bodo Juni 2014
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bodoDAS STRASSENMAGAZIN
Juni 2014
Sabine Heinrich | „Nicht jammern, machen!“ What the Heck? | Dortmunds wilde Rinder
Brazil vs. Brazil | Protest und Fußball
2.50 Euro | 1,25 Euro für den Verkäufer
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Mieterverein Dortmundund Umgebung e.V.
„Nicht ärgern. Beraten lassen.“
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case
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Brazil vs. BrazilWenn am 16. Juni die Fußball-WM beginnt, haben FIFA und brasiliani-
sche Regierung eine Niederlage bereits erlitten: Das Hochglanzbild der teuersten
WM aller Zeiten zeigt durch die sozialen Proteste gegen Zwangsräumungen und
staatliche Gewalt deutliche Kratzer.
Von Manuel Cullen
03 Inhalt | Editorial
07 Straßenleben | Schach für bodo
07 Impressum
08 Neues von bodo
16 Kultur | Die Schönheit der großen Straße
16 Recht | Private Videoüberwachung
17 Wilde Kräuter | Holunder
20 Reportage | Angriff aufs Rathaus
22 Kommentar | Syrien und die politische Schönheit
22 News
23 Die Zahl | Das Foto
24 Netzwelt | www.nachrichtenleicht.de
24 Kinotipp | Suzanne
25 Veranstaltungskalender | Verlosungen
32 bodo geht aus | Zur Schwarzen Kuhle
33 Verkäuferporträt | Tomasz
38 Reportage | Europa, Deine Armen!
42 Reportage | Die Vagabundenbewegung
45 Rätsel
46 Leserpost
Sabine HeinrichSie hat als „Frau Heinrich“ eigene Sendungen in Radio und Fernsehen
und gehört zum Reporterteam von „Zimmer frei“. Wir treffen sie bei einer Lesung
ihres Romandebüts, bei der sie auch als krisenfeste Haustechnikerin glänzt, getreu
ihrem Motto: „Nicht jammern, machen!“
Von Antje Mosebach
Onur Güntürkün Seine Arbeiten zur Hirnforschung sind vielfach ausgezeichnet, vor allem
ist der Bochumer Professor jedoch ein begnadeter Vermittler komplexer Wissenschaft.
Ein Gespräch über das Einparken, rechtsdrehende Tauben und eine Kuss-Studie.
Von Antje Mosebach
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Heckrinder in Dortmund„Aufpassen!“ heißt es in Dortmunds größtem Naturschutzge-
biet Siesack. Auf einer ehemaligen Abraumhalde zwischen Emscher und
Dortmund-Ems-Kanal lebt eine Herde Heckrinder, alles andere als zahme
Neuzüchtungen des ausgestorbenen Auerochsen.
Von Wolfgang Kienast
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INHALT | EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser,
Sammelkarten an der Supermarktkasse, Autofahnen, Gratis-Spiel-
pläne in allen Formaten, abgehalfterte Fußballer in Würstchen- und
Elektronikwerbung, tägliche Nullberichterstattung aus dem Campo
Bahia – es ist wieder Weltmeisterschaft.
Das kann einen mit Vorfreude, müder Gleichgültigkeit oder genervter
Gereiztheit erfüllen – so zumindest die Stimmungsbandbreite in unserer Redaktion. Die
einen richten ihren Terminkalender der nächsten Wochen auf den Spielplan aus und jus-
tieren ihren Tag-Nacht-Rhythmus (Schwierig: 15.6., Elfenbeinküste – Japan, Anpfiff 3 Uhr).
Andere denken ans temporäre Exil in einem Nicht-Teilnehmerland.
Einig sind wir uns nur darin, dass wir der Vermarktungsmaschinerie nicht viel hinzuzufü-
gen haben. Also: eine bodo ohne WM-Planer und exklusives Marco-Reus-Interview. Statt-
dessen schauen wir – auch auf die Gefahr, dass es die gute Stimmung vielleicht trübt – aus
Straßenzeitungsperspektive auf die Spiele. Auch in Rio und São Paulo arbeiten KollegInnen
von uns, machen mit OCAS ein wunderbares Magazin und sind mit einem Ausmaß an
Armut und vor allem mit einer Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich konfrontiert,
die aus europäischer Perspektive kaum vorstellbar ist.
„Nebenan“, in Argentinien, erscheint die Straßenzeitung „Hecho en Buenos Aires“, die für uns
die sozialen Proteste in den brasilianischen Metropolen analysiert: Brazil vs. Brazil (S.18).
Der Rest des Heftes ist allerdings ganz bodo, aber sehen Sie selbst.
Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter – [email protected]
bodoSCHAFFT CHANCEN
4
„Nicht jammern, machen!“Sabine Heinrich:
MENSCHEN
„,Heimat‘ nenne ich das Ruhrgebiet. ‚Zuhause‘ ist Köln – beides Orte, an denen
klare Worte gesprochen werden.“
5
Sie hat als „Frau Heinrich“ eigene Sendungen in Radio und Fernsehen, gehört zum Reporterteam von „Zim-mer frei“ und ist mit dem Deutschen Radiopreis aus-gezeichnet worden. Jetzt hat die WDR-Moderatorin Sabine Heinrich ihr erstes Buch veröffentlicht, eine Art Roadmovie über Lebensentscheidungen.
von Antje Mosebach | Fotos: Daniel Sadrowski
Im Radio, erzählt sie später, sei das die
Situation, in der sie ganz viel Musik spiele.
Geht hier natürlich nicht. Noch besteht die
Hoffnung, dass der Fehler schnell zu beheben
ist. Nur weiß keiner, wie. Der Belegschaft ist
die Situation sichtlich unangenehm, aber
Sabine Heinrich bleibt charmant, checkt die
Lage – und packt an. Technik ist eigentlich
nicht ihrs. Aber sie versucht’s einfach –
eine weitere Lebensmaxime der Heinrich.
Zunächst erfolglos. Ganz kurz breitet sich
Verzweiflung aus, ihr Gesamtkonzept der
Lesung droht zu platzen: Sie hat Fotos und
Filmeinspieler mitgebracht. Dann greift eben
dieses Heinrichsche Familienprinzip: Nicht
jammern, machen. Und sie legt los – tatkräf-
tig, mal gucken, was passiert.
Sie ist nicht fies vor Staub und unbekann-
ten Knöpfen („Wenn ich hier draufdrücke,
geht die Putzbeleuchtung im Erdgeschoss
an?!“). Sie bastelt an Kabeln rum und
untersucht Zusammenhänge – und beweist
dabei immer noch Humor. Wir haben
Stift und Fotoapparat zur Seite gelegt
und basteln mit. Zwischendurch blickt sie
Sabine Heinrichs Terminkalender ist ziemlich
voll. Erstens moderiert sie vormittags in Köln
ihre vierstündige Radiosendung „Frau Hein-
rich“. Zweitens ist sie gerade auf ellenlanger
Lesetour, um ihr erstes Buch vorzustellen,
„Sehnsucht ist ein Notfall“. Trotzdem sagt sie
sofort „ja, klar“, als wir sie um ein Interview
bitten. Es passt auch alles: An diesem Abend
will sie ihr Buch in der Mayerschen Buch-
handlung in Dortmund vorstellen. Für 19 Uhr
sind wir dort verabredet.
Sabine Heinrich kommt sofort offen,
natürlich und gut gelaunt auf uns zu. Das
„Du“ ist selbstverständlich. Sie lächelt:
„Schön, dass es geklappt hat“. Erst noch
den Soundcheck, „das geht meistens ganz
schnell“. Sabine Heinrich kennt sich aus,
es ist nicht ihre erste Lesung. Aber es wird
die erste, bei der die Technik komplett
versagt. Das Mikrofon funktioniert nicht,
die Lautsprecher nicht, der Beamer nicht,
irgendwie gar nichts. Ein Notfall, mit
Sehnsucht nach rechtzeitiger Behebung.
Stammt aus: Kamen-Heeren Lebt in: KölnBeruf: Moderatorin und BuchautorinSternzeichen: SteinbockFamilienstand: Single
kurz auf und meint entschuldigend: „Das
habt ihr euch anders vorgestellt, was?“
Ja, haben wir. Aber diese Perspektive auf
Sabine Heinrich ist spannend: Stresssitu-
ationen offenbaren viel Persönlichkeit.
Diese hier ist angenehm handfest. Das hat
die Wahlkölnerin wohl aus ihren Wurzeln
gezogen. Geboren in Unna, aufgewachsen
in Kamen-Heeren, abends in Dortmund
abgehangen – z. B. im „Keller“, der zumin-
dest namentlich in ihrem Roman auftaucht
– gejobbt bei lokalen Zeitungen im Umkreis
und Politikwissenschaften studiert in
Duisburg-Essen. Eben Ruhrgebietsfrau.
Oder doch Kölnerin? Was nun? Die Frage,
sinniert sie, stelle sie sich wirklich oft. „Das
hat mit meiner eigenen Glaubwürdigkeit
zu tun“ Eine kleine Pause. „‚Heimat‘ nenne
ich das Ruhrgebiet. ‚Zuhause‘ ist Köln“.
Und sie ist gerne Kölnerin. „Ich mag das
Lebensgefühl. Du bist immer willkommen,
und ähnlich wie im Ruhrgebiet wird hier
sehr klar gesprochen“.
Das kennt sie von zu Hause. Da wurde im-
mer und wird heute noch heftig diskutiert.
Besonders leidenschaftlich beim Fußball.
„Im Radio darf ich das nicht mehr – das po-
larisiert so“. Aber in der Heimat, in Heeren,
mit ihrer Familie. Zwangsläufig. Denn im
Hause Heinrich treffen Welten aufein-
ander: Sabine und Bruder Thomas sind
BVB-Fans, „so richtig“. Ihre Mutter gehört
„einer niederrheinischen Randgruppe“ an
(für Nicht-Eingeweihte: Borussia Mönchen-
gladbach), und Vater Heinrich ist einge-
fleischter Schalker, der nennt sogar seine
Hühner nach den Blauweißen. Da kann es
6
MENSCHEN
passieren, „dass kurzfristig Familienbande
gekappt werden“. Wenn irgend möglich, geht
Frau Heinrich auch ins Stadion – wenn ihr
Bruder sie mitnimmt. Was ihm allerdings
meist zu peinlich ist, denn Sabine Heinrich
schläft ein. Gleich in der ersten Halbzeit. „Ein,
zwei Bierchen vorher und ich werde immer so
müde…“, seufzt sie.
Klare Worte sind ihr besonders wichtig bei
Lebensentscheidungen. Die erhofft sie sich
von ihren Freunden, sehr wichtigen, engen
Freunden. Von denen gibt es vier, schon über
Jahrzehnte. Und bei denen geht es nicht um
Bauchpinselei: „Eine Entscheidung ist ja eigent-
lich was sehr Einsames, die musst du alleine
treffen. Aber wie du da hinkommst, da gibt es
viele Wege. Aber ich weiß, dass ich mir selbst
nur die bequemsten Fragen stelle, die bringen
mich aber nicht weiter“, weiß Sabine Heinrich
um ihren Knackpunkt. „Dann gucke ich bei
meinen Freunden, wer könnte mir an der Stelle
Contra geben. Nur so kann ich die Unwägbar-
keiten sehen“.
Lebensentscheidungen sind auch das Thema
ihres Buches, das sie nach über einer Stunde
tatkräftigen und erfolgreichen Einsatzes als
„Buchhandlungs-Haustechnikerin“ endlich
vorstellen kann, auf lockere und amüsante
Weise, ganz nah am Publikum. Es ist ein
leichter, schöner und witziger Roman, der im
Ruhrgebiet und in Köln anfängt und in Italien
endet; der erzählt, dass man Entscheidun-
gen in jedem Alter treffen kann, wenn sich
im Leben etwas bewegen soll. Und es egal
ist, ob man 79 Jahre alt ist, wie Oma, oder
Anfang 30, wie Eva. Geht ganz einfach: Nicht
jammern, machen. (amos)
„Bei Fußballdiskussionen kann es sein, dass kurzfristig
Familienbande gekappt werden.“
Sabine Heinrich | Sehnsucht ist ein Notfall
Kiepenheuer & Witsch Paperback
ISBN 978-3462046212
288 Seiten broschiert | 14,99 Euro
7
Herausgeber, Verleger, Redaktion:bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20
Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.:Bastian Pütter, [email protected] – 950 978 12, Fax 950 978 20
Layout und Produktion:Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign 0231 – 106 38 31, [email protected]
Veranstaltungskalender:Petra von Randow, [email protected]
Anzeigenleitung: Susanne Schröder, [email protected] – 950 978 0, Fax 950 978 20
Vertriebsleitung: Oliver Philipp, [email protected] – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe:René Boyke (rb), Brigitte, Manuel Cullen, Martin Idem (mi), Wolfgang Kienast (wk), Volker Macke, Antje Mose-bach (amos), Heinrich Peuckmann, Bastian Pütter (bp), Petra von Randow, Sebastian Sellhorst (sese)
Titelfoto: Daniel Sadrowski Fotos: Bianka Boyke (16), Fritz-Hüser-Institut (42, 43, 44), Markus Gierse (10), Hecho en Buenos Aires (18), Dr. Pou-ya Majdpour (7), pixelio.de (22), [REUTERS: Ana Carolina (20), Tony Gentile (39), Pilar Olivares (18), Jon Nazca (40), Alessia Pierdomenico (38), Susana Vera (41)], Sabrina Richmann (16), Daniel Sadrowski (3, 4, 5, 6, 12, 13, 14, 15, 32, 35, 36), Oliver Schaper (2), Screenshot: www.kindertrans-porthilfe-des-bundes.de (22), Sebastian Sellhorst (9, 10,11, 33, 46), Claudia Siekarski (11), StandOut (11, 25, 29), John Stanmeyer (23), Stefan Tuschy, Bande – für Gestaltung (17)
Cartoon: Volker Dornemann
Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien
Auflage, Erscheinungsweise:20.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung)
Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Juli-Ausgabe 10.06.2014
Anzeigen: Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 8, Juli 2012
Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kos-tenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert einge-sandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehal-ten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und nament-lich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund, 0231 – 950 978 0www.bodoev.de, facebook.com/bodoev
Vorstand: Andre Noll, Nicole Hölter, Marcus Parzonka [email protected]
Geschäftsleitung, Verwaltung:Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, [email protected]
Öffentlichkeitsarbeit:Bastian Pütter, 0231 – 950 978 12 , [email protected]
Transporte, Haushaltsauflösungen:Brunhilde Dörscheln, 0231 – 950 978 0, [email protected]
bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr
Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund:Schwanenwall 36 – 38, 44135 DortmundMo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr
Anlaufstelle und Vertrieb Bochum:Stühmeyerstraße 33, 44787 BochumMo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr
Spendenkonto: Bank für SozialwirtschaftBLZ: 370 205 00, Konto-Nr.: 722 39 00
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Beim Simultan-Schach treten mehrere Spie-
ler mit mittleren Fähigkeiten gegen einen
Spieler aus der oberen Liga an. Für beide
Seiten eine spannende Angelegenheit. Wäre
es in einer normalen Partie fast nicht mög-
lich, gegen einen Großmeister zu gewinnen,
besteht beim Simultan-Schach immerhin
eine gewisse Chance. Die Herausforderung
für den Großmeister trotz immenser Spiel-
erfahrung ist nämlich: Seine Gegenspieler
haben ein Vielfaches an Zeit, über ihren
nächsten Zug nachzudenken.
Darin hat der aktuelle Dortmunder Stadt-
meister Eckhard Schmittdiel allerdings
hinreichend Routine. An diesem Samstag
wird er an 15 Tischen gleichzeitig spielen.
Eckhard Schmittdiel ist schon seit über
20 Jahren in den Spitzenligen zu Hause
und zog vor einigen Jahren zurück in
seine Geburtsstadt Dortmund. Die beiden
Initiatoren Marcus Parzonka, bodo-Vor-
standsmitglied, und der Pressesprecher
des Schachclubs Hansa Dortmund e.V., Dr.
Pouya Majdpour, konnten den Gewinner
Schachturnier für bodoAm Samstag, dem 28. Juni, findet ein großes Simultan-Schach-turnier in unserem Buchladen am Dortmunder Schwanenwall statt. Gemeinsam mit dem Schachclub Hansa Dortmund e.V. laden wir alle Begeisterten ein, gegen den Schachgroßmeister Eckhard Schmittdiel zu spielen.
von Martin Idem | Foto: Dr. Pouya Majdpour
STRASSENLEBEN IMPRESSUM
internationaler Preise für das Benefiz-
Turnier begeistern.
Mit von der Partie beim Schachturnier
werden unter anderem auch einige mutige
bodo-Verkäufer sein, die ihr Können auf den
64 Feldern testen möchten. Wenn auch Sie
schon immer mal gegen einen Großmeister
spielen wollten, sind Sie herzlich eingela-
den, für eine Startgebühr von 10 Euro an
unserem Turnier teilzunehmen.
Sicherlich steht an diesem Samstag nicht
nur der Wettkampf im Vordergrund.
Es wird auch gefachsimpelt, es werden
Ratschläge gegeben, Erfahrungen ausge-
tauscht und natürlich wird Kaffee getrun-
ken. Nicht zu vergessen: Jeder Teilnehmer
erhält eine Urkunde. (mi)
Schach für bodo
am 28. Juni 2014 von 14 – 16 Uhr
Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund
Anmeldungen bitte unter
[email protected] oder 0231 – 950 98 70
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NEUES VON BODO
2. Freitag: Hatton CrossGuerilla Days Bochum
An jedem zweiten Freitag im Monat wird
unser Buchladen am Dortmunder Schwa-
nenwall zum Kulturort.
„2. Freitag“ lautet entsprechend der ein-
prägsame Titel der Benefiz-Reihe, bei der
wir statt um Eintrittsgeld um Spenden für
unsere Beratungsangebote bitten. Im Juni
ist die Band „Hatton Cross“ zu Gast.
„Hatton Cross“ spielen Balladen, Angejazz-
tes und Rockiges mit Bass und zwei Gitarren
– und ohne Schlagzeug. Kreative Interpre-
tationen von Songs aus den Sechzigern bis
heute stehen auf dem Programm, gespielt
mit viel Herzblut und einem Gespür für die
Situation und das Publikum.
Das Trio fand sich übrigens tatsächlich an der
namensgebenden Londoner U-Bahn-Station
und macht am 13. Juni Halt am Schwanen-
wall, Beginn ist um 19.30 Uhr. Auch die nächs-
ten zweiten Freitage sind schon geplant: Am
11. Juli besuchen uns „unter anderem Max“,
die Band unseres Redaktionskollegen Max
Kühlem, und am 8. August spielen unsere
Freunde Murat Kayi und Hannes Weyland.
„Zigeuner. Begegnungen mit einem unge-
liebten Volk“ heißt Rolf Bauerdicks vieldis-
kutiertes Buch. Gemeinsam mit Auslands-
gesellschaft NRW e.V. und Planerladen e.V.
veranstaltet bodo am 17. Juni eine Lesung
des Autors mit Foto-Vortrag und Diskussion.
Rolf Bauerdicks „Begegnungen mit einem
ungeliebten Volk“ sind glänzend geschrie-
bene Reisereportagen aus den Dörfern,
Städten, Ghettos in Rumänien, Bulgarien,
in Polen, Tschechien, der Slowakei oder
der Dortmunder Nordstadt. Bauerdick be-
Lesung: Rolf Bauerdick
Unser Beschäftigungsprojekt „Transport“
unter Leitung von Brunhilde Dörscheln
(Foto) freut sich auf Ihren Auftrag.
Mit einem rund zehnköpfigen Team von
Langzeitarbeitslosen – immer auch mit Woh-
nungslosen und ehemaligen Verkäufern des
Straßenmagazins – erledigt das bodo-Pro-
jekt Haushaltsauflösungen, Umzugshilfen
und Transporte. Knapp 300 Aufträge werden
es am Ende des Jahres wieder sein.
Unser Ziel – neben der Zufriedenheit unserer
Kunden natürlich – ist es, Menschen, die sich
in der Arbeitsgesellschaft „abgeschrieben“
fühlen, zurückzubringen in den ersten Ar-
beitsmarkt. Wir beraten und unterstützen bei
Bewerbungen und im Kontakt mit den Jobcen-
tern. Auch Unternehmen haben inzwischen
erkannt: Wer bei uns mitarbeitet, hat vielleicht
Lücken im Lebenslauf, ist aber fähig und willig,
eine anstrengende Arbeit auszuführen.
