Behandlungsassoziierte Infektionen und Antibiotika ... · 7 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 •...

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7 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 | Behandlungsassoziierte Infektionen und Antibiotika-Resistenzen | Gesundheitspolitik Behandlungsassoziierte Infektionen und Antibiotika-Resistenzen 10-Punkte-Plan als Gegenoffensive Nachdem verschiedene gesundheitspolitische Maßnahmen der vergangenen Jahre den erhofften Erfolg schuldig blieben, veröffent- lichte das Bundesministerium für Gesund- heit Ende März 2015 eine neue Initiative zur Bekämpfung der medizinisch und öko- nomisch gravierenden Herausforderungen durch resistente Keime in Krankenhäusern. 1 Der 10-Punkte-Plan soll die nationalen und internationalen Anstrengungen verstärken und dem brisanten Dauerthema endlich zur notwendigen Priorisierung verhelfen. Am 13. Mai 2015 hat das Bundeskabinett die „Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) 2020, beschlossen. 2 Sie soll die bereits 2008 begonnenen Anstrengungen intensivie- ren und darüber hinaus wichtige Anregungen für internationale Strategien liefern. 1) Ausbreitung multiresistenter Erreger verhindern: Alle Krankenhäuser müssen konsequent Risikopatienten bei Aufnahme auf multiresistente Keime untersuchen und bis zum Ausschluss einer Besiedlung iso- lieren. Entsprechende Screenings vor plan- baren Krankenhausaufenthalten werden derzeit modellhaft geprüft und könnten zukünftig ebenfalls verbindlich werden. 2) Hygienestandards weiter ausbauen: Bis 2016 bereitgestellte Fördermittel von 365 Millionen Euro unterstützen Kranken- häuser bei der Neueinstellung und Wei- terbildung von qualifiziertem Personal für die Krankenhaushygiene. Die Einhaltung des Hygieneförderungsprogramms soll als wesentliches Qualitätskriterium auch bei der Landeskrankenhausplanung berück- sichtigt werden. 3) Bessere Informationen zur Hygiene- qualität: Laientauglich formulierte Texte zu jeweiligen hausinternen Hygienestandards sollen Bestandteil der Qualitätsberichte von Krankenhäusern sein. 4) Schärfere Meldepflichten: Gefährliche resistente Erreger müssen künftig bereits beim ersten Nachweis gemeldet werden. Dadurch gewinnen Gesundheitsämter wertvolle Zeit zum Handeln und das RKI epidemiologische Daten für zielgenauere Bekämpfungsmaßnahmen. 5) Verpflichtende Fortbildungen: Medi- zinisches Personal im ambulanten und stationären Bereich soll verpflichtende Hygienefortbildungen erhalten, da Wis- sensdefizite bei Diagnostik, rationaler Antibiotika-Therapie und Infektionsver- meidung wesentliche Ursachen der stei- genden Resistenzraten sind. 6) Versorgungsforschung verbessern: Bei den Bundesministerien für Gesundheit und für Bildung & Forschung soll eine gemein- same „Task Force Antibiotikaforschung“ eingerichtet werden, um versorgungsnahe Forschungsvorhaben zu den Themen noso- komiale Infektionen und Antibiotikaresis- tenz über die nächsten drei Jahre zu fördern. 7) „One-health“-Gedanken stärken: Der „One-Health“–Gedanke berücksichtigt die engen Verflechtungen und Wechselwir- kungen von Landwirtschaft, Veterinär- und Humanmedizin im Bereich resistenter Erre- ger. Mit der Aktualisierung der nationalen Resistenzstrategie (DART 2020), wird die Zusammenarbeit dieser Bereiche gestärkt und strenger überwacht. 8) Pharmadialog: Der Dialog zwischen Bundesregierung, Wissenschaft und phar- mazeutischer Industrie soll Hindernisse bei der Forschung und Entwicklung neuar- tiger antibiotischer Präparate identifizieren und überwinden helfen. 9) Deutsche Gesundheitspolitik zur globalen Bekämpfung von Antibiotika- Resistenzen nutzen: Die WHO erarbeitete einen globalen Aktionsplan, in den Erfah- rungen aus der Deutschen-Antibiotika- Resistenzstrategie wesentlich eingeflos- sen sind. In den kommenden fünf Jahren unterstützt Deutschland Partnerländer bei der Entwicklung und Umsetzung nati- onaler Bekämpfungsstrategien. Am 18. Mai rief Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der WHO-Jahrestagung zum Kampf gegen den Antibiotika-Missbrauch auf. Sie nannte das Thema „von ausschlaggebender Bedeutung für die Menschheit. Die WHO selbst warnte vor einer „postantibioti- schen Ära“, in der bisher gut behandelbare, „harmlose“ Krankheiten wieder tödlich verlaufen könnten. 10) Kooperation innerhalb der G7: Im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft betrachtet Deutschland das Thema „Anti- biotika-Resistenz“ als einen seiner Schwer- punkte, um die Entwicklung neuer Anti- biotika, diagnostischer Testmethoden und alternativer Behandlungen in der Gemein- schaft voran zu bringen. Quellen 1 http://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministe- rium/meldungen/2015/10-punkte-plan-zu-antibiotika- resistenzen.html 2 http://www.bmg.bund.de/presse/pressemitteilungen/ pressemitteilungen-2015-02/bundeskabinett-beschlies- st-dart-2020.html fotolia/Giso Bammel

