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  • Aufsichtspflichtin Tageseinrichtungen

    fr Kinder

    Grundlagen, Inhalte, Versicherungsschutz

    LandschaftsverbandRheinland

  • Impressum:

    HerausgeberLandschaftsverband Rheinland,Dezernat Landesjugendamt,Schulen,50663 Kln

    Landschaftsverband Westfalen-Lippe,Landesjugendamt und Westf. Schulen,48133 Mnster

    AutorenLandesjugendamt Rheinland:Ria CleverSylvia DobratzJrg SchrderMartin Stoppel

    Landesjugendamt Westfalen-Lippe:Marianne Bartsch-TegtbauerChrista Dcker-StucksttteGerhard MatenaarAlfred Oehlmann-Austermann

    RedaktionGerhard Matenaar

    Gestaltung und LayoutBro fr Satztechnik

    DruckBurlage, Mnster

    Ort und HerstellungsdatumKln/Mnster im Juni 2000

  • Aufsichtspflichtin Tageseinrichtungen

    fr Kinder

    Grundlagen, Inhalte, Versicherungsschutz

    Kln/Mnster im Juni 2000

  • 2

    A Rechtliche Grundlagen 5

    1. Wie wird die Erzieherin aufsichtspflichtig? 5

    2. Wen hat die Erzieherin zu beaufsichtigen? 6

    2.1 Kinder in der Obhut der Einrichtung 62.2 Besuchs- und "Probekinder" 7

    3. Wann beginnt die Aufsichtspflicht, wann endet sie? 9

    4. Delegation der Aufsichtspflicht 14

    5. Organisationsverantwortung und Verkehrssicherungspflicht des Trgers 16

    5.1 Organisationspflicht 165.2 Verkehrssicherungspflicht 16

    B Inhalt der Aufsicht 20

    1. Pdagogischer Auftrag und Aufsicht 20

    2. Bestimmungsfaktoren der Aufsicht 21

    2.1 Person des Kindes 222.2 Gruppenverhalten 232.3 Gefhrlichkeit der Beschftigung 232.4 rtliche Bedingungen 242.5 Spielgerte und Beschftigungs-

    materialien 252.6 Person der Erzieherin 262.7 Gruppengre 262.8 Zumutbarkeit fr die Erzieherin 27

    C Und wenn etwas passiert? 29

    1. Konsequenzen einer Aufsichtspflichtverletzung 29

    1.1 Zivilrechtliche Folgen 29

    1.2 Strafrechtliche Folgen 311.3 Arbeits- und dienstrechtliche Folgen 32

    D Versicherungsschutz 32

    1 Gesetzliche Unfallversicherung der Kinder whrend des Besuchs vonTageseinrichtungen 32

    1.1 Kreis der versicherten Personen 331.2 Versicherte Ttigkeiten der Kinder 361.3 Versicherte Wege der Kinder 361.4 Unfallanzeige 371.5 Trger der Unfallversicherung 37

    2. Haftpflichtversicherung 38

    3. Gesetzliche Unfallversicherung derErzieherinnen, Praktikanten, Honorarkrfte, ehrenamtlichen Helfernund mitwirkenden Eltern 38

    Anhang 39

    1. Abkrzungen 39

    2. Anmerkungen zum Text 39

    3. Literaturhinweise 39

    4. Fortbildung/Beratung 40

    5. Adressen der Versicherungstrger 40

    Inhaltsverzeichnis

  • 3

    Landesjugendmter Rheinlandund Westfalen-Lippe gemeinsammit Juristen erarbeitet.

    Die Broschre ist mit dem Ziel er-stellt worden, kind- und lebens-weltorientierte Erziehungs- undBildungsprozesse in Tagesein-richtungen mit guten Argumentenzu sttzen. Die erforderliche Auf-sicht steht dabei in unmittelbaremZusammenhang zum Erziehungs-auftrag.