Wenn Sie sich selbst davon überzeugen wol-
len und einen Auftrag für uns haben: Rufen
Sie uns an und vereinbaren Sie einen Termin
für einen Kostenvoranschlag. 0231 – 950 978 0
Starke Arme gesucht?
schreibt Begegnungen mit Familien traditi-
oneller Kesselflicker, mit Roma-Aktivisten,
Schrottsammlern oder Profi-Bettlern, mit
Politikern, Forschern und Sozialarbeitern,
getrieben von der tiefen Liebe zu dem
„ungeliebten Volk“ der Ziganen, das auch
in seinen Beschreibungen wenig Einheit-
liches hat. Bauerdick ist so nah dran wie
ein Gadscho, ein Fremder, nur sein kann
und schildert Leben und Alltag grundver-
schiedener Gemeinschaften und Menschen
– aber auch vom Scheitern, von Armut und
von familiärer Gewalt.
Die Rückeroberung des öffentlichen Raumes
durch Kunst und Kultur: Vom 4. bis zum 8. Juni
geht Bochum mit künstlerischen, sozialen und
interaktiven Interventionen auf die Straße.
Im Rahmen des Zukunftsprojektes n.a.t.u.r.
wird es Kunstaktionen, Poetry-Slams, ein
Crossboccia-Turnier und Workshops von Tanz
bis Seed-Bomb-Bau geben.
Und: Wir sind dabei. Die monatliche soziale
Stadtführung durch bodo-Verkäufer wird
ihr Anliegen, Unsichtbares sichtbar zu
machen, in einer neuen Form präsentieren.
Am Donnerstag, dem 5. Juni, begeben sich
unsere Stadtführer auf ihre zweistündige
Tour durch das andere Bochum, diesmal be-
gleitet von der Brass-Institution „schwarz/
rot Atemgold 09“. Zwischen den Stationen
der Tour spielen die Atemgoldler ihren „Ur-
ban Skajazzworldbrass“ mit hypnotischem
Schlagwerk und treibenden Bläsersätzen.
Treffpunkt ist bei bodo, unterwegs sind alle
Passanten herzlich eingeladen, mitzuziehen.
Laute soziale Stadtführung, 5. Juni, 17 Uhr,
bodo-Anlaufstelle, Stühmeyerstraße 33
8
9
www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev
Stadträte, Oberbürgermeister, Euro-
paparlament: Der Mai war der große
Wahlmonat, und auch die VerkäuferInnen
des Straßenmagazins haben gewählt:
bodo hat neue Verkäufersprecher.
Während Bochum mit Moni und Marcus,
einem unserer sozialen Stadtführer, auf
ein bewährtes Team setzt, wählte die
Dortmunder Verkäuferschaft drei erst-
malig angetretene Verkäufersprecher.
Stanescu, Tomasz und Klaus (v.l.) vertreten
für ein Jahr die Interessen ihrer Dortmun-
der KollegInnen, informieren, schlichten
und beraten neue VerkäuferInnen. Auf
Seite 33 stellt sich Thomasz – seit Ende
des letzten Jahres bodo-Verkäufer – vor.
Während zuletzt die Verkäuferzahl bei
gut 100 recht stabil blieb, und sich Ab-
und Zugänge die Waage hielten, finden
zurzeit erstaunlich viele neue Mitar-
beiterInnen in unsere Aufnahme- und
Beratungssprechstunden und in unser im
täglichen Wechsel in Bochum und Dort-
mund stattfindendes Verkäufercafé.
bodo hat gewählt
Draußen vor der TürAuch in diesem Monat sind wir in Bochum
und Dortmund unterwegs, um mit Ihnen
ins Gespräch zu kommen, unsere Arbeit vor-
zustellen und um eine Lobby zu sein für die
Menschen „am Rand“.
Am Donnerstag, dem 5. Juni, findet nicht
nur „Die laute soziale Stadtführung“ mit der
Brass-Band „schwarz/rot Atemgold 09“ statt
(siehe S. 8). Am Abend werden wir auch unser
Konzept des „Journalismus für die Straße“ bei
der „Creative Stage“ in Bochum vorstellen. In-
wieweit wir wirklich zur Kreativwirtschaft der
Region gehören, werden wir in unserem Kurz-
vortrag versuchen zu klären. Wer uns zuhören
will: Informationen auf www.bodoev.de
Tags drauf, am Freitag, können Sie uns an un-
serem monatlichen Info- und Buchstand in der
Bochumer Innenstadt (Husemannplatz) tref-
fen. Am Samstag, 7. Juni, sind wir mit einem
schönen Stand Gast des Klangvokalfestivals,
an der Bühne direkt am Dortmunder Rathaus.
Und schließlich, nach „2. Freitag“, Geierabend
und einigen von Gruppen gebuchten sozialen
Stadtführungen, nehmen wir am 28. Juni ab
13 Uhr am Aktionstag des „Bochumer Bündnis
für Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ auf dem
Husemannplatz teil.
Wir freuen uns, Sie zu treffen, wenn nicht
draußen, dann vielleicht bei uns am Schwa-
nenwall in Dortmund oder in der Stühmeyer-
straße in Bochum.
Oder Sie rufen uns an oder schreiben uns:
0231 – 950 978 0, [email protected]
Gleichzeitig attackiert Bauerdick die
akademischen Antiziganismusforscher,
den Zentralrat der Sinti und Roma, die
Political Correctness der angeblichen
Denk- und Sprachverbote, auch auf die
Gefahr hin, den Beifall von der falschen
Seite zu bekommen. Wir freuen uns auf
eine engagierte Diskussion.
Am 17. Juni um 19 Uhr
Auslandsgesellschaft NRW
Steinstraße 48, 44147 Dortmund
Großer Saal 3. Ebene, der Eintritt ist frei.
9
Nach langer schwerer Krankheit bin ich jetzt endlich wieder auf den
Beinen. Eine Zeit lang stand es gar nicht gut um mich. Wäre mein Le-
bensgefährte Adolf nicht so schnell und geistesgegenwärtig gewesen,
gäbe es mich wahrscheinlich nicht mehr. Dafür möchte ich mich ganz
herzlich bei ihm bedanken.
Auch wenn die Ärzte mir erst keine guten Chancen ausgerechnet haben, habe ich
eine lange und anstrengende Reha hinter mich gebracht und bin jetzt wieder auf den Beinen.
Jeden Tag ermahnt mich Adolf, dass ich alle meine Übungen mache, damit ich wenigstens die
alltäglichen Aufgaben schnell wieder alleine hinbekomme. Noch bin ich auf einen Rollator
angewiesen, aber ich sehe täglich kleine Fortschritte.
Nun freue ich mich auf den Sommer und darauf, langsam wieder mit dem Verkauf zu be-
ginnen. Auch an die Leserinnen und Leser der bodo und das ganze bodo-Team, das an mich
geglaubt und mich unterstützt hat, einen herzlichen Dank.
Viel Spaß beim Lesen der neuen bodo, Ihre Brigitte
Brigitte, bodo-Verkäuferin in Dortmund
10
Durch eigenes Tun und unsere Begleitung,
mit neuem Selbstwertgefühl und Vertrauen
in die eigene Leistungsfähigkeit in ein ge-
ordneteres Leben zu starten, darum geht es
bei bodo. Mit Ihrer Spende helfen Sie helfen.
Nicht große Unternehmensspenden tragen
unsere Arbeit, sondern die vielfache Unter-
stützung der Bürgerinnen und Bürger der
Region. Bezeichnenderweise ist die größte
Einzelspende, die bodo in diesem Jahr er-
halten hat, ebenfalls zusammengesetzt aus
Hunderten Einzelspenden. Die BesucherIn-
nen des Dortmunder Geierabend verzichte-
ten zu unseren Gunsten auf den Umtausch
ihrer übriggebliebenen Wertmarken, und so
wurde vielen kleinen Gesten eine große Hilfe.
Mit Ihrer Unterstützung machen Sie unsere
Arbeit erst möglich. Durch den sparsamen
Umgang mit unseren Mitteln gelingt es
uns, den Spendenbedarf relativ gering
zu halten, trotzdem sind Bereiche wie die
Betreuung und Beratung unserer mehr
als 100 Verkäufer allein auf Ihre Mithilfe
angewiesen. bodo ist als gemeinnützig und
mildtätig anerkannt.
Nachhaltig helfen
Es gibt viele Wege, durch eine regelmäßige
Unterstützung unsere Arbeit planbarer
zu machen und auf Dauer sicherzustellen.
Werden Sie Fördermitglied und unterstüt-
zen Sie uns mit einem monatlichen oder
jährlichen Betrag. Oder schließen Sie für
Ihre Firma, Ihre Praxis oder Ihre Mitarbeiter
bodo-Abos ab, die Ihr Verkäufer zum Mo-
natsanfang vorbeibringt. Vielleicht möch-
ten Sie auch im Straßenmagazin werben?
Sprechen Sie uns an, wir freuen uns.
Bank für Sozialwirtschaft
BLZ: 370 205 00
Konto-Nr.: 722 39 00
IBAN: DE44 370 205 00 000 722 39 00
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Helfen Sie helfen!
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NEUES VON BODO
Geierabend Open Air
Die Geier verlassen ihr Nest und ziehen
gen Norden zum Sommer-Open Air im
Biergarten „Tante Amanda“ in Dortmund-
Westerfilde.
Für das dreitägige Comedy-Spektakel bringt
das Ensemble, inklusive Neuzugang Murat
Kayi (demnächst bei unserem „2. Freitag“
zu Gast am Schwanenwall), die schönsten
Nummern des aktuellen Programms „Späß-
chen in der Grube“ auf die Bühne.
So können sich Fans der „Zwei vonne Südtri-
büne“ auf neue Weisheiten der bierseligen
Fußballphilosophen und auf ein Wiedersehen
mit der impulsiven Hartz-IV-Mutter Jessika
Schmotke freuen. Mit dabei ist – natürlich
– auch der „Steiger“, der auf der Bühne den
Grill anwerfen und neben bissigen Seitenhie-
ben die eine oder andere Wurst ans Publikum
austeilen wird. Im Anschluss gibt es am
Freitag und Samstag eine rockige Zugabe:
Geierabend-Lieblings-Songs aus 60 Jahren
Rock’n’Roll-Geschichte.
13. – 14. Juni, 19 Uhr, 15. Juni, 18 Uhr
Biergarten Tante Amanda, Mosselde 149,
44357 Dortmund, www.geierabend.de
bodo-Blattkritik
BIKENFÜR
BODODie Studierendenzeitung „pflichtlektüre“
ist ein Ausbildungsprojekt des Instituts für
Journalistik der Technischen Universität
Dortmund. Ende Mai stattete uns die Lehr-
redaktion einen Besuch ab, um über unser
Magazin zu sprechen.
Im Februar hatte bodo-Redaktionsleiter
Bastian Pütter die Studierenden an der TU
besucht, eingeladen von Sigrun Rottmann,
Leiterin der „pflichtleküre“-Redaktion. In
großer Runde wurden Heftkonzeption,
Gestaltung und inhaltliche Ausrichtung der
Studierendenzeitung diskutiert.
Beim Gegenbesuch ließ sich nun die bodo-
Redaktion von den angehenden Bachelor-
und Master-Journalisten beraten. Neben
allgemeinem Lob hatten die gut vorberei-
teten Nachwuchs-Blattmacher kritische
Fragen, hilfreiche Anregungen und konkrete
Verbesserungsvorschläge im Gepäck.
Unser Fazit: Ein so angenehmer wie er-
kenntnisreicher Nachmittag. Wir freuen
uns schon auf eine Wiederholung mit der
nächsten „Generation“ der „pflichtlektüre“-
Lehrredaktion.
bodo ist für Sie da
Geschäftsleitung Tanja [email protected]
Redaktion undÖffentlichkeitsarbeitBastian Pü[email protected]
VertriebOliver [email protected]
bodos BücherSuzanne Prä[email protected]
bodos Bücher OnlineGordon [email protected]
Transporte und SachspendenBrunhilde Dörscheln [email protected]
montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr unter dieser zentralen Rufnummer:
0231 – 950 978 0
Mail: [email protected]: 0231 – 950 978 20
Oder Sie besuchen uns:
Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 UhrSa. 10 – 14 Uhr
Stühmeyerstraße 33, 44787 BochumMo. bis Do. 10 – 13 UhrFr. 14 – 17 Uhr
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3. Charity-Ausfahrt für bodo
Sonntag, den 13. Juli 2014Treffen um 12 Uhr am
Schwanenwall 36 – 3844135 Dortmund
Anmeldungen unter:facebook/biken-für-bodoinfo@biken-für-bodo.de
12
Es wäre wohl besser, jetzt zügig zum Fahrzeug zurückzukeh-ren, rät Dirk Lehmhaus. Wir hatten uns eh nicht sonderlich weit von dem kleinen, geländetauglichen Lastwagen entfernt. Mitt-
lerweile aber hat sich das Leittier der Herde bis auf wenige Meter genähert, hält den Kopf gesenkt, und angesichts der langen,
spitzen Hörner möchten wir es auf eine Konfrontation nicht an-kommen lassen. Also treten wir den geordneten Rückzug an und
beobachten von nun an durch das geschlossene Seitenfens-ter. Ein Safarierlebnis im Dortmunder Nordwesten. „Den Tieren
könnte ich stundenlang zuschauen“, sagt ihr langjähriger Wärter.
von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
Aufpassen!Die Heckrindherden im Siesack
REPORTAGE
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13
„Willkommen im schönsten Landstrich, den Dort-
mund zu bieten hat”, begrüßt uns Herr Lehmhaus
etwa zwei Stunden vor dieser Begegnung der be-
sonderen Art. Allein das lässt erstaunt aufhorchen,
mit landschaftlicher Schönheit verbindet man
in Dortmund, wenn überhaupt, eher die südli-
chen Randbezirke. Auf keinen Fall aber Mengede.
Wir werden eines Besseren belehrt. Das Natur-
schutzgebiet „Im Siesack“, zwischen Emscher und
Dortmund-Ems-Kanal gelegen, ist mit annähernd
170 ha das größte der Stadt.
Das abwechslungsreiche Areal mit Wäldchen,
Buschwerk, Hecken und Hainen, Grünland, Streu-
obstwiesen, Kopfweiden, sumpfigen Flächen,
Teichen und Bachläufen lässt heute noch den
vielseitigen Charakter der ehemaligen Kulturland-
schaft im Emscherbruch erkennen. Die Ackerflä-
chen werden von einem in Bochum ansässigen
Biohof bewirtschaftet. Zum Schutzgebiet gehört
zudem eine Abraumhalde aus Bergbauzeiten. Sie
ist Lebensraum zweier Heckrindherden. Vom Ka-
naluferweg, Nähe Schwieringhauser Brücke, sieht
man gelegentlich die größere am Fuß der Halde
weiden, der kleineren gehört der obere Hang.
Gezüchtet wurden Heckrinder erstmals in den
1920er Jahren von den Brüdern Heinz und Lutz Heck.
Unabhängig voneinander kreuzten die beiden Leiter
der Tiergärten in Berlin und München mehrere
europäische Rinderrassen untereinander mit dem
Ziel, den im 17. Jahrhundert ausgerotteten Aueroch-
sen wiederzubeleben. Bei einigen Merkmalen ihrer
Neuzüchtungen sind Ähnlichkeiten mit dem wilden
historischen Vorbild nicht von der Hand zu weisen. Zu
nennen wären die nahezu weiße Mehlschnauze, der
helle Aalstrich auf dem Rücken und mit Einschrän-
kungen die Form der Hörner.
Vom aktuellen Wissensstand aus betrachtet muss
man jedoch erhebliche Unterschiede zum Aueroch-
sen konstatieren. Das gilt vor allem für Größe und
Proportionen. Bei einer Widerristhöhe von 180 cm
brachte so ein Bulle bis zu drei Tonnen auf die Waage,
ein männliches Heckrind ist 30 cm kleiner und wiegt
kaum ein Drittel. Auerochsen hatten eine massige
13
14
Schulterpartie und schlanke Taille, das Heckrind dagegen ist von
vergleichsweise tonnigem Körperbau. Auch verfolgten die Gebrüder
Heck keine strengen Selektionskriterien, was eine große Heteroge-
nität innerhalb der Rasse zur Folge hat – in puncto Fellfarbe zum
Beispiel kann es vorkommen, dass ein schwarzbunt geflecktes Kalb in
eine dunkle Herde geboren wird.
Heckrinder gelten von daher nicht als Wild-, sondern als Haustier-
rasse. Allerdings als eine robuste. „Prinzipiell könnten die Tiere
auf der Halde gut ohne menschliche Hilfe überleben“, sagt Herr
Lehmhaus. „Wir füttern im Winter zwar zu, aber nur, damit sie
nicht auf die Idee kommen, aus der Umzäunung auszubrechen.
Temperaturen von bis zu minus zwanzig Grad machen ihnen nichts
aus, einen Stall benötigen sie nicht und auch keinen Unterstand. Es
gibt zwar einen, weil der Tierschutz das so will, den suchen sie aber
nie auf. Da hätten sie Angst, weil sie ihre Umgebung nicht im Blick
haben. Es ist auch vorgeschrieben, sie regelmäßig zu untersuchen,
aber obwohl wir ihnen keinerlei Medikamente verabreichen, sind
ihre Blutwerte immer tipptopp.“
Einige Zuchtvereine und -initiativen haben sich eine weiterge-
hende Verwilderung der Rasse als Ziel gesetzt. Im Neandertal
wird daran gearbeitet, in Holland lebt eine sehr große Herde bei
Lelystad am IJsselmeer. Dort soll natürliche Auslese langfristig zu
einem auerochsenähnlichen Erscheinungsbild führen. Aber was
genau ist „wild“ und wer definiert das? „Entweder Haustier oder
Wildtier. Ein Zwischending gibt es nicht. Ich habe mit Züchtern
gesprochen, die sehen bereits in der vorgeschriebenen Kennzeich-
nung mit Ohrmarken ein Problem. Wir haben hierzulande strenge
Gesetze. Die Holländer gehen damit ein bisschen anders um. Das
Gebiet bei Lelystad ist mehr als 6.000 ha groß. Neben Heckrindern
gibt es dort Rotwild und Wildpferde, und alles wird sich selbst
überlassen. Was aber auch heißt, dass in extrem kalten Wintern
einige Tiere verhungern. Darüber kann man denken, wie man will,
in Deutschland wäre es so jedenfalls nicht möglich. Im Grunde
fehlen Wölfe als Regulativ. Unberührte Natur gibt es nicht mehr.
Hat der Mensch einmal eingegriffen, ist es vorbei damit.“
Neugierig geworden, möchten wir jetzt endlich zu den Rindern.
Herr Lehmhaus sagt zwar, er könne nicht garantieren, dass wir
sie tatsächlich zu Gesicht bekommen, aber optimistisch sind wir
ebenfalls und dann steigen wir in den grün lackierten Wagen.
Über rumpelige Wirtschaftswege fahren wir bis zu einem verrie-
gelten Tor an der Halde. Dahinter geht es steil bergauf. „Hier gibt
es viele seltene Tiere. Mehrere Fledermausarten, Reptilien, Kröten
und Vögel wie Schleiereulen und den Neuntöter. Der frisst Insek-
ten und die sind wegen der Kuhfladen hier.” Kuhfladen sehen wir,
als wir am Rand einer Wiese auf halber Höhe aussteigen. Auch
Hufabdrücke. Aber keine Rinder. Dafür Windräder. „Die Herde
hier oben wird von der Stadt mit Geldmitteln finanziert, die für
ökologische Ausgleichsmaßnahmen beim Bau der Windkraftanla-
gen geflossen sind“, sagt Herr Lehmhaus.
REPORTAGE
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15
Wir laufen ein wenig herum. Fladen, Hufspuren, die Fahrt geht
weiter. „Bis vor fünfzehn Jahren, bevor es die Heckrinder gab, war
das Gelände bei Motocrossfahrern beliebt, und Spaziergänger
haben ihre Hunde frei herumlaufen lassen. Die scheuen Tiere
kehren zurück, seit die Rinder Wache halten”, erklärt uns Herr
Lehmhaus die Bedeutung der Herde für das Naturschutzgebiet.
