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BA-Modul 3: Text- und Medienanalyse I Wintersemester 2012/13 PD Dr. Ralf Klausnitzer Lyrik 1750-1800 Montag, 10-12 Uhr, HP 1.301 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vollziehen sich gravierende Veränderungen in der Literatur. Vor allem auch in jener Gattung, die ihre eigenständige Qualität eigentlich erst in dieser Zeit gewinnt: Lyrische Rede wandelt sich von der „Nachahmung“ zum „Ausdruck“ von Gefühlen und Einstellungen; sie wird zum Format für die „Ausdrücke der wirklichen Empfindungen unsers Herzens“ (J. A. Schlegel) und damit zu jenem Bestandteil des Gattungssystems, das Subjektivität und Emotionalität in besonderer Weise darstellt und vermittelt. In einem vielschichtigen und überaus spannenden Prozess entsteht dabei nicht nur die sogenannte „Erlebnislyrik“ (die in den Gedichten des jungen Goethe ihre wirkungsmächtigen Ausprägungen findet), sondern eine neue Auffassung der Gattung und von Literatur überhaupt, die als vermeintlich unverfälschte Äußerung persönlicher und kollektiver Erfahrungen nun mehrfach dimensionierte Funktionen für die Konstitution wie für die Semantik moderner Individualität übernimmt. Doch das geschieht weder geradlinig noch alternativlos: Neben den „Ausbrüchen des lyrischen Feuergusses“ (Jean Paul) behauptet sich eine rhetorisch normierte Lyrik ebenso wie das Lehrgedicht, das in einigen Poetiken als höchste Manifestation von Literatur überhaupt gilt. – Das Seminar wird die Entwicklung dieser bis in die Gegenwart wichtigen Funktionen von Lyrik umfassend rekonstruieren und im Kontext weitreichender Umbauten des Literarischen untersuchen. Behandelt werden dabei nicht nur die neuen Varianten lyrischer Ausdruckskunst im Zeichen einer von Klopstock erneuerten Dichtersprache und die Einsätze der jungen Generation des Sturm und Drang, sondern auch die Entwicklungen der Ideen- und Gedankenlyrik in den 1780er und 1790er Jahren sowie die ernsten Spiele der frühromantischen Poesie um 1800. Teilnahmevoraussetzung ist die Bereitschaft zu intensiver und genauer sowie mehrfacher Lektüre sowie zum lauten Lesen der Texte. Montag, 22. Oktober Einführung Montag, 29. Oktober Was vorher geschah: Gedankenlyrik der Aufklärung – Anakreontik Johann Christoph Gottsched: Das Lob Germaniens [1731] Friedrich von Hagedorn: Anacreon [1747] Friedrich von Hagedorn: Die Wunder der Liebe [1747] Friedrich von Hagedorn: An die Dichtkunst [1747] Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Anakreon [1744] Montag, 5. November Begründung der neuen Erlebnisdichtung Friedrich Gottlieb Klopstock: Der Lehrling der Griechen [1747] Friedrich Gottlob Klopstock: Der Zürchersee [1750] Friedrich Gottlieb Klopstock: Die Frühlingsfeyer [1759] Zum Vergleich: Johann Fürchtegott Gellert: Die Ehre Gottes aus der Natur [1757] Sekundär, wichtig: Karl S. Guthke: Die Entdeckung des Ich in der Lyrik. Von der Nachahmung zum Ausdruck der Affekte. In: W. Barner (Hrsg.): Tradition, Norm, Innovation. Soziales und literarisches Traditionsverhalten in der Frühzeit der deutschen Aufklärung, München 1989, S. 93–124 Montag, 12. November Anakreontische Anfänge + Durchbruch zur Erlebnislyrik: Der junge Goethe Johann Wolfgang Goethe: Annette. (Erste handschriftliche Gedichtsammlung, entstanden 1766/67, ED 1896 Johann Wolfgang Goethe: Willkommen und Abschied (1770/ ED 1775) Johann Wolfgang Goethe: Mailied (1771/ ED 1775) Johann Wolfgang Goethe: Mahomets Gesang (ED 1772/73; ED im Göttinger Musenalmanach 1774) Johann Wolfgang Goethe: Adler und Taube (1774) Montag, 19. November Hymnik des Sturm und Drang Johann Wolfgang Goethe: Wanderers Sturmlied (1772) Johann Wolfgang Goethe: Ganymed (1773) Johann Wolfgang Goethe: Prometheus (1773; ED nicht autorisiert 1785, autorisiert 1789) Johann Wolfgang Goethe: Schwager Kronos (1774; ED 1789) Montag, 26. November Entdeckung der Balladenform Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Adelstan Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Die Nonne [1772/73] Gottfried August Bürger: Lenore (1773)

