Bildungsstandards in der Berufsbildung

33
Für den Inhalt verantwortlich: DI Dr. Univ.Prof Werner Timischl, Mag. Ursula Fritz, LSI Dr. Josef Lackner; Mag. Sigrun Lunger Grafische Aufbereitung: Katrin Willenshofer B B i i l l d d u u n n g g s s s s t t a a n n d d a a r r d d s s i i n n d d e e r r B B e e r r u u f f s s b b i i l l d d u u n n g g Handbuch

Transcript of Bildungsstandards in der Berufsbildung

Für den Inhalt verantwortlich: DI Dr. Univ.Prof Werner Timischl, Mag. Ursula Fritz,

LSI Dr. Josef Lackner; Mag. Sigrun Lunger Grafische Aufbereitung: Katrin Willenshofer

BBiilldduunnggssssttaannddaarrddss

iinn ddeerr BBeerruuffssbbiilldduunngg

Handbuch

Inhaltsverzeichnis 1 Einführung in das Projekt Bildungsstandards in der Berufsbildung ........................2 1.1 Projektaufbau ...............................................................................................................3 1.2 Arbeitsgruppen-Mitglieder ............................................................................................5 2 Die Bildungsstandards – Ziele und Funktionen ..........................................................8 3 Erarbeitung der Bildungsstandards ...........................................................................10 4 Wichtige Begriffe und ihre Zusammenhänge (Glossar) ...........................................12 4.1 Standard .....................................................................................................................12 4.2 Kompetenz .................................................................................................................13

4.2.1 Kompetenzbereiche .............................................................................................15 4.2.2 Kompetenzmodelle ..............................................................................................16 4.2.3 Möglichkeiten und Formen von Kompetenzmodellen ..........................................17

4.3 Deskriptoren ...............................................................................................................21 4.4 Prototypische Beispiele (für den Unterricht) ...............................................................22 4.5 Kriterien für die Erstellung von prototypischen Beispielen (für den Unterricht) ..........22 4.6 Mögliche Darstellung der prototypischen Beispiele (für den Unterricht).....................24 4.7 Pilotierung...................................................................................................................25

4.7.1 Ziel der Pilotierung ...............................................................................................25 4.7.2 Vor der Durchführung...........................................................................................25 4.7.3 Feedbackfragebögen ...........................................................................................26 4.7.4 Während der Durchführung:.................................................................................26 4.7.5 Revision ...............................................................................................................26

4.8 Interrater-Reliabilität ...................................................................................................26 4.9 Testitems ....................................................................................................................27 4.10 Testung (Diskussionsstand: Dezember 2006)............................................................28 5 Quellenverzeichnis.......................................................................................................30

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Stufeneinteilung ..............................................................................................2 Abbildung 2: Projektaufbau ..................................................................................................4 Abbildung 3: Zuständigkeiten...............................................................................................7

Abbildung 4: Dimensionen und Deskriptoren .....................................................................8

Abbildung 5: Kern – Peripheriemodell ...............................................................................11

Abbildung 6: Berufsfeldkonzept .........................................................................................11

Abbildung 7: Matrix der Inhalts- und Handlungsdimension ............................................19

Seite 2

1 Einführung in das Projekt Bildungsstandards in der Berufsbildung

Das österreichische berufsbildende Schulwesen ist das differenzierteste Europas. Es bietet

jungen Menschen alle Möglichkeiten der Berufsausbildung. Sowohl das duale System von

Lehre und Berufsschule, als auch berufliche Vollzeitschulen in allen Fachrichtungen bieten

die Sicherheit, dass Österreichs Jugend die optimale berufliche Ausbildung erhält. Absol-

ventInnen höherer Lehranstalten erreichen mit dem 19. Lebensjahr ein Ausbildungsniveau,

das in anderen Ländern erst durch den Abschluss einer Fachhochschule erreicht wird.

Um den Schulen die Möglichkeit zu geben, rasch auf die Anforderungen der Wirtschaft rea-

gieren zu können, wurde in den letzten Jahren die Autonomie der Schulen verstärkt. Ent-

scheidungen über Lehrpläne und Schwerpunktsetzungen wurden zu einem hohen Ausmaß

in ihre Entscheidungskompetenz verlagert. Die Schulgemeinschaftsausschüsse aus Vertre-

terInnen von Lehrkräften, Eltern und SchülerInnen treffen wichtige Entscheidungen für die

konkrete Umsetzung der Lehrpläne.

In der Europäischen Union sind derzeit verstärkte Bemühungen im Gange, erworbene Qua-

lifikationen in den einzelnen Mitgliedsstaaten durch einen gemeinsamen Rahmen vergleich-

bar zu machen. Der Europäische Qualifikationsrahmen (European Qualification Framework

– EQF) bietet eine Möglichkeit in Europa erworbene Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompe-

tenzen in ein 8stufiges Modell einzuordnen (siehe Abbildung 1). Österreich erarbeitet der-

zeit einen Nationalen Qualifikationsrahmen (National Qualification Framework – NQF), der

die Zuordnung auf europäischer Ebene unterstützen und auch auf nationaler Ebene als

Übersetzungsinstrument für Qualifikationen dienen soll.

Abbildung 1: Stufeneinteilung

Stufe 4: Breites Spektrum fachspezifische Kenntnisse nutzen

7

6

5

4

3

2

1

Stufe 8: Kritische Analyse und Bewertung neuer Ideen

Stufe 7: Hochspezialisierte Kenntnisse

Stufe 6: Detaillierte theoretische und praktische Kenntnisse

Stufe 5: Breites Spektrum von Kenntnissen nutzen

Stufe 3: Fachspezifische Kenntnisse anwenden

Stufe 2: Grundlagen eines Bereiches verstehen

Stufe 1: Grundlegende allgemeine Kenntnisse

8

Seite 3

Qualitätsmanagement und -entwicklung sowie die Darstellung der Lernergebnisse

sind die Säulen des EQF, des NQF und des Konzepts eines europäischen Leistungs-

punktesystems (ECVET). Die österreichische Berufsbildung beteiligt sich an dem ge-

samteuropäischen Qualitätsprozess mit der Initiative QIBB (QualitätsInitiative Berufs-

Bildung). Ein wichtiges Teilprojekt von QIBB ist die Erarbeitung und der Einsatz von

Bildungsstandards in der Berufsbildung. Bildungsstandards sollen zur Erhöhung der

Transparenz im Bildungssystem beitragen und eine bessere Vergleichbarkeit von

Bildungsabschlüssen gewährleisten. Sie unterstützen somit die europäischen Pläne

nach transparenten Darstellungsformen von Qualifikationen und Kompetenzen sowie

nach Vergleichbarkeit von Systemen.

1.1 Projektaufbau

Die Projektleitung erfolgt durch die Steuergruppe. Sie besteht aus Sektionschef Mag. Theo-

dor Siegl (Vorsitzender), MR Univ. Prof. DI Dr. Werner Timischl (Stellvertretender Vorsitzen-

der), Mag. Ursula Fritz (Projektkoordinatorin), LSI Mag. Dr. Josef Lackner (Projektkoordina-

tor), je einem/einer Vertreter/in der Abteilungen der Sektion II und MR Mag. Augustin Kern

(Vertreter der Sektion Allgemeinbildendes Schulwesen).

Die Entwicklungsarbeit wird durch Arbeitsgruppen geleistet. Sie bestehen aus einem/einer

Vertreter/in der Sektion II bzw. der Schulaufsicht als Vorsitzende/n, ca. acht ExpertInnen aus

dem berufsbildenden Schulwesen und FachdidaktikerInnen und FachwissenschafterInnen.

Letztere sind hauptsächlich als KonsulentInnen tätig. Darüber hinaus wird das Projekt durch

Prof. Dr. Manuela Paechter und Dr. Heinz Mayringer wissenschaftlich begleitet.

Ca. alle 6 Monate wird eine Bildungsstandardkonferenz durchgeführt, an der alle Mitglieder

der Arbeitsgruppen und der Steuergruppe teilnehmen, um den laufenden Informationsaus-

tausch zu gewährleisten und um die nächsten Schritte gemeinsam zu planen.

Die eigentliche Testentwicklung wird von den pädagogischen Expert/inn/en gemeinsam mit

Testexpert/inn/en durchgeführt. Die Durchführung der Tests soll ähnlich wie für die Stan-

dardüberprüfungen der Volks- und Hauptschule und der algemeinbildenden höheren Schule

erfolgen.