„Eigentlich sollten sie auch die Kanadische Goldrute fressen. Die
hat sich stark verbreitet, aber die mögen sie wohl nicht. Sie tram-
peln darauf herum, das hilft ein wenig. Und sie halten sich an
Birken. Das sieht wirklich toll aus. Mit ihren Hörnern drehen sie
die Stämme so weit nach unten, bis sie an die dünnen Äste und
Blätter kommen. Neu aufschlagende Birken haben überhaupt
keine Chance, dadurch bleibt der offene Charakter der Landschaft
erhalten. Sonst wäre das hier bald ein Wald.“
Wir sind am höchsten Punkt der Halde angelangt. Eine Wiese,
umgeben von Weiß- und Sanddorn. Und vor der dichten Hecke,
in etwa hundert Metern Entfernung, stehen die Rinder. Zwei
Kälbchen sind dabei, Jungtiere haben ein deutlich helleres Fell als
ausgewachsene Exemplare. Herr Lehmhaus lockt mit trockenem
Brot. Eine Kuh löst sich von der Gruppe und kommt auf uns zu, die
übrigen folgen gemächlich. Sie bilden eine eindrucksvolle Forma-
tion. „Das Leittier ist immer eine Kuh. Die Bullen sehen imposan-
ter aus, haben aber nicht viel zu melden. Die leisten ihre Dienste
und gut ist. Wenn man angegriffen werden sollte, dann immer
von einer Kuh. Da muss man auf der Hut sein. Die sind nicht ohne,
vor allem, wenn sie Nachwuchs haben.“
Die älteren Heckrinder stellen sich auf, als wüssten sie um mög-
lichst fotogene Posen, ihre Kälbchen tollen herum. Unterdessen
ist uns die Chefin so nah gekommen, dass Herr Lehmhaus schließ-
lich meint, es wäre ratsam, sich in den Wagen zurückzuziehen. Sie
beobachtet uns, wir beobachten die Kuh. Das dauert eine Weile,
dann dreht sie ab. Mag sein, dass ihr langweilig wurde – wir
fanden es spannend.
Die Herde trabt Richtung Buschwerk. Wir schauen ihr nach, bis das
letzte Tier verschwunden ist. „Ich bin von diesen Tieren begeistert“,
sagt Herr Lehmhaus. „Wie die manchmal herumspringen, da spürt
man eine solche Lebensfreude. Die haben einen unglaublichen Be-
wegungsdrang. Wenn man dann an die engen Boxen der konventio-
nellen Stallhaltung denkt, und so groß ist der Unterschied zwischen
Milchkühen und Heckrindern auch wieder nicht, da fragt man sich
ernsthaft, was der Mensch glaubt, sich leisten zu können.“
Wer Interesse an einer Exkursion zu den Heckrindern hat, sollte mit
dem Umweltamt der Stadt Dortmund in Kontakt treten, für das
Dirk Lehmhaus arbeitet. In Planung ist eine Aussichtsplattform, von
wo aus man einen Blick auf das betreffende Areal hat. Auch sollen
demnächst Schautafeln aufgestellt werden, die über das Heckrind-
projekt im Naturschutzgebiet Siesack informieren. (wk)
15
16
KULTUR
Wer Angst vor seinen Nachbarn hat,
sollte besser auf die Polizei vertrauen als
auf eigene Schutzmaßnahmen in Form ei-
nes Videotürspions – dies meint jedenfalls
das Amtsgericht München. Bei weniger
schwerwiegenden Vorfällen rät es, sich
selbst so zu verhalten, dass eine Eskalation
vermieden wird. Das Gericht verurteilte
die Mieterin folgerichtig zur Entfernung
ihres digitalen Videotürspions.
Aus Angst vor ihren Nachbarn hatte
eine Mieterin statt eines herkömmlichen
Türspions nämlich einen solchen mit Vi-
deofunktion eingesetzt. Das Videobild
wurde durch einen installierten Bild-
schirm wiedergegeben. Nachts wurde das
Hausflurgeschehen aufgezeichnet.
In Anbetracht fast allgegenwärtiger
Überwachung des eigenen Verhaltens
ist die Entscheidung des Gerichts bemer-
kenswert. Zwar ließe sich theoretisch an
vielen Orten verhindern, dass das eige-
ne Verhalten durch Videokameras auf-
gezeichnet wird – wenn entsprechend
überwachte Orte gemieden werden.
Praktisch zwar eine Freiheitsbeschrän-
kung – zulässig ist Videoüberwachung
in sehr vielen Fällen dennoch.
Im vorliegenden Fall vermochte das
Gericht allerdings keine Rechtfertigung
für den Einsatz eines solchen Türspions
erkennen. Vielmehr sah es durch diesen
Türspion die Privatsphäre der Mitmieter
und Besucher verletzt. Diese hätten das
Recht, Wohnung und Haus zu verlassen
oder zu betreten, ohne dass ein Mitmie-
ter dies stets überwacht oder jederzeit
feststellen könne. Ebenfalls hätten Mit-
mieter das Recht, ungestört und ohne
Überwachung Besuch zu empfangen.
Ein Nachbarschaftsstreit stelle kei-
ne Ausnahme dar, da der Türspion nicht
nur zur Abwehr eines „unmittelbar be-
vorstehenden Angriffs“ auf die Mieterin
eingesetzt wurde. Wie man mit einem
solchen Gerät allerdings überhaupt
einen „unmittelbar bevorstehenden
Angriff“ abwehren könnte, erklärte das
Gericht leider nicht.
www.kanzlei-boyke.de
„Die A40 ist durch eine brutale Aktion ent-
standen“, sagt Martin Ambach. „Man hat die
B1 zur Autobahn vergrößert, um Nachschub-
wege für die Industrie zu sichern. Die Straße
wurde durch die Städte und die vorhandenen
Strukturen praktisch durchgeprügelt. Norma-
lerweise gibt es beidseitig an Autobahnen eine
Anbauverbotszone von vierzig Metern Breite.
Eigentlich darf da nichts sein, im Ruhrgebiet
wohnen da 500.000 Leute. Die leben gewisser-
maßen in einer nur halb legalen Situation. Mit
den Problemen, die damit einhergehen, hat
man sie allerdings allein gelassen.“
2010 wurde das Ruhrgebiet zur Kulturhaupt-
stadt erklärt. Es ging in erster Linie darum, nach
außen zu tragen, wie grün alles und wie sauber
die Luft inzwischen ist, wie eindrucksvoll und
Die Schönheit der großen StraßeFür das Programm im Kultur-hauptstadtjahr 2010 hatte Mar-tin Ambach zum ersten Mal das Ausstellungsprojekt „B1/A40 – Die Schönheit der gro-ßen Straße“ kuratiert. In diesem Sommer geht die Ausstellung in ihre zweite Runde. Im Mit-telpunkt steht dabei nicht die Hauptverkehrsader des Reviers an sich, sondern der Stadtraum rechts und links der Trasse und wie sich die Menschen mit den besonderen Verhältnissen dort arrangieren. Wir sprachen mit dem Kurator. Von Wolfgang Kienast | Foto: Sabrina Richmann
ästhetisch die Kathedralen der Industrie doch
sind, wie großartig sie sich als Museum nutzen
lassen. Eine Imagekampagne, die bei Teilen der
Bevölkerung gezündet haben könnte. Das Aus-
stellungsprojekt von Martin Ambach freilich
schaut nicht auf das Intendierte. Leuchttürmen
wie Zeche Zollverein gegenüber ist er kritisch
eingestellt. „Die repräsentieren eine Epoche,
die vergangen ist. Und für viele Menschen
RECHT: Private Videoüberwachung – zulässig oder nicht? von Rechtsanwalt René Boyke
17
hier ist das sehr ambivalent. Die haben sich
dort körperlich ruiniert, das kann man ja auch
mal sagen. Die tatsächlichen Qualitäten des
Ruhrgebiets sehe ich woanders, nämlich in
einer Kultur der Praxis, mit der die Menschen
den wahnsinnig schwierigen Raum trotzdem in
einer positiven Weise nutzen, ihn umwidmen
und umschreiben. Ich will das Ruhrgebiet zei-
gen, wie es wirklich ist und damit auch die reale
Schönheit dieser Orte. Die liegt natürlich nicht in
den Räumen selbst, sondern darin, wie die Leute
in diesen Räumen handeln.“
Schauplätze, die man nicht im Vorbeifahren aus
dem Autofenster sieht. Man muss sie gezielt
ansteuern, anhalten und aussteigen. Diese
Möglichkeit ist an sechs Positionen zwischen
Duisburg und Dortmund gegeben, insgesamt
zwanzig Arbeiten und Projekte werden präsen-
tiert. Das Spektrum ist groß. Bildende Kunst,
darstellende Kunst, Objekte, die selbsterklärend
jederzeit zu besichtigen sind und solche, zu
denen der Zugang nur zu bestimmten Zeiten
möglich ist. Ambach nennt Ausstellungsorte:
ein Zirkuszelt, eine Modellautorennstrecke,
einen Bauernhof in Mülheim, ein Haus in
Essen-Frillendorf, eine Windkraftanlage an der
Dortmunder Schnettkerbrücke. Alles an einem
Tag anzuschauen, wäre kaum möglich, dafür
lägen die Exponate zu weit auseinander. Aber
die Ausstellung läuft bis zum 7. September; Zeit
genug also für mehrere Ausflüge an die A40,
die der Kurator mit seinem Projekt zu einem
Landschaftspark erklärt. In Duisburg, Mülheim
und Dortmund wurden sogar Wanderwege
angelegt mit Schildern an den jeweiligen Stre-
cken, welche die teils sehr verschiedenartigen
Landschaften erklären.
„Insgesamt ist das eine sehr schöne Mischung aus
Hoch- und Alltagskultur“, fasst Martin Ambach
zusammen. „Dabei wendet sich die Ausstellung
nicht in erster Linie an das übliche Kunstpu-
blikum, sondern an die Leute, die hier leben.
Zum Teil machen die ja auch mit. Ich habe die
Menschen als spielerisch aufgeschlossen kennen-
gelernt. Deswegen empfinde ich das Ruhrgebiet,
entgegen aller Unkenrufe, als einen der besten
Orte, Kunst zu machen. Ganz besonders, was
Kunst im öffentlichen Raum betrifft.“ (wk)
WILDE KRÄUTER
HOLUNDER
Jeder Migrationshintergrundvermu-
tung unverdächtig ist... In der Februar-
Ausgabe der bodo habe ich über die
Wilde Möhre geschrieben. Das lag an
sich häufenden rhetorischen Ausfällen
aus dem christsozialen Lager. Ängs-
te schüren, Vorurteile zementieren,
Sündenböcke konstruieren, simple Lö-
sungen anbieten. Was man als Populist
am rechten Rand eben so macht. Dass
der Europawahlkampf als Spielwiese
für derartiges Phrasendreschen genutzt
werden würde, war klar. Ob ein Slogan
aus Reihen der (in alphabetischer
Reihenfolge) AfD, CSU, NPD oder PRO
irgendwas kam, schon nicht mehr.
Kein nur deutsches Phänomen. Wenn
Sie diesen – produktionstechnisch vor
der Wahl geschriebenen – Text lesen,
wird ein nationalistischer Block im
europäischen Parlament sitzen; lauter
Leute, die sich einig sind, die Anderen
doof zu finden. Leider nicht lustig.
Die Ängste sitzen tief. Und das gilt
nicht nur für solche vor dem Fremden,
sondern bisweilen auch davor, Gefahr
zu laufen, den eigentlich als korrekt
empfundenen Weg zu verlassen – und
sei es nur, weil die Sprache Vokabeln
vorgibt, die nun einen entsprechen-
den Beigeschmack haben. Klingt nicht
„Einwanderung“ und „Verdrängung“ so
sehr nach „Ausländer raus!“, dass man
von daher dem Ökologen Josef Reichholf
beipflichten könnte, der das Bekämpfen
invasiver Lebewesen geißelt? In diese
Richtung jedenfalls zielte ein Artikel,
den Autor Helmut Höge Anfang Mai in
der „Tageszeitung“ veröffentlicht hat.
Aufwachen! Die Situation von bei-
spielsweise Roma, die in Bulgarien oder
Rumänien verfolgt unter dem Existenz-
minimum lebten und jetzt versuchen,
sich irgendwie im wohlhabenden
Deutschland durchzuschlagen, ist ein
komplett anderes Ding als die Proble-
me für die einheimische Pflanzenwelt,
die aus dem Umstand resultieren,
dass Japanischer Knöterich vor einigen
Jahrzehnten an Deichen und Flußufern
angepflanzt wurde, um mit seinem
Wurzelwerk selbige zu stabilisieren.
Mittlerweile steht das ausgeuferte
Kraut auf der „Schwarzen Liste“ der
bedrohenden Gewächse. Leider ist es im
Juni zu spät, ihn für die Küche zu ernten.
Stattdessen hier das genaue Gegenteil:
Einheimisch essen – ein Rezept mit dem
jeder Migrationshintergrundvermutung
unverdächtigen Schwarzen Holunder.
Den wusste bereits der deutsche Stein-
zeitmensch zu schätzen. Und das, ob-
wohl er sich noch kein Holunderblüten-
soufflé bereiten konnte. Sie können das.
REZEPT
7 größere Holunderblütendolden mit
500 ml heißer Milch übergießen und
15 Minuten ziehen lassen. 3 Eigelb mit
2 EL Rohrzucker und 1 EL gesiebtem
Mehl schaumig rühren. Die abgeriebe-
ne Schale von 1 Zitrone zugeben und
anschließend die Holunderblütenmilch
angießen. Mit dem Stabmixer schaumig
schlagen, unter Rühren kurz erhitzen
und etwa 10 Minuten abkühlen lassen.
6 Eiweiß zu einem steifen Schnee schla-
gen, eine Hälfte kräftig unter die Masse
rühren, dann die zweite Hälfte vorsich-
tig unterheben. Eine Auflaufform but-
tern und mit einer Mischung aus Zucker
und gemörsertem Anis ausstreuen. Die
Masse in die Form geben und bei 200
Grad circa eine halbe Stunde garen. (wk)
von Wolfgang Kienast
Zur Ausstellung erscheint ein kleines Pro-
grammheft mit Projektbeschreibungen und
einer Karte, damit Besucher von außerhalb
die Orte problemlos ansteuern können.
www.urbanekuensteruhr.de | www.b1a40.de
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18
SOZIALES
1818
Am 16. Juni beginnt die Weltmeister-schaft 2014. Die Brasilianer zeigen jedoch nicht den Enthusiasmus, den man von ihnen erwartet hätte. Der versprochene Ausbau der Infrastruk-tur für WM und die Olympiade 2016 in Rio ging an den Bedürfnissen der Metropolenbewohner vorbei. Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs der letz-ten 10 Jahre sind keine Maßnahmen gegen Wohnungskrise, Gesundheits- und Bildungsnotstand ergriffen wor-den. Stattdessen bestimmen Zwangs-räumungen, Verdrängungen und die Militarisierung der Favelas den Alltag. Das Spiel, das Brasilien mit sich selbst spielen muss, prophezeit viel mehr Ge-gentore als der Auftritt der Seleção.
von Manuel Cullen / Hecho en Buenos Aires
Fotos: REUTERS Pilar Olivares und Ana Carolina
18
Foto: „Eingepflanzte” Fußbälle mit
rotem Kreuz an der Copacabana.
Bereits während der Proteste von
2013 forderte die Organisation
„Rio de Paz“ mit dieser Aktion, das
Bildungs- und Gesundheitswesen
Brasiliens auf den gleichen Standard
zu bringen wie die WM-Stadien.
19
Brazil vs. Brazil
Als Brasilien den Zuschlag für die beiden
größten Sportereignisse der Welt erhielt,
war die Freude riesig. „Jetzt zahle ich dafür.
Sieht so die Meisterschaft aus? Soll das der
olympische Geist sein?“ fragt sich Michel,
der von den Zwangsräumungen des Stadt-
teils Restinga in Rio de Janeiro betroffen ist.
Dort, wo das olympische Dorf gebaut wird.
Nach Aussage der Articulación Nacional de
Movimientos Sociales wird das Recht auf
Wohnen auch in den 12 Austragungsorten
der WM verletzt. Man schätzt, dass für beide
Mega-Events etwa 200.000 Personen von
Zwangsräumungen betroffen sind.
Allein in São Paulo werden circa 70.000
Familien aus ihren Wohnungen vertrieben.
Offizielle Zahlen gibt es dazu nicht. Bene-
dito Roberto Barbosa von der Movimientos
por la Vivienda erklärt: „Diese Dynamik der
Enteignung folgt einer globalen Logik: Durch
Gesetzesänderungen und Zwangsräumungen
werden die Interessen der multinationalen
Konzerne und des Finanzkapitals vereint, um
lokale Gebiete mit einer länderübergreifen-
den Logik auszubeuten – auf Kosten der Rech-
te des verletzbarsten Teils der Bevölkerung“.
Copa para Quem? –
Weltmeisterschaft für wen?
Sowohl die Fußball-WM als auch die Olym-
pischen Spiele erschienen als Gelegenheit,
Investitionen zu ermöglichen, die sozialen
Ungleichheiten zu verringern und die
Lebensbedingungen der Bevölkerung zu ver-
bessern. Brasilianische soziale Bewegungen
allerdings beklagen eine eindeutige Verlet-
zung der Menschenrechte. Während die Re-
gierungen, die FIFA, das Olympische Komitee
und die Sponsoren der Spiele die Vorteile
betonten, zeigt nicht nur die internationale
Erfahrung, dass bei sportlichen Großveran-
staltungen keine reellen Verbesserungen
der Lebensbedingungen stattfinden.
Im Gegenteil: Die Spiele brauchen Platz für
ihre Inszenierung von heiler Welt. Die Arti-
culacion de Movimientos Sociales zeigt auf,
dass die Anreize zum Verlassen einer Zone
keine Zweifel offen lassen: Zunächst wird
der Strom abgestellt, dann werden Gerüchte
über Zwangsräumungen verbreitet. Unsi-
cherheit, Drohungen, falsche Informationen,
Sperrung von Basisleistungen, politischer
und psychologischer Druck sind das tägliche
Brot in den Favelas. Auch von fehlenden Be-
kanntmachungen und nächtlichen Abrissen
ist die Rede. Amnesty International spricht
von „sozialen Säuberungen“.
Ropa sucia afuera –
Dreckige Wäsche woanders waschen
Die Zwangsräumungen sind nicht die einzige
Bedrohung für die Einwohner von Rio. Weni-
ger als einen Monat vor der WM haben 2.000
Soldaten den Coplejo da Maré, ein strategisch
wichtiges Gebiet in Rio de Janeiro, in dem
130.000 Menschen in 15 Favela-Siedlungen le-
ben, besetzt. Das Militär wird bis zum 31. Juli
bleiben, um den „sozialen Frieden“ während
der Meisterschaft zu garantieren. Die Bewoh-
ner, die sich an frühere derartige Aktionen
erinnern, sind misstrauisch. „Nichts wird
sich bessern. Schon in anderen Favelas ist die
UPP (Befriedungspolizei) gescheitert“, sagt
ein Händler. 2007 hatte die militärische Be-
setzung des Stadtteils Complejo de Alemán,
im Zusammenhang mit der Vorbereitung
der panamerikanischen Spiele, 41 Tote und 81
Verletzte gefordert. Als im Juni 2013 Millionen
19
20
Menschen in den wichtigsten Städten de-
monstrierten, drang das BOPE (Bataillon für
spezielle Polizeioperationen) in den Stadtteil
Complejo da Maré ein, um sogenannte „klei-
ne Verbrecher“ zu verfolgen. Sie töteten einen
jungen Mann, ein Polizist kam ums Leben.
Kurz darauf kam es zu Massakern. In jener
Nacht starben 10 Menschen. Nur Männer. Nur
Arme. Und fast alle schwarz. Der Älteste war
42, der Jüngste 16 Jahre alt.
Brasilien ist eines der wenigen Länder, in
denen die Militärpolizei den Streitkräften
untersteht. Seit den Juni-Demonstrationen
ist sie wieder in den Fokus der politischen
Debatte gerückt. Mehr als 200 Fälle von
Menschenrechtsverletzungen zählt die Inter-
amerikanische Menschenrechtskommission
OEA seit den Protesten von 2013.
Lex FIFA
Während die Militarisierung der Polizei in
Frage gestellt wird, geht die Regierung in die
entgegengesetzte Richtung. Im Dezember
wurde eine Verordnung des Verteidigungs-
ministeriums verabschiedet, die den Einsatz
der Streitkräfte zur Wahrung des inneren
Friedens vorsieht – im Hinblick auf die Olym-
pischen Spiele und die Weltmeisterschaft. Am
29. März, dem Vorabend der Besetzung des
Complejo da Maré, erließ ein Strafrichter in
Rio eine „kollektive Verordnung“, die die Poli-
zei bevollmächtigt, in Wohnungen einzudrin-
gen. Dieser Erlass ermöglichte in der Folge
den Abriss ganzer Armensiedlungen. In der
Favela do Metrô, 500 Meter vom Maracaña-
Stadion entfernt, walzten Bulldozer die
Häuser von 1.000 Brasilianern nieder, die sich
nach dem Polizeieinsatz 45 Kilometer außer-
halb des Zentrums wiederfanden. Tausende
obdachlos gewordene Bewohner demons-
trierten, seit März kommt es wöchentlich zu
Protesten und Ausschreitungen.
