Bildungspartnerschaften – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 ... · – Erfahrungen und Ergebnisse...

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit 3. Newsletter zum Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“ Juni 2011

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit3. Newsletter zum Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“

Juni 2011

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Impressum

Herausgeber: Marie Meierhofer Institut für das Kind

Redaktion: Corina Wustmann Seiler, Franziska Koitzsch

Layout/Gestaltung: Claudius Natsch

Fotos: Kinderkrippe Sonnenschein Zürich,

Kinderkrippe der Heilsarmee Zürich,

Kindertagesstätte Eichhörnli Luzern,

Kindertagesstätte der Universität Bern

Umschlagzeichnungen: Nina Wehrle und Evelyne Laube von itsrainingelephants

Beratung: Heidi Simoni

© 2011 Marie Meierhofer Institut für das Kind

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3Newsletter Juni 2011

Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Januar 2011 haben sich ebenfalls die Kontrollkitas auf diesen Weg gemacht. Bis Anfang 2013 werden sie dabei vom MMI mit Weiterbildungen und Coachings vor Ort begleitet. Im Institut sind wir zurzeit intensiv damit beschäftigt, die bisherigen Erfahrungen mit der Implementierung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Schwei-zer Praxis aufzubereiten und für weitere interessierte Kitas und Fachpersonen, die sich mit frühkindlicher Bil-dung beschäftigen, nutzbar zu machen. Bereits jetzt gibt es weitere Gemeinden und Träger, die mithilfe der „Bildungs- und Lerngeschichten“ die Entwicklung der pädagogischen Qualität in ihren Kitas voranbringen wol-len.Ausserdem sind wir daran, Schritt für Schritt die gesam-melten Forschungsdaten auszuwerten. Gerne werden wir zu gegebener Zeit über die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse informieren.Das bisher und zukünftig Erreichte wurde und wird dank der Neugier, der Kreativität und dem grossen Engage-ment aller direkt und indirekt am Projekt Beteiligten möglich. Dafür möchte ich den vielen Kindern, Müttern, Vätern und Erzieherinnen, den wenigen Erziehern, den Kita-Leitungen und den Kita-Trägern, dem MMI-Pro-jektteam und der Projektleiterin sowie den Stiftungen und dem Schweizerischen Nationalfonds, welche das Projekt finanziell ermöglicht und ideell mitgetragen ha-ben, von Herzen danken!

Heidi Simoni

Leiterin Marie Meierhofer Institut für das Kind

Bildungspartnerschaften ... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Geschätzte am Projekt Beteiligte und Interessierte

Editorial

Was sind Bildungspartnerschaften? Eine Bildungspartnerschaft beinhaltet eine gut funktionie-rende Zusammenarbeit unter Personen oder Institutionen mit dem Ziel, die Bildungsprozesse und Bildungswege „ihrer“ Kinder zu unterstützen. Die beteiligten Erwach-senen tragen dafür die Verantwortung entsprechend ihrer Rollen und Möglichkeiten partnerschaftlich. Eltern er-kennen, dass die Kita ihrem jungen Kind viel Wichtiges und Spannendes ermöglichen kann. Die Erzieherinnen und Erzieher der Kita wissen ihrerseits, dass Kinder fürs Erkunden der Welt ein Zuhause und die liebevolle Auf-merksamkeit ihrer Eltern brauchen. Im Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Früh-bereich“ ist durch die Zusammenarbeit zwischen den Kita-Teams und dem Projektteam des MMI eine erwei-terte Bildungspartnerschaft entstanden. Wir wünschen uns natürlich, dass auch dieser partnerschaftliche Aus-tausch über frühkindliche Bildungsprozesse direkt den Kindern zugute kommt. Ganz sicher sind wir bereits jetzt, dass er unsere eigene Weiterentwicklung angeregt und bereichert hat.Die ersten zwei Jahre des Projekts „Bildungs- und Resi-lienzförderung im Frühbereich“, auf die wir inzwischen zurückblicken können, beinhalteten die Implementierung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Hälfte der Projektkitas sowie das Sammeln von Daten für die an das Praxisprojekt angegliederten wissenschaftlichen Teilstu-dien. Mittels verschiedener Beobachtungen, Fragebögen und Interviews haben wir in den Kitas und teilweise bei den Familien und Kindern zu Hause verschiedene Infor-mationen zum Kita-Alltag, zu den betreuten Kindern und eben zur Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwi-schen Kita und Elternhaus zusammengetragen. Die Pionierphase ist damit abgeschlossen. Das Projekt geht aber weiter! Wir freuen uns ausserordentlich, dass alle 12 Kitas in ih-rer pädagogischen Arbeit den Ansatz der „Bildungs- und Lerngeschichten“ weiter nutzen und vertiefen wollen. Ab

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

4 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

Inhalt

Editorial .............................................................................................................................................................................. 1

Grusswort: Eine Erfolgsgeschichte geht zu Ende – und weiter! .................................................................... 3

Grusswort: Worte und Bilder geben ........................................................................................................................ 3

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Kita und Eltern – Was bedeutet das? ................... 4

„Bildungs- und Lerngeschichten“ als Brücke zu einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Kita und Eltern: Wie sieht das aus? – Das Implementierungsteam berichtet ....................... 6

„Bildungs- und Lerngeschichten“ und Eltern – wie umsetzen? Fachkräfte berichten .......................... 9

„Bildungs- und Lerngeschichten“ im Übergang von der Kita in den Kindergarten – wie umsetzen? Eine Kitaleitung berichtet ...........................................................................................................10

Stimmen aus der Praxis: Wie läuft die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ aus Sicht der Kitas? Fünf Kitaleitungen und Teams berichten .....................................................................11

Was haben wir erreicht – wie geht es weiter? Im Dialog mit zwei Kitaleitungen .................................16

Stimmen aus der Praxis: Wie läuft die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der 2. Implementierungsphase ab 2011? Zwei Kitaleitungen berichten ............................................19

Analysen zur Praxisimplementierung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ – Erste Ergebnisse zu den Umsetzungsprozessen in den Kitas ......................................................................22

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft? Wie Kitamitarbeitende und Eltern ihre Zusammenarbeit erleben – Erste Ergebnisse aus den Befragungen ........................................................26

Ausblick ............................................................................................................................................................................31

Bildungspartnerschaft zwischen Forschung und Praxis – Eine Danksagung ........................................32

Weiterführende Literaturhinweise .........................................................................................................................33

„Praxis berät Praxis“: Für Hospitationen und Nachfragen – Einrichtungen mit„Bildungs- und Lerngeschichten“ als Konsultationskitas .............................................................................33

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Nach zwei Jahren Laufzeit geht das Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“ im Juli zu Ende. Das Projekt zur Förderung und Professionalisierung frühkindlicher Bildung in Schweizer Kindertageseinrich-tungen kann man mit Fug und Recht als grossen Erfolg bezeichnen, auf den alle Beteiligten stolz sein dürfen!Hauptziel aus Sicht der Jacobs Foundation war es, in diesem Projekt Erkenntnisse zu erlangen über die Wirkung systematischer Bildungsbeobachtung und -do-kumentation auf verschiedenen Ebenen pädagogischer Arbeit in Kindertageseinrichtungen sowie bei den Kin-dern selbst. Erkenntnisse lassen sich im Bereich der Wirkungsforschung jedoch nur belegen, wenn man eine „Interventionsgruppe“ und eine „Kontrollgrup-pe“ vergleicht – in diesem Fall also eine Gruppe von Kindertagesstätten, die mit den „Bildungs- und Lern-geschichten“ gearbeitet hat und eine Gruppe, die ohne dieses Instrument auskommen musste. Mit Abschluss der Implementierung in den 12 Kindertagesstätten der Interventionsgruppe im Dezember 2010 zeigten sich be-reits die grosse Akzeptanz und der Erfolg. Es ist deshalb nur logisch, dass die beiden Hauptförderer, die Stiftung Mercator Schweiz und die Jacobs Foundation, nochmals mehr als 100‘000 CHF zur Verfügung gestellt haben, da-

mit die „Bildungs- und Lerngeschichten“ auch in den 13 „Warte-Kindertagesstätten“ implementiert werden kön-nen. Wissenschaftliche Erkenntnis ist nicht alles. Es muss uns allen darum gehen, einen nachhaltigen Beitrag zur positiven Entwicklung von Kindern zu leisten, die Pro-fessionalisierung von Fachkräften und den öffentlichen Diskurs über Bildungskonzepte im Frühbereich in der Schweiz voranzutreiben. Diesen Aufgaben ist – gerade im Frühbereich! – keine Institution allein gewachsen: Wir sind auf vielfältige Partnerschaften, auf Bildungs-partnerschaften auf allen Ebenen angewiesen. Die Jacobs Foundation wird sich daher in den kommenden Jahren verstärkt der systematischen Vernetzung der Akteure rund um vorschulische, schulische und ausserschulische Bildung widmen und lanciert in Zusammenarbeit mit in-teressierten Kantonen ein Förderprogramm zum Aufbau von lokalen Bildungslandschaften. Aus dem Projekt „Bil-dungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“ nehmen wir als wichtige Erkenntnis mit, dass gerade im Bil-dungsbereich wirklich etwas bewegt werden kann, wenn Forschung und Praxis eine echte Partnerschaft eingehen.

Grusswort: Eine Erfolgsgeschichte geht zu Ende – und weiter! Simon Sommer, Jacobs Foundation

Grusswort: Worte und Bilder geben Nadine Felix, Stiftung Mercator Schweiz

Dieses Heft ist dem Thema der „Bildungspartnerschaf-ten“ gewidmet. In erster Linie sind damit im Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“ die Partnerschaften zwischen Eltern und Kitas und das Zu-sammenspiel von Forschung und Praxis gemeint. Das Konzept der Bildungspartnerschaft lässt sich aber ge-nauso gut auf unsere Beziehung als fördernde Stiftung mit unseren Projektpartnern – in diesem Projekt mit dem Marie Meierhofer Institut für das Kind – anwenden: Un-sere Förderpartnerschaften sind Bildungspartnerschaften, weil wir uns zusammen mit unseren Partnern für besse-re Bildungschancen einsetzen. In all unseren Projekten möchten wir Rahmenbedingungen für Eigeninitiative schaffen und den Mut zur Innovation fördern.

Bildungspartnerschaft lässt sich aber auch so verste-hen, dass wir als Stiftung von jedem Projekt, das wir fördern, etwas über die Gelingensbedingungen für An-schlussprojekte lernen. Mit jedem Projekt erhält ein Förderthema zudem eine lebendige Geschichte. Das Pro-jekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“ ist dafür ein besonders gutes Beispiel. Anhand der in diesem Projekt erprobten Methode der „Bildungs- und Lerngeschichten“ lässt sich wie in kaum einem anderen Projekt im Frühbereich illustrieren, worum es uns in un-serer Förderung der frühkindlichen Bildung geht: darum, dass Kinder in ihren ureigenen Bildungsprozessen – in ihren je individuellen Begabungen – gezielt unterstützt werden. Dies setzt voraus, dass man genau beobachtet,

„Ich finde, das Bild vom Kind ist anders geworden. Man schaut anders hin.“ (Kitaleitung)

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

6 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

was die Kinder zu lernen bereit sind. Das sichtbare Re-sultat dieser liebe- und respektvollen Zuwendung sind die Lerngeschichten. Wir sind beeindruckt vom Engagement, mit dem sich die am Projekt beteiligten Kitas auf ein neues pädago-gisches Konzept und damit verbunden auf einen offenen Prozess der Organisationsentwicklung eingelassen haben

(und einlassen werden). Ebenso beeindruckt hat uns das fruchtbare Zusammenspiel von Praxis-, Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Der Projektnewsletter, der nun zum dritten und letzten Mal alle Projektbeteiligten verbindet, war für uns ein Schaufenster ins Projekt. Er hat dem, was Bildung in der frühen Kindheit sein kann, Worte und Bil-der gegeben.

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Kita und Eltern –

Was bedeutet das?Eliza Spirig Mohr

Sind Sie die nächste Kita, welche eine Elternsitzecke ein-richtet?

Seit einigen Jahren fordern Vertreter aus Wissenschaft und Praxis eine „Bildungs- von Erziehungspartner-schaft“ zwischen Kita und Elternhaus. Ein Umdenken hat begonnen, weil internationale Studien verdeutlichen, dass familiale Bildungs- und Lebensgewohnheiten einen grossen Einfluss auf den späteren Schul- und Lebenser-folg der Kinder haben (vgl. Siraj-Blatchford et al., 2002). Selbst wenn Kitas hinsichtlich frühkindlicher Bildungs-förderung sehr effektiv und qualitativ gut sind, kann eine positive Entwicklung der Kinder stärker auf die bildungsförderlichen Aktivitäten der Eltern als auf die Angebote der Kita zurückgeführt werden (Textor, o. J.).

Die REPEY-Studie („Research in Effective Pedagogy in the Early Years“) aus Grossbritannien hat zudem gezeigt, dass Kitas dann eine bessere Qualität und Bildungsförde-rung umsetzen, wenn Fachkräfte intensiv mit den Eltern kooperieren, z.B. indem sie mit den Eltern gemeinsam individuelle Lernangebote und „nächste Schritte“ für das Kind festlegen (Siraj-Blatchford et al., 2002). „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ bedeutet Ko-operation und verantwortungsbewusste Zusammenarbeit zwischen Familie und Kita. Sie ist anzustreben, damit die Entwicklungs- und Bildungsprozesse des Kindes bestmöglich unterstützt werden können (Textor, 2006). Hierbei geht man davon aus, dass Eltern die „Experten“ ihrer Kinder sind. Sie kennen ihre Kinder am besten, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht:

Situation in der Kita:Den Kitamitarbeitenden auf Gruppe Rot ist heute aufgefallen, dass Elio unruhig ist. Im Kreisli singt er nicht mit, son-dern spricht mit den anderen Kindern. Essen mag er weniger als sonst, sogar sein beliebtes Dessert rührt er heute nicht an. Er lässt sich nicht wie gewohnt auf ein Spiel mit anderen Kindern ein, sondern sucht den Kontakt zu den Kitamit-arbeitenden und erzählt ihnen vom Fischen. Die Kitamitarbeitenden wundern sich, was heute mit ihm los ist.

Austausch mit den Eltern beim Abholen:Elio freut sich auf den bevorstehenden Fischerausflug mit seinem Götti (Elio ist vielleicht deswegen aufgeregt, hat wenig geschlafen und gefrühstückt.)

Elterngespräch:Die Eltern beobachten, dass sich ihr 4,5-jähriger Elio seit einigen Monaten hauptsächlich für Fische interessiert. Oft spricht er begeistert von unterschiedlichen Fischen. Engagiert bastelt Elio mit unterschiedlichen Materialien Angelruten. Dabei gibt er nicht auf, bis der Holzstock und die Schnur aneinanderkleben und der Haken aus Draht mit Feingefühl geformt ist. Elio bewundert den Fang (eine riesige Forelle) seines Grossonkels und will unbedingt Berufsfischer werden.

Gemeinsam besprochene mögliche „nächste Schritte“ für Elio:• Elio könnte ein Bilderbuch über Fische und/oder seine selbstgebastelte Angelrute von zu Hause mitbringen und

den anderen Kindern zeigen.• Die Gruppe Rot wird auf ihrem nächsten Ausflug das nahegelegene Aquarium besichtigen.• Vom Fischerausflug mit dem Götti könnte Elio Fotos mitbringen und davon eine Wanddokumentation gestalten.

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Wenn Kitamitarbeitende sich wenig mit den Eltern aus-tauschen, können sie wenig von den Beobachtungen der Eltern erfahren und diese nur bruchstückhaft in der Kita miterleben. Öffnen sich Familie und Einrichtung für-einander, erkennen sie ihre unterschiedliche Bedeutung für das Kind gegenseitig an, dann sind die wichtigsten

Grundsteine für die Entwicklung einer „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ gelegt. Wenn sich beide Sei-ten über ihre Erziehungsvorstellungen und Haltungen austauschen sowie bei Meinungsverschiedenheiten ge-genseitig verständigen, kooperieren sie zum Wohle des Kindes (Textor, 2009). Beide Seiten erhalten so ein Gesamtbild des Kindes und ergänzen ihre jeweiligen Beobachtungen und Perspektiven. Die Verbindungen zwischen den Lebenswelten – Familie und Kita – werden für das Kind erleichtert und es profitiert vom gegenseiti-gen Verständnis.

Was lernen wir aus der Wissenschaft für die Praxis?Im Projekt „BeobAchtung und ErziehungsPartner-schaft“ in Deutschland (vgl. Weltzien, 2009) wurde die Praxisimplementierung der „Bildungs- und Lernge-schichten“ für die vertrauensvolle Elternzusammenarbeit wissenschaftlich untersucht und evaluiert. Folgende Ver-änderungsprozesse konnten dabei in der Zusammenarbeit zwischen Kita und Eltern festgestellt werden:

• Das Kitateam setzt sich stärker mit den Lebenswel-ten der Kinder auseinander und zeigt ein tieferes Verständnis für unterschiedliche kulturelle, religiö-se und sprachliche Hintergründe der Familien.

• Die Kitamitarbeitenden erleben einen stärker dialog-orientierten Umgang zu den Eltern.

• Elternveranstaltungen, in denen die Eltern ei-nen Einblick in die Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ erhalten und selber Beobach-tungssequenzen durchführen können, erweisen sich für alle Beteiligten als besonders wertvoll.

Auch im Projekt „Bildungs- und Lerngeschichten“ des Deutschen Jugendinstituts e.V. (2007) haben sich bei Eltern und Kitamitarbeitenden folgende unterstützende Merkmale für die gemeinsame Zusammenarbeit her-auskristallisiert: Der Austausch mit den Eltern wird von den Fachkräften als intensiver und einfacher beschrie-ben. Die Eltern bringen sich über die Lerngeschichten

stärker in den Austausch mit ihnen ein. Die Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ wird dabei insbe-sondere von Eltern aus eher bildungsfernen Kontexten positiv beurteilt. In der Evaluation zur Einführung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in Einrichtungen der Stuttgarter Eltern-Kind-Gruppen e.V. (vgl. Moritz et al.,

2010) betonen die Fachkräfte die grosse Nützlichkeit der Lerngeschichten für die Gestaltung von Elternge-sprächen. Sie fühlen sich in ihrer pädagogischen Arbeit seitens der Eltern mehr wertgeschätzt. Die Erkenntnisse aus Deutschland verdeutlichen, dass die „Bildungs- und Lerngeschichten“ eine gute „Brücke“ für den Dialog mit den Eltern sein können.

