Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode...

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Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und geringfügige Tätigkeiten, Zeitarbeit und Niedriglohnbeschäftigung

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Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode

Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit

Benchmarking Deutschland: Befristete und geringfügige Tätigkeiten, Zeitarbeit und Niedriglohnbeschäftigung

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Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode

Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit

Benchmarking Deutschland: Befristete und geringfügige Tätigkeiten, Zeitarbeit und Niedriglohnbeschäftigung

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Inhalt

1. DasWichtigsteinKürze 6

2. Einleitung 9

3. AtypischeBeschäftigungiminternationalenVergleich 12

3.1 StrukturderErwerbstätigkeit 12

3.2 BefristeteBeschäftigung–RegulierungundAusmaß 14

3.3 Zeitarbeit 19

3.4 SelbstständigkeitundfreiberuflicheTätigkeit 23

3.5 MarginaleTeilzeit,Minijobs 24

3.6 MusterderFlexibilitätnachWirtschaftszweigen 26

3.7 Niedriglohnund„WorkingPoor“ 31

3.8 Aktivierungspolitik 37

4. Fazit 45

Literatur 49

Impressum 54

Inhalt

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6

1. DasWichtigsteinKürze

DieDiskussionüberdieSchaffungneuer,zusätzlicherArbeitsplätzedurchinstitutionelleRefor-

menaufdemArbeitsmarktdrehtsichimKerninzahlreicheneuropäischenStaatenumdieRolle

„atypischer“Beschäftigungsverhältnisse.DieseorientierensichnichtanunbefristeterVollzeitar-

beit(demsogenanntenNormalarbeitsverhältnis),dieinderRegeltarifvertraglichgeregeltistund

denvollenSchutzdersozialenSicherungssystemeinDeutschlandgewährt.AufdereinenSeite

bieten atypische Arbeitsverhältnisse tatsächlich zusätzliche Erwerbschancen insbesondere im

Dienstleistungssektor,aufderanderenSeitezeichnensiesichoftdurchAbweichungenvomjewei-

ligentarif-,unternehmens-oderbetriebsüblichenStandardhinsichtlichArbeitszeiten,Entlohnung

oderBestandssicherheitaus.DieNotwendigkeitderRe-RegulierungatypischerBeschäftigungs-

formenstehtdeshalbaufdemPrüfstandundwirdjenachPerspektive–beschäftigungspolitische

vs.sozialpolitischeOrientierung–unterschiedlichbewertet.AufderGrundlagederempirischen

Beobachtungen isteindifferenziertesUrteilüberdieBedeutungatypischerBeschäftigungund

vonderenChancenundRisikenmöglich.IminternationalenVergleichlässtsichfürDeutschland

Folgendesfesthalten:

1. Der Anteil befristeter Beschäftigung in Deutschland liegt im oberenDrittel der EU-Länder.

Allerdings sind Besonderheiten zu beachten. Nahezu alle Ausbildungsverhältnisse sind als

befristeteBeschäftigungausgestaltet.BeimBerufseinstiegoderbeimWechseldesUnterneh-

mens kommen befristete Arbeitsverhältnisse häufig im Sinne einer verlängerten Probezeit

zumEinsatz,beider inderGesamtschaunachwievor rechtguteÜbernahmeaussichten in

dauerhafteBeschäftigungbestehen.VordiesemHintergrundergibtsichkeinebesondereProb-

lemlage.

2. DieZeitarbeithatsichnachdenletztenReformenalsRandsegmentimverarbeitendenGewerbe

etabliert,undzwarnichtnuralskurzfristigerFlexibilitätspuffer,sondernvermehrtauchals

längerfristigeRandbelegschaftinderIndustrie.EinÜbergangineinereguläreBeschäftigung

istdabeikeineswegsgarantiert.

3. MinijobsalseinzigeErwerbstätigkeitundauchalsNebentätigkeitensindwichtigeBeschäfti-

gungsformeninbestimmtenBereichendesDienstleistungssektorsinDeutschlandgeworden

undstellen im internationalenVergleichdurchauseineBesonderheitdar.Dabeikommtder

AbgabenfreiheitausSichtderBeschäftigteneinezentraleBedeutungzu.Aucherlaubtsieden

ArbeitgeberndieÜberwälzungeinesTeilsderArbeitskosten.

4. DieNiedriglohnbeschäftigunghatinDeutschlandindenletztenJahrendeutlichzugenommen.

Dies kannmit der geringen und weiter abnehmenden Tarifbindung vor allem im privaten

Dienstleistungssektor,denverstärktenAktivierungsbemühungenvonTransferbeziehernund

mitdervermehrtenNutzungvonMinijobs,TeilzeittätigkeitenundderAufstockungvonGrund-

sicherungsleistungen erklärtwerden. Dagegen gibt es bislang keine empirischenHinweise

Das Wichtigste in Kürze

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Das Wichtigste in Kürze

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darauf,dassimZugederArbeitsmarktreformendieReservationslöhnevonArbeitslosengesun-

ken sind.MittlerweileweistDeutschlandeineauch imeuropäischenVergleichausgeprägte

Lohnspreizungauf.

5. AuchdieSelbstständigkeithat inDeutschlandanBedeutunggewonnen,zumeinenaufder

Grundlage der gezielten Förderung im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik, des Abbaus von

ZugangsbarrierenimHandwerkundderzumTeilgeringenArbeitskostenbeieinerErwerbstä-

tigkeitaußerhalbderSozialversicherung,zumanderendurchdenfortgesetztenStrukturwandel,

derimBereichder„kreativenÖkonomie“,d.h.inMedien-undKulturberufen,verstärktselbst-

ständigeTätigkeitenmitprojektbezogenerundnetzwerkartigerOrganisationhervorbringt.