Offiziell kritisiert wird die „kollektive Ver-
ordnung“ als ein juristisches Instrument,
das alle Favela-Bewohner in Verdächtige
verwandle und die Favela als feindliches
Territorium betrachte. Und sich die aktuelle
Sicherheitspolitik darum kümmere, die
Stadt vor den Favelas zu schützen, anstatt
dafür zur sorgen, dass alle, die in Rio leben,
keine Gewalt erleiden müssen. Stattdessen
verletzen die Polizeipraktiken in diesen
Gebieten die Menschenrechte, indem sie
allgemeine Formulierungen wie „auto de
resistencia“ (Widerstand gegen die Autori-
täten) oder „resistencia seguida de muerte“
(Widerstand, auf den der Tod folgt) nutzen.
Noch vor der WM debattierte der Senat den
Gesetzentwurf PL 499, der bis zu 30 Jahre
Haft für schwammig definierte Vergehen
wie „das Auslösen oder das Verbreiten von
Terror und allgemeiner Panik“ vorsieht.
Protestiert zuhause!
Während das Gespenst der Demonstrationen
vom Juni 2013 weiter durch die Regierungs-
flure geistert und die Befürwortung der
WM nur noch bei 52 Prozent liegt, feiern die
Internetaktivisten hingegen ein neues Ge-
setz: das vom Senat verabschiedete „Marco
Civil da Internet“. Ein Gesetz, das als erste
Internet-Verfassung weltweit die Neutralität
und Freiheit des Netzes berücksichtigt. Die
Errungenschaften des Marco Civil machen
allerdings nicht den Kampf für Sicherheit und
Bürgerrechte obsolet, bekräftigt Daniela Silva
von der Vereinigung Transparencia Hacker.
Trotzdem: Der neue Slogan der Weltmeister-
schaft könnte nun lauten: „Protestiert von
zuhause aus und nicht auf den Straßen.“
Es scheint nicht so, als würden die Brasilia-
ner das wichtigste Spiel der Meisterschaft
außer Acht lassen. Das des eigenen Landes.
Manuel Cullen
streetpapers.org / Hecho en Buenos Aires
Übersetzung: Cornelia Woll
SOZIALES
Demonstranten verbrennen eine Karikatur des
Gouverneurs von Rio de Janeiro, Sergio Cabral.
Es scheint ein ganz normaler Wahlabend zu
werden. Nach dem Schließen der Wahllokale
versammeln sich wie jedes Jahr Parteimit-
glieder und interessierte Bürger im Foyer
des Rathauses, um gemeinsam den Hoch-
rechnungen zu folgen. Als klar ist, dass der
vielfach verurteilte Straftäter und beken-
nende Nationalsozialist Borchardt in den
Rat einziehen wird, sammeln sich die ersten
Demonstrierenden: Grüne, Linke, Piraten,
Mitglieder der „Partei“, Antifa-Aktivisten,
Mitglieder des Integrationsrates, engagierte
Bürgerinnen und Bürger.
Vor dem Rathaus weiß man bereits seit dem
früheren Abend, dass sich Neonazis in der
Nordstadt sammeln, auf ihrer Facebook-
Seite hat die „Rechte“ ein Bild des zuschla-
genden Borchardt gepostet, unter der
Überschrift: „Mit einem Schlag ins Rathaus“.
Dazu die Ankündigung: „Jetzt werden wir
den herrschenden Politikern auch auf ihrer
Bühne entgegentreten.“
Wenig später erscheinen die ersten Neonazis
auf dem Friedensplatz, um die Lage zu son-
dieren. Während die Gegendemonstration
Sonntag, 25. Mai. Am Wahl-abend attackieren Dortmun-der Neonazis der Partei „Die
Rechte“ um Neu-Ratsmitglied Siegfried Borchardt („SS-Siggi“)
eine Demonstration unmit-telbar vor dem Dortmunder
Rathaus mit Pfefferspray, Fla-schen, Schlägen und Tritten.
Viele Demonstranten, unter ih-nen Gäste der Wahlparty und
Ratsmitglieder, werden verletzt. Vor Ort ist kein einziger Polizist.
von Bastian Pütter | Foto: Oliver Schaper
Dortmunder Neonazis attackieren Wahlparty
Angriff aufs
Rathaus
21
inzwischen mehr als 100 Menschen umfasst,
geht drinnen die Wahlfeier weiter. Auch als
um 22.15 Uhr die Gruppe von 25 Neonazis den
Friedensplatz stürmt, ist kein Polizist vor Ort.
Die Demonstrierenden, unter ihnen viele
Ratsmitglieder und Mitglieder des Land-
tags, haken sich vor dem Haupteingang des
Rathauses unter, um dem heranstürmen-
den Mob den Zutritt zu verwehren. Ohne
zu zögern greift die Gruppe die Demons-
tration mit Schlägen, Tritten, Flaschen und
Pfefferspray an. Verletzte werden bereits
im Rathaus notdürftig versorgt, als die
ersten wenigen Polizisten erscheinen, die
Bereitschaftspolizei ist erst 45 Minuten
nach dem Angriff vor Ort.
Das scheinbar Unvorhersehbare hat eine
Vorgeschichte. Spätestens als am 1. Mai
500 Neonazis durch Westerfilde, Nette
und Mengede marschierten, konnte allen
Beobachtern klar sein, dass es eine neue
Situation in Dortmund gibt.
Nach den empfindlichen Schlägen der
letzten Jahre haben sich die Neonazis reor-
ganisiert. Der vormalige Polizeipräsident
Wesseler hatte angeordnet, Neonazi-Auf-
märsche nicht mehr zu schützen, sondern
zu bewachen, und SPD-Innenminister Jäger
hatte 2012 die Nazikameradschaften in
Dortmund, Hamm und Aachen nach Ver-
einsrecht verboten, ihr Vermögen eingezo-
gen und ihnen damit die organisatorische
Basis entzogen. Angriffe, Einschüchterun-
gen und Machtdemonstrationen der Nazis
endeten vorerst.
Dass diese Ruhephase nur eine Episo-
de war, zeigte sich in Westerfilde. Die
verbotene Kameradschaft „Nationaler
Widerstand Dortmund“ hat sich unter dem
Schirm einer vom Grundgesetz besonders
geschützten Partei reorganisiert, bundes-
weit übernimmt „Die Rechte“ zunehmend
die Rolle der desolaten, von Intrigen und
Skandalen erschütterten NPD.
Der Spagat zwischen geforderter „Grund-
gesetztreue“ auf der einen, und offener,
gewaltorientierter NS-Ideologie auf der
anderen Seite schien zu gelingen. Knapp
500, im Verlauf der Demonstration
immer aggressiver auftretende Neonazis
skandierten „Nationaler Sozialismus
jetzt“ und, unter den entsetzten oder
wütenden Blicken vieler türkischstämmi-
ger Anwohner etwa in der Kolonie Nette,
„Deutschland den Deutschen, Ausländer
raus“ oder „Ali, Mehmet, Mustafa, geht
zurück nach Ankara“. Gegendemons-
tranten wurden bedroht, Angriffe aus
der Demonstration unterbanden stellen-
weise nicht die überforderten Polizisten,
sondern die eigenen Ordner.
Doch Westerfilde zeigte noch etwas ande-
res. Zum ersten Mal war es gelungen, mit
„BlockaDO“ ein breites zivilgesellschaft-
liches Bündnis zu organisieren, das sich
den Neonazis mit friedlichen Blockaden
entgegenstellte. Das bis dahin bemühte
Konstrukt, Widerstand gegen antidemokra-
tische Gewalttäter als „linksextremistisch“
zu denunzieren, war nicht mehr haltbar.
Die Demonstration vor dem Rathaus war
– spontan und unerwartet – der zweite
erfolgreiche Auftritt dieses Bündnisses.
Das ist die einzige gute Nachricht. (bp)
21
22
160 neuaufgestellte High-Tech-Mülltonnen in Hamburgs In-
nenstadt sorgten für Ärger. Für die Menschen, die sich mit
dem Sammeln von Pfandflaschen ein notwendiges Zubrot
verdienen, ist die Quelle Abfalleimer damit versiegt: Wegen
der integrierten Müllpresse verhindert ein Deckel das Rein-
greifen. „Für mich sieht das so aus, als wollten die Behörden
die Flaschensammler aus der Stadt vertreiben“, sagt Sascha,
Verkäufer des Hamburgs Straßenmagazin Hinz & Kunzt. „Aus
den Augen, aus dem Sinn.“ Der Protest zeigt Wirkung: Die
Hamburger Stadtreinigung lässt sich auf einen „kleinen Ver-
such“ ein, so Pressesprecher Reinhard Fiedler. Man wolle an
zehn Tonnen „Pfandregale“ anbringen.
Der Hamburger Senat erklärte auf Anfrage der Linken, die
neuen Mülltonnen richteten sich nicht gezielt gegen Flaschen-
sammler, jedoch sei „die Sicherung des menschenwürdigen
Existenzminimums für Personen im Transferleistungsbezug
über den notwendigen Lebensunterhalt sichergestellt." Mit
anderen Worten: Flaschensammeln sei überflüssig.
Flaschensammeln unmöglich
DER KOMMENTAR
NEWS
Entgegen allen Vorurteilen: Die meisten deutschsprachigen
Zuwanderer kommunizieren mehr in der deutschen Sprache
als in ihrer Herkunftssprache – und beherrschen sogar noch
eine dritte. Dies zeigt die aktuelle Studie des Meinungsfor-
schungsinstitutes forsa im Auftrag vom Telefonieanbieter
Ortel Mobile. Jeder Zweite ist demnach so vollständig im
deutschen Sprachraum angekommen, dass er die Sprache
seines Herkunftslandes nicht mehr fließend beherrscht und
sogar auf Deutsch träumt. Vier von fünf Befragten sprechen
mit ihrem Partner hauptsächlich Deutsch, mit den eigenen
Kindern hingegen erfolgt eine bewusste Erziehung zur Zwei-
sprachigkeit: Hier wählen nur rund zwei Drittel Deutsch als
Hauptsprache. Auch mit Freunden und Bekannten sprechen
Migranten zum größeren Teil Deutsch, obwohl sie dort ein-
facher in ihre Heimatsprache wechseln könnten. Je nach Na-
tion können zwischen 33 und 93 Prozent eine dritte Sprache,
meist Englisch: Spitzenreiter ist Griechenland, dicht gefolgt
von Südamerika.
Migranten und ihre Sprache
Jugendliche Migranten sind nicht gewalttätiger als Deutsche,
die allermeisten, die in jungen Jahren kriminell geworden
sind, hören bald wieder auf, und: Je härter die Strafe, desto
höher das Rückfallrisiko.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine Langzeitstudie der Unis
Münster und Bielefeld. 13 Jahre lang haben Forscher rund 3.400
Jugendliche aus Duisburg jährlich anonym befragt. Gleich
nach Ende der Kindheit steige die Kriminalität zwar sprung-
haft an, doch bereits im Alter von 15 bis 16 Jahren gingen die
Zahlen stark zurück, auch bei den sechs bis acht Prozent Inten-
sivtätern. Voraussetzung dafür seien allerdings stabile soziale
Bindungen, ein Job oder eine Ausbildung.
Nach der Studie begehen rund 84 Prozent der Jungen und 69
Prozent der Mädchen bis zum 18. Lebensjahr mindestens ein-
mal eine meist leichte oder mittelschwere Straftat wie Laden-
diebstahl. „Das meiste regelt sich von selbst – ohne Eingriffe
durch Polizei oder Justiz“, fasst der Münsteraner Kriminologe
Klaus Boers zusammen.
Studie zur Jugendkriminalität
Die Zeit des Wegschauens ist vor-
bei. Die deutsche Bundesfamilien-
ministerin Manuela Schwesig (SPD)
macht einen historischen Vorstoß.
Ab sofort sucht ihr Ministerium
Pflegeeltern für die Aufnahme von
55.000 syrischen Kindern, die so
aus dem vom Bürgerkrieg zerstör-
ten Land gerettet werden sollen.
Fotos auf der Ministeriumsseite
„www.kindertransporthilfe-des-
bundes.de“ zeigen Kinder in Aleppo
mit Schwesig-Fotos und -Transpa-
renten. Nichts davon ist wahr.
Die Künstlergruppe „Zentrum für
politische Schönheit“, ein Zusam-
menschluss von Aktionskünstlern
und Menschenrechtlern, hat diese
schönere Wirklichkeit geschaffen,
wie bei jeder der Aktionen des
Berliner Kollektivs beeindruckend
professionell und so glaubwürdig,
dass bundesweit in Redaktionen,
Partei- und Bundespressestellen
Hektik ausbrach.
Bewerbungsformulare für ein befris-
tetes Pflegeverhältnis, Satzungen zu
Unterhaltsregelungen, Kindergeld,
Zuschüsse, Steuervorteile – alles
sehr deutsch, sehr geregelt unterm
Ministeriumslogo, und doch ist die
Kampagne Kunst: Vision, Emanzi-
pation, Eingriff. „1 aus 100“ heißt die
erlogene Kampagne, der Name er-
innert daran, dass es nach UNICEF-
Angaben 5,5 Millionen Kinder in Sy-
rien sind, die jetzt und schnell Hilfe
benötigen. 55.000 für zwei Jahre
aufzunehmen – beinahe ein Tropfen
auf den heißen Stein, doch selbst den
gibt es nur unter den Bedingungen
politischer Schönheit.
Syrien und die politische Schönheit von Bastian Pütter
Screenshot: www.kindertransporthilfe-des-bundes.de
23
Syrien und die politische Schönheit von Bastian Pütter
DAS FOTO
Mit dem Bild „Signal“, das afrikanische Migranten bei dem Versuch zeigt, an der Küste von Djibouti ein Handysignal
aus dem benachbarten Somalia zu empfangen, gewann der amerikanische Fotograf John Stanmeyer den diesjährigen
„World Press Photo Contest“. Diese und 150 weitere der weltbesten Pressefotografien gibt es vom 12. Juni bis zum 7. Juli
im Dortmunder „depot“ zu sehen.
Die betont wortkargen Dementi,
der Verzicht auf Klagen – wirkli-
che Fehler machte die Regierung
nicht, richtig machen konnte sie
nichts. Obwohl: Ist nicht die Initi-
ative der Familienministerin aus
dem Paralleluniversum genau
das, was von der Leyen, Gauck
oder Steinmeier meinen, wenn
sie von Deutschlands „aktiverer“
Rolle in der Welt fabulieren?
Statt den neuen deutschen Chau-
vinismus zu denunzieren, statt
auf die kläglichen diplomatischen
und militärischen Niederlagen der
neuen deutschen Weltpolitiker
(von der Ukraine bis Afghanistan)
zu verweisen, hat das „Zentrum
für politische Schönheit“ ernst ge-
macht mit „Deutschlands Engage-
ment in der Welt“.
Ein „schlüsselfertiges Hilfspro-
gramm“, das nur noch umgesetzt
werden muss, nennen die Künstler
ihre Aktion. Bereits während der
inszenierten Pressekonferenz mel-
deten sich die ersten Familien, die
bereit sind, Kinder aufzunehmen.
„Europa anzuführen und die Welt
anzuführen" (Steinmeier) – so kann
es gelingen. (bp)
Foto: John Stanmeyer
DIE ZAHL
Euro ist der Wert der genießbaren Lebensmittel, die ein deutscher Vier-Personen-Haushalt pro Jahr auf den Müll wirft.
940
24
endstation.kino & bodo präsentieren:Suzanne
Der Zugang zu Information und Nachrichten ist eine Bedingung für gesellschaftliche
Teilhabe. Doch nicht jeder Mensch ist in der Lage, komplexe Texte und Nachrichtenmel-
dungen zu lesen und zu verstehen. 2011 zählten 7,5 Millionen Erwachsene in Deutsch-
land zu der Gruppe der funktionalen Analphabeten. Sie können zwar einzelne Wörter
und kurze Sätze verstehen, haben aber Probleme damit, längere Texte sinnerfassend
zu lesen. An diese Menschen, aber auch an jeden anderen richtet sich das Angebot des
Nachrichtenportals nachrichtenleicht.de, konzipiert und betrieben vom Deutschland-
funk und der Fachhochschule Köln.
Ein Team von Journalistinnen und Journalisten veröffentlicht auf der Seite einmal in
der Woche Nachrichtentexte in einfacher Sprache. In diesen Texten wird auf komplexe
Satzkonstruktionen und Fremdwörter verzichtet. Lassen sich diese nicht vermeiden,
werden sie im Anschluss an den Text erklärt. „Unser Ziel ist es, im Sinne einer größt-
möglichen Inklusion die sprachlichen Barrieren so niedrig wie möglich zu halten.
Einfache Sprache soll dabei helfen, Informationen besser zu verstehen. In unseren
Texten fallen zum Beispiel oft unsere vielen Binde-Strich-Wörter ins Auge. Diese Binde-
Striche erleichtern Menschen mit Lernschwierigkeiten das Lesen und das Verstehen“,
so Dr. Tanja Köhler vom Deutschlandfunk. Doch nicht nur an Personen mit Verständ-
nisschwierigkeiten richtet sich das Projekt. Auch für Nicht-Muttersprachler, Deutsch-
Lernende und Pädagogen aus dem Ausland können die Texte nützlich sein.
Die Themenfelder, die das Projekt behandelt, unterliegen keinen speziellen Ein-
schränkungen. Von Ukraine-Konflikt bis Mindestlohn wird auf der Webseite über
alle aktuellen Nachrichtenthemen, die auf nationaler und internationaler Ebene von
Bedeutung sind, berichtet. „So leicht, wie sich unsere Nachrich-
ten in einfacher Sprache lesen lassen, sind sie selten zu schrei-
ben. Wenn Komplexität reduziert wird, besteht die Gefahr, dass
Sachverhalte falsch dargestellt werden. Man muss den Dingen
meist noch mehr auf den Grund gehen, um Nachrichten korrekt
wiederzugeben, die in einfache Sprache übersetzt werden“, so
Tanja Köhler. (sese)
www.nachrichtenleicht.de
Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein
Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:
Dr. Tanja Köhler
Die beiden Schwestern Suzanne und Maria
halten zusammen wie Pech und Schwefel.
Trotz des frühen Todes ihrer Mutter haben
die beiden jungen Frauen eine glückliche
Kindheit verbracht. Nicolas, ihr manchmal
etwas tapsiger, aber sehr liebevoller Vater,
schmeißt den Haushalt, so gut er kann, bis
zu dem Tag, an dem Suzanne ihre Schwan-
gerschaft verkündet.
Mit dem kleinen Charlie vergrößert sich die
Familie und lebt weiterhin einträchtig zu-
sammen, bis Suzanne eines Tages Julien ken-
nenlernt, einen halbseidenen jungen Kerl,
und sich unsterblich in ihn verliebt. Es dauert
nicht lange, bis sie mit ihm davonläuft und
alles hinter sich lässt, auch ihren Sohn.
Regisseurin Katell Quillévéré über ihren
Film: „Suzanne ist von Anfang bis Ende
ein Liebesfilm, mit den ständigen Wider-
sprüchlichkeiten unserer Gefühle und dem
endlosen Hin und Her des Lebens. Ich habe
bei diesem Film versucht, ,loszulassen‘, dem
Zufall, der Realität und den Schauspielern
mehr Raum zu lassen, um einen Film zu
machen, der freier und weniger glatt ist.
Vor allem habe ich versucht, dokumentari-
sches Material zu verwenden, um die fiktive
Handlung in eine realistische Umgebung zu
tauchen. Gleichzeitig stellten wir uns forma-
len Herausforderungen, um dem Film etwas
Lyrisches, Poetisches zu geben, inspiriert von
amerikanischer Fotografie der 1960er Jahre.“
Deutsche Fassung:
Do. 19.06. bis So. 22.06. um 19 Uhr
Franz. Originalfassung mit Untertiteln:
Mo. 23.06. und Di. 24.06. um 19 Uhr
Mi. 25.06. um 21.15 Uhr
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer
Wallbaumweg 108, 44894 Bochum
Telefon 0234 – 68 71 620
www.endstation-kino.de
KINOTIPPNETZWELT
24
25
VERANSTALTUNGEN | VERLOSUNGEN15.06. | Geierabend Open Air 2014 | Tante Amanda, Dortmund | 2 x 2 Karten
19. – 25.06. | Suzanne | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten
20.06. | „Odisea Negra“ | Klangvokal Musikfestival, Orchesterzentrum NRW,
Dortmund | 3 x 2 Karten
22.06. | Die Hamletmaschine | Studio im Schauspielhaus, Dortmund | 3 x 2 Karten
22.06. | Michelangelo Falvettis „Il Diluvio Universale“ |
Klangvokal Musikfestival, St. Reinoldikirche, Dortmund | 3 x 2 Karten
28.06. | Samba, Segersse, Kalinen und Currywurst | RuhrHOCHdeutsch,
Spiegelzelt, Dortmund | 2 x 2 Karten
29.06. | Buster Shuffle | Bahnhof Langendreer, Bochum | 2 x 2 Karten
Klangvokal Musikfestival Dortmund
„Odisea Negra“ am Freitag, den 20. Juni 2014 um 20 Uhr im Orchesterzentrum NRW in Dortmund
Michelangelo Falvettis „Il Diluvio Universale“ am Sonntag, den 22. Juni 2014 um 19.30 Uhr in der St. Reinoldikirche in Dortmund
bodo verlost jeweils 3 x 2 Karten
Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen
zu gewinnen. Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff
„bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:
[email protected]. Oder schicken Sie uns eine frankierte
Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer
an: bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund
Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entschei-
det das Losverfahren. Alle Gewinner werden rechtzeitig
telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg
ist ausgeschlossen. Einsendeschluss für Veranstaltungen ist
jeweils zwei Werktage vor dem Termin. Einsendeschluss für
terminunabhängige Verlosungen ist der 25.06.2014
Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!