Seite 4

Abbildung 2: Projektaufbau

Seite 5

1.2 Arbeitsgruppen-Mitglieder Deutsch Ingrid Weger

Englisch Andrea Pühringer-Kriegner

Angewandte Informatik Christian Dorninger

Baumann Andreas Glaboniat Manuela Heinzel Werner Krammer Stefan Kreutel Claudia Mänling Manfred Mayr Waltraud Patocka Franz Raschauer-Andrecs Christine Schreilechner Adelheid Wagenhofer Gertraud Weinmar Claudia Winkler Gabriele

Dressnandt Peter Kwas Michaela Mayer-Tauschitz Isolde Mittendorfer Franz Moser Wolfgang Preede Petra Schratt Rudolf Steinhuber Belinda Winkler Gabriele Zekl Claudia Zierler Gabriele

Baier Rainer Baumgartner Peter Bruckner Eva Garscha Martin E. Haberl Klaus-Peter Hager Gerhard Kremser Peter Peternel Christine Prumetz Claudia Schellner Robert Schwarz Günther Tassatti Christian

Angewandte Mathematik Peter Schüller

Naturwissenschaften Christian Dorninger

Wirtschaft Hannelore Kempel

Eisler Eleonore Hammerl Elisabeth Heugl Helmut Hörhager Markus Kliemann Jörg Pichler Roland Rohm Wilfried Schodl Martin Wessenberg Brigitte

Faissner Erich Flöry Peter Jaklin Johannes Kiss Andrea Kraker Norbert Lang Otto Molin Christine Weiglhofer Hubert Wiesinger Johann Ziegelbecker Rudolf

Aff Josef Baier Rainer Fuhrmann Bettina Graf Andrea Grote Christian Hauer Erich Hofer Manfred Hofmarcher Gabriele Holzleitner Manfred Köppel Alfred Krumhuber Rainer Peternel Christine Stock Michaela Tassatti Christian Wessely Werner Wexberg Peter

Pädagogik/Didatik/Praxis Maria Dippelreiter

Wirtschaftliche Berufe Gerhard Orth

Tourismus Josef Lackner

Lauermann Karin Schwarzenberger Gertrude Stephenson Katharina Stoll Martina

Bruckner Eva Grote Christian Marx Edith Nittmann Doris Schitter Hedwig Steinhuber Belinda Wiltberger Eva Wordie Thomas

Bauer-Greinöcker Romana Filzmoser Barbara Fürhacker Hans Geier Karl Huber Heinz Kirchler Beatrix Kurzbauer Franz Prumetz Claudia Roiss Hubert Zierler Gabriele

Seite 6

Mode- und Bekleidungstechnik Waltraud Schnellinger

Elektrotechnik Wolfgang Pachatz

Bautechnik Wolfgang Riemer

Christof Riki Evdokimidis Doris Hertl Arne Michael Jeitler Pallhuber Margherita Pichler Christine Sadounig Johanna Tesak Maria Theresia Rückl Maria Wenger Christa

Binder Hermann Bodner Bertram Eder Wolfgang Frankl Günter Hudovernik Hans Lampersberger Markus Mayr Reinhard Smutni Sabine Strohmüller Josef Wörle Norbert

Breymann Helfried Hable Oskar Hrdlicka Harald Klammer Peter Mandl Otto Miklautsch Otmar Müllner Klaus Neubauer Walter Paulitsch Norbert Riemer Wolfgang Vögele Walter

Internationale Wirtschaft Ingrid Weger

Digital Business und In-formationsmanagement Hannelore Kempel

Entrepreneurship und Management Hannelore Kempel

Baker Trixi Genevois Andrea Jerolitsch Edda Kislinger Gerda Koch Inge Ladin Wolfgang Mangold-Renner Heidi Meyer Evelyn Rückl Michaela Weitensfelder Daniela

Berthold Johannes Grasmug Alfred Hebenstreit Hans Knabel Horst Meisinger Markus Neyer Helmut Praher Franz Rathgöb Roland Riepl Andreas Rumpold Herbert Tassatti Christian

Freese Heidemarie Haberl Klaus Hauer Erich Hochreiner Alois Hofer Manfred Kiss Katharina Lengauer Efrem Lindner Johannes Peternel Christine Spangl Susanne Stock Michaela Tittler Rene Wexberg Peter

WINF und IKT Hannelore Kempel

Baier Rainer Gruber-Zötsch Irene Hainzl Gernot Jirsa Brigitte Knabel Horst Ledolter Stefanie Sternig Günter Unterweger Walter Wiedersich Ulrike Zwitkovits Engelbert

Seite 7

Abbildung 3: Zuständigkeiten

Abbildung 3: Zuständigkeiten

Seite 7

Seite 8

2 Die Bildungsstandards – Ziele und Funktionen Bildungsstandards formulieren fachliche und fachübergreifende Kernqualifikationen, die für

die weitere schulische und berufliche Ausbildung von Bedeutung sind. Sie bestehen aus ei-

nem Kompetenzmodell für den jeweiligen Gegenstand/Fachbereich. Diese werden durch

zwei Dimensionen – die Handlungs- und die Inhaltsdimension – verdeutlicht. An den Schnitt-

punkten, die sich aus den Verbindungen dieser Achsen ergeben, entstehen durch (prototypi-

sche) Beispielsaufgaben konkretisierte Deskriptoren. Es ist das Ziel, sicherzustellen, dass

alle SchülerInnen eines Schultyps in ausgewählten Gegenständen/Fachbereichen gemein-

same Kernkompetenzen erreichen. Bildungsstandards können hier einen Beitrag leisten,

indem sie sich auf die Fachkernbereiche konzentrieren und die erwarteten Lernergebnisse

beschreiben.

Abbildung 4: Dimensionen und Deskriptoren

Bildungsstandards beziehen sich auf den jeweiligen Lehrplan. Dabei stehen das Bildungsziel

und die jeweilige Bildungs- und Lehraufgabe im Zentrum! Es geht bei den Standards nicht

um die Überprüfung einzelner Inhalte, sondern um die kumulierte Bildungswirkung des Fa-

ches. Deswegen erfolgt die Standardüberprüfung erst gegen Ende des jeweiligen Bildungs-

ganges. Außerdem ist die Standardüberprüfung dort besonders aussagekräftig, wo die

Schnittstelle zur Universität bzw. Fachhochschule und zum Arbeitsmarkt gegeben ist.

Bildungsstandards sollen festlegen, auf welche Kompetenzen es im jeweiligen Fachkernbe-

reich ankommt und müssen Auswirkungen auf den Unterricht haben. Dadurch werden weite-

re Verbesserungen des Unterrichts erreicht! Deshalb werden die Bildungsstandards auch

von LehrerInnenfortbildungsmaßnahmen begleitet werden. Die Pädagogischen Institute –

bzw. die Pädagogischen Hochschulen – sind in diesem Zusammenhang ein wichtiger Part-

ner des Projektes. Es wird in Zukunft in den mit immer mehr Autonomie ausgestatteten

Schulen darauf ankommen, einerseits die zentralen Vorgaben in Form der Bildungsstan-

dards zu erfüllen und andererseits die darüber hinausgehende Bildungswirkung zu erzielen!

Ein alleiniges „Teaching to the Test“ ist nicht beabsichtigt und wird abgelehnt!

Seite 9

In Österreich ist nicht beabsichtigt, Mindeststandards festzulegen, weil damit die beiden we-

sentlichen Ziele des Projektes, nämlich eine Rückmeldung an das gesamte System über den

Leistungsstand der SchülerInnen zu geben und andererseits gezielt Fördermaßnahmen vor-

schlagen zu können nur unvollständig erreicht würden. Es geht nicht darum festzustellen,

wie viele SchülerInnen eine (mehr oder weniger willkürlich) festgelegte Hürde überspringen

können, sondern darum, Rückmeldungen für die Fortentwicklung des Unterrichts zu erhalten!

Die Umsetzung derartiger Fördermaßnahmen im Bereich der berufsbildenden Schulen muss

im Zusammenhang mit den Testungen in der 4. und 8. Schulstufe gesehen werden. Da be-

reits in diesen Schulstufen viele SchülerInnen getestet werden, ist zu erwarten, dass bereits

in diesen Schulstufen Förderkonzepte erarbeitet wurden, die die Kompetenzen der

SchülerInnen verbessern.

Auch ohne Testung sollen die Bildungsstandards positive Auswirkungen auf den Unterricht

haben. Durch sie wird jeder Schule, jeder Lehrkraft, allen Eltern und SchülerInnen vermittelt,

was die unabdingbaren Ziele dieser Schulart sind! Durch die prototypischen Beispiele (für

den Unterricht) werden diese Ziele noch verdeutlicht und die Möglichkeit “außer Konkurrenz”

an den Tests teilzunehmen gibt weitere Möglichkeiten der Abschätzung des eigenen Lernens

bzw. Lehrens.