    Der Text soll die pdagogisch t-tigen Krfte in Tageseinrichtun-gen ermutigen, Kindern im Erzie-hungensalltag so viel Raum fr

    Erfahrungen im Rahmen von Be-ratung und Fortbildung fr Erzie-herinnen in Tageseinrichtungenfr Kinder zeigen, dass die Auf-sichtspflicht ein Thema ist, dasimmer wieder Fragen aufwirft.Das Ministerium fr Arbeit, Ge-sundheit und Soziales hatte imDezember 1989 eine Broschrezu diesem Thema unter dem TitelAufsichtspflicht in Kindergrtenund Horten in 2. Auflage heraus-gegeben. Nicht zuletzt auf Grundvernderter gesetzlicher Bestim-mungen war es notwendig, die-sen Text zu aktualisieren. Er wur-de von Fachkrften in der Fach-beratung und Fortbildung der

    ... und soviel Aufsicht wie ntig

    Vorwort

    selbstbestimmtes Lernen undHandeln zu erffnen wie mglichund sie nur in dem Mae zu be-gleiten und zu schtzen, wie die-ses ihrem Entwicklungsstand ent-sprechend ntig erscheint.

    Um das zu erreichen, ist die stn-dige kritische Auseinanderset-zung mit Fragen der Aufsichts-pflicht notwendig. Werden unterden Aspekten Wohl des Kindesund Aufsicht pdagogische Hand-lungsspielrume erschlossen, sokann erfolgreiche und verantwor-tungsvolle Erziehungsarbeit statt-finden.

    Markus SchnapkaLeiter des LandesjugendamtesRheinland

    Prof. Dr. Dr. Wolfgang GernertLeiter des LandesjugendamtesWestfalen Lippe

  • 4

    Kinder lernen im selbstbestimm-ten Spiel ihre Fhigkeiten einzu-schtzen, um sich so auf Anfor-derungen und Risiken in ver-gleichbaren Situationen einzustel-len.Sie lernen eigenverantwortlichzu handeln und sich vor mgli-chen Schden selbst zu scht-zen. Soweit sie hierzu noch nichtfhig sind ist es Aufgabe desErziehenden, ihren Schutz stell-vertretend sicherzustellen. DieseAufgabe wird juristisch als Auf-sichtspflicht bezeichnet.

    Man wird im Jugendhilfegesetz,das die Aufgaben der ffentlichenErziehung beschreibt,vergebensnach dem Begriff der Aufsichts-pflicht suchen. Vielmehr ist hierdie Rede vom Auftrag der Frde-rung der Persnlichkeitsentwick-lung des Kindes - ein Auftrag, derselbstredend unter dem Ge-sichtspunkt des Kindeswohlsauch seinen Schutz vor mgli-chen Gefhrdungen einschliet.

    Wie aber die Aufsicht wahrzuneh-men ist, auch dazu gibt es keineallgemein gltigen gesetzlichenBestimmungen. Die Aufsichts-pflicht ist ein sogenannter unbe-stimmter Rechtsbegriff, der frjede Situation neu mit Inhalt zufllen ist.

    Deshalb sind juristisch geseheninsbesondere im Falle einer ein-getretenen Schdigung einesKindes oder Dritter Argumenteund Begrndungen fr das erzie-herische Verhalten von besonde-rer Bedeutung.

    So schwierig es fr die Erzieherin1

    auch manchmal sein mag, frden Schutz der Kinder persnlichdie Verantwortung zu tragen - siewird mit dem Gefhl leben ms-sen, dass ein vlliger Ausschlussvon Risiken nicht mglich ist.Denn in Hinblick auf seineEntwicklung zu einer selbststn-digen und eigenverantwortlichenPersnlichkeit hat das Kind ein"Recht auf Risiken".

    die Autoren

    Einleitung

  • 5

    Definition

    Betreuungsvertrag

    Arbeitsvertrag

    Rechtliche Grundlagen

    Der Begriff "Aufsichtspflicht" beschreibt gewhnlich die Pflicht, Kindermit dem Ziel zu beaufsichtigen, sie einerseits vor einer Selbstsch-digung oder einer Schdigung durch Dritte zu bewahren sowie ande-rerseits zu verhindern, dass sie ihrerseits Dritte schdigen. Die Auf-sichtspflicht ist Bestandteil der Personensorge und obliegt daher ur-sprnglich den Personensorgeberechtigten, d.h. regelmig den Eltern.Dies ergibt sich aus 1631 des Brgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Da-nach umfasst die Personensorge neben der Pflicht und dem Recht, dasKind zu pflegen, zu erziehen und seinen Aufenthalt zu bestimmen, auchdie Pflicht und das Recht, es zu beaufsichtigen. Andere Personen wer-den neben den Personensorgeberechtigten nur dann aufsichtspflichtig,wenn sie die Aufsichtspflicht von ihnen bernehmen.