VERANSTALTUNGEN JUNI 2014
26
SO 01 | 06 | 14
Flohmarkt | Familientrödelmarkt
Ob Kinderspielzeug für die Kleinen, Kleidung,
Kitsch, Rarität oder Kuriosität – hier findet das
Flohmarkt-Herz, was es begehrt. Auf 2.500 qm
überdachter Fläche bieten Privatleute an über
50 Ständen ihre gesammelten Schätze zum
Feilschen und Verkaufen an. Der Eintritt ist frei.
Werkstadt, Witten, 11 – 15 Uhr
Musik | Iyeoka
Frei übersetzt bedeutet Iyeoka „Respektiert
mich!“. Aber das dürfte bei dieser Sängerin
aus Boston mit nigerianischen Wurzeln so-
wieso nicht in Frage stehen. Mit Sadé wird
sie verglichen, auch mit Amy Winehouse oder
Nina Simone, und dies deutet schon einmal
auf die enorme Spannweite ihrer Stimme hin.
Iyeoka Ivie Okoawo komponiert und textet
ihre Lieder selbst. Funk, HipHop und Soul paa-
ren sich mit Eleganz und einer Prise Motown.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
MI 04 | 06 | 14
Kleinkunst | Emscherblut –
„Mittwoch-Special-Improshow“
SchauspielerInnen und ein Musiker stellen
sich dem Unvorhersehbaren und spielen aus
dem Moment heraus nach den Vorschlägen
der Besucher. Es wird gesungen, gereimt,
getanzt oder auch mal Shakespeare aus dem
Stegreif inszeniert. Vor den Augen des Pu-
blikums entstehen spontane Geschichten,
spannende Charaktere und überraschende
Ereignisse – ein Feuerwerk an Geschichten,
Sketchen und Songs. Die Besucher nehmen
immer wieder Einfluss auf das Geschehen
und genießen ungebremste Spielfreude.
Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr
DO 05 | 06 | 14
Aktion | Guerilla Days Bochum
Mit den „Guerilla Days“ wird in Bochum vom
4. bis 8. Juni der öffentliche Raum zurücker-
sehserie mit Mathieu Carrière und Ursela
Monn. Anselm Weber bringt diese Geschichte
nun zum ersten Mal auf die Theaterbühne.
Schauspielhaus, Bochum, 19.30 Uhr
(auch 11. & 20.06.)
Kabarett | Kay Ray – Lachen ohne Maulkorb
Kay Rays Humor ist tabu-, aber nie ge-
schmacklos. „Lieber unter Niveau amü-
siert, als über Niveau gelangweilt“ ist ein
oft zitierter Satz der Kay Ray Show. Hinter
all dem offensichtlichen Klamauk verbirgt
sich ein sozialkritischer Mensch, der hinter
greller Maskerade deutlicher als andere
ausdrückt, was ihm stinkt. Till Eulenspiegel
hat mit diesem Trick Könige kritisiert und
amüsiert. Die zahlreichen Dortmunder Kay
Ray-Fans haben nun die Gelegenheit, an
einer garantiert maulkorbfreien Comedy-
Veranstaltung teilzunehmen.
Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund, 20 Uhr
Dokumentarfilm | Ekstase und Schock –
Die Fußballhauptstadt Buenos Aires
Alle reden über die Fußball-Weltmeister-
schaft in Brasilien. Doch die Welthauptstadt
des Fußballs liegt woanders. Es ist Buenos
Aires. In keiner anderen Stadt der Welt fin-
det sich so viel Fußball auf so engem Raum.
Über ein Dutzend Erstligisten beheimatet
Buenos Aires – die bekanntesten sind die
Boca Juniors und River Plate – dazu über 50
Stadien. Es ist kein Zufall, dass Argentinien
das Land mit den meisten Profifußballern
im „Auslandseinsatz“ ist: 1.095 waren es im
letzten Jahr. Fußball ist Leidenschaft und
Geschäft, Verheißung auf einen möglichen
sozialen Aufstieg und Freudentaumel im
Stadion. Aber die Freude am Fußball wird
überschattet von Gewalt und Korruption.
In den so genannten „Barras Bravas“ finden
sich die fanatischen, aber auch gewaltberei-
ten Fans zusammen. Viele Vereine kapitulie-
ren. Ihre Spiele finden mittlerweile ohne das
Publikum der jeweiligen Gastmannschaft
statt. Eine Lösung scheint nicht in Sicht.
Kino im U, Dortmund, 20 Uhr
01 | 06 | 14 Iyeoka
obert, das Stadtbild begrünt und verschönert
sowie das Bewusstsein der Bürger für Nach-
haltigkeit geschärft. bodo e.V. ist mit einer
Sozialen Stadtführung der besonderen Art
dabei, begleitet von den Musikern der Brass-
Band „schwarz/rot Atemgold 09“. Druckvoll,
tanzbar, partytauglich spielen sie sich durch
Stile und Szenen: Balkan Beatz im Funkhaus
Europa, Klangexperimente in Industrierui-
nen, Ska im wilden Osten oder Global Pop am
Rhein-Herne-Kanal. Alle Passanten dürfen
mitziehen – und wir schauen, was passiert...
Dauer: ca. 2 Stunden.
ab Stühmeyerstr. 33, Bochum, 17 Uhr
Vortrag | Creative Stage
Frische Ideen und unkonventionelle Projekte
aus dem kreativwirtschaftlichen Bereich der
Region präsentieren sich in einer Mischung
aus Vortrag und Film, Konzert und Lesung,
Modenschau und Vorführung in jeweils max.
8 Minuten auf der Bühne – darunter das Stra-
ßenmagazin bodo. In den Pausen gibt es bei
Snacks und Getränken die Möglichkeit zu ver-
tiefenden Gesprächen, zum Nachfragen und
Kennenlernen. Creative Stage ist ein Format
der Wirtschaftsförderungen Bochum, Essen,
Dortmund, Duisburg und metropoleruhr so-
wie des Kulturbüros Dortmund. Anmeldung
unter creativestageruhr.de
Ottilie-Schönewald-Kolleg, BO, 18.30 Uhr
Theater | Ein Mann will nach oben
Er will Berlin erobern! Nicht mehr und nicht
weniger nimmt sich der 16-jährige Karl Sieb-
recht vor, als er aus seinem Heimatstädtchen
aufbricht in die Hauptstadt. Ehrgeizig und
klug ist er wie auch naiv und weltfremd.
Der Roman von Hans Fallada erzählt die Ge-
schichte von drei jungen Menschen, die in der
Großstadt erwachsen werden und ihren Weg
gehen. Aber es ist auch eine Geschichte über
Deutschland: Sie erzählt von den bewegten
Zeiten zwischen den Kriegen und blickt zu-
rück auf die großen Umwälzungen zu Beginn
des 20. Jahrhunderts. Berühmt wurde dieser
Roman 1978 durch seine Verfilmung als Fern-
04 | 06 | 14 Emscherblut
27
05 | 06 | 14 Guerilla Days – schwarz/rot Atemgold 09
FR 06 | 06 | 14
Theater | Zu spät! Zu spät! Zu spät!
Fünf Frauen und Männer treffen aufeinan-
der. Sie kennen sich nicht. Was sie verbindet:
Sie sind die Heilsmänner und -frauen unserer
Zeit – anerkannte Coaches, die täglich nichts
anderes machen, als Andere zu trainieren,
ihr Leben in den Griff zu kriegen. Jetzt ha-
ben sie dieses Fortbildungsseminar gebucht.
Doch als ihr eigener Dozent nicht erscheint,
zerbricht die vermeintliche Sicherheit. Die
Experten der Selbstbefragung verlieren ihre
Antworten. Die Profis der Selbstoptimierung
werden zurückgeworfen auf ihr eigenes Ich.
Das Theaterprojekt möchte einem der größ-
ten Phänomene unserer Zeit nachspüren:
dem andauernden Gefühl der Überforde-
rung und der Hoffnung, mit professionel-
ler Hilfe diesem Druck beizukommen. Dem
Druck des Alles-schaffen-Müssens und Alles-
erreichen-Könnens. Dem Druck der andau-
ernden Selbstoptimierung. Das Stück erkun-
det die Coaching-Paralleluniversen unserer
Gesellschaft, witzig und mit groteskem Biss.
Rottstr 5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr
Aktion | Koch-WM: 32 Nationen – 32 Gerichte
Dass die 32 WM-Nationen nicht nur auf
dem Platz gut sind, sondern auch am Herd,
werden die teilnehmenden Länder bei der
Koch-WM in der Auslandsgesellschaft NRW
beweisen. Jeder teilnehmenden Nation wird
ein kleiner Stand zur Verfügung gestellt, an
06 | 06 | 14 Atmen
dem kleine Portionen landestypischer kuli-
narischer Finessen im Wettbewerb stehen.
Eine Jury (darunter OB Ullrich Sierau) wird
die präsentierten Gerichte bewerten und den
Koch-Weltmeister küren.
Foyer und Außengelände der Auslandsgesell-
schaft, Dortmund, ab 17.30 Uhr
Theater | Atmen
Die Erde ist überbevölkert, die Rohstoffe
werden knapp, Umwelt und Wirtschaft kolla-
bieren. Kann man da noch Kinder in die Welt
setzen? Diese Frage stellt sich ein junges Paar,
beide um die dreißig, beide gut ausgebildet,
beide immer bemüht, das Richtige zu tun,
gute Menschen zu sein: ihren Kaffee kaufen
sie aus fairem Handel, ihr Müll wird akribisch
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05 | 06 | 14 Kay Ray
getrennt, und über die Risiken der globalen
Erwärmung sind sie bestens informiert. Aber
offenbar ticken hier zwei ganz verschiedene
biologische Uhren zugleich: die der über-
bevölkerten Erde und die einer Frau mit
Kinderwunsch. Was wird schneller Schaden
nehmen, die Umwelt oder die Beziehung des
Paares? In einem raffiniert verschachtelten
Dialog verhandelt der junge britische Autor
Duncan Macmillan die großen Daseinsfra-
gen von der Wiege bis zum Grabe. Von Panik
über Euphorie bis zur Ernüchterung reicht
die Bandbreite der Gefühle, die fast jeder aus
eigener Erfahrung kennt.
prinz regent theater, Bochum, 20 Uhr (auch 07.6)
SO 08 | 06 | 14
Musik | Torque Trio
Torque Trio präsentiert Stücke aus dem
neuen Album „Osmosis“. Das Zusammen-
spiel ist noch enger, die Freundschaft noch
tiefgreifender geworden. Das Ausloten der
optimalen Balance zwischen Offenheit, Fle-
xibilität und Stabilität ist deutlich zu hören,
wenn durch spontane Spannungsmomente
die individuelle Entwicklung der einzelnen
Musiker zum Ausdruck kommt. Torque Trio
ist nicht irgendein (Modern Jazz-) Projekt,
sondern eine eigenständige, originäre Band.
HILDE ihr Salon-Cafe, Bochum, 15 Uhr
DI 10 | 06 | 14
Musik | Madame hau mich blau &
Brian Commonwealth
Liebe, Leben, Leiden sind die Farben der Ma-
dame. Sie malt ihre Bilder in Deutsch. Pfad-
finder-Punk. Hier treffen leise Töne auf laute
Worte – für Herzen und Ohren zum liebhaben.
Und mit von der Partie ist an diesem Abend
Brian Commonwealth aus Bremen. Das Duo,
bestehend aus Gesang und Gitarre, hat sich
zum Ziel gesetzt, die perfekte Symbiose aus
Indie und Acoustic mit einer guten Brise Folk
zu schaffen. Mehr dazu verrät das Ohr.
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
DO 12 | 06 | 14
Kunst und Kultur | FOODWAYS –
Vom Kulinarischen und seiner Moral
Die Küche hat im Bauen einen besonderen
Stellenwert. Für die meisten Menschen war
sie über Jahrhunderte der einzige beheizba-
re Raum und somit Hauptaufenthalts- und
Schlafbereich, während sie in den großen
adeligen und bürgerlichen Haushalten als
Arbeitsraum der Bediensteten von den Re-
präsentationsräumen abgesondert wurde.
Heute wird die Küche oft als teures Vorzeige-
objekt in den Wohnraum integriert; tatsäch-
lich aber so wenig genutzt wie nie zuvor. Der
Vortrag „Bauen – kochen –essen. Die Küche
als Raum“ von Dr. Ruth Hanisch zeichnet die
Geschichte dieses Raums von der einfachen
Feuerstelle bis zur Hightech-Designikone
nach. Der Eintritt ist frei.
Museum für Kunst und Kulturgeschichte,
Dortmund, 18 Uhr
Musik | Sean Wheeler & Zander Schloss
Sean Wheeler kennt man als charismatischen
Frontman der Band „Throw Rag“, die zwischen
Punkrock, Rockabilly und Rock‘n‘Roll ihren eige-
nen, erfolgreichen Weg geht. Der Multi-Instru-
mentalist Zander Schloss ist bekannt als Bassist
der Hardcorepunk-Legende „Circle Jerks“. Au-
ßerdem musizierte er mit keinem geringeren
als „The Clash“-Frontman Joe Strummer. Mit
Sean Wheeler & Zander Schloss haben sich also
zwei Urgesteine des Punkrock zusammenge-
funden, um gemeinsam neue musikalische
Wege zu beschreiten: Weit ab von Nietengür-
teln, Irokesen und tropfenden Decken in rotzi-
gen Clubs finden wir uns wieder am Lagerfeuer
der amerikanischen Wildnis.
subrosa, Dortmund, 19 Uhr
FR 13 | 06 | 14
Kinderlesung | Leinen los, Seeräubermoses!
Nase im Wind! Erfolgsautorin Kirsten Boie
präsentiert das lang erwartete zweite Aben-
teuer von Seeräubermoses, dem Findelkind,
das von Piraten großgezogen wurde und sich
am Ende des ersten Bandes als waschechte
Prinzessin herausstellte. Doch Moses möchte
gar nicht Prinzessin sein: Sticken und Knick-
sen ist nicht ihre Sache. Immer wieder denkt
sie sehnsüchtig an die Zeit zurück, als sie noch
ein Seeräubermädchen auf der „Wüsten Wal-
li“ und keine vornehme Prinzessin war. Wie
gern würde sie sich auf die Jagd nach dem
gestohlenen Blutrubin machen, aber Prinzes-
sinnen dürfen das nicht. Da trifft es sich fast
günstig, dass gleich zwei Fremde behaupten,
nicht Moses, sondern ihre Töchter seien die
wahre Prinzessin.Mast- und Schotbruch! Da
kann Moses doch gleich wieder Seeräuber
werden! Eine seeräuberstarke Schatzsuche
für Kinder ab 6 Jahre.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 18 Uhr
Theater | Verlorene Liebesmüh
Vier Männer – ein Schwur! Prinz Ferdinand
von Navarra und drei seiner Höflinge wollen
sich drei Jahre lang nur geistigen Studien wid-
men. Das bedeutet auch, die Frauen zu mei-
den, sich dem zu widersetzen wäre Hofverrat.
Doch plötzlich naht die Verführung pur in
Gestalt von vier höchst reizvollen Damen. Die
Prinzessin vom Königreich Aquetanien mit ih-
ren Hofdamen reist an – Traum und Albtraum
zugleich! Das jungeensemble 15+ hat sich die
Komödie „Love’s Labour’s Lust“ von Shakes-
peare vorgenommen und beschäftigt sich mit
dem ursprünglichsten Konflikt der Mensch-
heit: mit Liebe, Leid und Lust.
Flottmann-Hallen, Herne, 19 Uhr
(auch 15.06., 17 Uhr)
SA 14 | 06 | 14
Fest | Sommerfest am U
Mit vielen schönen Aktionen für Groß und
Klein vom HMKV wird dieses Jahr das Som-
merfest am Dortmunder U gefeiert – um-
sonst und draußen. Im Stundentakt laden
Kurz- und Kinderführungen dazu ein, die
Ausstellung „World Of Matter“ zu erkunden.
Des Weiteren gibt es Musik, eine Fotoaktion,
05 | 06 | 14 Ekstase und Schock – Die Fußballhauptstadt Buenos Aires
29
12 | 06 | 14 Sean Wheeler & Zander Schloss05 | 06 | 14 Ekstase und Schock – Die Fußballhauptstadt Buenos Aires
eine Kinderrallye, Comics zum Selbstgestal-
ten, und beim Ballonzauber werden Figuren
aus Ballons selbst modelliert.
Dortmunder U, Dortmund, ab 11 Uhr
Party | Nice Up!
Mit „Nice Up!“ präsentiert die Cosmotopia-
Crew regelmäßig eine außergewöhnliche
Roots-Reggae und Dancehall-Party in der
Region. Als Special Guest beehrt diesmal nie-
mand geringerer als Daryl Rodulfo alias D-
One das Club Wohnzimmer. Als Mitglied der
„Herb-A-Lize it“-Crew ist er Teil des bekann-
testen Soundsystems der Niederlande und
zudem Gründer des Reggae-Portals „Jamma-
sters“. Dazu bringen NasAIR, WickedMarcus
& der Radius Old-School Hip Hop, Reggae
Klassiker, Dancehall Riddims, Urban Beats
und Ska auf die Decks. Zutritt ab 21 Jahren.
Großmarktschänke, Dortmund, 22 Uhr
SO 15 | 06 | 14
BODO-VERLOSUNG | Geierabend Open Air 14
Nach einer restlos ausverkauften Session auf
Zeche Zollern II/IV befindet sich der alternative
Ruhrpott-Karneval Geierabend im Anflug auf
das Sommer-Open Air im Biergarten „Tante
Amanda“. Für das dreitägige Comedy-Spek-
takel von Freitag, 13., bis
Sonntag, 15. Juni bringt
das Ensemble inklusive
Neuzugang Murat Kayi
noch einmal die schöns-
ten Nummern des aktuellen Programms
„Späßchen in der Grube“ und viele Klassiker
der vergangenen Jahre auf die Bühne. Der
Geier-Angriff auf die Lachmuskeln besteht also
aus einer hochexplosiven Ruhrpott-Mischung:
Comedy, Kabarett, Satire und Musik. Auch
ganz neue Nummern hält die zweistündige
Show bereit: So können sich Fans der „Zwei
vonne Südtribüne“ anlässlich der WM auf
neue Weisheiten der bierseligen Fußballphi-
losophen freuen. Außerdem gibt es ein Wie-
dersehen mit der „impulsiven Hartz 4-Mutter“
Jessika Schmotke. Der „Steiger“ wiederum will
beweisen, dass sein kohlenschwarzer Humor
nicht nur von der Lore aus zündet – und wird
dafür auf der Bühne den Grill anwerfen und
neben bissigen Seitenhieben auch die eine
oder andere Wurst ans Publikum austeilen. Im
Anschluss an die Vorstellungen am Freitag und
Samstag gibt es noch eine rockige Zugabe: Die
06 | 06 | 14 Zu spät! Zu spät! Zu spät!
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Geier geben ihre Lieblings-Songs aus 60 Jahren
Rock’n’Roll-Geschichte zum Besten. Weitere In-
fos unter: www.geierabend.de.
Tante Amanda, Dortmund, 18 Uhr
bodo verlost 2 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 25.
