militärischer Operationen. entschei-dungen, die wir in der Politik zu tref-fen haben, die lasten schwer auf uns. weil wir damit Konsequenzen in un-sere Verantwortung aufnehmen, die mitunter grauenvoll sind.

Stellt sich dann die Frage nach Schuld?das ist das thema der griechischen dramen: die unausweichlichkeit der Schuld. ganz egal, wie Sie han-deln, Sie werden stets schuldig.

Ist es ein Kern von Politik, dass man be-reit ist Schuld auf sich zu laden? ich würde es eher Verantwortung nennen. wie gesagt, ich muss mich entscheiden: will ich die Konse-quenzen verantworten, auch die negativen Konsequenzen? Vielleicht kann ich das mit einem medizini-schen Vergleich erläutern. auch bei einer erkrankung müssen wir eine entscheidung treffen. anhand ei-ner gründlichen anamnese gelangt der arzt im idealfall zu einer klaren diagnose der Krankheitsursache. dann müssen sich arzt und Patient für eine therapie entscheiden. meist ist es ratsam, zunächst die mildeste therapie zu wählen, vielleicht durch Verabreichung homöopathischer medikamente. ist der Krankheits-prozess schon weiter fortgeschritten, helfen möglicherweise nur noch allopathische Pharmazeutika und im schlimmsten Fall ist ein chirur-gischer eingriff notwendig. in allen Fällen müssen Sie aufgrund einer la-gebeurteilung risiken abwägen und danach ihre entscheidungen treffen. So ist es auch in der Politik. leider lässt sich auch in der Politik manch-mal die chirurgie nicht vermeiden.

Das beschreibt eine Position, von der aus man von außen auf Dinge schaut, beobachtet, analysiert und dann ein-greift und handelt. Aber das Tragische in der Tragödie wie in der Politik ist ja, dass die Menschen nicht außen stehen, sondern dass die Personen, die handeln, immer Teil einer Geschichte sind und deshalb niemals einen distanzierten Blick haben. Ja, gut beobachtet. da haben Sie schon recht. Sie befinden sich manchmal in einem geschehen, in dem Sie selber nur noch weni-

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ge möglichkeiten haben. ich kann ein ereignis wie den 11. September nicht mehr rückgängig machen. ich bin also vor eine Situation gestellt, aus der heraus ich handeln muss. natürlich hätte ich lieber den 11. September vermieden und die Folge-rungen, die sich daraus ergaben. das wird übrigens sehr eindrucksvoll von leo tolstoi in den historischen Zwi-schenbetrachtungen seines großen romans „Krieg und Frieden“ darge-stellt. er beschreibt dort, dass nicht nur das individuum entscheidet, sondern dass sich aus einer Vielzahl von wirkungen ein geschehen ent-wickelt und der einzelne mit seinen individuellen entscheidungen darin verwoben ist und seinem Schick-sal gewissermaßen nicht entfliehen kann. Früher hieß es: „männer ma-chen geschichte“. Vielleicht macht eher die geschichte die Personen.

Sie beziehen sich auf reale Ereignisse, die nicht planbar sind, die aber plötz-lich in das Leben treten, nicht nur eines Politikers, sondern auch einer Gesell-schaft. Hat Realität Sie in Ihren Über-zeugungen verändert? Jede neue erfahrung eröffnet neue einsichten. unser leben ist deshalb ein ständiger lernprozess. ich neh-me für mich in anspruch, dass ich selbst im fortgeschrittenen alter noch die augen und Ohren offen halte. Vielleicht würde ich in der rückschau manches anders beurtei-len und mich anders verhalten. aber Sie können ja manche Sachen nicht vorher wissen. da sind wir genau bei dem Punkt: Sie werden vor eine bestimmte Situation gestellt und Sie müssen rasch entscheiden. wie der berühmte Pilot, donald Sullivan, der auf dem hudson notgelandet ist, ein bewundernswerter mann. er kommt in eine äußerst bedrohliche lage, es geht um leben oder tod und er muss in Sekunden entscheiden. er war gut trainiert, auch kaltblütig und wusste mit der maschine umzugehen. und er war entscheidungsstark. das ist auch in der Politik wichtig. was übri-gens gerhard Schröder auszeichnet. das ist ein mann mit außergewöhn-licher entschiedenheit und willens-stärke.

Heißt das, dass es manchmal wichtiger ist, eine schnelle Entscheidung zu tref-fen als gar keine Entscheidung? gelegentlich ja.

Auch wenn diese Entscheidung mögli-cherweise falsch ist? auch wenn sie mit einem risiko be-haftet ist, ja.

Dann ist Politik in jedem Fall mit Intu-ition verbunden, weil man in so einem kurzen Moment nicht mit der Vernunft entscheiden kann.mit intuition, ja. man muss die Si-tuation erkennen. Sie müssen in der lage sein, mehrere Sachverhalte gleichzeitig zu erfassen. wenn Sie es sehr intellektuell angehen, dann wie ein Schachspieler, der mindestens drei Züge im Voraus berechnen kann. Schach ist bekanntlich ein intuitives Spiel. deshalb verdirbt uns zum bei-

spiel der computer das Schachspiel, weil Sie da nur ein flächiges Bild ha-ben. immer, wenn ich mit dem com-puter Schach gespielt habe, habe ich mein Schachtalent verschlechtert. Schach ist ein räumliches Spiel und Sie müssen es räumlich erfassen kön-nen. Sie müssen die intuition haben und fragen: „wie kann sich das ent-wickeln?“ auf die Politik übertragen bedeutet das: Sie brauchen einfach die Fähigkeit, verschiedene Faktoren und Koordinaten so wahrzunehmen, dass Sie daraus eine Orientierung ge-winnen.

Danach scheint Politik etwas Intuiti-ves, Schnelles zu sein, auch etwas Dy-namisches, was aus bestimmten Situa-tionen heraus agiert. Wohingegen doch Recht etwas Statisches sein muss, das sich von den Dingen abstrahiert.ich könnte sagen, das recht kommt immer a posteriori und die Politik kommt a priori. das heißt, die Po-litik ist vorausschauend, das recht beurteilt das geschehen aus der re-trospektive. – na ja, eigentlich ist das nicht ganz korrekt, die rechtsnorm soll ja gewissermaßen auch eine handlungsanleitung sein.

Gibt es Zwänge, in denen Sie in Ihrer Position als Innenminister waren, wo Sie aus politischen Überlegungen an-ders handeln mussten, als Sie als Jurist und Anwalt gehandelt hätten? cicero hat von sich gesagt, er habe unterschiedliche aufgaben inner-halb staatlicher institutionen und früher als anwalt wahrgenommen, und man dürfe nicht Äpfel mit bir-nen vergleichen. das gilt auch für mich. meine tätigkeit als anwalt im Vergleich zur tätigkeit als innenmi-nister muss man ebenso in einem anderen Kontext sehen. ich betone aber, es gibt eine Kontinuität und das ist die rechtsstaatsorientierung. die gilt für den innenminister wie für den anwalt.

Wie machtbewusst muss ein Politiker sein? er muss macht anstreben, selbstver-ständlich. Ohne macht kann er keine Politik gestalten. im demokratischen rechtsstaat ist machtausübung aber an legitimation gebunden. wenn Sie keine legitimation aufbauen, haben Sie keine Überzeugungskraft und dann geht es schief.

Als Innenminister mussten Sie immer wieder Maßnahmen verantworten, die oftmals um die Frage kreisten, wie weit der Staat Persönlichkeitsrechte oder die Rechte des Einzelnen einschränken darf, um den Staat zu schützen.da kommen Sie leider in die verque-re Fragestellung, der ich sehr häufig begegne. dass Sie nämlich einen gegensatz bilden wollen zwischen staatlichen Sicherheitsinteressen und den individualrechten. das,

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entschuldigen Sie, wenn ich das jetzt ein bisschen grob sage, ist ja un-sinn. der Staat schützt ja nicht den Staat um seiner selbst willen. das tut vielleicht der totalitäre Staat, der demokratische Staat tut das nicht. im demokratischen rechtsstaat ist artikel 1 des grundgesetztes die höchste norm, mit der der Staat sich selbst grenzen setzt, sich selbst an die Verfassung und an die gesetze bindet und sich verpflichtet, das In-dividuum in seiner eigenmacht, in seiner autonomie zu respektieren. das kommt in dem grandiosen Satz von artikel 1 des grundgesetzes zum ausdruck: „die würde des men-schen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung al-ler staatlichen gewalt.“ So steht das in artikel 1. aber ein Satzbestandteil in artikel 1 wird oft übersehen. da steht nämlich nicht nur, der Staat hat die würde des menschen zu achten, sondern er hat auch die Pflicht, sie zu schützen. und darum geht es. der Staat hat eine Schutzverpflichtung gegenüber dem einzelnen. das heißt, er muss durch seine institutionen dafür sorgen, dass Sie nicht getötet werden, nicht verletzt werden, nicht erpresst werden, ihnen nicht ihr hab und gut weggenommen wird, Frau-en nicht vergewaltigt werden. nun haben wir eine sehr freie und sehr offene gesellschaft, mit einem hohen maß an individuellen Freiheiten. wir leben heute in einem europa, das wir einen raum der Frei-heit, der Sicherheit und des rechts nennen. heute reisen wir durch ganz europa ohne grenzkontrollen. aber es gibt leider menschen, die die Frei-zügigkeit missbrauchen. Verbrecher, Verbrecherbanden, organisierte Kri-minalität und terrorismus. und der Staat darf sich damit nicht abfinden, etwa mit der behauptung, das sei der Preis der Freiheit. die Kernaufgabe des Staates ist daher, für die Sicher-heit der bürgerinnen und bürger zu sorgen. denn ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit.

Hat sich Politik im Laufe der letzten 40 Jahre, die Sie begleitet haben, verän-dert? Ja, sie hat sich verändert, meiner meinung nach durchaus zum guten.

das verdanken wir nicht zuletzt dem aufkommen der grünen. am anfang der bundesrepublik sah es so aus, als ob wir einen geschlossenen Kreis von politischen Kräften hätten, in dem sich nie etwas verändern kann. dann hat sich aber eine entwicklung vollzogen, in der neue politische Kräfte allmählich in den demokrati-schen Prozess hineingekommen sind und etwas verändert haben, auch die diskussionsweise. bestimmte Fragen haben einen anderen charakter ge-wonnen. Ökologische Fragen zum beispiel ... insofern bin ich über-zeugt, dass die demokratisierung der gesellschaft in deutschland voran-gekommen ist und die demokratie sich deutlich stabilisiert hat. in die-sem Sinne ist auch die neu gewonne-ne staatliche einheit deutschlands eine erfolgsgeschichte. eine erfolgs-geschichte ist das vor allem deshalb,

weil es gelungen ist, die staatliche einheit deutschlands mit der inte-gration in die europäische gemein-schaft zu verbinden. das ist übri-gens, bei aller Kritik, die ich sonst an ihm habe, ein unbestreitbarer historischer Verdienst von helmut Kohl. er hat die wiedervereinigung europäisch gestaltet. Hat sich in diesem Prozess der Politi-kertypus verändert? Gibt es die gro-ßen charismatischen Typen noch, oder brauchen demokratische Gesellschaften gar keine Helden mehr?ich scheue mich ein bisschen vor

dieser ewigen rückwärtsgewandten, nostalgischen Sicht. Früher hieß es, nach herbert wehner, helmut Schmidt, thomas dehler, Fritz erler, carlo Schmid und Konrad adenau-er gibt es überhaupt keine Politiker mehr. helmut Schmidt, gewiss ein großer Staatsmann, lässt uns in sei-ner erhabenheit manchmal spüren, dass nach ihm nur noch Zwerge kommen. Sicher ist es wichtig, dass menschen, die Politik machen, eine Biografie haben. Willy Brandt hatte eine Biografie, er hatte auch Narben. Gerhard Schröder hat eine Biografie.

Sie auch ...Ich hab auch eine Biografie, auch narben. ebenso Joschka Fischer, mit einer wirklich spannenden lebens-geschichte. demokratie ist sicherlich immer mit einer gewissen nivellie-rung verbunden. aber wissen Sie, das ist ein auf und ab. es werden auch wieder neue menschen heranreifen, und die werden ihre ganz eigenen spannenden Profile haben.

Was vermissen Sie am meisten?aus der Politik? gar nichts! ich habe keine entzugserscheinungen. ich bin froh, dass ich die sieben Jahre als mi-nister heil überstanden habe. im Par-lament war ich 26 Jahre, das reicht völlig aus.

Was ist Ihnen am wichtigsten, wenn Sie auf Ihre Laufbahn zurückschauen? die modernisierung der deutschen und europäischen innenpolitik, die reform des deutschen Staatsbürger-schaftsrechts und die gestaltung ei-ner weltoffenen Zuwanderungs- und integrationspolitik, aber auch die Stärkung der Kompetenz der Sozial-demokratie, für recht und Ordnung zu sorgen und Sicherheit als Funda-ment der Freiheit zu festigen.

Würden Sie sagen, Sie haben Deutsch-land verändert? das glaub ich schon, ja. Und hat Deutschland Sie verändert? Ja, natürlich.

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Die LabDakiDenEine Politsaga – Ödipus, Sieben gegen Theben und Antigone von Sophokles und Aischylos

Premiere am 9. Oktober 2010 im Schauspielhaus

Sie sind die herrscherfamilie thebens, benannt nach ih-rem Stammvater, labdakos. Von generation zu generati-on geben sie die macht in der Stadt weiter, aber auch den blutigen Fluch, der ihre herrschaft keine glückliche sein lässt: laios, der Sohn des labdakos, wird von seinem Sohn Ödipus getötet, der dann, die eigene Schuld nicht kennend, mit seiner mutter iokaste vier Kinder zeugt: antigone und Ismene, Eteokles und Polyneikes. Kaum ist der Frevel ent-deckt, bringt sich iokaste um und Ödipus geht ins exil. die nächste generation ist am Zug, doch sie ist nicht erfolg-reicher: Polyneikes und Eteokles verwickeln die Stadt in ei-nen blutigen bürgerkrieg, an dessen ende beide tot vor den Stadtmauern liegen. antigone, die Schwester, will einen von ihnen begraben, was gegen die gesetze ihres Onkels Kreon verstößt. der ist nun verzweifelt darum bemüht, recht und Ordnung wiederherzustellen und wenigstens etwas vom ruf der Familie zu retten. eine wuchtige Sage über die Kraft und Zerstörung von Politik und die beispiel-haften Verwicklungen einer beispiellosen Familie – erzählt in drei großen antiken Stücken, inszeniert in einer Fassung für einen abend.

Regie: Roger VontobelBühne: Claudia RohnerKostüme: Nadine GrellingerDramaturgie: Anna Haas, Thomas Laue

mit: manuela alphons, matthias eberle, Jonas gruber, Paul herwig, barbara hirt, dieter hufschmidt, Katharina linder, dimitrij Schaad, michael Schütz, lena Schwarz, Philipp weigand

Die Jungfrau von orLeansvon Friedrich Schiller

Premiere im Juni 2011 in den Kammerspielen

Sie fragt sich nicht, woran sie glauben soll. Sie glaubt. eine göttliche Stimme hat ihr befohlen, Frankreich von den eng-lischen invasoren zu befreien. dabei ist Johanna ein mäd-chen vom land. unbeirrt folgt sie ihrem göttlichen auftrag und führt das französische heer, dessen verzagender Füh-rer, der französische König Karl, kurz vor der Kapitulation stand, von Sieg zu Sieg. Souverän bewegt sie sich auf dem männlichen Schlachtfeld von Krieg, macht und Politik. ihr glaube ist unerschütterlich, doch plötzlich gerät sie ins Straucheln: im Zweikampf mit dem engländer lionel verliebt sie sich – in den Feind. Völlig überrascht sieht sich die scheinbar unbesiegbare Jungfrau mit einer macht kon-frontiert, vor der sie ihre waffen strecken muss. woran soll sie noch glauben? an ihren „Schlachten gott“, an die macht der liebe, an sich selbst?

Regie: Roger VontobelBühne: Claudia Rohner

roGEr vontobEl

geboren 1977, aufgewachsen in Zürich und Johannesburg, gehört derzeit zu den wichtigen Regisseuren seiner Gene-ration. In seinen Inszenierungen sucht er immer wieder sehr genau nach einem eigenen ästhetischen Zugriff für den vorliegenden, meist literarischen Stoff. 2006 war er zum „Young Directors Project“ der Salzburger Festspiele einge-laden und wurde von den Kritikern der Zeitschrift „Theater heute“ zum Nach-wuchsregisseur des Jahres gewählt. Seit der Spielzeit 2005/06 arbeitet er regel-mäßig am Schauspielhaus Hamburg, an den Münchner Kammerspielen und am Schauspiel Essen, wo er „Das Goldene Vlies“ von Franz Grillparzer, „Die Orestie“ des Aischylos und zuletzt Ibsens „Peer Gynt“ inszeniert hat. Ab der Spielzeit 2010/2011 wird er Haus-regisseur am Schauspielhaus Bochum.

der regisseur roger vontobel über noch ungeordnete Gedanken vor dem ersten probentag.

die labdakiden. lange vor dem ers-ten Probentag. ein berg von einem Stück. wie beginnen? Zwei textstel-len während der Vorbereitung:

„lass nicht ab, mein Zorn, lass nicht ab, und ihn, der großes sinnt, schlage nieder, miss dich mit ihm, zerfleische ihn selbst mit deinen händen. du suchst dem alkiden einen ebenbürtigen?! Keiner ist es, außer ihm selbst: so führe er fortan Kriege mit sich selbst! ... nun soll der Krieg beginnen: hell wird der tag, und in safranfarbigem aufgang tritt titan leuchtend hervor.“

das unauswegliche, geradzu un-mögliche in den worten Senecas, die er als Juno im Prolog seinem Stück „hercules“ voranstellt, in Kombina-tion mit folgendem Zitat aus Kleists Penthesilea:

„wenn du dem wind, der von den bergen weht, willst horchen, Kannst du den donnerruf der Königin, ge-zückter waffen Klirren, rosse wie-hern, drommeten, tuben, Zimbeln und Posaunen, des Krieges ganze eh’rne Stimme hören.“

Zusammen ergeben sie für mich den drang und die notwendigkeit Fragen zu stellen – theatral Fragen zu stellen – an menschen, über menschen, durch menschen. und vor allem we-gen menschen. denn um menschen geht es immer in erster linie. um menschen und ihre geschichte, ihre Biografie – oder wie es die Griechen und nach ihnen viele mehr nannten: Schicksal.

„tun. leiden. lernen“, heißt es in der „Orestie“, die ich 2008 in essen inszeniert habe. auch damals antike. und passend. denn tun tun wir alle, leiden auch manchmal wegen un-seres tuns, und lernen können wir daraus, indem wir die Fragen an die beiden vorherigen tätigkeiten stellen und sie verknüpfen – und schon sind wir wieder beim motto der griechen,

der älteren generation von griechen zumindest.

ach ja, und eigentlich meine lieb-lingsstelle aus dem „Philotas“ von lessing, die muss auch immer ir-gendwie noch am anfang mal im Kopf rumgeistern:

„was wollte ich also sagen? So einen guten einfall nun, wollte ich sagen, als das glück oft in das al-bernste gehirn wirft, so einen habe ich jetzo ertappt. bloß ertappt; von dem meinigen ist nicht das geringste dazu gekommen. denn hätte mein Verstand, meine Erfindungskraft ei-nigen anteil daran, würde ich ihn nicht gern mit dir überlegen wollen? aber so kann ich ihn nicht mit dir überlegen; er verschwindet, wenn ich ihn mitteile, so zärtlich, so fein ist er, ich getraue mir ihn nicht in worte zu kleiden; ich denke ihn nur, wie mich der Philosoph gott zu denken gelehrt hat, und aufs höchste könnte ich dir nur sagen, was er nicht ist.“

So, und dann fangen wir mal an, das bevorstehende neue Stück zu lesen – erster Schritt: buchdeckel umklappen ...

Stream of consciousness

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next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets

DUISBURG

ESSEn

BochUm

hERnE

GEDächtnIS DES RUhRGEBIEtSZukunft braucht Vergangenheit, auf Der sie aufbauen kann. auf Der suche nach Dem geDächtnis Des ruhrgebiets wanDert mirjam strunk mit ihrem erinnerungsmobil Durchs ruhrgebiet. jung unD alt können ihre geschich-ten einspeisen: auf erinnerungskar-ten, auf ViDeo, per erinnerungshot-line oDer im internet. beim tag Der generationen am 19. noVember 2010 entfaltet sich Dann Das geDächtnis Des ruhrgebiets in einer sZenischen installation im schauspielhaus.

ESSEn – AltEnDoRf Am BUnkER REchtSkrupp kehrt Zurück unD baut sein neues hauptquartier am ranDe Von altenDorf. auch anDere akteure be-treiben hier staDtumbau. Die regis-seurin ines habich hat Zwischen entweihter kirche, autofrieDhof unD geisterstrasse Das Zukunftshaus „am bunker rechts“ gegrünDet. mit jugenDlichen erkunDet sie Den staDt-teil unD entwickelt ein Dokufiktio-nales theaterstück über, in unD für Die Zukunft Von altenDorf.

DUISBURG – mEDIEn-BUnkER mARxlohDie film- unD fotoexperten aus Dem meDien-bunker marxloh graben in Der Vergangenheit Des staDtteils, reflektieren ihre gegenwart, besu-chen Die anDeren Zukunftshäuser unD entwickeln Daraus Visionen für Die staDt Von morgen. immer mit Der kamera im anschlag. am enDe stehen ein film unD ein bilDbanD über marx-loh, Das ruhrgebiet unD Die welt Der nächsten generation.

ESSEn – UnESco-SchUlE: WEltWEItEIGEnhEImschülerinnen unD schüler Der unesco-schule in essen, Die jugenD-liche aus über 40 nationen Zum abi-tur führt, bauen auf ihrem schulhof ein haus Der Zukunft: mit allem, was sie sich für ein Zusammenleben Der kulturen wünschen – hausorDnung inklusiVe. ein weltweiteigenheim. im sommer wirD es mit einem grossen fest eingeweiht unD mit leben gefüllt.

BochUm – EIn JAhR opElDie VerhanDlungen über Die Zukunft Des opel-werks in bochum sinD Zu einem internationalen wirtschafts-krimi geworDen. aber auch bei opel haben jugenDliche Vor kurZem erst ihre ausbilDung begonnen, sich Ziele gesetZt. nun ist ihre berufliche Zu-kunft schon am anfang ungewiss. Die Dokumentarfilmer unD grimme-preisträger ulrike franke unD michael loeken Drehen mit ihnen einen film über ein jahr opel.

ESSEn – mäDchEnBAnD DES noRDEnSDie popmusikerin, autorin unD per-formerin bernaDette la hengst hat im essener norDen eine mäDchenbanD gegrünDet. eigene texte werDen ge-schrieben, songs komponiert unD einstuDiert, ein konZertprogramm entwickelt. auf Der bühne Zeigen sie, Dass man Die Zukunft Der staDt auch singen kann. anschliessenD gehen sie auf tour Durchs ruhrgebiet.

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NEXT GENERATION ist ein Projekt von Schauspielhaus Bochum, Schauspiel Essen, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Ge-fördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-West-falen. Partner: Deutschlandradio Kultur.

Der jugend gehört die Zukunft. familie, beruf, glück und erfolg – alles liegt vor ihnen, so denkt man. Doch das meis-te liegt auch schwer auf ihren schultern. arbeit und fami-lie, bildung und herkunft, das sind die säulen, auf denen ein gelungenes leben aufbaut. Doch selten zuvor waren diese zentralen bereiche so belastet und infrage gestellt wie heute. höchste Zeit also, die nächste generation selbst zu wort kommen zu lassen: wovon träumt sie? was will sie? welche bedeutung hat unsere herkunft in Zukunft?

Die Zukunft der stadt und die Visionen ihrer jungen einwohner stehen im mittelpunkt dieses projekts. in zehn Zukunftshäusern in bochum, essen, Duisburg und herne erfinden Jugendliche aus sehr unterschiedlichen Stadttei-len gemeinsam mit filmemachern, musikern, theater-machern und wissenschaftlern ihre stadt neu. ein jahr lang erzählen sie sich gegenseitig und uns, was sie bewegt und wie sie in Zukunft leben möchten. sie erzählen von sich und ihrem stadtteil, drehen filme, spielen theater, gründen eine band oder bauen einfach den platz vor ih-rer haustür um. sie diskutieren miteinander über das, was sie verbindet, und das, was sie trennt. und im herbst 2010 bringen sie dann ihre ideen mit dem regisseur nuran David calis auf die bühne der kammerspiele. Zum ersten mal gemeinsam, über alle grenzen der städte, kulturen und sprachen hinweg. Denn ob sich aus dem Dickicht der städte in Zukunft tatsächlich eine lebenswerte metropole bilden wird, liegt nicht zuletzt in ihren händen. es ist ihre geschichte: next generation.

Aufführungen und Veranstaltungen in den Zukunftshäusern, im Schauspielhaus Bochum sowie in der gesamten Metropole Ruhr.Alle Infos unter: www.next-generation-2010.de

nExt GEnERAtIon: DIE nEUERfInDUnG DES RUhRGEBIEtS

DoRtmUnD

BochUm – RUhR-UnIvERSItätschon lange beschäftigt sich Das institut für theaterwissenschaft Der ruhr-uniVersität mit chorischem the-ater. nachDem Die stuDierenDen theo-rie-texte über generationenkonflikte gewälZt haben, Verknüpfen sie Diese erkenntnisse unter Der leitung Von „kainkollektiV“ mit ihren eigenen er-fahrungen unD stehen im herbst 2010 mit einer eigenen insZenierung auf Der bühne. natürlich mit chor.

nExt GEnERAtIon – DAS Stückeine gemeinsame theaterproDuktion VerbinDet Die Zukunftshäuser mitein-anDer: autor unD regisseur nuran Da-ViD calis ist Das jahr über unterwegs, um Die geschichten Der jugenDlichen Zu sammeln. er wirD ihre Vorstel-lungen Von Zukunft bünDeln unD mit beteiligten aus allen häusern im schauspielhaus bochum auf Die büh-ne bringen – als starkes stück theater Der nächsten generation.

hERnE – REnEGADE: tAnz von DER StRASSErenegaDe ist tanZ, Der Von Der strasse kommt. für next generation entwickeln sie mit Der new Yorker choreografin patricia noworol ein stück tanZtheater mit jugenDlichen aus herne unD Dem ganZen ruhrge-biet. eine bewegte sprache Zwischen streetDance unD Zeitgenössischem tanZ, Die mehr über Zukunft sagt als tausenD worte.

BochUm – x-vISIon: hIphop In WAttEnSchEIDx-Vision ist gelebte integration unD gelebter hiphop in wattenscheiD. hier schreiben, singen, rappen unD tanZen Die jugenDlichen nicht nur, sonDern proDuZieren ihre musik selbst. es geht um ihr leben, Die Zukunft Von wat-tenscheiD, ihre eigene unD Die ihrer musik. am enDe steht ein neues album unD DaZu – wie es sich gehört – ein lautes recorD-release-eVent.

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mer und realist zugleich. ja, sagt er, das geht hier beides. Das muss. Die-se beiden Dinge machen, dass ich morgens meinen arsch hoch kriege, während andere ihr handy noch auf schlummermodus geschaltet lassen.

stop. kurzes innehalten und die frage: wird mit der aussage, das ruhrgebiet sei das new York der Zu-kunft, eigentlich der startschuss für diesen traum gegeben, oder hat man mit dieser aussage diesen traum bereits abgeschossen? fakt ist: im moment gibt es mehr sehnsüchte, als von allen seiten gestillt werden können.

Das ist hassan und den jungs und mädels von x-Vision klar. Das ist al-len Zukunftshäusern klar. aber auch: jugendzentrum war gestern. aus den räumen der elendsverwaltung sind ideen-werkstätten geworden. hier werden gleise in die Zukunft gelegt. sie arbeiten. täglich. morgens schu-le. abends Zukunftshaus. sie wollen miteinander gestalten. sie wollen Dinge, die nicht vereinbar waren, miteinander vereinen. sie versuchen, im kleinen ihre welt zu verändern. sie sind real-utopisten.

Das ruhrgebiet als sanierungs-fall. im Zukunftshaus in Duisburg-marxloh haben sie eine Videowerk-statt gegründet und wollen die Dinge einfangen, wie sie sind. keine image-filme nach dem Motto: schaut-wie-toll-es-hier-ist. Das gesamte haus ist auf der suche nach der wahrheit. und die muss auch wehtun dürfen. sie wollen die chronisten dieser region werden und ihren wandel dokumentieren: narrativ, subversiv. Die kids haben immer eine einweg-kamera bei sich und knipsen alles, was sie vor die linse bekommen. ein bild lügt nicht, meint einer. sie sind wahrheitsjäger.

in den letzten jahren und jahr-zehnten wurde hier viel dafür ausge-geben, Dinge von außen nach innen zu holen. Dinge, die man brauchte, oder Dinge, mit denen man ver-suchte, das fragile selbstbewusstsein dieser region zu stärken. aber über-all hier gibt es kreatives potenzial, das ungenutzt bleibt. Das muss sich ändern, darin sind sich alle einig. wenn man mit den leuten in den Zukunftshäusern redet, merkt man,

hassan will es wissen. folgende frage lässt ihn nicht mehr in ruhe schla-fen: warum werden 80 prozent der in berlin produzierten hiphop-tracks im ruhrgebiet verkauft und nur 20 prozent in berlin selbst oder im rest der republik? hassan ist 16, er be-sucht das gymnasium in bochum und Zahlen sind sein Ding. hassan ist x-Vision beigetreten, einem von zehn next-generation-Zu-kunftshäusern im ruhrgebiet. seins steht in bochum-wattenscheid. x-Vision ist eine musikproduktions-firma. Und kein Jugendclub, betont er. hier wird nicht rumgehangen.