    1. Wie wird die Erzieherin aufsichtspflichtig?Begrndung der Aufsichtspflicht

    Geben die Eltern bzw. andere Personensorgeberechtigte - beispiels-weise der Vormund - Kinder in eine Tageseinrichtung, kommt - rechtlichgesehen - regelmig ein Vertrag zustande, durch den die Aufsichts-pflicht von den Personensorgeberechtigten auf den Trger der Einrich-tung bergeht (sog. Betreuungs- oder Aufnahmevertrag). Indem diePersonensorgeberechtigten ihr Kind anmelden, erklren sie, ihre Auf-sichtspflicht fr die Dauer und den Umfang der jeweiligen Betreuungbertragen zu wollen: Das Kind soll whrend seiner Anwesenheit erzo-gen und beaufsichtigt werden. Nimmt der Trger die Anmeldung an, istder Vorgang der vertraglichen Begrndung der Aufsichtspflicht abge-schlossen.

    Trger von Tageseinrichtungen sind in aller Regel Institutionen, z.B. Ge-meinden, Kirchengemeinden oder Vereine. Institutionen knnen dieAufsichtspflicht nicht selbst wahrnehmen. Sie bedienen sich dazu ihrerMitarbeiterinnen, also sozialpdagogischer Fachkrfte (Erzieherinnen,Sozialpdagoginnen), Kinderpflegerinnen, Ergnzungskrfte, Praktikan-tinnen usw., aber auch ehrenamtlicher Helferinnen.

    A

  • 6

    Das folgende Schema soll diese Herleitung der Erziehungs- und Auf-sichtspflicht von den Personensorgeberechtigten verdeutlichen:

    Zwischen Erzieherin und Personensorgeberechtigten bestehen typi-scherweise keine Vertragsbeziehungen. Die Erzieherin ist vielmehr sog.Erfllungsgehilfin ( 278 BGB) des Trgers; sie ist allein auf Grund ihresArbeitsvertrages o.. mit dem Trger verpflichtet, die Vereinbarungendes Vertrages zwischen Trger und Personensorgeberechtigten zu er-fllen.

    2. Wen hat die Erzieherin zu beaufsichtigen?Persnlicher Geltungsbereich der Aufsichtspflicht

    2.1 Kinder in der Obhut der Einrichtung

    In erster Linie erstreckt sich die Aufsichtspflicht der Erzieherin auf dieKinder ihrer Gruppe, fr die sie also unmittelbar zustndig ist (zur ber-greifenden Verantwortlichkeit der Leiterin einer Tageseinrichtung s.u.5.1).

    Auf Grund ihres Anstellungsvertrages sind Erzieherinnen aber darberhinaus verpflichtet, soweit dies erforderlich ist, gegenber smtlichen,d.h. auch gruppenfremden Kindern, welche die Einrichtung besuchen,Aufsichtspflichten wahrzunehmen. Relevant wird dieses dann, wenn dieunmittelbar zustndige Kollegin im betreffenden Moment nicht rechtzei-tig einschreiten kann, etwa weil sie aus irgendwelchen Grnden verhin-dert oder berfordert ist.

    In einer greren Tageseinrichtung fr Kinder benutzen die Kinder beimKommen und Gehen den Hauptflur des Gebudes. Die Erzieherin derGruppe A geht ber diesen Flur und sieht vier Kinder der Gruppe B einfnftes Kind der Gruppe C am Boden festhalten und es verprgeln.

    Praxisbeispiel:

    GruppenbergreifendeZustndigkeit

    Personensorgeberechtigte

    Trger

    Erzieherin

    Vertrag

    Vertrag

  • 7

    Die Erzieherin der Gruppe A ist in dieser Situation auch zur Aufsichtber die gruppenfremden Kinder verpflichtet. Sie muss sich in irgendei-ner Form in dieses Geschehen