Die Einführung der Bildungsstandards erfolgt in drei Phasen. Phase 1 betrifft die Erstellung

von Kompetenzmodellen (inklusive der Formulierung der zu erreichenden Ziele in Form von

Deskriptoren). In Phase 2 werden die prototypischen Beispiele (für den Unterricht) ausgear-

beitet. Dadurch sind bereits Auswirkungen auf die Arbeit der LehrerInnen gegeben. Sie er-

halten erstmals eine Grundinformation über die Teile des Lehrplanes, die als wesentlich für

die Erreichung des Bildungszieles angesehen werden und die deshalb auf jeden Fall intensiv

darzustellen sind. Prototypische Beispiele (für den Unterricht) sollen Anregungen für die Ar-

beit im Unterricht bieten und eine rege fachdidaktische Diskussion in den Lehrkörpern in

Gang setzen.

Die 3. und letzte Phase dient der Erarbeitung von Testitems zur Evaluierung der Lernergeb-

nisse. Die dadurch gewonnene Rückmeldung an das System fließt natürlich wieder in die

LehrerInnenfortbildung ein.

Seite 10

3 Erarbeitung der Bildungsstandards

Derzeit beschäftigen sich die Arbeitsgruppen mit der Erstellung von objektiven Bildungsstan-

dards für die Evaluierung und Verbesserung des Unterrichts. Da im Rahmen dieses Projek-

tes nicht nur die Standards erarbeitet, sondern auch die zentrale Überprüfung der Erreichung

vorbereitet und in Auftrag gegeben wird, ist es erforderlich, sich auf einige Gegenstände zu

beschränken. Im Laufe der Zeit ist aber eine Ausdehnung des Projektes durchaus er-

wünscht!

Als erster Schritt werden Bildungsstandards für die berufsbildenden höheren Schulen erar-

beitet. Im nächsten Schritt werden die berufsbildenden mittleren Schulen und Berufsschulen

folgen. Für sie wird es nur Deutsch als gemeinsames Pflichtfach geben. Fünf weitere Fächer

(Englisch, Mathematik, Naturwissenschaft, Wirtschaft und Informatik) werden in den Bereich

der Wahlfächer verlegt. Zwei bis drei davon sind zu wählen. Das Berufsfeld wird in diesen

Schulen eine bedeutende Rolle spielen.

Im Bereich der BHS (Kernbereiche Deutsch, Englisch, Angewandte Mathematik, Wirt-schaft, Informatik und Naturwissenschaften) werden zunächst Bildungsstandards für den

schulartenübergreifenden Kern erarbeitet. Dieser Kern ist per Definition der Bereich, der an

allen BHS unterrichtet werden muss. Durch die oben angeführte Differenzierung der Schular-

ten ist die Darstellung dieses Kerns nicht einfach. So ist die Bedeutung der einzelnen Ge-

genstände in den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik und Sozialpädagogik, den

land- und forstwirtschaftlichen, den technisch-gewerblichen, kaufmännischen und humanbe-

ruflichen Lehranstalten von ihrer Stundenanzahl und der Gewichtung sehr unterschiedlich.

Die wirtschaftliche Bildung spielt in den kaufmännischen oder humanberuflichen Schulen

z.B. eine wesentlich größere Rolle als in den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik

und Sozialpädagogik.

Während es für Deutsch, Englisch und Angewandte Mathematik grundlegende Expertisen

und Erfahrungen aus dem allgemeinbildenden Schulwesen gibt, auf die selbstverständlich

zurückgegriffen wird, betrat die Sektion II mit den Bereichen Wirtschaft, Informatik, Pädago-

gik und Naturwissenschaften „pädagogisches Neuland“. Die Arbeitsgruppen haben in allen

Bereichen gezeigt, dass sie diese Herausforderung optimal meistern können!

Seite 11

Abbildung 5: Kern – Peripheriemodell

Da die Entwicklung der Bildungsstandards und Testitems sehr anspruchsvoll ist, können

nicht alle geplanten Fächer und Berufsfelder gleichzeitig erarbeitet werden. Vielmehr soll aus

den Erfahrungen von „Pilotgruppen“ die Arbeit der nachfolgenden Arbeitsgruppen erleichtert

werden. So werden in Deutsch, Englisch und Angewandte Mathematik zuerst die oben ge-

nannten Peripheriebereiche der Schularten erarbeitet, während Wirtschaft, Naturwissen-

schaften und Informatik daran gehen, die Testungen für den schulartenübergreifenden Kern

voranzutreiben. Durch den in den Standardkonferenzen und auch auf Internetplattformen

stattfindenden Erfahrungsaustausch, wird die jeweils für die anderen Gruppen folgende Pha-

se abgekürzt.

Ähnlich wird in den Berufsfeldern vorgegangen. Fünf Gruppen (je eine im technischen, kauf-

männischen, humanberuflichen und Bereich sowie bei den Bildungsanstalten) bereiten als

Pilotgruppen nach der Erstellung der vollständigen Kompetenzmodelle auch bereits die Tes-

tung vor. Die übrigen dienen nach der Erstellung ihrer Kompetenzmodelle als „kritische

Freunde“ für die Piloten und werden so auf dem Laufenden gehalten.

Lehrplan ELehrplan M Lehrplan W

Lehrplan D

Lehrplan INF

Lehrplan NW

Schulartenübergreifender Kern

Berufsspezifischer Bereich

Berufsspezifischer B

ereich

Lehrplan ELehrplan M Lehrplan W

Lehrplan D

Lehrplan INF

Lehrplan NW

Schulartenübergreifender Kern

Berufsspezifischer Bereich

Berufsspezifischer B

ereich

Abbildung 6: Berufsfeldkonzept

Seite 12

4 Wichtige Begriffe und ihre Zusammenhänge (Glossar)

4.1 Standard

1. Der Standard wird als Überbegriff verwendet und beschreibt den gesamten Rahmen.

Er beinhaltet zentrale und bedeutsame Lerninhalte und Kompetenzen, die in Kompe-

tenzmodellen ausformuliert werden. Bildungsstandards umfassen demnach ein Kom-

petenzmodell für jeden Gegenstand, sämtliche Deskriptoren sowie prototypische Bei-

spiele (für den Unterricht).

2. Sie beziehen sich auf den Lehrplan, sind jedoch trotz dieser Orientierung nicht mit

ihm gleichzusetzen. Vielmehr werden sie von den Bildungszielen abgeleitet und bil-

den den Kern eines Fachbereichs.

3. Anhand der Standards werden verbindliche Zielvorstellungen der Schulen des be-

rufsbildenden Bereichs beschrieben. Die Zielvorstellungen betreffen die Kompeten-

zen, die durch den Unterricht in einem Fach vermittelt werden sollen und die für die

spätere Berufsausübung von Bedeutung sind. Es stehen demnach über die Schul-

dauer hinaus langfristig verfügbare Kompetenzen im Vordergrund.

4. Die Festlegung der Standards anhand von Deskriptoren und prototypischen Beispie-

len (für den Unterricht) dient der Qualitätssicherung sowie der Orientierungsmöglich-

keit für LehrerInnen. Die prototypischen Beispiele (für den Unterricht) stellen eine

Grundlage für die Erfassung und Bewertung von Lernergebnissen der SchülerInnen

dar. Bildungsstandards haben daher einen unmittelbaren Einfluss auf den Unterricht

(im Sinne einer Rückmeldung) und sollten zu einer Verbesserung des Unterrichts bei-

tragen. Auch können sie dabei helfen die individuellen Schwerpunkte, das Angebot

und auch die Anforderungen von Schulen zu demonstrieren. Die Standards erfüllen

demnach zusätzlich eine Informationsfunktion.

5. Die Realisierung der Standards geschieht vorrangig durch die LehrerInnen selbst.

Durch die Präzisierung der Standards mittels Deskriptoren und prototypischen Bei-

spielen (für den Unterricht) ist die individuelle Abschätzung möglich, ob die Schüle-

rInnen über die erwünschten Kompetenzen verfügen. Hierbei ist essentiell, dass den

Schulen und Lehrkräften bei der Umsetzung der Standards ausreichend Freiraum

eingeräumt wird.

6. Sie werden als Regelstandards beschrieben und sollten daher im „Durchschnitt“ er-

reicht werden. Die Standards legen demnach verbindlich fest, welches Kompetenzni-

veau die Mehrheit der SchülerInnen in einer bestimmten Schulstufe erreichen sollte.

Dabei steht nicht im Vordergrund, wie viele SchülerInnen eine bestimmte Grenze ü-

Seite 13

berschreiten, sondern das Ziel ist eine Rückmeldung für die Verbesserung des Unter-

richts.

7. Bildungsstandards konzentrieren sich auf das Lernergebnis und den erfolgten Kom-

petenzzuwachs in einer bestimmten Schulstufe. Sie geben daher keinerlei Auskunft

über den Weg, der zur Zielerreichung führt. Eine Orientierungsmöglichkeit für den

Unterricht stellt demnach weiterhin der Lehrplan dar, der sich mit den Bildungsstan-

dards sinnvoll ergänzen sollte.

