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1 Wi§t Inhaltsverzeichnis Buchseiten 1. Jung und schon besteuert? 2. KSt greift vor! 3. Falsche Adresse – was nun? 4. Zurechnungsfähig? 5. Wo „werken“ sie denn? 6. Die Zeit klärt viele Fragen 7. AGB-Neuregelung 8. Fristen und Termine 9. Eltern können immer Geld gebrauchen 10. Erst zahlen – dann sparen 11. Aller Anfang ist schwer 12. Kalte Progression 13. Darlehen oder stille Beteiligung? 14. PartnerschaftsGmbB 15. IST-Besteuerung bei Freiberuflern? 16. UG(haftungsbeschränkt) & Co KG? 17. Übergänge beachten! 18. Kassensturz 19. Damnum 20. VuV von Beförderungsmitteln 25 26 28 36 41 61 63/69 77/97 128 171 228 275 289 293 296 340 362 368 400 420

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Inhaltsverzeichnis

Buchseiten

1. Jung und schon besteuert?

2. KSt greift vor!

3. Falsche Adresse – was nun?

4. Zurechnungsfähig?

5. Wo „werken“ sie denn?

6. Die Zeit klärt viele Fragen

7. AGB-Neuregelung

8. Fristen und Termine

9. Eltern können immer Geld gebrauchen

10. Erst zahlen – dann sparen

11. Aller Anfang ist schwer

12. Kalte Progression

13. Darlehen oder stille Beteiligung?

14. PartnerschaftsGmbB

15. IST-Besteuerung bei Freiberuflern?

16. UG(haftungsbeschränkt) & Co KG?

17. Übergänge beachten!

18. Kassensturz

19. Damnum

20. VuV von Beförderungsmitteln

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Wi§t 1: Jung – und schon besteuert!

In Steuerkreisen hält sich die Vermutung, dass der erste Babyschrei nach der Geburt dar-auf zurückzuführen ist, dass der junge Erdenbürger die „gierige“ ESt-Hand bedrohlich auf sich zukommen sieht.

In der Tat ist das neugeborene Kind als rechtsfähige natürliche Person (§ 1 BGB) mit einem Wohnsitz bei den inländischen Eltern (§ 8 BGB) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 EStG).

Damit müsste es Zinseinkünfte aus dem Geldgeschenk des stolzen Opas mit 25 % Zins-abschlagsteuer (§ 32 d EStG) zzgl. SolZ versteuern, es sei denn, seine Eltern haben einen Freistellungsauftrag über 801,00 EUR (Sparer-Pauschbetrag) gem. § 44 a Abs. 1 Nr. 1 EStG erteilt oder eine Freistellungsbescheinigung gem. § 48 b EStG vorgelegt.

Das Kind ist mit der Geburt zum Träger (auch) von steuerlichen Pflichten und Rechten geworden.

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Wi§t 2: Die KSt greift vor!

Fritz Wolter und Gerhard Müller beschließen im Juli 01, am 05. 11. 01, in Göttingen ein IT-Unternehmen unter der Firma Wolter & Müller GmbH zu eröffnen. Der Gesellschafts-vertrag wurde am 06. 10. 01 beurkundet. Die am 02. 11. 01 angemieteten Geschäftsräume wurden am 25. 11. 01 eingerichtet, sodass am 01. 12. 01 der Geschäftsbetrieb aufgenom-men werden konnte. Die HR-Eintragung erfolgte am 02. 01. 02.

Die GmbH als eigene Rechtspersönlichkeit entsteht am 02. 01. 02 mit Eintragung ins HRB. An diesem Tag beginnt ihre privatrechtliche Rechtsfähigkeit, was insbesondere auch für die beschränkte Haftung von Bedeutung ist.

Die KSt aber sieht vom Zeitpunkt der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages eine Kapi-talgesellschaft im Gründungsstadium (Vorgesellschaft, H2 KStR) vor, die mit der späte-ren GmbH einen „einheitlichen Steuergegenstand“ bildet.

Die KSt-Pflicht der zukünftigen Wolter & Müller GmbH beginnt also mit der Vorgesellschaft am 06. 10. 01. Das gilt im Übrigen auch für die GewSt (H2.5 (2) „Vorgesellschaft“ GewStR).

Die Steuerrechtsfähigkeit liegt hier also vor der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit.

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Wi§t 3: Falsche Adresse – was nun?

Der Gymnasiast R. Appel (16 Jahre) führt mit Zustimmung seiner Eltern und des Vormund-schaftsgerichtes einen Turnier-Service-Betrieb für Pferdesportveranstaltungen. Daneben hat er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Wem sind der USt-,GewSt- und ESt-Bescheid bekanntzugeben?

Ein Verwaltungsakt wird gegenüber einem Steuerpflichtigen an dem Zeitpunkt wirksam, an dem er ihm bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 AO). Bekanntgabe bedeutet also für den Betroffenen „Zugang in seinen Machtbereich mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme“.

Bis zur Bekanntgabe liegt lediglich ein behördeninterner Vorgang vor, der ohne jegliche Wirkung für den Betroffenen ist (zu § 124 Nr. 3 AEAO).

R. Appel ist beschränkt geschäftsfähig gem. §§ 106–108 BGB. Steuerbescheide sind in die-sem Fall grundsätzlich dem gesetzlichen Vertreter (Eltern) bekannt zu geben (§ 122 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 34 AO). Im Falle des § 112 BGB (Selbstständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäftes) ist der Minderjährige für alle Geschäfte voll geschäftsfähig, die das genehmigte Erwerbsgeschäft mit sich bringt.

USt- und GewSt-Bescheid sind an R. Appel zu adressieren (Unternehmer gem. § 13 UStG, § 5 GewStG).

Der ESt-Bescheid ist an die Eltern zu adressieren, da er sich auf eine Einkunftsart (VuV) bezieht, die mit dem genehmigten Gewerbebetrieb nichts zu tun hat.

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Wi§t 4: Zurechnungsfähig?

Im Bilanz- und Steuerrecht kommt es auf das wirtschaftliche Eigentum an (§ 39 AO; § 246 Abs. 1 S. 2 HGB). Als wirtschaftliches Eigentum wird Eigentum an Sachen bezeichnet, die dem Inhaber zwar nicht sachenrechtlich zustehen, aus denen er aber voll wirtschaftlichen Vorteil ziehen kann. Anwendungsfälle sind u. a.:

■ der Eigentumsvorbehalt,

■ die Sicherungsübereignung (mit Besitzkonstitut),

■ das Leasing.

Beim Leasing ergibt sich aus der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums eine unmit-telbare Auswirkung auf die Hinzurechnungen gem. § 8 Nr. 1 GewStG).

Beispiel 1:

Unternehmer U hat eine Maschine geleast (AK 20 000,00 EUR, BND 10 Jahre). Während der Grundmietzeit (GMZ) von 5 Jahren muss er mtl. 375,00 EUR + USt bezahlen.

Die GMZ beträgt 50 % der Betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer (BND); folglich aktiviert der L-Geber. Für U ist die Maschine damit „fremdes Eigentum“ (kein wirtschaftliches Eigentum).

In der GewSt hat er eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 d GewStG (Miet- und Pachtaufwendun-gen einschl. Leasing) von 900,00 EUR (20 % von 375 = 75 · 12).

Beispiel 2:

Der Leasingnehmer U erhält eine Maschine (AK 27 000,00 EUR, BND 10 Jahre).

Die GMZ beträgt vertragsgemäß 3 Jahre. Die monatliche Leasingrate von 950,00 EUR setzt sich zusammen aus 150,00 EUR Zinsanteil, 50,00 EUR Kosten und 750,00 EUR Tilgungsanteil.

Die GMZ beträgt 30 % der BND; folglich aktiviert der L-Nehmer (wirtschaflicher Eigentümer). Für U liegt damit kein fremdes Eigentum vor.

In der GewSt hat er folglich eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 a GewStG (Entgelte für Schul-den) von 1 800,00 EUR (12 · 150 Zinsanteil) anzusetzen.