Die „Bildungs- und Lerngeschichten“ können der „Tür-öffner“ für den gemeinsamen Dialog zwischen Eltern und Kita sein (Spirig Mohr, 2011). Wenn Sie mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ arbeiten, dann sind Sie auf einem vielversprechenden Weg, die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern erfolgreich zu gestalten und zu erweitern. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Einrichten Ihrer Elternsitzecke.

Literaturhinweise:Deutsches Jugendinstitut e.V. (2007). Abschlussbericht des

Projekts „Bildungs- und Lerngeschichten als Instrument zur Konkretisierung und Umsetzung des Bildungsauftrags im Elementarbereich“. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. (URL: www.dji.de/bildung-lerngeschichten).

Moritz, M., Müller, G., Pohl, A., Prömm, M. & Zipperle, M. (2010). Evaluation der Einführung des Verfahrens der Bil-dungs- und Lerngeschichten in Einrichtungen des Stutt-garter Eltern-Kind-Gruppen e.V. Bericht des Instituts für Erziehungswissenschaft zur ersten und zweiten Implemen-tierungsrunde. Tübingen: Eberhart Karls-Universität (URL: http://www.stuttgarter-ekg.de/index.php?id=127).

Pietsch, S., Ziesemer, S. & Fröhlich-Gildhoff, K. (2010). Zusammenarbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen – Internationale Perspektiven. Ein Überblick: Studie und Forschungsergebnisse. Expertise für das Projekt Weiter-bildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). München: Deutsches Jugendinstitut e.V. (URL: http://www.weiterbildungsinitiative.de/publikationen/eltern.html).

Siraj-Blatchford, I., Sylva, K., Muttock, S., Gilden, R. & Bell, D. (2002). Researching Effective Pedagogy in the Early

„Bei den Elterngesprächen fühle ich mich sicherer. Ich kann den El-tern die verschiedenen Beobachtungen belegen.“ (Erzieherin)

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

8 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

Years. DfES Research Report 365. London: Department for Education and Skills (URL: www.education.gov.uk/re-search/data/uploadfiles/RR356.pdf).

Spirig Mohr, E. (2011). Gute Kindertagesstätten für Kinder mit Migrationshintergrund. VPOD bildungspolitik. 171, 26-31 (URL: www. vpod-bildungspolitik.ch).

Textor, M. (2006). Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern: Gemeinsam Verantwortung übernehmen. Freiburg u.a.: Herder.

Textor, M. (o. J.). Forschungsergebnisse zur Effektivität früh-kindlicher Bildung: EPPE, REPEY, SPEEL. URL: www.kindergartenpaedagogik.de/1615.html (1.5.2011).

Textor, M. (2009). Bildungs- und Erziehungspartnerschaft in der Schule. Gründe, Ziele, Formen. Norderstedt: Books on Demand GmbH.

Weltzien, D. (2009). Beobachtung und Erziehungspartner-schaft. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung. Ludwigshafen (URL: www.offensive-bildung.de).

„Bildungs- und Lerngeschichten“ als Brücke zu einer Bildungs- und Erziehungs-partnerschaft zwischen Kita und Eltern: Wie sieht das aus? – Das Implementie-rungsteam berichtetFranziska Koitzsch

„Beim Elterngespräch lesen wir die Lerngeschichte den Eltern vor. Ich habe nur positive Erfahrungen damit gemacht. Die Eltern waren alle sehr begeistert und sagten: Wow, ich wusste gar nicht, dass mein Kind in der Krippe so ist. Das gibt natürlich sehr viel Gesprächs-stoff.“ (Erzieherin)

Das Verfahren der „Bildungs- und Lerngeschichten“ hat unterschiedliche Ziele. Die Grundidee besteht darin, die Kinder in ihren Lernprozessen zu unterstützen und zu begleiten, in den Austausch mit den Kindern über ihr Lernen zu kommen sowie ihnen das, was beobachtet wur-de, wertschätzend widerzuspiegeln. Die „Bildungs- und Lerngeschichten“ haben jedoch auch die Zusammenar-beit mit den Eltern und einen stärkeren Austausch mit ihnen zum Ziel. Im folgenden Beitrag wird beschrieben, wie die „Bildungs- und Lerngeschichten“ eine Brücke zu einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Kita und Eltern bauen können und wie dazu die Umset-zung in den Projektkitas aussieht.

Transparenz der „Bildungs- und Lerngeschichten“ gegenüber ElternZu Beginn sollten die Eltern über die „Bildungs- und Lern-geschichten“ und die entsprechende Umsetzung in der Kita informiert werden. Mit der Einführung der Lerngeschich-ten und Portfolios bekommt das Verfahren für die Eltern ein Gesicht. Jedoch ist allein daraus für die Eltern noch nicht vollumfänglich ersichtlich, welche Arbeitsschrit-te und Ziele dahinter stehen und wie die Lerngeschichten genau entstehen. Ohne dieses Wissen fällt es den Eltern schwerer, ein Interesse dafür zu entwickeln, sich mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Einrichtung zu identifizieren sowie Wertschätzung gegenüber der Arbeit

mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ für die Mitar-beitenden aufzubringen. In den 12 Projektkitas wurden die Eltern zu unterschied-lichen Zeitpunkten, auf unterschiedlichen Wegen und in unterschiedlichen Umfängen über die „Bildungs- und Lerngeschichten“ informiert. In vielen Einrichtungen wurden Elternabende durchgeführt oder reguläre Eltern-veranstaltungen (z.B. ein Elternbrunch) genutzt, in denen das Verfahren – vor allem das Portfolio – vorgestellt wur-den. Das methodische Vorgehen war dabei ebenfalls sehr unterschiedlich: In einigen Kitas konnten beispielswei-se die Eltern im Rahmen des Elternabends das Titelblatt des Portfolios ihres Kindes gestalten. Oder die Portfolios wurden im Raum ausgelegt, so dass die Eltern selbststän-dig einen Einblick in die Form und den Inhalt bekommen konnten. In anderen Kitas stellten die Kinder selbst ihren Ordner den Eltern vor.

Darüber hinaus wurden die Arbeitsschritte der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in den Elternveranstaltungen vorgestellt – entweder mündlich oder anhand von bildli-chen Darstellungen. Eine Kita vergrösserte beispielsweise die Beobachtungsbögen, ergänzte diese mit Kommentaren und Erklärungen und hing sie im Gang auf, so dass die Eltern einen Einblick gewinnen konnten. Die Teilnahme und das Interesse an diesen Informationsveranstaltun-gen von Seiten der Eltern waren sehr unterschiedlich

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Eltern auf verschiedene Weise bei der Ausgestaltung des Portfolios mitwirken. Meist bringen die Eltern Familien-fotos, Fotos des Kindes (z.B. als Baby) oder Fotos von Ereignissen oder Erlebnissen (z.B. Ferien, Geburtstags-feiern) von zuhause mit. Teilweise haben die Eltern auch verschiedene Seiten im Portfolio gestaltet oder etwas für ihr Kind bzw. über ihr Kind geschrieben. Durch das Portfolio haben die Eltern zusätzlich zu den Lerngeschichten die Möglichkeit, einen Einblick in die Interessen, Erlebnisse, Lernprozesse und die Entwick-lung ihres Kindes zu erhalten. Aus diesem Grund sind die Portfolios in den meisten Kitas auch gut für die Eltern zugänglich. In vereinzelten Gruppen waren die Mitarbei-tenden etwas enttäuscht, dass die Eltern anfangs wenig Interesse an den Portfolios zeigten. Es stellte sich jedoch heraus, dass sich die Portfolios an einem Standort befan-den, wo die Eltern kaum vorbeikamen (z.B. in einer Ecke im Gruppenraum). Wenn Einblick in das Portfolio genommen wird, ist es wichtig, dass das Eigentum des Kindes respektiert wird, d.h. auch die Eltern ihr Kind fragen, ob sie sich das Port-folio anschauen dürfen. Die Eltern waren zu Beginn etwas irritiert über diese Regel, gewöhnten sich jedoch schnell daran und die Kinder zeigten sehr gerne und mit vollem Stolz ihren Ordner. Da die Eltern oft nicht die Zeit hatten, in Ruhe das Portfolio in der Kita anzuschauen, durften sie in den meisten Kitas den Ordner ihres Kindes auch mit nach Hause ausleihen. Die Eltern waren darüber sehr dankbar, da sie so das Portfolio in Ruhe betrachten und darüber hinaus auch in einen Austausch mit ihrem Kind zuhause kommen können. Vereinzelte Einrichtun-gen entschieden sich gegen das Ausleihen der Portfolios – mehrheitlich aus der Angst heraus, die Eltern könnten die Portfolios nicht wieder in die Kita zurück bringen.

– die Spannbreite reichte von grossem Interesse und der Teilnahme aller Eltern bis hin zu einer sehr geringen Teil-nahme von Eltern, so dass der Elternabend aus Mangel an Anmeldungen nicht stattfinden konnte.Es gab jedoch auch andere Formen, die „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Kita transparent zu machen. Meist wurden die Eltern in „Tür- und Angel-Gesprächen“ von den Mitarbeitenden informiert. Vermehrt wurden El-ternbriefe oder Elternemails geschrieben. Auch wurden Wanddokumentationen aufgehängt, welche die Arbeits-schritte der „Bildungs- und Lerngeschichten“ – meist anhand von Fotos – darstellten.

Information der Eltern über neue LerngeschichtenWenn eine neue Lerngeschichte für das Kind entstanden ist, sollten die Eltern darüber informiert werden. Durch die Lerngeschichten erhalten die Eltern einen aktuellen Einblick in die Lernprozesse, Fortschritte und Erlebnis-se ihres Kindes in der Kita. In den 12 Projektkitas wurde diese Information über neue Lerngeschichten ebenfalls sehr unterschiedlich umgesetzt. In einigen Kitas war es selbstverständlich, dass diejenige MitarbeiterIn, welche die Lerngeschichte geschrieben hat, den Eltern am Abend persönlich die neue Lerngeschichte ihres Kindes vorliest. Die Eltern schätzen dieses Vorgehen sehr, weil sie damit nicht nur die neue Lerngeschichte ihres Kindes kennenler-nen, sondern zudem die Möglichkeit erhalten, sich sofort mit der MitarbeiterIn über die Lerngeschichte auszutau-schen. Mitunter ist ein Gespräch zeitnah zur Entstehung der Lerngeschichte jedoch nicht immer einfach umsetzbar, da sowohl die Eltern als auch die Mitarbeitenden sich Zeit für dieses Gespräch nehmen müssen. In anderen Einrichtungen wurden die Eltern in „Tür- und Angel-Gesprächen“ über neue Lerngeschichten infor-miert. Die Eltern können dann selbstständig die neuen Lerngeschichten im Portfolio ihres Kindes anschauen. Zum Teil wurde den Eltern auch eine Kopie der neuen Lerngeschichte nach Hause mitgegeben. Nicht immer gingen die Mitarbeitenden direkt auf die El-tern zu und berichteten von neuen Lerngeschichten. Oft ging dies im Alltag unter – entweder weil es vergessen oder nicht als prioritär erachtet wurde oder die entspre-chende Zeit dafür fehlte. Wenn die Eltern jedoch einen Einblick in die Lerngeschichten gewinnen konnten, dann reagierten sie zumeist sehr positiv und gerührt.

Beteiligung der Eltern am PortfolioDas Portfolio stellt ein gutes Medium dar, die Eltern an dem Kitaalltag des Kindes zu beteiligen sowie für das Kind eine Verbindung zwischen den Lebensräumen Fami-lie und Kita herzustellen. In den meisten Kitas konnten die

Arbeitsschritte der „Bildungs- und Lerngeschichten“ für die Eltern sichtbar machen

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10 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

„Bildungs- und Lerngeschichten“ als Grundlage für geplante ElterngesprächeDie Lerngeschichten können auch als Grundlage für El-terngespräche genutzt werden. Die Projektkitas haben sich mit diesem Thema in unterschiedlicher Intensi-tät, mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten sowie zu unterschiedlichen Zeitpunkten auseinander ge-setzt. In den meisten Kitas werden die „Bildungs- und Lerngeschichten“ sehr individuell in Elterngesprächen eingesetzt. In anderen Kitas wurde wiederum ein einheit-liches System erstellt, wie zukünftig Elterngespräche mit „Bildungs- und Lerngeschichten“ als Basis durchgeführt werden. Meist werden die Lerngeschichten und Portfolios in den Elterngesprächen zur Ansicht bereitgestellt oder ge-meinsam angeschaut und besprochen. Teilweise werden Auszüge aus den schriftlichen Beobachtungen, Erkennt-nisse aus dem kollegialen Austausch, die Planungen zu „nächsten Schritten“ für das Kind sowie das weitere Vorgehen vorgestellt. Dabei haben auch die Eltern die Möglichkeit ihre Sichtweise einzubringen: Wie erleben sie das Kind zu Hause? Welche Lernprozesse haben sie bei ihrem Kind in den vergangenen Wochen entdeckt? Wie können die Eltern auch zu Hause das Kind in seinem Lernen begleiten und unterstützen? Diese offene Art des Gesprächs, in denen beide Seiten gleichwertig gegenüber sitzen, wird von allen Beteiligten sehr positiv beschrie-ben. Eltern schätzen die ressourcenorientierte Haltung der Kitamitarbeitenden gegenüber ihrem Kind sehr. Bei all den positiven Reaktionen der Eltern, berichteten dennoch vereinzelte Mitarbeitende, dass manche Eltern wenig Interesse an den „Bildungs- und Lerngeschich-ten“ zeigen und sie kaum Feedback von ihnen erhalten würden. In diesen Situationen könnten folgende Aspekte hinterfragt werden:

• Sind die Eltern ausreichend über die „Bildungs- und Lerngeschichten“ informiert? Wissen die Eltern da-rüber Bescheid, wie eine Lerngeschichte entsteht und was ihre Bedeutung ist?

• Werden die Eltern über neue Lerngeschichten ihres Kindes informiert? Haben die Eltern die Möglichkeit, einen Einblick in die Lerngeschichten ihres Kindes zu erhalten sowie zeitnah ein Gespräch über die Lernge-schichten mit den Mitarbeitenden zu führen?

• Können sich die Eltern am Portfolio ihres Kindes beteiligen? Haben die Eltern die Möglichkeit, das Portfolio in Ruhe anzuschauen und ggf. auch mit nach Hause auszuleihen?

• Werden die Beobachtungserkenntnisse und Ideen für „nächste Schritte“ des Kindes, die im Rahmen der „Bildungs- und Lerngeschichten“ von den Mitar-beitenden entwickelt werden, den Eltern mitgeteilt? Können die Eltern ihre eigenen Erfahrungen und Perspektiven mit einbringen? Werden gemeinsam mit den Eltern die „nächsten Schritte“ für ihr Kind reflektiert und abgesprochen?

Im Rahmen unserer Praxisbegleitung haben wir be-obachtet und festgestellt, dass die „Bildungs- und Lerngeschichten“ die Bildungs- und Erziehungspartner-schaft zwischen Kita und Eltern stärken können, wenn Mitarbeitende offen sind, die Möglichkeiten des Verfah-rens auszuschöpfen und zu nutzen sowie auf die Eltern mit Transparenz, Wertschätzung und Dialogbereitschaft zugehen.

Literaturhinweise:Damen, S. (2011). Dokumentation in Reggio Emilia. Spuren

hinterlassen – Erinnern – Bleibendes schaffen – Reflektie-ren – Austauschen – Erfahrungen spiegeln – Beobachten – Erkennen – Handeln. KiTa spezial, Fachzeitschrift für die Leitung von Kindertageseinrichtungen, 1, 24-27.

Damen, S. & Betz, K. (2011). Dokumentation und Dialog. Gespräche mit Eltern über das Lernen ihrer Kinder. KiTa spezial, Fachzeitschrift für die Leitung von Kindertagesein-richtungen, 1, 14-15.

Klein, L. & Vogt, H. (2006). „Lassen Sie uns mal wieder über Tobias sprechen.“ Mit Eltern Entwicklungsgespräche füh-ren. TPS Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, 7, 33-35.

Ries-Schemainda, G. (2006). Instrumente einer gelingenden Partnerschaft. Austausch mit Eltern über die Bildungs- und Lerngeschichten ihrer Kinder. TPS Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, 7, 30-32.

Ries-Schemainda, G. (2011). Das Entwicklungsgespräch: Mit Eltern im Dialog. TPS Theorie und Praxis der Sozialpäda-gogik, 3, 20-22.Mutter und Kind betrachten das Portfolio

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Wir führten 8 Monate nach Beginn der Praxisimple-mentierung auf jeder Gruppe einen themenzentrierten Elternabend durch. Bisher waren die „Bildungs- und Lerngeschichten“ für die Eltern eher ein abstraktes The-ma. Unser Ziel war es, den Eltern einen Einblick zu geben, wie wir beobachten, wie eine Lerngeschichte ent-steht und was das Portfolio der Kinder bedeutet. Durch diese Informationen gelang es uns, den Eltern unser Vor-gehen aufzuzeigen. Wir visualisierten dies anhand von Bildern und „sprechenden Wänden“. Da viele unserer Eltern nicht so gut Deutsch sprechen, achteten wir auf eine klare, handlungsbezogene Sprache. Das Interesse der Eltern war sehr gross. Wir organisierten den Eltern-abend so, dass die Kinder zuerst vom restlichen Personal betreut wurden und dann mit hinzukamen, um den El-tern ihr Portfolio selber zu zeigen und am gemeinsamen Apèro teilzunehmen. Natürlich wurde auch hier der Ord-ner als Eigentum der Kinder respektiert: Das heisst, die Kinder bestimmen selbst, wer den Ordner anschauen darf. Aber alle Kinder waren so stolz, dass sie ihren Ord-ner den anwesenden Eltern gerne zeigten.