8. Die Messung der Standards erfolgt gegen Ende der unterschiedlichen Bildungsgän-

ge. Der Grund dafür ist, dass anhand der Bildungsstandards nicht einzelne Inhalte er-

fasst werden sollen, sondern die „kumulierte Bildungswirkung“ (Lackner & Timischl,

2006 S.2) im Vordergrund steht.

„Es ist das Ziel, sicherzustellen, dass alle Schülerinnen und Schüler eines Schultyps in

ausgewählten Gegenständen (Gegenstandsbereichen) gemeinsame Kernqualifikationen

erwerben. Da die Bildungsaufgaben der berufsbildenden Schulen über diese Kernqualifi-

kationen hinausgehen, können die Standards im Allgemeinen nicht zur Leistungsfeststel-

lung der Schülerinnen und Schüler und auch nicht für ein Ranking der gesamten Bil-

dungsleistungen der einzelnen Schulen herangezogen werden.“ (Lackner & Timischl,

2006, S.1)

4.2 Kompetenz Eine zentrale Definition von Kompetenz stammt von Weinert (2001):

„Unter Kompetenzen versteht man die bei Individuen verfügbaren oder

durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimm-

te Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitio-

nalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um Problemlösungen in

variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu kön-

nen.“

Die individuelle Kompetenz beinhaltet demnach ein Netzwerk an zusammenhängenden As-

pekten wie Wissen, Fähigkeiten, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung und Motivation. Sie

stellt die Voraussetzung dar, die notwendig ist, um eine spezifische Problemsituation zu be-

wältigen. Die Kompetenz äußert sich in den Leistungen der SchülerInnen in einem Inhaltsbe-

reich bezogen auf die Performanz. Kompetenzen können also flexibel in unterschiedlichen

Seite 14

Situationen eingesetzt werden und an diese angepasst werden. Im Zuge der Bildungsstan-

dards beschreiben Kompetenzen Lernleistungen, die aufgrund des Schulbesuchs erbracht

werden. Der Unterricht stellt demnach den variablen Kontext dar, der zur Förderung von

Kompetenzen führen soll.

Dieser Kompetenzdefinition von Weinert (2001) entsprechend werden die Begriffe der kogni-

tiven Fähigkeiten und Fertigkeiten verwendet. Die kognitiven Fähigkeiten können unterteilt

werden in die Bereiche Fachkompetenz und Methodenkompetenz. Die Funktion von Kompe-

tenzen ist Problemlösungen zu ermöglichen.

Die Definition des Kompetenzbegriffes von Weinert umfasst neben kognitiven und sozialen

Fähigkeiten auch motivationale und volitionale Aspekte, die stark situationsspezifisch ausge-

richtet sind. Da der Kompetenzbegriff im Bereich der Bildungsstandards jedoch auf eine

langfristige, nachhaltige Befähigung zur Berufsausübung fokussiert, sind diese beiden As-

pekte von geringer Relevanz. In diesem Punkt unterscheidet sich die verwendete Kompe-

tenzdefinition demnach von Weinert.

Eine Erweiterung gegenüber Weinert stellt die Definition der Sozialkompetenz dar. Zusätzlich

wird der Faktor der Personalen Kompetenz konkretisiert, der das erfolgreiche Lernen von

Fähigkeiten und Fertigkeiten ermöglicht (siehe Kompetenzbereiche). Auch enthält der Kom-

petenzbegriff für den Schulbereich der Berufsbildung psychomotorische Fähigkeiten und

Fertigkeiten, die im Laufe der Schulbildung erworben werden.

Erpenbeck und von Rosenstiel (2003) dagegen, definieren Kompetenz als Disposition zu

selbstorganisiertem Handeln oder eine Selbstorganisations-Disposition von psychischem

und physischem Handeln. Sie beschreiben innere Vorraussetzungen für die Regulierung

einer Tätigkeit, die von den SchülerInnen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erlernt wurden.

Kompetenzen sind in dieser Definition subjekt- und handlungszentriert und durch die Umset-

zung in die Praxis (also in der Realisierung) messbar.

Eine weitere Beschreibung des Kompetenzbegriffes wurde für den Bereich der Berufs- und

Wirtschaftspädagogik formuliert (Brand, Hofmeister & Tramm, 2005). Im Mittelpunkt steht

nach den Autoren das Ziel des Kompetenzerwerbs für bestimmte, vorrangig berufliche Orien-

tierungs- und Handlungsleistungen. Der Ausgangspunkt für die Entwicklung von Kompeten-

zen sind die Handlungsfelder und beruflichen Problemsituationen. Für die Standardentwick-

lung gilt es zu bestimmen, welches Niveau diese Leistungen erreichen sollen und auf wel-

cher Wissensgrundlage die Leistungen basieren.

Seite 15

4.2.1 Kompetenzbereiche

Zusammengefasst lässt sich der Kompetenzbegriff aufbauend auf Weinert (2001) in vier

Kompetenzaspekte unterteilen: Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Personale Kompetenz. Diese Unterteilung entspricht den Kompetenzaspekten des Eu-

ropäischen Qualifikationsrahmens für Lebensbegleitendes Lernen (EQR). Der Qualifikations-

rahmen umfasst die Bereiche Knowledge, Skills und Personal/Professional Competence.

Die Fachkompetenz beschreibt deklaratives Wissen. Dieses umschließt spezielles Fach-

wissen, Kenntnisse über Fakten, Konzepte, Theorien, Sachverhalte und ähnliches (Achten-

hagen & Baethge, 2005). Auch konzeptuelles Wissen über Zusammenhänge und Prinzipien

wird der Fachkompetenz zugeordnet (Anderson & Krathwohl, 2001). Dieser Kompetenzbe-

reich entspricht dem Aspekt „Knowledge“ im EQR.

Die Methodenkompetenz hingegen meint prozedurales Wissen. Von den SchülerInnen kön-

nen Anwendungsmöglichkeiten erkannt werden und die tatsächliche Umsetzung des Gelern-

ten findet statt (vgl. Preiser, 2003). Zusätzlich wird die Anwendung von grundlegenden Ar-

beitstechniken (z. B. Präsentationstechniken) in Bezug auf einen Sachinhalt zu diesem

Kompetenzbereich gezählt (Preiser, 2003). Ein weiteres Element stellt die Fähigkeit dar, In-

formationen zu beschaffen, analysieren und bewerten, um neues Wissen selbstständig zu

erwerben und zu verarbeiten (vgl. Preiser, 2003). Darüber hinaus werden Fähigkeiten zur

Problemlösung und Entscheidungsfindung der Methodenkompetenz zugeordnet. Auch hier

kann eine Verbindung zu dem Bereich „Skills“ im EQR erstellt werden.

Der Bereich der Sozialkompetenz bezieht sich auf Fähigkeiten der Kommunikation und Ko-

operation, sowie die Interaktion mit anderen. Zur Sozialkompetenz werden Aspekte wie

Teamfähigkeit, Übernahme von Verantwortung, Organisation des gemeinsamen Arbeitens

oder etwa die Einhaltung von Zielvorgaben gezählt.

Die Personale Kompetenz betrifft die eigene Person. Sie dient dazu, das eigene Handeln

zu steuern, z.B. durch Selbstmotivierung und Selbstkontrolle (vgl. Preiser, 2003). Zentrale

Elemente der Personalen Kompetenz sind die Fähigkeiten, Wissensdefizite zu erkennen,

geeignete Lernstrategien auszuwählen und anzuwenden, den eigenen Lernfortschritt zu be-

werten, sich Ziele zu setzen, den Arbeitsaufwand für die Zielerreichung einzuschätzen und

darauf aufbauend die Zeit und den Lernstoff einzuteilen. Die Sozialkompetenz und Personale

Kompetenz stimmen mit der „Personal and Professional Competence“ aus dem EQR über-

ein. Somit entsprechen die vier Kompetenzbereiche dem Konzept auf europäischer Ebene.

Personale und Sozialkompetenz können einen fachgebietsunspezifischen und/oder einen

fachgebietsspezifischen Kern haben.

Seite 16

Der Kompetenzbegriff umfasst mehrere unterschiedliche Komponenten, die für die Problem-

lösefähigkeit notwendig sind. Kompetenz kann demnach nicht über reine Wissensabprüfung

erfasst werden, da Wissen nur einen Teilbereich darstellt und nicht für eine erfolgreiche Be-

rufsausübung ausreicht.

4.2.2 Kompetenzmodelle Für die systematische Darstellung wird für jede Fachrichtung ein Kompetenzmodell entwi-

ckelt. Durch diese fachspezifische Konstruktanalyse besteht die Möglichkeit, unterschiedli-

che Strukturen von Kompetenzmodellen mit unterschiedlichen Dimensionen zu entwickeln.