Musik | Musikschultag
Wie in jedem Jahr öffnet die Musikschule
in diesem Jahr wieder ihre musikalischen
Tore zum traditionellen Musikschultag. Jetzt
zum zweiten Mal mitten in der Dortmunder
Nordstadt, zwischen Dietrich-Keuning-Haus,
Agentur für Arbeit und Musikschule. Die
Schule möchte mit 2.200 Schülerinnen und
Schülern und 200 Lehrenden die Dortmun-
der Nordstadt erklingen lassen. Wie in den
letzten Jahren auch, soll es unterschiedliche
Musikstilrichtungen an vielen verschiedenen
Standorten geben. Vom Flötenensemble bis
zum Boogie-Voodoo-Percussion-Ensemble ist
alles dabei. Für die kleinen Gäste wird es zum
Ausprobieren unterschiedlichster Instrumen-
te eine Musikstraße geben. Ein musikalisches
Erlebnis für Groß und Klein. Nähere Infos un-
ter www.musikschule.dortmund.de
Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund, ab 11 Uhr
Umsonst und drauSSenAM 14.06.2014, AB 11UHR
mit:• Minivideostudio• HMKV-Fotoaktion
• Comics selbst erstellen• Ballonzauber
• Salon auf dem Vorplatz
• stündliche Hausführungen sowie durch alle Ausstellungen
• Musik mit jazz in opera & INSIDE THE AMBERROOM• AuSSengastronomie
30
Weitere Infos: www.bus-und-bahn.deMobiles Internet: bub.mobi
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FR 20 | 06 | 14
BODO–VERLOSUNG |
Klangvokal Musikfestival: Odisea Negra
Im Meer der Erinnerungen begegnen sich
das Barockensemble La Chimera und Musi-
ker und Sänger aus Ve-
nezuela, dem Senegal
und Kuba. Alles dreht
sich um die Musik, die
aus einem dunklen Ka-
pitel der Geschichte hervorgegangen ist: der
Verschleppung der Afrikaner auf karibische
Plantagen im 17. Jahrhundert. Mit Entdecker-
freude spüren die Musiker und Sänger der
karibischen Musik und ihren europäischen
wie afrikanischen Ursprüngen nach: Bei der
Reise über Kontinente, Zeiten und Stile trifft
Barockmusik auf karibische Lebensfreude,
vermischen sich Werke spanischer Hofkom-
ponisten filigran mit südamerikanischen
Tänzen wie Negrillas, Habaneras und Me-
ringues. Das Konzert findet im Rahmen des
Klangvokal Musikfestivals Dortmund statt,
welches vom 22. Mai bis 22. Juni mit insge-
samt 30 Aufführungen verschiedenster mu-
sikalischer Couleur in Dortmund stattfindet.
Weitere Infos unter www.klangvokal.de.
Orchesterzentrum NRW, Dortmund, 20 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 25.
(Mitmach-)Aktion | Public Engineering
Public Engineering ist Ausstellung, Messe
und Symposium zugleich, offen für alle – für
Familien-Ingenieure, Erfinder und Hobby-
Industrielle. An einem Wochenende lädt der
britische Künstler Ross Dalziel aus Liverpool
gemeinsam mit DAS LABOR aus Bochum in
die Rotunde zum „hacken“. Gleichzeitig gibt es
Zeit zu Gesprächen und Austausch. Zusätzlich
werden Workshops für Kinder und Erwachse-
ne angeboten. Hier kann unter Anleitung der
Hacker gelötet, geschraubt und gebastelt wer-
den. Die Rotunde an der Viktoriastraße wird
zum Hackspace, zu einem Raum, in dem Wis-
senschaft und Technologie mit Do-It-Yourself
und digitaler Kunst verschmelzen. Im Rahmen
des Detroit-Projekts. Eintritt frei.
Rotunde, Bochum, 18 – 21 Uhr
(auch 21.06, 12 – 19 Uhr & 22.06., 12 – 18 Uhr)
SA 21 | 06 | 14
Soziales | Stadtführung mit bodo-Verkäufern
Wie verbringen eigentlich Menschen auf der
Straße ihren Tag? Wo halten sie sich auf, wel-
che Angebote und Hilfen gibt es? Wie sieht die
Stadt aus der Sicht der „Menschen am Rand“
aus? Bei bodos sozialer Stadtführung zeigen
auf einem zweistündigen Rundgang Verkäufer
des Straßenmagazins „ihr“ Bochum. Entlang
des Tagesablaufs eines Menschen ohne Woh-
nung besuchen die Stadtführer Orte und Ein-
richtungen, beschreiben eigene Erfahrungen
und liefern Informationen zu den Hilfe- und
Selbsthilfenetzen in der Stadt. Übernachtungs-
stellen, Suppenküchen, Tageseinrichtungen
liegen auf dem Weg. Zum Abschluss gibt es
ein Getränk bei bodo. „Teilnahmegebühr“ ist
der Kauf eines Straßenmagazins bei unserem
Stadtführer. Über eine kleine Spende an den
Verein freut sich bodo. Um telefonische Anmel-
dung wird gebeten: 0231 – 950 978 0
Ab Stühmeyerstr. 33, Bochum, 11 Uhr
SO 22 | 06 | 14
BODO–VERLOSUNG | Die Hamletmaschine
Hamlet, der tragische Held Shakespeares, und
seine ertrunkene Geliebte Ophelia kehren von
den Toten zurück: und weigern sich, ihr Drama
noch einmal zu spielen. Hamlet hat sein Publi-
kum längst verloren – und Ophelia verwandelt
sich in die rächende Elektra. Wütend, politisch,
14 | 06 | 14 Nice Up!13 | 06 | 14 Leinen los, Seeräubermoses!
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31
FR 27 | 06 | 14
Kabarett | Hagen Rether
Die Welt wird immer komplizierter, das Ge-
flecht aus politischen und wirtschaftlichen
Abhängigkeiten zunehmend undurchsichtig:
Vor diesem Hintergrund lässt Rether Strip-
penzieher und Marionetten, Strohmänner
und Sündenböcke aufziehen, versucht den
oft absichtsvoll verborgenen Nutzen von Kli-
schees und Drohkulissen aufzudecken und
so genannte Sensationen als mediale Ab-
lenkungsmanöver zu enttarnen. Während
er die Fäden entwirrt und sich wieder darin
verstrickt, unermüdlich ordnet und ver-
meintlich Wohlsortiertes umwirft, erscheint
dahinter die Eitelkeit der (Ohn-)Mächtigen
und hinter eitlen Politikergefechten der Lob-
byismus – Verkäufer und Verkaufte erkennen
sich für einen kurzen Moment im Spiegel. Es
wäre zum Verzweifeln, wenn die Protagonis-
ten nicht so lächerlich wären... und Hagen
Rether weint und lacht. Und singt.
Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr
SA 28 | 06 | 14
BODO-VERLOSUNG | RuhrHOCHdeutsch:
Samba – Segersse – Kalinen und Currywurst
Man spricht RuhrHOCHdeutsch im histori-
schen Spiegelzelt in Dortmund an der A40/
B1. Dort präsentiert
das Theater Fletch Biz-
zel dreieinhalb Monate
lang ein abwechslungs-
reiches Programm mit
Kabarettisten, Comedians und Musikern aus
der Region und der gesamten Republik. An
109 Tagen gehen 119 Veranstaltungen mit
mehr als 150 Künstlern über die Bühne. Nach
der Eröffnungs-Benefiz-Gala am 26. und dem
Konzert von Konstantin Wecker am 27. Juni
steht RuhrHOCHdeutsch vom Achtelfinale bis
zum Endspiel ganz im Zeichen der Fußball-
WM. In der gepflegten Atmosphäre des Spie-
gelzelts empfangen Gregor Schnittker oder
Peter Großmann exzellente Gäste aus der Welt
von Fußball, Kabarett und Comedy. Am 28.6.
erwartet Gregor Schnittker Lioba Albus, Willi
„Ente“ Lippens & weitere Gäste. Ab 22 Uhr geht
es weiter auf dem grünen Rasen, und die Gäs-
te sind per Großbildleinwand live dabei. Wei-
tere Infos unter: www.ruhrhochdeutsch.de.
Spiegelzelt, Dortmund, 20 Uhr
bodo verlost 2 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 25
Schach | Simultan mit Großmeister
Herausforderung im Spiel der Könige: Seit 25
Jahren spielt der einzige in Dortmund gebo-
rene Schach-Großmeister Eckhard Schmitt-
diel in den Spitzenligen der Welt, an diesem
Samstag für einen guten Zweck bei bodo
simultan – an 15 Brettern. Mitmachen kann
jeder Schachfan gegen eine bodo-Spende
von mindestens 10 Euro. Wird eine Partie be-
endet, so rücken die nachfolgenden Heraus-
forderer nach. Nebenbei kann man natürlich
auch über die Schulter schauen. Anmeldung
bei bodo e.V. unter Tel. 0231 – 950 97 80 oder
per mail an [email protected].
bodo e.V., Dortmund, 14 – 16 Uhr
SO 29 | 06 | 14
BODO-VERLOSUNG | Buster Shuffle
Mit ihrem markanten Piano-Spiel und ihrer Mi-
schung aus Cockney Ska, erdigem Rock‘n‘Roll
und zündenden Feel-Good-
Songs bewegen Buster Shuffle
aus London mit Wucht ihre Fans.
„Buster Shuffle präsentieren
allerfeinsten Ska, wie ihn alt-
bekannte Helden a la Madness
oder Specials nicht besser hin-
kriegen könnten.“ (Westzeit) Und The Sun gab
seine kategorische Empfehlung nach einem
Live Konzert: „Verlass dich drauf, sie rocken“.
Mit im Gepäck haben sie neue, fulminante
Songs aus dem frisch gebackenen Album „You
never can tell“. Veranstaltet von Zwischenfall.2.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
bodo verlost 2 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 25
abgründig in Form und Inhalt: Heiner Müllers
berühmtes Fragment „Die Hamletmaschine“
von 1977 ist eine zerklüf-
tete Schauergeschichte,
eine Liebesgeschichte
zwischen Leben und Tod;
ein Abgesang und eine
Hymne auf das Theater zugleich. In Müllers
Aufzeichnungen finden sich Pläne für eine letzt-
lich nie durchgeführte chorische Umsetzung
des Stücks. Anlässlich des 85. Geburtstags des
berühmten deutschen Dramatikers erarbeitete
Uwe Schmieder nun ein „Hamletmaschinen-
Sprechkonzert“ mit dem Dortmunder Sprech-
chor, zwei Schauspielern und einem Musiker.
Studio im Schauspielhaus, Dortmund, 18 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 25.
SO 22 | 06 | 14
BODO–VERLOSUNG | Klangvokal Musikfestival:
Michelangelo Falvettis „Il Diluvio Universale“
Als Abschlusskonzert zeigt das Klangvokal
Musikfestival das von dem Sizilianer Miche-
langelo Falvetti 1682
komponierte Oratorium
„Il diluvio universale“. Er-
weist sich „Die Sintflut“
– so der deutsche Titel
– doch eher als sizilianisch-sinnliche Vollblut-
Oper denn als Oratorium: Wo hätte man sonst
je erlebt, dass ein bleich geschminkter Tod
Tarantella tanzend durch das Kirchenschiff
zieht? Unter dem Taktstock des Südameri-
kaners Leonardo García Alarcón wütet und
stürmt die exquisite Cappella Mediterranea,
stimmgewaltig unterstützt vom Kammer-
chor Namur und den ausgezeichneten Solis-
ten. Das musikalische Naturereignis wurde
erst vor kurzem wiederentdeckt – eine kleine
Sensation, wie dieser virtuose Abend mit sizi-
lianischer Verve bezeugt. Weitere Infos unter
www.klangvokal.de.
St. Reinoldikirche, Dortmund, 19.30 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 25.
21 | 06 | 14 Stadtführung mit bodo-Verkäufern 27 | 06 | 14 Hagen Rether
32
Ländliches Ruhrgebiet, für viele Menschen
ein Widerspruch par excellence, findet man
an der Traditionsgaststätte „Zur Schwarzen
Kuhle“. In touristischen Hochglanzbro-
schüren propagierte Industriekulissen mit
Förderturm und Waschkaue sind hier ebenso
fern wie das schicke, urbane Dienstleis-
tungsrevier. In dem alten Fachwerkhaus an
der Recklinghäuser Straße geht es einfach,
ehrlich und hemdsärmlig zu. Rückseitig lockt
zudem ein Biergarten im Schatten einer gro-
ßen Kastanie. Bunt gemischt sind die Gäste,
die das Lokal besuchen.
Unter der Woche machen hier Spediti-
onsfahrer oder mobile Handwerker ihre
Mittagspause. Wer häufig in der Gegend
unterwegs ist, weiß, wo er für kleines Geld
etwas Ordentliches auf die Gabel bekommt.
Die Speisekarte weist klassische Imbiss-
gerichte aus: Pommes, Bratwurst und
Schnitzel mit diversen Saucen, Schaschlik,
Salate und ein wechselndes Tagesgericht,
oft ein Eintopf oder Auflauf. Nachmit-
tags und vor allem an Wochenenden ist
die „Schwarze Kuhle“ Station bei Fahrten
ins Grüne. Zahlreiche Stammkunden aus
Bochum, Dortmund, Lünen oder Gelsenkir-
chen nutzen das gut ausgebaute Rad- und
Wanderwegnetz an Dortmund-Ems- und
Rhein-Herne-Kanal. „Die besichtigen das
Schiffshebewerk, das liegt ja ganz in der
Nähe, und kommen anschließend zu uns“,
sagt Melissa Lennertz. Die junge Frau hat
die Gaststätte seit etwas mehr als einem
Jahr gepachtet, ihre Eltern helfen beim
Tagesgeschäft.
Als wir eintreffen, steht die Mutter in der
Imbissküche am rustikalen Holzkohlegrill.
Wir wählen eine Currywurst „Schwarze Kuh-
le“, ein Schnitzel „extra scharf“ (was nicht
gelogen ist) und dazu je eine Portion „Killer-
Pommes“, welche ihren effektvollen Namen
geschroteten Chilischoten in der dazu
BODO GEHT AUS
gereichten Sauce verdanken. Dann nehmen
wir im Biergarten Platz. „Ihr habt Glück, im
Frühsommer fallen euch noch keine Kastani-
en auf den Kopf“, sagt Melissa Lennertz und
grinst. Wir schauen uns um. Die Rückseite
des Gebäudes verrät, hier wurde im Lauf der
Zeit oft an- und umgebaut. „Wie alt das Haus
ist, kann ich gar nicht genau sagen. Seit un-
gefähr hundert Jahren ist es eine Gaststätte,
vorher hat es einem Schmied gehört. Drinnen
ist ein Gesellschaftsraum, den wir deswegen
,Zur alten Schmiede‘ nennen. Den vermie-
ten wir zum Beispiel bei Familienfesten.
Außerdem trainieren da unsere Darter vom
DT Recklinghausen. Die sind richtig gut und
spielen in der Regionalliga. “
Auch andere Vereine fühlen sich wohl. Regel-
mäßig wird die Kegelbahn im Keller genutzt,
monatlich trifft sich der Trabi-Fanclub Sput-
nik e.V. zum Stammtisch, und als wir nach
dem Essen einen Blick in die Innenräume
werfen, fallen uns Dutzende alter Fotos an
den Wänden auf. Die dokumentieren mehr
als hundert Jahre Vereinsgeschichte und
weisen nebenbei auf lokales Brauchtum hin
von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
32
Zur Schwarzen Kuhle | Waltrop-OberwieseKiller-Pommes unterm Kastanienbaum
33
Zur Schwarzen Kuhle | Waltrop-Oberwiese
Zur Schwarzen Kuhle
Recklinghäuserstraße 237, 45731 Waltrop
Imbiss täglich 11 – 21 Uhr
Restaurant täglich 17 – 21 Uhr
Tel. 02309 – 760 97 27
www.zur-schwarzen-kuhle.de
wie „Rundgänge mit oder ohne Wurst-
sammeln“ zur Karnevalszeit.
Der Name der Gaststätte basiert auf einer
alten Sage. Ganz in der Nähe, in einem Bu-
chenwald, findet man ein sumpfiges Loch,
im Volksmund „Schwatte Kuhle“ genannt.
Einst soll dort ein Schloss gestanden haben.
Der Schlossherr, ein Kerl von überaus
miesem Charakter, soll seine Untertanen so
schlecht behandelt haben, dass himmlische
Mächte schließlich ein Einsehen hatten
und den Herrensitz bei einem Unwetter
im Boden versinken ließen. Seither mahnt
dunkles Wasser an besagter Stelle, ein gott-
gefälliges Leben zu führen. Unergründlich
tief soll es sein und nachts, so wird erzählt,
treibe sich dort ein Ungeheuer mit glühen-
den Augen herum. (wk)
VERKÄUFERPORTRÄT
Tomasz | Dortmund
„Aufgewachsen bin ich in Lyck, einer
Stadt in Masuren, rund drei Auto-
stunden von Warschau entfernt. Dort
habe ich meine Jugend verbracht. Als
ich sechzehn war, ist mein Vater nach
Deutschland gegangen, um hier Arbeit
zu finden, die es damals bei uns kaum
noch gab. Als ich achtzehn wurde,
bin ich ihm gefolgt. Nach einer Reihe
schlechter Erfahrungen mit Drogen und
acht Monaten Entzug in einer Klinik
in Polen wollte ich unbedingt weg aus
meiner alten Umgebung. Ich hatte
Angst, rückfällig zu werden und wollte
meine Vergangenheit und meinen alten
Freundeskreis hinter mir lassen.
Hier in Deutschland angekommen habe
ich erst mal bei meinem Vater gewohnt.
Der hatte hier mittlerweile einen Job
als Automechaniker gefunden. In der
Zeit habe ich mich mit Aushilfsarbeiten
über Wasser gehalten. Mit 22 bin ich
dann bei meinem Vater ausgezogen und
hab mir eine eigene Wohnung gesucht.
Da ich damals nur mit einem eigenen
Gewerbeschein arbeiten durfte, habe
ich selbst Renovierungsarbeiten und
andere Hilfstätigkeiten per Zeitungs-
annonce angeboten. Das hat anfangs
auch gut funktioniert. Nach drei Jahren
erfolgreicher Selbstständigkeit hatte
ich dann Ärger mit dem Finanzamt, was
mit einer Steuernachzahlung von 8.000
Euro endete. So viel Geld auf einmal
hatte ich natürlich nicht, also musste ich
Konkurs anmelden.
Durch die Schulden konnte ich meine
Miete nicht mehr zahlen, habe meine
Wohnung verloren und musste wieder
bei meinem Vater einziehen. Der arbei-
tete zu der Zeit an einem Reitstall. Eine
zeitlang habe ich dort auch ein wenig
mitgeholfen. Über die Besitzer des
Reitstalls habe ich dann die Möglichkeit
bekommen, als Hausmeister für Feri-
enhäuser auf Borkum zu arbeiten. Da
Mit 28 hat Tomasz schon eine Menge erlebt. Wir haben uns mit ihm an seinem Verkaufsplatz in der Dortmunder Innenstadt getroffen, wo er uns ein bisschen aus seiner bewegten Lebens-geschichte erzählt hat.
Protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst
34
DAS INTERVIEW
Es wurde jedesmal ganz still im Auto. Die Köpfe der Söhne versanken immer tiefer in die Micky-Maus-Hefte,
der Vater schaute intensiv aus dem Fenster in den Himmel. Alle wussten: Ein falsches Wort und es gibt
ein Donnerwetter – Mutter parkte ein. Ist witzig, aber, entgegen allen einschlägigen Bestsellern, ohne wissen-
schaftliche Grundlage. Frauen könnten nämlich sehr wohl einparken, genetisch kein Problem.
von Antje Mosebach | Fotos: Daniel Sadrowski
„Unsere Gene sind nicht unser
Schicksal“
Den Beweis dafür und warum die Gene nicht für alles verantwortlich
gemacht werden können, liefert der betroffene Vater, der Bochumer
Hirnforscher Prof. Dr. Onur Güntürkün – auf eine so spannende,
alltagsnahe und vor allem verständliche Weise, dass wir im Gespräch
sofort verstehen, warum der mehrfache Forschungspreisträger im
Sommer dieses Jahres genau dafür eine Auszeichnung erhält: den
„Communicator-Preis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
und des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.
Es fängt alles nicht besonders rosig an. Der kleine Onur ist vier Jahre
alt, als er Anfang der 1960er Jahre schwer an Kinderlähmung er-
krankt. Er überlebt knapp und kommt zur Behandlung nach Deutsch-
land. Es nutzt nicht viel, Onur bleibt auf den Rollstuhl angewiesen. Er
verbringt fast seine ganze Schulzeit in Süddeutschland, wechselt in
der Oberstufe zurück in die Türkei. Während andere kleine Jungs von
Feuerwehreinsätzen oder Rennwagen träumen, trainiert Onur lieber
Rüsselkäfer und Fische, notiert, welche Fehler sie machen und wie vie-
le. Er will wissen, wie das Denken funktioniert. Er macht bei „Jugend
forscht mit“ und weiß, als er auf dem türkischen Gymnasium das Psy-
chologiebuch in die Hand bekommt: „Das ist mein Fach, das will ich
studieren“. Dazu kommt er wieder nach Deutschland, an die Ruhruni
Der Bochumer Hirnforscher Prof. Onur Güntürkün im Interview
mich hier in Dortmund nichts mehr hielt
und ich hier keine Arbeit fand, habe ich
die Stelle angenommen und bin nach
Borkum gezogen.