Durch diese Art der Zusammenarbeit und Partnerschaft mit den Eltern konnten sich bei uns auch sprachliche Hindernisse vermindern, da vieles anhand von Fotos do-kumentiert wird. Wir können den Eltern so Schritt für Schritt aufzeigen, was ihr Kind erlebt und gelernt hat und wie wir die Kinder in ihrem Lernen bei uns in der Kita unterstützen. Die Basis für intensive Gespräche mit Eltern wird durch diese Transparenz geschaffen. Unser positiver Augenmerk auf die Ressourcen der Kinder hilft den Eltern, gerade in schwierigen Situationen, einen an-deren Blickwinkel einzunehmen. Die Eltern sind nach wie vor sehr daran interessiert und stolz darauf, wenn die Kinder ihnen ihren Ordner zeigen. Beim Abholen fragen sie: „Hast du wieder etwas Neues in deinem Ordner?“. Die Kinder nehmen ihren Ordner auch ab und zu mit nach Hause, zeigen ihn in der Familie und bringen ihn zuverlässig wieder mit.Das Verfahren der „Bildungs- und Lerngeschichten“ und dessen Umsetzung hat sehr viel Positives und Wertvolles bei uns bewirkt und ist für unsere Kinder, Eltern sowie uns selbst eine Bereicherung der pädagogischen Arbeit.

„Bildungs- und Lerngeschichten“ und Eltern – wie umsetzen? Fachkräfte berichten

Stimmen aus der Praxis: Ein Bericht aus der Kinderkrippe s’Nuscheli Zürich

Team der Kinderkrippe s’Nuscheli

Stimmen aus der Praxis: Ein Bericht aus der Kinderkrippe Zypresse Zürich

Stefanie Vogel, Stv. Kitaleiterin

Im Sommer 2010, als wir bereits ein ¾ Jahr mit den „Bil-dungs- und Lerngeschichten (BULG)“ gearbeitet hatten, fühlten wir uns bereit, den Eltern unsere „neue“ Aufgabe zu präsentieren. Wir organisierten einen Elternabend und jeder vom Team berichtete den Eltern von einem Teil der BULG. Dadurch konnten sich die Eltern allmählich ein Bild von unserer Arbeit machen und unsere Aufgaben im Rahmen des Projekts besser verstehen. Es gab viele Fra-gen seitens der Eltern, ein Teil war skeptisch, der andere vollends begeistert. Doch mit einer guten Vorbereitung und einem so genannten Prototyp eines Portfolios konn-ten wir alle Eltern für das Weiterführen der „Bildungs- und Lerngeschichten“ gewinnen.Wir schlugen den Eltern vor, den Ordner für oder mit ihrem Kind zu gestalten. Ein kleiner Input von uns genügte und es entstanden wunderschöne, ganz unterschiedliche Col-lagen und Erzählungen von Erlebnissen, Vorstellungen, Vorlieben und Anekdoten der Kinder und ihren Famili-en. Neben den Lerngeschichten sind diese Berichte für die Kinder sehr spannend und sie werden regelmässig mit grosser Begeisterung begutachtet: Was macht meine

Freundin ausserhalb der Kita, wie wohnt sie, hat sie auch ein Haustier? Mit diesen Illustrationen können sich die Kinder auch immer wieder selbst entdecken: Bin das noch ich oder habe ich bereits neue Interessen, ist mir der Teddy auf dem Bild immer noch sehr wichtig oder habe ich einen neuen „besten Freund“?Uns war es wichtig, die Gestaltung des Ordners den Eltern zu überlassen und ihnen und ihrem Kind genügend Zeit zu geben, die richtige Auswahl für den Inhalt zu treffen. Die Ordner werden an einem, für alle zugänglichen Platz in der Kita aufbewahrt und können von den Eltern jeder-zeit mit nach Hause genommen werden, um die Interessen des Kindes zu aktualisieren. Natürlich fliessen neue Bei-träge mit ein und die Eltern sowie die Kinder können die Entwicklung gespannt verfolgen. Damit alle einen ganz-heitlichen Eindruck gewinnen können, dokumentieren wir bereits die ersten Tage von Anbeginn der Eingewöhnung.Wir haben einen Plan erstellt, wann welches Kind beob-achtet und seine Lerngeschichte geschrieben wird. Für uns ist ein Turnus von 6 Monaten optimal, so dass jede Lerngeschichte kurz vor dem Termin des nächsten Eltern-

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

12 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

gesprächs geschrieben wird. Das Portfolio des Kindes ist seit Beginn des Projekts ein fester Bestandteil, ja sogar der Aufbau jedes Elterngesprächs. Den Eltern wird die aktu-elle Lerngeschichte ihres Kindes erzählt und gezeigt und meist ist dies der Anfang eines schmunzelnden, offenen und interessanten Austauschs.Aus den Rückmeldungen der Eltern wissen wir, dass die-

se Art des Gesprächs sehr geschätzt wird, da sie dank der Fotos und Texte in den Lerngeschichten einen besseren Einblick in den Alltag ihres Kindes bei uns in der Kita erhalten. Ich denke, ich kann im Namen aller Beteilig-ten sagen, dass die „Bildungs- und Lerngeschichten“ ein schöner, spannender und interessanter Bestandteil in unse-rem Krippenalltag geworden sind.

„Bildungs- und Lerngeschichten“ im Übergang von der Kita in den Kindergarten – wie umsetzen? Eine Kitaleitung berichtetStimmen aus der Praxis: Ein Bericht aus der Kindertagesstätte Muri b. Bern

René Baumgartner, Kitaleiter

„Die Arbeit im Kindergarten orientiert sich an den Vor-aussetzungen der Kinder. Die Kinder treten mit unterschiedlichen Voraussetzungen in den Kindergarten ein. Sie bringen verschiedene Erfah-rungen mit, ihr Entwicklungsstand ist unterschiedlich. Dies wird bei der Planung und der Arbeit im Kindergar-ten berücksichtigt.

• Die Lernziele werden so ausgewählt, dass sie den Voraussetzungen der einzelnen Kinder und der Gruppe entsprechen.

• Die Auswahl der Inhalte erfolgt so, dass die Kinder ihre Erfahrungen einbringen, verarbeiten, erweitern und vertiefen können.

• Die Spiel- und Lernformen knüpfen an die Wahr-nehmungs- und Lernstile der Kinder an und ermöglichen eine Weiterentwicklung.

• Auf die besonderen Bedürfnisse einzelner Kinder wird nach Möglichkeit eingegangen. Lernangebo-te werden differenziert, Lernwege individualisiert.“

(Auszug aus dem Lehrplan Kindergarten für den deutsch-sprachigen Teil des Kantons Bern vom 22. November 1999, Version vom 29. April 2009, Seite 41)

Im August 2011 werden die ersten Kinder, für welche wir seit etwas mehr als einem Jahr Lerngeschichten schrei-ben, in den Kindergarten eintreten. Schon zu Beginn des Projekts wurden wir von den Eltern gefragt, wie es denn nach der Kitazeit weitergehen würde. Wir ermun-terten die Eltern, ihre Kinder sollen doch das Portfolio der Kindergärtnerin zeigen, weil diese ohnehin die Vo-

raussetzungen der Kinder erfassen muss (vgl. dazu den Auszug aus dem Lehrplan des Kindergartens). Was die Kindergärtnerin dann damit macht, können wir nicht be-einflussen. Von ihrem Auftrag her müsste sie sich aber dafür interessieren. Diejenigen Kindergärtnerinnen, mit welchen wir mehr oder weniger regelmässig Kontakt haben, sind offen und neugierig und würden gerne Einsicht in die Portfo-lios nehmen. Nun bestimmen aber die Kinder, welchen Personen sie ihre Lerngeschichten zeigen wollen. Da-mit wird klar, dass eine systematische Weitergabe der Portfolios nicht per se möglich ist. Es liegt also an uns Kitamitarbeitenden, den Eltern und nicht zuletzt der je-weiligen Kindergärtnerin, die Kinder zu motivieren, ihre Lerngeschichten zu zeigen.Oft haben wir in unserer Einrichtung Besuch von inter-essierten Personen, welche die Kinder jeweils nach ihren Lerngeschichten fragen. Fast alle Kinder zeigen sie ger-ne, einige sind sogar enttäuscht, wenn sie ihr Portfolio nicht präsentieren können. Aufgrund dieser Erfahrung gehe ich grundsätzlich davon aus, dass die Kinder ihrer Kindergärtnerin sehr gerne das Portfolio offenlegen wer-den.Zurzeit ist in den Portfolios nur etwas mehr als ein Jahr Lernzeit dokumentiert. In drei Jahren werden alle Kin-der, welche seit dem ersten Lebensjahr bei uns sind, über eine mehr oder weniger vollständige Dokumentation ihres Lernens vor dem Kindergarten verfügen. Die Do-kumentationen zeigen, dass sie in einer Lernumgebung aufwuchsen, in der ihre eigenen Interessen und Ideen

„Wir haben Eltern, die am Morgen ihre Rituale haben: Sie setzen sich mit den Kindern hin und schauen die Portfolios mit den Lerngeschich-ten an.“ (Kitaleitung)

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Vorrang hatten und in der sie sich als kompetente Lerner erfahren konnten. Sie haben gelernt, schwierige Situatio-nen selbst zu bewältigen. Mit Hilfe der Lerngeschichten haben sie schon viele Rückmeldungen über ihr eigenes Lernen erhalten. Sie sind sich ihrer selbst bewusst und fühlen sich in ihren erworbenen Fähigkeiten und Fertig-keiten sicher. Ganz im Sinne des Auftrags könnte der Kindergarten auf diesem Fundament aufbauen. Starke, selbstbewusste und selbstsichere Kinder sind aber auch eine Herausfor-derung. Sie lassen sich nicht gerne von ihren Vorhaben abbringen, wollen vieles alleine ausprobieren, vertei-digen ihren Lösungsweg, kooperieren dort, wo sie es wollen oder eben nicht.Die Kindergärtnerin muss gemäss ihrem Lehrplan das Lernen der Kinder dokumentieren. Dies könnte sie auch zusammen mit den Kindern tun. Sie schreibt mit ihnen zu-

sammen an der Lerndokumentation weiter. Sie überlegt gemeinsam mit den Kindern, welche nächsten Schritte anstehen. Zusammen planen, gestalten und dokumentie-ren sie diese. Die Kindergärtnerin orientiert sich an den Ressourcen der Kinder und nicht an den Lernzielen des Lehrplans. Sie vertraut darauf, dass alle Lernwege zum Ziel führen. Damit unterstützt sie die Kinder auf ihrem Weg zur Mündigkeit, dem Bildungsziel der Volksschule.Soll dies für die Kinder zur Wirklichkeit werden, müssen wir den Kindergärtnerinnen zeigen, wie wir in der Kita arbeiten, welche Haltungen wir leben und was die Kinder schon alles können. Erste Schritte dazu sind eingelei-tet. Der Kontakt zur Kindergartenleitung besteht. Schön wäre es, wenn wir die Gelegenheit erhalten würden, die „Bildungs- und Lerngeschichten“ allen Kindergärtnerin-nen in unserer Gemeinde vorstellen zu können.

Stimmen aus der Praxis: Wie läuft die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschich-ten“ aus Sicht der Kitas? Fünf Kitaleitungen und Teams berichten

Erfahrungen der letzten 1½ Jahre in der Kinderkrippe Sonnenschein Zürich

Floribeth Sieber Berrocal, Kitaleiterin

Seit dem wir in unserer Kita mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ arbeiten, haben wir viele positive Er-fahrungen gemacht. Die Beobachtungen der Kinder sind in unserem Tagesablauf integriert. Wir können jeder Zeit drinnen, draussen im Garten oder auf einem Spiel-

platz beobachten. Wichtig ist, dass die Kinder im „freien Spiel“ beschäftigt sind, damit die Beobachtungen gut durchgeführt wer den können.Interessant habe ich gefunden, dass wir das nicht aus-gebildete Personal mit einbeziehen konnten. Sie ha ben mit grossem Interesse und Verantwortung die Beob-achtungen, die Analyse und den Austausch mit den Kolleginnen durchgeführt. Sie haben ebenfalls gerne bei der Vorbereitung der Materialien der Lernge schichten, den Wanddokumentationen und den Portfolios mitgehol-fen. Die Erzieherinnen und die Prakti kantinnen haben die Kinder mit ganz anderen Augen kennengelernt. Beim kollegialen Austausch haben wir uns in unseren Beob-achtungen und Analysen ernst genommen. Wir haben ähnliche Entdeckungen wie die An deren bei den ver-schiedenen Beobachtungen gemacht. Aus diesen Erfahrungen planen wir heute gemeinsam die nächsten Schritte. Alle Mitarbeitenden arbeiten mit Überzeugung weiter und wir fühlen uns si cherer in un-serer pädagogi schen Arbeit mit den Kindern. Das neue Personal in die „Bildungs- und Lerngeschichten“ ein-zuführen, ist aufwendig und braucht viel Zeit. Aber die Stimmung im Team ist motivierender und wertschätzen-der, seit wir mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ arbeiten, so dass es sich lohnt, sich diese Zeit zu nehmen.Für jedes Kind ist in einem Mäppchen eine eigene Lern-Beobachtung

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

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geschichte zusammengestellt worden. Die Fotos und Texte sind von Hand geschrieben und dem Alter des Kin-des entsprechend angepasst. Bei kleineren Kindern sind mehr Fotos als Text, bei grösseren Kindern mehr be-schreibender Text als Fotos (ein Foto ist jedoch sicher dabei) in der Geschichte vorhanden.Seit dem wir mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ arbeiten, machen wir Fotos von jeder besonderen Aktivi-tät, welche wir mit der Gruppe unternehmen, z.B. von den Ausflügen, von den Festen, der Eingewöhnungszeit, von Geburtstags feiern etc. Die Kinder haben eine riesige Freu-de an ihren Portfolios, in denen sie ihre Lerngeschichten an schauen können. Besonders gern schauen sie sich die Wanddokumentationen mit den Fotos an, auf denen darge-stellt ist, wo sie waren oder was sie gemacht haben. Kinder mit Migrationshintergrund haben besonders Freude daran, weil sie durch diese Dokumentationen mit ihren Interessen und Fähigkeiten in den Mittelpunkt gestellt werden. Die-se positive Erfahrung beeinflusst und verstärkt auf jeden Fall das Selbstwertgefühl der Kinder. Am Anfang können sie bei der Betrachtung der Fotos nur ihren Namen sagen,

danach die Namen der anderen Kinder, später sprechen sie kleine Sätze und mit der Zeit stellen sie mehrere Sätze zu sammen. Die Sprachentwicklung wird mit den „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ so ebenfalls gefördert.Wenn die Eltern in die Kita kommen, betrachten sie je-weils die Wanddokumentationen mit gros sem Interesse und fragen nach, ob sie die Fotos auch erhalten können. Ich merke, dass die Eltern un sere Arbeit mehr schätzen, seitdem wir mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ arbeiten. Die regelmässigen Elterngespräche, welche

wir zweimal pro Jahr durchführen, helfen uns den Kon-takt zu den Eltern zu stärken. Wir geben uns ge genseitige Rückmeldung über die Arbeit und tauschen uns über das Interesse der Kinder aus. Die ser Austausch hilft uns, die nächsten Schritte des Kindes in der Kita und zu Hause auf

beste Weise zu vereinbaren und umzusetzen.Als Kitaleiterin bin ich mit der Umsetzung der „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ in unserer Einrichtung sehr zufrieden, weil die Kinder so noch mehr in den Mittel-punkt gestellt werden. Mit Hilfe der „Bildungs- und Lerngeschichten“ konnten wir uns in unserer pädagogi-schen Arbeit verbessern und uns nach den individuel len Fähigkeiten und Interessen jedes Kindes richten. Wir kön-nen jetzt noch besser auf den Stärken jedes einzelnen Kindes aufbauen.

Kinder gestalten eine Wanddokumentation

Wanddokumentation

„Die Mitarbeitenden lassen den Kindern mehr Raum, eigene Wege und Lösungen zu finden und warten mehr ab. Gleichzeitig sind sie aber näher dran und wissen viel mehr, was läuft.“ (Kitaleitung)

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

ment. Eine Gruppe machte den kollegialen Austausch am Mittag, die andere Gruppe lieber am Abend. Wir spürten schnell die Auswirkungen bei den Kindern und bei uns. Wir geben den Kindern mehr Raum, Zeit und Mittel für ihr eigenes Tun. Das Freispiel bekam bei uns noch mehr Bedeutung. Unser eigenes Handeln re-flektieren wir stärker und unsere Kooperation im Team untereinander verbesserte sich.Im 2. Weiterbildungsblock im Februar 2010 lernten wir die Planung der „nächsten Schritte“, Dokumentation und Austausch mit Kindern und Eltern näher kennen. Da wir in unserer Kita schon für jedes Kind einen Ordner hatten, fanden jetzt auch Fotos vom Beobachten und Lernge-schichten darin seinen Platz.Unsere grösseren Kinder „lesen“ jeden Tag ihre Lern-geschichten. Sie sind stolz auf das, was sie schon alles gelernt haben. Die Bezugserzieherin liest dem Kind die Lerngeschichten jeweils vor. Auf unserer Kleinst-kindgruppe kleben wir Fotos an Wände und auf den Fussboden. Anhand der Fotos werden den Kleinen und ihren Eltern ihre Erlebnisse bei uns in der Kita präsentiert und „gespiegelt“.Auch bei den Eltern finden die Portfolios ihrer Kinder grossen Zuspruch. In Elterngesprächen entsteht ein an-regender Austausch über die Interessen und Fähigkeiten ihrer Kinder. Darüber hinaus lesen wir den Eltern die Lerngeschichten von ihren Kindern vor.Die „Bildungs- und Lerngeschichten“ sind ein wesentli-cher Bestandteil unserer pädagogischen Arbeit geworden, die uns die Möglichkeiten geben, jedes einzelne Kind wahrzunehmen und individuell zu unterstützen.

