Blickpunkt: Ostern An Karfreitag auf Ostern hoffen · 2018. 4. 6. · Gesprche bieten die...
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Blickpunkt: Ostern
australischen Krankenschwester BronnieWare „5 Dinge, die Sterbende am meistenbereuen“, zitiert. Fremdbestimmung, zuviel Arbeit, Verschweigen von Gefühlen,Vernachlässigung von Freundschaftenund wenig Glücksmomente: „Diese Versäumnisse können mich lehren, wie ichmein Leben leben soll“, meint Kränzle.
Solch eine Löffelliste hat Meier nicht.Die Ausbildung zum technischen Betriebswirt hat er gemacht, den Motorradführerschein und den Segelschein. „Ichhabe nichts aufgeschoben“, sagt er zufrieden. Einst riet ihm der Arzt: „Gehen Sieheim und regeln Sie Ihre Angelegenheiten.“ Seitdem Meier Patientenverfügung,Bank und Generalvollmacht unterschrieben hat, ist er beruhigt. „Jetzt bin ich vorbereitet“, meint er. Angst habe er keine.Nicht alle reagieren auf den bevorstehenden Tod so gefasst, weiß Dorothea GölzMost. Die evangelische Pfarrerin betreutdas Hospiz als Seelsorgerin. Ihre Erfahrung zeigt: „Die einen erzählen von einemLicht im Traum und von geliebten Verstorbenen. Die anderen schieben den Todweg und machen weiter wie bisher.“ Einige Menschen vertrauten auf Gott oderwürden mit ihm brechen, fühlten sichwütend oder akzeptierten ihr Schicksal,sehnten sich nach Erlösung im Tod odertrauerten um ihr verlorenes Leben.
Entsprechend vielfältig sind die Jenseitsvorstellungen von GölzMostsSchützlingen. Sie reichen von der Überzeugung, dass nach dem Tod Schluss ist,über die Neugier, ob noch etwas kommt,bis hin zum Glauben an Gott, das Paradiesund ein Wiedersehen mit den Toten.Angst vor der Hölle haben laut GölzMostdie wenigsten. Viele glauben an ein Weiterleben, entweder in einer anderen Dimension, in der Erinnerung Hinterbliebener, in den Körpern der Nachfahren oderin Tieren und Pflanzen, die sich vom Körper ernähren, der wieder zu Erde geworden ist. Für GölzMost gilt es, „den Karfreitag auszuhalten in der Hoffnung auf Ostern“.
HospizBewohner Meier vertritt dagegen eine säkulare Position. Er weiß nicht,was nach dem Tod kommt. An Himmelund Hölle glaubt er jedenfalls nicht mehr.Das tat er einst als Jugendlicher, als ernoch der Neuapostolischen Kirche angehörte. Heute hält er dagegen: „Die Kirchenregieren mit Angst. Darum glaube ichnicht ans Bodenpersonal.“ Entsprechendkonsequent fällt seine Entscheidung gegen Trauerfeier und Grab aus. „Ich werdemeinen Körper der Universität Tübingenspenden“, kündigt er an. Dort hilft er Professoren und Studenten, die menschlicheAnatomie besser zu verstehen.
Deutsche Hospiz und Palliativverbandnicht einen Kanon von Glaubenswahrheiten, sondern „ein psychisches Geschehen, in dem ein Mensch zu sich selbstkommt, in sich Kräfte findet und sich dabei von einer Kraft, die er nicht selbst ist,getragen und geborgen weiß“.
Auch die ehrenamtliche MitarbeiterinMarie Kruse betont: „Wir hören zu. Wirkommentieren nicht.“ Von sich selbst behauptet die aufgeräumte, herzliche Frau:
„Himmel und Höllesind von Menschengemachte Vorstellungen, die ich nicht teilen kann. Wir habendie Aufgabe, im Diesseits anständig miteinander umzugehen.“Gleichzeitig würde sieniemals versuchen, jemanden von seinem
Glauben abzubringen. An der Unterhaltung mit schwer kranken Menschenschätzt Kruse die „intensive Nähe“. Unddass „die Beschäftigung mit dem Tod eineQuelle für Lebensfreude sein kann“. Somerkwürdig das klingen mag, Heimleiterin Kränzle schlägt in dieselbe Kerbe,wenn sie aus dem gleichnamigen Buch der
Stimmung im Haus. Hell und freundlichsieht auch Meiers Zimmer aus. An derWand hängen Fotos von Familie undFreunden. Bei ihren Besuchen haben sieihm einen Plüschteddy mitgebracht, einen Strauß bunter Tulpen und Schokoherzen. „Wenn ich morgens schmerzfrei aufwache und mit meinen Freunden WhatsAppNachrichten austausche oder mitmeiner Freundin telefoniere, ist das fürmich ein Geschenk“, bekennt er.