Die Zukunftshäuser von next ge-neration sind kreative thinktanks mit unterschiedlichen schwerpunk-ten. x-Vision ist dabei so etwas wie die Deathrow recorDs des ruhrgebiets. ja, sie wollen die ant-wort sein auf die eastcoast-rapper aus berlin. wie damals, als n.w.a. in l.a. die antwort auf erik b. rakim und grand master flash in new York war. und ja, hassan will der 2pac des ruhrgebiets wer-den. worüber die berliner so rappen, das kann er auch: man hat hier den-selben alltag zu bewältigen. also warum dann nicht auch gleich sel-ber darüber erzählen? warum nicht selber Dinge produzieren? warum immer das konsumieren, was ande-re auf die beine stellen? Dann zieht hassan seinen pullover hoch und auf seinem unterarm sieht man eine tä-towierung: no pain no gain.

träume verwirklicht man nicht durch reden. es gilt, Dinge anzupa-cken. jetzt, meint hassan. und wenn er das nicht schafft, hat er immer noch sein abitur. hassan ist träu-

text: nuran DaViD calis

DAS GESAmtE hAUS ISt AUf DER SUchE nAch DER WAhRhEIt. UnD DIE mUSS AUch WEhtUn DüRfEn.

no

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In next generation — Die neuerfinDung Des ruhrgebiets

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wie sehr sie an dieser region hängen und die fehler der Vergangenheit nicht wiederholen möchten. es geht nicht um die frage, wie weit das, was ein anderer hier aufstellt, in die fer-ne leuchtet, sondern wie hell das, was sie tun, in die verwinkeltsten gesellschaftsschichten ihrer region strahlt. wie tief haben sich die iden-titäts-wurzeln in diesen boden, auf dem sie stehen, geschlagen? next generation ist keine party, son-dern eine bestandsaufnahme.

mit diesen gedanken im kopf streife ich durch das ruhrgebiet und sehe, wie vieles, was herangeschafft wurde, diese region im wahrsten sin-ne des wortes ausgehöhlt hat. Das ganze ruhrgebiet ist ein schweizer käse, das wissen die hier oben sehr gut. aber nicht nur der boden un-ter ihren füßen ist löchrig, sondern auch vieles über der erde. Die gesell-schaft ist löchrig. Das miteinander ist löchrig. Das zwischenmensch-liche leben ist ausgehöhlt. Der ge-sellschaftspakt in den kommunen steht kurz vor seiner kündigung. Das spüren sie täglich, wenn sie merken, dass sie nicht wirklich miteinander reden, sich nicht zusammentun.

Der Verteilungskampf werde här-ter, sagen sie bei pottporus, dem Zukunftshaus in herne. man sei sich all die jahre eher aus dem weg gegangen als aufeinander zu. Damit muss schluss sein. Die Zukunfts-häuser wollen das ändern. man will nicht nur für sich arbeiten, sondern miteinander und vor allem: fürein-ander. schluss mit dem klein-klein der eigenen ideen. Dieser ideenwahn ist der goldene Käfig, aus dem man nicht mehr rauskommt. stattdessen: Die kräfte und die ideen bündeln. ab jetzt. global denken? oder: doch regional? Vielleicht: regional-global? wer wagt es, die bewegung von in-

nen nach außen zu tragen? wie auch immer. mit larmoyanten frequen-zen, kitschigen selbstbeweihräuche-rungen, heimatlicher folklore und kochkursen ist schluss. Dieser wind geht durch alle Zukunftshäuser. Die-se region hat sich niemals vor arbeit gedrückt. sie sind in 1.000 meter tiefe gestiegen, um den rest der re-publik mit wärme zu versorgen und die Zeche zu zahlen für einen sinnlo-sen 2. weltkrieg. und jetzt?

hier gibt es mit abstand die jüngs-ten und zupackendsten menschen unserer republik. nirgendwo sonst sieht man migranten und Deutsche so eng und friedlich nebeneinander leben. hier brennen keine müll-tonnen. keine polizeiautos. keine schulen. keine kirchen. keine syn-agogen. keine moscheen. während die schweiz über minarette streitet, zieht hier ein deutscher maurer die innenwände einer moschee hoch.

Das sind die leuchttürme, die in die tiefe leuchten und die dunk-len löcher unserer gesellschaft mit licht füllen. Das sind geschichten, die erzählt werden müssen. mit den mitteln, die zur Verfügung stehen. Das sind die antworten, die gefunden werden müssen und die aufhorchen lassen, wenn man durch die gassen von marxloh geht, durch herne, durch wattenscheid. raus aus dem Zukunftshaus. rein ins leben.

seit jahren sei hier nicht so was großartiges gebaut worden, schwärmt der deutsche maurer, matthias, aus marxloh. und ja: er ist stolz auf diese moschee, in der sein kumpel, massoud, der araber, betet. Die wand der moschee hat er verputzt. ärger hat er zunächst schon bekommen, einige haben ihre auf-träge zurückgezogen. ein paar leute seien richtig angepisst gewesen. aber da habe er gemerkt, dass die gar kein problem mit massouds glauben ha-ben, sondern mit diesem riesending. so als würde plötzlich einer, der die

DAS RUhRGEBIEt ISt EIn SchWEIzER käSE. nIcht nUR DER BoDEn UntER DEn füSSEn ISt löchRIG, SonDERn AUch vIElES üBER DER ERDE

nExt GEnERAtIon ISt kEI-nE pARty, SonDERn EInE BEStAnDSAUfnAhmE.

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WAS WIRDAUS MIR?8. FESTIVAL POLITIK IM FREIEN THEATERHERBST 2011

www.bpb.de/politikimfreientheater

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herz, hirn und seele täglich anpa-cken und gestalten. Das sei die koh-le, die sie jetzt hier rausholen müs-sen. Damit werde man die herzen der welt wärmen. und für einen moment bekommt der vage traum kontur: Diese klei-nen Dinge werden die region zu ei-ner metropole machen. schritt für schritt. Vielleicht nicht sofort, aber bald, sehr bald. und die menschen in dieser region mit ihren Zukunfts-häusern müssen pioniere dieses traumes werden. es ist schmerzhaft, Dinge aufzugeben und neue Dinge anzunehmen. sich verwandeln tut weh. Das wird alles andere als eine party. Das wissen sie. aber sie stellen sich dem schmerz. irgendwann wird auch Zeit für party sein, aber sie ist nicht jetzt. auch das wissen sie.

ganze Zeit einen klapprigen golf ge-fahren hat, jetzt einen porsche fah-ren. wie kommt das denn? neid sei das. nicht mehr, nicht weniger. Die wissen nicht, was gut und richtig ist, bis einer ihnen sagt, was gut und was richtig ist. und diese moschee ist richtig hier. und sonst nirgend-wo. matthias und massoud sind zu-sammen aufgewachsen. warum soll massoud diesen ort hassen, wenn er hier ein stück seines glaubens errichtet? er kenne massoud und massoud scheißt nicht da, wo er isst. man ist hier zusammen durch dick und dünn gegangen. jetzt hat mat-thias kinder und massoud auch.

anstatt den krieg zu beschwören, sollen die kriegsberichterstatter konkret sagen, wie das miteinander gehen könnte. sie sollen ihren platz verlassen und ihr ohr an den beton legen, den matthias für massoud hochzogen hat, damit massoud von außen gut sichtbar seinen glauben ausleben kann und nicht in einer garage, in einem heruntergekom-menen hinterhof. wenn man ei-nen menschen wie einen primaten behandelt, dann benimmt er sich irgendwann auch so. was bedeutet menschsein? Darüber will hassan rappen in wattenscheid. Darü-ber, dass man grenzen überwinden muss, um zu wachsen. Darüber wol-len jens und asye aus marxloh einen film machen, in der Videowerkstatt. so werden träume verwirklicht. so was schafft eine gemeinsame identi-tät. indem alle über ihren horizont springen und Dinge zulassen, an die man bis jetzt nicht gedacht hat. no pain no gain.

Die welt da draußen soll sich nach uns umschauen, meinen sie, und sehen, wie es gelingt, nicht nur den traum von der koexistenz der verschiedenen ethnischen und kul-turellen gruppierungen zu träumen. sondern wie sie diesen traum mit

Next GeNeratioNdas stuckvon Nuran David Calis und Jugendlichen aus dem ganzen Ruhrgebiet

premiere am 28. oktober 2010 in den kammerspielenVoraufführung am 27. oktober 2010 im rahmen des bundesfachkongress interkultur

ein jahr lang haben sie gearbeitet. sie haben ihr leben transparent gemacht, die lage ihrer stadt analysiert und große und kleine pläne entworfen. sie haben gelernt zu tanzen, zu singen, zu spielen und filme zu drehen – und vor allem haben sie gelernt ihre meinung zu sagen. sie kommen aus bochum, essen, Duisburg, herne und dem gesamten ruhrgebiet. aus stadtteilen, die so unterschied-lich sind wie sie selbst. Vor einem jahr haben sie einander noch nicht gekannt und nur wenig voneinander gewusst. Zusammen stehen sie im herbst 2010 auf der bühne der kammerspiele im bochumer schauspielhaus. es wird ihr stück sein, das sie hier spielen, und ihre geschichte, die sie erzählen. alle gemeinsam und über die grenzen der städte hinweg. Der autor und regisseur nuran David calis wird die Zukunftshäuser das ganze jahr lang begleiten. unter seiner leitung gehen sie auf die bühne in bochum. egal wo sie herkommen, welche sprache sie sprechen und egal, wo sie in Zukunft leben werden: es wird ihr stück und ihre Zukunft. ein stück über das panorama einer besonderen stadtjugend und eine neue geschichte über die Zukunft an der ruhr.

Regie: Nuran David CalisBühne: Irina SchicketanzKostüme: Silke RekortMusik: Vivan BhattiVideo: Karnik Gregorian

Alle Infos aus den Zukunftshäusern und der Blog von Nuran David Calis unter:www.next-generation-2010.de

NEXT GENERATION ist ein Projekt von Schauspielhaus Bochum, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Gefördert vom Mi-nisterpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen. Partner: Deutschlandradio Kultur.

WEnn mAn mEnSchEn WIE pRImAtEn BEhAnDElt, BEnEhmEn SIE SIch IR-GEnDWAnn AUch So. nURAn DAvID cAlIS ist autor, filmemacher

unD regisseur. Das ganZe jahr 2010 ist er in Der ruhrregion unterwegs unD sammelt im rahmen Von next generation Die ge-schichten unD Die ZukunftsVorstellun-gen ihrer jugenD, Die ab oktober auf Der bühne Der kammerspiele Zu sehen sinD.

NEXT GENERATION hat eine Stimme, mit der sich die Jugend des Ruhrgebiets im Jahr 2010 weit über die Grenzen der Region hinaus Gehör verschafft: DEUTSCHLANDRADIO KULTUR be-gleitet das Projekt als Kooperationspart-ner. Regelmäßige Reportagen berichten von der Entwicklung in den Zukunfts-häusern, gemeinsame Diskussionsver-anstaltungen bündeln die Ergebnisse und mit der „Deutschlandrundfahrt“ macht der Sender mehrmals im Jahr mit einem Übertragungswagen in Es-sen, Bochum und Duisburg Station.

Deutschlandradio Kultur ist in der Ruhrregion auf folgenden Frequenzen zu empfangen:Mülheim auf 93,7 MHzBochum auf 89,3 MHzEssen auf 88,3 MHz

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Das Schauspielhaus Bochum war schon immer auch ein Ort für Uraufführun-gen und neue Autoren. Fünf von ihnen werden in der kommenden Spielzeit ihre Stücke in Bochum zeigen. Sie gehö-ren alle zur gleichen Generation, was nicht heißt, dass sie immer das Gleiche denken. Nicht einmal, dass sie alle im-mer das Gleiche tun. Wie unterschied-lich sie sind, wird Bochum bald nicht nur durch ihre Stücke erfahren, son-dern auch durch viele Veranstaltungen, in denen sie von sich und ihrer Welt erzählen werden. Ein erstes Treffen mit Nuran David Calis, Reto Finger, Dirk Laucke, Jan Neumann und Christoph Nußbaumeder.

IntervIew: AnnA HAAs und tHomAs LAueFotos: dIAnA Küster

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Jan Neumann: Arbeitest du immer noch als Jurist?

Reto Finger: Ja, hin und wieder.

Nuran David Calis: Immer, wenn ich ihn anrufe, höre ich: „Ich verfasse gerade einen Bericht für einen rich-ter.“ Als ich ihn in Zürich besucht habe, sind wir durch das Büro ir-gendeines staatsanwaltes und haben Akten gesucht. manchmal findet man ihn nur noch im Gericht.

Christoph Nußbaumeder: Ich wollte auch nie zum theater. Aber ich habe früh geschrieben. verschiedenes: Kurzprosa, Lyrik, alles mögliche und plötzlich entstand auch ein theater-stück. das wurde relativ rasch urauf-geführt und danach kamen die ersten stückaufträge. Ich hätte nie gedacht, dass es eine spezielle szene für dra-matik gibt und dass man davon leben kann. Ich hatte mir Autoren immer eher wie Goethe vorgestellt (lacht): man macht irgendwie alles.

Dirk Laucke: Ich habe szenisches schreiben studiert, an der udK in Berlin. mir war es auch nicht so klar, dass ich theaterautor werden möch-te. Ich habe halt texte geschrieben, texte geschrieben, tauch mal ein theaterstück. Ich habe mich dann mit einem Fragment beworben und studiert, weil es bes-ser war als Psychologie, was ich ur-sprünglich machen wollte. nach den ersten erfolgen bin ich dann auch in diese sogenannte spirale gekommen. Ich habe aber auch keinen Bock, ei-nen anderen Beruf zu machen, also schreibe ich.

Nuran, du bist Regisseur, Autor und Filmemacher. Was hast du studiert?

Nuran David Calis: regie. In mün-chen, an der Falckenberg schule. da-her kenne ich auch Jan neumann. der war auf der theaterakademie als schauspielschüler ein Jahrgang über mir. wir fanden das damals total krass, dass euer gesamter Jahrgang ans residenztheater engagiert wur-de. Ihr wart unsere Idole.

Jan Neumann: da hattet ihr aber ko-mische Idole.

Aus welchen Gründen entscheidet man sich heute dafür, ausgerechnet Theater-autor zu werden?

Reto Finger: Ich wollte ursprünglich gar nichts mit theater zu tun haben, obwohl es in meiner Familie einige musiker und theaterleute gibt. Ich habe Jura studiert. mit 25 habe ich gemerkt, dass mir das nicht reicht. Ich wollte mich nicht ausschließlich

EisEnstEnstEnst invon Christoph Nußbaumeder

uraufführung am 26. september 2010 in den Kammerspielen

Glücklich sind sie nicht geworden, die schatzschneiders aus eisenstein. sind von eisenstein nach münchen gegan-gen, reicher geworden und mächtiger über die Jahre, aber das unglück lag wie ein Fluch über dieser Familie. dabei standen 1945 die sterne gut für den alten Josef schatz-schneider: In den wirren der nachkriegsjahre hat er sich gut gestellt mit den Alliierten, hat seinen Bruder, der bei der ss war, durchbringen können und nebenbei noch erna, die junge Frau, die als Flüchtling zu ihnen kam in den letz-ten Kriegstagen. einen unehelichen sohn hat er mit ihr, glaubt er. der Junge Georg wächst in eisenstein auf, erhält Josefs Bruder zum stiefvater und wird zum ehrgeizigen und erfolgreichen unternehmer. Als Georg sich in Gerlinde, Josefs tochter, verliebt, muss Josef seine tochter, verliebt, muss Josef seine t vaterschaft beich-vaterschaft beich-vten und das Paar trennen. erna schweigt zu alledem, doch sie allein und die wahrheit über Georgs wirklichen wahrheit über Georgs wirklichen w vater vater vkönnten die beiden unglücklichen erlösen. Als sie zu re-den beginnt, ist es zu spät. Georg heiratet Heidi, die jüngere schwester Gerlindes, die ehe scheitert. erst die dritte Ge-neration der schatzschneiders ist in der Lage, das schwei-gen und die Lügen zu durchbrechen. eingebettet in historische und politische ereignisse erzählt Christoph nußbaumeder die saga einer zerris-senen Familie, die nicht zu sich findet. So ist es auch die Geschichte der Bundesrepublik deutschland, die sich nur langsam aus den schatten und dem schweigen der vergan-vergan-vgenheit löst.

Regie: Anselm WeberBühne: Patrick BannwartKostüme: Meentje NielsenMusik: Cornelius BorgolteVideo: Bibi AbelDramaturgie: Thomas Laue, Sabine Reich

mit: dietmar Bär, roland Bayer, maja Beckmann, Anne-marie Bubke, Bettina engelhardt, Andreas Grothgar, Jonas Gruber, martin Horn, Karolina Horster, Kristina-maria Peters, sierk radzei, Krunoslav Šebrek

Christoph Nußbaumedergeboren 1978 in Eggenfelden/Nieder-bayern, lebt seit 11 Jahren in Berlin. 2004 gewann er den Preis des Stücke-wettbewerbs der Berliner Schaubühne für sein Stück „Mit dem Gurkenflieger in die Südsee“.

Nußbaumeder schreibt in der Tra-dition des kritischen Volksstücks, er-zählt von den Verlierern, aber auch von den Gewinnern unserer Gesellschaft. Mit wenigen Worten gelingt es ihm, seine Figuren messerscharf zu charak-terisieren. Nußbaumeders Stücke wur-den an der Schaubühne am Lehniner Platz Berlin, bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen, am Nationaltheater Mannheim, am Schauspiel Köln und am Schauspiel Essen uraufgeführt.

als Jurist mit dem Leben auseinan-dersetzen. nun wechsele ich hin und her: es gibt Phasen, in denen man das Leben beschreiben kann, und es gibt Phasen, in denen man es leben muss. Ich kann deshalb auch nicht durchgehend intensiv schreiben. Ich muss immer wieder außerhalb des theaters arbeiten, um auf neue din-ge zu stoßen, die mich inspirieren.

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Jan, du hast auch mehrere Berufe oder?

Jan Neumann: nach meinem ersten-gagement als schauspieler in mün-chen bin ich ans schauspiel Frank-furt gegangen. dort ging es mir eine Zeit lang nicht gut. Also habe ich geschrieben: mein erstes stück, das ich schon auf der schauspielschule begonnen hatte. die uraufführung fand ich so schlimm, dass ich her-ausfinden wollte, ob es am Stück lag oder an der regie. Ich habe die Lei-tung in Frankfurt solange bearbeitet, bis ich es selbst inszenieren durfte. so wurde ich Autor und regisseur. Seitdem finde ich es ziemlich irre, wie dieser „markt“ funktioniert: man hat das Gefühl, dass jedes Jahr eine neue Generation erfunden wird und stellvertretend einer in die höchsten sphären des Feuilletons ge-schossen wird. man weiß genau, dass da schnell wieder ein neuer name zwischen den sternen steht. Ich habe erlebt, dass ich eine gute Kritik in der „süddeutschen“ hatte, und plötzlich kamen die Anrufe. Auch von Leuten, die seit Jahren kaum mit mir geredet haben. die haben mir plötzlich sa-chen angeboten, ohne überhaupt et-was gesehen zu haben. Ich finde das interessant, aber auch enttäuschend.

Worüber habt ihr euch zuletzt richtig geärgert?

Jan Neumann: über die deutsche Bahn, gerade eben wieder. das klingt total kleinkariert, aber es ist etwas, über das ich mich wirklich aufregen kann. Ich gehe oft in den speisewa-gen und ärgere mich darüber, dass es dort seit Jahren schlechter, aber da-für immer teurer wird. es geht überall nur um Gewinnmaximierung und um nichts anderes mehr. das klingt wirklich kleinkariert und gewollt po-litisch! Aber es ist doch überall so: Als die deutsche Bank vor kurzem 5 milliarden Gewinn bekannt gegeben hat, habe ich mich richtig aufgeregt. Zwei tage vor der nacht, als Frau merkel und Herr Ackermann dieses erste rettungspaket für die Banken geschnürt haben, hat mich ein be-freundeter Banker angerufen und meinte, er hätte gerade seine Konten bei der deutschen Bank aufgelöst,

denn es kursierten Gerüchte, dass die nächste woche Pleite geht. Ab-woche Pleite geht. Ab-wsolute Hysterie. und dann verkün-den die wenige monate später einen 5-millarden-Gewinn! wahnsinn. was ich vermisse, ist eine generelle was ich vermisse, ist eine generelle wForm von moral als ein Gegenpro-gramm zur Gewinnmaximierung.

Dirk Laucke: Ich denke nicht, dass man von Bankern eine moralische

schimpfe, kann ich wenigstens eine sehnsucht formulieren. es gibt kei-ne Gesprächskultur mehr, in der die dinge an- und ausgesprochen wer-den, wie sie sind. schon gar nicht in der Politik. Ich verstehe nicht, wie zum Beispiel so eine hochkarätige truppe truppe twie auf der Klimakonferenz keine Form der Kommunikation findet.

Christoph Nußbaumeder: Ich glaube, das ist ein symptom für ganz viele Bereiche in der Gesellschaft, aber darüber kann ich mich nicht so echauffieren! Die Ursachen liegen ganz woanders.

Jan Neumann: Klar, sind das nur sym-ptome. die ursache kann ich aber letztendlich nicht greifen. Ich kann mich deshalb ehrlicherweise auch nicht hinstellen und sagen: Kapita-lismus ist scheiße, weg mit dem Ka-pitalismus.

Nuran David Calis: der Gesellschafts-pakt, den es ja mal gab und zu tei-tei-tlen immer noch gibt, wird nach und nach ausgehöhlt. unterm strich lau-fen die dinge gegen uns und überm strich soll es so aussehen, als würde alles für uns getan. Alles ist darauf bedacht, das system am Laufen zu halten, dabei wird es im Kern immer weiter ausgehöhlt.

Also Revolution?

Nuran David Calis: vielleicht utopi-en. wo steuert unsere Gesellschaft wo steuert unsere Gesellschaft whin?

Dirk Laucke: michail Bakunin, ein Anarchist, meinte, dass die utopie die Leute verrät, weil sie ein Bild von einem Paradies schafft, das es gar nicht gibt. Bakunin ist im Prinzip für eine permanente entwicklung. das ist ja vielleicht auch im theater im-mer wieder der Fall. die Glücksmo-mente der Freiheit beim schreiben oder Proben sind ja die momente des Ausprobierens.

Christoph Nußbaumeder: man kann von den meisten menschen nicht erwarten, dass sie permanent revo-lution betreiben. man sehnt sich ja auch nach sicherheit und festen or-

Jan Neumanngeboren 1975 in München, lebt in Berlin. Der Autor, Schauspieler und Regisseur ist Spezialist für Stückent-wicklungen. Dabei lässt er sich von einem Schlüsselbegriff leiten, dem er mit seinem Ensemble in Diskussionen, Recherchen, Improvisationen und bio-grafischen Erkundungen nachgeht. So hat er bereits eine Anzahl spannender und weithin wahrgenommener Stücke und Inszenierungen geschaffen: „Kre-dit“ am Schauspiel Frankfurt, „Funda-ment“ am Staatstheater Stuttgart und zuletzt „Gott allein“ am Staatsschau-spiel Dresden. Darüber hinaus insze-niert Jan Neumann auch die Werke an-derer Autoren und schreibt Stücke, bei denen er nicht selbst Regie führt und die am Thalia Theater in Hamburg, am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Schauspiel Essen uraufgeführt wurden.

Position erwarten kann. die ma-chen ihren Job aus ihrer sicht genau richtig, auch wenn sie scheiße bau-en. das kann man ihnen nicht vor-werfen, sie sind schließlich nicht für Amnesty International engagiert.

Jan Neumann: Aber wenn ich darüber

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ten. das ist die diskrepanz zwischen wille und wirklichkeit.

Dirk Laucke: wir ziehen uns zurück und horten unseren reichtum!

Jan Neumann: Ich kann doch nicht glaubhaft den Aufruf zur revolution hinschreiben. Ich kann auch kein politisches theater machen, weil ich mich beim schreiben in viel zu viele Positionen hineindenken kann. Ich erzähle lieber von der schwierigkeit, Position zu beziehen und wie un-möglich das heute ist.

Reto Finger: es gibt nicht mehr nur die eine Antwort. das ist ein symp-tom unserer Generation. es ist eine große Herausforderung, davon nicht paralysiert zu werden. dass ich nicht nur schreiben darf, wenn ich die Ge-samtantwort habe. Ich muss mich damit begnügen, die widersprüche zu ertragen und eine teilantwort zu teilantwort zu tliefern. wir müssen uns damit ab-finden, dass wir im Gegensatz zu der Generation vor uns keine monokau-salen Antworten mehr liefern können.

Dirk Laucke: das finde ich vollkom-men in ordnung.

Christoph Nußbaumeder: die mono-kausalen stücke waren auch schlech-te stücke.

Jan Neumann: Zu ihrer Zeit vielleicht nicht.

Dirk Laucke: was in deutschland inder tradition, in der wir stehen, über-tradition, in der wir stehen, über-thaupt nicht geht, ist menschen von der Bühne herab modelle vorzuset-zen, wo dann alle zur tat schreiten tat schreiten tsollen. Ich habe schiss vor Konzep-ten, die so einheitlich sind. es gibt ja nicht nur das linke Konzept. wenn wenn wallen Leuten klar gemacht wird, dass deutschland sich abschotten muss vor einer Bedrohung, die Globalisie-rung heißt, dann ist auf jeden Fall auch das rechte Konzept im Kom-men. es gibt sehr viele Parallelen in lin-ken wie rechten Konzepten. daher habe ich Bedenken vor monokausa-len Antworten. Ich sehe mich lieber als ein Finger in den wunden. wunden. w

Nuran David Calis: mir reicht das nicht, es einfach nur bei der Kritik zu belassen oder zu sagen: es gibt so vie-le Antworten. eine Antwort reicht, wenn es deine ist. Ich will meine eine Antwort schon kundtun. dafür kas-siere ich dann auch gerne Prügel.

Jan Neumann: mir ist es wichtiger, Fragen zu stellen. oder zu fragen, welche Fragen nicht gestellt werden.

Würdet ihr alle zustimmen, dass es eure Aufgabe ist, Dinge kritisch zu be-schreiben?

Jan Neumann: ein teil der Aufgabe, ja. Ansonsten natürlich spaß, unter-haltung, erzählen.

Dirk Laucke: spaß bedeutet auch, dass ich spaß habe beim schreiben.

Reto Finger: Ich kann mir gut vor-stellen, dass sich die Probleme so zuspitzen, dass es irgendwann wieder denkbar wird, stücke zu schreiben, die die eine Antwort liefern. unsere Gesellschaft steuert auf missstände zu, die ab einem gewissen Punkt ein-fach zu beantworten sind. Ich kenne die situation in deutschland nur aus der Zeitung. In der schweiz werden unter dem titel „sparen“ sozialleis-tungen abgebaut, was früher oder später in schweizer städten zu sozi-alen unruhen führen wird. vor zwei vor zwei v

HocHstapElnvon Jan Neumann

uraufführung am 2. dezember 2010 im theater unten

„Hochstapeln“ meint nicht nur die klassischen Hoch-stapler, millionenbetrüger, Lügner. das experiment wäre, diesen Begriff auf alle Lebensbereiche auszudehnen. wann wann wstapeln wir hoch? Welche Geschichten, welche Realitäten erfinden wir im Angesicht der Krise? welche welche w sicherheiten bleiben, wenn nichts mehr gedeckt ist? dem Geldwert schon längst kein sachwert mehr entspricht? und nichts mehr im verhält-verhält-vnis steht? welche Behauptungen werden aufgestellt? In der welche Behauptungen werden aufgestellt? In der wwirtschaft? der Politik? Im Privatleben? wie erschwin-deln wir uns Geld? Aufmerksamkeit? Liebe? Wie erfinde ich mich selbst? In meinem Facebook-Profil? In meiner Beziehung? Im Beruf? Wann beginnen wir zu erfinden? Hochstapler sind märchenerzähler: „das wichtigste, wenn sie betrügen wollen, sie müssen ihre Geschichte einfach und logisch erzählen“, rät Profibetrüger Mark Z. sie sind Geschichtenerzähler, schauspieler, manipulierer – wie wir alle. „Hochstapeln“ ist eine stückentwicklung. Ausgehend von einem schlüsselbegriff entsteht der theatertext wäh-rend der Probenzeit – gemeinsam mit den schauspielern, vor ort und für die stadt.

Regie: Jan NeumannBühne: Thomas GoergeKostüme: Nini von SelzamDramaturgie: Anna Haas

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wochen hat in Zürich eine „wochen hat in Zürich eine „w reclaim the street“-Party stattgefunden. die ist in eine regelrechte straßen-schlacht ausgeartet.

Dirk Laucke: es gibt zurzeit eine star-ke tendenz zu tendenz zu t stücken oder Projek-ten, die lokal oder regional sind. da sehe ich Chancen, dass theater politisch wird. wenn ich ein wenn ich ein w stück für ein bestimmtes theater schreibe, stelle ich die Frage, was in der region gerade so kocht, was da brennt. In dem moment ist man sehr konkret. dass diese paar einzelfälle, mit de-nen man sich beschäftigt, dann aber immer für etwas Großes stehen müs-sen, finde ich schwierig.

Christoph Nußbaumeder: Aber das ist doch die Kunst dabei. erstmal der schonungslose, subjektive Blick. das ist das Beste, reinste was man ma-chen kann. wenn darüber wenn darüber w sprach-bilder oder momente entstehen, die ein Bild für das so genannte Große sind, dann ist es wunderbar.

Jan Neumann: dirk, du hattest doch diesen skandal mit den „ultras“ in Halle? das war lokal, dann überregi-onal und am ende ein Politikum.

