Baumeister Leseprobe 8/2014
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Pure Poesie
Lehm undZiegel
könnenmehr
als erdig
B a um e i s t e r
111 . J a h r g a n g
Das architektur-magazin
i n t e r n e t
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Maike BurkP o r t r ä t f o t o
frank Stolle
Mit dem Namen Martin rauch assoziiert man unweigerlich Lehmbau. Der Pionier plant und realisiert seit 1984 Projekte in Stampflehmtechnik – und schafft in enger Zusammenarbeit mit Architekten ästhetische Bauten. Somit rückt das in Vergessenheit geratene Baumaterial ins Licht einer mo-
dernen Archi tektur-Öffentlichkeit.
Synonym für Nach -
haltigkeit
14 15
ls kleinen und überschaubaren Kreislauf von Gewinnung, Nutzung und Rückführung be-schreibt Martin Rauch das, was den Baustoff Lehm für ihn so ökologisch macht: „Lehm ist ein erodiertes Material, das es überall gibt. Man kann es nehmen, mit Wasser mischen und formen. Am Ende kann man es zurück in die Natur führen.“ Nachvollziehbar also, dass Rauch sein Arbeitsleben diesem Bau-stoff widmet. Obwohl wir in einer Zeit leben, in der die Öf-fentlichkeit vom Bauen verlangt, dass es nachhaltig ist, kam die Anerkennung für den Baustoff Lehm als „modernem“ ökolo-gischen Baustoff erst spät – wohl mit dem Haus Rauch, das Martin Rauch zusammen mit Roger Boltshauser 2005 bis 2008 für sich und seine Familie baute. Das Gebäude gab dem Lehmbau ein architektonisches Ge-sicht. Man erkannte: Bauen mit Lehm ist äs-thetisch.
Eine Frage der Definition
Dass Bauen mit Lehm auch ökologisch ist, mag zunächst nicht einmal nennenswert klingen. Als Martin Rauch und sein Team von „Lehm Ton Erde“ das Haus Rauch konzipier-ten, lag die Sache mit der Nachhaltigkeit aber noch nicht so auf der Hand. Für Rauch schon, für die Wohnbauförderung in Vorarl-berg aber nicht. Als der Energieausweis für das Haus Rauch erstellt wurde, kamen seine eingesetzten Materialien wie Lehmputz oder Schilfplatten nicht besonders gut weg. 2009 wurde das Haus dann aber neu be-rechnet – und schnitt besser ab als ein ver-gleichbares Haus aus lokalem Holz. Eine Frage der Definition also – und genau darum ist die Meinung der architektonischen Öf-fentlichkeit zum Baustoff Lehm für die Arbeit von Martin Rauch sehr wichtig. Im Prinzip ist es die einzige Möglichkeit, sie voranzutrei-ben – technisch gesehen und was den Nachwuchs angeht. Schließlich sind Rauch und sein Team von Lehm Ton Erde ein Unikat in der Lehm-Baubranche. Für die Zukunft sollte sich das ändern. Dass es keine vergleichbaren Arbeiten gibt, liegt daran, dass Lehm mit der Industrieali-sierung von Stahl und Beton abgelöst wurde. Die Entwicklung ist stehen geblieben – Mar-tin Rauch möchte sie jetzt wieder vorantrei-ben. Dadurch, dass er zum Beispiel mit uns über seine Arbeit spricht und mit seiner Lehrtätigkeit an der ETH Zürich. Und – nicht zuletzt – mit architektonischer Qualität: „Mit meinen Arbeiten ist es sicher gelungen, den Lehmbau von dem Knusperhäuschen-Cha-rakter zu befreien.“
Für das Einfache
Zum Bauen mit Lehm kam Martin Rauch durch seine handwerklichen Tätigkeiten als Keramiker und Ofenbauer sowie durch sei-ne Arbeit als Entwicklungshelfer in Afrika. Dort ist die Arbeit mit dem Baustoff noch ein-facher; im deutschsprachigen Raum gibt es dagegen sehr viele Normen, die die kreati-ve Freiheit des Bauens einschränken: „Durch die Vernormung ist das einfache Bauen hier kaum noch möglich.“Einen Weg, trotzdem simpel und damit im Sinne von Martin Rauch architektonisch qualitativ zu bauen, gibt es aber trotzdem. Das erklärt er am Beispiel des Neubaus für das Ricola-Kräuterzentrum mit Herzog & de Meuron (siehe Seite 56): „Zuerst war ich als Subplaner engagiert, dann als Fachplaner und dann als Unternehmer. Das ist meine Stärke. Weil ich in dieser Dreierkonstellation arbeite, liegt die Verantwortung immer bei mir – nur so ist es möglich, solche Projekte zu verwirklichen.“Rauch betont immer wieder, dass für das Fortbestehen des Lehmbaus neue Konzepte gefragt sind. Dabei spricht er von einem „kalkulierten Risiko“, das heißt aus der Er-fahrung zu schöpfen und in kleinen Schritten Neues zu wagen. Ausprobiert haben er und sein Team das auch bei dem Neubau für Ri-cola: Hier sind die Lehmwände vorgefertigt worden – ein Konzept, an dem das Team um Rauch schon seit etwa zehn Jahre arbeitete.