Seit nun 1½ Jahren arbeiten wir mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ in unserer Kita. Gemeinsam mit den Kindern, Eltern und dem MMI hatten wir uns auf den Weg gemacht, das kindliche Lernen zu beobachten, zu doku-mentieren, zu reflektieren und die Kinder dadurch in ihrer Entwicklung zu unterstützen. An drei Weiterbildungsta-gen im Herbst 2009 lernten wir die Grundlagen zu den „Bildungs- und Lerngeschichten“: Beobachtung, Analyse, Fokussierung und kollegialer Austausch waren Bestand-teil des 1. Weiterbildungsblocks. Voller Freude und mit einem guten Gefühl setzten wir die neuen Instrumente im Alltag ein. Mit Hilfe von Beobachtungsplänen und viel Ehrgeiz beobachteten und dokumentierten wir jeden Tag. Schnell merkten wir, dass uns die Zeit für den kollegialen Austausch fehlte. Wir brauchten ein gutes Zeitmanage-

Erfahrungen der letzten 1½ Jahre in der Kita Eichhörnli Luzern

Ramona Günther, Kitaleiterin

Kollegialer Austausch

Austausch mit dem Kind anhand von Portfolio Kind mit seinem Portfolio

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

16 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

Erfahrungen der letzten 1½ Jahre in der Tandem-Kita im Kinderhaus Entlisberg Zürich

Karoline Franzen, Kitaleiterin

Blicke ich auf die letzten eineinhalb Jahre seit Einführung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in unserer Kita zu-rück, kann ich festhalten: Zeit, Geduld und Ausdauer sind extrem wichtige Elemente. Das liegt daran, dass es um einen Haltungswandel geht. Es reicht nicht aus, nur die Strukturen und die Organisation zu verändern und neue Abläufe einzuführen. Wir ErzieherInnen und Lernende müssen unsere Haltung gegenüber den Kindern hin zu einem mehr wertschätzenden und individualisierten An-satz weiterentwickeln. Dieser Wandel in der Haltung kann nicht von aussen angeordnet werden, er muss verinner-licht, begriffen und vor allem akzeptiert werden. Deshalb braucht es Zeit, Geduld und viel Ausdauer.Zu Beginn des Projekts war die Hauptverantwortung ganz bei mir als Kitaleitung konzentriert. Ich war die An-sprechperson für das MMI. Schnell wurde klar, dass die

Last auf mehrere Schultern verteilt und die ErzieherIn-nen viel stärker integriert werden müssen. Nur so können alle Verantwortung übernehmen. Daher haben wir von jeder Gruppe eine Erzieherin zur MMI-Verantwortli-chen erklärt, welche die Gruppenverantwortung für die Umsetzung übernahm und direkt mit dem MMI in Ver-bindung stand. Das hat sich als idealer Lösungsweg für uns herausgestellt. Jede Gruppe durchlebte ihre eigenen Höhen und Tie-fen. Es gab Motivationslöcher, in denen der Eindruck entstand, es bewege sich nichts mehr vorwärts. Diese Schwankungen mussten wir aushalten und vor allem die Tiefs durchstehen. Wir haben Strukturen geschaffen, die uns halfen, am Ball zu bleiben. So sind die „Bildungs- und Lerngeschichten“ ein fester Traktandenpunkt in den monatlichen Teamsitzungen geworden. Das schafft Transparenz zwischen den Gruppen, Austauschmöglich-keiten und Verbindlichkeit. Ergänzend dazu haben die beiden Gruppenverantwortlichen einen regelmässigen

Austausch gepflegt, um die nächsten Schritte zu planen.Es hat einige Zeit gedauert, bis das Beobachten, Ana-lysieren und Reflektieren im kollegialen Austausch zur Routine wurde. Zu Beginn war der Aufwand immens und wir empfanden ihn als Zusatzbelastung. Irgendwann ge-hörten die „Bildungs- und Lerngeschichten“ aber einfach zum Alltag dazu. Das waren ein wichtiger Schritt und ein grosses Erfolgserlebnis. Ein positiver Zusatzeffekt ist zudem, dass seither der Einstieg auch neuen Mitarbeite-rInnen schnell gelingt.Ein weiterer Erfolg zeigt sich in der veränderten Haltung gegenüber den Kindern. Der gezielte Austausch über die Kinder findet regelmässiger statt. Nun wird über jedes einzelne Kind gesprochen und nicht mehr überwiegend über die „auffälligen“ Kinder. Der Fokus liegt nun auf den individuellen Stärken.

Schritt für Schritt geht es weiter. In der nächsten Zeit werden wir den Dialog mit den Kindern intensivieren und das Portfolio stärker einsetzen. Ein weiterer Mei-lenstein wird die Zusammenarbeit mit den Eltern unter Einbezug der Lerngeschichten sein. Diese neue Art des Elterngespräches fordert von uns allen eine starke, ko-operative Haltung. Es gibt also noch viel zu tun. Wir haben den Prozess als kontinuierliche Schritte hin zu einer wahrnehmba-ren Weiterentwicklung unserer pädagogischen Qualität erlebt. Wer nachhaltig Qualität erzeugen will, muss Schwerpunkte bei den Themen setzen und diese mit Geduld und Ausdauer verfolgen. Man kann dabei nicht jedem Trend in der Bildungsarbeit – oder Bildungspoli-tik – folgen. Unsere Einführung der Säuglingspädagogik (angelehnt an Emmi Pikler) hat fünf Jahre gebraucht. Sie ist heute ein grosser Erfolg. Mit der gleichen Sorgfalt und engagierten Weiterarbeit wollen wir auch die „Bildungs- und Lerngeschichten“ bei uns etablieren.

„Die Eltern sind begeistert. Die Bezugsperson, die die Lerngeschich-te schreibt, liest sie den Eltern vor. Sie fragt die Eltern: Habt ihr heute Abend fünf Minuten Zeit? Ich hätte eine Lerngeschichte für Euch. Die Eltern sitzen teilweise vor uns und weinen. Sie sind so glücklich da-rüber, dass wir so speziell auf ihre Kinder schauen. Das berührt mich sehr.“ (Kitaleitung)

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17Newsletter Juni 2011

Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Vor eineinhalb Jahren begannen wir im Rahmen des Projekts mit den ersten Weiterbildungen zu den „Bil-dungs- und Lerngeschichten“. Wir waren sehr gespannt und hatten den Wunsch, unsere professionelle Arbeit weiterzuentwickeln. Seither nutzen wir das Instrument der „Bildungs- und Lerngeschichten“ intensiv und haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Unsere anfängli-chen Bedenken verflogen im Laufe der Zeit:

• Woher nehmen wir die Zeit, das Verfahren umset-zen zu können?

• Wie können wir unsere Ideen zeitlich und finanziell umsetzen?

Weil uns die „Bildungs- und Lerngeschichten“ wichtig geworden waren, schufen wir uns Zeiten, um diese um-setzen zu können. Das ging nicht von heute auf morgen. Es war ein Prozess, bei dem es notwendig war, dass das gesamte Team daran beteiligt war und dahinter steht.Mittlerweile ist es für uns selbstverständlich, dass jedes Teammitglied eine Beobachtung pro Woche durchführt und wir uns alle zwei Wochen zum kollegialen Austausch treffen. Im unmittelbaren Anschluss daran schreiben wir die Lerngeschichte. Im Laufe der Zeit haben wir ver-schiedene Formen der Lerngeschichten ausprobiert und konnten feststellen, dass die Kinder unserer Kita Fo-to-Lerngeschichten, die aus vielen Fotos aber nur sehr

wenig Text bestehen, am meisten ansprechen. Die Lern-geschichte wird mit dem Kind besprochen und in seinem Ordner, der ihm jederzeit frei zugänglich ist, abgelegt. Danach finden dann spezifische Angebote mit dem Kind statt, welche wir uns auf der Grundlage unserer Beobach-tungen gemeinsam überlegen und entwickeln.Wir nutzen die Lerngeschichten, um die Kinder in ihrer Entwicklung positiv zu bestärken sowie mit ihnen ins Ge-spräch über sich selbst zu kommen. Wir schenken Ihnen mit den Lerngeschichten individuelle Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Ausserdem bilden die „Bildungs- und Lerngeschichten“ in unserer Kita eine wichtige Grundlage für die Vorbereitung und Durchführung von Elterngesprächen. Die Feedbacks der Eltern sind dabei durchweg sehr positiv.Im Team hatte die Einführung der „Bildungs- und Lern-geschichten“ auch sehr positive Auswirkungen: So haben sich die Beziehungen zu den Kindern weiter intensiviert. Die Kinder werden von den Mitarbeitenden alle im glei-chen Masse wahrgenommen. Die Gefahr, dass ein Kind „nicht gesehen oder übersehen wird“, ist minimiert. Die Kinder schauen sich die Portfolios mit den Lerngeschich-ten sehr gerne an und erzählen sich gegenseitig oder uns ihre Geschichten.In Zukunft werden die „Bildungs- und Lerngeschichten“ ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit bleiben.

Erfahrungen der letzten 1½ Jahre in der Kinderkrippe Zypresse Zürich

Ulrike Kleefeld, Kitaleiterin

Erfahrungen der letzten 1½ Jahre in der Kinderkrippe s’Nuscheli Zürich

Team der Kinderkrippe s’Nuscheli

Die Vorfreude auf den zweiten Weiterbildungsblock im Februar 2010 war bei uns allen sehr gross, weil wir uns sehr darauf freuten, für die Kinder Lerngeschichten zu schreiben und mit den Portfolios zu starten. Es war für alle ein schöner Gedanke, für jedes Kind aus den Beob-achtungen eine persönliche Geschichte zu verfassen und diese dann dem Kind auch erzählen zu dürfen. Die Motivation der Mitarbeitenden war und ist dabei sehr gross und die Umsetzung gelang nach dem zweiten Weiterbildungsblock fast reibungslos. Natürlich brauchte das Schreiben der Lerngeschichten etwas Übung, damit sie wirklich „kindgerecht“ formuliert wurden. Wir hal-fen uns dabei aber gegenseitig und so war dies schnell in unseren Alltag integriert. Beim kollegialen Austausch konnten wir die Ressourcen aller anwesenden Mitarbei-tenden nutzen. Die Beobachtungen werden kontinuierlich

hinterfragt und analysiert. So entstehen gezielte Ideen für die nächsten Schritte der Kinder im Alltag – eine Art, wie wir es vorher nicht kannten. Die gemeinsame Reflexi-on wirkt sich sehr positiv auf unsere Zusammenarbeit im Team sowie auch auf die Kinder aus. Unser Augenmerk liegt auf den Interessen des Kindes und seinen Stärken, auf dem wir gemeinsam aufbauen wollen. Dieser Hinter-grund der „Bildungs- und Lerngeschichten“ hat uns sehr angesprochen, da es unserer pädagogischen Haltung ent-spricht, die wir so noch weiter vertiefen können.Schnell haben wir gemerkt, dass die Foto-Lerngeschich-ten bei der Altersstufe unserer Kinder besser ankommen, da sie sich darin wiedererkennen und besser an die er-lebte Situation erinnern können. Durch diese Erkenntnis variieren wir heute zwischen zwei Formen von Lern-geschichten: Zum Einen gibt es die dokumentierten

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

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Foto-Lerngeschichten, welche mehrere Fotos beinhal-ten, zum Anderen die von den Mitarbeitenden verfassten Lerngeschichten als Text, meistens mit einem Foto der Situation oder einer Zeichnung des Kindes versehen. Für die jüngeren Kinder schreiben wir den Text zu den Foto-Lerngeschichten, die älteren Kinder erzählen selber, was zu jedem Foto geschrieben wird. Es vergeht fast kein Tag, an dem die Kinder nicht ein-mal ihren Ordner hervorholen, die Bilder anschauen, sich gegenseitig die Fotos zeigen und die Lerngeschich-ten erzählen lassen. Auch zeigen die Kinder ihren Ordner

voller Stolz unseren Besuchern. Das Funkeln in den Au-gen der Kinder, wenn sie ihre Lerngeschichten hören oder selber erzählen, ist für uns jeden Tag aufs Neue eine Freude und Bereicherung. Für uns war es keine Frage, auch nach Abschluss der Praxisimplementierung weiter mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ zu arbeiten, neue Ideen zu entwickeln und – wenn nötig – zu optimie-ren. Wir hatten schon vor Projektbeginn den Blick auf den Ressourcen der Kinder. Durch die intensive Ausein-andersetzung mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ wurde unser Augenmerk darauf aber noch sensibler.

Was haben wir erreicht – wie geht es weiter? Im Dialog mit zwei Kitaleitungen

Ein Interview mit Susann Fischer, Leiterin der Kita UniSpital Zürich

Frau Susann Fischer ist Leiterin der Kindertagesstätte des UniversitätsSpitals in Zürich, welche aus insgesamt 8 altersgemischten Gruppen besteht. Das Kitateam wurde von September 2009 bis Dezember 2010 in das Beob-achtungsverfahren der „Bildungs- und Lerngeschichten“ eingeführt und bei der Umsetzung begleitet. Frau Fischer berichtet rückblickend im Interview, wie die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Einrichtung verlaufen ist, was sich verändert hat und wie es jetzt nach dem Projekt weitergeht.

Ihr habt im Herbst vor ungefähr 1½ Jahren angefangen mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ zu arbeiten. Wenn Du rückblickend diese Zeit betrachtest, was hat sich Deiner Meinung nach durch die Arbeit mit den „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ in Eurer Kita verändert?

Verändert hat sich eine ganze Menge. Das habe ich mir auch gewünscht. Die Kinder werden regelmässig schrift-lich beobachtet. Die Gruppenteams tauschen sich über die Kinder aus. Wir hatten vorher die Situation, dass wir in den Sitzungen sehr viel über organisatorische Dinge gesprochen haben, aber so gut wie gar nicht über die Kin-der. Dies ist mal zwischen „Tür und Angel“ passiert, was sehr unbefriedigend war. Mit der Einführung der „Bildungs- und Lerngeschich-ten“ haben wir Nischen gesucht und gefunden, in denen sich die Mitarbeitenden regelmässig alle 14 Tage über 1-2 Kinder austauschen können. In diesem Austausch schauen sich die Kolleginnen Verschiedenes an: Welche Sicht existiert eigentlich über die Kinder? Was beob-achten wir? Wo decken sich unsere Beobachtungen, wo gehen sie auseinander? Wo soll die gemeinsame Reise hingehen? Dank der „Bildungs- und Lerngeschichten“ wird viel mehr über pädagogische Massnahmen gespro-

chen und gemeinsam reflektiert, was der nächste Schritt des Kindes ist. Das hat eine sehr grosse Qualität in der pädagogischen Arbeit mit sich gebracht. Es wer-den Lerngeschichten geschrieben. In Portfolios wird Verschiedenes dokumentiert: Was sind Deine Lieb-lingsspiele? Was sind Deine Lieblingsgewohnheiten? Darüber bekommen auch die Eltern einen viel diffe-renzierteren Einblick in unsere Arbeit. Am abendlichen Rapport wird sich nicht mehr nur darauf beschränkt, was die Gruppe gemacht hat, wie es dem Kind dabei gegangen ist oder wie es mit dem Essen und dem Schla-fen war. Sondern es wird jetzt auch darüber gesprochen, was die Fortschritte und Lernerfahrungen des Kindes waren.

Wie reagieren die Eltern auf die „Bildungs- und Lernge-schichten“?

Sehr positiv. Vor allem wenn sie in Elterngesprächen Einblick bekommen, was hier alles besprochen und do-kumentiert wird, sind sie erstaunt und auch sehr dankbar, wie vielschichtig ihre Kinder bei uns wahrgenommen werden. Da sind die Eltern sehr positiv überrascht.

Wie reagieren die Kinder auf ihre Lerngeschichten und Portfolios?

Ganz stolz. Die Portfolios sind ein sehr lebendiger Be-standteil auf allen Gruppen. Bei den Kleinen arbeiten wir sehr viel mit Bildern, deswegen haben wir uns ei-nen Farbdrucker zugelegt, um das Ganze ansprechender zu gestalten. Es ist dabei auch sehr wichtig, die Lernge-schichten zeitnah zu erzählen. Das klappt mittlerweile zu 90% gut. Für die älteren Kinder sind die Portfolios etwas ganz Wichtiges: „Das ist meins, das gehört zu mir und da bin ich stolz drauf“.

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Wie habt Ihr die Umsetzung der „Bildungs- und Lernge-schichten“ empfunden? Was ist gut gelaufen, wo gab es Schwierigkeiten und Stolpersteine?

Gut gelaufen ist es in den Gruppen, wo die Kolleginnen mit einer sehr positiven Einstellung, mit einer gewissen Offenheit herangegangen sind. Im Prozess der Umset-zung gab es vor allem individuelle Schwierigkeiten: Eine Mitarbeiterin ist z.B. mit ihrer neuen Rolle als Grup-penleiterin an ihre Grenzen gekommen. Es war dann schwierig für sie, gleichzeitig neue Aufgaben mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ anzunehmen. Andere Kolleginnen waren zu sehr mit dem Planen beschäftigt und haben versucht, alles sehr perfekt zu machen. Wie-der andere waren sehr engagiert, aber weniger fokussiert auf die zeitlichen Vorgaben. Dabei wurde im Team von Beginn an klar kommuniziert: „Die Äusserung, dass man

keine Zeit hatte, die Kinder zu beobachten, zählt nicht. Dies ist eine Ausrede. Wir haben Zeiten dafür. Dafür sind wir personell gut ausgestattet“. Dann gab es Kolleginnen, die meinten, dass sie Beobachtungen nicht niederschrei-ben müssten: „Ich bin professionell genug und es reicht, wenn ich hinschaue und mir das Wichtigste merke“. Mittlerweile sind aber auch diejenigen, die mal dieser Meinung waren, zu der Erfahrung gekommen, dass das Festhalten der Beobachtungen sehr wertvoll und notwen-dig ist. Alle diese Stolpersteine haben einen mehr oder weniger intensiven Prozess bei uns durchlebt.Offene Fragen sind bei uns nach wie vor, wann eine gute Beobachtungssituation ist: Setzt man sich ein grobes Zeitfenster, z.B. diese Woche muss das Kind beobachtet werden? Oder suche ich mir besser eine spezielle Situati-on aus, in der ich das Kind gerne näher betrachten möchte? Oder lasse ich es lieber offen, erlebe das Kind in einem „magischen Moment“ und schaue mir das genau an? Dies kann man sehr flexibel handhaben. An diesen Überlegun-gen arbeiten wir zurzeit im gesamten Haus noch mehr oder weniger intensiv.

Wie wollt Ihr in Zukunft die „Bildungs- und Lerngeschich-ten“ umsetzen?

Lerngeschichten werden weiterhin geschrieben. Wir ha-ben den gleichen Beobachtungsrhythmus eingehalten. Im kollegialen Austausch machen wir es davon abhängig, ob

zwei Ausgelernte teilnehmen, welche eine gute Routine ha-ben. Diese schauen sich zwei Kinder an und besprechen diese. Sobald aber eine Ausgelernte mit einer Lernenden zusammen sitzt, beschränken wir uns auf ein Kind, damit Theorie und Praxis mit allen Hintergrundinformationen und Verknüpfungen gut bearbeitet werden können. Portfo-lios werden auch weiter geführt. Hierbei haben wir jedoch geschaut, dass die Kolleginnen, welche die Portfolios sehr beschützend vor den Kindern „in Sicherheit bringen wol-len“, sich mehr öffnen. Es ist etwas, was leben soll. Das soll nicht perfekt, sondern bei den Kindern im Gebrauch sein.