Dirk Laucke: da gab es einige miss-verständnisse. „ultras“ war ein Pro-jekt, das ich in Halle mit Fußballfans entwickelt und inszeniert habe. die „ultras“ sind fanatische Fußballfans, die nicht überall rechts sind. In Hal-le allerdings schon. die sagen von sich, dass sie unpolitisch sind, und werden in der stadt geduldet. sie tra-gen rechte Klamotten, haben rechte Freunde und ein rechtes weltbild: weltbild: walso Chauvinismus, Homophobie, sexismus, nationalismus, alles was rechts ist. und trotzdem sagen sie, sie seien unpolitisch. das war die schwierigkeit in der Arbeit mit ihnen, dass sie sich und der Öffentlichkeit nicht eingestehen wollten, dass sie selbst Faschos sind. Letzten endes konnte man es in der Inszenierung nicht mehr verbergen. sie haben sich durch ihr eigenes ver-ver-vhalten verraten.

Jan Neumann: Ist das Bewusstsein im Laufe der Arbeit gewachsen?

Dirk Laucke: In der Probenzeit gab es immer wieder Augenblicke, wo entweder die ganze Gruppe gedroht hat abzuspringen oder einzelne aus-gestiegen sind. Aber es gab auch mo-mente, die emanzipatorisch waren. wo sie im wo sie im w theater eine Chance gese-hen haben, die sie vorher nicht hat-ten. das ist irgendwann kaputt ge-gangen, weil ich dem Chef verboten habe, bei dem Projekt mitzumachen,

bin zutiefst FC-Bayern-Fan. Ihr wer-det mich hassen.

Warum München?

Nuran David Calis: Ich bin in Biele-feld groß geworden. wir sind dort ins Fußballstadion gegangen: Bayern gegen Arminia. Ich musste mit den Kumpels immer in die Fankurve der Bielefelder. Aber als ich den rummenigge gesehen habe, mit diesen krassen oberschenkeln, da wusste ich ein-fach, dass ich mehr münchner und Bayer bin.

Christoph Nußbaumeder: wobei der rummenigge aus westfalen kommt!westfalen kommt!w

Nuran David Calis: die haben ihn auch immer als verräter beschimpft.verräter beschimpft.v

Spielt Herkunft für euer Schreiben eine Rolle? Bist du beim Schreiben ein Bayer, Christoph?

Christoph Nußbaumeder: natürlich spielt Herkunft eine rolle, wahr-scheinlich das ganze Leben lang. Gewisse erfahrungen oder Begeg-nungen mit menschen aus einer be-stimmten ortschaft oder Landschaft bringen eine gewisse mentalität mit sich. das sind eingebrannte Bilder.

Reto Finger: das schärft sich noch durch den Abstand, wenn man weg-geht.

Christoph Nußbaumeder: Klar, und es ist ambivalent. man mag ganz vieles nicht und manches eben doch. es ist ein teil von einem selbst. teil von einem selbst. t man schreibt ja auch über das, was man nicht aushält. Gerade das beschäftigt einen. Ich schreibe ja keine oden.

Du bist Schweizer, Reto. Das war man früher ja gerne. Ist es in letzter Zeit schwieriger geworden?

Reto Finger: es gab eine Zeit, wo das irgendwie süß, nett und schön war. Jetzt sind auch andere Adjektive dazu gekommen wie ...

Jan Neumann: ... habgierig … böse … gehässig …

Nuran David Calisgeboren 1976 in Bielefeld, lebt heute in München. Der Autor, Theater- und Filmregisseur zeichnet sich durch ein großes Gespür für die Sprache und das Lebensgefühl junger Menschen aus. 2008 kam sein erster abendfüllender Spielfilm „Meine Mutter, mein Bruder und ich“ in die deutschen Kinos. Seine viel beachtete Bearbeitung von Wede-kinds „Frühlings Erwachen!“, die am Schauspiel Hannover uraufgeführt wurde, hat er ebenfalls selbst verfilmt. Neben den Überschreibungen literawurde, hat er ebenfalls selbst verfilmt. Neben den Überschreibungen literawurde, hat er ebenfalls selbst verfilmt.

-rischer Stoffe erarbeitet er Stücke mit Jugendlichen, darunter „Homestories“ am Schauspiel Essen. Für das Schau-spielhaus Bochum entwickelt und inszeniert er im Rahmen von NEXT GENERATION ein Stück mit Jugendli-chen aus Bochum, Essen, Duisburg und Herne (siehe Seite 56).

und ihnen klar geworden ist, dass sie als rechte wahrgenommen werden. Jetzt haben wir streit.

Wo seid ihr zu Hause?

Nuran David Calis: In münchen. Ich liebe diese stadt. schon immer. Ich „D

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Jimi Bowatski Hat kHat kH Ein scHamgHamgH EfüHlvon Dirk Laucke

uraufführung am 25. märz 2011 in den Kammerspielen

Jochen Bowatski lässt sich von allen gerne Jimi nennen, weil alle Großen Jimi hießen – Hendrix, dean und mor-rison. nur sind alle großen Jimis tot und Jochen ist gerade 50 geworden. die Autozuliefer-Fabrik, in der er seit zwanzig Jahren arbeitet, wird nach Indien verfrachtet und er steht vor dem Aus. er schnappt sich seinen Kumpel markus welt, dessen welt, dessen w tochter und Lebensinhalt sich demnächst tochter und Lebensinhalt sich demnächst twohl auch mit ihrer mutter, markus’ ex, aus dem radius seiner ALGII-technischen Residenzpflicht verabschieden wird. markus’ ex hat einen besseren Job in der schweiz. da marschieren Jimi und markus ins werk, um dem Chef werk, um dem Chef wdie rechnung zu präsentieren, doch statt den Chef im Büro erwischen sie seine Frau im Bett mit dem jungen, schicken Lúc, man kann ihn auch Lutz nennen.

Als der werksleiter auch noch tot aufgefunden wird, werksleiter auch noch tot aufgefunden wird, wübernimmt Jimi Bowatski gänzlich die Kontrolle. die Inder werden am nächsten tag heimgeschickt, das tag heimgeschickt, das t werk besetzt. werk besetzt. wund Jimi Bowatski wäre kein Jimi Bowatski, wenn das kein von erfolg gekröntes unternehmen wäre. Jimis Aktion zur sicherung deutscher Arbeitsplätze wird als modellprojekt gepriesen. sogar markus’ ex kommt aus der schweiz vor-bei, um mit ihm über seine vaterrolle zu reden. vaterrolle zu reden. v nur der gigolomäßige Lúc will sich mit einer richtigen Arbeit nicht so ganz anfreunden und kriegt seine rechnung präsentiert, als Jimi Bowatski sein schamgefühl gänzlich verloren hat. dirk Lauckes neues stück erzählt von echten Helden und wahren Freunden, die bei jedem schritt auf neue Feindbil-der stoßen, auch wenn stets die alten Abhängigkeiten im spiel sind.

Regie: Heike M. Götze

Nuran David Calis: ... Gangster ... Bangster.

Reto Finger: man hat ja nicht die wahl. Aber noch bin ich nicht so-wahl. Aber noch bin ich nicht so-wweit, dass ich lieber Franzose oder deutscher wäre. Ich bin in einem kleinen dorf, fernab der stadt, im em-mental groß geworden. das spielt für mein schreiben absolut eine rolle.

Kommst du nicht aus so einer Hippie-Familie?

Reto Finger: Ich war zum einen mit meiner mutter auf einem Bauern-dorf in rumendingen und an den wochenenden bei meinem wochenenden bei meinem w vater in vater in veiner Kommune im Jura. Heimat ist immer ein guter ort, um essenzielle dinge rausschälen zu können.

Dirk Laucke: das finde ich auch. wobei ich durch Halle an der wobei ich durch Halle an der w saale nicht unbedingt positiv beeinflusst bin. man kann da von einer Hass-liebe sprechen. es war nun mal eine sehr konfliktreiche Gegend und das lässt mich nicht mehr los: diese ge-sellschaftlichen umbrüche, die in meiner Familie stattgefunden haben, und was ich in meiner Jugend dort erlebt habe. wenn ich recherchiere, wenn ich recherchiere, wfällt mir ein: Ach, ich kenne ja so ei-nen stasi-mann – wo habe ich den kennen gelernt? – in Halle. dann kann ich den ja mal interviewen. so gesehen ist Halle noch immer meine Quelle.

Würdest du dich als ostdeutschen Au-tor bezeichnen?

Dirk Laucke: das würde ja heißen, dass ich so einen sonderfall von ostdeutschland annehme, und das klingt fast positiv besetzt, als ob ich das gut finden würde, dass es ein ost- und ein westdeutschland gibt. westdeutschland gibt. w

Was ist als Erstes da, wenn ihr mit ei-nem Stück beginnt?

Reto Finger: eine Atmosphäre, eine temperatur, ein Gefühl dafür, wie es temperatur, ein Gefühl dafür, wie es tschmecken muss, wenn es schme-cken würde.

Nuran David Calis: oder ein Film. Ich

lasse beim schreiben extreme Zu-stände aufeinander zufahren. Ich brauche das, um in dialog mit einem text zu kommen. text zu kommen. t dann kann ich ihn als Inspirationsquelle neh-men und mich dort im Kern aber frei bewegen.

Jan Neumann: Für mich stehen am Anfang ein Gedanke oder eine si-tuation. etwas, dass ich interessant

Dirk Lauckegeboren 1982 in Schkeuditz in Sach-sen, wuchs in Halle an der Saale auf. Nach einem abgebrochenen Psycholo-giestudium in Leipzig studierte er von 2004 bis 2008 Szenisches Schreiben an der der Universität der Künste Ber-lin (UdK). Für sein Stück „alter ford escort dunkelblau“ erhielt er 2006 den Kleist-Förderpreis für junge Dramatik, 2007 wurde er in der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Theater heute“ zum Nachwuchsautor des Jahres gewählt. „Laucke hat eine eigene Sprache gefun-den, die Wirklichkeit auf die Bühne zu bringen. Ausgestattet mit einem feinen Gespür für Figuren, nimmt er besonders Randfiguren der Gesellschaft ins Visier“, hieß es in der Jurybegründung zum Dra-matikerpreis des Kulturkreises der deut-schen Wirtschaft im BDI, mit dem er 2010 ausgezeichnet wurde. Darüber hinaus entwickelt Dirk Laucke auch als Regisseur Theaterprojekte mit Laien, so zuletzt „Ultras“ mit jugendlichen Fuß-ballfans am Thalia Theater Halle.

finde und über das ich weiter nach-denken möchte.

Christoph Nußbaumeder: Bei mir ist es eine situation oder eine Konstel-

HEikE M. GöTzE

wird das neue Stück von Dirk Laucke inszenieren. Bereitswährend ihres Studiums an der Zürcher Hochschule der Künste war Heike M. Götze mit ihren Inszenie-rungen zu den Zürcher Festspielen und zum Zürcher Theaterspektakel eingeladen. Für ihre Diplominsze-nierung „Spieltrieb“ nach Juli Zehs gleichnamigem Roman wurde sie 2008 mit dem Körber-Preis für Junge Regie ausge-zeichnet. Seitdem arbeitet sie regelmäßig am Theater Basel, am Schauspielhaus Zürich und am Schauspiel Hannover. Am Schauspiel Essen hat sie in der vergangenen Spielzeit John Osbornes „Blick zurück im Zorn“ inszeniert. Ihre Inszenierungen zeichnen sich durch eine hohe körperliche, fast tänzerische Energie aus, verbunden mit absoluter Ge-nauigkeit im Umgang mit Sprache. Hin und wieder steht sie auch selbst als Schauspielerin auf der Bühne, so zuletzt am Schauspiel Hannover als Christian in „Das Fest“ nach dem Film von Thomas Vinterberg.

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Bühne frei für unsere KundenHunderttausende sind Tag für Tag in unseren modernen Bussen und Bahnenunterwegs. Jeder hat dabei sein eigenes Ziel: Ob zur Schule, zur Arbeit, zumEinkaufen oder zum Schauspielhaus. Steigen Sie ein! - Wir bringen Sie hin.

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Fotografie: Renate Ritzenhoff

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DEr fall fall f DEsroBErt k.von Reto Finger

uraufführung im mai 2011 in den Kammerspielen

„Lasst mich ein paar worte an euch richten, ich kam zu worte an euch richten, ich kam zu wspät, ich komm immer zu spät, wie Max zu sagen pflegt, aber lasst mich trotzdem, jetzt wo wir alle gegessen und auch ein wenig getrunken haben, ein paar worte nur, wie worte nur, wie wgesagt, aus gegebenem Anlass: Auf die Blutsverbundenen und ihre Zugewandten! Auf die, die mich ein zweidrittel Leben lang begleitet haben. Ich bin selten betrunken ge-nug, euch dafür zu danken, dabei müsste ich das viel öfters tun, weil man nur bei Blutsverbundenen und Zugewand-ten sicher sein kann, dass es keine meuchelmörder sind, und je älter man wird, desto wichtiger ist es, dass man ei-nen Bogen macht um meuchelmörder.“

Robert in „Der Fall des Robert K.“

der unternehmer robert Keller feiert gerne Feste und sich selbst. Jedes Jahr laden er und seine Gattin Jasmin seinen Bruder max und dessen Frau sandra für ein langes wo-wo-wchenende ein. der dritte Bruder, michael, ist nie eingela-den. er will auch nicht kommen. dass michael in diesem Jahr entgegen allen erwartungen plötzlich doch auftaucht, damit hätte robert nicht gerechnet. Als auch noch vera vera vauftaucht und behauptet, sie würde dazugehören, obwohl sie niemand kennt, beginnt die Fassade von roberts welt welt wzu bröckeln.

Regie: Anselm Weber

Reto Fingergeboren 1972 in Bern, aufgewachsen im Emmental, ist ursprünglich Jurist. Heute arbeitet er am Bezirksgericht Zürich, schreibt Theaterstücke und in-szeniert. Für „Kaltes Land“ erhielt er 2005 den Kleist-Förderpreis für junge Dramatik. Als Hausautor am Nationalthea Als Hausautor am Nationalthea -ter Mannheim entwickelte er die Rei-he „Fingers Freunde“, die er auch am Schauspielhaus Zürich fortführte. Am Schauspiel Essen wurde sein Stück „Ei-ner wie ich würde mich vom Springen auch nicht abhalten“ (2007) uraufge-führt, am Schauspielhaus Zürich „Vor-stellungen und Instinkte“ (2009).

lation und dann gärt das erstmal vor sich hin. Ich habe ein notizbüchlein bei mir, da schreibe ich immer mal was rein. Vieles fliegt einem ja zu.

Dirk Laucke: die Frage ist ja, wie kommt die welt auf die Bühne? Bei welt auf die Bühne? Bei wmir ist es so, dass ich entweder eigene erlebnisse übersteigert weiterdenke oder Begegnungen mit menschen, die ich hatte. Ich habe einen solda-ten aus Afghanistan kennen gelernt und mich mit ihm unterhalten. dann recherchiere ich auch gezielt, wie bei dem Stasi-Offizier. Ich gehe zwar nicht in Bibliotheken, aber ich lese viel. nicht so theaterkram, son-dern eher politisches Zeug.

Nuran David Calis: Ich bin auch nicht der typ, der in die Bibliothek recher-typ, der in die Bibliothek recher-tchieren geht. Ich beziehe meine Ar-beit aus dem Alltag und dem echten Leben. Jeder in meiner Familie oder der mit mir befreundet ist, muss mit der Gefahr leben, in einem meiner stücke zu landen.

Reto Finger: Ja. das wird vom umfeld gefürchtet.

Was wünscht ihr euch als Autoren vom Theater?

Reto Finger: Je länger ich schreibe, desto wichtiger wird es, dass es eine Kontinuität im Austausch gibt. Auch um dinge abzubauen, die ich als nicht förderlich empfinde, wie Buh-len um vertrauen oder Angst haben vertrauen oder Angst haben vvor Premieren. In truppen zusam-truppen zusam-tmenzuarbeiten, die eine gewisse Zeit dauern, finde ich immer wichtiger.

Nuran David Calis: Ich mache thea-ter aus dem Bewusstsein einer Gang, einer Bande heraus. wo ich arbeite, wo ich arbeite, wentscheide ich über Persönlichkei-ten: mit welchen menschen möch-te ich theater machen und was für eine Geschichte verbindet uns. mit euch wäre ich überall hingegangen. die persönliche erfahrung mit einer theatermannschaft durch dick und dünn gegangen zu sein und am ende etwas auf die Beine gestellt zu haben, wo man nur für sich weiß, dass man da irgendwie schlauer raus geht, als man rein gegangen ist.

Christoph Nußbaumeder: die Frage muss ich aufteilen. was wünscht was wünscht wman sich während der Arbeit und was von dem ergebnis? Gibt es da eine wechselwirkung mit dem Pub-wechselwirkung mit dem Pub-wlikum? Hat es überhaupt eine wir-kung? das andere ist, dass ich auch einen fruchtbaren Austausch will, also einen offenen und schonungs-losen – im besten sinne des wortes – und nicht nur als erfüllungsgehilfe

oder Autorenhaustier texte abliefere.texte abliefere.t

Dirk Laucke: Ich finde es spannend, ob ich in so einer stadt wie Bochum einen Blick finden kann, der ange-messen ist. Im moment denke ich, dass das ruhrgebiet dem osten gar nicht so fern ist. und ich möchte he-rausfinden, ob das stimmt.

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PHANTOMSCHMERZTExT: SabinE REichFOTOS: LaRS hiLLEn

DiE MEiSTEN DENkEN, ROMANTik SEi DANN vONNöTEN, wENN EiNE FRAu vERFüHRT ODER EiNE EHE gERETTET wER-DEN MuSS. DAS iST FAlSCH. wAS STiMMT, iST, DASS ROMANTik iMMER DANN ZuM EiNSATZ kOMMT, wENN ES uNgEMüT-liCH wiRD. DiE wElT wiRD kAlT uND wiR SiTZEN AM küNSTliCHEN kAMiN. wiR SiND ROMANTikER, SEiT übER HuN-DERT JAHREN. ZEiT, NiCHT läNgER DEN MOND ANZuHEulEN uND SiCH ENDliCH MAl wAS NEuES AuSZuDENkEN.

KaRSTEn RiEdEL & chRiSTOph FRicK — phanTOMSchMERz

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sie prophezeit den drohenden niedergang und Untergang, wenn Veränderungsprozesse erlitten und eingeschrieben werden in Menschen und Ordnungen. beide perspekti-ven kennzeichnen das moderne europäische denken bis heute.

Geschwindigkeit und Veränderung sind Leistungen, auf die Europa stolz ist: es geht voran. Technologie, Forschung, Ökonomie, perfekt verzahnt und immer in bewegung. Wir glauben an den stetigen Wandel, an Fortschritt, Wachs-tum, Expansion und innovation.

aus dem Selbstverständnis, stetiger Motor des Wandels zu sein, bezieht Europa im Kern seinen Stolz und seine he-gemoniale Vormachtstellung in der Welt. Wir waren eben immer ein bisschen schneller als die anderen.

leichzeitig wird die Moderne als tief greifende Er-fahrung von Verlusten beschrieben: der Verlust

von autonomie und Selbstbestimmung scheint massiv, Menschen und ganze Gesellschaften wirken maschinell und kalt. Weil nicht das Schöne und Gute, nicht Empfin-dungen zählen, sondern die Ware, die Effektivität und die Leistung. Weil wir zuviel verloren haben: die natur, das authentische, das Echte und Unmittelbare, die Moral und den Glauben. Weil wir den boden unter den Füßen verlie-ren und wir uns viel zu schnell drehen.

auch gerade jetzt im Moment schauen wir zurück und konstatieren Verluste und Krisen in allen bereichen: nie schien die Welt so dem Untergang geweiht, nie so krisen-geschüttelt und finster. Wir bedauern den Verlust sozialer Sicherheit und familiärer bindung, ökonomischer und po-litischer Verbindlichkeit.

aber daran sollten wir uns gewöhnt haben. das ist nichts neues. Es sind die alten Fragen und die alten bil-der, die uns leiten. Wir sind optimistische Führungsper-sönlichkeiten und hoffnungslose Melancholiker in einem atemzug, selbstbewusste Macher und Romantiker. doch wir trauern seit vielen Jahren um Verluste, an die wir uns nicht erinnern können. phantomschmerzen.

ie Welt ändert sich ständig und manchmal gibt es Momente, in denen sie besonders schnell zu gehen

scheint. dann meinen wir zu sehen, wie sie rast und sich verändert so geschwinde. Es gibt Menschen, die glauben, jedes Mal wenn Steve Jobs mit einem Gerät in der hand auf einem bildschirm erscheint, verändere sich die Welt. andere glauben, die Welt verändere sich, wenn junge Männer ohne Jacken computer auf die Straße tragen und keine arbeit mehr haben. am 11. September 2001 haben wir endlos gedehnte lange Sekunden auf das Flugzeug ge-starrt, das auf das haus zuraste. Wir haben zugesehen, wie die Welt sich veränderte, geschwinde.

dass die Welt sich ändert, behaupten und befürchten wir nicht erst seit der letzten, aktuellen Krise. Wir hoffen auf die Erfolge der Wissenschaft, Forschung und Techno-logie, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Gesellschaf-ten industrialisieren und modernisieren, doch ebenso lange kursieren katastrophische Szenarien. die zukunft Europas sah immer schon finster aus und das Abendland geht unter, nicht erst, seitdem Klimawandel und Globali-sierung debattiert werden.

die stetige, immer rasanter werdende Veränderung der Welt ist einer der fundamentalen Glaubenssätze des mo-dernen Europas. Es ist die tiefe Überzeugung der Moderne selber, die an Veränderung glaubt und sich niemals ent-scheiden kann, ob sie sie ersehnt oder fürchtet. in dieser ambivalenz liegt ein Kern der Moderne: sie begrüßt die Veränderung der Welt als Triumph, wenn sie sich selber als agent und Motor der Veränderung beschreibt, doch

DER HERbSTwiND SCHüTTElT DiE liNDE,wiE gEHT DiE wElT SO gESCHwiNDE!

KaRSTEn RiEdEL & chRiSTOph FRicK — phanTOMSchMERz

(JOSEph VOn EichEndORFF, zUM abSchiEd)

wiR SiND SO TiEF bETRübT, wENN wiR AuCH SCHERZEN;DiE MENSCHEN TOSEN uNTEN, gEHEN uND REiSEN,DiE wElT ZiEHT STill uND STRENg iN iHREN glEiSEN,EiN FEuCHTER wiND vERlöSCHT DiE luSTgEN kERZEN.

(JOSEph VOn EichEndORFF, SOnETT)

KaRSTEn RiEdEL (VORhERiGE SEiTE) iST pUnK Und ROManTiKER Und EinER dER bESTEn MUSiKER bOch-UMS. ER TRiFFT aUF dEn REGiSSEUR chRiSTOph FRicK (LinKS).

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t‘s the end of the world as we know it“ – davon sind wir seit dem Fin de Siècle, dem ausgehenden 19. Jahr-

hundert überzeugt. Seitdem herrscht Weltschmerz. Jede aufbegehrende Generation der immer neuen Modernen findet einen Grund zu trauern. Wir gehen unter, seit mehr als hundert Jahren. dabei halten wir uns wie Ertrinkende fest an Konzepten, die die Realität weder damals noch heu-te adäquat beschreiben, sondern ästhetisch verklären.

„Modernität“, das war kein begriff der ingenieure oder Wissenschaftler, die im 19. Jahrhundert Fabriken und dampfmaschinen bauten. „Moderne“, das ist ein begriff aus der poetik, der die neue Literatur des Sturm und drang und der Romantik von den Vorbildern der antike emanzi-pierte. die poetische Moderne war ein ästhetisches Kon-zept als Gegenentwurf zu einer rasenden Welt. Sie hat den Stillstand ausgerufen. Sie erfand begriffe und Konzepte, die anriefen und beschworen, was verloren war oder niemals existiert hatte. Es stimmte damals so wenig wie heute.

Es ging um „nation“, als der imperialismus erstarkte, Europa seine Grenzen ausweitete und die Gesellschaften zum ersten Mal Globalisierung erfuhren. „heimat“ wurde im Moment der heimatlosigkeit und in einer der „mig-rationsintensivsten perioden der neueren Geschichte“ (Jürgen Osterhammel) zum zentralen begriff und nichts konnte so sehnsuchtsvoll „das abwesende Ganze, die ver-lorene Kindheit des Menschen“ (hans Robert Jauß) in ei-nem Wort anrufen wie die „natur“.

Wir verbinden die Romantik mit schönen Gedichten über die natur. in dieser deutschen dichtung, die die Landschaft und den Wald besingt, glauben wir, naturver-bundenheit zu finden, die „wir Modernen“ heute schmerz-lich vermissen. dabei wird übersehen, dass diese deutsche dichtung auch damals schon Verluste beklagte und ferne idyllen besang. die gesellschaftlichen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts griffen massiv in den Umgang mit den natürlichen Ressourcen ein. als die Kohle ans Licht geför-dert wurde und eine ganze industrie zum Kochen brachte, war natur nichts mehr als Rohstoff und Material einer unablässig wachsenden industrie. in diesem augenblick erkor die deutsche Empfindsamkeit die „Natur“ zum Lab-sal frierender Seelen, die an den Kältewellen der indus-trialisierung und Modernisierung litten. Wie vor einem schönen bild stehen wir bewundernd davor, allein und frierend. „deswegen ist das Gefühl, womit wir an der na-tur hangen, dem Gefühle so nahe verwandt, womit wir das entflohene Alter der Kindheit und der kindlichen Unschuld beklagen“, schrieb Schiller 1795. die blümchenmuster auf den Sitzkissen wärmten innen, als die Welt draußen unge-mütlich und kalt wurde.

wischen idylle und nostalgie, Vision und Verlust bewegt sich die romantische Literatur und sie ist

damit die erste moderne Literatur. alle Spannungen und Widersprüche der Moderne finden sich in den Texten der Romantiker. Sie waren die, die genau hinsahen, als die Welt, die sie kannten, unterging.

nichts ohne Verfallsdatum, alles relativ: Wer heute modern ist, ist morgen schon passé. nichts ist so alt wie das Kleid aus der letzten Saison, nichts so schal wie die Trends von Gestern. plötzlich und blitzartig wechseln die Moden, Diskurse und Formen. Es ist diese spezifische Er-fahrung von zeitlichkeit, die sich über das denken legt, die den Kern der Moderne ausmacht. Von nun an ist alles im Fluss: Geschichte und Moral, Kunst und Mensch, alles ist veränderlich und wandelbar, alles der zeit unterworfen. Es ist immer schon vorbei und wir stehen immer schon auf schwankendem boden.

doch aus genau dieser Spannung bezieht das moderne denken seine Kraft und dynamik. Genau deshalb be-schreiben sich moderne Gesellschaften als offene und dy-namische Gesellschaften, die Mobilität und Vielfalt posi-tiv beschreiben. Genau deshalb verstehen wir identität als einen vielschichtigen Prozess. Rollen und Biografien sind in bewegung. Kultur und heimat bestimmen sich nicht durch herkunft, sondern entstehen aus dem faktischen Lebensentwurf eines jeden. aus dieser Spannung heraus bilden sich eine ambivalenz und ein begriff von Freiheit, die es beide auszuhalten gilt.

das tut manchmal weh. Wie schön es ist, zu leiden, sehen wir bei Eichendorff. Und manchmal ist es wichtig, zu leiden und sich über Verluste zu verständigen. Um uns daran zu erinnern, brauchen wir die ersten Modernen und ihre Literatur. aber es ist zeit, den Weltschmerz des 19. Jahrhunderts zu überwinden. Wir leiden immer noch am selben phantomschmerz und weigern uns einzugestehen, dass sich die amputation vor mehr als hundert Jahren er-eignete. aber die Welt geht so geschwinde. Sie ändert sich immer.

iN EiNEM küHlEN gRuNDE, DA gEHT EiN MüHlENRAD, (...) HöR iCH DAS MüHlRAD gEHEN,iCH wEiSS NiCHT, wAS iCH will,iCH MöCHT’ AM liEbSTEN STERbEN,DA wäR’S AuF EiNMAl STill.

(JOSEph VOn EichEndORFF, LiEd)

wiR wOllEN STillE SiTZENuND NiCHT wEiNEN

(JOSEph VOn EichEndORFF, SOnETT)

KaRSTEn RiEdEL & chRiSTOph FRicK — phanTOMSchMERz

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kARSTEN RiEDEl & CHRiSTOPH FRiCk

Karsten Riedel wurde 1970 in Wattenscheid geboren. Der Multiinstrumentalist Riedel, der in seiner Freizeit gerne Lami-nat verlegt und Schwarzbier mag, ist seit 1989 selbstständiger Musiker, Komponist und Produzent. Er war an Hörspielpro-duktionen für den WDR beteiligt, arbeitete für diverse Ki-nofilme und war und ist mit zahlreichen Bands im In- und Ausland unterwegs. Bekannt wurde er vor allem als Front-mann der legendären Bochumer Ska-Punk-Truppe „Alpha Boy School“. Der ehemalige Intendant des Schauspielhauses Mat-thias Hartmann holte ihn als Musiker und Komponisten ans Bochumer Theater. Es war Riedels erster Kontakt als Musiker mit der Theaterbühne. Es entstanden Soundtracks für Produk-tionen wie „1979“, „Einordnen, Ausflug, Land der Toten“, „Der Hauptmann von Köpenick“ oder „Ivanow“.

