Baumeister Leseprobe 4/2016

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BAU MEISTER April 16 113. JAHRGANG Das Architektur- Magazin B4 D 15 EURO A,L 17 EURO I 19,50 EURO CH 23 SFR 4 194673 015006 04 Fashion und Faschismus Wie Rom einen Mussolini-Bau vermarktet Flüsse Ein mäandernder Sanaa-Bau verschmilzt mit der Landschaft Filme Paris entwickelt Strategien für das Überleben seiner Programmkinos

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Fashion und Faschismus – Wie Rom einen Mussolini-Bau vermarktet

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Page 1: Baumeister Leseprobe 4/2016

B A UM E I S T E R

April 16

11 3 . J A H R G A N G

Das Architektur-Magazin

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Fashionund Faschismus

Wie Romeinen Mussolini-Bauvermarktet

Flüsse

Ein mäandernderSanaa-Bau verschmilztmit der Landschaft

Filme

Paris entwickelt Strategienfür das Überlebenseiner Programmkinos

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10Bompas & ParrBei dem englischen Duo entsteht Architektur in der Küche.

12Hevia + UrúzaDie Kernkompetenz des jungen chilenischen Büro sind Wettbewerbe.

16Bijoy JainSein Studio Mumbai entwickelt die Projekte auf indische Art: handwerklich.

22Fließende LinienSanaa bauen ein Mehrzweckgebäude, dassich wie ein Fluss dem Gelände anpasst.

32SpielscheuneKinder- und Familienzentrum vomStuttgarter Architekturbüro Von M

46Film ab!Zwei Programmkinos in Paris warten miteinem neuen Besucherkonzept auf.

60Hannover frönt dem stilvollen AutismusMeili, Peter Architekten erweitern dasSprengel-Museum.

1 0

Sam Bompas und Harry Parr reizt das Extreme.

3 2

Anbau und Sanierung von den Architekten Von M

Mit der Baumeister Academy er-möglichen wir Studenten Praktika in bekannten Architekturbüros, unterstützt von Graphisoft und der BAU 2017. Die Stehgreifentwürfe der Teilnehmer 2016 gibt es online.

B A U M E I S T E R .

D E

Unser Titel-thema „Fashion und Faschismus“ ist eher dis-kursorientiert als bauprak-tisch. Deshalb finden Sie den Beitrag in der Rubrik „Fragen“ (rechts unter-strichen).

Köpfe IdeenB4

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5

7 0

Heroische Architektur in Rom wird vermarktet.

9 7

Alpen-Look am Schreibtisch von Dauphin

88Fassade

94QualitätsschmiedeEin Besuch bei Artemide

96News

R U B R I K E N

6

E I N B I L D

4 2

K L E I N E W E R K E

4 4

S O N D E R F Ü H R U N G

4 5

S I E U N D W I R

5 8

U N T E R W E G S

8 4

A R C H I T E K T U R & M A N A G E M E N T

9 4

Q U A L I T Ä T S S C H M I E D E

1 0 5

I M P R E S S U M + V O R S C H A U

1 0 6

M A I L A N . . .

Nach einem Jahr an der Villa Massimo in Rom kehrte der Erfurter Fotograf Hans-Christian Schink mit zwei neuen Bildse-rien zurück, aus denen sein Band „Fotografien aus Rom. Aqua Claudia – EUR“ entstand. Von ihm stammen auch die Aufnahmen für unsere Titelge-schichte Seite 70.

Gast-Arbeiter

Der Stuttgarter Architekturfoto-graf Zooey Braun kam eher zufällig zu seinem Job: über ein Praktikum bei einem Freund der Familie. Architektur wollte er jedenfalls nicht ablichten, da es in der Familie von Architekten wimmelte. Das Schicksal wollte es anders: Seit dem Diplom bei den Architekturfotografen Dieter Leistner und Jörg Hempel fotografiert er Häuser – regel-mäßig auch für Baumeister.

Fragen Lösungen

70Mode und Mussolini – passt das zusammen?

82Binnenalster oder Rockefeller-Center in Berlins Stadt-mitte?

84Was bringt das neue Vergabe-recht?