GrundsätzlichbleibtfürdieGestaltungderinstitutionellenRahmenbedingungenzunächstfestzu-

halten,dassnichtjedeatypischeBeschäftigungalsprekärangesehenwerdenkannunddeshalb

persenegativzubetrachtenwäre.Eine restriktiveRe-RegulierungohneBerücksichtigungder

BesonderheiteneinzelnerTätigkeiten,SektorenundPersonengruppenwürdeGefahrlaufen,die

bestehendenundinderjüngerenVergangenheitmobilisiertenBeschäftigungspotenzialevorallem

imDienstleistungssektorzuunterdrücken.WichtigeGestaltungsoptionensinddiefolgenden:

1. BeiderbefristetenBeschäftigungbestehtinsgesamtwenigHandlungsbedarf,allerdingszeigtdie

intensiveNutzungvonbefristetenVerträgenbeiNeueinstellungenimöffentlichenBereichund

diehäufigeNutzungvonAnschlussbefristungenindiesemSektordieNebenwirkungeneines

besondersstriktenKündigungsschutzesindiesemSektor.AnstattdiebefristeteBeschäftigung

zude-oderre-regulierenoderdieProbezeitbeschäftigungzuverlängern,wäreessinnvoller,ein

mitderBetriebszugehörigkeitschrittweisewachsendesMaßanBeschäftigungssicherheitzu

schaffen–ohnezwischenbefristeterundunbefristeterBeschäftigunggenerellunterscheiden

zumüssen.DamitwürdedieHürdebeimÜbergangvonbefristeterinunbefristeteBeschäfti-

gungabgebautundderÜberganginsicherereBeschäftigungerleichtert.Gleichzeitigwürde

ein Abfindungssystem bei der Kündigung vonMitarbeitern fürmehr Rechtssicherheit und

Transparenzsorgen.

2. AufdemFeldderZeitarbeitzeigtsicheinedeutlicheTendenzzurSpaltungzwischenRand-

undKernbelegschaftenohnebelastbareHinweiseaufeineBrückenfunktion.Ohnedieorigi-

näreFunktionderZeitarbeitalsPufferfürAuftragsspitzeninFragezustellen,bietetsicheine

AnnäherungderArbeitsbedingungeninderZeitarbeitandieEntlohnungunddieArbeitsbe-

dingungenderKernbelegschaftensowieeinZuwachsanBestandssicherheitmitwachsender

Verweildaueran.

3. DieselbstständigeErwerbstätigkeitneuenTypsistderzeitkaumindiesozialeSicherungeinbe-

zogen.WährendbeietabliertenfreienBerufenberufsständischeSicherungswerkefüreinemit

derSozialversicherungmindestensgleichwertigeAbsicherungsorgen,verfügen„neueSelbst-

ständige“nichtübereinevergleichbareRisikovorsorge.DamitlaufensieverstärktGefahr,im

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Das Wichtigste in Kürze

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FallderErwerbslosigkeitindiesteuerfinanzierteundbedürftigkeitsgeprüfteGrundsicherung

zufallen.BeiungenügenderAltersvorsorgebestehtdieAbhängigkeitvonderGrundsicherung

auchimAlterfort.DieseSituationließesichdurcheinePflichtversicherungfürSelbstständige

analogzurabhängigensozialversichertenBeschäftigungentschärfen,ggf.mitderMöglichkeit

derBefreiungbeiNachweisausreichenderprivaterVorsorge.

4. ImBereichdergeringfügigenBeschäftigungistausarbeitsmarktpolitischerSichteinAbbau

derBarrierenbeimÜbergangzulängererTeilzeit-oderVollzeitarbeitgeboten.Esgibtkeinen

sachlichen Grund für die abgabenrechtliche Privilegierung vonMinijobs als ausschließlich

geringfügigeTätigkeitoderalsNebentätigkeit.DieAbschaffungderMinijobswürdedarüber

hinausauchdasProblemniedrigerStundenlöhneentschärfen.DesWeiterenwürdeeineauf

VollzeittätigkeitenausgerichteteAktivierungspolitikdieProblematikvonHinzuverdienstenin

TeilzeitarbeitbeiBeziehernderGrundsicherung(ArbeitslosengeldII)entschärfen,mehrMög-

lichkeitenzurWeiterbildungamArbeitsplatzeröffnenundeinestärkereMobilitätinhöhere

Entlohnungerreichen.WeitereKombilohnmodelle, eineAusweitungvonMinijobsdurchdie

AnhebungderObergrenzeunderweiterteHinzuverdienstmöglichkeitenimSGBIIsindkontra-

produktiv,dasieeinerseitszunochstärkeremDruckaufniedrigeLöhneundandererseitszu

zusätzlichenRisikenfürdieöffentlichenHaushalteführen.

5. DieVerminderungderAnreizezurAufnahmevonMinijobsodereinerNebentätigkeitzurAuf-

stockungvonLeistungendesSGBIIwürdepersezueinemRückgangderBeschäftigtenmit

geringenBruttostundenlöhnenführen.ParallelwirdabervonverschiedenenSeitengefordert,

miteinemgenerellenoderallgemeinverbindlichenMindestlohnaufsektoralerEbenedieLohn-

spreizungnachuntenzubegrenzen.HiermitkönnenVerlustebeiderBeschäftigungvorallem

imprivatenDienstleistungssektorunddamitbeidenEinstiegschancen indenArbeitsmarkt

verbundensein.SollengleichwohlverbindlicheLohnuntergrenzenfestgeschriebenwerden,so

isteingenerellermoderaterMindestlohn,dervoneinerunabhängigenKommissionbestimmt

undsystematischevaluiertwird,gegenübereinerFestlegungallgemeinverbindlicherMindest-

löhneaufderBasissektoralerTarifverträgezubevorzugen.