In Essen lernte Karsten Riedel dann David Bösch kennen, der gerade von der Regieschule in Zürich kam. Zwischen Riedel und dem jungen Regisseur entstand eine intensive Arbeitsbezie-hung. Außer in Essen arbeiteten sie am Thalia Theater Ham-burg, am Deutschen Theater Berlin, am Schauspielhaus Zürich und am Wiener Burgtheater zusammen. Riedel, der weiterhin in Bochum lebt, arbeitet heute hauptsächlich im Theater mit den Regisseuren Matthias Hartmann, Roland Spohr, Niklas Helbling und eben David Bösch. Daneben entwickelte er auch verschiedene musikalische Programme mit Mitgliedern des Bo-chumer Ensembles. In „Oft ist die Natur nicht einmal schön“ trifft Karsten Riedel zum ersten Mal auf den in der Schweiz lebenden Regisseur Christoph Frick. Der wurde 1960 geboren und lebt seit vielen Jahren in Basel. Frick braucht keine Stü-cke, um Theater zu machen: eine gute Idee, ein Text oder ein Musikstück reichen ihm, um außergewöhnliche Theaterabende zu entwickeln. In Basel gründete er 1991 das Theater KLARA, eine freie Theatertruppe, mit der er kontinuierlich Stücke ent-wickelte, die in der Schweiz und im Ausland zu sehen waren und sind. So spielten sie unter anderem beim Theaterspektakel Zürich, am Kunstencentrum Vooruit Gent und beim Steiri-schen Herbst Graz.

In Luzern arbeitete Frick 1999 erstmals an einem Stadtthe-ater. In den folgenden Jahren entstanden außerdem Produktio-nen am Schauspiel Hannover und am Schauspiel Köln, später am Theater Freiburg und an den Münchner Kammerspielen. Frick inszenierte dort Stücke des klassischen Dramenreper-toires wie „Wilhelm Tell“ und „Peer Gynt“ in Luzern, „Na-than der Weise“ und „Die Räuber“ in Hannover, „Die Ni-belungen“ in Freiburg oder Camus’ „Belagerungszustand“ in München. Seit kurzem beschäftigt sich Christoph Frick wieder mit Projekt-Theaterformen im Stadttheater, arbeitet mit Mu-sikern, Tänzern und nichtprofessionellen Darstellern. Jetzt entwickelt er einen Abend nach zentralen Motiven der Roman-tik, für den Karsten Riedel die Musik schreibt. Es ist das erste Mal, dass Frick und Riedel zusammenarbeiten. Es entsteht aus Gedichten der Romantik, mit Reden von Kanzlern und Kom-munalpolitikern, mit Texten von Philosophen und Pop-Poeten ein romantisch-musikalischer Abend.

Oft ist die NaturNicht eiNmal schöNEin romantisches Requiemvon Christoph Frick und Karsten Riedel

premiere am 3. dezember 2010 in den Kammerspielen

Wenn wir an die Schönheit der natur denken, blüht sie im-mer, immer scheint in ihr die Sonne, immer ist es eine ster-nenklare Vollmondnacht, die den blick auf das Meer und die imposanten berge frei gibt. Wir wollen eine Urlaubska-talog-natur, ein Schöner-Wohnen-paradies, ein drei-Wetter-Taft-Klima, das unsere gestressten Seelen streichelt, uns das herz erwärmt und der Frisur nichts anhaben kann. Sicher soll uns die natur auch Ehrfurcht lehren, aber bitte ohne uns wirklich nah zu kommen. natur, die sticht, kratzt und juckt, natur, die unsere Keller überschwemmt und den dreck in die augen bläst, stört. Wir sind gegen Tsunami-Wellen, gegen Wirbelstürme, gegen dauerregen, Erdrut-sche, Lawinenabgänge und Gletscherschmelze. Wir wissen, dass die Klimakatastrophe auf uns lauert und können doch nichts anderes, als kleine Schritte tun. „Was sind schon zwei Grad mehr?“, denken wir und sitzen in perfekter Out-door-ausrüstung vor einem Lagerfeuer auf dem dafür aus-gezeichneten Rastplatz, essen einen bio-apfel, ignorieren den duft der Mückenschutzcreme in unserem Gesicht und stimmen ein schönes Lied aus alten Tagen an. Vielleicht eines von Eichendorff. Er und die anderen Romantiker betrauerten lange vor uns in ihren Gedichten und Liedern die Verwandlung der Welt. Viele folgten ihnen nach: Sid Vicious, Morrisey von The Smiths, The cure – allesamt Ro-mantiker pur. bob dylans balladen einer vergangenen zeit. Rio Reiser, ein deutscher Romantiker. nick cave, sowie-so. Rock pop punk – eine einzige romantische bewegung: zwischen Wut und Weinerlichkeit, Mut und Melancholie, Weltschmerz und Wahnsinn bewegen sich die immer neu-en Wilden. das hat mit Joseph von Eichendorff begonnen und wo es endet, das wissen wir nicht. Vielleicht bei Kars-ten Riedel. zusammen mit dem Regisseur christoph Frick entsteht dieser abend über ein romantisches bild der natur im zwielicht des Klimawandels.

Regie: Christoph FrickMusik: Karsten RiedelBühne: Thomas DreißigackerDramaturgie: Olaf Kröck, Sabine Reich

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MEPHISTANBUL

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Goethe war nie in istanbul, der hei-mat von mahir Günsiray. der Faust-reGisseur im Gespräch über das leben am bosporus, die einsamkeit eines pinGuins und pick-nick in europa.

MAHIr GüNSIrAy — MEPHISTANBUL

Wie lebt es sich in Istanbul?Schwer und gleichzeitig voller Ge-nuss. Das Leben dort ist einerseits prall und voller Energie, Spannung und Gewalt; eine Art Karneval, den man tagtäglich erlebt. Das gibt ei-nen enormen Schub für alles, vor allem für die künstlerische Arbeit. Andererseits vermisse ich manchmal die ruhe europäischer Länder wie Deutschland. Es ist in Istanbul kaum möglich, mal allein zu sein und sich selbst zur rechenschaft zu ziehen.

Was ist das für eine Gewalt?Die Türkei ist ökonomisch an Eu-ropa und Amerika gebunden und die Menschen sind gezwungen, wie rennpferde ihrem Leben hinterher zu jagen. Es ist ein Leben, das zwischen Geldverdienen und Faulheit pendelt. So lange du Geld verdienst, existierst du durch das, was du besitzt. Wenn nicht, existierst du überhaupt nicht. Wenn ein Mensch dann wahrgenom-men werden will, muss er entweder zum Theater gehen – was nicht allzu verbreitet ist – oder auf die Bosporus-brücke oder das Dach eines Hauses steigen und drohen, sich mit einer Axt die Hand abzuhacken. Bei den großen Einkommensunterschieden und den Lücken in den sozialen und kulturellen Lebensbereichen ist es ei-gentlich erstaunlich, dass das Leben überhaupt funktioniert und es nicht noch mehr Gewalt gibt. Gleichzeitig ist Istanbul aber nicht die Türkei.

Worin bestehen die Unterschiede?Es gibt nicht überall in der Türkei den gleichen Lebenskampf, das glei-che Streben, das rennen um die Zeit, die gleichen Konflikte. Es gibt un-terschiedliche Kulturen, Menschen, Sprachen, Lebensweisen, sehr unter-schiedliche religiöse, moralische und philosophische Ansichten.

Das heißt, eine Mischung, die eine gro-ße Metropole ausmacht. Ja, Istanbul ist eine Metropole, aber

INTErVIEW: THoMAS LAUE UND SABINE rEIcHFoToS: UGUr TASKIN

man kann Istanbul nicht stellvertre-tend für die ganze Türkei sehen. Al-lein optisch und geografisch ist es ein Unterschied, ob man die rötliche Erde, die Berge und die trockene Käl-te im Südosten betrachtet oder das Gewirr der Gebäude in Istanbul. An vielen orten der Türkei bauen Arme ihre Häuser mit wenig Geld selbst. Aber weil man sogar das in Istanbul schnell machen muss, nennt man sie hier „gece kondu“, was so viel be-deutet wie „über Nacht gelandet“.

Welche Rolle spielt dabei Religion?Wir befinden uns in einer Zeit, in der offen diskutiert wird, was Menschen überhaupt unter religion verstehen. Soll religion das Leben bestimmen oder nicht? Soll sie sich in das Le-ben einmischen oder soll man sie im Privaten ausleben? Wie weit soll man die religion praktisch umsetzen oder nicht umsetzen? Man sieht jetzt in Istanbul viele Frauen mit Kopf-tuch. Es heißt, die Kopftuchdebatte sei schärfer geworden, dabei ist sie eigentlich nur ins Tageslicht gerückt. Das Thema gab es schon immer. Weil Frauen aus einer religiösen Schicht früher ihr Kopftuch nicht tragen durften – sei es aus persönlichen, moralischen oder aus familiären Gründen – konnten sie nicht in die Gesellschaft. Jetzt, wo das Thema so im Zentrum steht, sieht man auch überall Kopftücher. Sicher hat das aber auch dazu geführt, dass man-che, die kein Kopftuch getragen ha-ben, jetzt von den Ehemännern dazu aufgefordert werden. Ein anderes Beispiel ist ramadan. Ich bin Atheist und deshalb hat ra-madan für mich eigentlich keine Bedeutung. Aber es war mir früher unangenehm, tagsüber mit einem Sesamring in der Hand durch die Stadt zu laufen, weil es eine gewisse Spannung gab und die Menschen ge-zeigt haben, dass es sie stört. Es wäre falsch zu sagen, dass diese Situation komplett aufgehoben ist, aber sie hat sich in vielen Gegenden von Istanbul aufgelockert. Abgesehen davon, dass die derzeitige regierungspartei AKP konservativ, rechtsorientiert, liberal und islamisch ist, kann man sehen, dass sie gleichzeitig viel offener ist als viele Sozialdemokraten und Sozialis-

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ten. Wobei zu befürchten ist, dass das nicht immer so bleiben wird. Wenn nur ihre Vorstellung vom Islam das Leben bestimmt, dann wird es nicht so bleiben können.

Ist das nicht ein Widerspruch? Die Re-ligion bestimmt viel stärker als früher das Straßenbild, aber gleichzeitig gibt es einen größeren Liberalismus?Die AKP gibt sich momentan äußerst demokratisch, offen, progressiv. Sie verkündet, dass sie Meinungen, Glauben und Sprachen der anderen respektiert. Und sie hat in der tür-kischen Geschichte mit der größten und mutigsten Arbeit angefangen: Um das Kurdenproblem zu lösen, hat sie viele Türen geöffnet. Noch hat sich nicht viel verändert, aber es kann sich weiterentwickeln, wenn es zugelassen wird. Auch das Thema der Armenier wurde bis heute nie ernst-haft behandelt. Ich denke nicht, dass sie all das nur machen, um in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Sie verfolgen viel größere Projekte: von all diesen politischen Themen weg zu kommen, um dann immer reicher und mächtiger zu werden. Davor habe ich am meisten Angst.

Was genau macht dir dabei Angst?Wenn sie diese Macht erhalten, fürchte ich mich vor den Dingen, die die Menschen, die sich mit Politik befassen, dann tun würden.

Welche?Zum Beispiel könnten sie denken, dass Demokratie die Kraft der Mehr-heit ist.

Also hast du Angst vor der Herrschaft der Mehrheit?Ich habe Angst vor einer politischen Gruppierung, die Macht in der Hand hält und wächst. Und das als Waffe nutzt. Wenn man Macht bekommen hat, möchte man diese Macht auch behalten und erweitern.

Wie geht ein Theater mit so viel Span-nung und Widersprüchen um? Seit die Türkei im 20. Jahrhundert moderner und westlicher gewor-den ist, ahmt das türkische Theater das westliche Theater nach. Durch

Stand-ups oder Boulevardtheater wird es im Stadt- und Staatstheater, aber auch in privaten Theaterhäu-sern so gemacht. Aus einer gewissen Sicht passt das Theater eigentlich nicht zu unserem Leben.

Inwiefern?Die Türkei ist mit keinem anderen europäischen Land vergleichbar. Wir sind in Bildungs-, Gesundheits- und Kulturangelegenheiten immer noch sehr rückständig. Für uns Türken sind die sogenannten Köy-oyunlari, die traditionellen Dorfstücke oder Geschichten, die in cafés erzählt werden, viel unterhaltsamer. Man sitzt um den Tisch herum, es wird gegessen, getrunken, gesungen, dann nimmt jemand die Saz von der Wand und spielt, man erzählt sich Witze. Das ist unsere Unterhaltung. Wie

soll das Theater sich da zurechtfin-den? Welche Art von Theater kann es mit diesen Menschen machen? Es kommt deshalb darauf an, was wir unter Theater verstehen. Solange wir das tote, langweilige Theater, das wir vom Westen kopieren, fortführen, können wir nicht gewinnen: Vorne brennt das Licht, eine Tür, ein Fens-ter, es wird Leben gezeigt. Du sitzt da und schaust es dir an. Du siehst Menschen, die sich streiten, die sich lieben. Egal, wie gut es ist, es kann in keiner Weise besser und attraktiver sein, als eine Serie, die man sich zu Hause im Pyjama auf der couch im Fernsehen anschaut. Und in allen Dörfern der Türkei gibt es zwei Fern-seher pro Haushalt und drei Satelli-tenschüsseln.

Was verleiht dem Theater Bedeutung?Man muss einen eigenen Weg fin-den. Mit unserem Tiyatro oyun Evi spielen wir, seit es uns gibt, nicht nur an einem ort, sondern gehen

auf Tournee. Manchmal müssen wir große Kompromisse eingehen, auf den Großteil unserer Dekoration oder auch auf das gesamte Bühnen-bild verzichten. Wir haben auf Stra-ßen gespielt. Wir haben uns nicht nach den Erwartungen der Zuschau-er gerichtet. Wir haben Genets „Die Zofen“ in einer Stadt wie Diyarbakir gespielt, oder auch Kafka am glei-chen ort. In Hakkari haben wir in einem Kino gespielt. Wir haben niemals darüber nachgedacht, dass die Menschen vielleicht nichts von Genet verstehen. Aber im Gegen-teil: Als wir in Mersin „Die Zofen“ gespielt haben, hat ein 14-jähriger kleiner kurdischer Junge das Stück verstanden, der nicht zur Schule ge-gangen ist. In Istanbul hat es sich ein Dramaturg angeschaut und es nicht verstanden. Aber in Mersin kam der Junge zu mir und meinte „Hey, ihr spielt großartig! Eure Performance ist toll.“ Ich habe ihn gefragt, was er verstanden hat. Er antwortete: „Du und der andere schmieden Pläne die Frau umzubringen, aber sobald sie kommt, könnt ihr nichts unterneh-men. Wenn sie weg ist, steht ihr nur so da.“

Mich hat überrascht, dass es in einer Stadt wie Istanbul, in der über 15 Mil-lionen Menschen leben, eigentlich keine Räume für größere Theaterproduktio-nen gibt. Wie kommt das?Ich weiß nicht, wie viele von diesen 15 Millionen Menschen wirklich le-ben. Je nachdem was wir unter „le-ben“ verstehen!

Das musst du genauer erklären.Während ein Haushalt von 5000 Euro lebt, muss eine Großfamilie direkt auf der anderen Straßenseite von nur 100 Euro leben. Wie sollen wir jetzt berechnen, wie viele Millio-nen Menschen „leben“? Früher hat-ten wir unser Theater im osten von Tarlabasi, dem Vergnügungsviertel von Istanbul. Uns hat nur eine Stra-ße vom Stadtteil Beyoglu getrennt. Dort waren Kurden, Armenier, Ni-gerianer, Prostituierte, Transvestiten – und wir. Damals hat claude Leon, unsere Bühnenbildnerin, umsonst wöchentliche Workshops für Kin-der angeboten. Die Kinder, die mit

„soll reliGion das leben bestimmen oder nicht? soll sie sich in das le-ben einmischen oder soll man sie im privaten ausleben?“

MAHIr GüNSIrAy — MEPHISTANBUL

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normalen Schuhen gekommen sind, konnten sich glücklich schätzen, denn die meisten kamen bei Schnee in Plastiklatschen ohne Socken.

Wie geht eine Gesellschaft mit solchen Unterschieden um? Wie schon gesagt, es ist ein Wunder, wie das funktionieren kann. Viel-leicht gibt es immer noch Werte, auf die man hinarbeiten und aus denen man etwas lernen kann.

Gibt es Werte, die alle verbinden?Die gibt es, aber das ist ein gefähr-licher Punkt. Es gab eine ähnliche Situation in Jugoslawien, die wir Pulverfass nennen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass auch die Türkei auf einem Pulverfass sitzt. Eine Klei-nigkeit könnte jeden Augenblick eine Explosion verursachen. Die Werte, die aus dem traditionellen Bereich kommen, sind zwar einerseits gut, können aber auch zugunsten von Fa-schismus oder auch Nationalismus ausgenutzt werden. Und der Mann in der Türkei braucht Liebe. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch innerhalb der Familie. Er wächst ohne Geld, mit Gewalt und Druck auf. Einerseits herrscht Druck von der Mutter, andererseits vom Vater.

„Der Mann braucht Liebe“ – Welche Rolle spielt Männlichkeit überhaupt in der türkischen Gesellschaft?Der Mann in der Türkei verfügt über mehr rechte als die Frau. Es ist sehr einfach und durchaus möglich, dem mit einem modernen feministischen Ansatz zu begegnen, aber das löst die Sache nicht. Es isoliert den Mann noch mehr.

Halten wir also fest: Der Mann hat mehr Rechte, aber es scheint ihn nicht glücklich zu machen. Was verhindert denn, dass er Liebe bekommt? Er weiß nicht, was Liebe ist. Frauen wissen viel besser, was Liebe und Emotionen sind. Der Mann wächst damit auf, beides zu unterdrücken. Aber gleichzeitig sucht er danach?Natürlich. Er sucht sie, kennt sie aber nicht. (lacht) Aber ich dachte, wir reden darüber, wie ich früher am Set die Mädels geküsst habe.

Wie war das, als du am Set die Mädels geküsst hast?Mit sechs Jahren habe ich meinen ersten Film gedreht. Ich habe ver-sucht alle Frauen am Set zu küssen. Daraufhin hat mir mein Vater verbo-ten Filme zu drehen.

Dein Vater ist ein sehr bekannter Film-schauspieler gewesen. Wie hat das dei-ne Arbeit beeinflusst?Bis ich sieben oder acht Jahre alt war, gab es eine Zeit, in der mein Vater ein großer Star war. Eines Tages hat ein wichtiger Schauspieler, der ein sehr guter Freund meines Vaters war, Selbstmord begangen. Die Produ-zenten haben ihm sein Geld nicht gegeben und deshalb geriet er in eine schlimme Phase und nahm sich das Leben. Daraufhin hat mein Vater eine Pressekonferenz veranstaltet und das Kino komplett aufgegeben. obwohl er einer der Großverdiener des türkischen Kinos war, hatte er

plötzlich nichts mehr in der Hand. Er hat immer sehr spendabel gelebt. Ich selbst bin bei meiner oma unter wirtschaftlich eingeschränkten Ver-hältnissen aufgewachsen. Es kann sein, dass die Einsamkeit in meiner Kindheit mich dazu verleitet hat, Schauspieler zu werden. obwohl ich ein gesundes und temperamentvolles Kind war, hatte ich die Einsamkeit eines Pinguins in mir. Die Stücke, die ich in meinem Zimmer allein gespielt habe, waren wohl der Ursprung.

Und wie bist du zum Film gekommen? Hat dich dein Vater mitgebracht? Oder hast du das gegen den Willen deines Va-ters getan?Mit sechs Jahren ist es natürlich durch meinen Vater passiert. Aber ich bin mit 17 von zu Hause ausgezogen. Ich habe als DJ gearbeitet, als Bagboy in der Kleidungsbranche, habe eine Ausbildung zum Hotelfachmann

absolviert und Lexika vermarktet. Eines Nachts kam ein Mann in die Bar, in der ich als DJ aufgelegt habe. Er fragte, ob wir mal sprechen könn-ten. „Sie sind doch der Sohn von orhan Günsiray, wir würden gerne einen Film mit Ihnen drehen“, sagte er. Am nächsten Tag war ich in der Produktionsfirma und habe meinen zweiten Film gedreht. Danach habe ich gedacht, dass ich Schauspiel ler-nen muss. Bevor ich aufs Konserva-torium gegangen bin, habe ich mit Ballett angefangen und gemodelt. Ich stand für eine berühmte Marke auf dem Laufsteg und meinen ers-ten Bühnenauftritt hatte ich in einer gelben Leggings mit Frauen im Arm im Garten des Archäologischen Mu-seums.

Bist du Schauspieler geworden, obwohl dein Vater so berühmt war, oder weil dein Vater so berühmt und selbst ein er-folgreicher Schauspieler war?Wenn ich Schauspieler werde, kann ich die Mädels besser erobern, habe ich mir gedacht. (lacht)

Wie blickt man von Istanbul aus auf Europa? Fühlt man sich dort Europa zugehörig? Es gab in der Türkei immer ein gewis-ses Interesse und Fortschritte bezo-gen auf Europa. Das geht bis zurück ins osmanische reich. Die Türken sind sowieso nie zur ruhe gekom-men, sie wollten immer überall hin. Wenn Europa heute die Türen öffnen würde, dann würden aus der Türkei alle mit Sack und Pack auf den Au-tos nach Europa fahren. Aus reiner Neugier. Auch ich würde garantiert kommen, um an einer Autobahn zu picknicken.

Glaubst du also, dass es so kommen wird, sobald die Türkei zu Europa ge-hört? Dass es eine Wanderung von der Türkei weg geben wird?Nein, denn bevor die Menschen in unserem Land nicht verschwinden, können wir nicht in die Europäische Union. So lange aber diese Men-schen existieren, werden die Türen geschlossen bleiben.

Was verbindest du mit Deutschland?Ich mag die ruhe, die hier herrscht.

„meinen ersten bühnen-auFtritt hatte ich in ei-ner Gelben leGGinGs im Garten des archäolo-Gischen museums.“

MAHIr GüNSIrAy — MEPHISTANBUL

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Manchmal kann es auch langweilig sein, dass alles so ordentlich ist. Aber andererseits bleibt auch viel Zeit üb-rig, um nachzudenken, weil du dich nicht permanent mit anderen Din-gen beschäftigen musst. In Istanbul hast du keine Zeit zum Nachdenken. Du musst ständig etwas machen und kämpfen. Wann kommt der Bus? Kommt der Bus oder nicht? In wel-che Straße muss ich abbiegen? Be-komme ich ein Taxi oder nicht? Wird es einen Umweg fahren? In welchem Supermarkt kann man olivenöl zu welchem Preis kaufen? In einem Geschäft kannst du Toast für 9 Lira kaufen, in dem Laden gegenüber be-kommst du ihn für 1 Lira. Selbst in einem Supermarkt kann man nicht in ruhe einkaufen gehen. Mit dem ruhrgebiet verbinde ich aber auch die Zeit, in der ich als Schauspieler mit roberto ciulli zusammen gearbeitet habe und die mein Leben verändert hat. Denn ich habe gemerkt, dass alles, was ich bis dahin über Schauspielerei und The-ater wusste, nur Müll war. Das war 1994 und wie ein naives Kind habe ich mich danach wieder mit Schau-spiel und Theater auseinanderge-setzt. Seitdem habe ich immer davon geträumt, eines Tages wieder am Theater an der ruhr als Schauspieler oder regisseur zu arbeiten. Dazu ist es nicht gekommen, aber dafür ver-wirkliche ich jetzt in demselben Ge-biet einen ähnlichen Traum. Ich freue mich auf die Zusam-menarbeit mit deutschen Schauspie-lern am Schauspielhaus Bochum.

Was hat das für dich bedeutet, als dein Vater das Schauspiel aufgegeben hat? War das auch für dich ein entscheiden-der Schnitt im Leben? Ich habe erst viel später realisiert, dass er aufgehört hat. Aber er war von Anfang an dagegen, dass ich Schau-spieler werde. Wir hatten schon im-mer ein sehr schlechtes Verhältnis zueinander. Als ich im Konservato-rium angefangen habe, sollte er ein Formular für mich unterschreiben. Aber er hat es nicht getan und ich musste es mir von meinem opa un-terschreiben lassen. Er sagte „Wenn du diese Schule besuchst, wirst du unglücklich und ein Kommunist!“

mahir Günsiray

wurde in Istanbul geboren. Er stammt aus einer bekannten türkischen Schau-spielerfamilie. Nach seinem Abschluss an einer Schauspielschule in der Türkei machte er seinen Masterabschluss in Regie an der Universität Leeds, Groß-britannien und studierte an der Fakul-tät für bildende Künste an der Mimar Sinan Universität Istanbul. Er lehrte Bewegung, Improvisation, Schauspiel und Regie an den Fakultäten für Theater und darstellende Künste an verschiede-nen Universitäten. 1986 begann er als Schauspieler am türkischen Staatsthea-ter zu arbeiten und gründete 1996 in Istanbul die freie Theatergruppe Tiyatro Oyunevi, mit der er als Regisseur zahl-reiche Stücke und Romanbearbeitungen inszenierte, in denen er teilweise auch selber mitspielte. Darunter “Mann ist Mann” von Brecht, “Die Zofen” von Genet und “Don Quixote” von Cer-vantes. Seine letzte Produktion “Wai-ting...” entstand als Koproduktion mit dem internationalen Seas-Festival und wird in verschiedenen europäischen Hafenstädten gezeigt.

Faustvon Johann Wolfgang von Goethe

Premiere am 4. Dezember 2010 im Schauspielhaus

Seine Suche nach Glück und Erkenntnis hat ihn weltbe-kannt gemacht: Wie kaum eine andere Figur der Weltlite-ratur stellt Goethes Faust die großen letzten Fragen nach Gut und Böse, nach dem Wesen der religion, nach Wahr-heit, Grund und Sinn des Menschseins und nach Liebe. Und weil ein Menschenleben allein nicht ausreicht, um all das zu ergründen, was „die Welt im Innersten zusammen-hält“, verbündet sich dieser Glückssucher mit dem Teufel selbst – und bleibt dabei doch nur ein rädchen im Spiel der Großen und Höchsten, und bei deren zynischer Wette Ge-genstand und Einsatz zugleich. Mit seinem Faust entwirft Goethe aber auch die deutscheste aller literarischen Figu-ren, die tief in der deutschen Geistesgeschichte verwurzelt ist. Im ersten Teil seines Lebenswerkes schickt er Faust als den Prototyp des zweifelnden Intellektuellen auf die reise durch eine Welt der Verführung, immer auf der Suche nach dem einem, dem glücklichen Lebensmoment. Im späteren, zweiten Teil lässt er Faust dann selbst eine Welt erschaffen und daran scheitern, voller utopischer Hoffnung alle Ge-gensätze auszusöhnen und zu einem klassischen Lebensi-deal zusammenzuführen. Der Istanbuler regisseur Mahir Günsiray verbindet bei-de Teile und blickt vom südlichsten rand Europas auf den Goetheschen Kosmos und seinen Protagonisten. Nicht auszuschließen, dass sein Faust ganz andere Fragen hat oder andere Antworten auf die bekannten Fragen findet. oder einfach nur nach Süden wandert.

Regie: Mahir GünsirayBühne: Claude LeonKostüme: Meentje NielsenDramaturgie: Thomas Laue

AUS DEM TürKIScHEN VoN SELEN KArA

Und ich bin beides geworden.

Soll man also besser auf seinen Vater hören?Nein. Ich bin sehr glücklich darüber, unglücklich zu sein.

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Zeitreise

Katharina thalbach — Zeitreise

text: sabine reichFotos: leonie Droste unD steFania tosi

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Katharina thalbach — Zeitreise

„in Venedig fällt einem immer was ein“, sagt Katharina thalbach, als sie mich für die Vorbereitungen zu ihrer inszenierung des „cyrano de bergerac“ nach Venedig einlädt. Ka-tharina thalbach in Venedig? berlin, das ist doch ihre stadt. in berlin ist sie geboren, in berlin lebt sie. Mit fünfzehn steht sie das erste Mal auf der bühne des berliner ensembles, ist dort elevin und schauspielerin, 1976 wechselt sie von ost nach West, spielt und inszeniert auf den bühnen der stadt, spielt brecht und haupt-mann. sie dreht mit schlöndorff „Die blechtrommel“ und mit haußmann „sonnenallee“. eine sehr deutsche Biografie, denkt man, und ein Stück deutscher theatergeschichte. Doch ein teil ihrer Geschichte findet seit Jahren in Venedig statt, der rest in ganz europa. „einmal im Jahr bin ich hier in Venedig“, erzählt sie. „Früher war ich in Venedig, weil mein Vater hier lebte. oft bin ich aber hier, um ezio toffolutti1 zu sehen. Ich kenne viele leute, die hier leben: Meine halbschwester lebt hier, ulrich tu-kur2 zum beispiel, und dort ist das haus von coline serreau3.“

ihr Vater benno besson4 stammt aus der französischen Schweiz, kam aus Zürich nach ostberlin5, um am berliner ensemble an der seite von brecht theater zu machen. er führte erfolgreich regie, verließ jedoch nach Konflikten das Berliner Ensemble, wechselte ans Deutsche theater und übernahm 1974 die Leitung der Volks-bühne berlin, die unter seiner inten-danz zur wichtigsten bühne der DDr wurde. 1978 verließ er die DDr, ging nach Paris und inszenierte anschlie-ßend in ganz europa. an seiner seite

arbeitete immer wieder der venezia-nische Kostüm- und bühnenbildner ezio toffolutti. auch ihn interessierte das politische theater brechts, dafür tauschte er 1971 das sonnige Vene-dig gegen ostberlin. „Grau war es, sehr grau“, erinnert sich ezio an sei-ne ersten Jahre in Deutschland, „aber das theater war sehr aufregend.“ heute entstehen in seinem atelier in Venedig die bühne und Kostüme für „cyrano de bergerac“. seit vie-

len Jahren schon arbeitet Katharina thalbach mit ezio und beschreibt ihr Verhältnis als ein sehr besonderes. „ezio und ich haben eine gemeinsa-me sprache und natürlich eine ge-meinsame Geschichte. Wir müssen uns nicht mehr erklären. Ezio hat die DDR kennen gelernt, besonders auch die theaterwelt in der DDr, daher weiß er, was meine Wurzeln sind. in Venedig habe ich seine Wurzeln ken-nen gelernt. inzwischen sind das un-sere Wurzeln, weil ich seit 25 Jahren immer mit Venedig zu tun habe. Das ist eine symbiose geworden.“

sie erinnert sich an die erste Zeit, als Ezio nach Berlin kam und kaum ein Wort Deutsch konnte. Er begann als hospitant und machte schnell Karriere.