Urbaner Lehmbau?
Wenn Lehmbau ein Baustoff für die Zukunft sein soll, muss der Weg auch in die Städte führen. Ob man irgendwann wohl von „ur-banem Lehmbau“ sprechen kann? Rauch hält es für möglich – wenn die richtigen Techniken gefunden werden. „Bis zu vier Geschosse kann man mit Lehm jetzt schon bauen.“ Fakt ist, dass hinter vielen Fassaden in Barcelona und Madrid Konstruktionen aus Lehm stehen. Somit spricht für Rauch auch konstruktiv nichts gegen seinen Baustoff: „Lehm ist gut auf Druck belastbar. Zugbelas-tungen sind ein Problem – aber das ist ja auch bei Beton so. Ohne Armierung ist der auch nichts wert.“Mit Öko-Gerede wird die Architektenschaft weiterhin wahrscheinlich nicht zu erreichen sein; dafür klingen Begriffe wie „Nachhal-tigkeit“ zu abgenutzt. Wenn dann aber ein Lehmbau wie das Haus Rauch mit guter Ar-chitektur überzeugt, blickt der Architekt po-sitiv auf den Lehmbau. Vielleicht sollten wir einfach ein Synonym für ökologisch wert-volles Bauen einführen. Wie wäre es mit Lehmbau?
Köpfe 1
A
Agrarschule Mezzana
Wohnhaus in Flims
Der Bau stammt von
2011 und liegt im
Dorfkern von Flims.
Es handelt sich um
einen Holzbau, dessen
Stampflehmkern
im Inneren den
Schwerpunkt des
Hauses bildet.
Architekten: Fehlmann
Brunner Architekten,
kurz FeBruAr
Agrarschule Mezzana
Die Landwirtschafts-
schule im Südtessin
stammt von Conte Pia-
netti Zanetta Architetti.
Das Programm des
Baus von 2012 wurde in
drei Gebäudeteile
übersetzt. Die Propor-
tionen sollen ein
Gleichgewicht zwi-
schen vollen und
leeren Räumen schaf-
fen, was zu einem
System aus Plätzen,
Durchgängen und
Treppen führt.
FOTO
S: B
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NO
KLO
MFA
R
22 23Ideen 1
Schattenspielmit SinnundSinnlichkeitDas Kantana Film and Animation Institute in Thailand ist ein Hybridwesen aus Skulptur und cleverer, unscheinbarer Haustechnik. Vor Kurzem wurde der außergewöhnliche Bau aus handgemachten Ziegeln mit dem Brick Award 2014 ausgezeichnet.
A r c H I T e K T e n
Bangkok ProjectStudio
K r I T I K
Wojciech czaja
F o T o S
Pirak Anurakyawachon
T I T e l T H e m A
Das Institut l iegt mitten
im Grünen. Skulpturale
Backsteinwände
formen das Tor zu der
kleinen Filmstadt.
24 25Ideen 1
Ein kreuzförmiges
Wegesystem aus en-
gen Gassen führt zu
den teilweise offenen
Unterrichts räumen, in
Bibliothek und Mensa.
Auch hier ist Baum-
schatten gegen die
Hitze unentbehrlich.
28 29Ideen 1
Ein großes Vordach,
reichlich Grün und
eine hohe Ziegelmauer
versorgen den Kino-
saal mit Schatten und
kühler Luft, damit die
Studenten in der Hitze
nicht einschlafen.