Gespräche bietendie Hospizmitarbeiterebenfalls an – wenngewünscht, auch überTod und Jenseits. DieEinrichtung wird zwarvon der evangelischen Kirche getragen, aber die Heimleiterin Susanne Kränzleversichert: „Das Hospiz steht allen Menschen offen, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Konfession, Lebensform, gesellschaftlicher Stellung und Weltanschauung.“ Kränzlespricht nicht von „Gott“, sondern von„Liebe, Kraft und Barmherzigkeit“. Siesagt auch nicht „Religiosität“, sondern„Spiritualität“. Darunter versteht der
muss mal sterben – ich halt ein paar Tagefrüher“, sagt Meier. Kein Bedauernschwingt in seiner Stimme mit, er stelltnur sachlichnüchtern eine Tatsache fest.„Wichtig ist, was man in den Jahrenmacht“, ergänzt er. Diese Aussage ist beiMeier mehr als eine abgedroschene Postkartenweisheit. Denn wie viel Zeit dem50Jährigen noch bleibt, weiß er nicht.„Vielleicht sterbe ich in einer Woche, vielleicht lebe ich noch ein Jahr“, spekuliert
er. „Keine Ahnung,was der Krebs mit mirmacht.“ Aber für Meier gibt es ein Leben vordem Tod und das genießt er, so gut es geht.
Die gemeinsamenMahlzeiten geben seinem Tag den Takt vor.Dann läuft er über denbraunen Parkettbo
den zum großen, runden Holztisch, andem die Mitbewohner schon Platz genommen haben. An den weiß getünchtenWänden hängen Bilder der PlochingerTextilkünstlerin Verena Könekamp inkräftigen, satten Farben; der JenseitsVerweis in Gold bleibt symbolisch und damitunaufdringlich. Unerwartet heiter ist die
K laus Meier (Name von der Redaktion geändert) hat gute Tage erlebtund schlechte. Heute ist einschlechter. Mühsam, mit unsicheren, kleinen Trippelschritten läuft er die Keplerstraße in Esslingen entlang, schwer stützter sich auf seinen Rollator, legt zwischendurch Ruhepausen ein, um zu verschnaufen. Einen Spaziergang am Tag hat derPhysiotherapeut ihm empfohlen, um dieBeinmuskeln zu trainieren. Für heute hater sein Pensum geschafft und steuert zurück ins Hospiz.
Seit drei Wochen ist die EinrichtungMeiers neues Zuhause. Ein dreiviertel Jahrzuvor ist er mit einem vermeintlich einfachen Husten zum Arzt gegangen; mit derDiagnose „Lungenkrebs“ hat er die Praxiswieder verlassen. Inzwischen hat derKrebs die Leber befallen, die Milz, dieLymphknoten, die Rückenwirbel, einfachalles. Während er erzählt, hat sich Meierauf seinem Bett ausgestreckt. Er muss sicherholen vom Spaziergang. Unter derschwarzen Jogginghose und dem weißenTShirt zeichnet sich sein schlanker Körper ab. Der Körper, den Meier mehrerenChemotherapien unterzogen hat. Umsonst, der Krebs war stärker.
Genauso wie seine sieben Mitbewohner gilt Meier als unheilbar krank undwird im Hospiz palliativ versorgt, 24 Stunden jeden Tag, sieben Tage die Woche. Circa 100 Menschen sterben pro Jahr in derEinrichtung; im Schnitt bleiben sie dortdrei Wochen. Innerhalb dieser Zeitspannebemühen sich Hausärzte, Ärzte der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgungund 20 festangestellte Pflegefachkräftenicht mehr länger um Heilung und Lebensverlängerung, sondern um eine möglichst hohe Lebensqualität und die Linderung von Schmerzen. Dafür trägt Meierstets eine Pumpe beisich, aus der rund umdie Uhr Morphiumund Ibuprofen in seine Vene tropfen.