„Ich kenne Ezio, seit ich 17 Jah-re alt bin. Todschick! Das war mein

1 ezio toffolutti, geboren 1944 in Venedig, ist büh-nenbildner, Kostümbildner, regisseur und Maler.2 Ulrich Tukur, deutscher Schauspieler3 coline serreau, französische Filmemacherin und Drehbuchautorin. ihr Film „Drei Männer und ein baby“ (1986) wurde ein internationaler Erfolg wie auch ihr Bühnenstück „Hase Hase“, das benno besson 1986 mit Katharina thalbach in der hauptrolle inszenierte. sie arbeitete und lebte viele Jahre mit benno besson zusammen, mit dem sie drei Kinder hat.4 benno besson, schweizer schauspieler, regisseur und theaterleiter. er ist der Vater von Katharina thalbach, ihre Mutter war die schauspielerin sabine thalbach.5 ostberlin, das Gebiet berlins, das nach der teilung der stadt durch die siegermächte des Zweiten Weltkrieges 1945 den sowjetischen Sektor bildete. Faktisch Hauptstadt der Deutschen Demokrati-schen Republik von 1949 bis 1990.

„TheaTer haT miT Ver-gnügen zu Tun. es ging um die grosse Forde-rung, TheaTer Für alle zu machen.“

ein spaziergang mit Katharina Thalbach durch Venedig, bei dem man sich zwar verlaufen kann, aber immer weiterkommt.

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6 Giudecca: Die langgestreckte, südlich von Venedig gelegene Insel befindet sich gegenüber dem „Zattere” und ist von Venedig durch den canale della Giudecca getrennt. Die Giudecca ist heute überwiegend von arbeitern und einfacheren leuten bewohnt, erfreut sich mittlerweile aber wachsender beliebtheit bei der internationalen Prominenz.7 „Kinder des Olymp“, französischer Spielfilm, gedreht 1943 bis 1945 von Marcel carné, Drehbuch Jacques Prévert. Der Film gilt als herausragendes Beispiel des poetischen Realismus in Frankreich.8 thomas brasch, deutscher schriftsteller, Drama-tiker, Drehbuchautor, Regisseur und Lyriker. Er war 1976 Mitunterzeichner der resolution gegen die ausbürgerung von Wolf biermann und verließ daraufhin zusammen mit Katharina thalbach und ihrer tochter anna thalbach die DDr. er erhielt für seine Filme und texte zahlreiche auszeichnungen und Preise. Er starb 2001 in Berlin. Thomas Brasch war der lebensgefährte von Katharina thalbach.9 heiner Müller, deutscher schriftsteller, 1929-1995, wichtiger autor der DDr, schrieb theaterstü-cke und führte selber Regie. 10 Matthias langhoff und Manfred Karge, theater-regisseure

erster Eindruck, als Ezio damals nach Ostberlin kam. Er sah todschick aus. Das war die Zeit der taillierten hem-den damals. Für mich war ezio, um es mal ganz ehrlich zu sagen, die gro-ße weite Welt. ein Venezianer in ber-lin – das kann man sich ja vorstellen, dass das einigermaßen aufsehen er-regte. Er konnte total anders Spagetti kochen. Die haben zum ersten Mal geschmeckt!“

Das alles erzählt sie auf dem Weg ins „cinema toffolutti“, der neues-ten Erfindung von Ezio: ein altes, leer stehendes Kino dient ihm seit einem Jahr als atelier und ausstellungs-raum. einstmals befand sich in den räumen ein Parteibüro der Kommu-nistischen Partei, danach eines der Faschisten, dann wurde es zu einem Kino, bevor es viele Jahre leer stand.

„heute müssen wir ein Vaporetto nehmen, um ins Atelier zu kommen, aber früher hatte ezio eine eigene Gondel, die er selber restaurierte. Damit ruderte er uns oft nach Gi-udecca6.“

Der Venezianer toffolutti und der schweizer besson haben im ostber-lin der siebziger Jahre eine eigene art von Theatersprache entwickelt, die ein Stück Commedia dell’Arte nach Preußen brachte. „bennos theater-verständnis war ein sehr ungewöhn-liches, auch in der DDr. aus der französischen Schweiz kommend,

war er mit einer ganz anderen art von theater groß geworden. seine lehrzeit begann in Paris, geprägt von Arbeiten wie ‚Kinder des Olymp’7. Mit den leuten, die diesen Film machten, hat er gearbeitet. Diese Qualität schätzte auch brecht sehr an benno. er war aber nicht nur der pedantische brechtschüler, sondern bei ihm hatte theater auch etwas mit Vergnügen zu tun. Das habe ich von Benno gelernt. Nie trocken-es lehrtheater. ob das nun brecht oder Shakespeare ist, egal. Es ging um die große Forderung, theater für alle zu machen. es war ja nun mal schwierig damals und man wollte ein politischer spiegel sein. Von der bühne wurde die öffentliche Mei-nung verkündet und vom Publikum verstanden. es war eine ganz eigene Art von Volkstheater. Benno hat zum Beispiel diese Spektakel erfunden und in allen räumen und Gängen theater gespielt. Das war neu, als wir jung waren. Wir haben Stücke inner-halb von einer Woche auf die bühne gebracht, von jungen autoren, de-ren Texte wir so auf Brauchbarkeit überprüften. Das waren autoren wie thomas brasch8, aber auch heiner Müller9. Das Feuilleton war sowieso wurscht, was das Publikum dachte, das war viel interessanter. Diese hal-tung hat uns geprägt. benno hat sehr viele leute zugelassen und gefördert, Künstler wie zum beispiel Karge/langhoff10. Das hatte alles mit einer großen Großzügigkeit zu tun, aber vor allem mit einem Riesenspaß! Das haben wir sicher mitgenommen.“ Katharina thalbach verließ, wie auch ihr Vater und viele andere, ende der siebziger Jahre die DDr. unter ih-

„ein Venezianer in osT-berlin – das erregTe ei-nigermassen auFsehen!“

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nen auch die beiden regisseure Mat-thias langhoff und Manfred Karge, die in den frühen 1970ern bei Ben-no Besson an der Volksbühne insze-nierten, wo sie mit regisseuren und autoren wie Fritz Marquardt, hei-ner Müller und anderen namhaften DDR-Künstlern die berühmte Volks-bühnenära nach 1945 prägten. 1977, nach dem Weggang des intendanten benno besson, arbeiteten und lebten Karge/langhoff im Westen. in bo-chum, wo sie unter der leitung von claus Peymann regelmäßig insze-nierten, brachten sie die arbeiten von vielen Künstlern aus der DDr auf die bühne und machten sie in Westdeutschland bekannt, so zum beispiel thomas brasch mit seinem Stück „Lieber Georg ...“ (Urauffüh-rung 1980) sowie Heiner Müller (1983, „Verkommenes Ufer ...“).

Zusammen mit thomas brasch lebte Katharina thalbach in Westber-lin und verlor ezio toffolutti für eini-ge Zeit aus den augen. „Die nächste große begegnung war dann wieder in Zürich, als Benno dort ‚Hamlet’ inszenierte, mit christoph Waltz11 als hamlet und mir als ophelia. Das war 1983. So kamen wieder die Tü-cher von ezio auf die bühne. Dann haben wir das erste Mal hier in Vene-dig zusammen gearbeitet, um ‚Mac-beth’12 vorzubereiten. Das war meine erste regiearbeit und ich brauchte jemanden, der mit einem kleinen Etat etwas Besonderes bauen konnte. Für mich kam nur Ezio in Frage. Als Venezianer arbeitet ezio eigentlich immer mit schiffsprinzipien. er er-klärte uns, dass die ersten Techniker im Barocktheater Matrosen gewesen waren. Die theatermaschine mit ih-

ren schnellen Wechseln ist gemacht wie ein schiff mit vielen segeln. so wie die Matrosen die segel setzten mit stoff und seilen, so hat ezio auf der bühne räume gewechselt und verändert. Mit ‚Macbeth’ wurden wir zu Gastspielen in ganz europa eingeladen.“

seitdem arbeitet Katharina thal-bach europaweit als schauspielerin und regisseurin: sie steht auf der bühne in Paris und Zürich, insze-niert „Die Fledermaus“ am teatro sao carlos in lissabon, spielt in in-ternationalen Filmproduktionen, doch Venedig bleibt eine ganz wich-tige station. „Venedig ist die leben-digste stadt der Welt. Du hast eine besondere beziehung dort zu dem raum, in dem du bist. in Venedig arbeitet man anders als in anderen

städten. Das liegt an vielen Dingen, aber auch an der Lagune. Es gibt kei-ne stadt auf der Welt, wo die natur zweimal am tag die stadt verändert: es gibt hier ebbe und Flut. Die lagu-ne ist lebendig. auch die häuser le-ben, sind ständig in bewegung. Das Wasser wechselt durch das salz die Farbe, das Licht und die Perspektive ändern sich. Diese stadt ist gebaut

11 christoph Waltz, österreichischer schauspieler, der 2010 den Oscar für seine Rolle des Hans Landa in dem Film „inglourious basterds“ von Quentin tarantino erhielt.12 „Macbeth“ von William Shakespeare, erste regiearbeit von Katharina thalbach 1987 in der Werkstattbühne des Berliner Schillertheaters.

„ich habe mich auF mei-ner ersTen reise nach Venedig wirKlich ge-FürchTeT Vor der sTadT. man FühlT sich hier wie in einem zeiTTunnel, zu-rücKVerseTzT in die ge-schichTe.“

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wie ein organismus, ist ein lebendi-ger Körper und ein labyrinth.“

Das stimmt – gerade jetzt haben wir uns verlaufen. Für 2,50 € kau-fen wir einen stadtplan, auf dem wir den namen der straße, in der wir ezios Wohnung vermuten, nicht finden. Irgendwie in diese Richtung, hier kann kein Weg der falsche sein und wen interessiert schon das Ziel, wenn es an jeder Ecke Schönes aus allen Jahrhunderten, Zeiten und Epochen zu entdecken gibt. Sich ver-laufen, komplett die Orientierung verlieren, auf schwankendem Boden stehen und dann doch weiterkom-men, wohin auch immer, ist eine sehr typische erfahrung in Venedig. Dass weiß auch Katharina thalbach.

„Meine erste touristenreise ging nach Venedig und endete irgend-wann nachts im canale Grande. Das war eine sehr bedeutsame erste rei-se, weil ich mich wirklich gefürchtet habe vor dieser stadt. Man fühlt sich

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Cyranode BergeraCvon Edmond Rostand

Premiere am 29. Januar 2011 im Schauspielhaus

Ein Unzeitgemäßer war er, ein Freigeist und Erfinder, ein Poet und ein großer utopist. cyrano de bergerac lebte von 1619 bis 1655. in seinen schriften reiste er zur sonne und zum Mond und wusste genau, dass der Mond eine Welt unter vielen ist, so wie die erde, die sich bewegt und um die Sonne kreist. Das war vermessen und mutig in einer Zeit, in der Galileo widerrufen musste und die scheiterhau-fen noch schwelten. Keine Regel respektierte er und kein Gesetz, am wenigsten das der Kirche. scharf waren sein Degen und sein Verstand, sein Witz und sein Geist. Wen wundert es, dass dieses heiße herz sich mit allen anlegte, mehr Feinde als Vertraute hatte und aller Wahrscheinlich-keit nach einem Anschlag zum Opfer fiel. Seine Schriften verschwanden und wir wissen nicht viel mehr über ihn als das, was Edmond Rostand in seinem Stück „Cyrano de Ber-gerac“ 1897 über ihn verewigt hat. Ob es Roxanne wirklich gab, das wissen wir nicht, aber wir glauben ganz sicher an die reinheit und tiefe seiner liebe zu ihr, die er verschwieg ein leben lang. im namen seines Freundes fand er die schönsten Worte der liebe, schrieb die leidenschaftlichs-ten briefe und gestand doch niemals, dass es sein eigenes herz war, das sprach. noch eines wissen wir: er hatte eine große nase. armin rohde spielt den cyrano de bergerac in der regie von Katharina thalbach.

Regie: Katharina ThalbachBühne und Kostüme: Ezio ToffoluttiMusik: Emanuel HauptmannDramaturgie: Sabine Reich

In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität

KaTharina Thalbach

„Kathi ist die Bühne. Wenn sie auf der Bühne ist, passiert etwas“, sagt Ezio Toffolutti über Katharina Thalbach.

Sie ist Schauspielerin, dreht Filme und steht auf der Bühne, ist aber auch seit vielen Jahren Theater- und Opern-regisseurin. Im Westen wurde sie 1979 durch den Film „Die Blechtrommel“ von Volker Schlöndorff berühmt, in der DDR war sie schon lange ein Star. Sie wurde 1954 in Ostberlin geboren und ist die Tochter des Regisseurs Benno Besson und der Schauspielerin Sabi-ne Thalbach. Sie war Elevin am Berli-ner Ensemble bei Helene Weigel und de-bütierte mit 15 Jahren als Hure Betty in „Die Dreigroschenoper“. Bis 1976 folg-ten weitere erfolgreiche Auftritte an den großen Ostberliner Bühnen und ver-schiedene Rollen in zehn DEFA-Filmen. Im Jahr 1976 siedelte Katharina Thal-bach nach Westberlin über. Sie arbeitete weiterhin am Theater mit den Regis-seuren Thomas Brasch, Jürgen Flimm, Benno Besson, Hans Neuenfels, Jérôme Savary und Leander Haußmann, mit dem sie 1999 den Film „Sonnenallee“ drehte. Ihr Debüt als Regisseurin gab sie 1987 mit Shakespeares „Mac-beth“ in Berlin am Schillertheater, wo sie viele Jahre engagiert war. Zu ihren Inszenierungen gehörte auch „Der Hauptmann von Köpenick“ am Maxim Gorki Theater mit Harald Juhnke in der Hauptrolle. Ihre letzten Operninsze-nierungen waren 2008 „Rotter“ an der Oper Köln und 2009 „Der Barbier von Sevilla“ an der Deutschen Oper Berlin. Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche Film- und Theaterpreise.

hier wie in einem Zeittunnel, wird zurückversetzt in die Geschichte. Da-mals war die stadt noch viel ruhiger, es gab nur einen Maskenladen am Markusplatz. Wenn wir jetzt wieder ein Vaporetto nehmen und von Giu-decca nach Venedig fahren, kom-men wir direkt zu San Marco. Die Seufzerbrücke ist zur Zeit gar nicht mehr zu sehen, die ist eingemauert hinter riesigen Bulgari-Plakaten.“

Was kann schon ein Bulgari-Pla-kat der Schönheit Venedigs anha-ben? Die alte Stadt zuckt die Achseln und lacht. Wir haben uns wunder-bar verlaufen und ezios Wohnung gefunden. Darin wartet auf uns das Modell für die bühne von „cyrano de bergerac“. in wenigen Monaten schon beginnen die Proben. Der schauspieler armin rohde wird als cyrano seine eigene reise antreten, nicht nach Venedig, aber zum Mond vielleicht. Venezianische Wechsel garantiert.

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Jan Klata auf dem weg nach ameriKa

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Linker Katholik, konservativer Re-bell, klassikaffiner Punk – nicht nur Talent und eine bildmächtige Fan-tasie, auch seine widersprüchliche Persönlichkeit machen Jan Klata zu einem der interessantesten Regisseu-re des europäischen Gegenwartsthe-aters.

Klata ist das Kind einer von Para-doxien geprägten Zeit. Seine Genera-tion sah bekennende Marxisten, mit Michael Gorbatschow an der Spitze, den Kommunismus zu Grabe tragen. Sie erlebte mit, wie einstige Parteige-nossen und ehemalige Dissidenten Hand in Hand ein neues System un-ter marktliberalen Vorzeichen errich-teten. Und sie debütierte zu einem Zeitpunkt, an dem islamistische Fa-natiker die Geschichte, die 1989 zum Stillstand gekommen schien, wieder ins Rollen brachten.

Wer wie Klata in einem Schmelz-tiegel widersprüchlicher Ideen, Tra-ditionen und Ideologien aufwuchs, ist meist vor allem eines: kritisch. Er traut weder den Sympathisanten des Ancien Régime, noch den Propheten der schönen neuen Welt. Er steht den Sozialutopien des vergangenen Jahrhunderts ebenso skeptisch ge-genüber wie den liberalen und neoli-beralen Dogmen des neuen. Er sucht eigene Wege durch eine von Span-nungen und Konflikten geprägte glo-balisierte Welt – auf eigene Faust und auf eigenes Risiko.

Genau so ist auch Jan Klatas The-ater. Schon mit seinem Regiedebüt stellte er den polnischen Status quo in Frage, der auf Abmachungen zwi-schen Vertretern der einstigen Oppo-sition und den zu Postkommunisten gewendeten Repräsentanten der al-ten volksrepublikanischen Nomen-klatura beruhte. In Wałbrzych, einer abgewirtschafteten Bergbaustadt in der niederschlesischen Provinz, ver-setzte er 2003 Gogols „Revisor“ ins kommunistische Polen der 1970er Jahre. Die nach dem damaligen Pre-mier Gierek benannte Epoche, eine Zeit des wirtschaftlichen und ge-sellschaftlichen Fortschritts und der Öffnung nach Westen, aber auch der Korruption und des politischen Zynismus, diente Klata als Zerrspie-gel für das von politischen Affären, Arbeitslosigkeit und Korruption ge-

JAN KlATA — AUF DEM WEG NAcH AMERIKA

plagte Polen der Gegenwart.Spätere Inszenierungen führten

die radikale Kritik an den Verhältnis-sen im postkommunistischen Polen fort. Seine schlicht „H.“ betitelte Hamlet-Version in der Danziger Werft 2004 war eine Abrechnung mit den politischen Eliten des lan-des, denen nach 1989 im Kampf um Macht und Pfründe das Ethos der gesellschaftlichen Solidarität ab-handen gekommen war. Schon der Spielort symbolisierte den Verfall: Eine heruntergekommene Halle in der ehemaligen lenin-Werft, der Wiege der „Solidarnosc“ und einem der ersten Opfer der kapitalistischen Marktwirtschaft.

Den Regisseur Jan Klata interes-siert aber keineswegs nur die Gegen-wart, er setzt sich auch mit der Ver-gangenheit auseinander. In seiner Fassung von Stanisław Ignacy Witkie-wiczs „Fizdejkos Tochter“ legte er die latenten, anlässlich des polnischen EU-Beitritts wieder aufgebrochenen Ängste und Psychosen von Polen und Deutschen offen. Die Deut-schen zeigte Klata als Technokraten, denen immer noch die Gespenster von Auschwitz nachspuken. Die Po-len wiederum präsentierte er dem deutschen Stereotyp entsprechend als betrunkene Arbeitslose, die ihre Habseligkeiten in Plastiktüten mit sich herumschleppen. „Transfer!“, eine auf Erzählungen polnischer und deutscher Opfer der Vertreibungen um 1945 basierende Theaterdoku-mentation, zeigte dagegen die Per-spektive einer Versöhnung auf, in der das leid des anderen anerkannt wird, ohne die historischen Fakten und die Differenz der Erfahrungen zu leugnen.

Mit der Zeit erweiterte Klata die Kampfzone und wandte sich globalen Themen zu. Er befasste sich mit dem Krieg gegen den Terrorismus und den Mechanismen der Erzeugung von Furcht, er kritisierte die Mediende-mokratie, in der Medien und Mei-nungsforschungsinstitute die Macht übernommen haben, er fragte nach dem Sinn von Revolutionen in ei-ner postpolitischen Welt, die keine Klassenkonflikte mehr kennt. Und mitten in der Finanzkrise analysier-te er 2009 in „Das gelobte land“ die

Polen macht seine theatermacher zu stars, die auf der strasse erKannt werden. der theaterKritiKer roman PawŁowsKi, der für die grösste tageszeitung des landes schreibt, PortrÄtiert einen von ihnen und zeigt, warum das theater des regisseurs Jan Klata zwischen PoP, Poesie und PolitiK für aufregung weit über den zuschauerraum hinaus sorgt.

TExT: ROMAN PAWłOWSKIFOTOS: cHRISTIAN ROlFES

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kranke „Geiz ist geil“-Mentalität des neoliberalen Kapitalismus.

Das treffendste Bild der post-modernen Welt zeichnete Klata in seiner Inszenierung von Stanisława Przybyszewskas epischem Drama „Die Sache Danton“. Er verlegte die Handlung in einen Slum unserer Zeit, ließ die Revolutionäre aber in Kostümen des 18. Jahrhunderts auf-treten. Zwischen Hütten aus Pappe und Wellblech wirkte Robespierres und Dantons verbissenes Ringen um die Führerschaft grotesk, die Revolu-tion wurde zur Farce. Eindrücklicher lässt sich ein Abgesang auf die Ideale der französischen Revolution kaum gestalten.

Klata entwickelt seine Kapita-lismus- und Utopiekritik aus der Position des bekennenden und en-gagierten Katholiken. Sein Danziger Hamlet zog auf Polonius’ Frage „Was leset Ihr, mein Prinz?“ ein Gotteslob aus der Tasche und zitierte aus den Zehn Geboten. Als gläubiger Ka-tholik – einer von sehr wenigen in der gegenwärtigen Theaterlandschaft – steht er gleichwohl dem in Polen weit verbreiteten religiösen Fanatis-mus äußerst kritisch gegenüber. Das zeigt seine Adaption von André Gides Roman „Die Verliese des Vatikan“, in der er religiösen Fanatismus und westlichen Nihilismus konfrontierte. Auf der einen Seite standen die Hörer des ultrakatholischen Senders Radio Maryja, die sich in einer Festung der Intoleranz und Fremdenfeindlich-keit verschanzten, auf der anderen Seite Jugendliche, die durch Popkul-tur und antikirchliche Einstellungen geprägt wurden. Klata ließ sie ihren Streit musikalisch austragen: Die ei-nen sangen ein Madonnenlied, die anderen antworteten mit „Sympa-thy for the Devil“ von den Rolling Stones.

Der politischen Radikalität Klatas entspricht die Radikalität seiner The-atersprache. Jan Klata ist ein DJ auf dem Regiestuhl: Er scratcht Inszenie-rungen, indem er klassischen Stü-cken Gossensprache untermischt, er loopt Repliken, um den Effekt stillstehender Zeit zu erreichen, er sampelt die unterschiedlichsten Tex-te und lässt etwas Neues daraus ent-stehen. Eine Schlüsselrolle in seinen

Roman PawŁowski IST THEATERKRITIKER UND REDAKTEUR DER „GAZETA WyBORcZA“, DER GRÖSSTEN üBERREGIONAlEN TAGESZEI-TUNG POlENS.

AUS DEM POlNIScHEN VON BERNHARD HARTMANN

Jan Klata

wurde 1973 geboren und studierte Regie an der Warschauer Theater-akademie und später an der staatlichen Theaterschule Krakau. Er assistier-te polnischen Theatergrößen wie Jerzy Grzegorzewski oder Krystian Lupa. Seine erste Inszenierung von Nikolai Gogols „Revisor“ wurde als wichtigstes Debüt des Jahres 2003 ge-feiert. Seither inszeniert Jan Klata an den bedeutendsten Bühnen Polens, in Warschau, Krakau und Wrocław. Sei-ne Inszenierungen waren auf diversen Festivals im Ausland zu sehen, so unter anderem am HAU Berlin, beim Festival d’Automne in Paris oder beim Interna-tionalen Festival Buenos Aires. 2006 inszenierte Jan Klata in Graz erstmals im deutschsprachigen Raum und 2009 am Düsseldorfer Schauspielhaus zum ersten mal in Deutschland. Seine In-szenierungen wurden mit zahlreichen bedeutenden polnischen Theaterpreisen ausgezeichnet.

AmerikAvon Franz Kafka

Premiere am 2. April 2011 im Schauspielhaus

„Wir wollen nicht das Neuste lesen – wir wollen das Bes-te, das Bunteste, das Amüsanteste lesen. Ja, also Amerika“, schrieb Kurt Tucholsky in einer Kritik zur Veröffentlichung des Romanfragments „Amerika“ von Franz Kafka. Das un-vollendete Werk erzählt die Geschichte von Karl Rossmann, der von seinen Eltern nach Amerika geschickt wird und nun fern der Heimat lernen muss, erwachsen zu sein. Kaf-kas Erzählung ist mit all dem ausgestattet, was die literatur des Prager Versicherungsangestellten so unverwechselbar macht. Der 16-jährige Immigrant Rossmann bemüht sich nach Kräften, die Regeln in der neuen Welt zu verstehen und zu befolgen. Doch er strauchelt ständig in dieser kom-plizierten, verwirrenden Welt. Erst sind es die unverständ-lichen und ungerechten Gesetze des mächtigen, reichen Onkels, dann die kriminelle, ausbeuterische Energie der zwielichtigen Wandergesellen, später die Durchtriebenheit der älteren liftboys im Hotel Occidental, die ihm das leben schwer machen. Doch Karl verliert nicht seine Zuversicht. Die durchaus komische Geschichte hat viele Momente, in denen die Sache auch gut gehen könnte, wenn beispiels-weise die Oberköchin des grotesken Hotels Karl Obdach und Arbeit verschafft. Und auch Glück scheint möglich in diesem überfordernden Fantasie-Amerika: Karl stellt sich zu den Engeln mit den Trompeten in die Reihe, um beim großen Naturtheater von Oklahoma auf eine Anstellung zu hoffen.

Regie: Jan KlataBühne und Kostüme: Justyna Łagowska, Mirek KaczmarekChoreografie: Macko PrusakDramaturgie: Olaf Kröck

Inszenierungen spielen Musikzitate: In „Die Sache Danton“ sind es „Re-volution No. 9“ von den Beatles und „Talkin’ bout a Revolution“ von Tracy chapman, in „Schuster.am.Tor“ ist es „london calling“ von The clash, und in „Das gelobte land“ ist „In the Air Tonight“ von Phil collins zu hö-ren. Die symbolische Bedeutung die-ser und anderer Zitate ist von einem popkulturell sozialisierten Publikum leicht zu erfassen.

Manche Zuschauer irritiert die Brutalität von Klatas Inszenierungen, die direkt und plakativ daherkom-men wie Parolen an Häuserwänden. Wer nur einen angenehmen Abend im Theater verbringen möchte, für den sind sie nichts. Doch genau so muss Theater sein: unbequem und beunruhigend. Nur so lebt es. Nur so hat es einen Sinn.

JAN KlATA — AUF DEM WEG NAcH AMERIKA

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Ich bin eine Spielemacherin: Obwohl ich eigentlich die Verwandlung des Lebens in ein reines Spiel ablehne, ver-suche ich als Künstlerin eine Form zu entwickeln, die sich der Verwechslung des Spiels mit dem Leben widersetzt. Mein Theater konzentriert sich auf das Spiel.

Zurzeit behandeln wir alle unser Leben als ein Spiel, ein Spiel, in das wir nicht eingreifen können, das uns keine Wahl zu lassen scheint. Leben und Spiel werden von den aktuellen Strömungen in der Kunst negiert. Wir wissen nicht, was real und was virtuell ist. Leben und Spiel ver-schwimmen zunehmend. Dagegen steht für mich das The-ater. Das Theater, das von der Realität des augenblicklichen Momentes erzählt. Theater ist nicht Leben, sondern strikt etwas anderes.

Als ich in den frühen achtziger Jahren Schauspiel stu-dierte, waren die Veränderungen, die in der Welt gescha-hen, so schnell und intensiv, dass sie beinah überall greif-bar wurden. In diesen Jahren interessierte mich besonders die Frage, wie Performance-Kunst aussehen könnte. Als Künstlerin fragte ich mich, wie man zeitgenössisches The-ater machen könne, das die Realität des augenblicklichen Momentes in sich aufnimmt, ohne seine eigene künstli-che Form zu verschleiern. Ich wollte das Theater zu einer aktuellen, zeitgenössischen Kunstform machen.

So habe ich eine Form entwickelt, die ich „Darstellen-de Aufführungs- und Schauspielmethode“ nenne. Meine Methode entstand als Auseinandersetzung und Kritik an den formalen Theatermitteln und an einer Tendenz in den Künsten, das Leben zunehmend zu ästhetisieren. Gerade das Theater, das mit einem kritischen Anspruch formuliert wurde, gab eine naturalistische und sehr idealistische Ab-bildung der Welt wieder. Ich aber war auf der Suche nach einem Theater, das einem zeitgenössischen Publikum und seiner Sichtweise entsprach und das dennoch der Realität des Aktuellen gerecht wurde. So gründete ich meine eige-ne Ausbildungsstätte „Studio“, aus der heraus sehr schnell

ein eigenes Ensemble entstand: Die „Studio Oyunculari“ („Studio Spieler“), eine unabhängige Company, die ohne finanzielle Unterstützung arbeitet und mit der ich auf der Suche nach neuen Arbeitsweisen und Theaterformen bin. Wir arbeiten seit nahezu zwanzig Jahren in derselben Spielstätte. Das ist kein einfacher Ort, aber oft inspirieren Schwierigkeiten unsere Kreativität. Wir haben dort eine Bühne mit 45 Sitzen und ein kleines Studio, in dem unsere Workshops stattfinden. Dort unterrichte ich Schauspie-ler, Autoren und junge Regisseure in meiner Arbeitsweise. Dort spielen wir aber auch unsere Produktionen. Unsere großen Arbeiten seit dem Ende der neunziger Jahre bringen wir jedoch auf anderen Bühnen heraus.