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Zwischen Sonne

undMond

Text:Yorck Förster

Fotos:Studio Mumbai

Das eigentliche kreative Herz des Studio Mumbai schlägt weitab von der indischen Metropole im teils noch ländlichen Alibaug. Dabei handelt es sich dort nicht um ein klassisches Architekturbüro, sondern um einen er-staunlichen Pool aus Wissen und Fertigkeiten. Das DAM widmet dieser Arbeitsgemeinschaft ab Mitte April die Ausstellung „Between the Sun and the Moon – die Wiederentdeckung des indischen Handwerks“.

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17Köpfe 5

Bijoy Jain (*1965), der

heutige Prinzipal von

Studio Mumbai, wuchs in

der indischen Metropole

auf. In den Vereinigten

Staaten studierte er an

der Washington Universi-

ty in St. Louis Architektur.

Nach seinem Abschluss

arbeitete er zunächst

drei Jahre für das Büro

von Richard Meier,

vornehmlich bei den

Planungen für das Getty

Center. Drei weitere

Jahre verbrachte er in

Großbritannien, bevor

er 1995 nach Mumbai

zurückkehrte. Er grün-

dete dort ein erstes

eigenes Büro und dann

2005 Studio Mumbai.

Der Chef

Das Zusammenspiel

von Umgebung,

Entwurfsidee und

handwerklichen Mög-

lichkeiten lässt Ge-

bäude entstehen, die

mit dem Ort verwach-

sen scheinen:

oben „Palmyra House“

von 2007 in einer

Kokosnuss-Plantage,

unten „Copper House“

von 2011.

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32 Ideen 2

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Spiel-scheune

Ludwigsburger Modell: Das Kinder- und Familien-zentrum dient nicht nur der Tagesbetreuung von Kindern – sondern auch als Beratungsstelle für Fa-milien. Architektonisch reiht sich der fein geglie-

derte Bau sensibel in das Dorfgefüge.

Architekten:Von M

Kritik:Maike Burk

Fotos:Zooey Braun, Von M

Die große Stärke des

Baus ist die Kleinteilig-

keit des Volumens mit

gegenläufigen Sattel-

dächern.

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36 Ideen 2

Oben: im Norden be-

finden sich großzügige

Fenster, die den Blick

ins Grüne in Richtung

Spielplatz lenken.

Türen und Fenster hin-

ter den Lamellen las-

sen sich ohne Absturz-

gefahr öffnen.

Links: Ursprünglich ein

Spielzimmer – aktuell

wird der Raum aber

als Bibliothek genutzt.

Rechts: Verbindung

zwischen Kita (unten)

und Kindergarten über

einen großzügigen

Spiel- und Lichtflur. Die

Brücken oben beher-

bergen Garderoben.

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70 Fragen 1

T I T E L T H E M A

D E R K A P I T A L I S M U S

S I E G T Mode und Mussolini

– 

passt das zusammen

?

1 23

108

6

9

5

7

4

1

Palazzo della Civiltà

Italiana –

Hauptsitz Fendi

2

Palazzo degli Uffici –

EUR-Verwaltung

3

Palazzo dell‘INPS –

INPS-Verwaltungssitz

(Sozialversicherungs-

träger)

4

Basilica dei Santi Pietro

e Paolo – Basilika

St. Peter und Paul

5

Grattacielo Italia –

Büroturm „Italia“

6

Palazzo dei

Ricevimenti e dei

Congressi – Palazzo

der Empfänge und

Kongresse

7

Museo della Civiltá

Romana – Museum der

römischen Zivilisation

8

Nuovo Centro

congressi „La Nuvola“

– Neues Kongress-

zentrum „Die Wolke“

9

Archivio centrale dello

Stato – Staatliches

Zentralarchiv

10

Palazzo INAIL –

INAIL-Verwaltungssitz

(Sozialversicherungs-

träger)

O.M

.

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71

Es ist ein historisch belasteter Ort. Das ehemali-ge Expo-Areal EUR in Rom war Mussolinis Vision zum Jubiläum der Machtergreifung der Faschis-ten. Es blieb unvollendet und wurde später mit einfacher Moderne ergänzt. Jetzt wird eines sei-ner wichtigsten Bauwerke an eine Modemarke vermietet und löst damit eine Debatte aus: Wie wollen die Italiener mit ihrem historischen Erbe umgehen? Unser italienischer Autor begibt sich

auf Spurensuche.