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BA-Modul 3: Text- und Medienanalyse I

Wintersemester 2012/13 PD Dr. Ralf Klausnitzer

Lyrik 1750-1800 Montag, 10-12 Uhr, HP 1.301

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vollziehen sich gravierende Veränderungen in der Literatur. Vor allem auch in jener Gattung, die ihre eigenständige Qualität eigentlich erst in dieser Zeit gewinnt: Lyrische Rede wandelt sich von der „Nachahmung“ zum „Ausdruck“ von Gefühlen und Einstellungen; sie wird zum Format für die „Ausdrücke der wirklichen Empfindungen unsers Herzens“ (J. A. Schlegel) und damit zu jenem Bestandteil des Gattungssystems, das Subjektivität und Emotionalität in besonderer Weise darstellt und vermittelt. In einem vielschichtigen und überaus spannenden Prozess entsteht dabei nicht nur die sogenannte „Erlebnislyrik“ (die in den Gedichten des jungen Goethe ihre wirkungsmächtigen Ausprägungen findet), sondern eine neue Auffassung der Gattung und von Literatur überhaupt, die als vermeintlich unverfälschte Äußerung persönlicher und kollektiver Erfahrungen nun mehrfach dimensionierte Funktionen für die Konstitution wie für die Semantik moderner Individualität übernimmt. Doch das geschieht weder geradlinig noch alternativlos: Neben den „Ausbrüchen des lyrischen Feuergusses“ (Jean Paul) behauptet sich eine rhetorisch normierte Lyrik ebenso wie das Lehrgedicht, das in einigen Poetiken als höchste Manifestation von Literatur überhaupt gilt. – Das Seminar wird die Entwicklung dieser bis in die Gegenwart wichtigen Funktionen von Lyrik umfassend rekonstruieren und im Kontext weitreichender Umbauten des Literarischen untersuchen. Behandelt werden dabei nicht nur die neuen Varianten lyrischer Ausdruckskunst im Zeichen einer von Klopstock erneuerten Dichtersprache und die Einsätze der jungen Generation des Sturm und Drang, sondern auch die Entwicklungen der Ideen- und Gedankenlyrik in den 1780er und 1790er Jahren sowie die ernsten Spiele der frühromantischen Poesie um 1800. Teilnahmevoraussetzung ist die Bereitschaft zu intensiver und genauer sowie mehrfacher Lektüre sowie zum lauten Lesen der Texte. Montag, 22. Oktober

Einführung

Montag, 29. Oktober

Was vorher geschah: Gedankenlyrik der Aufklärung – Anakreontik Johann Christoph Gottsched: Das Lob Germaniens [1731] Friedrich von Hagedorn: Anacreon [1747] Friedrich von Hagedorn: Die Wunder der Liebe [1747] Friedrich von Hagedorn: An die Dichtkunst [1747] Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Anakreon [1744]

Montag, 5. November

Begründung der neuen Erlebnisdichtung Friedrich Gottlieb Klopstock: Der Lehrling der Griechen [1747] Friedrich Gottlob Klopstock: Der Zürchersee [1750] Friedrich Gottlieb Klopstock: Die Frühlingsfeyer [1759] Zum Vergleich: Johann Fürchtegott Gellert: Die Ehre Gottes aus der Natur [1757] Sekundär, wichtig: Karl S. Guthke: Die Entdeckung des Ich in der Lyrik. Von der Nachahmung zum Ausdruck der Affekte. In: W. Barner (Hrsg.): Tradition, Norm, Innovation. Soziales und literarisches Traditionsverhalten in der Frühzeit der deutschen Aufklärung, München 1989, S. 93–124

Montag, 12. November

Anakreontische Anfänge + Durchbruch zur Erlebnislyrik: Der junge Goethe Johann Wolfgang Goethe: Annette. (Erste handschriftliche Gedichtsammlung, entstanden 1766/67, ED 1896 Johann Wolfgang Goethe: Willkommen und Abschied (1770/ ED 1775) Johann Wolfgang Goethe: Mailied (1771/ ED 1775) Johann Wolfgang Goethe: Mahomets Gesang (ED 1772/73; ED im Göttinger Musenalmanach 1774) Johann Wolfgang Goethe: Adler und Taube (1774)