Es gibt aber auch einen Punkt, welcher das Team sehr unglücklich gemacht hat. Wir haben einige Kinder, die ganz klar Defizite aufweisen. Für die Mitarbeitenden war es schwierig, nur auf die Stärken der Kinder fokus-siert zu arbeiten. Sie hatten das Gefühl, dass dies nicht die

ganzheitliche Sicht abdeckt. Jetzt versuchen wir, bei der Planung der nächsten Schritte Brücken zu bauen, d.h. wir werten die Beobachtungen ganz normal aus und schauen, wo die Stärken des Kindes sind. Wenn das Kind aber auch Lernfelder aufgrund von Defiziten hat, dann schlagen wir Brücken und docken bei den Stärken an. Dadurch ist bei ganz vielen Kolleginnen die Tür aufgegangen. Sie erleben das nicht mehr als trennend voneinander. Wir schauen jetzt noch deutlicher hin, wo das Kind steht und wo der nächs-te Schritt des Kindes wäre. Das hat dann auch zur Folge, dass das Bewusstsein für Entwicklungspsychologie und Pädagogik gewachsen ist. Dies ist eine sehr grosse Berei-cherung für unser Haus.

Was sind Eure Ziele, wenn Ihr jetzt in die Zukunft schaut? Was nehmt Ihr Euch vor?

Das ist von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Es gibt durchaus noch Gruppen, welche daran arbeiten, die regel-mässige Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ nicht aus dem Blick zu verlieren, dass es nicht wieder im Sande verläuft und dass eine gelebte Routine entsteht. Also eine Selbstverständlichkeit, über die nicht ewig immer wie-der neu diskutiert werden muss. Bei anderen Gruppen ist es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Sie schauen nun, wie die „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der El-ternarbeit stärker genutzt werden können. Hier sind ganz spannende Lernfelder für die Teams.

„Die Beziehung zum Kind hat sich verändert. Ich lerne das Kind viel besser kennen. Ich merke besser, wo die Interessen des Kindes sind.“ (Erzieherin)

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

20 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

Letztendlich habe ich nicht demokratisch entscheiden lassen, ob wir mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ weitermachen. Ich habe dem Team ganz klar mitgeteilt: „Der Träger und ich möchten das. Es hat sich als eine sehr gute Methode erwiesen, mit der wir in unserer Ein-richtung gut arbeiten können und auch wollen. Unsere

Erfahrungen sind mir zu wertvoll, als dass wir jetzt nach 1½ Jahren wieder zu unseren Anfängen zurückkehren“.

Das Gespräch mit Susann Fischer führte Franziska Koitzsch. Das Interview ist in einer gekürzten und leicht veränderten Form wiedergegeben.

Ein Interview mit Nelly Schorno, Leiterin der GFZ Kita 3 Zürich

Frau Nelly Schorno ist Leiterin der GFZ Kita 3 in Zürich, welche aus insgesamt 5 Gruppen besteht. Das Kitateam wurde von September 2009 bis November 2010 in das Beobachtungsverfahren der „Bildungs- und Lernge-schichten“ eingeführt und bei der Umsetzung begleitet. Frau Schorno berichtet rückblickend im Interview, wie die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in der Einrichtung verlaufen ist, was sich durch die Um-setzung verändert hat und wie es jetzt nach dem Projekt weiter geht.

Ihr arbeitet nun seit ungefähr 1½ Jahren mit den „Bil-dungs- und Lerngeschichten“. Wenn Du rückblickend diese Zeit betrachtest, was hat sich Deiner Meinung nach durch die Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschich-ten“ in Eurer Kita verändert?

Was sich positiv verändert hat, ist unsere Haltung ge-genüber den Kindern. Wir konzentrieren uns mehr auf die Ressourcen der Kinder. Der kollegiale Austausch ist ein zusätzliches Gefäss in unserer pädagogischen Ar-beit geworden. Das Personal ist mehr sensibilisiert, den Blick auf das Positive vom Kind zu richten. Sie tauschen sich verstärkt untereinander aus und können sich dabei gemeinsam reflektieren. Besonders ist hierbei, dass Ler-nende und PraktikantInnen gleichermassen beteiligt sind. Auch sie können viel davon profitieren.Die Lerngeschichten und die „sprechenden Wände und Böden“ bieten uns immer wieder einen guten Einstieg für Gespräche mit Eltern. Sie verstehen und merken durch die Lerngeschichten, dass wir ihr Kind von seinen Stär-ken her anschauen. Auch Eltern, bei denen sprachliche Barrieren bestehen, erleben dies als grosse Bereicherung. Da die Lerngeschichten für Kinder geschrieben sind, sind sie sehr einfach und so auch gut für Eltern mit wenig Deutschkenntnissen verständlich. Die Wanddokumenta-tionen sind lässig für die Eltern. Sie bekommen dadurch viel mehr mit, was wir hier in der Krippe wirklich ma-chen. Dies geschieht jetzt nicht mehr nur mit Worten, sondern auch mit Bildern.Die ErzieherInnen erleben die Kinder durch das Vorlesen der Lerngeschichte näher. Es entsteht eine andere Bezie-hungsebene zu den Kindern. Dies finde ich sehr wertvoll

und sehr schön. Die Kinder haben auch den Plausch durch unsere „sprechenden Wände“ und „sprechenden Böden“. Sie tauschen sich darüber untereinander oft aus. Ich den-ke, damit fördert man auch automatisch ihre Sprache.

Ihr habt Portfolios in Eurer Kita eingeführt. Wie ist das gelaufen? Was hat sich in dieser Hinsicht verändert?

Bei den Eltern und bei den Kindern kommen die Portfo-lios sehr gut an. Die Eltern schauen oft hinein, ob es wieder eine neue Lerngeschichte von ihrem Kind gibt. Jedoch entsteht auch ein gewisser Erwartungsdruck von den El-tern, der manchmal etwas schwierig sein kann. Wir haben gemerkt, dass wir die Eltern bei der Arbeit mit den Port-folios noch viel mehr mit einbeziehen können. Sie können uns Familienfotos mitbringen oder auch mal eine Ge-schichte oder ein Blatt im Portfolio mit gestalten, z.B. von ihren Ferien. Das ist etwas ganz Wunderbares und das ma-chen die Eltern auch gern. Daraus ergibt sich ein anderes Fundament, eine andere Basis der gemeinsamen Zusam-menarbeit. Es entsteht mehr ein Miteinander. Auch für die Kinder ist es schön zu sehen, dass sich etwas von zu Hau-se in ihren Ordnern befindet. Das Portfolio entsteht somit in einer gemeinsamen Partnerschaft. Ein weiterer positi-ver Aspekt ist, dass die Kinder bei ihrem Austritt aus der Kita mit dem Portfolio etwas in der Hand haben. Sie haben dann einen Ordner, der ihre ganze Kitazeit dokumentiert. Es ist schön, dies den Kindern als Geschenk mitgeben zu können, denn das ist etwas Bleibendes.

Wie ist die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschich-ten“ bei Euch gelaufen? Was ist gut gelaufen? Wo gab es Schwierigkeiten und Stolpersteine?

Das Beobachten und die Analyse konnten wir sehr gut umsetzen und haben sich schnell in unseren Alltag integriert. Was schwieriger war, ist die Zeit für den kol-legialen Austausch zu finden. Hier haben wir gemerkt, dass wir Kompromisse eingehen müssen. Man kann den kollegialen Austausch auch mal zu zweit machen. Dies ist möglich und bringt ebenfalls sehr viel. Spannend war, dass jede Gruppe für sich ein individuelles System ge-funden hat, wie es funktionieren kann. Was wir sicher unterschätzt haben, waren die Zeit und

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der Materialaufwand, vor allem jedoch die Belastung durch die Weiterbildungen, da sie am Wochenende statt-fanden. Daraus entstanden organisatorische Probleme, z.B. bezüglich der Arbeitszeiten von Lernenden und PraktikantInnen. Bei den Weiterbildungen konnten sich die Mitarbeitenden jedoch wichtiges fachliches Wissen aneignen. Dabei sind einerseits Inhalte aufgefrischt wor-den, die teilweise schon bekannt waren. Andererseits sind viele gute, neue Inputs hinzugekommen. Was bei uns noch nicht vollumfänglich umgesetzt ist, ist die Transparenz des Verfahrens gegenüber den Eltern. Wenn man eine Lerngeschichte in der Hand hält, dann ist es für die Eltern teilweise nicht sichtbar, was alles dazu gehört, bis es zu einer Lerngeschichte kommt. Die Lerngeschichte ist quasi nur das Sahnehäubchen, aber dahinter steckt ein langer Prozess mit verschiedenen Ar-beitsschritten. Dies ist den Eltern bzw. Aussenstehenden oftmals noch zu wenig bewusst. Hier sollten wir noch mehr Informations- und Aufklärungsarbeit leisten.

Wie werden die „Bildungs- und Lerngeschichten“ jetzt nach der gemeinsamen Praxisimplementierung in Eurer Kita umgesetzt? Was nehmt Ihr Euch für die Zukunft vor?

Wir wollen uns vermehrt auf die Stärken konzentrieren. Von dort aus suchen wir den Weg zum Kind. Wir werden weiterhin Lerngeschichten schreiben und das Portfolio umsetzen. Der kollegiale Austausch wird auch weiterhin gepflegt, aber mit der Möglichkeit, diesen auch nur zu zweit auf der Gruppe durchzuführen.

Was sind Eure Visionen für die Zukunft?

Unsere Visionen sind, dass Bildungsprozesse stärker im frühpädagogischen Alltag thematisiert werden, dass die öffentliche Hand solche Projekte weiterhin finanziell un-terstützt, dass Kinder ihr Portfolio in den Kindergarten mitnehmen können und KindergärtnerInnen dort weiter anknüpfen können, dass wir mehr Zeit und Personal für die frühkindliche Bildungsarbeit erhalten, dass die Lobby für Mitarbeitende im Kitabereich allgemein gesellschaft-lich besser und gewichtiger wird und dass diese Inhalte auch in der Ausbildung mehr thematisiert und unterrich-tet werden. Diese Wünsche und Visionen haben wir.

Gibt es noch etwas, was Du gerne zum Schluss ergänzen möchtest?

Ich bin stolz, dass wir bei dem Projekt mitmachen durf-ten. Ich denke, dass es dem Team gut getan hat. Es gab viele neue Inputs. Und wenn man die strahlenden Kin-deraugen sieht, wenn man ihnen ihre Lerngeschichten vorliest, dann ist das Lohn genug. Es freut mich sehr, dass der Gemeinnützige Frauenverein Zürich (GFZ) gro-sses Interesse daran bekundet, auch weitere GFZ-Kitas in den Ansatz der „Bildungs- und Lerngeschichten“ unter Begleitung vom MMI einzuführen.

Das Gespräch mit Nelly Schorno führte Franziska Koitzsch. Das Interview ist in einer gekürzten und leicht veränderten Form wiedergegeben.

Stimmen aus der Praxis: Wie läuft die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschich-ten“ in der 2. Implementierungsphase ab 2011? Zwei Kitaleitungen berichten

Erfahrungen der letzten Monate in der Unikita Bern Margrit Holenweg, Kitaleiterin

Beobachtung

„Wenn chunsch mich cho beobachte?“. Solche oder ähn-liche Fragen werden uns seit Beginn des Projekts des MMI von unseren Kita-Kindern öfters gestellt. Dies zeigt mir, dass die Veränderungen, welche die „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ mit sich bringen, auch von den Kindern bewusst wahrgenommen werden. Nach der Startphase anfangs 2011 haben sich die „Bildungs- und Lerngeschichten“ in unserer Kita etabliert und eine gro-sse Akzeptanz beim Team und den Kindern erlangt.Noch bevor wir von einem Vorstandsmitglied auf das Projekt des MMI aufmerksam gemacht wurden, befass-ten wir uns mit dem Thema „Bildung und Förderung im Frühbereich“. So besuchte ich mit meinem Team an ei-nem internen Weiterbildungstag zwei Kitas in Freiburg

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22 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

im Breisgau. In unserem Nachbarland ist die Basisförde-rung der Kinder Bestandteil in jeder Kita und wird seit einigen Jahren praktiziert. Nach diesem interessanten Besuch in Deutschland und den dort gemachten Beob-achtungen sowie nach einigen Diskussionen mit dem gesamten Team, haben wir uns entschlossen, am Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich“ des MMI teilzunehmen.

Als so genannte „B-Kita“ (Warte-Kontrollkita) hatten wir genügend Zeit, uns auf das Kommende vorzuberei-ten. Wir lasen aufmerksam die Erfahrungsberichte, die von den „A-Kitas“ in den vergangenen Newslettern ver-öffentlicht wurden und konnten uns so ein wenig auf das Projekt einstellen. Mit grosser Spannung, aber auch einer gewissen Skepsis starteten wir im Januar 2011 in den ers-ten Weiterbildungsblock. Beobachten, Analysieren und kollegialer Austausch waren die Einstiegsthemen.Das Beobachten konnten wir sehr gut in unseren Kitaall-tag integrieren. Nach der Beobachtung wurde das Gesehene mit dem Kind besprochen. Hierbei merkten wir schnell, wie es den Kindern Freude bereitet, von ihrem Spielen und Wirken zu hören. Die Kinder zeig-ten grossen Stolz. Es gab auch Situationen, in denen die Kinder die gemachten Beobachtungen korrigierten, zum Beispiel sagte ein Knirps: „Ig ha aber mit emene rosarote und emene pinkige Tüechli gschpilt!“, in der Beobachtung jedoch standen „zwei rosarote Tüchlein“. Die Kinder spüren, dass sie beobachtet werden und re-flektieren direkt was ihnen wichtig erscheint. Die Analyse der Beobachtungen gelingt uns mittlerweile besser als am Anfang. Wir lernen, die Beobachtungser-kenntnisse in die richtigen Lerndispositionen einzuteilen. Die grösste Herausforderung für unsere Kita dabei war die Planung und Organisation des kollegialen Austau-sches. Noch während der Weiterbildung konnten unsere vier Gruppen die ersten Schritte vorbereiten und mittler-weile klappt es schon recht gut mit dem regelmässigen kollegialen Austausch auf den Gruppen. Die meisten Pro-bleme bereiten uns die internen Terminverschiebungen: Kinder, die fehlen oder Personalabwesenheit. Die gefor-derte Flexibilität wird hierbei manchmal überstrapaziert.Die Begleitung durch das MMI empfinden wir als profes-sionell und kompetent. Anstehende Fragen werden rasch beantwortet. Wir schätzen die Begleitbesuche von Frau Spirig Mohr und freuen uns schon auf die nächste Weiter-bildung und das Verfassen von Lerngeschichten.

Austausch mit dem Kind anhand von Beobachtung

Kollegialer Austausch

Erfahrungen der letzten Monate in der Kinderkrippe der Heilsarmee Zürich

Tamara Hug, Stv. KitaleiterinIm September 2008 hörten wir zum ersten Mal von dem Projekt „Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbe-reich“ des MMI. Unser Interesse wurde geweckt und als wir uns näher informierten, sprach es uns sehr an. Im Wissen, dass auch wir die fünf Lerndispositionen in unse-rem Rucksack haben, wollten wir uns gemeinsam auf den Weg Richtung „Bildungskita“ begeben. Wir möchten uns als Betrieb weiterentwickeln und einen Beitrag zur För-derung, Professionalisierung und Qualitätsentwicklung

leisten. Die Lerngeschichten sprachen unser Herz an. Als dann im Dezember 2008 die Zusage über unsere Teilnahme kam, war die Freude gross. Wir wurden zur Gruppe B eingeteilt. Das hiess erst einmal Kontrollein-richtung sein. In dieser Zeit erschien uns das Projekt mal näher, mal weiter weg. Im September 2009 fand der In-formationsabend für das Team und anschliessend für die Eltern statt. Dieser gestaltete sich als sehr aufregend. Seit Anfang Januar 2011 läuft bei uns die Implementie-

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

rungsphase, so dass wir aktiver werden konnten. Nun geht alles Schlag auf Schlag… Es ist toll zu spüren, wie gross das Engagement jeder Mitarbeiterin ist und mit wie viel Herz das Team bei der Sache ist. Wir erleben es als neue positive Erfahrung und Bereicherung, dass praktisch das gesamte Krippenteam gemeinsam eine Weiterbildung macht. Das Wochenende mit dem 1. Wei-terbildungsblock war sehr intensiv und anstrengend. Die Gedanken wurden angeregt und die Freude auf die Um-setzung stieg an, obwohl wir uns zuerst viele Gedanken über die Herausforderung bezüglich der „Zeit“ machten.

Wir sind zufrieden und stolz, dass wir so schnell einen gemeinsamen Weg finden konnten. Alle Gruppen haben ein Beobachtungssymbol eingeführt und die Kinder nahmen es schnell an. Zwei Gruppen tra-gen beim Beobachten einen speziell zu diesem Zweck gestalteten Hut, eine Gruppe trägt eine Hawaii-Kette und die vierte Gruppe entschied sich, kein weiteres Symbol neben dem Klemmbrett beim Beobachten zu tragen. Die-se Gruppe nutzt dafür ein gemaltes Auge an der Tür als Hilfsmittel, in dem ein Foto des Kindes, welches an dem Tag beobachtet wird, im Morgenkreis aufgehängt wird. So wird die Vorfreude bei dem Kind geweckt.Mittlerweile kamen schon einige Kinder in den Genuss der Beobachtungen. Für einzelne Kinder scheint es noch neu

und ungewohnt zu sein, andere zeigten gleich von Anfang an grosse Freude an der neuen Art des Interesses an ihm. Die Freude auf dem Gesicht des Kindes ist für uns einer der grössten Entschädigungen. Die Mitarbeiterinnen erle-ben die Beobachtungen als sehr spannend und es werden neue Erkenntnisse gewonnen. Auch der wertschätzende Austausch mit dem Kind nach der Beobachtung wird sehr geschätzt. Das Ausfüllen des Analysebogens ist noch nicht ganz rou-tiniert, doch bekanntlich macht Übung den Meister. Das Gefäss für den kollegialen Austausch haben wir erst neu schaffen müssen. Dafür unterstützen sich die jeweiligen Nachbarsgruppen. Wir sind sehr zufrieden damit, wie gut und regelmässig wir diesen bislang umsetzen können. Eine noch offene Baustelle ist das kontrollierte Umset-zen und Reflektieren der nächsten Schritte für das Kind. Doch trotz anfänglicher kleiner Stolpersteine (welche wir ja auch erwartet hatten) wissen wir, dass all diese neuen

Das Auge als Beobachtungssymbol

Beobachtung

Austausch mit dem Kind anhand von Beobachtung

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24 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

mit dem einzelnen Kind und seinen Eltern noch mehr in den gemeinsamen Dialog kommen zu können. Es macht uns stolz, eine auserwählte Projektkita zu sein und wir fühlen uns gut unterwegs auf unserer Entwicklungsreise. Wir befinden uns mitten in der Ausprobierphase und ent-wickeln uns in grossen Schritten weiter.

