Bezugspersonen hilfreich oder hinderlich? · Bildungs- und Berufsziele von Spitzensportler/innen:...
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Bildungs- und Berufsziele von Spitzensportler/innen:
psychosoziale Einflüsse auf die Zielverwirklichung*
Jeffrey Sallen, Karen Hoffmann, Katrin Albert & Alfred Richartz
Universität Leipzig, Sportwissenschaftliche Fakultät
Literatur1 Conzelmann, A., Gabler, H. & Nagel, S. (2001). Hochleistungssport – persönlicher Gewinn oder Verlust? Lebensläufe von Olympioniken. Tübingen: Attempto.2 Hackfort, D., Emrich, E. & Papathanassiou, V. (1997). Nachsportliche Karriereverläufe. Eine Untersuchung zu berufsbezogenen Karrieren ehemaliger Spitzensportler. Schorndorf: Hofmann. 3 Abele, A.E. (2005). Ziele, Selbstkonzept und Work-Life-Balance bei der längerfristigen Lebensgestaltung. Befunde der Erlanger Längsschnittstudie BELA-E mit Akademikerinnen und Akademikern.
Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 49 (4), 176-186.4 Brunstein, J.C., Maier, G.W. & Dargel, A. (2007). Persönliche Ziele und Lebenspläne: Subjektives Wohlbefinden und proaktive Entwicklung im Lebenslauf. In J. Brandtstädter & U. Lindenberger
(Hrsg.), Entwicklungspsychologie der Lebensspanne: Ein Lehrbuch (S. 270-304). Stuttgart: Kohlhammer.5 Fröhlich, M. & Emrich, E. (2004). Zur Struktur und Funktion der Laufbahnberatung im Kontext systemischer Beratungsleistung. Leistungssport, 34 (3), 23-27.6 Brunstein, J.C. (2001). Persönliche Ziele und Handlungs- versus Lageorientierung: Wer bindet sich an realistische und bedürfniskongruente Ziele? Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische
Psychologie, 22, 1-12.7 Dargel, A. (2005). Zielbindung und Zielplanung. Entwicklung und Überprüfung eines Interventionsprogramms zur Steigerung der Zieleffektivität. Dissertation, Justus-Liebig-Universität Gießen.
Kontakt: [email protected]
Die präsentierten Befunde gehen zurück auf eine vom
Bundesinstitut für Sportwissenschaft geförderte Studie mit
dem Titel „Chronische Belastungen und persönliche Ziele in
Leistungssport- und Bildungskarriere“ (IIA1-071102/07-09).
Wie wirksam unterstützt das soziale Netz die Athlet/innen?
Als besonders hilfreich für die Zielverwirklichung wird die Familie beurteilt. Mit einigem Abstand werden auch Lehrer,
Vorgesetzten und Peers als positive Unterstützungsquellen wahrgenommen. Die Kontakte zu Sportkoordinatoren, Sport-
psychologen und Laufbahnberatern folgen in der Rangreihe und erst danach rangieren die Trainer. Die Mittelwerte liegen nahe
an einer neutralen Bewertung, also einer Bewertung als weder hilfreich noch hemmend. Die Mittelwerte in Abb. 3 lassen
bereits vermuten, dass Bezugspersonen auch von einem Gutteil der Athlet/innen als hemmend erlebt werden. Dies trifft
insbesondere auf Erfahrungen mit Trainer/innen, Sponsoren und der Leitung von Olympiastützpunkten zu. Ungenutztes
Unterstützungspotential und Zugangsbarrieren zeigen sich an der Anzahl an Athlet/innen, die bisher keine Erfahrungen mit den
aufgeführten Bezugspersonen besitzen (erkennbar an der Differenz der angegebenen Nennungen pro Antwortkategorie zum
Gesamtstichprobenumfang).