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Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer

40 % Grundmietzeit 90 %

Zivilrechtliches Eigentum an beweglichen WG – § 903 BGB

Wirtschaftliches Eigentum gemäß § 39 AO/§ 246 HGB

L-Nehmer L-Nehmer

L-Geber

L-Geber

Wirtschaftliches Eigentum und GewSt

Behandlung der L-Raten beim L-Nehmer in der GewSt

Hinz. § 8 Nr. 1 d

20 % der LR für bewegl. WG in

fremdem Eigentum

Hinz. § 8 Nr. 1 a*

Hinz. § 8 Nr. 1 a

Kein fremdes

Eigentum*

Zurechnung gem. § 39 AO/§ 246 HGB (i. V. m. L-Erlass 1971/72)

* „Soweit für einen Kaufpreis eine Verbindlichkeit zu passivieren ist, ist der in der Rate enthaltene Zinsanteil gem. § 8 Nr. 1 a GewSt hinzuzurechnen.“ (BMF-Schreiben vom 04. 07. 2008, Rz. 8)

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Wi§t 5: Wo „werken“ sie denn?

Die Pedalo OHG repariert bei einem Radrennen in Frankfurt die Rennmaschine eines holländischen Profi-Radrennfahrers für 432,00 EUR. Die Rechnung weist einen Material-aufwand an verschiedenen Kleinteilen von 220,00 EUR aus. Ist in der Rechnung USt aus-zuweisen?

Es liegt ein Werkvertrag gem. § 631 BGB vor. Umsatzsteuerlich ist eine Abgrenzung als Werklieferung oder Werkleistung erforderlich. Davon ist es abhängig, ob der Leistungs-ort in einem anderen Land liegt oder eine Steuerbefreiung zur Anwendung kommt.

Einen Überblick zur Abgrenzungsproblematik zeigt die folgende Übersicht.

Werkunternehmerverwendet dabei . . .

Auftraggeber/ Auftragnehmer

Lieferung Sonstige Leistung

„Montage- Lieferung“

Bew. körperl. Gegenstand

Fertiges Werk

In Verb. mit Grundstücken

Werklieferung Werkleistung

Werklieferung und Werkleistung § 3 Abs. 4/§ 3 Abs. 10 UStG

Werkvertrag § 631 BGB„Durch Dienstleistung

herbeizuführendes Ergebnis (Herstellung eines Werkes)

selbst beschaffte

Hauptstoffe (R 3.8 UStAE)

Zutaten oder sonstige

NebensachenHauptstoffe

Wo sich Gegen- stand bei Ab-

nahme befindet § 3 Abs. 7 UStG

Tätigkeitsort § 3 a Abs. 3, Nr. 4 c UStG

Sitz des Leistungsempf.

Startort § 3 Abs. 6 UStG

Belegenheitsort § 3 a Abs. 3 Nr. 1 UStG

B2C

B2B

Im vorliegenden Fall enthält die Reparaturleistung sowohl einen nicht unwesentlichen Material- wie Arbeitsaufwand an einem beweglichen körperlichen Gegenstand. Aus Ver-einfachungsgründen kann von einer Werklieferung ausgegangen werden (Materialanteil > 50 %, R 3.8 Abs. 6 S. 6 UStAE). Der Ort liegt damit in Frankfurt (§ 3 Abs. 7 UStG), die Leistung ist steuerbar, aber steuerbefreit gem. § 4 Nr. 1 b i. V. m. § 6 UStG.

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Wi§t 6: Die Zeit klärt viele Fragen

Der Lieferzeitpunkt ist in der Umsatzsteuer wichtig, um

■ die Entstehung der Umsatzsteuer (§ 13 UStG) bestimmen zu können, wodurch die Zugehö-rigkeit zu einem Voranmeldungszeitraum festgelegt wird,

■ den Ort der Lieferung (§ 3 Abs. 7 UStG) ermitteln zu können, was für die Steuerbarkeit eines Umsatzes mit entscheidend ist.

Ein Lieferzeitpunkt ist im UStG nicht festgelegt; er richtet sich somit nach zivilrechtlichen Grundsätzen. Ausschlaggebend ist danach der Gefahrenübergang, also

■ die Übergabe der verkauften Sache an den Käufer (§ 446 BGB) oder

■ die Übergabe an den Spediteur, Frachtführer oder der sonst mit der Ausführung der Beför-derung/Versendung beauftragten Person.

Einen ersten Überblick vermittelt die folgende Darstellung:

§ 446 BGB § 447 BGB

UStG

. . . mit Warenbewegung . . . ohne Warenbewegung

R 13.1 UStAE R 13.5 f. UStAE

Bewegte Lieferung SOLL § 3 (1) 1 aRuhende Lieferung IST § 13 (1) 1 b

Übergabe

Handkauf Platzkauf

Übergabe an Sped.

Versendungskauf

EO: Gefahrenübergang gem. BGB

Zeitpunkt der Lfg.

Ort der Lieferung

STARTORT § 3 (6) UStG

Verschaffung der Verfügungsmacht

Wo sich der Gegen-stand im Übergabe-zeitpunkt befindet

§ 3 (7) UStG?

Zahlungseingang

Entstehung der USt § 13 UStG

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Wi§t 7: AGB-Neuregelung(1) Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind

■ alle für eine Vielzahl von Verträgen ■ vorformulierte Vertragsbedingungen eines Wirtschaftszweiges, ■ die eine Vertragspartei bei Vertragsabschluss ■ einer anderen Vertragspartei einseitig auferlegt.

(2) Anwendungebereich (§ 310 Abs. 1 BGB)

Die AGB finden nur bei Verbraucherverträgen (Unternehmer-Verbraucher) Anwendung. Verträge zwischen Unternehmern sind damit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.

(3) Einbeziehung in den Vertrag (§ 305 BGB)

Die AGB werden nur Vertragsbestandteil, wenn der Kunde

■ vor Vertragsabschluss ausdrücklich auf sie hingewiesen wird (verbal, Aushang),

■ von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann,

■ sein Einverständnis gegeben hat.

(4) Vorrang von Individualabsprachen (§ 305 b BGB)

Persönliche Absprachen zwischen den Vertragsparteien haben Vorrang.

(5) Überraschende Klauseln (§ 305 c BGB)

Enthalten die ABG Klauseln, mit denen der Käufer nicht rechnen muss, sind diese nichtig.

(6) Rechtsfolgen bei unwirksamen AGB (§ 306 BGB)

Der Vertrag bleibt bestehen, wenn einzelne Teile der AGB unwirksam sind. Es gelten dann die gesetzlichen Vorschriften (i. d. R. das BGB).

(7) Verbotene Klauseln (§§ 308 f. BGB)

Hierzu siehe im Einzelnen in den §§ 308 f. BGB.

(8) Neuregelungen in den AGB – Auswirkung auf Steuerberatung

Für Anzeigen und Erklärungen des Verbrauchers an den Unternehmer darf gem. § 309 Nr. 13 BGB in den AGB keine strengere Form als die TEXTFORM (§ 126 b BGB) gelten. So kann z. B. für die Kündigung keinesfalls mehr die Schriftform verlangt werden.

Somit dürfen die Allgemeinen Auftragsbedingungen des StB – sofern er keine Individual-absprachen mit Mandanten trifft – nicht mehr die Klausel enthalten, dass die Kündigung schriftlich zu erfolgen hat (Schriftform § 126 BGB).

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Wi§t 8: Fristen und Termine

Fristen bezeichnen einen Zeitraum, vor, innerhalb oder nachdem ein bestimmtes Ereignis eintreten soll.

Den Zeitpunkt des Fristablaufes bezeichnet man als Termin; beide können gesetzlich, ver-traglich oder richterlich bestimmt sein.

Eine Frist ist immer gewahrt, wenn ein erforderliches Schriftstück bis 23:59 Uhr in die Verfügungsmacht des Gerichtes oder der Behörde gelangt (neue BGH-Rechtsprechung – BGH 08. 05. 2007 – VI ZB 74/06).