(Fokus Gruppenebene: 38 Gruppen in 12 Kitas), so fal-len grosse Ähnlichkeiten in den Umsetzungsprozessen noch deutlicher auf. Um Charakteristika der unterschied-lichen Umsetzungsprozesse beschreiben zu können und dabei allen Kitas mit ihren einzelnen Gruppen gerecht zu werden, sind im Folgenden die verschiedene Umset-zungsprozesse, die wir protokolliert und evaluiert haben, auf Gruppenebene zusammenfassend wiedergegeben. In der Übersicht zeigt sich, dass die Mehrheit der Gruppen die Arbeitsschritte der „Bildungs- und Lern-geschichten“ gut in ihren Alltag integrieren konnte. Für die meisten Teams ist das Verfahren zu einem festen Bestandteil ihrer pädagogischen Arbeit geworden. Ein Grossteil der Mitarbeitenden berichtet, dass nach anfäng-licher „Ausprobierzeit“ die Umsetzung gut in den Ablauf der Gruppe integrierbar ist. Durch die Umsetzung entste-hen viele Vorteile – sowohl für die Kinder als auch für das Team. Viele Mitarbeitende sehen einen deutlichen Zugewinn und Mehrwert in ihrer Arbeit durch die regel-mässige Umsetzung des Verfahrens.

Wie wurden die „Bildungs- und Lerngeschichten“ in den Gruppen umgesetzt? Nach dem ersten Weiterbildungsblock haben alle Grup-pen in den Kitas den Arbeitsschritt des Beobachtens aufgenommen. In den meisten Gruppen beobachteten alle Mitarbeitenden nach einem Beobachtungsplan, der am letzten Tag des Weiterbildungsblocks erstellt wurde. Dieser bot eine gute Übersicht für alle Mitarbeitenden der Gruppe über die zu beobachteten Kinder sowie über die Beobachtungen, die schon durchgeführt wurden. Vie-le Gruppenleitungen beurteilten die Beobachtungspläne als sehr förderlich für eine regelmässige Umsetzung und schnelle Integration des Beobachtens in die Tagesstruk-tur der Gruppe. Am Anfang des Umsetzungsprozesses stellte das kon-stante Beobachten für die meisten Gruppen eine

Im Rahmen des Projekts „Bildungs- und Resilienzförde-rung im Frühbereich“ wurde das Beobachtungsverfahren der „Bildungs- und Lerngeschichten“ von September 2010 bis Januar 2011 in 12 Kindertageseinrichtungen im-plementiert. Während der durchschnittlich 1,5-jährigen Implementierungszeit wurden die Umsetzungsprozesse der einzelnen Kitas sorgfältig protokolliert und dokumen-tiert. Zudem fand am Ende eine gemeinsame Reflexion des Umsetzungsprozesses mit dem gesamten Team der ein-zelnen Kitas statt. Im Folgenden werden erste Ergebnisse aus der Analyse der Umsetzungsprozesse zusammenfas-send vorgestellt.

Beim Betrachten der Umsetzungsprozesse der „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ über alle 12 Kitas hinweg zeigt sich, wie heterogen das Verfahren in den einzelnen Kitas realisiert wurde. Zudem wird eine grosse Band-breite von unterschiedlichen Umsetzungsprozessen innerhalb der Kitas deutlich – vor allem dann, wenn die-se aus mehr als drei Gruppen bestehen. Betrachtet und vergleicht man die Gruppen der Projekteinrichtungen

Ergebnisse aus der Forschungswerkstatt des Projekts

Analysen zur Praxisimplementierung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ – Erste Ergebnisse zu den Umsetzungsprozessen in den Kitas

Julia Steinmetz

Instrumente schon jetzt unseren Alltag mit den Kindern sehr bereichern.Wir sind gespannt auf den 2. Weiterbildungsblock und freuen uns auf das Schreiben dieser wunderschönen und wertvollen Lerngeschichten sowie die gemeinsame Ent-wicklung der Portfolios. Für uns ist es ein schöner Weg,

Beobachtung

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25Newsletter Juni 2011

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Herausforderung dar. Die grösste Komplexität bestand darin, Teilzeitkinder und Teilzeitmitarbeitende in das Beobachtungssystem einzubetten. Ausserdem wurden Beobachtungen nicht durchgeführt, weil diese in Verges-senheit gerieten. Die Routine des Beobachtens musste sich erst in den Alltag der Gruppen einfügen. Dazu gab es Umstände im Alltag, welche die Integration des Beob-achtens erschwert haben. Hierzu gehörten beispielsweise der Ausfall von Mitarbeitenden, die Abwesenheit der zu beobachtenden Kinder oder Eingewöhnungszeiten. Nach einer durchschnittlich 3-monatigen „Erprobungs-zeit“ konnte der Grossteil aller Projektgruppen das regelmässige Beobachten in den Alltag integrieren. Der integrierte Umsetzungsprozess zeichnet sich in den Gruppen durch folgende Merkmale aus:

• Es besteht ein funktionierendes Beobachtungs-system, der für alle Mitarbeitenden der Gruppe ersichtlich ist.

• Es bestehen klare Verantwortlichkeiten für das Ak-tualisieren des Beobachtungssystems.

• Alle Mitarbeitenden der Gruppe beobachten selbst-verantwortlich und regelmässig.

• Bei Personalengpässen wird reduziert beobachtet.

Nur einigen wenigen Gruppen ist es bis zum Ende der Implementierungszeit nicht gelungen, das Beobachten regelmässig umzusetzen. Der Umsetzungsprozess des Beobachtens in diesen Gruppen lässt sich durch folgende Kennzeichen beschreiben:

• Es besteht kein Beobachtungssystem auf der Grup-pe. Das bestehende Beobachtungssystem ist nicht aktuell bzw. nicht für alle Mitarbeitenden der Grup-pe ersichtlich.

• Es bestehen keine klaren Verantwortlichkeiten für das Aktualisieren des Beobachtungssystems.

• Nicht alle Mitarbeitenden der Gruppe beobachten.• Mitarbeitende der Gruppe beobachten unregelmä-

ssig oder sporadisch. • Bei Personalengpässen wird auf das Beobachten

verzichtet.

Bei dem Arbeitsschritt Analyse der Beobachtungen nach fünf Lerndispositionen bestand am Anfang des Umsetzungsprozesses die grosse Herausforderung, die Lerndispositionen klar voneinander abzugrenzen. Vor allem bei benachbarten Lerndispositionen – wie „Enga-giert sein“ und „Standhalten bei Herausforderungen und Schwierigkeiten“ – waren sich viele Mitarbeitende un-sicher. Die Lerndisposition „An der Lerngemeinschaft mitwirken und Verantwortung übernehmen“ musste vor allem für Säuglinge und Kleinstkinder neu definiert

werden, da das Ursprungsmaterial vom Deutschen Ju-gendinstitut e.V. (DJI) primär für Kinder ab 3 Jahren ausgerichtet war. Die meisten Gruppen konnten diese Stolpersteine jedoch mit der routinierten Umsetzung im Alltag und der daraus steigenden Erfahrung beim Analy-sieren aus dem Weg räumen.Der kollegiale Austausch wurde von zahlreichen Mitar-beitenden bei der Umsetzung besonders geschätzt. Viele Gruppen genossen es sehr, nicht über Organisatorisches zu sprechen, sondern Zeit für einen Austausch über die Kinder zu finden. Über die Ressourcen und nicht die Defizite der Kinder zu sprechen, die Beobachtungen an-derer Mitarbeitenden der Gruppe zu hören und dadurch die Sicht über das Kind zu erweitern, empfanden viele als Edelsteine bei der Umsetzung des kollegialen Aus-tausches.Durch die vielen schon vorhandenen Sitzungen im All-tag der Kitas und den Anspruch, die Teilnahme am kollegialen Austausch allen Mitarbeitenden der Gruppe zu ermöglichen, war es eine grosse Herausforderung für die meisten Gruppenteams, Zeitfenster für den kollegia-len Austausch zu finden. Jedoch konnte dieses Hindernis von der Mehrheit der Gruppenteams bewältigt werden, so dass der kollegiale Austausch bis zum Ende zum in-tegrierten Bestandteil in der Monatsplanung vieler Kitas respektive Gruppen geworden ist. Dabei haben sich grup-penübergreifende Organisationsstrategien gut bewährt. Diese ermöglichten die Durchführung des kollegialen Austausches und eine parallele Betreuung der Kinder.Die Umsetzung der geplanten nächsten Schritte im Alltag stellte dagegen ein grösseres Problem für die meis-ten Teams dar. Beim kollegialen Austausch wurden sehr kreative und unterstützende „nächste Schritte“ für die Kinder geplant. Die Umsetzung dieser hat – vor allem

Beobachtung

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

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am Anfang – in den meisten Teams jedoch nicht stattge-funden. Im Alltag sind die geplanten „nächsten Schritte“ häufig in Vergessenheit geraten. Zahlreiche Gruppen ha-ben diese Problematik erkannt und im Praxiscoaching thematisiert. Viele nützliche Ideen und erfolgreiche Lö-sungen konnten entwickelt werden, um die geplanten „nächsten Schritte“ in den Alltag der Gruppen einzubin-den. Diese wurden vor allem visuell, in verschiedensten Formen (z.B. anhand von farbigen Zetteln oder Schie-fertafeln) für das ganze Team sichtbar dargestellt. Die Übersichten haben vielen Teams die Umsetzung der „nächsten Schritte“ im Alltag erleichtert. Im zweiten Weiterbildungsblock lernten die Mitarbeiten-

den verschiedene Dokumentationsformen anhand der „Bildungs- und Lerngeschichten“ kennen. Das Verfassen von Lerngeschichten war ein Highlight für viele Mitar-beitende. Das Schreiben wurde von den meisten Gruppen intern organisiert. Die Gruppenleitung hat grösstenteils spontan entschieden, wann sich eine Person für eine hal-be Stunde zurückziehen kann. Bestehende Bürozeiten der Mitarbeitenden wurden ebenfalls gerne für das Schreiben von Lerngeschichten genutzt. Die Lerngeschichten wur-den vorwiegend anhand einer Beobachtung geschrieben. Für die meisten Mitarbeitenden war es leichter Situati-onen zu beschreiben, die sie selbst beobachtet haben.

Am Anfang des Prozesses wurde beim Formulieren von Lerngeschichten sehr viel Wert auf die Beschreibung der Beobachtungssituation und die Wertschätzung des Kin-des gelegt. Die Lern- und Bildungsprozesse der Kinder rückten eher in den Hintergrund. Nach dem Aufgreifen dieses Themas im Praxiscoaching wurde die Qualität der Lerngeschichten dann zunehmend hochwertiger und die Mitarbeitenden reflektierten darin auch die Bildungs- und Lernprozesse des Kindes. Ähnliche Prozesse liessen sich auch bei der Umsetzung von Wanddokumentationen bzw. „sprechenden Wän-den“ beobachten. Auch hier lag der Fokus am Anfang der Umsetzung in der Aufreihung von möglichst vielen Fo-

tos, die bestenfalls alle Kinder der Gruppe abbilden. Die Darstellung von Bildungs- und Lernprozessen der Kin-der mit dazugehörenden Kommentaren und Erklärungen der Kinder und Mitarbeitenden liessen sich während der gesamten Implementierungszeit nur bei einigen wenigen Gruppen beobachten. Die Umsetzung dieser Dokumenta-tionsform wurde den Kitas freigestellt, so haben nicht alle Gruppen die „sprechenden Wände“ im Alltag umgesetzt.Bei der Umsetzung des Portfolios gab es Gruppen, die viel Kreativität bei der Gestaltung bewiesen. Die Ko-Konstruktion zwischen Kindern und Mitarbeitenden bei der Einführung der Portfolios war sehr förderlich für die spätere Beziehung der Kinder zu ihren Ordnern. Gruppen, welche die Kinder von Anfang an bei allen Ent-scheidungsprozessen rund um das Portfolio einbezogen, berichten wie sehr die Kinder die Portfolios nutzen und als ihr Eigentum erachten. Hingegen äussern Gruppen, welche die Kinder am Anfang des Umsetzungsprozesses eher ausklammerten, dass die Kinder wenig Interesse an ihren Portfolios zeigen und es im Alltag kaum nutzen.

Was war begünstigend für die Umsetzung der „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ in der Praxis, was erschwerend? Zu den wichtigsten begünstigenden Faktoren für die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ zählt eine strukturierte Organisation auf den einzelnen Grup-pen und in der Kita. Dazu gehört die klare Zuweisung

„Für die Eltern ist es noch ein tieferer Einblick, als wenn man ihnen einfach sagt, das Kind kommt gerne in die Krippe und verhält sich so und so. Es gibt konkrete Beispiele in den Lerngeschichten. Ich denke, für die Eltern ist es einfacher, in unsere Krippe hineinzusehen.“ (Er-zieherin)

Kollegialer Austausch

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27Newsletter Juni 2011

Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

von Verantwortlichkeiten für die einzelnen Bereiche und Arbeitsschritte der „Bildungs- und Lerngeschichten“. Wenn die Gruppen ein funktionierendes Beobachtungs-system besitzen, die Beobachtungs- und Analysebögen im Alltag griffbereit sind, der kollegiale Austausch fest in der Monatsplanung verankert ist und Zeitfenster für das Schreiben der Lerngeschichten geschaffen wurden, las-sen sich die „Bildungs- und Lerngeschichten“ schneller in den pädagogischen Alltag integrieren und regelmässig umsetzen. Eine Integration des Ansatzes wird ebenfalls durch eine beständige Umsetzung des Verfahrens begüns-tigt. Gruppen, die bei Personalausfall die Umsetzung des Verfahrens in einer reduzierten Form weiterführen, kön-nen den Ansatz schneller in ihren Alltag einbinden als Gruppen, die auf die Umsetzung während des Perso-nalsaufalls verzichten.Die Einstellung des Kitateams gegenüber dem Ansatz der „Bildungs- und Lerngeschichten“ hat eine bedeutsa-me Auswirkung auf die Integration. Teams, die durch die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ einen Mehrwert für ihre pädagogische Arbeit erkannten, integ-rierten das Verfahren schneller in ihren Alltag und setzen es regelmässiger um. Zudem lag in schwierigen Zeiten (Eingewöhnungen, Personalausfall, Lehrabschlussprü-fungen...) bei ihnen die Priorität auf der Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“. Teams, die den Mehrwert für die pädagogische Arbeit nicht erkannten, empfanden die Umsetzung der „Bildungs- und Lern-geschichten“ eher als Belastung und Mehraufwand. In schwierigen Zeiten rückte die Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ dann eher in den Hintergrund oder wurde nicht durchgeführt. Eingruppige und kleine Kitas waren bei der Umsetzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ sehr stark von ih-ren Rahmenbedingungen abhängig. Wenn in diesen Kitas Personal ausfiel, konnte dieses nicht durch Personal aus anderen Gruppen kompensiert werden. Dieser Personal-mangel im Alltag hat die Umsetzung aller Arbeitsschritte der „Bildungs- und Lerngeschichten“ beeinflusst. Das Be-obachten konnte nicht regelmässig durchgeführt werden, dadurch war die Grundlage für die gemeinsame Reflexion im kollegialen Austausch begrenzt. Der kollegiale Aus-tausch wurde häufig verlegt, da bei Personalengpässen die parallele Betreuung der Kinder nicht gewährleistet werden konnte. Ebenso fehlten dann die Zeitfenster für das Schreiben von Lerngeschichten.

Was hat sich durch die „Bildungs- und Lerngeschich-ten“ verändert?Die 1,5-jährige Praxisimplementierung in den Kitas en-

dete mit einem Abschlussabend, bei dem das gesamte Team der Einrichtung teilnahm. An der Abschlussveran-staltung wurde gemeinsam reflektiert: Was hat sich durch die Umsetzung des Verfahrens der „Bildungs- und Lern-geschichten“ für Euch verändert? Die Mitarbeitenden der Kitas berichteten an dieser Stelle über viele Verände-rungen in der pädagogischen Arbeit, in der persönlichen Einstellung, in der Arbeit mit den Kindern, den Eltern und im Team, die jeweils auf die Umsetzung der „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ zurückzuführen sind. Im Folgenden werden die meistgenannten Merkmale zusam-mengefasst dargestellt:

• Bewusstes, regelmässiges, schriftliches, detailliertes und interpretationsfreies Beobachten integriert sich in den Alltag.

• Durch das Beobachten schärft sich der Blick für die Lern- und Bildungsprozesse der Kinder.

• Durch das Beobachten wird jedes einzelne Kind von jeder/jedem Mitarbeitenden der Gruppe in den Fo-kus genommen.

• Die Individualität und die Stärken jedes einzelnen Kindes werden sichtbar und rücken in den Vorder-grund.

• Es gibt einen regelmässigen Austausch über die Lern- und Bildungsprozesse der einzelnen Kinder.

• Der Austausch im Team ist gezielter, intensiver und fachlicher.

• Alle Mitarbeitenden der Kita haben bei der Um-setzung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ die gleichen Kompetenzen.

• Die Zusammenarbeit im Team wächst. • Die Kinder bekommen durch die Beobachtung und

die Lerngeschichte eine grosse Wertschätzung.• Die Kinder sind sehr stolz auf ihre Lerngeschichten

und ihre Portfolios. • Die Kinder übernehmen Verantwortung (Portfolio).

Kollegialer Austausch

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

28 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

• Die Kinder entscheiden mit und werden ernst ge-nommen.

• Die Sichtweisen der Kinder bekommen eine grösse-re Akzeptanz.