„Spieler“ ist der wichtigste Begriff in meiner Arbeit. Damit ist hier nicht „Schauspieler“ gemeint, sondern „Spiel-Spieler“. Schauspiel und Virtuosität sind nur das Handwerk, mit dem wir unser Spiel spielen. In meinen In-szenierungen fühlt sich der Spieler weder in die Psyche der Rolle hinein und durchwandert die Labyrinthe des Unbe-wussten noch steht er als epischer Erzähler neben seiner Rolle. Dem „Spiel-Spieler“ und seiner Rolle ist es erlaubt und möglich, sich in unzähligen Schichten zu überlagern. Sie sind gleichzeitig anwesend und erkennbar. In all ihrer Sichtbarkeit und Realität existieren die Theaterfigur und der Spieler in einem Augenblick. Sie erzählen und begrün-den sich gegenseitig.

Das Spiel fordert vom Spieler Ehrlichkeit im Hinblick auf die realen Risiken und Herausforderungen des Augen-blicks. Die Glaubwürdigkeit des Spielers erwächst in dem, was er tut, unter den Bedingungen, die der Regisseur ihm bietet. Das Publikum ist überzeugt, dass diese Handlung nur so und nicht anders unter den gestellten Bedingungen möglich sein konnte. Es geht nicht darum, das Publikum etwas glauben zu lassen, sondern es zu überzeugen, indem es die Bedingungen der Inszenierung und die Sprache der Ästhetik versteht. In diesem realen Augenblick vollzieht

SPIELREGELN

TExT: SAHIKA TEKANDFoToS: UgUR TaSkin

SAHIKA TEKAND — SPIELREGELN

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Der aufhaltsameaufstieg Desarturo uivon Bertolt Brecht

Premiere am 28. Mai 2011 im Schauspielhaus

aufhaltsam war er, der aufstieg des arturo Ui, und konnte dennoch nicht verhindert werden. Ein kleiner Gangster in schwierigen Zeiten, nicht mehr und nicht weniger ist er. Die Konjunkturkrise ist groß und die Wirtschaft verunsi-chert. Er nutzt die schlechten Zeiten, für sich. Korruption, Mord und Terror sind die Mittel, mit denen er die Stadt und die Händler in seine Hände bringt. Niemand stellt sich ihm entgegen, nichts kann ihm Einhalt gebieten. Warum? Weil sie ihm glauben? Weil er sie überzeugt? Ihnen aus der Seele spricht? Weil er die Show beherrscht, am besten von allen? An wen denken wir heute, wenn wir Brechts Parabelstück aus dem Jahr 1958 lesen? An Berlusconi-Superstar oder an Hitler, dessen Karriere Brecht modellhaft nachzeichnet? Es ist nicht Hitler, der gewinnt, es sind die anderen in der Stadt und in der Politik, die verlieren. Sie verlieren ihre Glaubwürdigkeit und ihre Identität, ihre Ideen und Visio-nen. Es war nicht seine Stärke, sondern ihre Schwäche, die Hitler nicht aufhalten konnte. Die türkische Regisseurin Sahika Tekand wird diese berühmte Arbeit Brechts insze-nieren. In ihrem Theater in Istanbul hat sie eine Form für chorisches Theater entwickelt, die sie nun im Dialog mit Brecht weiterführen wird.

Regie: Sahika TekandBühne: Esat TekandDramaturgie: Sabine Reich

sich mit den künstlerischen Auslösern, die diese bestimm-te Situation bedingen, in diesem bestimmten Raum und Moment diese Handlung und das ist einzigartig.

Der Chor ist eine gute Möglichkeit, das Spiel auf der Bühne voranzutreiben und die Herausforderungen für die Spieler zu gestalten. Der Chor erfordert eine extreme Spannung in der Gruppe. Die Harmonie und Synchronizi-tät, die in der chorischen Arbeit nötig sind, erfordern viel von den Spielern, besonders wenn sie ohne Chorführer arbeiten. Dabei verwandeln sie sich jedes Mal in Seiltän-zer ohne Netz. Diese Herausforderung und Spannung der chorischen Arbeit bringt eine besondere Freude in die In-szenierung.

Der Text auf der Bühne ist ebenso Teil des Spiels. Es gibt immer einen konflikt zwischen Text und Theater, auch wenn der Regisseur mit einer großen Verantwortung für den Autor arbeitet. Der Text ist immer schon fertig. Er hat seine Zeit gehabt, seine Entwicklung genommen. Er gehört zur Vergangenheit. Aber zur Bühne gehört der Moment, der sich vor einem Publikum ereignet und sich immer wieder neu erfindet. also gibt es eine wichtige Spannung zwischen diesen beiden Ebenen im Theater. Was geschrieben werden kann, muss geschrieben werden. Was gesagt werden kann, muss gesagt werden, und was getan werden kann, muss ge-tan werden. Die Bühne ist der Ort zu handeln. Hier wird getan.

Ich gehöre zu den glücklichen Personen, die die Mög-lichkeit hatten, zu spielen, zu schreiben, Regie zu führen und das alles gleichzeitig. Das hat mir immer viel Freude bereitet. Aber die allergrößte Freude ist für mich die Zeit, in der ich das Spiel erfinde, das später auf der Bühne zu sehen sein wird.

Sahika TEkand

ist in Istanbul eine bekannte Schauspielerin und Theaterma-cherin und wurde 1959 in Izmir geboren. 1984 schloss sie ihre Ausbildung zur Schauspielerin im Fachbereich Schauspielkunst der Fakultät der Darstellenden Künste an der 9 Eylül Univer-sität in Izmir ab, an der sie zwei Jahre später zur Dr. phil. promovierte. Im selben Jahr begann sie ihre Karriere als Thea-ter- und Filmschauspielerin und stand u.a. in Bertolt Brechts „Das Leben des Galilei“ auf der Bühne. Daneben trat sie mit selbst erarbeiteten Performances in Kunstgalerien auf. 1988 gründete sie „Studio“, eine Ausbildungsstätte für Schauspieler und Künstler, an der sie ihre eigene Methode lehrt, die auch in ihren Inszenierungen zur Anwendung kommt. Um sie zu rea-lisieren, schuf sie 1990 die Theatergruppe „Studio Oyuncula-ri“. Mit „Studio Oyunculari“ hat sie zunächst eine Reihe von Produktionen fremder Texte erarbeitet, z.B. 1992/93 Becketts „Glückliche Tage“. Ab 1996 inszenierte sie dann vor allem ihre eigenen Stücke: „Die Verwandlung zu Nashörnern” (nach Io-nesco), 2000 „(Spiel)er”, 2002-06 ihre „Ödipus-Trilogie” – „Wo ist Ödipus?”, „Ödipus im Exil” und „Eurydikes Schrei” – und 2008 „Furcht vor der Finsternis”.

aUS Dem engLiSchen von SaBine Reich

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Das Junge schauspielhaus unter der Leitung von Martina van Boxen steht für ein theater für Kinder, Jugendliche und auch erwachsene, das sowohl durch soziale als auch künstlerische ansprüche geprägt ist; das sich besinnt auf seine kulturellen Möglichkeiten schule des sehens zu sein, Kommunikation in Gang zu setzen und Mut zum Leben zu machen.

Das Junge schauspielhaus ist ein ort der Begegnung, Kommunikation und Kreativität für Kinder und Jugendliche aus allen sozialen schichten. Hier bekommen sie, von Künstlern wie theaterpädagogen begleitet, die Gelegenheit, sich auszuprobie-ren, zu entfalten, ihre Kreativität zu nutzen und damit Wege und Handlungsstrategien für ihr Leben zu entdecken.

theater für alle:Junges schauspielhaus

Theaterpädagogisches AngebotDas Junge schauspielhaus bietet eine Vielzahl an Work-shops, Jugendclubs und regiewerkstätten für Kinder und Jugendliche in den Bereichen theater, tanz, Musik, Me-dien und Literatur an. es werden klassische und moderne theaterstücke erarbeitet sowie themenorientierte eigen-produktionen entwickelt. Das angebot wird komplettiert durch theaterpädagogische Vor- und nachbereitungen der Produktionen des schauspielhauses, Fortbildungen für Pädagogen und ein vielfältiges angebot im Bereich the-ater und schule, wie zum Beispiel unsere neuen Projekte „schulen in Bewegung“ oder „Columbus“:

Schulen in Bewegung80 schülerinnen aus fünf Bochumer schulen entwickeln zusammen mit Künstlern ein theaterprojekt. Das Beson-dere daran: die schüler kommen nicht nur aus fünf un-terschiedlichen schulen, sondern auch aus fünf unter-schiedlichen schulformen: Förderschule, Hauptschule, realschule, Gymnasium und Gesamtschule. „schulen in Bewegung“ – der name ist Programm. sowohl die schulen als auch die schüler werden angeregt, sich in Bewegung zu setzen: indem die schüler an einer schule arbeiten, die sie nicht kennen, indem die Lehrer der verschiedenen schul-formen miteinander an ein und dem selben Projekt arbei-ten, indem alle Beteiligten mit ihren Vorurteilen über die jeweils anderen – Die Hauptschüler, Die Gymnasiasten etc. – konfrontiert und herausgefordert werden, diese in der Praxis und im Kontakt zu überprüfen.Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen

JunGes sCHausPieLHaus — tHeater Für aLLe

Columbus„Columbus“ – so heißt das neue angebot des schauspiel-hauses Bochum in Kooperation mit der schulaufsicht Bo-chum. es wendet sich an alle schulklassen, Kurse und ar-beitsgemeinschaften des 9. und 10. Jahrgangs aus Bochum und der region Bochum.

„Columbus“ steht für neugier, aufbruch, die Lust am ent-decken und ist eine einladung an schülerinnen und schü-ler, ab der kommenden spielzeit gemeinsam zwei Jahre lang das Bochumer schauspielhaus kennen zu lernen und in Besitz zu nehmen.

Kernstück des Projekts „Columbus“ sind zwei Vorstellungs-besuche der teilnehmer pro schuljahr, die von einführun-gen durch die theaterpädagogen und Dramaturgen oder durch Nachbesprechungen flankiert werden, bei denen es Gelegenheit gibt, nachzufragen, zu kritisieren und sich ein Bild von der entstehung der inszenierung zu machen.

Wir machen den teilnehmenden Klassen monatlich Vor-schläge, welche stücke aus unserem Gesamtspielplan für „Columbus“ besonders geeignet sind und für die die teil-nehmer Kartenkontingente abrufen können.

anmeldeschluss für „Columbus“ im Klassenverband ist der 10. september 2010.

Weitere informationen und anmeldung bei:Junges schauspielhausMartina van Boxentel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28Fax: 0234 / 33 33 54 24 e-Mail: [email protected]

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Jim Knopf und LuKas derLoKomotivführerKinder- und Familienstück von Michael Ende

Premiere am 14. november 2010 im schauspielhaus

Mitten im tiefen weiten Meer liegt die winzige insel Lum-merland. Hier leben Lukas der Lokomotivführer mit seiner Lokomotive emma und natürlich König alfons der Viertel-vor-Zwölfte mit seinen beiden untertanen Frau Waas und Herr Ärmel. eines tages bringt der Postbote ein Paket nach Lum-merland, adressiert an Frau Malzahn (oder so ähnlich). Doch es gibt keine Frau Malzahn in Lummerland. Die einzige Frau auf Lummerland ist Frau Waas. also ist das Paket vielleicht für sie, beschließt König alfons der Viertel-vor-Zwölfte und gibt ihr seine königliche erlaubnis, es zu öffnen. Was für eine überraschung, als sie darin ein Baby finden. Der Junge wird von den Inselbewohnern adoptiert und Jim Knopf genannt. als aus Jim schon fast ein halber untertan geworden ist, beschließt König alfons, dass die gute alte emma auf Grund der drohenden Bevölkerungs-explosion abgeschafft werden muss. Das können Lukas und sein bester Freund Jim nicht zulassen und so machen sie sich mit emma bei nacht und nebel auf den Weg in die weite Welt. ihre reise führt sie übers Meer bis ins ferne Mandala, durch den tausend-Wunder-Wald und das tal der Dämmerung in die Wüste und schließlich durch den Mund des todes ins Land der tausend Vulkane und in die Drachenstadt zu Frau Malzahn.

in diesem Jahr feiert Michael endes roman seinen 50. Ge-burtstag. Bis heute begeistern die abenteuer von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer, dem kleinen Ping Pong, dem scheinriesen Herrn tur tur, dem Halbdrachen nepo-muk und dem goldenen Drachen der Weisheit nicht nur Kinder.

Regie: Katja LaukenBühne: Kathrine von HellermannDramaturgie: Anna Haas

Katja LauKen

wurde 1970 in Wuppertal geboren und wuchs in Hamburg auf. Nach ihrem Studium in Köln war sie Regieassisten-tin am Schauspielhaus Bochum. Dort zeigte sie 2002 ihre erste eigene Inszenierung: „Die Präsidentinnen“ von Wer-ner Schwab. In den folgenden Jahren arbeitete sie als freie Regisseurin am Theater Aachen, am Theater Oberhausen und am Schauspiel Essen. Für ihre Inszenierung von „Die Schaukel“ in Oberhausen wurde sie 2006 mit dem Haupt- und Publikumspreis des Kinder- und Jugendtheatertreffens NRW ausgezeichnet. 2007 erhielt sie den NRW-Künstle-rinnenpreis.

Kindertheater des Monatsin der Gastspielreihe „Kindertheater des Monats“ zeigen wir über die spielzeit verteilt sechs ausgewählte Produktio-nen von theatern aus ganz Deutschland. Die eingeladenen stücke präsentieren die ganze Bandbreite an hochwertigem theater für Kinder von 3 bis 13 Jahren in einer Mischung aus schauspiel, Figuren- und objekttheater. In Kooperation mit dem Kultursekretariat NRW

PatenkartenDer Freundeskreis des schauspielhauses und das Junge schauspielhaus suchen Menschen, die Geld für Kinder und Jugendliche spenden, deren eltern sich den Besuch des schauspielhauses nicht leisten können. auch die teil-nahme an Workshops und Jugendclubs werden dadurch finanziert. Ab einer Spende von 50 Euro werden Spenden-bescheinigungen ausgestellt.Kontakt: Hans Joachim salmentel.: 0234 / 47 35 93e-Mail: [email protected]

Wenn sie Patenkarten in anspruch nehmen möchten, ru-fen sie uns im Jungen schauspielhaus an: tel.: 0234 / 33 33 54 28Wir helfen ihnen schnell und unbürokratisch!

Fördervereinob als Förderer oder als aktives Mitglied: Jeder, der die theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen am schau-spielhaus Bochum unterstützen möchte, ist in diesem Verein willkommen. natürlich freuen wir uns auch über spenden, für die wir auch gerne spendenbescheinigungen ausstellen.Kontakt: ulricke Hasselbringtel.: 0234 / 58 11 48

Das detaillierte Programm des Jungen Schauspielhauses, wei-terreichende Informationen und Ansprechpartner entnehmen Sie bitte der Broschüre, die ab September 2010 ausliegt, sowie www.schauspielhausbochum.de/jungesschauspielhaus

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parzivaLvon Lukas Bärfuss nach dem Versromanvon Wolfram von Eschenbachfür Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene

Premiere am 18. Februar 2011 in den Kammerspielen

Parzival weiß von nichts. nicht einmal seinen namen. sei-ner Mutter fragt er Löcher in den Bauch. Doch sie erklärt ihm nichts. sie will ihn vor der Welt bewahren. einer Welt des übergangs, in der jede Gewissheit verloren ist, regeln nur behauptet und Werte vorgetäuscht werden. Deshalb hat sie ihn in der einöde großgezogen. aber Parzival will die Welt sehen, möchte ein ritter werden. er zieht los, trifft bald schon auf artus und die ritter der tafelrunde – und stellt die dümmsten Fragen. Doch der dumme Junge ist stark, erschlägt den roten ritter und legt sich seine rüs-tung an. ein alter Mann unterrichtet ihn. sagt ihm, was er tun soll und was nicht: Vor allem soll er nicht mehr fragen. und Parzival gehorcht. er kommt an einen ort, den es nicht gibt, den man nicht suchen darf, und trifft auf den kranken, schmerzverzerrten König anfortas. Par-zival wundert sich, doch Fragen stellt er keine mehr. er hat die Gralsburg nicht erkannt. am nächsten Morgen ist sie verschwunden. Warum hat er anfortas nicht nach dem Grund seiner Leiden gefragt, schimpft ihn ein Knecht, er hätte alle erlösen können. Parzival ist verwirrt, verzweifelt. er will zurück. sucht nach der Gralsburg. Doch die ist wie vom erdboden verschluckt. erst als er nicht mehr sucht und jeden ehrgeiz verloren hat, taucht sie wieder vor ihm auf und Parzival stellt die rettende Frage.

Regie: Martina van Boxen

In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität

hiKiKomorivon Holger Schoberfür Jugendliche ab 13 Jahren

Premiere am 26. november 2010 im Melanchthonsaal

H sitzt in seinem Zimmer. schon lange. sehr lange. allein. niemand darf hereinkommen, auch Mutter und schwester kommen nicht mehr an ihn ran. irgendwann hat H ein-fach vergessen, wo die tür ist. sich entschieden, nicht mehr mitzumachen, ganz bei sich zu bleiben. Von dort aus über die Welt nachzudenken und manches an ihr so klarer zu sehen. im Chat trifft er eines tages rosebud. sie scheint ihn zu verstehen. Könnte sie sogar das rothaarige Mädchen sein, an das er sich erinnert, wenn er an früher denkt? oder ist rosebud die letzte Chance für seine schwester zu ihm durchzudringen? Menschen wie H, die sich einschließen, manchmal über Jahre, und den Kontakt zu ihren Mitmen-schen abbrechen, nennt man Hikikomori – ein Phänomen, das in Japan nach schätzungen bis zu einer Million junger Menschen betrifft. Krankheit oder Protest gegen die ver-queren erwartungen der Gesellschaft?

Regie: Martina van BoxenBühne und Video: Michael HabelitzKostüme: Cathleen Kaschperk

honigherzEin Stück für Kinder ab 2 Jahren von Cristina Gottfridsson

Premiere am 3. oktober 2010 im Melanchthonsaal

Knuddel und schnute, Musik und Zeichensprache, Äpfel und Kerne – und schon entsteht starkes theater für die al-lerjüngsten. Da braucht es gar nicht viele Worte. schnute zum Beispiel kann sowieso nicht sprechen, aber wozu auch: mit Musik kann er uns doch viel mehr erzählen. und Knud-del spricht zwar, aber ohne ihre Gesten und Bewegungen würden wir sie vielleicht nur halb so gut verstehen. aber wie verstehen sich die beiden eigentlich untereinander? Zuerst gar nicht, sie sind vor allem erschrocken voreinan-der, ängstlich. aber auch neugierig. und sie erleben, dass man ein gemeinsames Problem am besten auch gemein-sam löst. Dann ist am ende nicht nur das Problem weg, sondern auch das Leben um die schöne erfahrung reicher, gemeinsam etwas geschafft zu haben. und die Früchte der gemeinsamen anstrengung schmecken gut, ganz in echt. Mit „Honigherz“ hat die schwedin Cristina Gottfridsson ein wunderschönes kleines stück theater geschrieben, ge-eignet für Kinder ab 2 Jahren.

Regie: Martina van BoxenBühne: Michael HabelitzKostüme: Cathleen Kaschperk

Martina van Boxen

geboren 1960, ist Schauspielerin und Regisseurin. Seit der Spielzeit 2005/06 leitet sie das Junge Schauspielhaus Bochum. Zunächst studierte sie Visuelle Kommunikati-on in Düsseldorf, dann Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Nach Gastengagements an verschiedenen Theatern wurde sie 1992 künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der Theaterwerkstatt Hannover. Schnell wurde sie in der freien Theaterszene auch über Hannover hinaus bekannt. Ihre Inszenierungen wurden zu zahlreichen Festivals eingeladen, sie erhielt den „Traumspiel“-Festivalpreis (1994), den Niedersächsischen Theaterpreis (2000) sowie den Publikumspreis des Kinder- und Jugendtheatertreffens NRW 2007 in Oberhausen.

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Den Ausblick genießen: Auf der Erzbahnschwinge im West-park oder vom Bismarckturm im Stadtpark Einfach mal auf diE Erzbahn-schwingE stEllEn – im frischEn wind, obEn, draussEn, abschaltEn, sich bEwEgEn … auf dEr trassE kann man kilomEtErlang radEln odEr wandErn, bis nach zollvErEin, wEnn man möchtE. dEn schönstEn ausblick dEr stadt biEtEt dEr bis-marckturm im stadtpark. wEr mag, kann auch minigolf spiElEn, glEich nEbEn dEr „milchbudE“, und am wochEnEndE ist auf dEm angrEn-zEndEn spiElplatz diE höllE los.

Der beste Kaffee der Stadt: Fräulein CoffeaEin klEinEs fEinEs nEuEs café, glEich hintEr dEm schauspiElhaus (oskar-hoffmann-strassE 34). diE bEidEn frauEn habEn bis vor kurzEm in dEr EvE-bar im schauspiElhaus hintEr dEr thEkE gEstandEn und jEtzt ihr EigEnEs café EröffnEt. fräulEin coffEa ist bio, sElbstgEmacht und pErsönlich und hat bErEits EinE auszEichnung für das „bEstE früh-stück im ruhrgEbiEt“ bEkommEn. Umsonst einkaufen

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lisa niElEbock — bochum für fast umsonst

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Besuch beim UBU-MannallE nEnnEn ihn nur dEn ubu-mann. sEin antiquariat in dEr uni-vErsitätsstrassE 26 ist das grös-stE in bochum. mit rund 100.000 büchErn lädt das zwEistöckigE antiquariat zum stundEnlangEn blättErn, schmökErn, lEsEn, ab-schaltEn und vErsinkEn Ein – fachkundigE bEratung inklusivE. dEnn nur EinEr wEiss ganz gE-nau, wElchE schätzE diEsE buch-handlung birgt: dEr ubu-mann.

Kasimir undKarolinevon Ödön von Horváth

premiere am 19. februar 2011 im schauspielhaus

kasimir ist chauffeur. gestern wurde er entlassen, mor-gen muss er aufs arbeitsamt, aber heute geht er aufs ok-toberfest – mit karoline, seiner braut. die will sich amü-sieren, Eis essen, mit der achterbahn fahren. doch das ist ein teurer spaß. kasimir hat angst, dass karoline ihn verlassen wird. jetzt wo er arbeitslos ist. das lässt er sie spüren, jähzornig wie er ist. Er hat noch ein kapital von rund vier mark: „heut sauf ich mich an und dann häng ich mich auf“, beschließt er. auch karoline stürzt sich ins vergnügen. sie lernt den angestellten Egon schürzinger kennen und durch ihn seinen chef, kommerzienrat rauch und landgerichtsrat speer, einen feinen herrn aus nord-deutschland. „das leben ist hart und eine frau, die wo was erreichen will, muss einen einflussreichen Mann immer bei seinem gefühlsleben packen“, meint karoline und fällt dabei heftig auf die nase. kasimir sucht inzwischen trost bei dem merkel franz seiner Erna. „und die liebe höret nimmer auf“, heißt es im unter-titel zu horváths stück. doch was ist ein mensch wert, wenn er keine arbeit mehr hat? und was kann die liebe da ausrichten? „jeder intelligente mensch ist ein pessimist“, meint kasimir und das leben gibt ihm am Ende dummer-weise recht. „Es ist die ballade vom arbeitslosen chauffeur kasimir und seiner braut“, schreibt ödön von horváth, „eine bal-lade voll stiller trauer, gemildert durch humor, das heißt durch die alltägliche Erkenntnis: sterben müssen wir alle!“

Regie: Lisa NielebockBühne und Kostüme: Sascha GrossDramaturgie: Anna Haas

Lisa NieLebock

wurde 1978 in Tübingen geboren und ist in Bochum keine Un-bekannte: Seit 2005 lebt sie in Bochum und inszeniert regel-mäßig am Schauspielhaus. Zu ihren herausragenden Arbeiten gehört „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist. Bereits für ihre Diplominszenierung „Elektra“ von Hugo von Hofmannsthal/Aischylos an der Folkwang Hochschule Essen wurde sie 2004 mit dem „Folkwangpreis“ und beim „Körber Studio Junge Re-gie“ ausgezeichnet. Mit „Phaidras Liebe“ von Sarah Kane war sie zum Festival „Radikal jung“ am Münchner Volkstheater eingeladen. Neben ihren Inszenierungen am Schauspielhaus Bochum führte sie auch am Nationaltheater Mannheim und am Schauspiel Essen Regie.

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Die Industrie verschwindet, Ruinen bleiben. Es herrscht Stille, doch diese ist ein nicht weniger starker Ausdruck des menschlichen Geistes als die Fa-brikhallen, Schornsteine und Raf-finerien, die einst im Rhythmus des Fließbands surrten und dröhnten. Ich laufe durch die Kokerei Hansa in Dortmund, im Herzen des Ruhrge-biets. Wo auch immer ich hinblicke, entdecke ich wiedererwachende Na-tur, die sich zurückerobert, was der Mensch ihr nahm. Hier und da gibt es Protest. Doch der Wald kehrt nach langen Jahren des unterirdischen Exils tri-umphierend zurück. Gras bedeckt die ausgetretenen Pfade einer Kühlanlage mit einem groben Teppich. Gestrüpp

bricht aus Scharnieren und Säulen hervor und erringt die Herrschaft über Werkzeuglager. Kletterpflanzen ranken sich zu Vorhängen, die ehe-malige Fertigungsstätten vor neu-gierigen Blicken schützen. Die An-zeigenadel eines Druckventils wehrt sich hartnäckig gegen den Verfall. Ein verlassener Kohlewaggon steht wie ein Fels in der Brandung der Zeit. Rostige Rauchabzüge vor verhange-nem Himmel. Schrott – Kettenräder, Triebwerke, Riemen, Erzkübel – leis-tet schweigend, doch nachdrücklich Widerstand gegen das Kommando der Windböen. Noch lange nachdem die Kokereiarbeiter die letzte Schicht gefahren, ihre Blaumänner ausge-zogen und den Heimweg angetreten haben, liegt der Geruch geschmolze-nen Teers auf den Mauern und in der Luft.

Relikte erinnern an die Jahrhun-derte, in denen die Fabriken, Minen und Kohleverarbeitungsanlagen im Ruhrgebiet lebendig waren und von der Arbeit, dem Lärm, der Hoffnung und den Träumen tausender Männer und Frauen widerhallten, die in der Ferne des Baltikums, an der Atlantik-küste, im östlichen Mittelmeerraum, ja selbst in der Pazifikregion den Ruf der Täler am Nordrhein vernommen hatten und ihm gefolgt waren.

Der Regen spielt Verstecken mit uns. Es herrscht Frieden, so lange wir im Auto sitzen. Sobald wir aus-steigen, lockt er uns jedoch in einen Hinterhalt. Wir passieren Dort-mund, Bochum und Essen. Überall prägen stillgelegte Zechen das Bild der Landschaft. Bahndämme werden

von Birkenwäldern überwuchert. Auf Fabrikgeländen wachsen Pappeln und Linden, hinter denen das Pan-orama der Kühltürme zu verschwin-den beginnt. Der Phoenix hat sich gut in Position gebracht: Er ist jetzt das Wappentier der Region.

Die Industrie ging, und es kam die virtuelle Ökonomie: IT, inter-nationale Finanzdienste und der Heritage-Tourismus des postindus-triellen Zeitalters besetzten die ge-räumten Brachen. Vor ein paar Jah-ren führten mich Freunde zu einem Aussichtspunkt, von dem wir auf ein riesiges Gelände blickten. Es war ein Schlachtfeld, übersäht von Wunden, die die Schaufelräder und Raupen-ketten geschlagen hatten. Hier hatte sich einst das größte Stahlwerk Dort-munds befunden. Nach der Demon-tage wurde es in Einzelteilen in eine chinesische Billiglohnprovinz ver-schifft. Künftige Generationen wer-den am alten Standort durch einen Park schlendern und neben einem künstlichen See relaxen. Nicht wenig symbolträchtig trägt der neue Kom-plex den Namen der großen Ikone der Wiederauferstehung: Phoenix.

Als ich in den 1970er Jahren in Goa und Bombay aufwuchs, waren Dort-mund, Bochum und Essen die ers-ten Ortsnamen, die ich hörte. Mein Vater arbeitete für Tata, eines der größten indischen Unternehmen, Hersteller von Autos, Baumaschinen und Stahl. Zu meinen frühesten Erinnerun-gen gehören Fotos von riesigen Fab-riken und Produktionsanlagen im Ruhrgebiet, zu dem der Tata-Konzern enge Beziehungen pflegte. Als ich 2003 zum ersten Mal nach Dort-mund kam, um einen Urlaub bei meinem Freund, dem Dichter und Übersetzer Jürgen Brôcan, zu verbrin-gen, erschienen mir die Architektur und die Topografie der Stadt unge-heuer vertraut. Es war, als hätte ich

Phönix aus der Kohle

Sein Vater arbeitete für einen groSSen Stahl-konzern. alS kind war daS ruhrgebiet, daS er nur Von fotoS kann-te, für ihn ein idyll, ein arkadien, daS weit weg in unerreichbarer fer-ne lag. Später hat er eS mehrere male beSucht – alS touriSt. der in bom-bay lebende indiSche JournaliSt und lyriker ranJit hoSkote über die lektionen einer unter-gegangenen welt.