6. Auch in der gegenwärtigen Krise ist bei der Aktivierung von Transferbeziehern Ausdauer

geboten.GeradeineinerSituationdesbeschleunigtenStrukturwandelskanneineaktivierende

Strategiehelfen,vonArbeitslosigkeitbedrohteoderbetroffenePersoneninmöglichstzukunfts-

trächtigeSektorenundUnternehmenzuvermittelnunddasRisikoderLangzeitarbeitslosigkeit

gering zu halten. Hierzu sind nicht nur fordernde, sondern insbesondere auch individuell

zugeschnitteneFörderinstrumentenötig–vorallemdieWeiterqualifikation–,umeineaus-

reichendeBeschäftigungsfähigkeitzuerreichen.EinflächendeckenderAusbauderöffentlich

gefördertenBeschäftigungodervonKombilohnmodellen istdafürnichtgeeignet,kannaber

beiseitlangemarbeitslosenMenschenmitmultiplenProblemlagensozialpolitischwirkenund

wiederandasErwerbslebenheranführen.

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Einleitung

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2.Einleitung

DieThese eines erodierendenNormalarbeitsverhältnissesbestimmt seit nunmehr einigen Jahr-

zehntendieDiskussionüberdendeutschenArbeitsmarkt(Mückenberger1985).ZuGrundeliegt

dieVermutung, dass vermeintlich „gute“ Beschäftigung – also sozialversicherte, tariflich abge-

deckte,unbefristeteVollzeitstellen–zuGunstensogenannter„atypischer“Jobsabgebautwerden.

AlsatypischeBeschäftigungsverhältnissesollenhierArbeitsverträgeverstandenwerden,dievon

denimKerndesArbeitsmarktesüblichenStandardsdeutlichabweichen.Alsatypischkönnendamit

Beschäftigungsverhältnissegelten,dieeinzelneodermehrerederfolgendenMerkmaleerfüllen.

zeitlichbefristeteBeschäftigungsverhältnisse,dienichtvomallgemeinenKündigungsschutz

erfasstsind

ErwerbstätigkeitimRahmenderArbeitnehmerüberlassungbzw.Zeitarbeit

Arbeit,dieaußerhalbdesallgemeinüblichenSozialversicherungsschutzesausgeübtwird,z.B.

Minijobs

SelbstständigeArbeit ohneAngestellte, insbesonderedann,wenn es sichumeinQuasi-Ar-

beitnehmerverhältnishandelt,ohnedassentsprechenderarbeits-undsozialrechtlichenSchutz

vorhandenist

BeschäftigungmiteinemgeringenMonats-oderStundenlohn

AusSicht derArbeitgeber schaffen atypischeBeschäftigungsverhältnisse größereFlexibilitäts-

spielräume. Der verstärkte Einsatz atypischer Beschäftigungsverhältnisse kann zudem zu zu-

sätzlichenArbeitsplätzenführenundinsbesondereauchEinstiegsmöglichkeitenzuBeginndes

Berufslebens,nachErwerbsunterbrechungen,nachArbeitslosigkeitoderbeimangelnderQualifi-

kation,aberauchChancenaufAufstiegbieten.

Die Entwicklung und wachsende Verbreitung der atypischen Beschäftigungsverhältnisse in

DeutschlandundandereneuropäischenLändernwarjedochstetsauchvoneinerkritischenDis-

kussionbegleitet:AlsproblematischwirddabeivorallemdasRisikoangesehen,etablierteStan-

dardsderBestandssicherheitundEntlohnungaufdemArbeitsmarktzugefährden,dieetablierten

NormalarbeitsverhältnissezuverdrängenoderaufzulösenundinsgesamtzuschlechterenArbeits-

bedingungenbeizutragen,ohnewirklicheAufstiegschancenzubieten.Vielmehrwürdenatypi-

scheBeschäftigungsverhältnissedasProblemder„ArmutinArbeit“verschärfenundzuPhasen

wiederholterArbeitslosigkeitbeitragenanstattBrückeninreguläreBeschäftigungzuschaffen.

Nicht alle atypischen Beschäftigungsverhältnisse sind jedoch als gleichermaßen prekär und

problematischzubezeichnen.BeiderBewertungmussaucheineRollespielen,inwieweitdiese

Beschäftigungsverhältnisse freiwillig oder unfreiwillig eingegangen werden und welche Pers-

pektiveaufeinen(erwünschten)Wechselineinstabileres,besserentlohntesodersozialbesser

abgesichertesArbeitsverhältnisbesteht.

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DerTrendzuatypischenBeschäftigungsformenhatsichindenvergangenenzehnbis20Jahren

nichtnurinDeutschlandbeschleunigt.ZumindestinLändernmitvergleichbarenArbeitsmarktin-

stitutionen(alsoz.B.denkontinentaleuropäischenStaatenFrankreich,BelgienunddenNieder-

landen)isteineähnlicheEntwicklungzubeobachten(Clegg2007,Palier/Thelen2008).

IndenmeistenFällenistdieseEntwicklungmitinstitutionellenVeränderungenverbunden.Das

zuGrundeliegendeReformmuster,dasDeutschlandmitzahlreichenanderenOECD-Ländernteilt,

kann als „marginale Flexibilisierung“ bezeichnetwerden:Während derKündigungsschutz für

BeschäftigteimNormalarbeitsverhältnisstabilbleibtoderallenfallsgeringfügigentschärftwird,

sorgenliberaleReformenamRanddesArbeitsmarktesfürdienötigeFlexibilität.DiesesMuster

lässtsichinAbbildung1erkennen,diezweiIndikatorenderOECDfürdieStrengevonArbeits-

marktregulierungengegenüberstellt–einenfürdenKündigungsschutzregulärerArbeitsverträge

und einen für die Beschränkungen befristeter Vertragsformen (einschließlich der Zeitarbeit).