„Das war wie einSechser im Lotto, dassich hier ein Zimmerbekommen habe“,sagt Meier, und seineFreude klingt aufrichtig. Was hätte er auch für Alternativen gehabt? Zu Hause hätte ihn niemand pflegen können – die Mutter ist 80 Jahre alt,der Bruder wohnt in München und dieFreundin in der Schweiz. Fürs Pflegeheimist der 50Jährige zu jung, und im Krankenhaus konnte man ihm nicht mehr helfen. Also ist er ins Hospiz gegangen. „Jeder
W as nach dem Tod kommt, weiß niemand. Ist danach alles vorbei?Lebt die Seele weiter im Jenseits? Wird siewiedergeboren im Körper eines anderenMenschen? Oder sogar als Tier? Die Antworten darauf unterscheiden sich teilsstark in Christentum, Judentum, Islam,Buddhismus und Hinduismus. Über dieJenseitsvorstellungen der fünf Weltreligionen gibt die Eßlinger Zeitung einenÜberblick .
ChristentumDie Christen glauben an die Auferstehung nach dem Todund das ewige Lebenim Jenseits. Die Gewähr dafür gibt Ostern: Am Karfreitagwurde Jesus Christus, Gottes Sohn, ge
kreuzigt und nahm die Sünden aller Menschen auf sich. Nach seinem Tod wurde erbegraben, am dritten Tag ist er auferstanden und zu seinem Vater in den Himmelaufgefahren.
Als messianischer Erlöser – dies im Unterschied zu den anderen Weltreligionen –hat Christus allen Gläubigen den Wegzum ewigen Leben gebahnt. Allerdingsmüssen die Menschen dieses Angebot aktiv annehmen. Dies entscheidet letztlichdarüber, ob sie der Erlösung teilhaftig werden oder nicht. Die traditionellen Vorstellungen von Himmel und Hölle als Bestim
mungen der gläubigguten und der ungläubigverworfenen Seelen spiegeln diesen Gegensatz. Im heutigen Christentumsteht freilich der Glaube an die Liebe Gottes auch zu den gescheiterten Menschenim Vordergrund. So werden Himmel undHölle von vielen Christen nicht mehr alsOrte aufgefasst, sondern als seelische Zustände der Gottesnähe und Gottferne.
JudentumIm Judentum liegtder Fokus auf demDiesseits und der lebenslangen Verbundenheit mit Gott.Früher wurde davonausgegangen, dassdie Toten in die Unterwelt gehen, wo
die lebensspendende Gemeinschaft mitGott erlischt. Später setzte sich unter persischem und griechischem Einfluss derGlaube an die leibliche Wiederauferstehung der Toten bei der Ankunft des Messias durch.
Auch heute noch glauben konservativeund orthodoxe Juden an die Auferstehung, Reformjuden dagegen an die Unsterblichkeit der Seele, die unbefleckt vonGeburt, Leben und Tod ohne den Körperzu Gott zurückkehrt. In einer dritten Variante werden beide Lehrmeinungen vermischt zur Auffassung, dass die Seele denTod des Menschen überdauert und bis zurmessianischen Zeit weiterlebt, um sichschließlich mit dem Körper neu zu vereinigen und leibhaftig aufzuerstehen. In der
Kabbala, der jüdischen Mystik, ist die Wiederverkörperung eine göttliche Bewährungsstrafe und dient dazu, die Seele imneuen Körper der Vervollkommnung näherzubringen.
IslamMuslime glauben anein Leben nach demTod – in der Hoffnung darauf, dannin Allahs Nähe zusein. Der Tod wirdaufgefasst als Übertritt in eine andereEbene des Lebens.
Dabei trennt der Todesengel Izrail Körperund Seele voneinander. Die Seele einesMenschen, der im Leben Gutes getan hat,wird von dem Engel in die sieben Himmelzu Gott gebracht. Die Seele eines schlechten Menschen wird vom Engel nur biszum ersten Himmel getragen, wo ihr derZutritt verwehrt wird. Danach gelangenbeide Seelen wieder zurück in ihre Körperund verweilen im Zwischenbereich (Barzach). Anschließend werden die Seelenvor ein vorläufiges Gericht gestellt. Dortbefragen sie die zwei Engel Munkar undNakir zu ihrem Glauben: Antworten dieSeelen richtig, wird ihnen nach der Auferstehung ein Leben im Paradies in Aussichtgestellt. Antworten sie falsch, droht ihnendie Hölle.