Die §§ 186–193 BGB regeln die Berechnung der Fristen und die Bestimmung von Termi-nen. Sie gelten gem. § 108 AO auch im Steuerrecht, es sei denn, § 108 Abs. 2–5 AO ent-halten abweichende Bestimmungen. Einen kurzen Überblick bildet folgende Darstellung:

Ereignisfrist (Ereignistag wird nicht mitgerechnet)§ 187 Abs. 1 BGB

§ 122 Abs. 2

Nr. 1 AO ist eine Frist!

Beginnfrist (Ereignistag wird mitgerechnet)§ 187 Abs. 2 BGB

Fristen sind abgegrenzte, bestimmte oder bestimmbare Zeiräume AEAO zu § 108, Nr. 1, S. 1

Termine AEAO zu § 108, Nr. 1, S. 2/3

Termine sind bestimmte Zeitpunkte, an denen etwas

geschehen soll oder eine Wirkung eintritt

Fristbeginn § 108 AO

FristdauerFristende

§ 108 Abs. 3 AO

Tagesfrist (Schonfrist § 240 AO Zugangsfrist § 122 AO)

Wochenfrist (Mahnfrist § 259 AO)

Monatsfrist (Einspruch § 355 AO)

Jahresfrist (Verjährung § 228 AO)

Ereignisfristen (dem Ereignistag entspre-chender Tag, 24:00 Uhr)§ 188 Abs. 1 BGB

Beginnfristen (dem Anfangstag voraus-gehender Tag, 24:00 Uhr)§ 188 Abs. 2 BGB

„fehlender Tag“ § 188 Abs. 3 BGB

Bei zu erwartender Willenserklärung/Leistung „Nächster Werktag“§ 193 BGB i. V. m. § 108 Abs. 3 AO

z. B. Fälligkeitstermin§ 220 AO

Willi Sonntag, geb. 1. Januar 1951 und seine Ehefrau Gina, geb. 2. Januar 1952 werden zusammen zur ESt veranlagt. Überprüfen Sie, für welchen Veranlagungszeitraum (VZ) den Eheleuten ein Altersentlastungsbetrag (AEB) gem. § 24 a EStG zusteht!

Anspruch auf AEB hat gem. § 24 a S. 3 EStG der Steuerpflichtige, der „vor Beginn des Kalenderjahres, in dem er sein Einkommen bezogen hat, das 64. Lebensjahr vollendet hatte“. Der Geburtstag wird gem. § 187 Abs. 2 BGB bei der Fristberechnung mitgerechnet (Beginnfrist). Das 64. Lebensjahr wird damit am Vortag des Geburtstages um 23:59 Uhr vollendet (§ 188 Abs. 2 BGB). Willi Sonntag vollendet sein 64. Lebensjahr am 31. Dezem-ber 2014, er hat somit Anspruch auf AEB im VZ 2015, seine Frau erst 2017.

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Wi§t 9: Eltern können immer Geld gebrauchen

Das Elterngeld soll nach der Geburt eines Kindes den notwendigen Schonraum für einen guten Start in das gemeinsame Leben mit dem neuen Familienmitglied schaffen. Den Eltern wird ermöglicht, vorübergehend ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten, um sich der Betreuung des Kindes widmen zu können. Ab dem 1. Juli 2015 kann dabei zwischen dem Basiselterngeld und dem neuen ElterngeldPlus gewählt wer-den.

Wichtige Regelungen im Überblick

Basiselterngeld ElterngeldPlus

Höhe ■ 67 % des Nettoentgeltes, Aufstockung (< 1 000) je 1 % für 20,00 EUR Mindereink.

■ min. 300,00 EUR bis max. 1 800,00 EUR/2 100,00 EUR bei Mehrlingsgeburten

■ kein EG > 250 000,00/ 500 000,00 EUR Einkommen

min. 150,00 EUR max. 900,00 EUR

Dauer 12 Monate + 2 Monate, wenn anderer Elternteil Betreuung über-nimmt/Alleinerziehende

24 Monate + 4 Monate, wenn beide Elternteile vier Monate 25– 30 Std. Teilzeit arbeiten

Anrechnung ■ Voll auf Arbeislosengeld II, Sozialhilfe, Kinderzuschlag

■ auf Mutterschaftsgeld im 1. und 2. Monat

Achtung steuer- und sozialversicherungsfrei aber: Progressionsvorbehalt (2) gem § 32 b Abs. 1 Nr. 1 EStG

(1) Weitere Einzelheiten siehewww.bmfsfj.de/familiewww.familien-wegweiser.dewww.Wikipedia.de/Elterngeldwww.elterngeld.de

(2) Bei der Ermittlung des „besonderen Steuersatzes“ ist das steuerfreie Elterngeld zu berücksichtigen.

Ganz legaler Steuertipp:

(1) Nettoeinkommen erhöhen durch Beantragung eines zusätzlichen Freibetrages gem. § 39 a EStG (mindestens 1 600,00 EUR – 1 000 AN-Pauschbetrag + 600).

(2) Wahl der Steuerklasse, d. h. höheres Nettogehalt durch Steuerklasse III oder IV.

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Beispiel:

A und B sind Eltern eines im Februar 2014 geborenen Kindes. B gibt zur Kinderbetreuung ihre Erwerbstätigkeit für 12 Monate auf. Ihr Nettoeinkommen der letzten 12 Monate vor der Geburt beträgt 1 200,00 EUR/Steuerklasse V.

In der Zeit vom Februar bis Dezember 2013 fuhr sie an 180 Tagen zur 65 km entfernten Arbeits-stätte mit ihrem Pkw.

Höhe des Basiselterngeldes

B erhält 804,00 EUR (67 % von 1 200,00 EUR) Anspruchszeitraum ist Februar 2014 bis Januar 2015.

Für Februar/März besteht Anspruch auf Mutterschaftsgeld, daher durch Anrechnung in diesen Monaten kein Elterngeld.

Wechsel der Steuerklasse

Durch Wechsel zur Steuerklasse IV geringere Abzüge, sodass Nettoeinkommen steigt. Der Wechsel muss in der Familienplanung schon Anfang 2014 vorgenommen werden.

LSt bei 1 200,00 EUR Arbeitslohn Steuerklasse V 159,58 EUR Steuerklasse IV nur noch 38,66 EUR

Das mtl. Nettoeinkommen steigt somit um 120,92 EUR (jährl. 1 451,04 EUR).

Beantragung eines Freibetrages

B kann ihr Nettoeinkommen der letzten 12 Monate durch Beantragung eines Freibetrages für 2013 erhöhen:

Fahrtkosten 180 Tage · 0,30 EUR · 65 km = 3 510,00 EUR Werbungskosten (§ 9 EStG).

Der Freibetrag ist zulässig, da er 1 600,00 EUR übersteigt. Wirksam würden 2 510,00 EUR (3 510,00 EUR– 1 000 AN-Pauschbetrag), sodass 209,00 EUR das mtl. Nettoeinkommen erhöhen würden.

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Wi§t 10: Erst zahlen – dann sparen! SA-Optimierung mit Basiskranken- und Pflegeversicherung

Basis-KV und HöB gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 a

Basis-KV und Pflegeversicherung können gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG i. V. m. § 10 Abs. 4 EStG unbeschränkt als SA abgezogen werden.

Sie werden allerdings vorrangig auf den HöB (1 900,00/2 800,00 EUR) gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 a EStG für übrige Vorsorgeaufwendungen angerechnet; für Zusatz-KV, bei Berufs-unfähigkeits-, Haftpflicht-, Risikolebensversicherungen u. ä. bleibt somit kein oder nur geringer Abzug im VZ.

Vorauszahlungen für Basis-KV und PflegeV

Gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4 EStG ist eine Beitragsvorauszahlung i. H. v. max. dem Zwei-einhalbfachem der für den VZ vertraglich geschuldeten Beiträge möglich.

Folge: In den Jahren, für die die Vorauszahlungen entrichtet wurden, können sich sons-tige Vorsorgeaufwendungen bis 1 900,00/2 800,00 EUR wieder auswirken.