2. Methodisches
Die hier berichteten Ergebnisse fußen auf schriftlichen Selbstauskünften von Spitzensportler/innen aus 18 Olympiastützpunkten
(Abb. 1). In einer standardisierten Befragung (I./II. Quartal 2008) wurden mittelfristige Bildungs- und Berufsziele (6-Monatsziele)
exploriert. Nach sechs Monaten nahmen die Studienteilnehmer/innen erneut Stellung zu den von ihnen formulierten Zielen. Die
Frage nach Zielen war offen formuliert. Ihr folgten zielbezogene, geschlossene Fragen, unter anderem zur Zielverwirklichung, zur
sozialen Unterstützung und zu Barrieren. Der Fragebogen wurde aus vorliegenden und selbst entwickelten Items und Inventaren
zusammengesetzt [6; 7].
3. Ergebnisse
Erreichen Athletinnen ihre Bildungs-/Berufsziele wie geplant?
Zum Zeitpunkt der Folgebefragung haben ca. 27,3% der Befragten ihr Bildungs- oder Berufsziel zu 100%
verwirklicht. Die Mehrheit konnte den eigenen Ansprüchen im gesteckten Zeitfenster jedoch nicht voll
gerecht werden (Abb. 2). Als wichtigste Hindernisse auf dem Weg zum Ziel werden Mangel an Zeit und
fehlende Motivation genannt. Weitere Barrieren treten nur vereinzelt auf (Tab. 1).
1. Ausgangspunkt
Bildungs- und Berufskarrieren von Spitzensportler/innen stehen seit geraumer Zeit unter sportwissenschaftlicher Beobachtung – vor allem in der Diskussion um Auswirkungen des
Leistungssports auf die Persönlichkeitsentwicklung und den nachsportlichen Lebenslauf [1; 2]. Die Analyse persönlicher Ziele bietet einen subjektfokussierten Zugang zu diesen Fragen.
In der Wahl persönlicher Ziele manifestiert sich das Bestreben, das Leben gemäß eigener Absichten zu gestalten und den eigenen Anstrengungen eine persönliche Bedeutung zu
verleihen. Ziele markieren gleichzeitig den Maßstab, an dem die Leistungen z.B. im Studium oder Berufsleben gemessen werden. In der beruflichen Laufbahnforschung haben
persönliche Ziele ihren festen Platz. Sie werden u. a. im Zusammenhang mit Berufserfolg und Work-Life-Balance diskutiert [3; 4]. Auch bei der Beratung von Spitzenathlet/innen wird die
Reflexion persönlicher Ziele als Steuerungsinstrument verwandt [5]. Überraschenderweise fand bisher – im Gegensatz zur regen Anwendung von Verfahren zur Zielsetzung,
Zielvereinbarung und Zielreflexion – kaum eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit persönlichen Zielen im Spitzensport statt. Dabei versprechen empirisch fundierte Interventionen
in diesem Zusammenhang mehr Effektivität bei der Zielverwirklichung und ein höheres subjektives Wohlbefinden [4].
Abbildung 1: Merkmale der Stichprobe
61%39%N = 77
Ø 20,96 Jahre (SD = 4,98)
91% Bundeskader (A, B, C)
9% Übergangskader (D/C)
75% Schüler / Auszubildende / Studierende
22% Sportfördergruppe Polizei / Bundeswehr
3% Berufstätige
Hindernisse bei der Zielverwirklichung M SD
Zeitmangel 4,05 1,51
keine Motivation 3,14 1,54
Konflikte mit wichtigen Personen 1,96 1,27
Erkrankung / Verletzung 1,55 1,04
finanzielle Nöte 1,49 0,84
Umzug / Wohnortwechsel 1,42 1,21
Verlust / Krankheit / Tod einer wichtigen Person 1,32 1,01
Antwortskala: überhaupt nicht (1) bis sehr hinderlich (6)
Tabelle 1: Selbsteinschätzung – Hindernisse bei der Zielverwirklichung (N = 77)
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
oWie sehr haben Sie ihr Ziel bisher umgesetzt?
Abbildung 2: Selbsteinschätzung – Zielverwirklichung (N = 77)
Grad der Zielverwirklichung
Hä
ufig
ke
it
zu
Welche Zielmerkmale begünstigen, dass Athlet/innen ihre Ziele tatsächlich erreichen?