Zurück. Ohne Leidenschaft ist man in die-sem Beruf verloren.“ Rund 600.000 gebrann-te Ziegel wurden bei diesem Bau vermauert, der unlängst mit dem Wienerberger Brick Award (Grand Prize) ausgezeichnet wurde. An der Oberfläche der handgefertigten Backsteine sind deutlich noch Hand- und Fußabdrücke der Arbeitskräfte zu sehen. „Meist kommen bei öffentlichen Projekten nur die großen, überregionalen, wenn nicht sogar globalen Baustoffproduzenten und Baufirmen zum Zug“, erklärt Premthada. „Doch für mich war wichtig, dass die Dorfbe-wohner mitarbeiten können und dass die Wertschöpfungskette so weit wie möglich in der Region bleibt. Nur wenn diese Kriterien gesichert sind, darf die Architektur von sich behaupten, nachhaltig zu sein.“
n den Fensteröffnungen und Mauernischen entlang der Wege trifft man immer wieder auf Studenten, die lernen, zeichnen, Musik hören oder einfach nur ein kurzes Nicker-chen machen. Bäume, die erst noch ihre volle Höhe erreichen müssen, werden eines Tages als Schattenspender und Pausen-dach dienen. „Das Kantana Film and Ani-mation Institute ist das, was ich unter atmo-sphärischer Architektur verstehe“, sagt Boonserm Premthada. „Die Welt dreht sich ohnehin schon viel zu schnell. Doch hier fin-det man genügend Zeit und Raum für Stille, Meditation und einfach nur sich selbst.“
I
engende Hitze, sommerlich-fl immernde Luft, ein Blick aus tropisch-müden Augen. Fast scheint es, als wäre der Ziegelbau Op-fer jenes thermisch-physikalischen Phäno-mens, das alle Gegenstände wie in einer Fata Morgana in sanfte, leicht verschwom-mene Schwingungen versetzt. Doch nicht die heiße Luft erzeugt das Zitterbild, sondern die Architektur selbst. Das Kantana Film and Animation Institute in der Provinz Nakorn Prathom, rund 45 Kilo-meter von Bangkok entfernt, ist ein Ausbil-dungszentrum für Filmschaffende und Ani-mationskünstler. An den bauchigen Wän-den, die bis zu acht Meter hoch in den Him-mel ragen, t ref fen Licht und Schatten aufeinander: Die mal hellen, mal dunklen, sich rhythmisch abwechselnden Raumgren-zen scheinen das Gebäude in Bewegung zu setzen. „Licht und Schatten sind elementare Bau-steine in der Architektur“, sagt der thailän-dische Architekt Boonserm Premthada. „Sie sind genauso wichtig wie Umgebung, Hap-tik, Farbe, Geruch und Geschmack.“ Die Konzentration auf die Sinne kommt nicht von ungefähr, denn Premthadas Hörvermö-gen ist stark eingeschränkt. „Architektur hat mehr als nur mit Optik zu tun. Und nachdem ich selbst Spaß an meinem Job haben will, bin ich auf Baustoffe angewiesen, die mehr bieten als nur schön zu sein. Ich denke, von diesem multiperzeptiven Ansatz profitieren auch die anderen.“ Durch die partielle Eigenverschattung der wellenförmigen Ziegeloberfläche wird die Temperatur im Gebäude ohne technische Hilfsmittel reduziert. Denn anders, als man annehmen würde, sind die teils freistehen-den Wände keineswegs massiv gemauert, sondern verbergen ein bauphysikalisch nützliches, hohles Innenleben. Die Luft darin kühlt ab, sinkt nach unten und wird Teil eines verzweigten Luftkammersystems in der Fun-damentplatte. Dieses versorgt den rund 2.000 Quadratmeter großen Campus mit kühler Frischluft, der aus Unterrichtsräumen, Bibliothek, Kantine und Verwaltung besteht. Einfacher und billiger kann man eine Klima-anlage nicht bauen. Für die nötige Stabilität der Ziegelwände sorgt eine innenliegende Stahlkonstruktion, die das konvex-konkave Mauerwerk alle 60 Zentimeter stützt. „Ich muss zugeben, dass wir viele unterschiedliche Bauweisen aus-probiert haben, bis wir auf diese Lösung ge-stoßen sind“, erzählt Premthada. „Nicht we-nige Proben sind nach ein paar Metern in sich zusammengestürzt. So ist das eben in der Architektur. Es ist ein ständiges Vor und
S
Pläne auf den
folgenden Seiten
ME
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R Z U M T H E M
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IN UNSEREM
B
LO
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