1

Page 12: Baumeister Leseprobe 4/2016

Fragen 1

2 (rechts) 3 (links)

2 (rechts)

76

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tolz und einsam steht der Bau auf seinem Hü-gel. Mit seiner imposanten Masse fällt er vie-len Touristen auf, die vom Flughafen durch das Autofenster plötzlich dieses monumen-tale Stadttor vor sich haben. Fragen sie den Taxifahrer, was das denn sei, kommt meist nur eine kurze Antwort: EUR. Den meisten reicht das. Nur sehr wenige werden das EUR-Gelände während ihres Urlaubs besuchen. Es sei denn, sie sind ausgewiesene Architek-ten und Architekturkenner. Der „Palazzo della Civiltà Italiana“ – der Pa-last der italienischen Zivilisation – ist zu-nächst einmal ein faschistischer Prachtbau. Er steht allerdings für sehr viel mehr als nur den Größenwahn Benito Mussolinis. Mit sei-ner bewegten Geschichte ist er ein Fanal im Umgang Italiens mit dem Erbe seiner zwan-zigjährigen Diktatur. Die Auseinanderset-zung mit ihren Spuren war in der Nach-kriegszeit probmelatisch – und ist es, nach all den Jahrzehnten, auch noch heute.

Zwei Kulturen, zwei Haltungen

Vor zwei Jahren hat der italienische Regis-seur Giulio Ricciarelli dem Umgang mit dem Faschismus-Erbe seinen letzten Film gewid-met – allerdings mit Fokus Deutschland. „Im Labyrinth des Schweigens“ erzählt von ei-nem jungen deutschen Staatsanwalt, der zu Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders gegen das Vergessen und Verschweigen in seinem Land kämpft. Mithilfe glänzender Glasfassaden, 50-Jahre-Autos und hoch-toupierter Frisuren zeichnet Ricciarelli ein Land, das sich nur eines wünscht: vergessen, nicht wissen. Da die meisten architektoni-schen Spuren der brutalen Diktatur ver-schwunden waren, konnten oder wollten die Menschen im Land Adenauers – der den Wunsch seines Volkes nur zu gut kannte – die Augen verschließen und ehemalige Amts-träger im Nationalsozialismus bedenkenlos eingliedern. Als ob nichts geschehen wäre.Das ging in Italien so nicht. In einem Land, das das Bewahren der historischen Schich-

ten zu einem seiner Grundprinzipien erho-ben hat, hätte das systematische Tilgen der eigenen Vergangenheit auf keinen Fall stattfinden können. So schwach die Begeis-terung bei den Italienern war, sich im Krieg zu engagieren, so gering war dort die Wut auf die vergangene Diktatur: Man riss zwar die auffälligeren Symbole des Faschismus ab und schloss Protagonisten des abge-schafften Regimes aus der Politik aus, entwi-ckelte aber neben den räumlichen Spuren und Zeugen der Vergangenheit ein neues demokratisches Leben. Die faschistischen Gebäude wurden bald nicht mehr als belas-tet wahrgenommen und bedenkenlos wei-tergenutzt. So ist es etwa noch möglich, im „Foro Italico“, den monumentalen, von 1928 bis 1938 errichteten Sportstätten im Norden Roms, den Mussolini gewidmeten Obelisk zu sehen – was viele deutsche Touristen scho-ckiert. Um die italienische Haltung zur faschisti-schen Vergangenheit zu verstehen, muss man in die örtliche Mentalität eintauchen: Einerseits wollten die Italiener nach dem Ende der Diktatur das unbequeme Kapitel ihrer Geschichte weder manipulieren noch verbergen. Man wollte anders handeln als die Faschisten. Die hatten ihrerseits in ihrer Verherrlichung des römischen Kaiserreichs nicht davor zurückgeschreckt, Zeugnisse des Mittelalters oder Barocks zu zerstören. Auf der anderen Seite begriffen die Italie-ner, dass es um die Bildung eines kritischen Bewusstseins angesichts ihrer Vergangen-heit geht, das in den neuen demokratischen Institutionen gefördert werden sollte. Ein bloßes Gebäude konnte also keine alten Idole wieder aufleben lassen. Schließlich hätte der Abriss auch viel gekostet in einem Land, das eben durch den Krieg verwüstet worden war. Ganz pragmatisch, ganz un-problematisch, sehr italienisch.