Abb. 4 gibt erste Hinweise darauf. Spitzensportler/innen, die ihrem angestrebten Ziel sehr nahe
gekommen sind, fühlten sich bereits zum ersten Messzeitpunkt stärker mit ihrem Ziel verbunden,
schätzten die Bedingungen zur Realisierung des Ziels als günstiger ein und beurteilten ihren
Zielfortschritt zu beiden Messzeitpunkten positiver als die weniger Erfolgreichen. Inwieweit diese
Zielmerkmale zur Vorhersage einer erfolgreichen Zielverwirklichung beitragen können und sich für
Interventionen empfehlen, werden wir noch weiter prüfen.
Grad der
Zielverwirklichung(1 Item)
Zielfortschritt(3 Items)
Zielfortschritt(3 Items)
Realisierbarkeit des Ziels(2 Items)
Selbstbestimmtheit des Ziels (2 Items)
Zielbezogene
Selbstwirksamkeitserwartungen(3 Items)
Verbundenheit mit dem Ziel(3 Items)
,439** ,681**
Bivariate Pearson-Korrelationen mit einseitiger Signifikanz: **p < 0,001; *p < 0,01; +p < 0,05
,422**
,446**
,282*
,517**
,231+
,384**
,239+
,262+ n.s.
n.s.
,202+
,330*
Abbildung 4: Gerichtete Zusammenhänge zwischen verschiedenen Zielmerkmalen und dem Grad der Zielverwirklichung (N = 77)
Messzeitpunkt 1 Messzeitpunkt 2
Welche Zielmerkmale begünstigen die Zielverwirklichung?
,374**
4. Diskussion
Aktive Spitzensportler/innen verfolgen häufig sehr anspruchsvolle Bildungs- und Berufsziele.
Sie bereiten sich damit auf das Leben nach der Leistungssportkarriere vor. Der beklagte
Mangel an Zeit deutet Zielkonflikte an, bei denen die Bearbeitung von Bildungs-/Berufszielen
zugunsten konfligierender Anliegen (z.B. leistungssportliche Ziele) aufgeschoben wird. Die
Frage danach, wie Athlet/innen dabei unterstützt werden können, ihre Bildungs-/Berufsziele
effektiver zu verwirklichen, bleibt trotz institutionalisierter Fördermaßnahmen weiterhin
aktuell.
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Welche Bildungs-/Berufsziele setzen sich Spitzensportler/innen?
Im Mittelpunkt stehen Leistungen, Zertifikate und Qualifikationen. Die
Ziele von Schüler/innen und Studierenden beziehen sich überwiegend
auf angestrebte Noten, zeitliche Investitionen in Prüfungsvorberei-
tungen und das Fertigstellen von schriftlichen Arbeiten. Athlet/innen, die
zur Ausübung ihres Sports bei der Polizei oder der Bundeswehr
(Sportfördergruppen) angestellt sind, geben dagegen vor allem Ziele
an, die der Vorbereitung auf ein Berufsleben nach der Sportkarriere
verschrieben sind. Darunter fällt die Suche nach einer passenden
Bildungs-/Berufsrichtung wie auch das Bestreben, berufsbegleitende
Bildungsmaßnahmen (z.B. Fernstudium) aufzunehmen, fortzuführen
oder abzuschließen.
*
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2
Familie (n = 74)
Lehrer/in, Vorgesetzte/r (n = 69)
Peers (Mitschüler/in etc.) (n = 74)
Sportkoordinator/in (n = 59)
Sportpsycholog. Betreuer/in (n = 47)
Laufbahnberater/in (n = 61)
Trainer/in (n = 73)
Sponsoren (n = 50)
Leiter/in Olympiastützpunkt (n = 54)
Bezugspersonen – hilfreich oder hinderlich?
Abbildung 3: Selbsteinschätzung – soziale Unterstützung bei der Zielverwirklichung
Antwortskala: stark hemmend (-2) neutral (0) stark unterstützend (+2)
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