Auf Borkum war es eigentlich sehr
schön. Ich hatte genug zu tun, eine ei-
gene Wohnung und habe meine jetzige
Freundin Melanie kennengelernt. Im
Winter war dort zwar nie etwas los und
alle Geschäfte waren schon um fünf Uhr
geschlossen, dafür kamen im Sommer
die Urlauber und es war umso mehr
los. Durch einen dummen Zufall war
ich eines Abends in eine Schlägerei mit
betrunkenen Urlaubern verwickelt. Da
ich Angst vor dem Gerichtstermin hatte,
bin ich nicht zur Verhandlung gegangen
und habe mich mit meiner Freundin
und einem Zelt auf eine Tour durch
Deutschland begeben.
Wieder hier in Dortmund wurde ich
verhaftet und musste sechs Monate ins
Gefängnis. Die Zeit dort war die Hölle.
Zum Glück hatte ich eine Doppelzelle.
Sonst wäre ich verrückt geworden.
Als ich aus dem Gefängnis kam, stand
ich natürlich erst mal ohne Geld und
Wohnung auf der Straße. In Übernach-
tungseinrichtungen wollte ich damals
nicht schlafen, also bin ich bei Freunden
untergeschlüpft. Das war aber natürlich
auch nicht immer einfach.
Ein Kumpel hat mir dann den Tipp
gegeben, dass ich es doch mal bei bodo
versuchen könnte. Das Straßenmaga-
zin verkaufe ich jetzt seit knapp einem
halben Jahr. Fast genau so lange habe
ich jetzt auch wieder eine Wohnung zu-
sammen mit meiner Freundin. Geld vom
Arbeitsamt bekomme ich zurzeit nicht,
wobei ich da eigentlich einen Anspruch
drauf hätte. Ich hoffe aber, dass sich das
bald ändert. Noch besser wäre natürlich,
wenn ich vorher einen richtigen Job fin-
de und mein Leben ab jetzt ein bisschen
ruhiger verläuft.“ (sese)
VERKÄUFERPORTRÄT
3535
36
Gene determiniert werden könnte“. Die
Gene seien dabei nur das ökonomische
Regelsystem. Den größten Einfluss auf
das Gehirn des Menschen nehme die
Umwelt mit ihren Millionen Informatio-
nen. Ein Ergebnis seiner Forschungen „an
Menschen und anderen Tieren“, darunter
seinem Forschungsliebling: die Taube.
„Erstaunlicherweise sind es ausgerechnet
Vögel, die besonders ausgeprägte Links-
Rechts-Unterschiede aufweisen.“ An den
Tauben konnte er preisgekrönt belegen,
dass zwar die Gene die Rechtsdrehung
des Kopfes im embryonalen Stadium
veranlassen, für die restliche Verdrahtung
des Gehirns aber die Umwelt, hier der
Lichteinfall ins Ei auf das rechte Auge,
verantwortlich ist. Entgegen den Unken-
rufen seiner Wissenschaftskollegen hat er
mit seiner Kuss-Studie bewiesen, dass die
Forschungsergebnisse auch für Menschen
gelten. Dafür beobachtete Güntürkün Be-
DAS INTERVIEW
in Bochum. Beinahe hätte Onur Güntürkün
das Fach gewechselt, „weil so ganz wenig
Gehirn und so gar keine Tiere darin vorka-
men“. „Akademisch gerettet“ hat ihn sein
damaliger Professor. Der machte nämlich
alles, was den Studenten Güntürkün schon
interessierte und den heutigen Professor
der Biopsychologie an der Ruhr-Universität
Bochum noch genauso fasziniert: Experi-
mente rund um das Gehirn – mit dem Fo-
kus auf die Asymmetrie der Gehirnhälften,
immer mit der Fragestellung: Warum?
Warum ist nicht in beiden Hälften alles
gleich verankert? Warum sind z.B. die
meisten Aspekte der Sprache links, warum
sitzen Intonation, Musik und Rhythmus
hauptsächlich rechts? Wie entsteht die
Architektur in meinem Hirn? Wozu ist
das gut? „Wir wissen viel zu wenig“,
gibt er zu. Aber klar ist: „Das Gehirn ist
viel zu komplex, als dass es durch die
grüßungs- und Abschiedsszenen auf den
großen Flughäfen der Welt. Und tatsäch-
lich: Beim Lippenkuss wichen zwei Drittel
aller Menschen nach rechts aus. Auch sie
haben die „lebenslange Tendenz“, den
Kopf nach rechts zudrehen – was Einfluss
auf die Händigkeit hat.
„Unsere Gene sind nicht unser Schick-
sal“, ist die Botschaft Prof. Güntürküns.
„Die Leute, die uns einflüstern, ‚du hast
die falschen Gene, du kommst aus der
falschen Kultur‘ – die geben ein Bild, das
wissenschaftlich falsch ist“. Natürlich
habe Intelligenz auch eine genetische
Komponente, aber, so relativiert Gün-
türkün sogleich, deren Einfluss sei bei
Familien, die wirtschaftlich und sozial
„am Tiefpunkt unserer Gesellschaft
stehen, gleich Null. Es ist die Umwelt, die
die Menschen schlau oder dumm werden
lässt.“ Mit diesem Wissen „muss ich z.B.
36
37
die Fähigkeit, unser Leben zu verändern
– egal, wie lange wir nach irgendwel-
chen Mustern gelebt haben. Es ist alles
möglich“, ist Güntürkün überzeugt. „Der
eigentliche Gegner bin ich selbst.“ Das
mangelnde Selbstvertrauen, das bessere
Leistungen verhindert. Auch beim Einpar-
ken. „Seit 21 Jahren wohne ich in Bochum,
seit 21 Jahren parkt meine Frau rückwärts
in einen Carport ein – und es ist, ehrlich
gesagt, keine Lernkurve sichtbar!“ Für den
Forscher völlig unverständlich. „Ich habe
eine wirklich, wirklich hochintelligente,
gebildete, in jeder Hinsicht lebensfähige
Frau; sie kann mit einem Schlagbohrer
besser umgehen als mancher Profi. Aber –
sie kann nicht einparken.“ Warum?
Ein Experiment musste her. Testpersonen
waren zwei Gruppen Männer und Frauen.
Die einen hatten gerade ihren Führer-
schein, die zweite Gruppe schon ein bis
zwei Jahre Fahrerfahrung. Das Ergebnis
war verblüffend. Es bestätigte zwar, dass
Frauen – wenn auch nicht wesentlich –
schlechter einparkten als die Männer,
aber es nur in der Fahranfängergruppe
biologische, also genetische Ursachen
hatte. Da stellten sich die Probanden
nämlich vor, wie das Auto sich räumlich
in die Parklücke bewegt, und das können
Frauen nicht besonders gut. Aber: Diese
Ursache spielte in der zweiten Gruppe
keine Rolle mehr. „Sie könnten jetzt auf-
schließen zu den Männern“, so Güntür-
Prof. Dr. Onur Güntürkün wurde am 18.
Juli 1958 in Izmir/Türkei geboren. Von
1975 bis 1980 studierte er an der Ruhr-
Universität Bochum (RUB) Psychologie
und promovierte 1984 „summa cum
laude“. Er forschte in San Diego, Paris und
Konstanz und wurde 1992 habilitiert. Seit
1993 ist er Professor für Biopsychologie
an der RUB. Er hat die Ehrendoktorwürde
der Universitäten Istanbul und Izmir.
Seine Forschungen wurden mehrfach
ausgezeichnet, ebenso sein Verdienst,
zwischen den Kulturen zu vermitteln. 2013
erhielt er den mit 2,5 Mio. Euro dotierten
Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis für seine
herausragenden Forschungsleistungen;
dafür, wie er sie der breiten Öffentlichkeit
vermittelt, bekommt er am 1. Juli 2014 den
Communicator-Preis, dotiert mit 50.000
Euro. Güntürkün lebt in Bochum, ist ver-
heiratet und hat zwei erwachsene Söhne.
als Politiker in der Dortmunder Nord-
stadt intervenieren, denn ich schaffe als
Politiker die Umwelt dieser Menschen“.
Wissen, das Einsatz fordert.
Auch von Lehrern, mit denen der Forscher
oft spricht. Das Wissen um die Hirnfunkti-
onen verlange danach ein besser organi-
siertes Unterrichtskonzept, „z.B. schnelle
Rückmeldung, nicht stundenlange Eiersu-
che, bis die Kinder wissen, welche Antwort
richtig oder falsch ist. Und: viel testen!
Die mächtigste Lernregel lautet: Das, was
ich gelernt habe, muss ich immer wieder
neu aktivieren und immer wieder in neue
Kontexte einsetzen.“ Denn wenn der Lehrer
das nicht tue, „verzichtet er auf das größte
Zuwachspotenzial der Gedächtnisleistung“.
Für den Menschen selbst hat die Er-
kenntnis, genetisch nicht festgelegt zu
sein, einen weiteren Wert: „Wir haben
kün. Hindernis sei einzig die Angst der
Frauen vor der Parklücke. Als Resultat aus
dem biologischen Faktor zu Beginn, der
Kenntnis um die peinlichen Witze und der
Feststellung, zu dieser belachten Gruppe
zu gehören. „Das baut Druck auf, Versa-
gensängste – und das zieht Kapazität ab
von meiner eigentlichen Leistungsfähig-
keit und dann werde ich auch schlecht.
Die gute Nachricht ist: Wenn es mir als
Frau gelingt, die Angst zu besiegen, bin
ich genauso gut wie die Männer. Es liegt
in der Hand der Frauen.“
Prof. Güntürkün erzählt all das ohne
lateinischen Firlefanz und unverständliche
Fachausdrücke, mit angenehmer Stimme
und bildhaften Erklärungen – Wissen-
schaft, wie man sie sich in der Schule
gewünscht hätte: „Eine Bringschuld gegen-
über dieser Gesellschaft – mein Verständ-
nis von Gerechtigkeit“. Und Dankbarkeit.
„Ich hatte sehr schwierige Startbedingun-
gen und bin doch das geworden, was ich
bin.“ Nicht zuletzt durch die Unterstützung
des Landes, als er als Abiturient nach
Deutschland kommt. Güntürkün muss
schmunzeln: „Man muss sich das mal auf
der Zunge zergehen lassen: Da kommt
ein schwerbehinderter Ausländer nach
Deutschland – und das Land hilft. Nicht,
weil die alle nett waren, sondern weil da
Menschen saßen, die die Gesetze anwen-
den. Also, wenn das kein sozialer, demokra-
tischer Staat ist...“ (amos)
37
38
Anstehen für Essen: 3.000 Menschen warten in einer Schlange in Málaga an der Costa del Sol auf Lebensmittelspenden.
Rund drei Millionen sind in ganz Spanien darauf angewiesen.
REPORTAGE
Armut ist keine Straftat: Die neue Kampagne der europäischen Wohlfahrtsverbände gegen
die zunehmende Kriminalisierung von Bettlern und Obdachlosen. Jedes Jahr beginnt mitt-
lerweile mit einem eigentümlichen EU-Ritual: Die Eurokrise sei so gut wie überwunden, die Wirtschaft erhole sich, Grund zur Zuversicht, versichern Brüsseler Spitzen seit drei Jahren stets aufs Neue im Frühjahr. Und jedes Jahr
aufs Neue steht hinter derlei Sprachregelung allenfalls Wunsch, nicht aber Wirklichkeit.
von Volker Macke
Fotos: REUTERS Alessia Pierdomenico,
Tony Gentile, Jon Nazca und Susana Vera
Europa, deine Armen!
39
Wohnungslosenhilfe, darunter auch die
deutsche Bundesarbeitsgemeinschaft mit
Mitgliedern wie Diakonie, AWO und Caritas.
1,1 Millionen Menschen, so FEANTSA, sind
aktuell europaweit gänzlich obdachlos.
125 Millionen Menschen seien zudem von
Armut bedroht, elf Millionen mehr als im
Jahr 2009. Darunter 26,5 Millionen Kinder.
Düstere Tendenz: steigend. Nicht in jedem
Land ist die Gefahr zu verarmen gleich groß.
Die Unterschiede in Europa sind enorm.
Und die gefährdetsten Länder sind nicht
mal die einschlägig bekannten unter den
Rettungsschirmen, sondern liegen im Osten
Europas: In Bulgarien, Lettland, Rumäni-
en, Litauen und Kroatien ist jeder zweite
bis dritte Einwohner aktuell von Armut
bedroht. Von Armut bedroht: Das bedeu-
tet nach Auskunft der Generaldirektion
Die sieht so aus: In Italien liegt die Arbeits-
losenquote mit 13 Prozent, in Griechenland
mit 28 und in Spanien mit 27 Prozent auf
dem jeweils höchsten Wert seit Beginn
der Krise im Jahr 2009. Noch drastischer
die Jugendarbeitslosigkeit: In Zypern,
Italien und Spanien beispielsweise sind die
Werte auf 40, 42 und 58 Prozent geklettert.
Von einer Beruhigung der angespannten
Situation könne überhaupt nicht die Rede
sein, zumal die Industrie in vielen Staaten
wieder oder immer noch „am Boden“
liege, so analysiert das linker Ideologi-
en gänzlich unverdächtige Münchner
Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung.
Von ganz anderer Seite, aber mit ähnlichem
Fazit, mahnt FEANTSA, die europäische
Dachorganisation nationaler Verbände der
Soziales der Europäischen Kommission, dass
diese Menschen sich weder Waschmaschi-
ne noch Auto oder Telefon leisten können
und dass ihnen auch das Geld für Heizung
oder unvorhergesehene Ausgaben fehlt.
Essen oder Strom
Der internationale Dachverband der
Rotkreuzorganisationen IFRC hat seit 2010
europaweit einen drastischen Anstieg
der Menschen, die auf Lebensmittelspen-
den angewiesen sind, verzeichnet: 75
Prozent Zuwachs auf jetzt 18 Millionen.
Eine hauseigene Studie, durchgeführt in
allen EU-Mitgliedstaaten, zeige deutlich,
dass „mehr Menschen arm und die Armen
ärmer werden, und die soziale Kluft, die
diese überwinden müssen, um zurück
Wohnungslose in Rom vor einer Demonstration gegen die europäische Krisenpolitik.
40
bäude um. Eine ganz neue Generation von
Hausbesetzern entsteht gerade in den Mit-
telmeerländern. Nicht ein anderes Lebens-
gefühl oder politische Ideologie treibt die
Menschen in Barcelona, Lissabon oder Nea-
pel in verlassene Gebäude, sondern Armut.
Vor allem in Frankreich, Italien und Portugal,
aber auch auf dem Balkan wachse diese
neue Spezies Bedürftiger rasant. „Neue
Armut“ heißt das in Brüsseler Papieren.
Dabei hatte die EU im Jahr 2010 doch eine
Dekade zur Reduzierung der Armut in
Europa ausgerufen. Europaweit wollte man
die Zahl der Armen bis zum Jahr 2020 um
20 Millionen reduzieren, so das erklärte
Ziel. Nüchtern betrachtet seien kurz vor der
Halbzeit aber bis auf fünf Länder alle Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union vom
Erreichen dieses Ziels meilenweit entfernt,
so die Sozialexperten von FEANTSA in einer
Stellungnahme vom Anfang diesen Jahres.
Nur in Litauen, Lettland, Estland, Polen und
in die Mehrheitsgesellschaft zu klettern,
wächst“, konstatiert Anitta Underlin,
Direktorin der europäischen Sektion des
Internationalen Roten Kreuzes. Noch nie
seit Ende des Zweiten Weltkriegs habe die
Hilfsorganisation in so vielen Ländern des
Kontinents Lebensmittel verteilen müssen.
EU-Einkommensstatistiken zeigen zudem:
Die Mittelschichten in ganz Europa schmel-
zen, mit minus 7 Prozent in rund 15 Jahren
noch moderat in Deutschland, mit bis zu mi-
nus 50 Prozent in anderen Ländern rasant.
Im Gegenzug verzeichnen die Sozialexper-
ten steigende Zahlen so genannter „working
poor“. Menschen, die zum Ende eines jeden
Monats die Einrichtungen der Wohlfahrts-
organisationen aufsuchen, um dort um Un-
terstützung zu bitten. „Entweder Essen oder
Stromrechnung: Beides gleichzeitig können
viele Europäer nicht mehr bezahlen“, warnt
Anitta Underlin. Ganze Familien ziehen, um
die Miete zu sparen, in leerstehende Ge-
Rumänien werden zumindest Anstrengun-
gen und leichter Gebietsgewinn im Kampf
gegen Armut konstatiert. Ansonsten schei-
ne man europaweit die Zielvereinbarung
heimlich längst aufgegeben zu haben, so
die pessimistische Vermutung der Obdach-
losenhilfe-Verbände. Denn in zumindest
15 europäischen Staaten seien die Obdach-
losenzahlen innerhalb der letzten ein bis
fünf Jahre nachweislich angewachsen.
Härtere Gangart
Ideologie oder pure Hilflosigkeit angesichts
der Krise? Auffällig zumindest ist: In vielen
Ländern Europas kommt es zeitgleich zur Fi-
nanzkrise zum Paradigmenwechsel im Um-
gang mit den Ärmsten. Vorneweg Ungarn:
Im September vergangenen Jahres hat das
ungarische Parlament mit großer Mehrheit
ein Gesetz zur Schaffung „obdachlosen-
freier Zonen“ verabschiedet, es verbannt
Wohnungslose von „touristischen“ Plätzen
Mariangela Schiena, 31, lebt mit ihrem Freund in einem leerstehenden Gebäude in Rom, nachdem sie ihren Arbeitsplatz verloren hat
und die Miete nicht mehr zahlen konnte.
REPORTAGE
41
gestellt und mit 500 Euro strafbewehrt.
In niederländischen Großstädten wurde
„nervendes“ Betteln unter Androhung einer
Geldstrafe bis zu 2.500 Euro oder alternativ
drei Monaten Gefängnis verboten. Zuletzt
hat auch Österreich von Hilfe auf Verdrän-
gung umgestellt: Aus dem Stadtpark in
Wien als zentraler Anlaufstelle für zahllose
Obdachlose auch aus Osteuropa werden un-
ter Verweis auf eine „Campierverordnung“
seit einigen Monaten Zelte und Verschläge
kompromisslos entfernt. Ähnliche Berichte
gibt es – ohne Anspruch auf Vollständigkeit
– aus Griechenland, Frankreich, Sloweni-
en, der Slowakei und auch Deutschland.
Solidarität ohne Konjunktur
Gegen die europaweit zunehmende be-
hördliche Drangsalierung von Armen und
Obdachlosen richtet sich deshalb die jüngste
Kampagne von FEANTSA mit dem Titel
„Poverty is not a crime – Armut ist keine
und Straßen. Was auch immer damit
gemeint sein mag – die Definition überlässt
das Gesetz den kommunalen Behörden. Wer
sich regelwidrig in diesen Zonen aufhält,
kann zu gemeinnütziger Arbeit, Geldstrafe
oder Gefängnis verurteilt werden. Zudem
ist es Obdachlosen untersagt, sich Verschlä-
ge zu bauen, um sich im Winter etwa gegen
die Kälte zu schützen. Dabei gibt es im
ganzen Land nur 10.000 Plätze in Obdach-
losenheimen – bei aktuell 35.000 Betrof-
fenen. Seit Jahresbeginn hat auch Spanien
die Gangart gegen Obdachlose verschärft.
Eine „Verordnung über das Zusammenleben
im öffentlichen Raum“ hält Strafen von bis
zu 1.500 Euro für Betteln mit Kind sowie
unerlaubtes Campieren im öffentlichen
Raum bereit. Sogar Autofensterputzer
und Straßenkünstler ohne Lizenz müssen
neuerdings bis zu 750 Euro Strafe zahlen,
wenn sie erwischt werden. In Irland wurde
Betteln vor Schaufenstern oder Bankein-
gängen im Zuge der Eurokrise unter Strafe
Straftat“: „In Zeiten von Wirtschaftskrise und
Sparmaßnahmen ist es einfach empörend,
dass Kommunen und nationale Regierungen
Obdachlosigkeit für illegal erklären wollen“,
sagte FEANTSA-Direktor Freerk Spinnewijn
jüngst in Brüssel. „Die beschlossenen Maß-
nahmen sind nicht nur grausam, sie sind
auch weitgehend unwirksam, weil sie Ob-
dachlosigkeit und Armut nur verstecken“, so
Spinnwijn weiter. „Armut und Ungleichheit
sollten uns nicht zwingen, repressive Maß-
nahmen zu verwenden, stattdessen sollten
wir angeregt werden, Solidarität zu suchen.“
Doch der Zulauf zur Kampagne ist bisher
mager. Einige öffentliche Protestaktionen
aus Brüssel, Lyon, Valladolid und Madrid,
aus Kopenhagen, Budapest, Athen und
Thessaloniki sind vermerkt. Erfolg aber
sieht anders aus. Im Europa der Eurokri-
se hat Solidarität kaum Konjunktur.
www.street-papers.org / Asphalt – Germany
Carmen Castilla, 77, mit dem gesamten Besitz ihrer Familie auf einer Straße in Madrid.