Voraussetzungen für Beitragszahlungen

Vorauszahlungen – nur in der privaten KV – sind nur sinnvoll, wenn hinreichend hohe sonstige Vorsorgeaufwendungen bis 1 900,00/2 800,00 EUR anfallen.

Beispiel:

Herr S. Parfuchs (verheiratet) leistet 2014 vertraglich für seine private Basis-KV und PflegeV 3 500,00 EUR. Daneben entstehen regelmäßig Ausgaben i. H. v. 3 000,00 EUR für Zusatz-KV und Haftpflicht versicherung.

Jahr Beiträge/VorauszahlungenOhne Voraus-

zahlungMit Voraus-

zahlung

2014 Basis-KV + PflegeV 2,5 · 3 500 als Vorauszahlung sonstige VorsAufw. entfallen, da Basis-KV > 2 800

3 500 0

3 500 8 750

0

2015 Basis-KV + PflegeV Sonstige VorsAufw.

3 500 0

Vorausgezahlt2 800

2016 Basis-KV + PflegeV Sonstige VorsAufw.

3 500 0

Vorausgezahlt2 800

2017 Basis-KV + PflegeV Sonstige VorsAufw.

3 500 0

1 750 1 050

Summe 14 000 20 650

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Wi§t 11: Aller Anfang ist schwer

Der Ingenieur Horst Dübel (D) betreibt seit 2010 ohne Mitarbeiter einen Großhandel für Kfz-Zubehör. In den letzten Jahren ist sein Unternehmen stetig gewachsen. Er ermittelt sei-nen Gewinn zulässig gem. § 4 Abs. 3 EStG. Seine Aufzeichnungen zeigen folgendes Bild:

Kalenderjahr 2015 2016 2017

Umsätze/EUR 474 678 626 154 642 988

Gewinn/EUR 37 165 59 168 61 998

Da er seine ESt-Erklärung 2016 fristgerecht im Mai 2017 eingereicht hatte, erhielt er mit Post vom 5. Dezember 2017 die Mitteilung vom zuständigen Finanzamt, dass er für seinen Betrieb verpflichtet sei, aufgrund jährlicher Bestandsaufnahme Abschlüsse zu machen.

Verpflichtet ihn diese Mitteilung zur Führung von Büchern?

D wird vom Finanzamt zu Recht zur Buchführung verpflichtet. Als gewerblicher Unterneh-mer weist er für 2016 einen Umsatz von mehr als 600 000,00 EUR aus (§ 141 Abs. 1 AO).

Die Verpflichtung nach § 141 Abs. 1 AO ist vom Beginn des Wirtschaftsjahres an zu erfül-len, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, hier also ab 1. Januar 2018 (§ 141 Abs. 2 AO).

Allerdings erfolgt die Mitteilung nicht mindestens einen Monat vor dem gesetzlich vor-gesehenen Termin (zu § 141 Nr. 4 AEAO), sodass die Mitteilung erst zum 1. Januar 2019 wirksam wird.

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Wi§t 12: Kalte ProgressionSteuersätze, die gleich nach dem Grundfreibetrag stark ansteigen, und die kalte Progres-sion machen den Steuerbürgern schwer zu schaffen.

Grenzbelastungin Prozent Existenz- minimum Progressionszone Proportionalzone

„Reichen- steuer

8 820 EURGrundfreibetrag

54 057 EUR13 769 EUR

256 303 EUR

minimum Progressionszone Proportionalzone

„Reichen- steuer

45

14

42

zu versteuerndesEinkommen (Ledige)

2017:

24

Angenommen die Löhne und Preise steigen um 5 %, so kann man sich real doch weniger leisten als vorher. Dazu ein Blick in die gültige Monats-LSt-Tabelle 2017:

Gehalt, brutto LSt (I/0) Gehalt, netto LSt (III/0) Gehalt, netto

Alt 2 500,00 301,16 2 193,84 92,00 2 408,00

Erhöhung in % >>5<< 9,9 4,3 26,2 4,2

Neu 2 625,00 336,50 2 288,50 116,10 2 508,90

Die ESt-Belastung steigt bei einem Ledigen um das Doppelte, bei einem verheirateten AN um mehr als das Vierfache der Lohnerhöhung, nämlich um 26,2 %. Real haben beide nur eine Einkommenserhöhung von 4,3/4,2 % erreicht.

Hätte die Lohnerhöhung gerade die Inflation ausgeglichen, käme es durch den progres-siven ESt-Tarif gleichsam zu einer „kalten“ Enteignung: die Kaufkraft betrüge in beiden Fällen mit 2 179,52 EUR und 2 389,43 EUR weniger als vor der Lohnerhöhung (Kaufkraft = reziproker Wert der Preisniveauerhöhung – 2 288,50 : 1,05 = 2 179,52).

Steuerzahler mit relativ geringem Einkommen sind am stärksten von der „kal-ten Progression“ betroffen! (Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung – IAW, Tübingen 2008).

Dazu noch ein einfaches Beispiel:

In einem Land liegt der Steuersatz für die ersten 10 000,00 EUR Einkommen bei Null (Grundfreibetrag für Existenzminimum) und für jeden weiteren Euro bei 30 %.

Wi§t 12

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JahrPreis- index

Preisstei-gerung %

Gehalt, brutto

Gehalt Gehalts-steigerung

EStSteigerung

EStNetto Real

1 100 20 000 17 000 3 000

2 110 10 22 000 18 400 16 727* 10 3 600 20

* 18 400 : 1,1 = 16 727

Eine 10 %ige Lohnerhöhung bei gleich hoher Inflation senkt die Kaufkraft um 1,6 % (16 727 : 17 000 = 0,984), weil die ESt um 20 % gestiegen ist (kalte Progression).

Folgen

■ „Schleichende Steuererhöhung“ – „kalte Progression“ hat von 2001 bis 2006 ca. 63 Mrd. Steuermehreinnahmen erbracht (IAW 2008).

■ Der progressive Einkommensteuertarif als „automatischer Stabilisator“ der Konjunk-turpolitik erhöht die Steuereinnahmen, ohne dass man die Wähler mit Steuererhöhun-gen ärgern muss.

■ Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist unbestritten. ■ Das Nominalwertprinzip (Ausklammerung der Inflation aus der Besteuerung) führt zu

steigenden Steuern bei real „fast“ stagnierendem Einkommen. ■ Damit wird gleichsam eine automatische Wachstumsbremse durch Entzug von priva-

ter Kaufkraft bewirkt. ■ Aktualitätsbezug („Göttinger Tageblatt“ v. 20. 12. 2013)

Gehalt, brutto LSt (I/0) Gehalt, netto LSt (III/0) Gehalt, netto

Alt 30 000,00 4 027,00 25 937,00 1 466 28 534,00

Erhöhung in % >>1,4<< 2,6 1,3 6 1,2

Neu 30 420,00 4 133,00 26 287,00 1 554,00 28 866,00

Bei Einbeziehung der Preisniveausteigerung 2013 von 1,6 % ergibt sich ein kaufkräftiges Einkommen nach Lohnerhöhung von 25 873,00/ 411,00 EUR, das einem Kaufkraftverlust von 0,3/0,4 % entspricht.

Lösungen?

(1) Eine inflationsbedingte Dynamisierung des ESt-Tarifes („Tarif auf Rädern“)1 war nicht erwünscht, weil

■ geringere Steuereinahmen problematisch sind und ■ damit verbundene „heimliche“ Steuersenkungen nicht wählerwirksam „verkauft“

werden können, ■ Inflationsgefahr besteht.

(2) Ein Einheitssteuersatz/Pauschalsteuersatz ohne Grundfreibetrag wird als unsozial bewertet (keine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit).

(3) In den Steuerprogressionsberichten 2015/2016 wird vom Bundestag festgestellt, dass die kalte Progression „(. . .) nur durch eine Rechtsverschiebung der Tarifeckwerte im Umfang der Inflationsrate (. . .)“ verhindert werden kann (Zweiter Steuerprogres-sionsbericht, S. 5). Im BMF-Schreiben vom 11. 11. 2016 wird der „ESt-Tarif auch in Deutschland auf die Räder gestellt“ (NWB 49/2016, S. 3641).