Kompetenzmodelle stellen eine anschauliche Verknüpfung zwischen Theorie und empiri-

scher Beobachtung dar (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2003). Sie beschreiben Bildungsziele

unter Aspekten der Fachdidaktik und berücksichtigen Theorien zum Wissensaufbau. Sie set-

zen sich aus zwei Dimensionen zusammen:

Inhaltsdimension: Diese enthält unterschiedliche Teildimensionen des Lerngegenstandes,

die während der Schulbildung aufgebaut werden. Der Inhaltsbereich beschreibt worauf sich

die Kompetenz richtet, wie unterschiedliche Fachbereiche, Wissensbereiche oder Themen.

Die einzelnen Ausprägungen auf der Inhaltsachse umfassen die Kernthemen der Ausbildung

und spezifizieren die Teilziele des Ausbildungsleitbildes.

Handlungsdimension: Dieser Aspekt der Kompetenzmodelle beschreibt die zu erbringende

Leistung oder Performanz. Es können unterschiedliche Stufen von Handlungen unterschie-

den werden, welche die Art der Kompetenz bestimmen.

Kompetenzmodelle erfüllen unterschiedliche Funktionen:

• Sie erfassen die Grundstruktur von Kompetenzen.

• Sie bilden die Basis für die Sichtbarmachung von Bildungszielen.

• Kompetenzmodelle sind empirisch überprüfbar.

• Sie berücksichtigen die Entwicklung der Fähigkeiten von SchülerInnen.

• Eine moderne Philosophie und Sichtweise von Gegenständen kann wiedergegeben

werden.

• Schließlich bewirken sie, dass sich der Unterricht an den Lernprozessen und Lerner-

gebnissen orientiert.

Seite 17

4.2.3 Möglichkeiten und Formen von Kompetenzmodellen

4.2.3.1 Kompetenzmodell nach Anderson und Krathwohl (2001)

Aufbauend auf die Taxonomie für Lehrziele von Bloom entwickelten die Autoren eine zwei-

dimensionale Tabelle zur Erfassung von Lernprozessen. Lehrziele implizieren nach Ander-

son und Krathwohl (2001) sowohl Wissen als auch kognitive Prozesse. Daher ist es möglich,

diese Ziele in eine zweidimensionale Tabelle einzuordnen. Die erste Kategorie stellt das

Wissen dar und lässt sich in vier Komponenten aufteilen, nämlich die Bereiche „factual know-

ledge, conceptual knowledge, procedural knowledge und metacognitive knowledge“. Lern-

aufgaben können in eine der vier Wissensbereiche klassifiziert werden und zusätzlich auf der

cognitive process dimension einer von sechs Stufen zugeteilt werden. Diese Stufen umfas-

sen die aufeinander abfolgenden Verarbeitungsschritte remember, understand, apply, analy-

ze, evaluate und create. Remember bedeutet das Aufrufen von relevantem Wissen aus dem

Langzeitgedächtnis. Wenn aus der Information Bedeutung abstrahiert werden kann, erfolgt

die Zuteilung des Lernzieles in den Bereich understand. Apply meint die Anwendung in einer

bestimmten Situation, analyze bedeutet die Unterteilung von Informationen in zugrundelie-

gende Teile und die Bestimmung, wie diese Teile zusammenhängen und sich ergänzen.

Wenn die Teile zu einem sinnvollen Ganzen oder einer neuen Struktur zusammengesetzt

werden können, wird der Vorgang als create bezeichnet.

Aufbauend auf diesem Modell erfolgt die Erstellung einer Matrix für die Bildungsstandards.

Hierbei werden wie bei Anderson und Krathwohl (2001) zwei Dimensionen unterschieden.

Die Inhaltsdimension entspricht der oben beschriebenen Wissensdimension und beinhaltet

unterschiedliche Inhaltsbereiche, die für die Fachrichtung von Bedeutung sind. Die Hand-

lungsdimension beinhaltet fünf der sechs Elemente der cognitive process dimension: Wie-

dergeben, Verstehen, Anwenden, Analysieren und Entwickeln. Diese fünf Stufen beschrei-

ben unterschiedliche Prozesse, die teilweise von den jeweils darunter liegenden Ausprägun-

gen abhängig sind.

Wiedergeben Diese erste Stufe beinhaltet die Wiedergabe von Fachwissen und kann anhand folgender

Verben beschrieben werden: - kennen

- reproduzieren

- angeben

- beschreiben

Beispiel: „… können angeben (wissen), welche Parameter für die Erfolgsabschätzung entscheidend sind.“

Seite 18

Verstehen Diese Kategorie umfasst die Übertragung oder von etwas Gelerntem auf einen bestimmten

Sachverhalt. Dadurch wird ein Vergleich ermöglicht, Zusammenhänge werden erkannt.

- aus Beobachtung erfassen

- systematisch ordnen

- erklären

- charakterisieren

- vergleichen / Instanzen oder Begriffe klassifizieren / zuordnen

- einordnen, darstellen und erläutern

- zusammenfassen

- begründen

- Schlussfolgerungen ziehen

Beispiele:

„Ich kann Hardware-Komponenten und deren Funktion (…) erklären.“

„Ich kann die Auswirkungen von Geschäftsfällen auf Vermögen und Kapitel, Gewinn und

Verlust darstellen und erläutern.“

Anwenden Die Kategorie Anwenden enthält das Abarbeiten von vorgegebenen Schritten. Hierbei ist die

Struktur bereits vorhanden und die Lösung eines Problems kann durch einfachen Transfer

erfolgen. Der zentrale Punkt beschreibt die Nutzung oder Anwendung von gelernten Verfah-

rensweisen.

- messen

- auswerten, ausrechnen

- ausführen, durchführen

- präparieren

- ausführen

- umsetzen

- testen (z.B. von Werkzeugen)

- Präsentationen erstellen

Beispiele:

„Ich kann Software installieren und deinstallieren.“

„Ich kann einen Wert nach der Methode XX ausrechnen.“

Seite 19

Analysieren Unter Analysieren wird verstanden, dass ein gelernter Inhalt neu strukturiert wird, oder eige-

ne Kriterien entwickelt und übertragen werden.

- modellhaft darstellen,

auswerten und darstellen

- interpretieren

- ableiten

- Modelle voneinander abgrenzen

- Prinzipien übertragen

- an einer Theorie orientiert beschreiben

- bewerten, reflektieren, beurteilen

- umgehen mit unvollständiger Information

- entscheiden

- evaluieren

- Fehler suchen

Beispiel:

„Ich kann Unternehmensdaten recherchieren und daraus Erfolgspotenziale identifizieren.“

Entwickeln Die letzte Stufe der Handlungsebene wird als Entwickeln bezeichnet. Dabei ist gemeint, dass

von der Schülerin/dem Schüler eigenständig etwas Neues konzipiert wird, das zur Lösung

eines Problems führt.

- konstruieren - Formeln und Funktionen erstellen

- Untersuchungen / Entwürfe konzipieren - Modelle entwerfen, Prognosen erstellen

- planen - Lösungskonzepte erarbeiten

Beispiel:

„Ich kann (zu einem bestimmten Sachverhalt; z.B. aus der Nutzung eines Planspiels) eine

neue Hypothesen entwickeln und überprüfen.“

Für die Fachrichtungen, die sich mit ihrem Kompetenzmodell an der Struktur von Anderson

und Krathwohl orientieren, wird eine einheitliche Codierung der Deskriptoren vorgeschlagen

(siehe Abbildung 7). Für die Codierung der einzelnen Deskriptoren wird eine alphanumeri-

sche Bezeichnung vorgeschlagen. Die Ausprägungen der Inhaltsdimension werden hierbei

numerisch gekennzeichnet, die Handlungen hingegen alphabetisch bezeichnet (z.B. A3).

Dimension „Handlung“

(A) Wieder-

geben

(B) Ver-

stehen

(C) An-

wenden

(D) Analysieren

und Interpretieren

(E) Entwi-

ckeln

(1) Inhalt 1 D1

(2) Inhalt 2 B2

Dimension

„Inhalt“

Abbildung 7: Matrix der Inhalts- und Handlungsdimension

Seite 20

4.2.3.2 Kompetenzaspekte nach Weinert (2002)

Weinert unterscheidet drei Bereiche von Kompetenzen für den schulischen Bereich: fachli-

che Kompetenz, fachübergreifende Kompetenz und Handlungskompetenz. Betrachtet man

die Handlungsanforderungen im Bildungsbereich, also die möglichen Situationen mit wel-

chen SchülerInnen konfrontiert werden, ergibt sich die folgende Zuordnung. Die Fachkompe-

tenz umfasst die Leistungsvoraussetzung für kognitive Elemente wie Kenntnisse, Fakten und

Wissensstrukturen. Die fachübergreifende Kompetenz beinhaltet Problemlöse- und Teamfä-

higkeiten, wo eine Vernetzung von Fertigkeiten verlangt wird. Die Handlungskompetenz da-

gegen inkludiert auch andere Elemente wie soziale, motivationale, volitionale oder morali-

sche Komponenten. Die Handlungskompetenz ermöglicht es, dass erworbene Kenntnisse in

unterschiedlichen Lebenssituationen erfolgreich doch gleichzeitig auch verantwortlich ge-

nutzt werden.