• Die pädagogische Arbeit ist transparenter gegenüber den Eltern und ermöglicht ihnen Teilhabe.

Alle 12 Projekteinrichtungen wollen das Verfahren der „Bildungs- und Lerngeschichten“ nach Abschluss der Im-plementierungszeit weiterhin umsetzen. Zudem haben sich viele für die Aufnahme des Beobachtungsverfah-rens in ihr pädagogisches Konzept der Kita entschieden.

Am Abschlussabend in den Kitas stellt ein Grossteil der Teams fest, dass sie sich gerade in der Mitte ihres Inte-grationsprozesses der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in den Alltag befinden. Vor allem bei den Themen „Bil-dungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern“ und „Austausch mit dem Kind“ sehen viele Kitas noch weite-res Entwicklungspotential in der Zukunft. Aber auch die regelmässige Reflexion und Evaluation der Umsetzung von bereits integrierten Arbeitsschritten steht für viele Ki-tas im Vordergrund ihrer Zukunftsplanung.

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft? Wie Kitamitarbeitende und Eltern ihre Zu-Erziehungspartnerschaft? Wie Kitamitarbeitende und Eltern ihre Zu-sammenarbeit erleben – Erste Ergebnisse aus den BefragungenKatrin Schaerer-Surbeck & Corina Wustmann Seiler

Neuere Forschungen aus den Bereichen der Entwicklungspsychologie, Säuglingsforschung und Neu-rowissenschaften zeigen auf, dass bereits Kleinstkinder eigenaktiv und konstruktiv an ihren Lern- und Entwick-lungsprozessen beteiligt sind sowie äusserst neugierig und offen auf ihre Umwelt zugehen (vgl. dazu den Bei-trag von Wustmann im 1. Newsletter, 2010). Dabei sind es die Bezugspersonen, die den Kleinstkindern über ge-meinsame ko-konstruktive Interaktionsprozesse wichtige (Lern-)Erfahrungen ermöglichen (vgl. dazu die Beiträge von Cusati und Weltzien im 2. Newsletter, 2010). Diese Erkenntnisse haben auf die Beziehungsgestaltung in der öffentlichen Kleinkindbetreuung bedeutenden Einfluss. So ist das pädagogische Personal nicht mehr nur für Be-treuungs- und Erziehungsprozesse zuständig, sondern auch für die Begleitung und Anregung der Bildungspro-zesse der Kinder. Zu ihrem Aufgabenspektrum gehört dabei die enge Zusammenarbeit unter den Bezugsper-sonen (also auch mit den Eltern) sowie die gemeinsame Reflexion und Unterstützung der Bildungs- und Lernpro-zesse der Kinder. Dieser Hintergrund hat bedeutenden Einfluss auf das pädagogische Handeln der Kitamitarbeitenden, ihr Be-rufsbild sowie die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Kita und Familie (vgl. dazu den Beitrag von Schaerer-Surbeck im 1. Newsletter, 2010). Da Bildung, Erziehung und Betreuung von Kleinkindern sowohl Auf-gabe der Familie als auch der Kita ist, „sollten beide Seiten die Verantwortung teilen und als gleichberechtigte Partner zusammenarbeiten. Eine hohe Qualität der Elter-narbeit ist dann gegeben, wenn eine intensive Beziehung zwischen Erzieherinnen und Eltern entsteht … Nach dem Motto: Gemeinsam sind wir stärker“ (Textor, 2009, S. 9). Beide Seiten – Kita und Eltern – müssen sich gemeinsam

auf eine so genannte „Bildungs- und Erziehungspartner-schaft“ einlassen. Im Rahmen der Fragebogenerhebungen im Projekt haben wir Einstellungen und Meinungen bei Kitamitarbeitenden und Eltern zu dieser „Bildungs- und Erziehungspartner-schaft“ erfasst. Folgenden Fragestellungen wollen wir hierbei u.a. nachgehen:

• Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Kita und Eltern?

• Über welche Themen tauschen sich Kitamitarbei-tende und Eltern aus?

• Wie erleben sie gegenseitig ihre Zusammenarbeit?• Wo sehen Eltern Verbesserungsmöglichkeiten für

die Qualität von Kitas?

Die Datenerhebung erfolgte mit standardisierten Fragebögen zu zwei Zeitpunkten: vor und nach der Pra-xisimplementierung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in den Kitas (t1: September 2009; t2: Oktober/November 2010). Die schriftlichen Befragungen der Kitamitarbeiten-den kamen in den 12 Interventionskitas mit „Bildungs- und Lerngeschichten“ (A-Kitas), den 13 Warte-Kontrollkitas ohne „Bildungs- und Lerngeschichten“ (B-Kitas) sowie den 13 Kitas aus dem Projekt „bildungskrippen.ch“ (C-Kitas), die als so genannte Vergleichgruppe mit einem anderen Beobachtungsverfahren einbezogen wurden, zum Einsatz. Insgesamt nahmen 38 Kitas an der Untersuchung teil. Zum ersten Zeitpunkt (t1) beteiligten sich an den Befra-gungen insgesamt 476 Kitamitarbeitende, zum zweiten Zeitpunkt (t2) 450 (Rücklauf t1: 89.6%; t2: 83.2%). Bei den vorliegenden Ergebnisberichten beschränken wir uns jedoch lediglich auf die Angaben der Kitamitarbeitenden aus den A- und B-Kitas (Interventions- und Kontroll-

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

gruppe). Diese umfassen zum ersten Zeitpunkt insgesamt 321 Kitamitarbeitende, zum zweiten Zeitpunkt 309. 190 Kitamitarbeitende (rund 60%) haben davon zu beiden Zeitpunkten (t1 und t2) an der Befragung mitgewirkt. Das Durchschnittsalter der Kitamitarbeitenden liegt zu bei-den Zeitpunkten bei 25 Jahren. Die grosse Mehrheit der Mitarbeitenden ist weiblich (rund 94%) und hat Schwei-zer Nationalität (rund 85%). Die Kitaleitungen erhielten ebenfalls einen Fragebogen. Ihre Angaben sind bei den beschriebenen Auswertungen jedoch noch nicht berück-sichtigt.Die Elternbefragung fand nur in den 12 Interventionskitas mit „Bildungs- und Lerngeschichten“ (A-Kitas) statt und erfolgte auch zu zwei Zeitpunkten: kurz nach Beginn der Praxisimplementierung in den Kitas im Dezember 2009 (t1) sowie am Ende im Dezember 2010 (t2). An den El-An den El-ternbefragungen nahmen zum ersten Zeitpunkt insgesamt 393 Eltern teil, zum zweiten Zeitpunkt 352 (Rücklauf t1: 71.1%; t2: 66.2%). Davon haben 200 Eltern (rund 37%) zu beiden Zeitpunkten (t1 und t2) die Fragebögen ausge-füllt und zurückgesandt. Die Eltern sind im Durchschnitt 36 Jahre alt. Sie sind damit rund 11 Jahre älter als das pädagogische Personal. Die grosse Mehrheit der Eltern-Die grosse Mehrheit der Eltern-fragebögen wurde von den Müttern ausgefüllt (rund 85%). Über zwei Drittel der befragten Eltern haben Schweizer Nationalität (rund 70%). Auch verfügt die Mehrheit der Eltern über einen akademischen Ausbildungsabschluss an einer Fachhochschule oder Universität (rund 70%).

Formen der ZusammenarbeitWenn man die Kitamitarbeitenden nach den hauptsäch-lichen Ansprechpersonen bei den Eltern befragt, gibt etwas mehr als die Hälfte (rund 55%) an, mit beiden El-ternteilen Kontakt zu haben. Etwas weniger als die Hälfte äussert, dass sie vorwiegend in Kontakt mit den Müttern sind. Aus der Perspektive von beiden Zielgruppen – El-tern und Kitamitarbeitenden – werden folgende Formen

der Zusammenarbeit regelmässig in den Kitas praktiziert und von den meisten der Befragten als „sehr sinnvoll“ ein-gestuft:

• Gespräche beim Bringen und Abholen der Kinder • Elterngespräche • Elternbriefe und Elterninformationen • Teilnahme der Eltern an Aktivitäten der Kita

(Feste, Ausflüge).

Hierbei wird deutlich, dass die oben aufgeführte Reihen-folge was „am sinnvollsten“ bewertet wird, sich bei beiden Zielgruppen über beide Zeitpunkte hinweg gleich abbil-det. Darüber hinaus sind sich beide Gruppen darin einig, dass die Umsetzung in der Praxis aber anders aussieht: In der Reihenfolge, was am regelmässigsten praktiziert wird, finden sich zu beiden Zeitpunkten ebenfalls an erster Stel-le Gespräche beim Bringen und Abholen der Kinder, an zweiter Stelle folgen jedoch Elternbriefe und Elternin-formationen als einen Rang vor Elterngesprächen. Diese werden in der Praxis weniger regelmässig umgesetzt, ob-wohl sie beidseitig zu beiden Zeitpunkten als äusserst sinnvoll eingestuft werden. In den Ergebnissen zeigt sich ferner, dass die Eltern nicht regelmässig in den Kitaalltag einbezogen werden. So wird von der grossen Mehrheit der befragten Kitamitarbeiten-den zu beiden Zeitpunkten ausgesagt, dass der „Besuch der Eltern im Kitaalltag“ (rund 80%) sowie die „Mitarbeit von Eltern in der Kindergruppe“ (rund 85%) nicht regel-mässig praktiziert werden. Die meisten Eltern (rund 85%) und die Mehrheit der Kitamitarbeitenden (rund 70%) sind sich jedoch zu allen Befragungszeiten darin einig, dass Elternbesuche in der Kita durchaus als sinnvoll bewertet werden können. Auch schätzt jeweils über die Hälfte aus beiden Gruppen die Mitarbeit von Eltern in der Kinder-gruppe als „teils bzw. sehr sinnvoll“ ein (Eltern rund 55%; Mitarbeitende rund 65%).

Anzahl Elterngespräche in der KitaBefragt man die Eltern nach der Anzahl Gespräche mit den Kitamitarbeitenden (ohne „Tür und Angelgespräche“) gibt knapp die Hälfte (rund 45%) an, sich einmal pro Jahr für ein Elterngespräch mit den pädagogischen Fachkräften zu verabreden. Ein Drittel der Eltern äussert, dass bei ihnen bislang noch gar keine Elterngespräche stattgefun-den haben. Rund 20% der befragten Eltern berichten von zwei und mehr Gesprächen pro Jahr. Diese Häufig-keitsangaben werden von den Eltern

Abbildung1: Anzahl Elterngespräche t1 und t2 Nt1=390 / Nt2=339

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

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zu beiden Zeitpunkten gleichermassen zurückgemeldet. Aus den Angaben der Eltern kann folglich eine grosse Heterogenität bei der Anzahl von Elterngesprächen in den Kitas geschlussfolgert werden (Abbildung 1).

Gesprächsthemen zwischen Eltern und Kitamitar-beitendenAm häufigsten wird aus Sicht der Eltern und Kitamitarbei-tenden über folgende Themen miteinander gesprochen:

• Erlebnisse des Kindes in der Kita• Aktivitäten der Kita• Tagesablauf• Gesundheitszustand des Kindes.

Die Mehrheit der Eltern und Kitamitarbeitenden gibt zu beiden Befragungszeiten an, über diese Themen „oft“ zu sprechen (Abbildung 2 und 3). Das Ergebnis kann in Verknüpfung mit den beschriebenen Formen der Zusam-menarbeit gesehen werden, in dem z.B. „beim Bringen und Abholen der Kinder“ gerade über diese Themen Auskunft gegeben wird. Auch ist man sich beidseitig mit über 80% darin einig, dass „persönliche Probleme“ selten bis nie thematisiert werden. „Erwartungen an die ErzieherInnen“ werden von über drei Viertel der Befrag-ten als „selten“ oder „ab und zu“ eingestuft. Etwas mehr als ein Drittel der Eltern gibt an, dass die Themen „Beratung und Erziehungsfragen“ sowie „Erzie-hungsschwierigkeiten mit dem Kind“ in Gesprächen mit den pädagogischen Mitarbeitenden „ab und zu“ vorkom-men, seitens des pädagogischen Personals sind es über die Hälfte. Auffallend ist, dass die Wahrnehmung, wel-che Gesprächsthemen oft miteinander diskutiert werden, sich bei einigen Themen zwischen Eltern und Kitamit-

arbeitenden deutlich unterscheiden: So geben über zwei Drittel der Kitamitarbeitenden (70%) an, „oft“ über die „Stärken des Kindes“ mit den Eltern zu sprechen, bei den Eltern sind es hingegen lediglich rund ein Viertel. Auch bei den Gesprächsthemen „Lernen des Kindes“, „Vorlie-bens des Kindes“ und „Interessen des Kindes“ gehen die Einschätzungen zwischen Eltern und Kitapersonal deut-lich auseinander, wie oft über diese Themen miteinander gesprochen wird. Die Kitamitarbeitenden schätzen die Häufigkeit des Themas jeweils wesentlich höher ein als die Eltern.Fasst man die Gesprächsthemen zwischen Eltern und Kitamitarbeitenden zu übergeordneten Kategorien zu-sammen, so lassen sich „Ressourcenorientierte Themen“ (z.B. Vorlieben und Interessen des Kindes) und „Er-ziehungs- und Beratungsthemen“ (z.B. Beratung und Erziehungsfragen sowie Schwächen und Probleme des Kindes) ausmachen. In den Ergebnissen lässt sich dabei feststellen, dass „Erziehungs- und Beratungsthemen“ in den Gesprächen mit den Kitamitarbeitenden von Eltern mit fremdsprachigem Hintergrund und nicht akademi-schem Ausbildungsabschluss zu beiden Zeitpunkten deutlich häufiger wahrgenommen werden als von El-tern mit (Schweizer)deutschem Sprachhintergrund und akademischem Ausbildungsniveau. Auch kommen „Er-ziehungs- und Beratungsthemen“ in der Einschätzung von alleinerziehenden Eltern tendenziell öfter vor. Für die Kategorie „Ressourcenorientierte“ Themen lassen sich in der Einschätzung der Eltern keine Unterschiede feststellen. In dem Urteil der Kitamitarbeitenden fällt je-doch auf, dass „Ressourcenorientierte Themen“ in den Gesprächen mit den Eltern zum zweiten Zeitpunkt ten-

Abbildung 2: Themen der Eltern mit ErzieherInnen t2 N=max. 347

Abbildung 3: Themen der ErzieherInnen mit Eltern t2 N=max. 420

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dagegen der „Partnerschaftlich-professionelle Umgang der ErzieherInnen“ (z.B. „Die ErzieherInnen können ihr Handeln für uns Eltern nachvollziehbar begrün-den“ oder „Die ErzieherInnen können bei Bedarf jeder Zeit angesprochen werden“) im Laufe der Zeit etwas ab. Fremdsprachige Eltern erleben zu allen Zeitpunkten jedoch die Gesprächsqualität mit den Kitamitarbeiten-den als stärkenorientierter im Gegensatz zu Eltern mit (Schweizer)deutschem Sprachhintergrund. Die Rück-meldungen der ErzieherInnen über die Stärken und Fortschritte ihres Kindes scheinen insbesondere bei die-ser Zielgruppe von Eltern als Anregung wahrgenommen zu werden.

Wo sehen Eltern Verbesserungsmöglichkeiten für die Qualität von Kitas?Über zwei Drittel der befragten Eltern (rund 70%) sehen zu beiden Zeitpunkten keine Notwendigkeit zur Verbes-serung der Qualität der Kita. Das knappe restliche Drittel berichtet von Verbesserungsmöglichkeiten in folgenden Bereichen (Abbildung 4):

• Bildungs- und Erziehungspartnerschaft• Erfahrungsräume für Kinder• Pädagogisches Personal• Betreuungsangebote in der Kita.

Am meisten Verbesserungsvorschläge werden für den Bereich „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit El-tern“ genannt (t1: rund 35%, t2: rund 40%). Unter dieser Kategorie finden sich Vorschläge und Wünsche der Eltern für mehr Elterngespräche, mehr Elterninformationen, mehr Beobachtungen, Dokumentationen und Gesprä-che über die Entwicklung und das Lernen ihres Kindes sowie eine stärkere Einbindung der Eltern in den Kitaall-tag. Äusserungen von Eltern dazu lauten beispielweise wie folgt: „Wir haben seit eineinhalb Jahren kein ein-ziges Elterngespräch gehabt“, „Mehr 1:1 Diskussionen über unser Kind und dessen Entwicklung und Lernen“,

denziell zugenommen haben. Ausserdem kommen sie in den Interventionskitas mit „Bildungs- und Lerngeschich-ten“ (A-Kitas) zu beiden Zeitpunkten erheblich öfter vor als in den Kontrollkitas ohne „Bildungs- und Lernge-schichten“ (B-Kitas), was auf positive Veränderungen durch das Beobachtungsverfahren zurückgeführt werden kann.