BeideIndikatorenhabeneinenWertebereichvon0(sehrflexibel)bis6(sehrrestriktiv).Während

dieWertefürdenKündigungsschutzzwischen1995und2008infastallenLändernstabilgeblie-

bensind,findensichinderGrafikfürtemporäreBeschäftigungzahlreicheLänderunterhalbder

45-Grad-Liniewieder.BesondersstarkeDeregulierungenhatesindiesemZeitrauminBelgien,

Deutschland,Griechenland,ItalienundPortugalgegeben.

EinprägnantesBeispielfürdasskizzierteReformmusterliefertdieRegulierungderArbeitneh-

merüberlassunginDeutschland.SiehatsichvoneinemhochreguliertenMarktzueinemäußerst

flexiblenInstrumententwickelt,daszunehmendvonUnternehmengenutztwird,umbesserauf

Auftragsschwankungen reagierenzukönnen.Den rasanteAnstieg indenvergangenen Jahren

habenabererstReformenwiedieAbschaffungderÜberlassungshöchstdauersowiedesSynchro-

nisations-undWiedereinstellungsverbotsermöglicht.

Generelllässtsichbeobachten,dassdieEntwicklungamRanddesArbeitsmarktes,alsobeiatypi-

schenBeschäftigungsverhältnissen,sehrstarkvonderRegulierungimKerndesArbeitsmarktes

imVerhältniszurRegulierungdesRandesselbstabhängt.JestrikterdieRegulierungdesKerns,

umsostärkerbildetsichüberdieZeiteinedynamischeEntwicklungderJobsamRanddesAr-

beitsmarktesinnerhalbderdorteröffnetenMöglichkeitenab–oderauchaußerhalbdesformalen

Arbeitsmarktes. Je stärker das abhängigeArbeitsverhältnismit Steuern undAbgaben belastet

wird,umsomehrergibtsicheineAusweichbewegungindieselbstständigeErwerbstätigkeit.Die

NutzungvonArbeitsverhältnissen,dienichtdemStandardimKernbereichdesArbeitsmarktes

entsprechen,wirddabeimaßgeblichvomVerhaltenderArbeitgeberundderArbeitnehmerinner-

halbdesvorhandeneninstitutionellenRahmensbestimmt.

Eine ähnliche Entwicklung hat es im Bereich der marginalen Teilzeitbeschäftigung gegeben.

Zwischen1999und2008hatsichdieZahlgeringfügigentlohnterJobsineinerbeachtlichenGe-

schwindigkeitvonetwa3,7aufbeinahefünfMillionenerhöht.AuchhierhabenReformenzum

Anstieg beigetragen. Sowurde in denHartz-Gesetzen die Begrenzung auf 15Wochenstunden

Einleitung

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11

Einleitung

abgeschafft,dieVerdienstgrenzeauf400EuroerhöhtunddieSozialversicherungspflichtweitge-

hendeingeschränkt.

Quelle: OECD, Venn 2009.

Abbildung 1: OECD-Indikatoren für die Strenge des Kündigungsschutzes und der Regulierung temporärer Beschäftigung (Befristung und Zeitarbeit), 1995 bis 2008

6 Kündigungsschutz

2

US

AUNZ

BE

UK CADK

ITPL

MX FR

DESE

NOFI

SKTR

ESAT

NLKR

CZ

PTHU

JP

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00 2 4 6

4

2008

1995

6 Befristung und Zeitarbeit

2

US

AU

SK

NZ

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DK

ITPL

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GR

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ATNL

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PT

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4

2008

1995

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Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

3.AtypischeBeschäftigungiminternationalenVergleich

3.1 Struktur der Erwerbstätigkeit

IminternationalenVergleichzeigtDeutschlandeinenrelativhohenAnteilanatypischerBeschäf-

tigung auf. Abbildung 2 belegt, dassDeutschland imEU-Vergleichmit anderen kontinentalen

WohlfahrtsstaatenimhinterenMittelfeldliegt.Diesbedeutet,dassindieserLändergruppever-

gleichsweise viele Jobs als befristete oder Teilzeittätigkeiten ausgeübt werden. Als Erklärung

hierfürkönnendasvergleichsweisestrikteArbeitsrechtunddierelativhohenLohnnebenkosten

für reguläreBeschäftigung indiesenLänderndienen.Zwarbieteteinauf langfristigeBeschäf-

tigungsverhältnisseausgerichteterArbeitsmarktVorteile für Investitionen inHumankapital, er

macht aber auch atypische Beschäftigungsformen attraktiv, soweit diese für Arbeitgeber und

Arbeitnehmer zugänglich sind. Diese können eine betriebsspezifisch qualifizierte Stammbe-

legschaft ergänzen und die notwendige Anpassungsfähigkeit herstellen. In Ländern, die über

SozialversicherungssystemeverfügenundindenenentsprechendhoheLohnnebenkostenanfal-

len,sindzudemnichtversicherteTeilzeitjobsattraktiv.Diesgiltbesonders fürsolcheprivaten

Dienstleistungen,beidenenhoheArbeitskosteneinergeringenProduktivitätgegenüberstehen.

InAbbildung2zeigtsich,dassstärkerregulierteArbeitsmärktewiederschwedische,deutsche

oder französische tendenziell einenhöherenAnteil anatypischerBeschäftigungaufweisenals

liberalverfassteArbeitsmärktewieIrlandoderGroßbritannien.Ebenfallsniedrig istderAnteil

inLändernmitgeringenAktivitätsraten,z.B.ineinigenneuenEU-Mitgliedsländern,aberauch

inBelgien.DieskannalsHinweisdaraufgedeutetwerden,dassflexibleBeschäftigungsformen

amRandedesArbeitsmarktesdasSystemaufnahmefähigermachenunddamitdazubeitragen,

Inaktivitätabzubauen.AllerdingsgibtesaucheinigeLänder,wieSpanien,Polen,Frankreichund

Italien,dietrotzatypischerBeschäftigungrelativniedrigeAktivitätsratenaufweisen.