4.2.3.3 Kompetenzen nach dem gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Spra-chen (GERS)

Im Zuge der Entwicklung eines europäischen Qualitätsrahmens (EQR) wurde im Sprachen-

bereich ein Referenzrahmen formuliert. Die Erarbeitung des Referenzrahmens wurde vom

Europarat beauftragt und von einer internationalen Expertenkommission durchgeführt. Der

Referenzrahmen beschreibt umfassend alle essentiellen Kompetenzen für kommunikatives

Handeln in einer Fremdsprache und stellt ein weit entwickeltes Kompetenzmodell dar. Diese

Kompetenzen werden in Kompetenzstufen gegliedert, um Lernfortschritte adäquat abbilden

zu können. Das Modell dient europaweit im Sprachenbereich als Basis für die Weiterentwick-

lung des Sprachunterrichts. Ein Vorteil der Orientierung am GERS besteht in der internatio-

nalen Kompatibilität und Vergleichbarkeit.

Das Modell beschreibt mehrere grundlegende Bereiche. Die Allgemeine Kompetenz (diese

ist nicht sprachbezogen) beinhaltet deklaratives Wissen, prozedurales Wissen, persönlich-

keitsbezogene Kompetenz und Lernfähigkeit. Der zweite Bereich der Kommunikativen Sprachkompetenz umfasst linguistische, soziolinguistische sowie pragmatische Kompeten-

zen. Schließlich beschreibt die Kommunikative Sprachaktivität vier essentielle Kompe-

tenzaspekte im Handlungsbereich: Rezeption, Produktion, Interaktion und Sprachmittlung.

Sie werden umgesetzt in den Fähigkeiten Hörverstehen, mündliche Ausdrucksfähigkeit, Le-

severstehen und schriftliche Ausdrucksfähigkeit. Anhand von Deskriptoren werden sechs

unterschiedliche Niveaustufen formuliert. Diese Stufen geben den individuellen Lernfort-

schritt wieder.

Seite 21

4.3 Deskriptoren

Die Kompetenzen müssen für die Umsetzung in den Lehrplan detailliert beschrieben werden.

Sie werden folglich von den Deskriptoren umfassend abgebildet und konkretisieren die Bil-

dungsziele der Schulen. Sie erfassen erwünschte Leistungen der SchülerInnen in unter-

schiedlichen Inhaltsbereichen bezogen auf die Performanz. Die Formulierung der Deskripto-

ren hilft dabei, die Perspektive der SchülerInnen zu betonen und erlaubt eine höhere Lesbar-

keit für SchülerInnen, LehrerInnen sowie Eltern. Bei der Erstellung der Deskriptoren ist zu

bedenken, dass nicht nur elektronisch testbare Kriterien, sondern alle erwünschten Fähigkei-

ten bei Schulabschluss berücksichtigt werden.

Die Deskriptoren bauen auf das jeweilige Kompetenzmodell auf. Bei einem Modell in Anleh-

nung an Anderson und Krathwohl (2001) werden die Deskriptoren den Feldern der Matrix

zugeordnet: Die Zeilen der Matrix enthalten die einzelnen Inhalte des Kompetenzmodells.

Die unterschiedlichen Ausprägungen der Handlung werden in den Spalten verdeutlicht.

Durch die Kombination der beiden Dimensionen und ihrer Ausprägungen ergeben sich meh-

rere Schnittpunkte in der Matrix. Diese Schnittpunkte werden durch Deskriptoren beschrie-

ben (siehe Abbildung 4). Es muss allerdings nicht jede mögliche Kombination von Inhalten

und Handlungen durch Deskriptoren erfasst werden, da manche Kombinationen für einen

Gegenstandsbereich beispielsweise von geringerer Bedeutung sind (manche Felder bleiben

leer). Andererseits kann ein Deskriptor auch mehrere Kategorien auf der Handlungs- oder

Inhaltsdimension ansprechen und somit über mehrere Schnittpunkte reichen.

Die Anzahl der Deskriptoren sollte unter 150 liegen, da sie dazu dienen, die Kernbereiche

der Ausbildung zu beschreiben und nicht den detaillierten Lehrplan wiederzugeben.

Beispiele für Deskriptoren:

• 17) …kann Texte mit unterschiedlicher Intention verfassen und die jeweils spezifischen

Textmerkmale gezielt einsetzen (Arbeitsgruppe Deutsch)

• Verfügt über einen großen Wortschatz in seinem Sachgebiet und in den meisten allgemei-

nen Themenbereichen. Kann Formulierungen variieren, um häufige Wiederholungen zu

vermeiden; Lücken im Wortschatz können dennoch zu Zögern und Umschreibungen füh-

ren. (Arbeitsgruppe Englisch, Niveau B2, A.1. Lexikalische Kompetenz)

Seite 22

4.4 Prototypische Beispiele (für den Unterricht)

Prototypische Beispiele dienen dazu, das Kompetenzmodell zu illustrieren und die Deskripto-

ren abzubilden. Sie sollten (wenn möglich) alle Deskriptoren abdecken und eindeutig zu ih-

nen zuordenbar sein (sie enthalten eine Beschreibung der betreffenden Deskriptoren).

Bei der Entwicklung der ersten prototypischen Beispiele (für den Unterricht) ist darauf zu

achten, dass sie nicht auf elektronisch messbare/testbare Beispiele eingeschränkt werden.

Sie umfassen demnach auch offene Antwortformate. LehrerInnen sollen damit besser ab-

schätzen können, welche Standards im Unterricht vermittelt werden sollen, bzw. welche

Leistungen von SchülerInnen zu erbringen sind. Sie dienen der Orientierung von SchülerIn-

nen sowie den Eltern. Anhand dieser ersten prototypischen Beispiele kann das Konzept der

Bildungsstandards besser verstanden werden und die eigene Leistung eingeordnet werden.

Sie dienen den LehrerInnen ebenfalls als Vorlage für die Erstellung von eigenen Beispielen,

die den Standards entsprechen.

Alle weiteren prototypischen Beispiele (für den Unterricht) sollen alle benötigten Informa-

tionen zur sofortigen Anwendung inkludieren (z.B. nicht auf ein bestimmtes Lehrbuch ver-

weisen) und einen ausreichend großen Beispielpool darstellen. Sie stellen in sich geschlos-

sene Aufgaben dar, die in den Unterricht eingebaut werden können. Jedes Beispiel wird

durch ein Formblatt erfasst (siehe Darstellung der prototypischen Beispiele). Beispiele kön-

nen in ihrer Bearbeitungsdauer variieren und die Länge einer Schulstunde übertreffen. Auch

ist es möglich, dass sich ein Beispiel auf mehr als ein Fachgebiet bezieht und somit die ü-

bergreifende Lehre sowie interdisziplinäres Lernen forciert.

4.5 Kriterien für die Erstellung von prototypischen Beispielen (für den Unter-richt)

• Die prototypischen Beispiele (für den Unterricht) beziehen sich auf den Lehrplan und so-

mit auf die Ziele bzw. das Kompetenzmodell der Ausbildung (langfristige Kompetenzen).

• Die Beispiele fokussieren auf (kognitive) Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Lösung von

beruflich relevanten Problemen benötigt werden.

• Sie sind berufsspezifisch angelegt und daher praxisnah. Die Beispiele sollen repräsenta-

tiv für die spätere Berufsausübung sein.

• Sie sollen die Breite von beruflich relevanten Leistungssituationen abdecken.

• Durch interessante Aufgaben erhöht sich die Motivation zur Bearbeitung.

• Die Beispiele sollten sofort im Unterricht einsetzbar sein.

Seite 23

Weitere Prinzipien der Beispielentwicklung (Kempfert & Rolff, 2005)

• Die prototypischen Beispiele (für den Unterricht) sollen auf Domänen und Anforderun-

gen bezogen werden, die in den geltenden Lehrplänen formuliert sind,

• sie sollen unterrichtsnah sein, d.h., sie sollen in Formaten gestellt werden, die fachdi-

daktischen Ansprüchen und nach Expertenurteil dem sog. Implementierten Curriculum

genügen bzw. entsprechen,

• zu den prototypischen Beispielen (für den Unterricht) selbst sollen jeweils Anforde-

rungsprofile formuliert werden, welche die zur Lösung notwendigen Fähigkeiten der

Übungsbeispiele definieren; weiters sollen eindeutige Lösungen oder Lösungsvor-

schläge (ein Erwartungshorizont) erstellt werden, denen die SchülerInnen bei der rich-

tigen Beantwortung der Aufgabe gerecht werden müssen,

• sie sollen von Lehrkräften vor Ort auswertbar sein.