Wie werden die Gespräche gegenseitig erlebt?Die sehr grosse Mehrheit der befragten Eltern und Ki-tamitarbeitenden (jeweils über 95%) gibt zu beiden Zeitpunkten an, dass sie den Umgang miteinander grund-sätzlich als partnerschaftlich und kooperativ erleben. Fast alle der befragten Eltern (rund 95%) sind der Meinung, dass die Kitamitarbeitenden im Allgemeinen einen guten Blick für die Entwicklung und das Lernen ihrer Kinder haben. Auch die meisten pädagogischen Mitarbeitenden (rund 90%) bekräftigen, dass die Eltern im Allgemeinen auf die Lernprozesse ihrer Kinder achten. Über ein Viertel der Mitarbeitenden äussert jedoch auch, dass es ihnen schwer fällt, den Erziehungsstil der Eltern zu verstehen und berichtet von grossen Unterschieden in den jeweiligen Erziehungsvorstellungen. Dagegen gibt rund ein Viertel der Eltern an, dass sie in den Gesprä-chen mit den Kitamitarbeitenden kaum auf die Stärken ihres Kindes aufmerksam gemacht werden. Auch wer-den sie durch die Gespräche mit den Mitarbeitenden kaum dazu angeregt, genauer auf die Lern- und Entwick-lungsfortschritte ihres Kindes zu achten (rund 40%). Nur etwas mehr als die Hälfte der Eltern (rund 58%) be-wertet das Interesse der Mitarbeitenden an dem, was ihr Kind ausserhalb der Kita erlebt, als gross. Demgegen-über beurteilt die grosse Mehrheit der Mitarbeitenden (rund 85%), dass die Eltern grosses Interesse an ihnen und ihrer pädagogischen Arbeit in der Kita zeigen. Fast alle Kitamitarbeitenden (90%) berichten, dass ihnen die Zusammenarbeit mit den Eltern leicht fällt und Spass macht.Fasst man die Aspekte zur erlebten Ge-sprächsqualität und Zusammenarbeit zwischen Kita und Eltern zu einem Index „Partnerschaftlich-kooperative Zu-sammenarbeit mit den Eltern“ bei den Aussagen der Kitamitarbeitenden zu-sammen, so lassen sich deutlich positive Veränderungen über die Zeit feststel-len: In der zweiten Befragungswelle wird die erlebte Zusammenarbeit mit den Eltern über alle Kitas hinweg er-heblich positiver bewertet als in der ersten. In den Augen der Eltern nimmt

Abbildung 4: Verbesserungsvorschläge der Eltern t1 und t2 Nt1=98 / Nt2=86

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„Bei Tür- und Angel-Gesprächen nicht nur Organisatori-sches (Essen, Schlafen, Tagesprogramm), sondern auch Beobachtungen zu unserem Kind“, „Regelmässige El-terngespräche, auch wenn keine Probleme vorliegen“, „Mehr die Eltern einbeziehen, z.B. könnten die Eltern kleine Exkursionen und Spaziergänge begleiten“, „Die Eltern sollten stärker in die Pläne, Ideen, pädagogische Ausrichtung, das Konzept der Kita involviert werden, z. B. regelmässige Begegnungsmöglichkeiten mit ande-ren Eltern, mit den Erzieherinnen und Kindern – nicht nur ein Bringen und Holen der Kinder“. Weiterhin sprechen sich die Eltern für mehr bzw. besse-re „Erfahrungsräume für die Kinder in der Kita“ aus (t1: rund 20%, t2: rund 25%). In diese Kategorie fallen Vor-

schläge der Eltern für mehr Anregungen und Aktivitäten im Kitaalltag (z.B. Aktivitäten in der Natur, Ausflüge, Angebote zur Bewegung und Musik), mehr Angebo-te zur individuellen Förderung der Kinder sowie einen besseren Betreuungsschlüssel. Diese Vorschläge finden sich beispielsweise in folgenden Äusserungen von El-tern wieder: „Mehr frische Luft – ich möchte, dass die Kinder jeden Tag nach draussen gehen“, „Viele verschie-Viele verschie-dene Anregungen geben, viel in die Natur gehen, aus den Anregungen, die vom Kind aufgenommen werden, ein individuelles Angebot für das Kind erstellen“, „Mehr Kreativität zulassen, kein ‚Malen nach Zahlen’ oder Bas-teln nach Vorgaben, sondern mehr auf den Wissensdurst der Kinder eingehen“. In Bezug auf das „pädagogische Personal“ wünschen sich Eltern mehr Kontinuität bei den Betreuungsper-sonen, mehr ausgebildetes Personal, einen höheren Männeranteil sowie mehr gesellschaftliche Akzeptanz von Kitas (t1: rund 23%; t2: rund 18%): „Ich wünsche mir, dass das Personal nicht jedes Jahr wechselt, ich sel-ber verliere den Überblick, wer wer ist“, „Es sollte mehr ausgebildete Erzieherinnen geben“, „Auch männliche Erzieher (als Vorbilder)“. Zu guter Letzt äussern die Eltern Verbesserungsvorschlä-ge für das „Betreuungsangebot in der Kita“ (t1: rund 22%, t2: rund 17%). Dazu gehören mehr Flexibilität und längere Öffnungszeiten der Kitas, geringere Kosten für den Kitaplatz, eine bessere (Raum)Ausstattung sowie bessere Gesundheitsförderung (insbesondere beim Es-sen) in den Kitas.

FazitGrundsätzlich wird die gegenseitige Zusammenarbeit von den meisten befragten Kitamitarbeitenden und El-tern als kooperativ und partnerschaftlich eingestuft. Für die Mehrheit der Kitamitarbeitenden macht die Zusam-menarbeit mit den Eltern Spass. Nichtsdestotrotz lassen sich aber auch Entwicklungspotentiale ausmachen: So äussern die Eltern grossen Bedarf an mehr und regelmäs-sigen Elterngesprächen, in denen die Kitamitarbeitenden über die Beobachtungen, Erlebnisse und Bildungsprozes-se ihres Kindes Auskunft geben. Gibt man zu Bedenken, dass die Mehrheit der Eltern zu beiden Zeitpunkten von bislang gar keinem Elterngespräch oder einem Elternge-spräch pro Jahr berichten, ist dies vor dem Hintergrund

einer gemeinsamen „Bildungs- und Erziehungspartner-schaft“ durchaus als ausbaufähig zu bewerten. Nimmt man weiterhin in Betracht, dass insbesondere von fremdsprachigen Eltern die Gespräche mit den Kitamit-arbeitenden über Erziehungs- und Beratungsthemen sowie die Stärken und Fortschritte ihres Kindes als eine wichtige Anregung wahrgenommen werden, können die pädagogischen Fachkräfte gerade für diese Zielgruppe elementare Ansprechpersonen für die Erziehung und Bil-dungsförderung ihrer Kinder sein. Kitas können auf der Basis einer solchen gemeinsamen „Bildungs- und Erzie-hungspartnerschaft mit Eltern“ eine wertvolle Brücke zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit von Kindern aus eher benachteiligten Kontexten sein.In den Ergebnissen unserer Befragungen zeigt sich darüber hinaus, dass die Eltern noch stärker in die Ausge-staltung des Kitaalltags mit eingebunden werden können, erst recht da beide Zielgruppen – Kitamitarbeitende und Eltern – die Mitwirkung von Eltern in der Kita generell als sinnvoll einschätzen. Für gelingende Prozesse einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Kita und Familie ist jedoch die Haltung der pädagogischen Mitarbeitenden von grosser Bedeutung. So wird als Grundvoraussetzung und Basis einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit eine positive und offene Haltung der Mitarbeitenden den Eltern gegenüber angesehen (vgl. Pietsch, Ziesemer & Fröhlich-Gildhoff, 2010). Die päda-gogischen Mitarbeitenden müssen hier den ersten Schritt tun und den Eltern eine einladende Haltung signalisieren.

„Ich finde meine Kolleginnen sind viel offener geworden, denken viel mehr mit und übernehmen Verantwortung.“ (Kitaleitung)

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

Es liegt an ihnen, den Eltern Einblick in ihren pädagogi-schen Alltag in der Kita zu ermöglichen.Die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Kita und Familie ist eine wichtige Ressource zur Bil-dungs- und Entwicklungsförderung von Kindern. Dieses Potential gilt es zukünftig noch stärker auszubauen und zu nutzen. Wir sind der Überzeugung, dass die „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ für diese Umsetzung einen wichtigen Beitrag leisten können, indem sie Transparenz über die pädagogische Arbeit in Kitas schaffen und allen Beteiligten Einblick in die Erlebnisse, Stärken und Lern-prozesse der Kinder geben.

LiteraturhinweisePietsch, S., Ziesemer, S. & Fröhlich-Gildhoff, K. (2010).

Zusammenarbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen – Internationale Perspektiven. Ein Überblick: Studie und Forschungsergebnisse. Expertise für das Projekt Weiter-bildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). München: Deutsches Jugendinstitut e.V. (URL: www.wei-terbildungsinitiative.de/publikationen/eltern.html).

Textor, M.R. (2009a). Elternarbeit im Kindergarten: Ziele, Formen, Methoden. Norderstedt: Books on Demand GmbH.

Textor, M.R. (2009b). Die Familie in Gegenwart und Zukunft: Positionen, Provokationen, Prognosen. Norderstedt: Books on Demand GmbH.

Ausblick

Die Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ geht weiter…

Wir freuen uns, die Erkenntnisse aus der 1. Phase der Implementierung für die 2. Phase (bis Februar 2013) mit den 13 Kitas der Kontrollgruppe (B-Kitas) zu nut-zen und weiter umzusetzen. Ab Herbst 2011 werden wir das Angebot der Praxisimplementierung der „Bildungs- und Lerngeschichten“ für weitere interessierte Kitas in der Deutschschweiz öffnen und entsprechende Pakete in unser MMI-Dienstleistungsangebot integrieren. Auch planen wir, Fortbildungskurse rund um die Arbeit mit den „Bildungs- und Lerngeschichten“ (Vertiefungskur-se, Einführungskurse für neue Kitamitarbeitende, …) in unser jährliches MMI-Fortbildungsprogramm aufzuneh-men. Weitere Informationen dazu werden wir auf unserer

Website aufschalten: www.mmi.ch. Im Rahmen des Projektvorhabens „Bildungsorientierung in Kitas“, unter der Leitung und im Auftrag des Sozialde-partements der Stadt Zürich, haben Kitas aus dem Raum Zürich-Nord ab Herbst 2011 ebenfalls die Möglichkeit, mit unserer Begleitung das Beobachtungsverfahren der „Bildungs- und Lerngeschichten“ in ihrer Praxis einzu-führen und zu verankern.Für die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse aus unserem Projekt planen wir verschiedene Publikationen. Gerne werden wir Sie zu gegebener Zeit über die Pro-dukte informieren.

Kontakt

Marie Meierhofer Institut für das KindBildungsprojektSchulhausstrasse 64CH-8002 ZürichTel. +41 44 205 5226Email: [email protected]: http://www.mmi.ch/bildungsprojekt

„Ich habe das Gefühl, dass jedes einzelne Teammitglied die Kinder sehr viel genauer wahrnimmt und dadurch auch viel mehr Verständ-nis und Geduld für das, was die Kinder machen, entwickeln können.“ (Kitaleitung)

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Bildungspartnerschaften... – Erfahrungen und Ergebnisse aus 2 Jahren Projektarbeit

34 Bildungs- und Resilienzförderung im Frühbereich

In den vergangenen zwei Jahren konnten wir viele wert-volle Anregungen von Ihnen aus der Praxis aufgreifen und für die gemeinsame Weiterentwicklung der „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ in der Schweiz aufbereiten und nutzen. Für uns war und ist die gemeinsame Ent-wicklungsreise „Bildungs- und Lerngeschichten in der Schweiz“ eine wunderbare Erfahrung, die „Bildungs-partnerschaft zwischen Forschung und Praxis“ lebendig werden zu lassen. Wir sind stolz und tief beeindruckt, mit welcher Innovati-onsfreude, Motivation und Tatkraft, Sie sich gemeinsam mit uns auf diesen Weg gemacht haben, Sie Verände-rungen in Ihrem pädagogischen Alltag mit den Kindern, Eltern und im Team vollzogen haben, Sie Stolpersteine aus dem Weg geräumt und mit uns gemeinsam nach sinn-vollen Lösungen für eine gute Praxisumsetzung gesucht haben. Veränderungsprozesse brauchen Mut und Durch-haltevermögen. Beides haben Sie bewiesen und uns immer wieder gezeigt, dass es auch in „harzigen“ Zeiten weitergeht. Der intensive Austausch und Dialog, die gegensei-tige Wertschätzung, Transparenz und Offenheit sind bedeutende Eckpfeiler unserer gemeinsamen Bildungs-

Bildungspartnerschaft zwischen Forschung und Praxis – Eine Danksagung

partnerschaft. Die Praxiserfahrungen und Ergebnisse aus unserem Projekt sind Beweis genug, dass sich die ge-meinsamen Anstrengungen und Veränderungen für alle Beteiligten – in allererster Linie die uns anvertrauten Kinder, aber ebenso die Eltern, pädagogischen Mitarbei-tenden und Fachteams – mehr als gelohnt hat.Wir sind Ihnen zu grossem Dank verpflichtet, mit wel-cher Offenheit Sie uns Ihre Türen geöffnet und uns Einlass in Ihre pädagogische Praxis gewährt haben. Die erlebte Zusammenarbeit macht Lust auf mehr! Wir freu-en uns deshalb darauf, weiterhin von Ihren Eindrücken, Erlebnissen und Weiterentwicklungen rund um die „Bil-dungs- und Lerngeschichten“ zu hören und mit Ihnen die gemeinsam aufgebaute Bildungspartnerschaft zwischen Forschung und Praxis weiter auszubauen. Nur so ist es uns möglich, die Qualität von frühkindlicher Bildung in der Schweiz – gemeinsam aus Forschung und Praxis – weiter voranzutreiben. Wir wünschen Ihnen allen für die Zukunft sowie für das lebendige und bunte Weiterleben der „Bildungs- und Lerngeschichten“ alles erdenklich Gute!

Corina Wustmann Seiler & das MMI-Projektteam

Wir danken allen Kitaleitungen, Kitamitarbeitenden, Eltern und Kin-dern ganz herzlich für Ihr tatkräftiges Mitwirken und Ihr grosses Engagement in unserem Projekt! Ebenso gilt unser Dank der Stiftung Mercator Schweiz, der Jacobs Foundation, dem Schweizerischen Na-tionalfonds und der Hamasil Stiftung für Ihr Vertrauen in unser Projekt und Ihre finanzielle Förderung sowie den Mitgliedern unseres beglei-tenden Forschungsbeirats für Ihre wertvollen Anregungen und Impulse. Ohne die Unterstützung von Ihnen allen hätten wir das Projekt so nicht umsetzen können.

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Neuss, N. (Hrsg.)(2010). Grundwissen Elementarpädagogik. Berlin: Cornelsen.

Remsperger, R. (2011). Auf die Beziehungsgestaltung kommt es an: Sensitive Responsivität im pädagogischen Alltag. Frühe Kindheit, 1, 27-31.

Schäfer, G. E., Staege, R. & Meiners, K. (Hrsg.)(2010). Kin-derwelten – Bildungswelten. Unterwegs zur Frühpädago-gik. Berlin: Cornelsen.

Schmid-Spindler, A. (2010). Bildungswege. Welt des Kindes, 5, 16-19.

Teschner, M. (2011). Annehmen, anerkennen, anregen: Mit „sprechenden Wänden“ dokumentieren Kinder ihre Bil-dungsgeschichten. TPS Theorie und Praxis der Sozialpäda-gogik, 3, 12-13.

Viernickel, S. (2010). Beobachtung erzeugt Resonanzen: Wa-rum Beobachten und pädagogisches Handeln unbedingt zu-sammen gehören. Kindergarten heute, 11-12, 8-15.

Weltzien, D. (2010). Beobachtung – über Gespräche mehr er-fahren. Kindergarten heute, 9, 8-12.

Eibeck, B. & Kulcke, G. (2010). Lust auf Lerngeschichten. Be-trifft Kinder, 10, 6-11.

Haucke, K. (2010). Learning-Storys sind anders als Bildungs- und Lerngeschichten. Eine Neu-Seh-Land-Reise. KiTa BW, 9, 177-178.

Haucke, K. (2010). Was hat ein Hortkind davon, über sich selbst nachzudenken? Haltung und Praxis der „Bildungs- und Lerngeschichten“ im Hort - Teil 1. KiTa BW, 7/8, 158-160.

Haug-Schnabel, G. & Bensel, J. (2009). Schauen Sie auf die Lerngeschichten der Kleinsten! Diesmal im Blick: Beo-bachten und Dokumentieren bei unter 3-Jährigen. Kinder-garten heute, 9, 43-46.

Krey-Gerve, T. (2011). „Hör mal ...“: Gesprochene Geschich-ten an und für das Kind. TPS Theorie und Praxis der Sozi-alpädagogik, 3, 16-19.

Leu, H.-R. & Behr, A. v. (Hrsg.)(2010). Forschung und Praxis der Frühpädagogik: Profiwissen für die Arbeit mit Kindern von 0-3 Jahren. München: Ernst Reinhardt.

„Praxis berät Praxis“: Für Hospitationen und Nachfragen – Einrichtungen mit „Bildungs- und Lerngeschichten“ als Konsultationskitas

Weiterführende Literatur

Kinderkrippe s’Nuscheli, Claudia Zöbeli, Winterthurer-strasse 544, 8051 Zürich, Tel. 044 322 01 55

Kita UniSpital Zürich, Susann Fischer, Sonneggstrasse 16, 8091 Zürich, Tel. 044 255 57 39

Kinderkrippe Sonnenschein, Floribeth Sieber Berrocal, Dennlerstrasse 37, 8047 Zürich, Tel. 043 321 95 37

Kinderkrippe GFZ 3, Nelly Schorno, Zelgstrasse 37, 8003 Zürich, Tel. 044 462 72 70

Kinderkrippe Zypresse, Ulrike Kleefeld, Zentralstrasse 140, 8003 Zürich, Tel. 043 321 81 79

Tandem-Kita Entlisberg, Karoline Franzen, Buthenstrasse 49, 8038 Zürich, Tel. 044 488 10 04

Kinderkrippe Müüsliburg, Monika Kappeler, Bahnhof-strasse 52, 8712 Stäfa, Tel. 043 477 08 60

Kinderkrippe Sennhof, Sandra Nagel-Bachmann, Senn-hüttenstrasse 29, 8903 Birmensdorf, Tel. 043 344 09 11

Kindertagesstätte Muri b. Bern, René Baumgartner, Meisenweg 12, 3073 Gümligen, Tel. 031 951 18 67

Kita Eichhörnli, Ramona Günther, Sälistrasse 20, 6005 Luzern, Tel. 041 240 77 27

Tagesheim Dornacherstrasse, Beate Hechmi, Dornach-erstrasse 51, 4053 Basel, Tel. 061 272 70 20

Kids & Co St. Johann, Michèle Güss, Elsässerstrasse 4, 4056 Basel, Tel. 061 322 23 14

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„Unsere Visionen sind, dass Bildungsprozesse stärker im frühpädagogischen Alltag thematisiert werden, dass die öffentliche Hand solche Projekte weiterhin finanziell unterstützt, dass Kinder ihr Portfolio in den Kindergarten mitnehmen können und KindergärtnerInnen dort weiter an-knüpfen können, dass wir mehr Zeit und Personal für die frühkindliche Bildungsarbeit erhalten, dass die Lobby für Mitarbeitende im Kitabereich allgemein gesellschaftlich besser und gewich-tiger wird und dass diese Inhalte auch in der Ausbildung mehr thematisiert und unterrichtet werden. Diese Wünsche und Visionen haben wir.” Nelly Schorno, Leiterin der GFZ Kita 3 Zürich

Das Projekt wird gefördert durch

Hamasil Stiftung