Die endgültige Entscheidung fällt beimJüngsten Gericht. Dann werden die Totenaufgeweckt und ihre guten und schlechten Taten auf eine Waage gelegt. Anschlie
Schluss, aus, vorbei?
ßend überqueren sie eine Brücke, die überdie Hölle führt. Sie ist „dünner als ein Haarund schärfer als ein Schwert“, sagt der Prophet Mohammed. Die Ungläubigen undSünder stürzen in die Hölle, die anderengelangen ins Paradies. Der Zentralrat derMuslime in Deutschland schreibt auf seiner Webseite „www.islam.de“ jedoch:„Wir glauben auch an die BarmherzigkeitGottes. Jeder Diener Gottes kann der Strafe der Hölle entgehen, wenn er Gott aufrichtig und reuevoll um Vergebung seinerFehltritte bittet.“
BuddhismusDie Buddhistenglauben an die Wiedergeburt nach demTod. War ihr Lebenvon Begierde, Zornund Verblendunggekennzeichnet, gelangen sie als Höllenwesen, Tier, Dä
mon oder Gespenst zurück auf die Erde.Ein Gott, Halbgott oder Geist wird einBuddhist im nächsten Leben, wenn seinGeist frei ist von grobem Verlangen. Dasgelingt durch Meditation und Loslösungvon allen irdischen Begierden. Je nachKarma, den positiven und negativen Energien, irrt der Geist der Verstorbenen verwirrt und verängstigt umher, ehe er in denneuen Körper eintritt. Um ihm den Übergang zu erleichtern, vollziehen Angehörige in dieser Zeit Rituale für den Verstorbenen. Auf metaphysische Spekulationenbezüglich einer dem Menschen innewoh
nenden nichtmateriellen Substanz, die inall den Körpern dieselbe oder eine andereist, verzichtet der Buddhismus. Da Leben –egal in welcher Form – immer bedingt undsomit vergänglich ist, bleibt die vollkommene Erfüllung versagt, und das Lebengilt als leidvoll. Darum versucht der Buddhist, den Kreislauf der Wiedergeburtenzu durchbrechen und ins Nirvana einzugehen. Dabei meint Nirvana keinen Ort,sondern einen Zustand, in dem allemenschlichen Wünsche und Sehnsüchteüberwunden sind. Wörtlich übersetzt bedeutet Nirvana „Erlöschen“.
HinduismusAuch die Hindusglauben an die Reinkarnation. Dabeikehrt die unsterbliche Seele nach demTod in einem anderen Lebewesen wieder auf die Erde zurück. Jeder Hindu
kann in seinem Dasein millionenfachwiedergeboren werden. Darum versuchter während seines Lebens, gute Taten zuvollbringen. Denn damit beeinflusst ersein Karma. Das Karma entscheidet darüber, in welcher Gestalt der Hindu wiedergeboren wird. Oder ob es ihm schließlichgelingt, den ewigen Kreislauf aus Leben,Tod und Wiedergeburt – Samsara genannt– zu durchbrechen und Moksha, Erlösung,zu erlangen. Dann, hofft er, vollkommenen Frieden zu erreichen und eins zu werden mit dem Göttlichen.
Was kommt nach dem Tod? Jenseitsvorstellungen der Weltreligionen
Von Miriam Steinrücken
Den Tagen Leben geben: Pfleger Ralf Stepput sorgt dafür, dass die HospizBewohner gut versorgt sind. Foto: Bulgrin
An Karfreitag auf Ostern hoffenKreis Esslingen: Der Tod ist im Hospiz allgegenwärtig – So denken Mitarbeiter und Bewohner über Jenseits und Auferstehung
Von Miriam Steinrücken
»Jeder muss mal sterben – ichhalt ein paar Tage früher. Wichtig ist, was man in denJahren macht.
Klaus Meier, Bewohner «
»Das Hospiz steht allen Menschen offen, unabhängig vonHerkunft, Konfession und Lebensform.
Susanne Kränzle, Leiterin «
12 Eßlinger Zeitung Donnerstag, 29. März 2018KREIS ESSLINGEN