ichtsdestotrotz weigerten sich Architekten und Bauhistoriker der Nachkriegszeit lange, den faschistischen Bauwerken eine gewisse Schönheit zuzuerkennen. Das Kino war das erste Medium, das den Wert dieser impo-santen Stadtkulisse wiederentdeckte. Fellini und Antonioni zeigten als Erste die Ästhetik der strengen, Travertin-verkleideten Bau-körper, und bald wurde neben dem schon geschätzten Mailänder Rationalismus von Terragni oder Pagano auch den römischen Werken von Libera und Ridolfi architektoni-sche Qualität zuerkannt. Als Beispiel sei hier nur das bekannte „Casa del Fascio“ in Como erwähnt – das „Haus des Liktorenbündels“ –, das auch nach dem Krieg hochgelobt und trotz seines politisch unkorrekten Namens nicht umbenannt wurde. Entscheidend ist

hier, dass die italienische faschistische Ar-chitektur im Gegensatz zu dem übertriebe-nen und bald abgewerteten Neoklassizis-mus der NS-Zeit neben den rhetorischen und banalen Werken eines Piacentini – dem „italienischen Albert Speer“ – auch die be-merkenswerten Gebäude des Rationalis-mus der jüngeren Generation schuf.

Das Gelände im Lauf der Zeit

Der Palazzo della Civiltà Italiana vermittelt nur ein unvollständiges Bild von dem für die Weltausstellung von 1942 errichteten Stadt-viertel, das von dem Architekten Marcello Piacentini geplant wurde. Das Prestigepro-jekt für das zwanzigjährige Jubiläum der fa-schistischen Machtergreifung blieb zum größten Teil Papier: Der Kriegsausbruch führte zur Absage der Veranstaltung, und mit dem Ende des Faschismus einige Jahre später wurde die Bautätigkeit eingestellt. Ruinen und Statuen standen noch jahrelang beziehungslos inmitten einer öden Land-schaft – weit weg von der bewohnten Stadt – und wurden bald zur metaphysischen Ku-lisse für Künstler und Regisseure: eine Art ge-bautes De-Chirico-Bild.

n den 50er Jahren entschieden sich die Rö-mer gegen einen klaren Bruch mit der da-maligen Planung. Die unvollendeten Ge-bäude – unter anderem auch der Palazzo della Civiltà Italiana – wurden nach den Ori-ginalplänen fertiggestellt und das gesamte Quartier mit Neubauten komplettiert. Trotz großer Anstrengungen, den neuen EUR-Stadtteil zu integrieren, lief es nie ganz rund für den Ort mitsamt seiner missglückten Gründung. In der Nachkriegszeit hätte er als durchgrüntes Geschäftsviertel und bürgerli-ches Wohngebiet der Hauptstadt der neuen italienischen Republik dienen sollen. Aber die etwa zehn Kilometer Entfernung zur his-torischen Altstadt und seine überdimensio-nierten Straßen gefielen nie wirklich. Als die Bautätigkeiten abgeschlossen waren, hat man den Stadtteil als fremde, wenn auch faszinierende Insel in der Stadt wahrgenom-men. Die wichtigsten Kunst- und Architek-turhistoriker der Nachkriegszeit – Zevi, Ar-gan und Tafuri –, die die Fachdebatte jahre-lang unwidersprochen beher rschten, brandmarkteten das EUR und besonderes den Palazzo als künstlich und vulgär.

Der Palazzo

Im Spannungsfeld zwischen dem konserva-tiven Neoklassizismus von Piacentini und dem Rationalismus der jüngeren Generati-on stellt der Palazzo einen interessanten

Text:Leonardo Lella

Fotos:Hans-Christian Schink

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