WährendinAbbildung2dieAnteilederverschiedenenBeschäftigungsformenanallenabhängig

Beschäftigtendargestelltsind,zeigtAbbildung3fürausgewählteLänderBeschäftigungsartenund

auchFormenderNichterwerbstätigkeitsowieSelbstständigkeitbezogenaufdieGesamtheitder

erwerbsfähigenBevölkerung.InteressantistindiesemZusammenhangvorallemderVergleichder

NutzungatypischerBeschäftigungsformeninanderenkontinentaleuropäischenArbeitsmärkten

mithoherRegulierungsintensitätsowie–alsReferenzpunkte–denetwabeimKündigungsschutz

flexiblerenSystemenGroßbritanniensundDänemarks.InsbesondereindenNiederlandenspielen

nebenTeilzeitauchdieverschiedenenFormenderatypischenBeschäftigungeinebesondersgroße

Rolle.AberauchinDeutschland,FrankreichundÖsterreichistdieunbefristeteVollzeittätigkeit

wenigerverbreitetalsinDänemarkoderGroßbritannien.

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Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: European Labour Force Survey, eigene Berechnungen.

Abbildung 2: Beschäftigungsstruktur in der EU-27 und Inaktivitätsraten (Anteil der Aktiven und inaktiven an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter) in Prozent, 2007

Anmerkung: Für Malta liegen keine Daten vor.

Unbefristet Vollzeit Unbefristet Teilzeit Geringfügige Teilzeit Befristet Inaktivitätsrate

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

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Quelle: European Labour Force Survey, eigene Berechnungen.

Abbildung 3: Erwerbsfähige Bevölkerung nach Erwerbsstatus in Prozent, 2006

Inaktive Arbeitslose Selbstständige Marginale Teilzeit Befristete Beschäftigung Teilzeit, unbefristet Vollzeit, unbefristet

49,7 44,8 41,430,8

37,4 39,6

9,310,2

10,418,0 8,7 6,5

6,33,4 5,6 9.9

8,9 7,6

5,4

3,6 2,8 5,64,2 1,0

6,6

8,9 9,19,2

7,76,9

3,24,1 3,1

3,59,1

6,8

19,6 25,0 27,5 23,0 23,931,5

0

10

20

30

40

50

60

70

80

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3.2 Befristete Beschäftigung – Regulierung und Ausmaß

In zahlreichenOECD-Ländernhat sichüberdie letzten Jahrehinweg eindeutlicherTrend zur

schwächeren Regulierung atypischer Beschäftigung niedergeschlagen. Abbildung 4 bildet bei-

spielsweisedenOECD-Indikatorab,derdieStrengederRegulierungbefristeterVerträgemisst.Es

zeigensichdeutlicheUnterschiedesowohlfürdasJahr2008alsauchfürdiezeitlicheEntwicklung

seit1995.NebenDeutschlandhabenvorallemmediterraneLänderwieGriechenland,Portugalund

Italienversucht,ihreArbeitsmärktedurchReformeninBereichenjenseitstraditionellerBeschäf-

tigungflexiblerzugestalten.MitdererleichtertenNutzungvonbefristetenArbeitsverträgenund

auchZeitarbeitsolltederpolitischschwierigeSchrittzurLiberalisierungdesKündigungsschutzes

imsogenanntenNormalarbeitsverhältnisentbehrlichgemachtwerden.DasGleichegiltauchfür

einigestärkerregulierteLänderwieSchweden,dieNiederlande,Belgienund–außerhalbEuropas

–Japan.DamitlässtsichüberdiemeistenLänderhinwegeinbreiterTrendzurDeregulierungder

befristetenArbeitsverhältnisseerkennen.

InsgesamtsollteimVergleichbeachtetwerden,dassnichtdieRegulierungbefristeterBeschäfti-

gungalleinausschlaggebendist.VielmehristdieStrengeimVerhältniszurGesamtregulierung

zuinterpretieren,daausSichtderArbeitgeberdierelativenKostenvonregulärerundatypischer

BeschäftigungausschlaggebendfürdieEntscheidungsind,welcherArbeitsvertraggewähltwird.

SoistdieseBeschäftigungsforminFrankreichtrotzrelativstrengerRegelnfürdenEinsatzvon

Befristung sehr attraktiv, da der Kern des Arbeitsmarktes noch stärker reglementiert ist. Der

OECD-IndikatorerlaubtjedochkeinenQuervergleichzwischenderRegulierungverschiedenarti-

gerBeschäftigungsformen.

MisstmandenAnteilderArbeitnehmermitbefristetenArbeitsverträgenanallenabhängigBe-

schäftigten,soweistDeutschlandmitca.15ProzentiminternationalenVergleichaufdenersten

BlickeinenrelativhohenWertauf(Abbildung5).DeutlichhöhereWertewerdennurinSpanien,

PolenundPortugalerzielt,wobeiinPolen,Norwegen,SlowenienunddenNiederlandendiestärks-

tenZuwächsezubeobachtenwaren.DieStatistikscheinttendenzielldieVermutungzubestätigen,

dassinsgesamtflexiblereArbeitsmärkteeinengeringerenAnteilanBefristungaufweisen(z.B.

Dänemark,Irland,Großbritannien).BemerkenswertandendeutschenWertenistderenStabilität

überdieletztenJahrehinweg.EineZunahmevon2,3Prozentpunktenseit2001istiminternati-

onalenVergleich,aberauchimVergleichzurdynamischenEntwicklungandereratypischerBe-

schäftigungsformen,alsmoderatanzusehen.