Montag, 19. November

Hymnik des Sturm und Drang Johann Wolfgang Goethe: Wanderers Sturmlied (1772) Johann Wolfgang Goethe: Ganymed (1773) Johann Wolfgang Goethe: Prometheus (1773; ED nicht autorisiert 1785, autorisiert 1789) Johann Wolfgang Goethe: Schwager Kronos (1774; ED 1789)

Montag, 26. November

Entdeckung der Balladenform Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Adelstan Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Die Nonne [1772/73] Gottfried August Bürger: Lenore (1773)

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Montag, 3. Dezember

Göttinger Hain Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Auftrag Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Die Liebe Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Hymnus an den Mond Johann Martin Miller: An meine Freunde in Göttingen (1775)

Montag, 10. Dezember

Vom Ideal Klopstock zum Sturm und Drang: Friedrich Schiller Friedrich Schiller: Der Triumph der Liebe Friedrich Schiller: In einer Bataille Friedrich Schiller: Die Kindsmörderin Friedrich Schiller: Die Freundschaft Friedrich Schiller: Die schlimmen Monarchen (alle Texte in der von FS herausgegebenen Anthologie auf das Jahr 1782)

Montag, 17. Dezember

Ernüchterungen Johann Wolfgang Goethe: Einschränkung (1776, ED 1789) Goethe: Harzreise im Winter (1777; ED 1789) Goethe: An den Mond (1778; ED 1789)

Montag, 7. Januar 2013

Erlebnis Italien; Erlebnis Antike Johann Wolfgang Goethe: Römische Elegien (1790) Friedrich Schiller: Die Götter Griechenlands (Erste Fassung, 1788)

Montag, 14. Januar

Gedankenlyrik der Klassik Friedrich Schiller: Das Ideal und das Leben (1795/96) Friedrich Schiller: Das verschleierte Bild zu Sais (1795/96)

Montag, 21. Januar

Gemeinsame Balladenproduktion Johann Wolfgang Goethe: Der Zauberlehrling (1797; ED 1798) Friedrich Schiller: Die Kraniche des Ibykus (1797; ED 1798)

Montag, 28. Januar

Neue Töne Friedrich Hölderlin: Diotima Friedrich Hölderlin: Lebenslauf Friedrich Hölderlin: Die Heimat (Erste Fassung) Friedrich Hölderlin: An die Deutschen Friedrich Hölderlin: An die Parzen (Entstanden 1796-98, ED 1799)

Montag, 4. Februar

Anfänge der Romantik Friedrich von Hardenberg (Novalis): Hymnen an die Nacht (1800)

Montag, 11. Februar

Abschlussdiskussion - Friedrich Schiller: Das Lied von der Glocke (1800)

Elementare Verabredungen zum Seminarablauf è Angestrebt wird die umfassende und genaue Kenntnis der wichtigsten Lyrik-Texte aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (die irgendwann im Leben sowieso gelesen werden müssen). Deshalb sind alle angegebenen Primärtexte von allen Seminarteilnehmern intensiv zu lesen und genau zu kennen; aufgeführte Sekundärliteratur trägt zur Kontextualisierung bei und sollte gelesen werden. è Primärtexte können angeschafft oder in der Institutsbibliothek + UB + Stabi gelesen werden; stehen auch auf moodle zum Download bereit; Kennwort: Vers è Eine kurze Einführungen durch Studierende soll die Basis für die nachfolgende Seminardiskussion bilden; günstig sind Arbeitsgruppen sowie ein knappes, konzises Thesenpapier. è Der Erwerb von benoteten Leistungsnachweisen („Schein“) erfolgt durch regelmäßige aktive Teilnahme am Seminar + Einführungsauftritt + Modulabschlussprüfung; nähere Informationen dazu rechtzeitig è Um Abwesenheit bei Seminarveranstaltungen zu minimieren: Einmaliges unentschuldigtes Fehlen erlaubt (wenn auch nicht gern gesehen), zweite Absenz nur mit Entschuldigung. Dann vorbei. Sprechstunde: Mittwoch 14.30 – 15.30 Uhr im Institut für deutsche Literatur, DOR 24, Raum 3.528 sowie jederzeit nach Vereinbarung è Tel. dienstl.: 20 939 697; Mail: [email protected]