RANJIT HOSKOTE — PHÖNIx AUS DER KOHLE

eS war, alS hätte ich ei-nen riSS im koSmiSchen gewebe Von zeit und raum entdeckt.

TExT: RANJIT HOSKOTE

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Zelle: Weniger ein Mensch als eine Membran, die die bebende Unru-he auf die auf hohen Stühlen thro-nenden Herrengeister überträgt, die das Land überwachen und den Weg der anderen in Kriegsgebiete, Besat-zungszonen, Arbeits- und Todeslager lenken.

Eine Familie, Trauernde, nä-hert sich vom Friedhof kommend. Schwarz gekleidet, doch nicht mehr dem Anlass entsprechend schwei-gend. Die Ewigkeit entlässt sie aus ihrem Griff. Sie schauen auf ihre Uhren, klappen Handys auf, rufen ein Taxi und kehren zu ihrem restli-chen Tagewerk zurück. Niemand nimmt von den Gespenstern der Na-zizeit Notiz.

Der Friedhof selbst widerlegt aufs Beste die Idee von der (r)einrassigen Nation; Ein Volk, Ein Reich: Zwi-schen den moosbewachsenen Na-men auf den Grabsteinen taugt die Doktrin nicht mehr. Bauermann ruht neben Czerwinka, Schindler liegt neben Koslowski. Sie bezeugen den ethnischen Mix der Migranten, die das Ruhrgebiet aufgebaut haben – Rheinländer und Polen, Slowaken und Balten, später Griechen, Türken, Italiener, Portugiesen und Koreaner. Bezeichnenderweise befand sich das größte Gefängnis der Gestapo im Dritten Reich im Ruhrgebiet: Die Dissidenten unter den Arbeitern der Region leisteten in den 1930er und 1940er Jahren permanenten Wider-stand gegen das NS-Regime.

Heute schweigen die Zechen und Fabriken im Ruhrgebiet. Doch ihre Lektion haben sie der Welt hinter-lassen: Starke Gemeinschaften ent-stehen nicht da, wo wir kulturelle Monotonie durch Repression und Repressalien durchsetzen, sondern wo wir das Andere zulassen und unter-schiedliche Stärken bündeln.

einen Riss im kosmischen Gewebe von Zeit und Raum entdeckt, als sei ich zurückgekehrt an einen Ort, der zumindest in meiner Fantasie Teil meiner Kindheit war, der irgendwie zu mir gehörte.

Nie werde ich die Begeisterung vergessen, die ich empfand, als ich bei der Einfahrt meines ICE in den Bahnhof den kolossalen Turm der Dortmunder Union Brauerei erkann-te. Auf den Fotografien meines Vaters hatte ich ihn immer als Wächter über die Stadt wahrgenommen. Sein krö-nendes Neon-„U“ war der Kompass, an dem man sich orientierte. Als ich vor sieben Jahren an dem dunkelro-ten Ziegelbau hinaufblickte, rührten mich die Spuren jahrzehntelanger Vernachlässigung und Verwitterung zu Tränen. Als Zentrum eines Tech-noparks unseres E-Zeitalters wieder hergestellt, soll ihm in diesem Jahr neues Leben eingehaucht werden.

Das Ruhrgebiet, das ich als Junge aus der Ferne liebte, ist anders in der Erinnerung meiner Freunde aus der Region. Für mich verkörpert es die heroische Energie der Industrie, die der grünen, postindustriellen Heiter-keit der Moderne weichen musste.

Obwohl ich oft genug hier war, um zu wissen, dass nicht immer Ruhe herrschte in Arkadien, dass die Stra-ßen so manches Mal gelb waren von den Bannern der protestierenden Ar-beiter, die um ihren Job fürchteten, weil die Unternehmen die Produkti-on in die Betriebe im Süden der Welt verlagerten.

Die Erinnerung meiner etwa gleichaltrigen Freunde aus Unna, Hamm, Bielefeld und Gelsenkirchen ist hingegen weniger erfüllt von Sou-venirs einer Idylle. Ihre Bilder ähneln eher einem phantasmagorischen Gemälde von Hieronymus Bosch. Sie erzählen mir vom Himmel, der um Mitternacht Feuer fing. Sie sprechen von ihren Großmüttern, die sagten, das Glühen des geschmolzenen Ei-sens wäre ihr wahrer Sonnenauf-gang. Noch heute rümpfen sie die Nase, wenn sie an den Geruch des Hopfens denken, der in der Nähe der Brauereien in der Luft hing. Und noch immer hören sie das Rumpeln des Zuges, der das Roheisen gemäch-lich vom einen Ende des riesigen

Industriereviers zum anderen trans-portierte, obwohl die Gleise, auf denen er fuhr, längst geborsten sind und Blumenfelder da wachsen, wo sie einst ihr Bett hatten.

Stapelweise Geranien und Azaleen. Wir sind durch den Nieselregen ge-fahren, erreichen nun ein anderes Denkmal, das eine andere Geschich-te erzählt: Bochum Hauptfriedhof. Hinter einem Palisadenzaun an der Immanuel-Kant-Straße, durch einen Vorhang von Trauerweiden spähend, versuche ich, den hohen, den viel zu hohen Gebäudekomplex zu erken-nen. Wir passieren ein schwarzes Tor, das von zweifelhaften Helden gehütet wird, die Schwerter, Schilde und ein kaum maskiertes Haken-kreuz tragen. Wir laufen durch den Eingangsbereich, der einem Licht-schacht ähnelt, doch es ist Dunkel-heit, die aus großer Höhe über uns hereinbricht. Einen kurzen Moment lang sind wir wie blinde Fische auf dem tiefsten Grund des Ozeans, be-vor uns das perlmuttfarbene Licht erreicht und befreit.

Nun stehen wir in der düsteren Halle der Geister, die von den hohen, dunklen Fenstern, schmalen Schlit-ze in den Wänden, die scheinen, als seien sie in Erfüllung des Befehls eines Burgvogts in einem Paradies im Belagerungszustand entstanden, kaum erhellt wird. In den 1930er und 1940er Jahren machten Men-schen auf ihrem langen Weg nach Walhalla hier gezwungenermaßen Station und wurden Zeugen der In-szenierung. Fackeln brennen an den Mauern, spiegeln sich in den Metall-sternen, hinter dem Altar. Die Toten-bahre wird von unten hochgefahren. Schnallt euch an, ihr Sterblichen! Die Walküren sind hier! Die Reise in das Leben nach dem Tod beginnt. Im Rücken der Trauernden steht ein Mann, ein Beobachter, ein Zuhörer, ein Chronist, in einer versteckten

AUS DEM ENGLISCHEN VON LILIAN-ASTRID GEESE

RANJIT HOSKOTE — PHÖNIx AUS DER KOHLE

Schnallt euch an, ihr Sterblichen!die reiSe in daS leben nach dem tod beginnt!

ranJit hoSkote, GEBOREN 1969 IN BOMBAy, IST KULTURKRITIKER FÜR DIE BOMBAy TIMES UND THE HINDU, DICHTER UND SEKRETäR DES INDISCHEN PEN. ER ZäHLT ZU EINER GRUPPE ENGLISCH SCHREIBENDER AUTOREN, DIE IN INDIEN ALS „DIE ZWEITE GENERATION DER POSTKOLONIALEN DICHTER INDIENS“ BE-ZEICHNET WIRD.

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aufen, lesen und schreiben habe ich in meiner Heimat-stadt Dortmund gelernt – aber das Theaterspielen in

Bochum!Stolz trug man das Trikot der

„Westfälischen Schauspielschule Bo-chum“ von 1982-85 und ging damals schon gerne ins Café Treibsand.

Als „Müsli“ noch ein Schimpf-wort sein konnte, war das Spezi-al-Müsli im Treibsand (mit der le-gendären Hausmischung aus dem „Arche“ Bioladen!) das leckerste in der Stadt – und das teuerste.

Auch sonst ließ es sich im Treib-sand fabelhaft frühstücken, der altersmilde Blick des Anfang Zwan-zigjährigen ruhte auf allen Abituri-entinnen des benachbarten Gymna-siums, die hier im Außengehege ihre Freistunden abfeierten, nachmittags konnte man hier die eigene Freizeit zwischen den Unterrichtsblöcken der Schauspielschule bei einem aus-gezeichneten Milchkaffee verbrin-gen und abends beim frischen Fiege zusammen mit den Mitschülern Probleme der Menschendarstellung diskutieren. Es war schon ein großes BAföG-Grab, das Café Treibsand, aber ein Platz zum Wohlfühlen, sommers wie winters, drinnen und draußen. Das Schöne für mich ist, es hat sein Flair behalten, sodass man sich seine Erinnerungen, seine eigene Nostalgie hier jederzeit beim Müsli, Bier oder Milchkaffee wieder abholen kann. Auf dass es noch lan-ge so bleibe – Glück auf!

IN BOCHUM — DIETMAr Bär

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Dietmar Bär kOMMT AUS DOrTMUND UND STUDIErTE vON 1982 BIS 1985 AN DEr WEST-FäLISCHEN SCHAUSPIELSCHULE BOCHUM. ANSCHLIESSEND SAMMELTE Er SEINE ErSTEN BüHNENErFAHrUNGEN AM SCHAUSPIELHAUS.

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IN BOCHUMSie wurden in der Gegend geboren, sie wurden hier ausgebildet, sie spielten schon vor Jahren am Schau- spielhaus und kehren jetzt zurück, oder sie sind zum ersten mal hier. Sechs en-semblemitglieder zeigen uns einen besonderen Ort der Stadt.

IN BOCHUM

FOTOS: NILS-HENDrIk ZüNDOrF

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as alte Fährhaus an der ruhr. Auf der ande-ren Seite droht die Burg Blankenstein.

Man traf sich hier, trank, rede-te und schaute auf den Fluss. Am Schluss die Frage: Wer kann noch fahren?

kann man wieder mal machen, aber Oje, Urs, Uwe, Helmut, Wolf-gang, Wolfi, Silvester, Tana, Annelie-se, Eleonore, Lore und Lacky fehlen.

Ich denke an Euch.

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matthiaS reDlhammer STUDIErTE vON 1979 BIS 1981 SCHAUSPIEL IN BOCHUM UND WAr ANSCHLIESSEND vON 1981 BIS 1992 EN-SEMBLEMITGLIED DES SCHAUSPIELHAUSES BO-CHUM. NACH JAHrEN DES FrEIEN ArBEITENS kEHrT Er NUN ZUrüCk NACH BOCHUM INS FESTENGAGEMENT.

IN BOCHUM — MATTHIAS rEDLHAMMEr

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Ich habe schon fünf Jahre re-viererfahrung und bin somit kein Neuling im Pott, aber meine Wurzeln liegen eindeu-

tig weiter südlich, nämlich in der Schweiz. Bis auf meine Familie und meine Freunde fehlt es mir hier an nichts: Berge sind überbewertet, bei dm gibt’s Ovomaltine-Schokolade, Edeka verkauft rivella, das Schwei-zer Nationalgetränk, und in Sachen Schnee steht Deutschland, zumin-dest in diesem Winter, der Schweiz in nichts nach.

Dennoch muss ich sagen, als ich im Oktober 2009 nach Bochum ge-zogen bin und mir die Stadt genauer anschauen wollte, präsentierte sich mir die „Blume im revier“ eher als kakteenart; kalt, im Hotel Eden am ring wuchs Moos auf dem Boden, der Weihnachtsmarkt nervte, wie in Essen, bereits nach sehr kurzer Zeit und Burger king war zu (pleite oder aber auch Asbest wie im Hotel Eden)!

Doch mittlerweile kenne ich Bo-chum besser, das Weitmarer Holz mit den Wildschweinen, die belgi-schen Pommes im Bermudadreieck und das englische Frühstück im konkret. vor Honeyhair, der Frisier-bar bei mir um die Ecke, stehen jetzt die Stühle draußen, und im Westpark blühen Gänseblumen und mit ihnen die „Blume im revier“.

Nur bei Burger king sind noch immer die Schotten dicht. Macht nix, hol ich mir halt ne Apfelpfanne im Glas-Café auf der kortumstraße und schlendere damit noch mal am Hotel Eden vorbei.

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NicOla maStrOBerarDiNO kAM AUS DEr SCHWEIZ BErEITS IM JAHr 2005 INS rUHrGE-BIET. NACH FüNF JAHrEN ESSEN LEBT Er NUN SEIT HErBST 2009 IN BOCHUM, WO Er AB SOM-MEr ENSEMBLEMITGLIED IST.

IN BOCHUM — NICOLA MASTrOBErArDINO

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isst ihr eigentlich warum die U35 „U35“ heißt? Weil sie genau 35 Minu-

ten braucht, um Herne und Bochum zu verbinden. Ich bin früher oft mit meiner Oma U-Bahn gefahren, aber immer nur von Herne nach Herne, zum En-tenfüttern. Da kannte ich Bochum noch gar nicht, war aber schwer enttäuscht darüber, dass die Unter-grundbahn nicht meiner vorstel-lung einer Geisterbahn entsprach. Irgendwann wagte ich mich dann bis zum Engelbert-Brunnen. In die gro-ße Großstadt Bochum, die Stadt der Punks, Dealer und Diskotheken. Im Sommer schüchtern meinen Döner am Brunnen gegessen, Obdachlose ängstlich fasziniert beobachtend, um mich rum kinder barfuß im Brun-nen spielend. Der Müll schaukelt an der Wasseroberfläche wie kleine Schiffe. Ein bisschen Italien und An-kara. Dann der erste Milchkaffee im Café konkret. riesen Schale für fünf Mark. Wieder zurück zum Brunnen und warten, wo die anderen bleiben. Aber die U35 heißt auch „U35“, weil man immer 35 Minuten warten muss, bis man wieder zu Hause ist. Ich vermisse den Brunnen, wo ist der überhaupt? Und warum heißt der Engelbert-Brunnen immer noch Engelbert-Brunnen? Ist scheiß-egal, ich warte immer noch da. Nur für fünf Mark einen kaffe zu kriegen ist schwer.

Meine Oma ist schon gestorben, aber wenn die U35 irgendwann bis nach köln gebaut würde, bin ich mir sicher, meine Oma würde die Fahrt mit mir machen. Sie würde das Abenteuer wagen, über 35 Minuten hinaus! Und wenn ich mal genug Geld habe, dann bau ich einen neu-en Brunnen, mit einem echten En-gelbert.

PS: Die U35 hält nicht am En-gelbert-Brunnen. Für alle, die von Herne nach Bochum fahren wollen: mich anrufen oder Hauptbahnhof aussteigen und richtung Innenstadt laufen. Dann kommt man zum En-gelbert-Brunnen.

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maJa BeckmaNN kOMMT AUS DEM rUHr-GEBIET UND IST SEIT 2001 ENSEMBLEMITGLIED AM SCHAUSPIELHAUS BOCHUM.

IN BOCHUM — MAJA BECkMANN

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or zwanzig Jahren habe ich schon mal in Bochum angefangen. Da habe ich in der villa Wahnsinn

gewohnt und habe mir wenig Ge-danken über die Stadt gemacht. Ei-gentlich nur über das Theater. Jetzt komme ich mit meiner Familie. Des-halb ist die Annäherung an Bochum ganz anders. Wir suchen eine schö-ne Wohnung, eine Schule haben wir schon gefunden. Ich bin noch nie an ein Theater gegangen, wo so viele, die dort arbeiten, kinder haben. Fühl-bare verantwortung für die Zeit, die kommt, für das, was kommen soll. Wie werden wir leben? Wie wollen wir leben? Was können wir mit dem Theater bewirken?

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kathariNa liNDer SPIELTE vON 1990 BIS 1995 AM SCHAUSPIELHAUS UND kEHrT NACH ENGA-GEMENTS IN BErLIN UND FrANkFUrT ZUrüCk NACH BOCHUM.

IN BOCHUM — kATHArINA LINDEr

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Die Eisenbahnüberfüh-rung königsallee. Wenn man mit dem Zug von Essen aus durch Bo-

chum fährt, sieht man ganz kurz das Schauspielhaus auf der rech-ten Seite. Ein ganz kurzes Bild. Eine Trutzburg, Würde und Tradition, ein festes Haus. Die Fahnen auf dem Dach. Ein erhabener Anblick. Ich hatte immer den Eindruck, in Bo-chum ist das Theater das größte und wichtigste Gebäude der Stadt. Später hab ich immer danach Ausschau ge-halten, bin manchmal sogar extra an ein freies Fenster gegangen, um es zu sehen. Ein kollege, der länger in Bochum engagiert war, erzählte mir, ihm gehe es genauso. Er hat die Zeit in Bochum geliebt. Da er viel mit der Bahn unterwegs ist, fährt er oft durch Bochum. Er steht jedes Mal auf und guckt, und wenn er das Haus sieht, kommen ihm manchmal die Tränen. Ich glaube, ich verstehe, was er meint.

aNDreaS GrOthGar LEBT UND ArBEITET SEIT 2005 IM rUHrGEBIET. IM SOMMEr 2010 WECHSELT Er ANS SCHAUSPIELHAUS, WO Er NACH STATIONEN WIE ESSEN, HAMBUrG UND MüNCHEN ZUM ErSTEN MAL SPIELEN WIrD.

IN BOCHUM — ANDrEAS GrOTHGAr

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Die Freundeskreismitglieder wählen auch die Schauspie-ler, die für den Bochumer Theaterpreis nominiert werden, der seit 2006 in zwei Kategorien verliehen wird.

Der Freundeskreis unterstützt aus seinen und einge-worbenen Einnahmen durch Patenkarten auch junge Men-schen, die sich aus finanziellen Gründen einen Theaterbe-such nicht erlauben können.

Als Dankeschön für ihren Einsatz für das Schauspiel-haus wird den Freundeskreismitgliedern auch ein früherer Vorverkaufstermin gewährt. Sie können ihre Karten bereits einen Tag vor den Wahl-Abonnenten beziehen.

Die Freundeskreismitglieder kommen nicht nur aus Bo-chum, sondern auch aus anderen Städten der Region, ja, sogar aus Berlin, wie unser prominentestes Mitglied Otto Sander.

Es lohnt sich, Mitglied im Freundeskreis des Schauspiel-hauses Bochum zu werden. Wollen Sie nicht auch dabei sein?

Hans Joachim Salmen – Vorsitzender des Freundeskreises

Heinrich-König-Str. 73 44795 Bochum Tel.: 0234 / 47 35 93E-Mail: [email protected]

Das Schauspielhaus Bochum ist eine Institution, von der wegweisende Impulse für die Entwicklung der deutschen Theatergeschichte ausgingen. Seit seiner Gründung 1919 durch Saladin Schmitt sind hier Dramatiker entdeckt und gefördert worden, hat sich mancher Regiestil entwickelt, haben hier Schauspieler ihre Karriere begonnen oder sich künstlerisch weiterentwickelt, die zu den Großen des deutschsprachigen Theaters zählen. So hat dieses Haus eine Bedeutung gewonnen, die weit über die Grenzen der Stadt hinausragt. Das verlangt ideelle und materielle Un-terstützung.

Um das zu leisten, hat sich 1994 der Freundeskreis Schau-spielhaus Bochum gegründet. Seine Mitglieder wollen nicht nur dem Haus die angemessene Unterstützung zukommen lassen, sie wollen auch durch vielfältige Aktionen mit dazu beitragen, dieses Theater und seine Mitarbeiter noch bes-ser kennen zu lernen, um die Identifikationsbereitschaft zu erhöhen.

Wie kann das gelingen?

Gespräche mit Regisseuren, Dramaturgen, Schauspielern und anderen Mitarbeitern des Hauses tragen dazu bei, Theater besser zu verstehen. Freundeskreismitglieder kön-nen vielleicht auch schon durch Probenteilnahme erfahren, was einer Premiere voran geht. Führungen durchs Haus oder einzelne Abteilungen helfen, die Produktionsprozesse besser zu verstehen.

FreundeFREUnDESKREIS

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Kostenlos - K 26157

November 2008

Roman Polanskis Meisterwerk

im Metronom Theater · CentrO Oberhausen

Ruhrstadt Bochum

+ Filme

+ Theater

+ Konzerte

+ alle Ausstellungen

Die ganze Kulturhauptstadt - übersichtlich und aktuell

+ Lesungen

+ Tanz

+ Muscials

Kultur verlinkt!

+ Parties

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TheaTerleiTungintendant Anselm WeberKaufmännischer Direktor Rolf D. Suhl

Persönliche Mitarbeiterin der intendanz Tonia TilchPersönliche referentin des Kaufmännischen Direktors Anne Rockenfeller

Verwaltungsleitung Brigitte Käding

KünsTlerisches BeTrieBsBüroKünstlerischer Betriebs-direktor Stephan Wasenauerchefdisponentin und leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros Jutta van AsseltMitarbeiterin Christina Lutz

DraMaTurgiechefdramaturg Thomas LaueDramaturgen Anna Haas, Olaf Kröck, Sabine Reich, Paul Slangen (Gast) Dramaturgieassistent Sascha Kölzow

KoMMuniKaTionleitung und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Christine HoenmannsMarketing und Öffentlichkeits-arbeit Janna BalkeGrafik Stephanie WeberFotografen Thomas Aurin, Arno Declair, Diana Küster

Junges schausPielhausleitung Martina van BoxenTheaterpädagogin Sandra Anklam

regieMalou Airaudo, David Bösch (leiten-der Regisseur), Carola Bühn, Nuran David Calis, Cilli Drexel, Christoph Frick, Monika Gintersdorfer, Heike M. Götze, Mahir Günsiray, Fadhel Jai-bi, Jan Klata, Paul Koek, Katja Lauken, Jan Neumann, Lisa Nielebock, Arne Nobel, Sebastian Nübling, Stephanie Sewella †, Sahika Tekand, Katharina Thalbach, Martina van Boxen, Dries Verhoeven, Roger Vontobel (Hausre-gisseur), Anselm Weber

Bühnen- unD KosTüMBilDnerPatrick Bannwart, Irina Bartels, Raimund Bauer, Julia Borchert, Dorothee Curio, Thomas Dreißig-acker, Muriel Gerstner, Thomas Go-erge, Gerhard Gollnhofer, Nadine Grellinger, Sascha Gross, Michael Habelitz, Mirek Kaczmarek, Cathle-en Kaschperk, Knut Klaßen, Justyna Lagowska, Claude Leon, Theun Mosk, Christina Mrosek, Meentje Nielsen, Silke Rekort, Isabell Rob-son, Claudia Rohner, Kaï Rostom, Irina Schicketanz, Kathrin Schlecht, Nini von Selzam, Ansgar Silies, Julia Ströder, Esat Tekand, Dirk Thiele, Ezio Toffolutti, Carla Johanna von Gehren, Kathrine von Hellermann

MusiKHenning Beckmann, Vivan Bhatti, Anke Brouwer, Cornelius Borgol-te, Jean Claude Dagbo, Emanuel Hauptmann, Torsten Kindermann, Daniel Friedel Murena, Will-Jan Pielage (Sounddesign), Karsten Riedel, Roderik Vanderstraeten, Lars Wittershagen

MusiKerLieke Arts, Jean Claude Dagbo, Gregor Hengesbach, Andreas Jan-sen, Torsten Kindermann, Ingmar Kurenbach, Antonis Pratsinakis, Karsten Riedel, Hans van der Meer, Ton van der Meer, Roderik Vander-straeten, John van Oostrum, Jan Sebastian Weichsel, Katya Woloshin

ViDeoBibi Abel, Karnik Gregorian, Michael Habelitz, David Lammers, Ansgar Silies

regieassisTenzBarbara Hauck, Jasna Miletic, Christina Pfrötschner; Monika Gies (Gast), Christian Jäger (Gast)

Bühnen- unD KosTüMBilDassisTenzHenriette Barniske, Sarah Bernar-dy, Mara Klimek, Bettina Knaack, Nadine Richter, Carla Johanna von Gehren

sPrecherziehung unD sTiMMBilDungProf. Peter-Georg Bärtsch, Eva Pieper

choreograFieKlaus Figge (Kampfszenen), Malou Airaudo, Macko Prusak, Renegade

insPizienzChristina Baston, Gerd Beiderbeck, Christiane Laux, Alexander Störzel, Ulrike Schaper

souFFleusenSybille Hadulla-Kleinschmidt, Jutta Schneider, Fee Sachse, Isabell Weiland

sTaTisTerieBeatrix Feldmann

Technische leiTungTechnischer Direktor Hajo Krausesekretariat Marion Treckmannassistenz des Technischen Direktors Alexandra KaiserProduktions- und Werkstätten-leiter Oliver KrollProduktionsbüro Christian Acht, Michael FriebeleBühnentechnische leitung Franz SchenkelBühnenobermeister Michael MikolajczakBühnenmeister Andreas Dudzik, Uwe Marx, NN

BühnenTechniKThomas Arndt, Verena di Battis-ta, Michael Doering, Christian Drolshagen, Holger Dünnebacke, Frank Engel, Klaus Fabri, Andreas Fernau, Erwin Fiebrandt, Jan Flügge, Reinhard Frese, Dietmar Görtzen, Jörg Hommann, Anatolij Kalencuk, Andreas Korfmann, Detlef Kornath, Frank Koslowski, Frank Kuhlmeier, Abdelkader Lashab, Hans-Georg Ludwiczak, Alfred Lübbehusen, Luci-an Martin, Manfred Mollenhauer, Maik Rohnke, Saskia Sawatzki, Nafiz Sayki, Peter Schaffrinna, Olaf Schmeink, Jürgen Schnurbusch, Martin Sievering, Patrick Stein-kamp, Christian Szyska, Ali Tugrul, Uwe Wagner, Thomas Wessling, Dirk Wils, Thomas Wrobel

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MITARBEITER

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BeleuchTungleitung und lichtgestaltung Andreas Bartsch, Bernd Felderassistenz der leitung NNBeleuchtungsoberinspektor Bernd KühneBeleuchtungsmeister Denny KleinBeleuchter Timo Berghaus, Armin Bönnemann, Fiorenzo Bonazza, Hans Dzwigoll, Norbert Eggers, Christoph Jacob, Detlev Jon, Gerd Jordan, Kay Kämper, Waldemar Leh-mann, Frank Lukaschewski, Ulrich Meist, Axel Middeke, Alfred Rapp, Max Reinhardt, Marek Schoder, Thomas Sikora, Michael Stumpf, Paul Wallraff, Michael Zoll

VeransTalTungs-TechniKerFrank Engel, Michael Hopp, Sven Klauswald, Daniel Lüderauszubildende Moritz Macho, Demian Meier, Christian Mertens, Marie-Claire Pauli

Technische leiTung TheaTer unTenAlexandr Gershman

Ton/ViDeoleitung Christoph Bonk, Andreas KönigTontechniker Andreas Eich, Karl Haase, Jürgen Jaeger, Frederic MingoVideo Matthias Fleskes, NN

Malersaalleitung Gudrun Schönbeck-WachTheatermaler Markus Loer, Anja Mauruschat, Silke KostTheatermalerin/Kascheurin Miriam Sasserathnäherin Heike RingelbandMaler Jörg Palmbergauszubildende Maike Prause

PolsTereiDekorateurin Julia Wagner

schlossereileitung Olaf Schugschlosser Michael Bitzkowski, Jörg Borrmann, Michael Holle, Thomas Marx, Joachim Stroka

schreinereileitung Jürgen Brucksschreiner Vitalij Grauberger, Andreas Rauth, Britta Sabanovic, Ursula Schemme, Oliver Sievers

schneiDereiKostümdirektorin Britta Broddagewandmeisterin Damen Cornelia Fischergewandmeister herren Dieter ZunkeDamenschneiderei Anne Burk-hardt, Anke Flüs, Claudia Hellwig, Anita Pyrkosch, Ellen Salewsky, Doris Schaefer, Petra Woytkeherrenschneiderei Hannah Brügge-mann, Erich Ciecior, Monika Drost, Jörg Liebisch, Andrea Poglajen-Loetters, Christel Sareyka, Nicole Wippich, Robert Zydekankleiderinnen Oumlaid Strenger, Silvia Stemmerschuhmacher Ralf Oberste-BeulmannPutzmacherin Andrea RäckersFundusverwalter Guido Hußmann

MasKechefmaskenbildnerin Elke Böttcherstellvertretender chefmaskenbild-ner Georg HerzogMaskenbildner Tanja Bade, Chris-tian Bernecker, Katharina Bondzin, Parwin Fakir, Birte Greiwe, Monika Jankowski, Stefanie Lingener, Bar-bara Lork, Ursula Menßen, Henryk Minkiewicz, Jana Müller, Astrid Schenkel, Ursula Schürerauszubildende Svenja Hartnack

requisiTeleitung Kornelia Helischrequisiteure Jessica Cosse, Andrea Figger, Astrid Freyer, Sonja Klisch, Juliane Görtzen, Wolfgang Vogt, Janneta Turska

VerWalTungleitung Brigitte Kädingsekretariat Christiane KoscholleckPersonalabteilungElke GünthnerMitarbeiter Natalie Dammer,Petra Halfmeier, Sabine Sallamon, Dirk Welschehold, Linda WuttkerechnungsabteilungUte Hellwig

Mitarbeiter Jan Herder, Sandy Bäcker, Sabine Blome, Detlev MassmanneDV Michael Kowalczykhaus- und gebäudeverwaltung Dominik Hübschenurheberrechte, Werbung, gast-spiele Ulrike Klimach

PersonalraTVorsitzende Linda Timmermann

TheaTerKasse/aBoBüroleitung Karin BüntenMitarbeiterinnen Christina Brand, Renate Dehnhardt, Eylem Durus, Heike Glöckner, Ellen Heiermann, Daniela Koscholleck, Petra Kroli-kowski, Ute Kruse, Christel Müller, Brigitte Siepa, Ursula Steingaß, Tülin Ucur, Susanne Wuttke

einlass/garDeroBeleitung Oliver BlumVorarbeiterinnen Renate Münch-Gallasch, Regina KochMitarbeiterinnen Dragina Barzik, Rosel Christa Bönnemann, Ute Grutsch, Carola Gurok, Rita Held, Christiane Kunick, Heide Lobschat, Birgit Uschkurat

hausDiensTManfred Bartnick, Oliver Bußmann, Udo Hermes, Johannes Raser, Helge Werthschütz

PForTeRosel Christa Bönnemann, Cornelia Kiszka, Wolfgang Kroner, Cornelia Skusa, Barbara Sonnaknachtpförtner Bernhardt Jeloneck, Wolfgang Welt

TransPorTarBeiTerUlrich Brozio, Udo Giehl, Bernhard Kampik, Torben SchmidtKraftfahrer Willy Doering, Jürgen Gönder, Christian Kückelheim

gasTronoMieleitung Helge van Dornick, Jochen SteinVerwaltung Julian Schmitzleitung Tanas Fabian StrelowKüche André Thurmeve Bar Lena van DornickKantine Elken Krüger, Angelika Stanek

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Wir spielen mit Ihrem Leben. Abend für Abend.0234 / 33 33 55 55

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TheaterkasseOskar-Hoffmann-Straße 26 / ecke Hans-Schalla Platz44789 Bochum

MO – fr 10.00 – 18.00 uhrSA 10.00 – 14.00 uhr, 18.00 uhr bis Öffnung der AbendkasseSO 17.00 – 18.00 uhr (Abendkasse Schauspielhaus)

tel.: 0234 / 33 33 55 55fax: 0234 / 33 33 55 12e-Mail: [email protected]

vom 5. Juli bis zum 15. August 2010 und an feiertagen ist die theaterkasse geschlossen.