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Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 | Behandlungsassoziierte Infektionen und Antibiotika-Resistenzen | Gesundheitspolitik

Behandlungsassoziierte Infektionen und Antibiotika-Resistenzen10-Punkte-Plan als Gegenoffensive

Nachdem verschiedene gesundheitspolitische Maßnahmen der vergangenen Jahre den erhofften­Erfolg­schuldig­blieben,­veröffent-lichte das Bundesministerium für Gesund-heit­ Ende­März  2015­ eine­ neue­ Initiative­zur Bekämpfung der medizinisch und öko-nomisch gravierenden Herausforderungen durch resistente Keime in Krankenhäusern.1 Der 10-Punkte-Plan soll die nationalen und internationalen Anstrengungen verstärken und dem brisanten Dauerthema endlich zur notwendigen Priorisierung verhelfen. Am­13. Mai  2015­hat­ das­Bundeskabinett­die „Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART)­2020,­beschlossen.2 Sie soll die bereits 2008 begonnenen Anstrengungen intensivie-ren und darüber hinaus wichtige Anregungen für internationale Strategien liefern.

1) Ausbreitung multiresistenter Erreger verhindern: Alle Krankenhäuser müssen konsequent Risikopatienten bei Aufnahme auf multiresistente Keime untersuchen und bis zum Ausschluss einer Besiedlung iso-lieren. Entsprechende Screenings vor plan-baren Krankenhausaufenthalten werden derzeit modellhaft geprüft und könnten zukünftig ebenfalls verbindlich werden.

2) Hygienestandards weiter ausbauen: Bis 2016 bereitgestellte Fördermittel von 365 Millionen Euro unterstützen Kranken-häuser bei der Neueinstellung und Wei-terbildung von qualifiziertem Personal für die Krankenhaushygiene. Die Einhaltung des Hygieneförderungsprogramms soll als wesentliches Qualitätskriterium auch bei der Landeskrankenhausplanung berück-sichtigt werden.

3) Bessere Informationen zur Hygiene-qualität: Laientauglich formulierte Texte zu

jeweiligen hausinternen Hygienestandards sollen Bestandteil der Qualitätsberichte von Krankenhäusern sein.

4) Schärfere Meldepflichten: Gefährliche resistente Erreger müssen künftig bereits beim ersten Nachweis gemeldet werden. Dadurch gewinnen Gesundheitsämter wertvolle Zeit zum Handeln und das RKI epidemiologische Daten für zielgenauere Bekämpfungsmaßnahmen.

5) Verpflichtende Fortbildungen: Medi-zinisches Personal im ambulanten und stationären Bereich soll verpflichtende Hygienefortbildungen erhalten, da Wis-sensdefizite bei Diagnostik, rationaler Antibiotika-Therapie und Infektionsver-meidung wesentliche Ursachen der stei-genden Resistenzraten sind.

6) Versorgungsforschung verbessern: Bei den Bundesministerien für Gesundheit und für Bildung & Forschung soll eine gemein-same „Task Force Antibiotikaforschung“ eingerichtet werden, um versorgungsnahe Forschungsvorhaben zu den Themen noso-komiale Infektionen und Antibiotikaresis-tenz über die nächsten drei Jahre zu fördern.

7) „One-health“-Gedanken stärken: Der „One-Health“–Gedanke berücksichtigt die engen Verflechtungen und Wechselwir-kungen von Landwirtschaft, Veterinär- und Humanmedizin im Bereich resistenter Erre-ger. Mit der Aktualisierung der nationalen Resistenzstrategie (DART 2020), wird die Zusammenarbeit dieser Bereiche gestärkt und strenger überwacht.

8) Pharmadialog: Der Dialog zwischen Bundesregierung, Wissenschaft und phar-

mazeutischer Industrie soll Hindernisse bei der Forschung und Entwicklung neuar-tiger antibiotischer Präparate identifizieren und überwinden helfen.

9) Deutsche Gesundheitspolitik zur globalen Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen nutzen: Die WHO erarbeitete einen globalen Aktionsplan, in den Erfah-rungen aus der Deutschen-Antibiotika-Resistenzstrategie wesentlich eingeflos-sen sind. In den kommenden fünf Jahren unterstützt Deutschland Partnerländer bei der Entwicklung und Umsetzung nati-onaler Bekämpfungsstrategien. Am 18. Mai rief Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der WHO-Jahrestagung zum Kampf gegen den Antibiotika-Missbrauch auf. Sie nannte das Thema „von ausschlaggebender Bedeutung für die Menschheit. Die WHO selbst warnte vor einer „postantibioti-schen Ära“, in der bisher gut behandelbare, „harmlose“ Krankheiten wieder tödlich verlaufen könnten.

10) Kooperation innerhalb der G7: Im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft betrachtet Deutschland das Thema „Anti-biotika-Resistenz“ als einen seiner Schwer-punkte, um die Entwicklung neuer Anti-biotika, diagnostischer Testmethoden und alternativer Behandlungen in der Gemein-schaft voran zu bringen.

Quellen 1 http://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministe-

rium/meldungen/2015/10-punkte-plan-zu-antibiotika-resistenzen.html

2 http://www.bmg.bund.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2015-02/bundeskabinett-beschlies-st-dart-2020.html

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