BeidenaggregiertenAngabenzurBefristungistallerdingszuberücksichtigen,dasssolcheAr-

beitsverträgesehrunterschiedlichenZweckendienenkönnen,dieeinedifferenzierteBeurteilung

erfordern.SoisteineBefristung,diederAusbildungoderErprobungdient,anderseinzuschätzen

als„unfreiwillig“befristeteBeschäftigung-alsosolche,dievomArbeitnehmernuraufgenommen

wird,weilkeineunbefristeteStelleverfügbar ist. ImerstenFalldürftendieAussichten, inein

unbefristetesBeschäftigungsverhältniszuwechseln,deutlichbesserstehen. Indieserdifferen-

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

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Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: OECD, Venn 2009.

Abbildung 4: OECD–Indikator für die Strenge der Regulierung befristeter Verträge (2008 und Veränderung seit 1995)

Anmerkung: Fehlende Veränderungssäulen bedeuten, dass es keine Änderungen bei der Regulierung befristeter Verträge gegeben hat, die sich in einem anderen Wert niedergeschlagen hätten.

2008 Veränderung seit 1995

4,25 4,25

– 4

– 3

– 2

– 1

0

1

2

3

4

5

Grie

chen

land

Türk

ei

Fran

krei

ch

Nor

weg

en

Span

ien

Finn

land

Mex

iko

Däne

mar

k

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d

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a

Nie

derla

nde

Schw

eden

Japa

n

Gro

ßbrit

anni

en

Slow

akei

Kana

da

USA

4,00 3,50

3,00 3,00 2,50

2,25 2,25 1,75 1,75 1,75

1,50 1,50 1,25 1,25

1,00 0,75 0,75

0,50 0,25 0,25

0 0 0,25 0,25

0,50

– 0,25

– 3,00

1,00

– 0,50

– 3,75

1,25

0,25

– 2,75

0,75 0,75 0,75 0,75

– 0,75

– 1,92 – 1,50

– 5

0

5

10

15

20

25

30

Span

ien

Pole

n

Port

ugal

Nie

derla

nde

Slow

enie

n

Schw

eden

Finn

land

Deut

schl

and

Fran

krei

ch

Italie

n

Schw

eiz

Grie

chen

land

Nor

weg

en

Öst

erre

ich

Irlan

d

Däne

mar

k

Belg

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Tsch

echi

en

Ung

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Luxe

mbu

rg

Gro

ßbrit

anni

en

Bulg

arie

n

Slow

akei

Lett

land

Estla

nd

Lita

uen

Rum

änie

n .

Quelle: Eurostat

Abbildung 5: Anteil der befristet beschäftigten Arbeitnehmer in Prozent 2008 und Veränderung seit 2001 in Prozentpunkten

2008 Differenz zu 2001

29,3

27,0

22,8

18,2 17,4

16,1 15,0 14,7 14,2

13,3 13,2 11,5

9,1 9,0 8,5 8,4 8,3 8,0 7,9 6,2

5,4 5,0 4,7 3,3

2,4 2,4 1,3

– 2,9

15,3

2,5 3,9 4,4

0,8

– 1,4

2,3

– 0,4

3,5

1,6

– 1,7

6,6

1,1

3,2

– 0,8 – 0,5

0 0,4 0,6

– 1,4 – 1,3 – 0,2 – 0,1

– 3,4 – 3,4 – 1,7

Page 15: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

16

ziertenBetrachtungergibtsicheindeutlichanderesBildfürDeutschland,denneineAusbildung

imdualenSystemwirdstatistischalsbefristeterArbeitsvertraggezählt.DaetwadieHälfteder

ArbeitskräftemiteinembefristetenArbeitsvertraginDeutschlandAuszubildendesind,wasim

internationalenVergleicheinenSpitzenwertbedeutet,relativiertsichderEindruckdesinsgesamt

hohenAnteilanderBeschäftigung.DerAnteilderunfreiwilligenBefristungliegthingegenunter

einem Viertel, ein vergleichsweise geringerWert. Betrachtet man diese Gruppe als Indikator

fürdieVerbreitung„prekärer“Arbeitsverträge(oderfürBefristungenimengerenSinne),steht

DeutschlandiminternationalenVergleichwesentlichbesserda(Abbildung6).Diesgiltauchfür

andereLänder,diearbeitsplatzbasierteAusbildungsgängeanbieten,wiedieNiederlande,Öster-

reichundinsbesonderedieSchweiz.

Die Differenzierung nach verschiedenenGründen von Befristung verweist auf einenweiteren

wichtigenAspekt.NebendemBestandanatypischerBeschäftigungistvoralleminteressant,wie

stabilundaussichtsreichsolcheStellensind,alsoobsie typischerweisealsSprungbrett inein

unbefristetes Arbeitsverhältnis dienen oder eine dauerhafte Benachteiligung auf demArbeits-

marktdarstellen.HierübergebenÜbergangsratenAufschluss.BefristeteBeschäftigungkanndazu

dienen,BeschäftigungsfähigkeitunterBeweiszustellenoderaufzubauen.Wirdjedochüberdiese

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: Eurostat.