1 C. Hulverscheidt: Kalte Progression, „Süddeutsche Zeitung“ vom 05. 05. 2014.

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Wi§t 13: Darlehen oder stille Beteiligung?

Ihr Mandant A. Spirin (selbstständiger Apotheker) legt Ihnen folgenden Darlehensvertrag zwischen ihm und dem Bauunternehmer G. Rüst vor und bittet Sie um eine steuerliche Beurteilung.

Darlehensvertrag

§ 1 A, Spirin (Darlehensgeber) gewährt G. Rüst (Darlehensnehmer) ein Darlehen über 300 000,00 EUR. Einen Teilbetrag von 20 000,00 EUR hat der Darlehensgeber sofort zur Verfügung zu stellen, den Restbetrag binnen eines Monats nach schriftlicher Aufforderung durch den Darle-hensnehmer.

§ 2 Die Laufzeit des Darlehens ist nicht befristet. Beide Vertragspartner haben ein jederzeitiges Kündigungsrecht mit einer Frist von 12 Monaten, von dem jedoch nicht vor Ablauf des 31. 12. 2010 Gebrauch gemacht werden kann.

§ 3 Die Abtretung oder Beleihung der Darlehensforderung durch den Darlehensgeber bedarf der Zustimmung des Darlehensnehmers.

§ 4 Der Darlehensgeber erhält eine Gewinnbeteiligung von 30 %. Nach Maßgabe dieses Schlüs-sels nimmt der Darlehensgeber auch am Verlust teil, jedoch nicht über den Betrag des verein-barten Darlehens hinaus. Der Gewinnanteil des Darlehensgebers ist fällig und zahlbar innerhalb eines Monats nach Bilanzaufstellung in angemessener Frist. Ein Auszahlungsanspruch besteht nur, soweit die Gewinnanteile die Verlustanteile früherer Jahre übersteigen und die Liquiditätslage des Betriebes dies erlaubt.

Bei der Bilanzaufstellung wird das Darlehenskonto des Darlehensgebers mit dem Verlustanteil belastet.

§ 5 Der Darlehensgeber hat kein Mitspracherecht bei der Geschäftsführung. Seiner Zustimmung bedürfen jedoch die Übertragung der Geschäftsführung auf Dritte, der Abschluss von Miet-, Pacht- und Darlehensverträgen, die Änderung des Unternehmensgegenstandes sowie Veräußerung, Verpachtung, Einstellung oder Umwandlung des Unternehmens. Dem Darlehensgeber stehen im Übrigen die Informations- und Kontrollrechte eines BGB-Gesellschafters i. S. von § 716 BGB zu.

§ 6 Im Falle der Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Darlehensnehmer und bei Been-digung des Unternehmens sind die Parteien zum Ausgleich der Differenz zwischen dem Wert des Unternehmens und dem Darlehensbetrag verpflichtet. Hierfür ist der Wert des Unternehmens unter Berücksichtigung aller stillen Reserven einschließlich des Geschäftswertes zu ermitteln.

Der auf den Darlehensgeber entfallende Anteil am Wert des Unternehmens beträgt 30 %.

Macht der Darlehensgeber vor der Beendigung des Unternehmens von seinem Kündigungsrecht Gebrauch, kann er lediglich die Rückzahlung des zu diesem Zeitpunkt valutierenden Betrages unter Berücksichtigung des Anteils am Betriebsergebnis bis zum Zeitpunkt der Kündigung verlangen.

Göttingen, den 2. Januar 2011 Unterschriften

1. Überprüfen Sie anhand markanter Vereinbarungen des Vertrages, ob seine Kennzeich-nung als Darlehensvertrag zutrifft!

2. Erläutern Sie dem Mandanten A. Spirin die einkommensteuerlichen Folgen seines Ver-trages!

Wi§t 13

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1. Darlehens- oder Gesellschaftsvertrag

Für die steuerliche Beurteilung eines Rechtsverhältnisses kommt es nicht auf dessen Bezeichnung durch die Vertragschließenden, sondern auf seinen wirtschaftlichen Gehalt an.

Die Vereinbarung könnte als Darlehen (§§ 488 ff. BGB) oder als Stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB) zu beurteilen sein. Für die diesbezügliche Abgrenzung ist entscheidend, ob der Parteiwille eine gesellschaftliche Bindung (Erreichen eines gemeinsamen Zwe-ckes, § 705 BGB) oder einen schuldrechtlichen Leistungsaustausch (Verfolgung nur der jeweils eigenen Interessen, BFH-Urteile vom 21. 06. 1983, BStBl. II 1983, 563 und vom 08. 03. 1984, BStBl. II 1984, 623) verfolgt.

Die folgenden Abgrenzungskriterien sprechen im vorliegenden Fall für eine stille Betei-ligung:

■ Verlustbeteiligung (§ 4) ■ Kontroll- und Widerspruchsrechte (§ 5) ■ Mitbestimmung bei der Verwendung des Darlehensbetrages (§ 3)

2. Einkommensteuerliche Folgen

Aus einkommensteuerlicher Sicht ist die Frage zu klären, ob es sich um eine typische oder atypische stille Gesellschaft handelt.

Typische stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB)

Atypische stille Gesellschaft (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG)

Kapitalmäßige Beteiligung am Handels-gewerbe eines anderen durch eine Einlage, die in das alleinige Vermögen des Inhabers übergeht

Annäherungsweise Rechte eines Kommandi-tisten gem. HGB (GrS des BfH. V. 25. 06. 1984, BStBl. II 1984, 751)

Kontrollrecht – Bilanz- und Buchprüfungsrecht – Kein Informationsrecht gem. § 716 BGB

Mitunternehmerinitiative:Beschlussfassung (§ 161 Abs. 2 i. V. m. § 119 HGB)Kontrollrecht – Bilanz- und Buchprüfungsrecht gem. § 166 HGB – kein Informationsrecht gem. § 716 BGBWiderspruchsrecht für außergewöhnliche Geschäfte (§ 164 HGB)

Beteiligung an Gewinn und Verlust, aber: Verlustbeteiligung kann ausgeschlossen werden

Verlustbeteiligung auf die geleistete oder rück-ständige Einlage ist wählbar

Anspruch auf jährliche Auszahlung des Gewinnanspruchs

MitunternehmerrisikoBeteiligung am Gewinn und Verlust (§§ 167 f. HGB)

Gewinnentnahmerecht (§ 169 Abs. 1 S. 2 HGB)

Anspruch auf Auseinandersetzungsguthaben (stille Reserven einschließlich Geschäfts- und Firmenwert) (§§ 161 Abs. 2 u. § 105 HGB, § 738 BGB)

Haftungsbeschränkung auf die eingetragene Einlage (§ 171 Abs. 1 HGB)

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A. Spirin hat den Status eines Mitunternehmers (Atypischer stiller Gesellschafter) auf-grund folgender Vereinbarungen:

■ Mitwirkung bei der Beschlussfassung (§ 5)

■ Widerspruchsrecht bei Übertragung der Geschäftsführung an Dritte und Zustimmung beim Abschluss von Miet- Pacht- und Darlehensverträgen

■ Informations- und Kontrollrechte gem. § 716 BGB, die über den § 166 HGB hinaus-gehen

■ Mitunternehmerrisiko durch Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben.

Als Mitunternehmer erzielt A. Spirin Einkünfte aus Gewerbebetrieb und unterliegt damit auch der Gewerbesteuer. Verluste aus der Beteiligung sind ausgleichbar (Begrenzung durch § 15 a EStG bei negativem Kapitalkonto).

Quelle: G. Ramisch, Fallbeispiele . . ., Steuer & Studium 3/1993, S. 116 ff. R. Kintzel, Prüfungsvorbereitung Mandantenorientierte Sachbearbeitung, Wiesbaden 2007, S. 107 ff.

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Wi§t 14: PartnerschaftsGmbBAm 19. O7. 2013 (BGBI 20131 S. 2386) ist das Gesetz zur Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) in Kraft getreten. Damit können Freiberufler ihre Handelndenhaftung wegen fehlerhafter Berufsausübung auf das Gesellschaftsvermögen beschränken.