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REPORTAGE
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43
Über die Vagabundenbewegung der Weimarer Republik
Zu Pfingsten 1929 fand in Stuttgart ein denkwürdiges Treffen statt. Gut 500 Obdachlose und Tippelbrüder fanden sich zum „Ersten internationalen Vagabundenkongress“ auf dem Stuttgarter Killesberg ein. Gregor Gog, Gärtner, Vagabund und Dichter, vor allem aber Schüler von Gusto Gräser, dessen ökologisch-alternative Vorstellungen die 68er Bewe-gung wiederentdeckte, hatte zu diesem Treffen aufgerufen. Hintergrund war, dass es in Deutschland durch die Weltwirtschaftskrise inzwischen über 450.000 Obdachlose gab.
von Heinrich Peuckmann | Abbildungen: Fritz-Hüser-Institut
In teils pathetischen, teils sachlichen Reden
wurde nicht etwa die Not der Obdachlosen
beschrieben und angeklagt, vielmehr wurde
die Welt der Vagabunden als Alternative
zur erstarrten, spießigen bürgerlichen
Gesellschaft verstanden. Ihr Nein zur Ge-
sellschaft hieß: Keine Bindung, kein System,
keine Autorität, ihr Ja dagegen bedeutete
Selbstverantwortung, Persönlichkeit und
Menschsein in freiem Sinne. Letztlich ist ihre
Ablehnung starrer Landesgrenzen auch eine
Antwort auf den aufkommenden dumpfen
Nationalismus. Die grenzüberschreitende
Freiheit der Tippelbrüder, ihr Internatio-
nalismus also, stand gegen übersteigertes
nationales Denken, dessen Gefährlichkeit
sich bald zeigen sollte. Knut Hamsun und
Sinclair Lewis schickten Grußtelegramme,
Lewis mit der schönen Bemerkung, dass er
gerade in den USA auf Wanderschaft sei und
den Weg bis Stuttgart leider nicht schaffen
könne. Es war ein denkwürdiges Treffen
und der Höhepunkt auch einer sozialen und
künstlerischen Bewegung, die heute leider
völlig zu Unrecht weitgehend vergessen ist.
Gregor Gog hatte zwei Jahre vorher den
„Bund der Vagabunden“ gegründet und mit
ihm eine literarisch-künstlerische Zeit-
schrift, die „Der Kunde“ hieß. Kunde ist ein
Begriff aus dem Rotwelschen und bedeutet
nichts anderes als Landstreicher. Etwa vier-
mal im Jahr erschien diese Zeitschrift und
enthielt Erzählungen, Gedichte und Grafiken
Generalstreik ein Leben lang
Oben: Gruppenfoto zum „Ersten
internationalen Vagabundenkongress“
1929 in Stuttgart.
Unten: Der Dortmunder Maler
Hans Tombrock vor seinem
Bilderzyklus „Lob des Lernens“.
Links: Deckblatt der Mappe
„Vagabunden“ mit 15 Zeichnungen
von Hans Tombrock.
von Künstlern, die sich auf Wanderschaft
befanden. Heute ist sie eine Fundgrube
der sozialen Kunst aus der Endphase der
Weimarer Republik. Selbst Hermann Hesse
hat im „Kunden“ veröffentlicht, dessen
„Knulp“ ja auch eine Vagabundengeschichte
ist, freilich eine ohne soziale Einbettung, die
für die Künstler um Gregor Gog aber typisch
war. Gog tritt darin vor allem als Aphoristi-
ker hervor: „Ob der liebe Gott den Betenden
auch nur Kupfermünzen in den Hut wirft?“
In all seinen theoretischen Äußerungen zum
Vagabundendasein aus jener Zeit wird deut-
lich, dass es Gog und seinen Kampfgefährten
nicht um die Verbesserung des Sozialstaates
geht, der mit Hilfsprogrammen die Obdach-
losen inkludiert, sondern der Staat wird
radikal abgelehnt. Er wird als Institution zur
Sicherung des Reichtums in den Händen des
Kapitals begriffen, Sozialprogramme sind da
nur Augenwischerei. Nicht Inklusion, sondern
Exklusion ist das Programm.
Wichtig aus dem Kreis um Gog war der Dort-
munder Maler Hans Tombrock, der später
vor den Nazis fliehen musste, nach Schwe-
den kam, dort Brecht kennenlernte und mit
ihm Freundschaft schloss. In seinem Arbeits-
journal urteilt Brecht positiv über Tom-
brocks Malerei, die einem expressionistisch-
düsteren Stil verpflichtet ist, gelegentlich bei
Landschaftsbildern, die oft während seiner
Wanderschaft (u.a. auf dem Balkan) ent-
44
Geldes und beeilt sich, den Ort des Grauens
so schnell wie möglich zu verlassen.
Mit Tombrock ist eine Zeitlang sein Dortmun-
der Freund, der Lyriker Paul Polte gewandert.
Polte war später Mitglied in allen Gruppierun-
gen der Arbeiterliteratur (BPRS, Gruppe 61,
Werkkreis) und eine Art proletarischer Erich
Kästner, der Zeit seines Lebens im Dortmunder
Norden lebte, wo er in bester Luthertraditi-
on dem einfachen Volk aufs Maul schaute.
Überhaupt spielten Künstler aus Dortmund
eine beachtenswerte Rolle in der Vagabun-
denbewegung, die Maler Hans Bönnighaus,
Hans Kreutzberger und Fritz Andreas Schubert
kamen aus dieser Stadt. So ist es kein Wunder,
dass das wohl umfangsreichste Material zur
Vagabundenliteratur im hiesigen „Fritz-Hüser-
Institut“ lagert. Eine Wand des Instituts ist
zugehängt mit Bildern von Tombrock.
REPORTAGE
standen, auch helle, fast impressionistische
Züge bekommen können. Auch in Peter Weiß‘
„Ästhetik des Widerstands“ taucht Tombrock
in Diskussionszusammenhängen über den
richtigen Weg gegen den Faschismus auf. Er
hätte viel mehr Beachtung verdient, neulich
aber wurde er in einer Ausstellung in den
neuen Bundesländern endlich mal wieder
gewürdigt. Tombrock schrieb auch kleine
Erzählungen für den „Kunden“, darunter die
bedrückende Geschichte einer hungernden
Familie auf dem Balkan, die dem Tippelbru-
der Tombrock in ihrer Not die kleine, etwa
zehnjährige Tochter zum Kauf anbietet.
Tombrock gibt der Familie die Hälfte seines
Artur Streiter aus Berlin, Maler und Schrift-
steller, muss noch erwähnt werden, weil er
in seiner Berliner Zeit den Bezug zwischen
Vagabundendasein und Boheme herstellte.
Der Vagabund als die radikalste Form des Bohe-
mien, so hat er sich und seine Kampfgefährten
verstanden. Auch der Lyriker Hugo Sonnen-
schein, der sich „Sonka“ nannte, hat literatur-
geschichtliche Bedeutung erlangt. Er ist in fast
jeder Nummer des „Kunden“ vertreten.
Die Vagabunden sind nicht immer „auf
der Platte“ geblieben. Wenn sie sesshaft
wurden, haben sie – wie Streiter – oft in
anarchosyndikalistischer Tradition neue
Lebensformen in Kommunen gesucht.
Streiter gründete die Siedlung „Im roten
Luch“ östlich von Berlin. Gregor Gog nahm
eine andere Entwicklung. Nach einem
längeren Besuch in der Sowjetunion schloss
Adler ApothekeMarkt 4 - seit 1322Telefon 57 26 21www.ausbuettels.de [email protected]
Rezept spätabends einlösen?Arznei spätabends benötigt?
Größtes Arznei-Sortiment in Dortmund
Do-City: Mo - Sa bis 21.00 Uhr geöffnet
Das Fritz-Hüser-Institut für Literatur
und Kultur der Arbeitswelt (FHI) in
Dortmund betreut eine einzigartige
Sammlung zur „Arbeiterliteratur“ und
angrenzender Bereiche, darunter den
Nachlass des Dortmunder Maler Hans
Tombrock und eine Vielzahl von Mate-
rialien der Vagabundenbewegung.
FHI, Grubenweg 5, 44388 Dortmund, Tel.
0231 50-23135, www.fhi.dortmund.de
Heinrich Peuckmann (geb. 1949) lebt in
Kamen, hat mehr als 40 Romane, Krimis,
Erzählbände sowie Kinder- und Jugendbü-
cher veröffentlicht. Peuckmann ist Mitglied
u.a. im PEN und in der Krimiautorenver-
einigung „Das Syndikat”. Sein aktueller
Roman „Angonoka“ – benannt nach einer
Schildkrötenart aus Madagaskar – hat
den Schmuggel von seltenen und vom
Aussterben bedrohten Tieren zum Thema.
„Angonoka“ ist im Leipziger Lychatz-
Verlag erschienen und kostet 9,95 Euro.
www.heinrich-peuckmann.de
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Der Kamener Autor Heinrich Peuckmann bei einer Lesung.
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RÄTSEL
er sich der kommunistischen Bewegung an,
verlor das Interesse an den Landstreichern
und kämpfte nun den Kampf um die soziale
Besserstellung der Arbeiterklasse. Sichtba-
res Zeichen ist die Umbenennung seiner
Zeitschrift, die nicht mehr „Der Kunde“ hieß,
sondern „Der Vagabund“.
Mit Machtergreifung der Nazis wurden die
Vagabunden sofort als „Volksschädlinge“
bekämpft. Schon im September 1933 führten
die Nazis eine „Bettlerrazzia“ durch und ver-
hafteten Tausende Vagabunden, auch Gregor
Gog. Tombrock emigrierte, sein Freund Polte
wollte Dortmund nicht verlassen und fand
sich prompt in der „Steinwache“, dem be-
rüchtigten Gestapogefängnis wieder, wurde
gefoltert, verprügelt, aber nach ein paar
Monaten wieder freigelassen.
Nach seiner Freilassung wegen schwerer
Krankheit (Rückenwirbeltuberkulose) konnte
Gog durch Vermittlung von Johannes R. Becher
in die Sowjetunion fliehen, den Krieg überle-
ben, danach aber nicht mehr zurückkehren.
Nach schwerer Krankheit ist er 1945, gerade
mal 54 Jahre alt, in Taschkent gestorben.
Wer die Geschichte der Vagabunden und
ihrer Kunst kennt, wird die Straßenzei-
tungen heute vielleicht in einem anderen
Licht sehen. Spannende, auch bedrückende
Sozialreportagen kann man dort finden und
auch interessante Buchbesprechungen, oft
aus ganz anderem Blickwinkel als bei bür-
gerlichen Feuilletons. Mit dieser Tradition im
Hinterkopf kann es nicht mehr allein Mitleid
sein, das zum Kauf anregt, sondern – sehr viel
besser – eine gehörige Portion Respekt.
(Heinrich Peuckmann)
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bodo dankt: Sparkasse Bochum Annette Duee, Gabriele Keppler, Ute Soth-Dyk-gers, Martin Botteck, Timo Zimmermann, Dolf Mehring, Hildegard Reinitz, Silke Harborth, Petra Danielsen-Hardt, Sabine Raddatz, Otto Jochen Ley, Jutta und Wido Wagner, Christina Kolivopoulos, Kathrin Bohr, Gerhard Volpers, Erika Maletz, Thorsten Baulmann, Hannelore Thimm-Rasch, Volker Schaika, Petra Karmain-ski, Jonas Pasche, Sören Kreinberg, Dr. Rinnert Siemssen, Tamara Vorwald-Piepke, Esther Ha-gemann, Oliver Stiller, Gerd Schlitzer, Lieselotte Markgraf, Dr. Sabine Siebel, Kathrin Bohr, Jens-W. Hirche, Antonie Heimeshoff, Petra Nitz, Prof. Dr. H. Laubenthal, Sandra Salvucci, Gerd Hebisch, Veronika Bittner, Marie-Luise Scholz, Dr. Ursula Penner, Johannes Syre, Fatima Haqua, Bärbel Brüggemann, Heike Willingmann, Udo Nagel, Annette und Reiner Kraft , Dr. med. vet. Karen Elisabeth, Doris Doberstein, Olaf Author-sen, Karin Stamm, Barbara Dressel, Herbert Wit-tig, Christa Fuhrlander, Siegmar Welski, Ulrich Grothues, Jochen Vogt, Daniel Böning, Anne Kulemann, Ludwig Maria Schulenkorf, Wulfhild Tank, Ingeborg Schumacher, Nadja Schramm, Christian Scheer, Monika Bender, Lieselotte Koch, Ulrike Märkel , Isabell Bikowski-Gauchel, Heinz Schildheuer, Anita Diehn-Driessler, Dieter Zawodniak, Astrid Kaspar, Gabriele Steinbre-cher, Brigitte Cordes, Annette Kritzler, Christian Chammings, Sandra und Friedrich Laker, Regina Höbel, Arne Malmsheimer, Jörg Gruda, Helmut Buscha, Almuth Keller, Nicole Hölter, Rolf Ge-ers, Grünbau GGmbH, Daniela Gerull, Nicola Steinstrass, Klaus Kwetkat, Renate Krökel, Gerd Pelzer, Angelika Engelberg, Katrin Lichtenstein, Karl-Heinz Schwieger, Gabriela Schäfer, Ilona Zarnowski, Dr. Josef Balzer, Bernd Ewers, Rainer Stücker, Ursula Remer, Ralf Finke, Bärbel Bals, Hermann Schröder, Rainer Biel, Paul Engelen, Susanne Mildner, Thomas Olschowy, Klaus-M. Kinzel, Christine Weber, Petra Bender, Jutta Haring, Annemarie Meiling, Peter Buning, Ina und Arno Georg, Dr. Thilo Skrotzki, Sandra Wort-mann, Udo Greif, Elsbeth Heiart, Rüdiger Haag, Marlis Lange, Jutta Kemper, Frank Siewert, Thomas Schröder, Ute Michler, Udo Bormann, Fabian Fluhme, Snezka Barle, A. und M. Dietz, Michael Buddenberg, Hans-Georg Schwinn, Nicole Goralski, Manfred Kater, Helga Koester-Wais, Roswitha Wolf, Christoph Grueter, Rita Pilenko, Thomas Terbeck, Dirk Schmiedeskamp, Ute Börner, Carsten Klink, Stefan Meyer, Alexan-dra Barbian-Steinfort, Annegret Malessa, Edith Link, Kerstin Bals, Christine Ferreau, Marlies und Eberhard Piclum, Michael Stange, Ludiwg Seitz, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Erika Janssen, Sandra Rettemeyer, Matthias Grigo, Daniela Schmitz-Häbler, Ulrike Bornemann, Sebastian Poschadel, Margret und Hansjörg Sellhorst, Karl Bongardt, Felix Zulechner, Barbara Meyer, Jut-ta Meklenborg, R. Dammer, Friederike Jansen, Wolfgang Neuhaus
Ein Blick in die bodo-Redaktion (von links oben): Peter Hesse, Susanne Schröder, Schülerpraktikantin
Ina Fendel, Wolfgang Kienast. Martin Idem, Bastian Pütter, Antje Mosebach, Andre Noll.
Liebe Redaktion,
in der Mai- Ausgabe berichten Sie über das Urteil vom
Arbeitsgericht Cottbus, das feststellt, dass auch ein Stun-
denlohn von 1,54 Euro rechtens ist.
Leider gehören zur richtigen Einschätzung des Urteils
ein paar zusätzliche Informationen, die das Ganze in
einem andere Licht erscheinen lassen. Darüber berich-
tet hat die Website „NachDenkSeiten“, die ich bei dieser
Gelegenheit auch empfehlen möchte.
[Im beschriebenen Fall hatte ein Jobcenter einen
Anwalt verklagt, weil der zwei Bürokräfte mit nur
je 100 Euro monatlich entlohnte. Die Recherche des
„NachDenkSeiten“-Autors Lutz Hausstein legt nahe,
dass der verklagte Anwalt die beiden Mitarbeiter „zum
Schutz“ vor als sinnlos empfundenen sog. Maßnah-
men angestellt hatte. Als Anwalt im Sozialrecht habe
er sich beim Jobcenter unbeliebt gemacht und sei des-
halb verklagt worden. Anm.d.Red.]
Es wäre durchaus interessant, dies (und die Methoden
der Jobcenter) vielleicht in einer zukünftigen Ausgabe
nochmals aufzugreifen bzw. die Meldung aus der aktu-
ellen Ausgabe zu vervollständigen.
Mit freundlichen Grüßen, Thomas Rühle
Hallo zusammen,
ich schreibe so gut wie nie Leserbriefe, aber ich muss Ih-
nen einmal ein dickes Kompliment machen. Die bodo im
neuen, hochprofessionellen Layout gefällt mir sehr gut.
Hinzu kommt die hohe journalistische Qualität insge-
samt. Der Artikel über „Doc Müller“ z.B. in der April-bodo
besticht nicht nur durch die exzellenten Photos, sondern
auch durch den engagierten Duktus des Textes, der in-
formativ und gekonnt sein Thema inszeniert. Respekt für
diesen Artikel, v.a. aber auch für die Arbeit des Dr. Müller.
Dies eine Beispiel greife ich heraus, ich könnte viele Bilder,
Texte und Reportagen nennen, die Ihnen hervorragend
gelungen sind. Solche Qualität finde ich oft in weit teu-
reren, renommierten Magazinen nicht.
Ich kaufe und lese bodo von Beginn an, die Entwicklung
ist beachtlich. Weil so viele Menschen davon leben und
die Redaktion eine so gute Arbeit leistet, zahle ich gern
immer das Doppelte. Denn auch damit ist eine solche
Leistung nicht wirklich bezahlt.
Ich wünsche Ihnen weiterhin eine gute Hand für ihr
Blatt und viel Erfolg, v.a. für die obdachlosen Men-
schen unter uns.
Herzlich grüßt Andreas Brenneke
LESERPOST
LESERSEITE
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Der Herr Blatter hat es nicht einfach. Irgendwo muss er seine Weltfußballfestspiele stattfindenlassen. Ein verwaistes Eiland, auf dem man im Wechsel Olympia und WM veranstalten könnte,existiert nicht. Dort gäbe es keine Gesetze und Steuerforderungen, die man erst rüde beiseiteschaffen müsste. Schön wäre es, das blattonische Profitalien oder Kapitalien. Nur die Kunstder Korruption käme zu kurz in einem Staat, der den sportlichen Ränkeschmieden zu hundertProzent gehört.
So aber muss man irgendwo einfallen, sportlich und fair, und dann kommen gleich dieseKritiker. Dabei schafft man Frieden und Wohlstand, wo immer man spektakelt. Erst gab es2012 die Europameisterschaft in der Ukraine, dann zu Jahresbeginn die Winterspiele inSotschi, nur einen Raketenabschuss von der Krim entfernt. Jetzt landet man inBrasilien. Dort tötet man wenigstens keine Straßenhunde. Das war nochein Aufreger im Internet vor zwei Jahren, die Köter von Kiew. In Rio gibtes Straßenkinder, die werden zwar auch manchmal getötet, aberirgendwie findet das Netz die nicht so niedlich.
Schon immer wünschte ich mir ein Panini-Sammelalbum „Spieler-frauen“, einfach so, weil es, klischeebeladen und gemein, vielSpaß verspricht. Nun aber fordere ich ein WM-Sammelheft, indem neben Stürmer, Torwart und Landesflagge auch sozialeDesaster auftauchen. Nationale Defizite könnte man herausstellen.Armut und Elend, die ewige Herrschaft einer kleinen Gruppe,wären dann das Thema für so ein unterentwickeltes Land, fürDeutschland halt.
Wir wollen uns amüsieren. Wir wollen nicht genervt werden oder garboykottieren. Was auch? Amazon vielleicht? Diesen Marketinggagsollte ver.di mal wagen.
Wenn dann am 13. Juli das Turnier zu Ende geht, haben wir viel-leicht in Deutschland unbemerkt längst Hartz V und dieBundeswehr steht in der Ukraine. Was aber schlimmer ist: Wir sind wieder nur Dritter geworden.
Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.
Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt
Unterbezirk DortmundKlosterstraße 8-1044135 Dortmund0231- 99 340
Unterbezirk Ruhr-MitteBleichstr. 8 44787 Bochum0234- 96 47 70
Unterbezirk UnnaUnnaer Straße 29a59174 Kamen02307- 91 22 10
[email protected] | www.awo-ww.de
Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaftbewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.
Werden auch Sie Mitglied in der AWO!
ArbeiterwohlfahrtBezirksverband Westliches Westfalen e.V.
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