Abbildung 6: Gründe für Befristung, 2008

Freiwillig Ausbildung Probezeit Unfreiwillig

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Zype

rn

Türk

ei

Span

ien

Grie

chen

land

Port

ugal

Belg

ien

Pole

n

Tsch

echi

en

Lett

land

Italie

n

Finn

land

Ung

arn

Fran

krei

ch

Schw

eden

Nor

weg

en

Luxe

mbu

rg

Slow

enie

n

Irlan

d

Däne

mar

k

Nie

derla

nde

Deut

schl

and

Öst

erre

ich

Schw

eiz

91 91 87 83 82 79 71 68 68 65 62 60 55 54 52 48 45 41 38 36

24 13

2 2 5 8

10 8

8 4

22

3 12 23

8 9

2

43

16

10

2

4 1 4 9 5

10 10

1

9 21

6

1

21 1

11

28

4 40

3

57

49 98

3 8 7 3 5

12 9

31

16 6

28 17 21

33 37

2

44 50

20 18

3

29

Page 16: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

17

ÜbergangsfunktionhinauseineSegmentierungundDualisierungdesArbeitsmarktesmitstarken

Mobilitätshürdenerzeugt,ergibtsicheinenachhaltigeUngleichverteilungzwischenRisikenund

Privilegien,zwischenFlexibilitätszumutungenundBestandssicherheit.

Abbildung7zeigt,dasseinigeLänder,dieüberrelativhoheBefristungsquotenverfügen,gleich-

zeitig–bezogenaufdieJahre2006/07–niedrigeÜbergangsrateninunbefristeteBeschäftigungs-

verhältnisseaufweisen.HierzuzählenetwaFrankreichundItalien,aberauchdashäufigpositiv

hervorgehobeneFlexicurity-ModellderNiederlande.DieserBefundbestärktdieVermutung,dass

zumeinenstärkerregulierteLänderbefristeteBeschäftigungvorwiegendalsKompensationfür

mangelndeFlexibilitätimSegmentdestraditionellenNormalarbeitsverhältnisnutzenundande-

rerseitsdiebefristetBeschäftigtendadurcheinemerheblichenRisikoinstabilerErwerbstätigkeit

mitbegrenztenAufstiegschancenausgesetztsind.

Deutschland schneidet hier etwas besser ab und liegt im unterenMittelfeld, was durch zwei

Faktorenzuerklärenist:Erstensverzerren,wiegesagt,Ausbildungsverträge,dieinDeutschland

weitverbreitetsind,dieÜbergangsratennachoben.ZweitensstellenbefristeteVerträgenichtdas

HauptsegmentatypischerBeschäftigung inDeutschlanddar,daMinijobsundZeitarbeitneben

größerernumerisch-externerFlexibilitätauchdeutlichniedrigereLohn-oderLohnnebenkosten

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: Europäische Kommission, Compendium November 2009.

Abbildung 7: Übergänge befristet-unbefristet von 2006 auf 2007 in Prozent

71 69

58

51 50 48 46 44 41 39

36 35 30

27 26 26 26 22

18

12 8

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Mal

ta

Slow

akei

Estla

nd

Gro

ßbrit

anni

en

Lett

land

Ung

arn

Lita

uen

Schw

eden

Öst

erre

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Luxe

mbu

rg

Slow

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n

Belg

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Italie

n

Pole

n

Deut

schl

and

Span

ien

Nie

derla

nde

Zype

rn

Port

ugal

Fran

krei

ch

Finn

land

Page 17: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

18

bieten.SoweitessichnichtumreineAusbildungsverträgehandelt,werdenbefristeteVerträgein

DeutschlanddaherhäufigalsverlängerteProbezeitgenutzt(Boockmann/Hagen2006),während

derwirklichprekäreTeildesArbeitsmarktesindenbeidenanderenBeschäftigungsformenange-

siedeltist.DieszeigtauchAbbildung8,wonachinDeutschlandrelativwenigeArbeitsloseden

UmwegübereinebefristeteStellenehmen–vermutlich,weilesalternativeGelegenheitenfürden

EinstiegindenArbeitsmarktgibt.

EinegrößereBedeutungalsinderPrivatwirtschafthabenbefristeteArbeitsverhältnisseundderen

ErneuerungimöffentlichenDienst,insbesondereimkulturellen,sozialenundwissenschaftlichen

Bereich, wo allerdings auch projektbezogen finanzierte Arbeit und Qualifikationsphasen eine

wichtigeRollespielen(Bellmann/Fischer/Hohendanner2009).ZwaristderBestandvonbefriste-

tenArbeitsverträgenmit6ProzentgeringeralsbeisozialenoderpersonenbezogenenDienstleis-

tungen.NeueinstellungenwerdenallerdingszuzweiDrittelnüberbefristeteVerträgegeregelt,die

ÜbernahmequotebeträgtlediglicheinViertelundmehralseinDrittelallerArbeitsverhältnisse

wirdbeendet,weilbefristeteVerträgeauslaufen.DieshängtauchmitdemimöffentlichenBereich

besondersausgeprägtenBestandsschutzfürunbefristetBeschäftigtezusammen(Tabelle1).

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: Europäische Kommission, Compendium November 2009.

Abbildung 8: Übergänge arbeitslos-befristet von 2006 auf 2007 in Prozent

28

25 24

23 23

21

18 18 18 18

16

12 11

10 9

8 8 8 8

5 5

2

0

5

10

15

20

25

30

Luxe

mbu

rg

Schw

eden

Span

ien

Nie

derla

nde

Pole

n

Port

ugal

Tsch

echi

en

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krei

ch

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Lett

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Zype

rn

Belg

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Italie

n

Deut

schl

and

Lita

uen

Öst

erre

ich

Gro

ßbrit

anni

en

Mal

ta

Slow

akei

Estla

nd

Page 18: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

19

VordemHintergrundderhiervorgestelltenDatenlässtsichinDeutschlandwedervoneinervergleichsweisehohen

noch von einer stark zunehmendenVerbreitung befristeterArbeitsverhältnisse sprechen.Da dieVertragsform

überwiegendderAusbildungundErprobungvonArbeitnehmernamAnfangdesBerufslebensdient,solltevon

einerundifferenziertenProblematisierungabgesehenwerden.