Kern der Neuregelung bei Neugründung

Einschlägig ist die Ergänzung in § 8 Abs. 4 PartGG

„(4) Für Verbindlichkeiten der Partnerschaft aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen, wenn die Partnerschaft eine zu diesem Zweck durch Gesetz vorgegebene Berufshaftpflichtversicherung unterhält. (. . .) Der Name der Partnerschaft muss den Zusatz „mit beschränkter Berufshaftung“ oder die Abkürzung „mbB“ oder . . . enthalten; (. . .)“

Für eine Neugründung wären also folgende Bedingungen zu beachten:

1. Grundsätzlich nur Freiberufler

2. schriftlicher Partnerschaftsvertrag (§ 3 PartGG)

3. Berufshaftpflicht als konstitutives Element (§ 8 Abs. 4 Satz 1 PartGG), bei StB generell Pflicht gem. §§ 67, 67 a StBG

4. Rechtsformzusatz ,,GmbB“ als deklaratorisches Element (§ 8 Abs. 4 Satz 3 PartGG)

5. Anmeldung zum Partnerschaftsregister (§ 4 Abs. 1 Satz 3 PartGG)

6. Übernahme auf Geschäftsbriefe (§ 7 Abs. 5 PartGG)

Wege der Umwandlung

Die Neuregelung dürfte dazu führen, dass die PartGmbB anderen Gesellschaftsformen für Freiberufler schnell den Rang ablaufen wird. Dabei handelt es sich bei Personengesell-schaften nur um einen Formwechsel, nicht um eine Umwandlung i. S. d. UmwG.

■ PartG → PartGmbB

1. Freiberufler

2. Änderung des schriftlichen Partnerschaftsvertrages

3. Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung

4. Namensänderung durch Rechtsformzusatz,,mbB“

5. Eintragung ins Partnerschaftsregister

6. Übernahme auf Geschäftsbriefe

7. Evtl. Vertragsnachtrag zur Klarstellung:,,Für Verbindlichkeiten aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung, die nicht durch die Berufshaftpflichtversicherung der Partnerschaft gedeckt sind, haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen.“

Eine vorsorgliche, direkte lnformation an Mandanten erscheint nicht ratsam (Rechtsstreit-gefahr bei Nichterhalt der lnfo!), aus Marketingsicht nicht empfehlenswert und rechtlich überflüssig: ab Eintragung kann man sich auf die Haftungsbeschränkung berufen (§ 5 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 8 a HGB).

Wi§t 14

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■ GbR → PartGmbB

Von besonderer praktischer Bedeutung dürfte der Wechsel aus der GbR (der klassischen Sozietät) sein.

1. Freiberufler

2. AbschIuss einer Berufshaftpflichtversicherung

3. Namensänderung

4. Anpassung des formfreien GbR-Gesellschaftsvertrages an die formalen Mindestan-forderungen in § 3 ParGG

■ Namen, Vornamen, Wohnort und ausgeübter Beruf der Partner ■ Namen und Sitz der Partnerschaft ■ Gegenstand der Partnerschaft ■ Außerdem ist § 24 Abs. 2 HGB zu beachten.

5. Eintragung

6. Geschäftsbriefe

■ Kapitalgesellschaft → PartGmbB

Auch der Wechsel von einer GmbH oder AG in eine PartGmbB ist denkbar. Dafür könnten u. a. folgende Aspekte von Bedeutung sein:

1. Personengesellschaften sind steuerlich transparenter,

2. es fallen keine GewSt und

3. Beiträge für die IHK an,

4. es besteht keine Buchführungspflicht.

Nachteilig dürfte dagegen sein, dass die Haftungsbeschränkung sich nur auf Berufsaus-übungsfehler erstreckt. Das enorme unternehmerische Risiko bei größeren Unterneh-menseinheiten unterliegt bei der PartG jeglicher Form weiterhin der gesamtschuldneri-schen Haftung sämtlicher Partner (§ 8 Abs. 1 PartGG).

Auf die Umwandlung im Rahmen des UmwG soll hier nicht näher eingegangen werden, weil das außerhalb des Rahmenplanes für Steuerfachangestellte liegt.

Gewerblichkeit der PartGmbB

Mit der Haftungsbeschränkung bei der PartGmbB erhebt sich die Frage, ob sie damit gewerblich tätig und gewerbesteuerpflichtig wird.

Mit Verfügung vom 12. 12. 2013 stellt die OFD NRW fest, dass die PartGmbB kein Gewerbebetrieb kraft Rechtsform ist. Nicht die Gesellschaft, sondern die Mitunternehmer erzielen ihnen unmittelbar zuzurechnende Einkünfte (hier: Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit). Sind dagegen ,,freiberufsfremde“ Gesellschafter beteiligt, gilt die Gesellschaft als „gewerblich infiziert“ gem. § 15 Abs. 3 EStG.

■ Übersicht (Anhang)

Quelle: Römermann, Jähne: „Die unterschiedlichen Wege in die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung“, NWB 48/2013, S. 3776 ff./NWB 1-2/2014 S. 10 f. Siehe auch: A. Ehlers, Verbleibende Haftungsrisiken der PartGmbB, NWB 50/2014, S. 3990 ff.

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§§ 159, 160 HGB = 5 Jahre

§ 8 (2/3) § 8 (1)§ 8 (4)

Eintrittshaftung§ 130 HGB/§ 8 Abs. 1 Satz 2

Nachhaftung§ 10 (2) PartGG

Berufsbezogene Geschäfte

Sonstige Geschäfte

Partnerschaftsgesellschaft mbB (§ 8 Abs. 4 PartGG n. F.)

Haftung

Handelnden- Haftung

Gesamt-schuldner. Haftung

GmbB

Beschrän- kung durch Berufshaftpfl.

Gesell- schafts- haftung

Gesell- schafts- haftung

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Wi§t 15: IST-Besteuerung bei Freiberuflern

BFH-Urteil vom 22. 07. 2010, V R 4/09

Mit Urteil vom 22. 07. 2010 hat der BFH (im Fall einer GmbH) entschieden, dass die IST-Besteuerung für Freiberufler (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) nicht angewendet werden kann, wenn der Unternehmer buchführungspflichtig ist oder freiwillig Bücher führt.

Änderung des Abschnittes 20.1 UStAE

Der BFM reagiert mit Schreiben vom 31. 07. 2013:

Die Genehmigung zur IST-Besteuerung bei Freiberuflern (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) wird ab 01. 08. 2013 nicht mehr automatisch erteilt, wenn der Unternehmer Bücher führt. Viel-mehr ist dann der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) des Vorjahres darauf zu prüfen, ob 500 000,00 EUR nicht überschritten werden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).

Die Rücknahme einer unter dem Vorbehalt des Widerrufes erteilte Genehmigung gem. §§ 130 f. AO soll sich auf nach dem 31. 12. 2013 ausgeführte Umsätze beschränken. Der Unternehmer ist dann auf die Anwendung der 500 000-EURO-Grenze hinzuweisen.

BMF klärt Begriff „Bücher führen“

ln einem Antwortschreiben auf eine Eingabe des LSWB (Landsverband der steuerberaten-den und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern e. V.) stellt der BMF klar (DStV online vom 09. 12. 2013):

■ Es werden nur dann „Bücher geführt“, wenn der Freiberufler seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 und § 5 EStG) ermittelt.

■ Die Erstellung einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) und das Füh-ren einer OPOS-Liste schließen die Gewährung der lst-Versteuerung nicht aus.

IST-Besteuerung ist rechtsformneutral (BFH-Urteil Rz. 51)

1. Unabhängig von der Rechtsform kann jeder(s) Unternehmer(n) den Antrag auf IST-Besteuerung stellen, wenn der Gesamtumsatz die 500 000-EURO-Grenze nicht über-steigt.

2. Die Abhängigkeit der IST-Besteuerung von der Buchführungspflicht hat sachliche Gründe. Bei einer Buchführung liegen die für die SOLL-Besteuerung erforderlichen lnformationen vor:

■ vereinnahmte Entgelte und ■ sich aus Leistungen ergebende Forderungen.