Vorverkauf an der Ruhr-Universität BochumAuf dem Campus der ruhr-universität sind wir montags bis freitags von 10.00 – 14.00 uhr für Sie da! An unserem verkaufs- und Infostand im Mensafoyer erhalten Sie wäh-rend der vorlesungszeit Karten für alle vorstellungen.

AbendkasseAb einer Stunde vor vorstellungsbeginn.Bitte haben Sie verständnis dafür, dass wir an der Abend-kasse nur Karten für die Abendvorstellungen verkaufen.

Kartenkauf über das Internetwww.schauspielhausbochum.deSichern Sie sich rund um die uhr Ihre eintrittskarten für den nächsten theaterbesuch! Beim Kartenkauf über unse-ren Online-Spielplan zahlen Sie mit Ihrer Kreditkarte und drucken sich Ihre Karten anschließend über das „Print-at-Home“-System bequem zu Hause aus. Über das Internet gekaufte Karten können nicht zurücker-stattet oder umgetauscht werden.

Schriftliche KartenbestellungLegen Sie bei schriftlichen Kartenbestellungen bitte einen verrechnungscheck oder einen Wahl-Abo-Gutschein bei. Gerne rufen wir Sie für eine Zahlung mit Kreditkarte zu-rück. Die eintrittskarten werden Ihnen kostenfrei zuge-sandt. Abonnenten werden bevorzugt berücksichtigt.

Postanschrift: theaterkasse Schauspielhaus BochumKönigsallee 1544789 Bochum

VorverkaufsbeginnDer freie verkauf für veranstaltungen des Schauspielhau-ses Bochum beginnt am 1. Mittwoch des vormonats. Inha-ber eines Wahl-Abonnements können ab dem 1. Montag des vormonats ihre Wahl-Abo-Gutscheine einlösen.

KartenreservierungHolen Sie Ihre reservierten Karten bitte innerhalb von 14 tagen ab. nicht abgeholte Karten gehen zurück in den frei-en verkauf. Wir bitten um verständnis, dass nur bezahlte Karten an der Abendkasse hinterlegt werden können.

BezahlungBar, mit eC- oder Kreditkarte an der theater- und Abend-kasse. Mit Kreditkarte über den Online-Spielplan unter www.schauspielhausbochum.de.

Geschenkgutscheineverschenken Sie theater! Gutscheine für theatervorstel-lungen erhalten Sie das ganze Jahr über an unserer thea-terkasse. Wir beraten Sie gern! Die Gutscheine sind ab Kauf zwei Jahre lang gültig und gelten für alle Spielstätten des Schauspielhauses Bochum.

0234 / 33 33 55 55www.schauspielhausbochum.de

KArtenverKAuf

Kartenverkauf

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Preise Premierenzuschlag: Auf alle Karten und Wahl-Abo-Gut-scheine 4,00 €.

Ermäßigung: für Schüler und Studenten (bis zum 29. Lebensjahr), Azubis, Wehr- und ersatzdienstleistende, Schwerbehinderte (ab 80%) und Inhaber eines vergüns-tigungsausweises.

Volle Hütte: Achten Sie auf die Aktion „volle-Hütte“ in un-serem Spielplan und zahlen Sie bei der ausgesuchten vor-stellung in den Preisgruppen 1 - 3 nur 10,00 €!

Last-Minute-Tickets: 5,50 €. erhältlich an der Abendkasse ab 20 Minuten vor vorstellungsbeginn für Schüler und Studenten (bis zum 29. Lebensjahr), Azubis und Wehr- und ersatzdienstleistende.

Servicegebühr: Alle Preise inklusive 10% Servicegebühr.

Kinder- und Familienstück„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“

Preisgruppe 1 - 4

Repertoire

9,00 €

ermäßigt

5,00 €

Jugendvorstellungen

freie Platzwahl

Repertoire

9,00 €

ermäßigt

5,00 €

Theater unten

freie Platzwahl

Repertoire

9,35 €

ermäßigt

6,60 €

Schauspielhaus & Kammerspiele

Preisgruppe 1Preisgruppe 2Preisgruppe 3Preisgruppe 4

Repertoire

23,10 €17,60 €12,10 €8,80 €

ermäßigt

12,10 €8,80 €6,60 €5,50 €

PreISe

Kindervorstellungen & Jugendclubs

freie Platzwahl 8,00 € 4,00 €

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kochen mit

leidenschaft

wir

und großem theater

für sie!

Tanasdie speisekammer im schauspielhaus bochum

Bochum-Ad-01-final_Layout 4 30.03.10 17:32 Seite 1

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Sitzplan Schauspielhaus

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Reihe 12

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Reihe 14

Reihe 15

Reihe 16

BÜHNE

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PREISGRUPPEN

Preisgruppe 1

Preisgruppe 2

Preisgruppe 3

Preisgruppe 4

2 Rollstuhlplätze

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2123252729313335373922 24 26 28 30 32 34 36 38 40 41

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Reihe 12

Reihe 13

Reihe 14

Reihe 15

Reihe 16

BÜHNE

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PREISGRUPPEN

Preisgruppe 1

Preisgruppe 2

Preisgruppe 3

Preisgruppe 4

2 Rollstuhlplätze

SItZPLAn

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mehr ausgehen, mehr erleben, mehr Theater! mit einem abonnement des schauspielhauses bochum können sie bares Geld sparen oder sich selbst einen kleinen Kultur-stupser geben.

Für alle individualisten, die sich ihren spielplan selbst zusammenstellen möchten, bieten wir weiterhin unsere beliebten wahl-abos mit Gutscheinsystem an. Neu hinzu kommen ab sofort sechs Fest-abo-angebote, mit denen wir die planung ihres Theaterbesuchs zu einer entspann-ten angelegenheit werden lassen: sie entscheiden sich nur einmal und haben anschließend Terminsicherheit über die gesamte spielzeit sowie lieblingsplatz-Garantie auch bei ausverkauften Vorstellungen. Neben zwei ex-klusiven premieren-abos und drei wochentag-abos ha-ben wir dabei auch ein besonderes Kombi-abo mit dem musiktheater im Revier Gelsenkirchen im Gepäck.

schauen sie sich um – unser abo-Team berät sie gern!

Unsere Klassiker für alle, die flexibel bleiben möchten! mit den Gutscheinen eines wahl-abos haben sie die große Freiheit – gehen sie alleine, zu zweit, nehmen sie Freunde oder Verwandte zu einem gemeinsamen Thea-terbesuch mit und entscheiden sie selbst, wann sie wel-che inszenierung sehen möchten. ihre Kartenwünsche nehmen wir bereits zwei Tage vor beginn des freien Ver-kaufs entgegen.

Wahl-Abo

Preisgruppe 1Preisgruppe 2Preisgruppe 3Preisgruppe 4

10 Gutscheine

165,00 €126,50 €

82,50 €60,50 €

ermäßigt

82,50 €66,00 €60,50 €55,00 €

Kombi-Wahl-Abo

Preisgruppe 1Preisgruppe 2Preisgruppe 3Preisgruppe 4

6 x Theater + 4 x Konzert

178,20 €135,10 €

97,30 €75,20 €

ermäßigt

89,10 €69,30 €60,50 €52,80 €

Kombi-Wahl-Abo „Theater und Konzert“ mit 10 GutscheinenDas kombinierte theater- und Konzert-Abo bietet geballte Bochumer Kulturkraft! Sehen Sie sechs vorstellungen des Schauspielhauses Bochum und hören Sie vier Konzerte der Bochumer Symphoniker. Bei den theatervorstellungen haben Sie freie Platz- und Stückwahl, die Gutscheine für die Konzerte gelten für die Konzertreihen „Symphoniekon-zert“ (DO und fr) und „Symphonie Spezial“.

Abonnements wahl-aboNNemeNTs

Wahl-Abo mit 10 Gutscheinenerwerben Sie zehn Wahl-Abo-Gutscheine bei freier Stück- und terminwahl und sparen Sie dabei je nach Preisgrup-pe bis zu 30%. Sie können pro vorstellung beliebig viele Gutscheine einlösen. Bei Premieren zahlen Sie nur den all-gemeinen Premierenzuschlag von 4,00 €. Die Gutscheine gelten für die laufende Spielzeit.

Abo-Büro Oskar-Hoffmann-Straße 26 / ecke Hans-Schalla Platz44789 Bochum

MO – fr 10.00 – 18.00 uhrSA 10.00 – 14.00 uhr

tel.: 0234 / 33 33 55 - 40 oder -49 fax: 0234 / 32 55 957 e-Mail: [email protected]

vom 5. Juli bis zum 15. August 2010 ist das Abo-BüroMO – fr von 10.00 – 16.00 uhr geöffnet.

ABOnneMentS

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lassen sie lange schlangen an der Vorverkaufskasse hin-ter sich, sichern sie sich ihren lieblingsplatz und erleben sie die höhepunkte der saison – kurzum: Freuen sie sich mit unseren neuen Fest-abos auf entspannte Theaterbe-suche im schauspielhaus bochum!

wenn sie sich für eines unserer sechs angebote ent-scheiden, genießen sie planungssicherheit über die gesamte spielzeit und sparen gleichzeitig bis zu 25% ge-genüber den regulären eintrittspreisen. und wenn ihnen trotzdem mal was dazwischen kommt, können sie ihren abo-ausweis einfach an ihren Nachbarn oder die nette Kollegin weiterreichen oder alternativ bis zu zwei der vorgesehenen abo-Vorstellungen gegen andere Vor-stellungstermine des stücks in der laufenden spielzeit umtauschen.

Premieren-AbonnementsSpüren Sie die besondere Atmosphäre und Spannung eines Premierenabends und gehören Sie zu den ersten Zuschauern, die unsere neuen Inszenierungen sehen! unsere Premieren-Abos bieten Ihnen acht ausgesuchte Höhepunkte der theatersaison und einen festen Sitzplatz (inklusive Premierenzuschlag).

Premieren-Abos

Preisgruppe 1Preisgruppe 2Preisgruppe 3Preisgruppe 4

8 Premieren

208,00 €164,00 €120,00 €

98,00 €

Neu: FesT-aboNNemeNTs

ABOnneMentS

Premieren-Abo 1: Schauspielhaus

Candide oder der optimismusder sturmdie LabdakidenFaustCyrano de bergeraCkasimir und karoLineamerikader auFhaLtsame auFstiegdes arturo ui

DO 23. September 2010 SA 25. September 2010 SA 9. Oktober 2010 SA 4. Dezember 2010 SA 29. Januar 2011 SA 19. februar 2011

SA 2. April 2011

SA 28. Mai 2011

SA 25. September 2010 SO 26. September 2010 SA 9. Oktober 2010

fr 3. Dezember 2010 SA 29. Januar 2011

fr 25. März 2011

SA 28. Mai 2011 im Juni 2011

Premieren-Abo 2: Schauspielhaus & Kammerspiele

der sturmeisensteindie LabdakidenoFt ist die naturniCht einmaL sChönCyrano de bergeraCJimi bowatski hat kein sChamgeFühLder auFhaLtsame auFstiegdes arturo uidie JungFrau von orLeans

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Werktags-AbonnementsMachen Sie den Mittwoch oder den freitag zu Ihrem the-atertag und sehen Sie von Ihrem festen Lieblingsplatz aus acht neuinszenierungen der laufenden Saison in Schau-spielhaus und Kammerspielen. Ihre Plätze sind Ihnen si-cher – bei einer ermäßigung von bis zu 25%.

Werktags-Abo

Preisgruppe 1Preisgruppe 2Preisgruppe 3Preisgruppe 4

5 x Schauspielhaus + 3 x Kammerspiele

145,20 €110,00 €

74,80 €52,80 €

ermäßigt

110,00 €83,60 €57,20 €44,00 €

Sonntags-Abo

Preisgruppe 1Preisgruppe 2Preisgruppe 3Preisgruppe 4

3 x Schauspielhaus + 2 x Kammerspiele

63,80 €47,30 €33,00 € 27,50 €

ermäßigt

27,50 €27,50 €27,50 €27,50 €

ABOnneMentS

MI 20. Oktober 2010 MI 8. Dezember 2010 MI 12. Januar 2011

MI 2. februar 2011 MI 16. März 2011 MI 20. April 2011 MI 18. Mai 2011

MI 29. Juni 2011

Werktags-Abo 1: Mittwoch

medeaFaustCandide oder der optimismusoFt ist die natur niCht einmaL sChönkasimir und karoLineder sturmder FaLL des robert k.die Labdakiden

fr 15. Oktober 2010 fr 17. Dezember 2010 fr 14. Januar 2011 fr 4. März 2011

fr 1. April 2011 fr 29. April 2011 fr 3. Juni 2011 fr 15. Juli 2011

Werktags-Abo 2: Freitag

die Labdakideneisensteinder sturmFaustJimi bowatski hatkein sChamgeFühLamerikaCyrano de bergeraCdie JungFrau von orLeans

Sonntagnachmittags-AbonnementDer vorstellungsbesuch am Abend ist Ihnen und Ihrer fa-milie zu spät? Dann kommen Sie doch einfach Sonntag-nachmittag ins theater! An fünf ausgewählten terminen sehen Sie jeweils um 17.00 uhr eine unserer neuinsze-nierungen in Schauspielhaus und Kammerspielen. Dabei sparen Sie bis zu 45% gegenüber den regulären eintritts-preisen und können Ihr Wochenende ganz entspannt aus-klingen lassen.

SO 31. Oktober 2010 SO 9. Januar 2010 SO 6. februar 2010 SO 17. April 2011 SO 3. Juli 2011

Candide oder der optimismuseisensteinFaustCyrano de bergeraCdie JungFrau von orLeans

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6 Richtige: Das Revier-Abofür Schauspiel-Liebhaber, die auch gern in die Oper ge-hen, haben wir ein besonderes vorstellungspaket für Sie geschnürt, mit dem wir die alte verbundenheit mit dem Musiktheater im Revier Gelsenkirchen wieder aufleben lassen. Kommen Sie bei dem neuen städteübergreifenden fest-Abo jeweils donnerstags zu drei theatervorstellungen ins Schauspielhaus Bochum und zu drei Opern ins Musik-theater im revier.

Abo-BedingungenVertragMit der Bestellung eines Abonnements und der Zusendung der Abo-Unterlagen wird ein rechtsgültiger Vertrag zwischen Ihnen und dem Schauspielhaus Bochum geschlossen. Bitte teilen Sie uns Änderungen Ihrer Adresse oder Telefonnummer mit, damit der Monatsspielplan und andere Informationen Sie ohne Verzögerung erreichen.

BezahlungBar, mit EC- oder Kreditkarte im Abo-Büro. Für eine besonders komfortable Abwicklung bieten wir unseren Abonnenten das Lastschrifteinzugsverfahren an.

FristenIhr Abonnement verlängert sich automatisch um eine weitere Spielzeit, sofern der Vertrag nicht von einem der beiden Ver-tragspartner bis spätestens 15. Juni der laufenden Spielzeit schriftlich gekündigt wird.

HinweiseDas Schauspielhaus Bochum behält sich vor, bei Premieren und bei Vorstellungen mit großer Nachfrage pro Wahl-Abo nur zwei Gutscheine einzulösen. Wahl-Abo-Gutscheine sind nicht in die folgende Spielzeit übertragbar, ein Ersatz bei Verlust der Gutscheine ist nicht möglich. Im Rahmen der Fest-Abo-Bestellung wird das Schauspiel-haus Bochum alles unternehmen, die durch den Abonnenten getroffene Platzwahl einzuhalten. Es hat aus künstlerischen und/oder organisatorischen Gründen allerdings das Recht, kurzfristig Platzänderungen oder Änderungen der Spielstätte vorzunehmen, Abonnement-Vorstellungen auf einen anderen Termin zu verlegen oder das vorgesehene Programm zu ändern. Bei Ausfall einer Vorstellung durch Streik oder höhere Gewalt hat der Abonnent keinen Anspruch auf eine Ersatzleistung. Dies gilt ebenso bei Versäumnis einer Vorstellung.

Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Schauspielhauses Bochum.

Änderungen vorbehalten.

6 Richtige: Das Revier-Abo

Preisgruppe 1Preisgruppe 2Preisgruppe 3Preisgruppe 4

3 x Schauspielhaus + 3 x Musiktheater im Revier

140,00 €120,00 €100,00 €

-

ABOnneMentS

DO 11. november 2010

DO 3. februar 2011 DO 3. März 2011 DO 14. April 2011 DO 12. Mai 2011 DO 30. Juni 2011

ge: meFistobo: Candide oderder optimismusge: anatevkabo: der sturmge: Zar und Zimmermannbo: Cyrano de bergeraC

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aNReise

Mit dem AutoDas Bochumer Schauspielhaus befindet sich in der süd-lichen Bochumer Innenstadt und ist von den Autobah-nen A40 und A43 in wenigen Minuten zu erreichen. eine detaillierte Anfahrtsbeschreibung finden Sie unter www.schauspielhausbochum.de.

Die Zieladresse für Ihr navigationsgerät: Königsallee 15, 44789 Bochum

Der Melanchthonsaal liegt ebenfalls an der Königsallee und ist nur wenige Meter vom Schauspielhaus entfernt:Königsallee 40, 44789 Bochum

ParkenParkhaus am Schauspielhaus (P9, Zufahrt Königsallee) zum Pauschalpreis von 3,00 euro.

Mit Bus und BahnZur Haltestelle „Schauspielhaus“ gelangen Sie mit den Buslinien SB 37, Ce 31, 353, 354 und 365, den nachtex-presslinien ne 4 und ne 5 sowie den u-Bahnlinien 308 und 318. Alle Linien fahren über den Bochumer Haupt-bahnhof. Planung über www.vrr.de.

BarrierefreiheitIm Schauspielhaus stehen Ihnen zwei rollstuhlplätze zur verfügung (3. reihe, links außen). Wir bitten um recht-zeitige reservierung. um barrierefrei zu Ihren Plätzen zu gelangen, nutzen Sie bitte die rampe am Haupteingang. Behindertengerechte WC-Anlagen befinden sich im Erdge-schoss links. Leider sind die weiteren Spielstätten bislang noch nicht barrierefrei erreichbar. Gemeinsam mit den Politikern und der verwaltung der Stadt Bochum arbeiten wir an einer verbesserung der Zugangsmöglichkeiten.

iNFos

„Boropa“ – Das Magazinunser Spielzeit-Magazin informiert Sie über die geplanten Premieren der Saison und erscheint einmal jährlich zur vorstellung des kommenden Spielplans im frühjahr.

SpielplanDer Monatspielplan mit allen terminen des Schauspiel-hauses Bochum erscheint zu Beginn des vormonats und liegt an der theaterkasse, in unseren Spielstätten und an vielen weiteren Orten in Bochum und umgebung für Sie aus. Auf Wunsch schicken wir Ihnen den Monatsspielplan auch zu. Eine Download-Version finden Sie im Internet unter www.schauspielhausbochum.de

TheaterzeitungDie neue theaterzeitung von Schauspielhaus Bochum und dem Musiktheater im revier Gelsenkirchen liegt ab Herbst 2010 monatlich als Beilage der WAZ bei und natürlich auch an der theaterkasse.

WebsiteAuf www.schauspielhausbochum.de finden Sie aktuelle Änderungen und alle Infos zum Schauspielhaus Bochum, zum Spielplan, den Schauspielern, regisseuren und ihren Inszenierungen. Hier können Sie auch online Ihre Karten für die vorstellungen kaufen.

ProgrammhefteDie Programmhefte unserer aktuellen Inszenierungen sind zu den vorstellungen und nach der Premiere auch an der theaterkasse erhältlich.

Ihr Besuch im Schauspielhaus Bochum

Hattinger Str.

Alleestraße

Westring

Ostring

Südring

Stadionrin

g

Hern

er Str.

Bergstr.

Dorstener Str.

Wittener Str.

BAHN

BAHN

BAHN

Castroper

Str.

Anschlusssstelle Bochum-Zentrum

DORTMUND

ESSEN

INNENSTADT

BOCHUM

A40A40

U

HBF

SHaltestelle

Ehrenfeld

Un

iversitätsstr.

Oskar-Hoffmann-Str.

Kön

igsallee

U

SCHAUSPIELHAUSBOCHUM

InfOS unD AnreISe

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GasTRoNomieTanasDie Speisekammer im Schauspielhaus Bochum

Öffnungszeiten:MO – fr 12.00 – 14.30 uhr (Mittagstisch)MO – SA 18.00 – 1.00 uhrSO 17.00 – 1.00 uhr

Abends geschlossen, wenn sowohl im Schauspielhaus, im theater unten als auch in den Kammerspielen keine vor-stellung stattfindet.

reservierungen: tel.: 0234 / 33 33 54 44

Eve BarCocktail Lounge

Öffnungszeiten:DO – SA 21.00 – 3.00 uhr und vor feiertagenwww.evebar.de

FoyersWir bieten Ihnen an drei tresen vor vorstellungsbeginn und in der Pause kleine Snacks sowie eine breit gefächerte Getränkeauswahl an.

TheaTeRFühRuNGeNWerfen Sie einen interessanten Blick hinter die Kulissen! Die kostenlosen Führungen finden in der Regel einmal im Monat an einem Sonntag statt, termine entnehmen Sie bitte unserem Monatsspielplan.

Anmeldung bei Beatrix feldmann:MO – DO 10.00 – 12.00 uhrtel.: 0234 / 33 33 55 48e-Mail: [email protected]

Zu GasT iN bochumInformationen über die Stadt Bochum, Übernachtungs-möglichkeiten, Stadtführungen und viele weitere Angebote rund um Ihren Aufenthalt in Bochum erhalten Sie bei der Bochum touristinfo, Huestraße 9, 44787 Bochumtel.: 01805 / 26 02 34 (14ct/Min. aus dem dt. festnetz)e-Mail: [email protected]

FRaGeN, aNReGuNGeN, KRiTiK?Wir freuen uns über Ihre nachrichten und Ihr feedback. e-Mail: [email protected]

Reiselust spürbar nah.

Was die hohe Kunst des Bühnenschauspielsmit Reisen verbindet? Beide erfreuen denGeist und bereichern die Seele. Deshalbarbeiten wir ständig an aufregenden Insze-nierungen für Ihre Reiselust. Ganz gleich, wieIhre Wünsche und Ansprüche an individuellenUrlaub sind. Als Vollsortimenter können Siebei uns jede Reise, jede Airline und jedenVeranstalter buchen. Beliebt sind unsereHoneymoon-Angebote mit Romantik pur und Erlebnissen, die zu Herzen gehen.

Und wie man Geschäftsreisende mit einemperfekten Service glücklich macht, wissenunsere eingespielten Teams aus langerErfahrung. Welche Traumziele und Traum-strände auf unserem tagesaktuellen Reise-plan stehen, rezitieren wir gerne in einem persönlichen Gespräch. Besuchen Sie uns und genießen Sie eine ganz persönlicheBeratung. Von Menschen, die sich fürs Reisen begeistern.

Kortumstraße 3744787 BochumTel. 02 34-9 61 80 0Fax 02 34-9 61 80 [email protected]

Vorhang auf für Reiselust.

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schauspielhaus bochumAnstalt des öffentlichen rechtsKönigsallee 15 44789 Bochumtel.: 0234 / 33 33 -0 (Zentrale)

TheaterkasseOskar-Hoffmann-Straße 26 / ecke Hans-Schalla Platz44789 Bochumtel.: 0234 / 33 33 55 55fax: 0234 / 33 33 55 12e-Mail: [email protected]

Abo-BüroOskar-Hoffmann-Straße 26 / ecke Hans-Schalla Platz44789 Bochumtel.: 0234 / 33 33 55 -40 oder -49fax: 0234 / 32 55 957 e-Mail: [email protected]

IntendanzAnselm WeberPersönliche Mitarbeiterin: Tonia Tilchtel.: 0234 / 33 33 55 20fax: 0234 / 33 33 55 21e-Mail: [email protected]

Kaufmännischer DirektorRolf D. Suhl Persönliche referentin: Anne Rockenfellertel.: 0234 / 33 33 55 30fax: 0234 / 33 33 55 21e-Mail: [email protected]

KommunikationPresse- und Öffentlichkeitsarbeit: Christine Hoenmannstel.: 0234 / 33 33 55 23fax: 0234 / 33 33 54 37e-Mail: [email protected]

Marketing und Öffentlichkeitsarbeit:Janna Balketel.: 0234 / 33 33 54 35fax: 0234 / 33 33 54 37e-Mail: [email protected]

DramaturgieAssistenz: Sascha Kölzowtel.: 0234 / 33 33 54 38fax: 0234 / 33 33 55 19 e-Mail: [email protected]

Junges SchauspielhausMartina van Boxen, Sandra Anklamtel.: 0234 / 33 33 -54 28 oder -55 28fax: 0234 / 33 33 54 24 e-Mail: [email protected]

Kontakt KOntAKt

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DAS JUNGEOPERNHAUSIM REVIER

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www.boropa.de

Willkommen in derWeltexperimen tiermaschine

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Willkommen in derWeltexperimen tiermaschine

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Herausgeber: Schauspielhaus Bochum AöR

Intendant:Anselm Weber

KaufmännIscHer dIreKtor: Rolf D. Suhl

redaKtIon: Thomas Laue (verantwortlich), Anna Haas, Sascha Kölzow, Olaf Kröck, Sabine Reich (Dramaturgie Schauspielhaus Bochum); Janna Balke, Christine Hoenmanns (Kommu-nikation Schauspielhaus Bochum)

autoren: David Bösch, Nuran David Calis, Mustapha Cherif, Ranjit Hoskote, Roman Pawłowski, Sahika Tekand, Roger Vonto-bel, Dries Verhoeven, Arnd Wesemann

fotos und IllustratIonen:siehe rechts

WeItere fotos: David Bösch, Leonie Droste, Emanuel Hauptmann, Ha-rald Hoffmann, Zhang Huan, Andrea Huber, Birgit Hup-feld, Rainer Kzonsek, Jannes Linders, Catrin Mackowski, Martin Steffen, Stefania Tosi

redaKtIonsadresse: Schauspielhaus Bochum, Kommunikation, Königsallee 15, 44789 Bochum; www.boropa.de

anzeIgen: Rolf D. Suhl, Janna Balke ([email protected], Tel.: 0234 / 33 33 54 35)

desIgn: Scheer Werbeagentur, www.scheer.tv

creatIVe dIrector: Stefan Scheer

layout: Svenja Blasberg, Christian Frenssen, Mycha Schekalla

lItHografIe: purpurWolfgang Herrig e. K.

drucK: NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG

ausgabe 1auflage 30.000erscHeInungstermIn: 21. Mai 2010

redaKtIonsscHluss:12. April 2010Spielplanänderungen vorbehalten

mycha schekallafotografiert mit den seltsamsten Kameras der Welt. Und wenn das nicht reicht, baut er sie auch selbst.

Harry Weberist Fotograf und leidenschaftlicher Bochu-mer auf geheimer Mission in Berlin.

lars Hillenfotografiert schöne Menschen und macht aus ihnen Ikonen einer längst vergessenen Zukunft.

annika Kepzeichnet mit liebevoller Feder die unerhör-testen Dinge (die man leider nicht überall abdrucken kann).

svenja blasbergglaubt wirklich daran, dass die Welt mit gutem Magazindesign ein besserer Ort werden kann.

IMpRESSUM

thomas Wellmannzeichnet einen Strich und versetzt die Welt ins Staunen.

diana Küsterist Fotografin, macht neben Theaterfoto-grafie auch Stand-, Dokumentar-, und Por-trätfotografie.

ugur taskinkommt aus Essen und befasst sich in seinen Arbeiten unter anderem mit visueller Kultur.

IMpR

ESSU

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Philipp lemmwar in einem früheren Leben Tätowierer. Heute ist er Illustrator. Und in seinem nächsten Leben wird er Tierschützer.

christian rolfeshat sehr selten schlechte Laune. Das über-trägt sich auf seine Models, Bilder und schließlich deren Betrachter.

nils-Hendrik zündorffotografiert Orte so, wie Andere Menschen fotografieren und andersrum.

fotografen, grafIKer und Illustratoren dIeser ausgabe:

Page 147: BOROPA - Das Magazin zur Spielzeit 2010/11

Wir geben Ihnen die nötige Energie

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