Prototypische Beispiele (für den Unterricht) können folglich in einigen Punkten variieren:

• Unterschiedliche Beispieltypen

• Aufbau der Beispiele: unabhängige Einzelaufgabe versus mehrstufige Aufgabenstel-

lungen

• Maximale Bearbeitungsdauer

• Verwendete Hilfsmittel

Seite 24

4.6 Mögliche Darstellung der prototypischen Beispiele (für den Unterricht) Für eine eindeutig mögliche Zuteilung zu den Deskriptoren sowie eine erleichterte Anwen-

dung der prototypischen Beispiele (für den Unterricht), sollte für jedes ein vollständiges

Formblatt oder ein Beschreibungsschema ausgefüllt werden. Dieses Schema enthält einige

wichtige Kriterien für die Durchführung. Einzelne Punkte betreffen nicht alle Fachgebiete

gleichermaßen (z.B. Komplexität).

Titel der Aufgabe Der Titel des Unterrichtsbeispiels weist auf den Inhalt beziehungs-weise auf das Themengebiet hin und hilft bei der Zuordnung.

Erstellt von/ ausge-wählt von

Name der Person, die das Unterrichtsbeispiel zur Verfügung gestellt hat.

Quelle Hier werden Angaben zur Originalliteratur angegeben.

Themenbereich(e)/ Inhalte

Hier wird die Zuteilung des Beispiels zu einem oder mehreren Inhal-ten vorgenommen, die entsprechend den Bildungsstandards rele-vant sind.

Codierung

Es wird vorgeschlagen, die betroffenen Inhalte und Handlungen alphanumerisch zu codieren, um Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Anschließend erfolgt die Nummerierung der Übungsbeispiele sowie bei Bedarf die Angabe der Komplexitätsstufe (nur bei bestimmten Fachgebieten).

Deskriptoren Die prototypischen Beispiele (für den Unterricht) sollen eindeutig zu einem oder mehreren Deskriptoren zuordenbar sein. Somit wird eindeutig ersichtlich, ob alle Deskriptoren anhand von Beispielen illustriert werden.

Zeitbedarf Der Zeitbedarf gibt Auskunft darüber, wie lange die SchülerInnen für die Bearbeitung des Übungsbeispieles voraussichtlich benötigen.

Material- und Me-dienbedarf

Dieser Punkt beinhaltet Hilfsmittel, die für die Bearbeitung der Auf-gabe verwendet werden müssen (z.B. CD-Player)

Aufgabenstellung Die Aufgabenstellung enthält die Angaben für die SchülerInnen.

Erwartungshorizont/ Lösungsvorschlag

Es soll für SchülerInnen und LehrerInnen eindeutig und somit trans-parent sein, welche Elemente die Beantwortung für eine korrekte Lösung der Aufgabe beinhalten muss. Bei eindeutigen Lösungen kann die korrekte Beantwortung eingefügt werden. Wenn das Ü-bungsbeispiel eine offene Antwort erfordert, werden essentielle Kri-terien benannt, die von den SchülerInnen zu erfüllen sind.

Seite 25

4.7 Pilotierung Sie beschreibt die Phase der Implementierung und Prüfung von prototypischen Beispielen

(für den Unterricht) an ausgewählten Schulen. Die Pilotierung wird durchgeführt, um eine

hohe Qualität und Verständlichkeit der prototypischen Beispiele (für den Unterricht) und pro-

totypischen Beispiele gewährleisten zu können. Die Beispiele werden an ca. 20 ausgewähl-

ten Pilotschulen den SchülerInnen vorgelegt und anschließend einer Revision unterzogen.

Es müssen einige Teilschritte in diesem Prozess beachtet werden.

• Erstellung eines Handbuchs

• Erstellung von Feedbackbögen für die Vorgabe der prototypischen Beispiele (für den

Unterricht)

• Auswahl der Pilotschulen

• Aspekte der Öffentlichkeitsarbeit und Schulungen

• Durchführung mit Monitoring

• Auswertung der Feedbackbögen

• Revision der prototypischen Beispiele (für den Unterricht) anhand der Auswertungen

• Überarbeitung des Handbuchs

4.7.1 Ziel der Pilotierung In der Phase der Pilotierung werden die prototypischen Beispiele (für den Unterricht) an 20

Pilotschulen vorgelegt. Somit werden sie erstmals von LehrerInnen erprobt, die nicht an der

Entwicklung in den Arbeitsgruppen beteiligt waren. Durch die breitere Vorgabe von prototypi-

schen Beispielen (für den Unterricht) an SchülerInnen unterschiedlicher Klassen und Schu-

len wird ihre Eignung untersucht. Fehler in der Formulierung oder bezüglich der Aufgaben-

schwierigkeit können entdeckt werden. Das Ziel der Pilotierung ist demnach die Verbesse-

rung, Revision und Selektion der prototypischen Beispiele (für den Unterricht) und die darauf

folgende Erstellung der Unterrichtsbeispielsammlungen.

4.7.2 Vor der Durchführung - Fächer, welche eine erste Pilotierung durchführen: Naturwissenschaften und Wirtschaft

- Auswahl der Übungsbeispiele, die getestet werden sollen.

- Auswahl der Schulen, an welchen die Vorgabe erfolgt.

- Schulung der Arbeitsgruppenmitglieder, die als Multiplikatoren fungieren und die Lehre-

rInnen an den ausgewählten Schulen über die Pilotierung informieren.

- Es muss demnach gewährleistet werden, dass genügend Information für die Lehrperso-

nen vorhanden ist für die positive Durchführung (gute Instruktion).

Seite 26

- Entwicklung der Feedbackfragebögen für die Pilotierung.

4.7.3 Feedbackfragebögen - Es werden zwei unterschiedliche Feedbackformulare entwickelt: für SchülerInnen und

LehrerInnen.

- Das Antwortformat der Feedbackfragebögen enthält Ratingitems für die SchülerInnen

und teilweise offene Fragen für die LehrerInnen.

- Die Fragebögen werden für jedes durchgeführte Unterrichtsbeispiel an SchülerInnen und

LehrerInnen vorgegeben.

4.7.4 Während der Durchführung: - Die Anonymität der SchülerInnen für die Feedbackformulare muss gewährleistet sein

(Code).

- Die Vorgabe der prototypischen Beispiele (für den Unterricht) erfolgt im Unterricht durch

die LehrerInnen.

- Nach der Durchführung des Unterrichtsbeispiels wird von allen SchülerInnen und der

betreffenden Lehrkraft ein Feedbackfragebogen ausgefüllt. Diese Fragebögen sind sub-

jektive Wahrnehmungen und helfen dabei die prototypischen Beispiele (für den Unter-

richt) zu verbessern.

- Die Feedbackformulare werden in einem Kuvert gesammelt (Anonymität).

4.7.5 Revision - Die Auswertung der Feedbackfragebögen dient als Hilfestellung zur Optimierung der pro-

totypischen Beispiele (für den Unterricht).

- Anschließend an die Pilotierung erfolgt anhand der Feedbackfragebögen die Revision

der prototypischen Beispiele (für den Unterricht) in der Arbeitsgruppe.

- Anpassung der Aufgabenformulierungen

- Anpassung der Schwierigkeit

- Zeitangaben erstellen/ korrigieren

4.8 Interrater-Reliabilität

Bei der Zuordnung von prototypischen Beispielen (für den Unterricht) zu den Deskriptoren in

der Vorpilotierungsphase sollte gewährleistet werden, dass verschiedene Personen zu ei-

nem einheitlichen Ergebnis kommen. Um dieses Kriterium zu erfüllen wird die Interrater-

Reliabilität bestimmt. Sie gibt an, wie stark die Übereinstimmung der Einschätzungsergeb-

nisse von unterschiedlichen Beobachtern oder Ratern ist. Somit gibt die Interrater-Reliabilität

Seite 27

Auskunft darüber, inwiefern die Zuteilung von den Ratern unabhängig ist. Mehrere Rater

ordnen unabhängig voneinander die prototypischen Beispiele (für den Unterricht) den De-

skriptoren zu und bestimmen die prozentuelle Übereinstimmung, welche einen Wert von 90

Prozent erreichen sollte.

4.9 Testitems Testitems sind die Grundbausteine eines Tests. Diese Einheiten liegen in Form von Einzel-

aufgaben oder Einzelfragen vor und sollen messen, ob die Leistungen der SchülerInnen dem

Standard in einem Fach entsprechen.