Für eine lST-Besteuerung bleibt kein Raum! (BFH-Urteil Rz. 46).

§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG dient dazu, die Führung gesonderter Aufzeich-nungen allein für Umsatzsteuerzwecke zu vermeiden!

Wi§t 15

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Wi§t 16: UG (haftungsbeschränkt) & Co KG

■ UG ist keine neue Gesellschaftsform

Bei der Unternehmergesellschaft (UG) handelt es sich nicht um eine völlig neue Gesell-schaftsform, sondern gleichsam um eine Vorstufe zur GmbH: bis auf Abweichungen in § 5 a GmbHG gelten für sie alle Regeln, die auch bei der GmbH Anwendung finden.

■ UG ist reizvoller Komplementär

lm gesamten GmbHG findet sich kein Hinweis darauf, dass die UG nicht Komplementär einer KG werden darf.

Der besondere Reiz einer UG (haftungsbeschränkt) & Co KG ist darin zu sehen, dass die als Haftungsschirm dienende Komplementärgesellschaft mit einer Kapitalausstattung von nur 1,00 EUR gegründet werden kann. Damit wäre das gleichsam „tote“ Stammkapital der Komplementär-GmbH für die laufenden Geschäfte der KG nutzbar.

■ Rechtlicher Einwand

Eine reine Haftungsschirmfunktion der UG ohne Gewinnstreben könnte als Verstoß gegen § 134 BGB gesehen werden (Nichtigkeit bei Gesetzesverstoß): gem. § 5 a Abs. 3 GmbHG ist die UG zur Bildung einer Gewinnrücklage von 25 % des Jahresüberschusses verpflich-tet, was ohne Gewinn logisch nicht möglich ist. Die Bildung einer Haftungsmasse (Stamm-kapital) als Zugriffsobjekt für die Gläubiger ist als notwendiger Ausgleich für die Haftungs-beschränkung der Gesellschafter zu sehen.

■ Fazit

1. Die nahezu rechtliche Gleichstellung mit der GmbH müsste auch für die Komplentär-UG zutreffen.

2. Als „Abwehrwaffe“ gegen die englische Ltd. müsste die UG – genau wie diese als Ltd. & Co KG – zur UG (haftungsbeschränkt) & Co KG zugelassen werden.

3. lm Zweifel dürfte im Gesellschaftsvertrag die Gewinnbeteiligung nicht völlig ausge-schlossen werden.

4. Die Registergerichte lassen die UG (haftungsbeschränkt) & Co KG zur Eintragung zu.

www.unternehmensregister.de

Wi§t 16

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Harwes KG

Kommanditisten

Harwes UG (haftungsbeschränkt) & Co KG

H. Harz > Komplementär

H. Harz

W. Weser > Kommanditist

W. Weser

1. Schritt

2. Schritt

Harwes UG (haftungsbeschränkt)

H. Harz/W.Weser

Harwes UG (haftungsbeschränkt)

Komplementär

Harz will Haftungs-beschränkung

Gründung einer UG (HRB konstitutiv)

UG wird Komplementär

Harz wird Kommanditist

HRA deklaratorisch

übernimmt Haftungsschirmfunktion

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Wi§t 17: Übergänge beachten!Die Eigenkapitalrentabilität ist das wichtigste Entscheidungskriterium für die Durchfüh-rung einer Eigenkapitalentscheidung des Unternehmers (Unternehmerrentabilität).

Im Gegensatz dazu misst die Gesamtkapitalrentabilität die gesamte Ertragskraft eines Unternehmens, sowohl für die Eigenkapital- wie auch Fremdkapitalgeber (Unterneh-mensrentabilität).

Der Übergang von der personenbezogenen zur sachbezogenen Betrachtung lässt sich wie folgt darstellen:

REk = Gewinn · 100 ___ EK

+ FK-Zinsen

RGK = (Gewinn + ZFK) ·100

____ EK + FK

Die gleichen Gedanken vollzieht das Gewerbesteuergesetz. Gem. § 7 GewStG ist der Aus-gangswert für den Gewerbeertrag der nach einkommensteuerlichen Grundsätzen ermit-telte Gewinn aus Gewerbebetrieb, der die steuerliche Leistungsfähigkeit einer natür-lichen Person erfasst.

In der Gewerbesteuer als Realsteuer soll aber die Leistungsfähigkeit des Gewerbebetrie-bes besteuert werden.

Eine zentrale Hinzurechnung beim Übergang von der Person zur Sache ergibt sich gem. § 8 Nr. 1 a GewStG für „Entgelte für Schulden“ (FK-Zinsen).

ESt

„Roh“- Gewinn 100 000 − FK-Zinsen 20000

Gewinn a. GewBetr 80 000

GewSt

Gewinn aus GewBetr 80 000 Hinzurechnung § 8 Nr. 1 a 20 000

GewErtrag 100 000

Wi§t 17

Entgelte für Schulden

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Wi§t 18: KassensturzMit 79 % Anteil an allen Zahlungsvorgängen in Deutschland sind Noten und Münzen wei-terhin das Hauptzahlungsmittel. Damit steht die Kasse nach wie vor im Mittelpunkt steu-erlicher Interessen.

Eine ordnungsgemäße Buchführung setzt auch eine ordnungsgemäße Kassenführung voraus. Um zukünftig „gezinkte Kassenaufzeichnungen“ (Staatssekretär Dr. M. Meister) zu verhindern, fordert das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grund-aufzeichnungen vom 22. 12. 2016 eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung an elektronischen Registrierkassen.

1. Januar 2017

Seit 1. Januar 2017 müssen Grundaufzeichnungen gem. § 147 Abs. 1 AO, die mittels elektronischer Einrichtungen erstellt werden, einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet auf einem Speichermedium gesichert sein. Elektronische Aufzeichnungssys-teme müssen dafür über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung, die aus drei Komponenten besteht, verfügen: einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer digitalen Schnittstelle.

■ Das Sicherheitsmodul gewährleistet, dass Kasseneingaben mit Beginn des Aufzeich-nungsvorgangs protokolliert und später nicht mehr unerkannt verändert werden kön-nen.

■ Auf dem Speichermedium werden die Einzelaufzeichnungen für die Dauer der gesetz-lichen Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren gespeichert.

■ Die digitale Schnittstelle gewährleistet eine reibungslose Datenübertragung, z. B. für steuerliche Prüfungszwecke.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Wi§t 18

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1. Januar 2018

Ab dem 1. Januar 2018 wird die Kassen-Nachschau (§ 146 b AO) eingeführt. Sie dient der zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte unter anderem im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfassung von Geschäftsfällen mittels Registrierkassen. Geben die Erkenntnisse aus der Nachschau dazu Anlass, kann ohne vorherige Prüfungsanord-nung zu einer Außenprüfung gem. § 193 AO übergegangen werden.

Verstöße gegen die neuen Verpflichtungen können mit einem Ordnungsgeld bis zu 25 000,00 EUR geahndet werden (§ 379 Abs. 4 AO).

1. Januar 2020

Eine allgemeine Registrierkassenpflicht sieht das Gesetz nicht vor. Sie wäre aus Kosten-Nutzen-Erwägungen unverhältnismäßig (Wochenmärkte, Hofläden, Vereinsfeste u. a.), die Kontrolle zudem mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden.

(1) Bei Einsatz elektronischer Registrierkassen ist die zertifizierte technische Sicherheits-einrichtung ab dem 01. 01. 2020 verpflichtend. Der Einsatz und die Außerbetrieb-nahme solcher Geräte ist dem zuständigen Finanzamt auf amtlichen Vordruck unver-züglich mitzuteilen (§ 146 a Abs. 4 AO). Näheres regelt eine in 2017 zu erarbeitende Rechtsverordnung.

(2) Gleichzeitig ist die elektronische Belegausgabe vorgesehen: für jeden Geschäftsfall ist ein Beleg zu erstellen und den Beteiligten zur Verfügung zu stellen (elektronisch oder in Papierform).

Damit wird gesetzlich normiert, dass jedem Kunden das Recht zusteht, einen Beleg zu fordern. Eine Belegausgabepflicht ist nicht vorgesehen, da steuerliche Kontrollen auch ohne sie möglich sind.

1. Januar 2022

Eine Übergangsregelung sieht vor, dass Unternehmen, die sich nach dem 25. 11. 2010 und vor dem 01. 01. 2020 eine neue Kasse gemäß den Anforderungen des BMF-Schreibens vom 26. 11. 2010 angeschafft haben, diese längstens bis zum 31. 12. 2022 benutzen kön-nen, wenn es kein Update für eine Aufrüstung gibt.Quelle: Bundesministerium der Finanzen

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Wi§t 19: DamnumA. Hobel hat am 1. März 2014 für seinen privaten Hausbau ein Darlehen über 100 000,00 EUR zu folgenden Bedingungen aufgenommen:

■ Zinssatz 4,5 % ■ Auszahlung 91 % ■ Zinsbindungsdauer 5 Jahre

Normalerweise sind Entgeltvorauszahlungen für Nutzungsüberlassungen von mehr als 5 Jahren gleichmäßig auf die Nutzungsdauer zu verteilen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 EStG).

Abweichend davon darf ein marktübliches Damnum im Jahr seiner Zahlung in voller Höhe als Werbungskosten abgezogen werden (§ 11 Abs. 2 Satz 4 EStG). Marktüblich ist ein Damnum bis zu 5 % der Darlehenssumme bei einem Zinsfestsetzungszeitraum von mindestens 5 Jahren (BMF-Schreiben vom 20. 10. 2003, BStBl. 2003 I, S. 564). Darüber hinausgehende Beträge sind auf den Zinsfestschreibungszeitraum/Darlehenslaufzeit zu verteilen (EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz).

Im vorliegenden Fall ist das Damnum von 9 % offensichtlich nicht marktüblich. In sei-ner ESt-Erklärung 2014 sind unter den Werbungskosten für VuV demnach neben den marktüblichen 5 000,00 EUR (5 %) weitere 667,00 EUR (4 000 : 5= 800 · 10/12=666,67) abzugsfähig.

Wi§t 19

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Wi§t 20: VuV von Beförderungsmitteln (BFM) ab 30. 06. 2013Mit BMF-Schreiben vom 12. 09. 2013 hat das Bundesministerium der Finanzen mit Bezug zur Neuregelung der langfristigen VuV von Beförderungsmitteln in § 3 a Abs. 3 Nr. 2 S. 4 UStG ab 30. 06. 2013 den UStAE in R 3 a.5 neu gefasst.

Um eine Besteuerung am Verbrauchsort sicherzustellen, wurde der Leistungs-ort bei der langfristigen Vermietung von Beförderungsmitteln an Nichtunter-nehmer an den Sitzort des Leistungsempfängers verlegt.

Dauer der Vermietung

Grundsätzlich hängt der Leistungsort von der Dauer der Vermietung ab: kurzfristig ist die VuV dann, wenn der ununterbrochene Vermietungszeitraum nicht länger als 30 Tage oder bei Wasserfahrzeugen 90 Tage beträgt (§ 3 a Abs. 3 S. 2 UStG).

Beförderungsmittel

BFM sind Gegenstände, die der Beförderung von Personen und Gütern zu Lande, zu Was-ser und in der Luft dienen und sich auch tatsächlich fortbewegen (R 3 a.5 Abs. 2 UStAE n. F.)

Was nicht zu BFM gehört, ist in R 3 a.5 Abs. 2 S. 3 UStAE beispielhaft aufgezählt z. B. Bag-ger, Bergungskräne u. Ä.

Die Pkw-Überlassung an AN gehört auch zur VuV von Beförderungsmitteln (R 3 a.5 Abs. 2 S. 5 UStAE).

Kurzfristige VuV von BFM

Bei der kurzfristigen VuV von BFM ist der Ort grundsätzlich dort, wo das BFM tatsächlich zur Verfügung gestellt wird („Verfügungsort“, R 3a.5 Abs. 6 UStAE).

Langfristige VuV von BFM

Leistungsort bei langfristigen VuV eines BFM ist regelmäßig der Ort, an dem der Leis-tungsempfänger seinen Sitz oder Wohnsitz hat (R 3a.5 Abs. 8 UStAE).

Langfristige VuV von Sportbooten

Grundsätzlich liegt der Ort auch in diesem Fall am Sitzort des Leistungsempfängers. Abweichend hiervon liegt der Ort am „Verfügungsort“, wenn sich der Sitz, die Geschäfts-leitung oder eine Betriebstätte des leistenden Unternehmers an diesem Ort befindet (R 3a.5 Abs. 11 UStAE).

■ Fälle

1. Das Bootsvermietungsunternehmen B aus Düsseldorf vermietet an den Unternehmer U eine Yacht für drei Wochen. Die Übergabe der Yacht erfolgt an der Betriebsstätte des B in einem italienischen Adriahafen.

Wi§t 20

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Es handelt sich um eine kurzfristige VuV von BFM (Wasserfahrzeug < 90 Tage). Der Leistungsort für die Vermietung des B an U ist in Italien, dort, wo dem Leistungsemp-fänger das Boot tatsächlich übergeben wird (§ 3 a Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 UStG).

2. Ein österreichischer Staatsbürger aus Salzburg tritt eine private Deutschlandreise an und mietet sich dafür ein Kfz bei einem Münchner Unternehmen für zwei Monate. Das Fahrzeug soll ausschließlich in Deutschland genutzt werden.

Es handelt sich um eine langfristige VuV (andere WG > 30 Tage) an Nichtunterneh-mer. Der Leistungsort ist somit nach § 3 a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG zu bestimmen. Die Vermietung des Kfz durch einen im Inland ansässigen Unternehmer ist insgesamt in Österreich am Wohnsitz des Leistungsempfängers steuerbar – auch wenn das Kfz nicht in Österreich, sondern ausschließlich in Deutschland genutzt wird.

3. Das Bootsvermietungsunternehmen B aus Düsseldorf vermietet an einen Nichtunter-nehmer N aus Köln eine Yacht für vier Monate. Die Übergabe der Yacht erfolgt an der Betriebsstätte des B in einem italienischen Adriahafen.

Es handelt sich um eine langfristige Bootsvermietung an Nichtunternehmer. Der Leis-tungsort für die VuV des B an N ist in Italien, dort, wo dem Empfänger das Boot tatsäch-lich übergeben wird, da sich am Leistungsort auch eine Betriebsstätte des B befindet (§ 3 a Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 UStG).

„Verfügbar-keitsort“

§ 3 a Abs. 3 Nr. 2

Sitzort des Leistungs-

empfängers§ 3 a Abs. 2

Sitzort des leistenden

Unternehmers§ 3 a Abs. 1

Belegenheits- ort

§ 3 a Abs. 3 Nr. 1

Beförd.-Mittel ImmobilienAndere WG

VuV

Kurzfristig

< 30 Tage< 90 Tage Sport-

boot

Langfristig1 B2B B2C

Drittlandsgebiet?

B2C B2B

§ 3 a (3) Nr. 2 S. 3,4

ja

nein

1

1 Neuregelung: § 3 a Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 UStG, R 3a.5 UStAE gem. BMF vom 12. 09. 2013.

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BFM: R 3a.5 Abs. 2 UStAE Keine BFM: R 3a.5 Abs. 2 S. 3 UStAE

Pkw-Überlassung an AN: R 3a.5 Abs. 4 UStAE

ja

„Verfügbarkeitsort“ Sitzort des Leistungs-Empfängers

Kurzfristig Langfristig

VuV von Beförderungsmitteln (§ 3 a Abs. 3 Nr. 2 n. F.) 1

< 30 Tage andere Beförderungsmittel?< 90 Tage Wasserfahrzeug?

B2C B2B

Sportboot?

Sitz/Geschäftsleitung des leistenden

Unternehmers am Verfügungsort?

ja

ja

ja

nein

nein

nein

1

1 Ab 30. 06. 2013 gem. BMF-Schreiben vom 12. 09. 2013.