Anhand einer Item-Analyse werden bestimmte Kennwerte untersucht. Diese geben Auf-

schluss darüber, welche Items für eine Testkonstruktion ausgewählt werden sollten, um die

Reliablität und die Validität des Tests zu optimieren. Für die Item-Analyse müssen die Auf-

gaben einer Analysestichprobe vorgelegt werden.

Aufgrund ökonomischer Überlegungen sind die Testitems vorzugsweise online bearbeitbar

und automatisiert auswertbar. Für diese Art der Darbietung bieten sich spezifische Antwort-

formate an, die als gebundene Antwortformate bezeichnet werden. Bei dieser Art der Beant-

wortung werden festgelegte Antwortalternativen vorgegeben. Es können demnach von den

SchülerInnen keine freien Antworten formuliert werden. Die elektronisch auswertbaren Testi-

tems beinhalten vier unterschiedliche Aufgabentypen mit gebundenen Antwortformaten:

Zweifachwahlaufgaben, Mehrfachwahlaufgaben (Multiple-Choice-Aufgaben), Zuordnungs-

aufgaben und Umordnungsaufgaben.

• Bei der Zweifachwahlaufgabe gibt es zwei Antwortalternativen, die meistens als Zu-

stimmung oder Ablehnung formuliert sind (ja – nein; trifft zu – trifft nicht zu).

• Die Mehrfachwahlaufgaben hingegen verfügen meistens über 4 bis 5 Antwortalter-

nativen. Neben einer oder mehrerer korrekten Antworten müssen gute Distraktoren

formuliert werden. Sie eignen sich zum Abrufen von Wissen sowie zur Prüfung von

Problemlösestrategien. Es muss beispielsweise ein gedankliches Experiment durch-

geführt werden. (Siehe Beispiel A1.2-2 aus den Standards für Mathematik, Sektion I)

A1.2-2 (B2.9-5; Niveau III): Karl hat 5 Euro weniger als Max, und Ralph hat dreimal so viel Euro als Karl. Welcher der folgenden Ausdrücke gibt die Anzahl der Euro von Ralph an, wenn Max n Euro hat.

5 – 3n 3n 3n – 5 3(n – 5)

Seite 28

• Bei Zuordnungsaufgaben müssen bestimmte Zeichen oder Inhalte anderen Zeichen

oder Inhalten zugeordnet werden.

• Die Umordnungsaufgabe enthält mehrere Fragmente, die nach ihrer Reihenfolge zu

sortieren sind.

Die Vorteile der gebundenen Antwortformate sind eine kurze Bearbeitungsdauer, die öko-

nomische Durchführung und Auswertung sowie eine hohe Verständlichkeit der Items. Zu den

Nachteilen zählt, dass die geringe Möglichkeit besteht, die korrekte Antwort durch erraten zu

wählen. Auch ist die Erstellung von guten Distraktoren aufwendig.

4.10 Testung (Diskussionsstand: Dezember 2006) In der psychologischen Diagnostik wird der Begriff Test beschrieben als wissenschaftliches

Verfahren, das der Untersuchung von einem oder mehreren empirisch abgrenzbaren Merk-

malen einer Person dient. Das Ziel ist die korrekte Erfassung der Merkmalsausprägung.

Tests unterliegen standardisierten Vorschriften für die Durchführung, Auswertung und Inter-

pretation. Beispiele für solche Tests sind TIMSS oder PISA.

Bezogen auf die Schule werden Tests aus unterschiedlichen Gründen entwickelt und betref-

fen unterschiedliche Ebenen. Es werden zum Beispiel Kompetenzmodelle empirisch über-

prüft oder Bildungssysteme verglichen. Auch werden sie zur Evaluation von Schulen oder

zur Einzelfalldiagnostik herangezogen.

Jeder Test muss drei Hauptgütekriterien erfüllen (Bortz & Döring, 1995):

• Objektivität: Die Untersuchungsergebnisse müssen unabhängig sein von der Person,

die die Testung durchführt (Unterteilung in Durchführungsobjektivität, Auswertungs-

objektivität und Interpretationsobjektivität).

• Reliabilität: Ein Test muss genau und zuverlässig sein, um die interessierenden As-

pekte korrekt zu erfassen (z.B. Retestreliabilität, Interne Konsistenz).

• Validität: Dieses Kriterium betrifft die Gültigkeit eines Tests. Es sagt aus, ob ein Test

das misst, was er messen soll (Unterteilung in Inhaltsvalidität, Kriteriumsvalidität und

Konstruktvalidität).

Seite 29

Zusätzlich sollten Nebengütekriterien bedacht werden:

• Ökonomie: Der Test sollte in der Durchführung ökonomisch sein. Daher werden weit-

gehend gebundene Aufgabenformate herangezogen.

• Testfairness: Die durchführenden SchülerInnen sollten mit den Arten der Testaufga-

ben vertraut sein und somit das Ausfüllen der Fragen kein Problem darstellen.

• Nützlichkeit: Ein Test gilt als nützlich, wenn ein praktisches Bedürfnis für die Messung

des betreffenden Konstrukts besteht (Bühner, 2004). Die Aufgaben sollten sich also

konkret auf das Kompetenzmodell beziehen.

Verschiedene Testtheorien und dazugehörige Rechenmodelle können für die Testkonstrukti-

on verwendet werden (z.B. klassische Testtheorie, probabilistische Testtheorie).

Im Bereich der Bildungsstandards dienen Tests der Erfassung von Kompetenzausprägungen

und können unterschiedliche Aufgabenformate beinhalten. Neben Tests, die aus online be-

arbeitbaren und automatisiert auswertbaren Items (z.B. Multiple-Choice-Aufgaben zur Mes-

sung von Fachkompetenz/ Methodenkompetenz) gebildet werden, können in der Folge auch

aufwendigere Testverfahren entwickelt und eingesetzt werden (z.B. Erstellen von Werkstü-

cken, Produktion von sprachlichen Äußerungen, Assessment-Center für die Beurteilung so-

zialer Kompetenzen). In der ersten Phase der Testentwicklung sind allerdings ausschließlich

Formate für die Online-Testung vorgesehen.

Seite 30

5 Quellenverzeichnis

Achtenhagen, F. & Baethge, M. (2005). Kompetenzentwicklung unter einer internationalen

Perspektive – makro- und mikrostrukturelle Aspekte. In P. Gonon, R. Klauser, R. Nickolaus &

R. Huisinga (Hrsg.), Kompetenz, Kognition und neue Konzepte der beruflichen Bildung. (S.

25-54). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Anderson, L.W. & Krathwohl, D.R. (2001). A taxonomy of learning, teaching, and assessing:

a revision of Bloom’s taxonomy of educational objectives. New York: Addison Wesley Long-

man Inc.

Bortz, J. & Döring, N. (1995). Forschungsmethoden und Evaluation für Sozialwissenschaftler

(2. Aufl.). Heidelberg: Springer.

Brand, W., Hofmeister, W. & Tramm, T. (2005). Auf dem Weg zu einem Kompetenzstufen-

modell für die berufliche Bildung – Erfahrungen aus dem Projekt ULME. In: bwp@ Nr. 8.

URL: http://www.bwpat.de.

Bühner, M. (2004). Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion. München: Pearson

Studium.

Commission of the European communities (2005). Towards a European qualifications

framework for lifelong learning. Commission staff working document. URL:

http://ec.europa.eu/education/policies/educ/eqf/index_en.html.

Erpenbeck, J. & von Rosenstiel, L. (2003). Einführung. In J. Erpenbeck & L. von Rosenstiel

(Hrsg.), Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompeten-

zen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. (S.IX-XL). Stuttgart:

Schäffer-Poeschel Verlag.

Lackner, J. & Timischl, W. (2006). Projekt Bildungsstandards der Sektion II, Grundsatzpa-

pier. Unveröffentlichter Bericht des BMBWK, Sektion II.

Language Policy Division (2003). Relating Language Examinations to the Common Euro-

pean Framework of Reference for Languages: Learning, Teaching, Assessment (CEF). Ma-

nual, Preliminary Pilot Version. Strasbourg

Seite 31

Preiser, S. (2003). Pädagogische Psychologie, Psychologische Grundlagen von Erziehung

und Unterricht. Weinheim: Juventa Verlag.

Weinert, F.E. (2001). Concept of competence: A conceptual clarification. In D.S. Rychen &

L.H. Salganik (Hrsg.), Defining and selecting key competencies (S. 45-65). Göttingen:

Hofgrefe & Huber.

Weinert, F.E. (2002). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene

Selbstverständlichkeit. In Weinert (Hrsg.), Leistungsmessung in Schulen (2. Aufl. S. 17-31).

Weinheim: Basel.

Standards für Mathematik am Ende der Sekundarstufe I, Version 2.1. (2003). Unveröffent-

lichter Bericht des BMBWK, Sektion I, Abteilung I/5.