3.3 Zeitarbeit

DieEntwicklunginderRegulierungvonZeitarbeitentsprichtinvielenLänderndemweiterobenbeschriebenen

MusterderFlexibilisierungamRanddesArbeitsmarktes.Deutschlandhatdabeiseit1995einestarkeLiberalisie-

rungdurchlaufen,dienurvondensüdeuropäischenLändernübertroffenwird.DeutlicheDeregulierungstendenzen

sindzudemindenNiederlanden,JapanundKoreazubeobachten(Abbildung9).InDänemarkistZeitarbeiteben-

fallsdeutlichflexibilisiertworden,allerdingsbereitsseit1994(von4auf0,5),sodassdiestarkeVeränderungin

derAbbildungnichterscheint.NurwenigeLänderhabendieRegulierungerhöht,innennenswertemAusmaßnur

Polen.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Tabelle 1: Bedeutung befristeter Verträge in Deutschland nach Sektoren (2006)

Anteil befristeter Verträge an allen

Beschäftigten in %

Anteil an Neueinstellungen

in %

Übernahmen aus befristeten Verträgen

(in % aller Abgänge aus befristeter Beschäftigung)

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

durch Auslaufen befristeter Verträge

(% aller Beendigungen)

Produzierendes Gewerbe

4 40 59 17

Produktionsbezogene Dienstleistungen

7 37 48 12

Distributive Dienstleistungen

4 35 62 8

Personenbezogene Dienstleistungen

8 38 40 14

Soziale Dienstleistungen

12 65 31 34

Öffentliche Verwaltung

6 67 24 36

Quelle: Bellmann/Fischer/Hohendanner 2009.

Page 19: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

20

AndersalsdieReformtendenzenunddiegegenwärtigeöffentlicheDiskussionvermutenlassen,

ist die Zeitarbeit in denmeistenArbeitsmärktennur von geringerBedeutung (Abbildung10),

wobeiderTrendhäufigallerdingslangfristigaufeinestärkereDurchdringungdesArbeitsmarktes

gerichtetist.InkeinemLandsindjedoch,gemesseninVollzeitäquivalenten,mehralsfünfProzent

derArbeitskräfteinZeitarbeittätig,wobeiGroßbritannieninnerhalbEuropasmit4,8Prozentvor

denNiederlandenmit2,8ProzentdeutlichanderSpitzeliegt.DiemeistenLänderweisensogar

wenigeralszweiProzentZeitarbeitskräfteauf.WenngleichfürDeutschlandindenvergangenen

JahreneinedeutlicheSteigerungzuverzeichnenist,hatdieseinsgesamtaufniedrigemNiveau

stattgefunden.Deutschlandliegtmit1,6ProzentunauffälligimmittlerenBereich(CIETT2009).

DiegeringeInanspruchnahmekönnteauchdamitzusammenhängen,dassdemEinsatzvonZeit-

arbeitüberalldortGrenzengesetztsind,wosichderTransfervonWissenalsschwierigerweist

undbetriebsspezifischesHumankapitalerforderlichist.Daheristzuvermuten,dassZeitarbeits-

kräftevornehmlichalsErgänzungzuStammbelegschaften,inspeziellenBereichenohnegroßen

EinarbeitungsaufwandoderzurErprobungvonPersonaleingesetztwerden.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quellen: OECD, Venn 2009.

Abbildung 9: OECD-Indikator für die Strenge der Regulierung der Zeitarbeit (2008 und Veränderung seit 1995)

Anmerkung: Skala von 0 bis 6; 0: sehr flexibel, 6: sehr restriktiv.

2008 Veränderung seit 1995

– 4

– 2

0

2

4

6

Mex

iko

Türk

ei

Span

ien

Belg

ien

Nor

weg

en

Fran

krei

ch

Pole

n

Port

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Kore

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nde

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eich

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Neu

seel

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Aust

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n

Kana

da

Däne

mar

k

Finn

land

Gro

ßbrit

anni

en

Irlan

d

Slow

akei

USA

5,5 5,5

4,0 3,8

2,8 2,5 2,5 2,5 2,1 2,0 1,8 1,8 1,6 1,5 1,3 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0

0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5

– 0,3 – 0,3 – 0,8

2,0

– 2,0 – 1,6

– 3,5

– 1,8

– 3,8

–1,6 –1,6

0,5 0,5 0,5

– 0,5

Page 20: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

21

DeutschlandhatalsobeiderNutzungderArbeitnehmerüberlassungeinenMittelfeldplatzinne,

wobeizubeachtenist,dassdieBeschäftigungsformindeneinzelnenLändernunterschiedlichge-

nutztwird.DieszeigtsichschonbeidersektoralenVerteilung(Abbildung11).Improduzierenden

GewerbeweistDeutschlanddemnacheinen iminternationalenVergleichsehrhohenAnteilan

Zeitarbeitern auf,währendder imGesamtarbeitsmarktmittlerweileklardominierendeDienst-

leistungssektordeutlichunterrepräsentiertist.BeiZeitarbeiternhandeltessichinderRegelum

männliches,gewerblichtätigesPersonalohneweiterdefiniertenTätigkeitsschwerpunktundein-

schlägigeformaleQualifikation.ImGefolgederletztenLiberalisierungsschrittewurdenachdem

WegfallderÜberlassungshöchstdauerdieMöglichkeitgeschaffen,Zeitarbeiterohnevorabdefi-

nierteFristindenBetriebeneinzusetzen.DadieTarifverträgederZeitarbeitinDeutschlandjedoch

eineEntlohnungdeutlichunterhalbderjenigenetwainderMetall-undElektroindustrievorsehen,

könnenArbeitgeberdamitihreRandbelegschaftengünstigerbeschäftigtenalsdasStammperso-

nal.MithinzeigtsichauchhiereineUngleichverteilungderRisikenundFlexibilitätszumutungen

zuLastendieseratypischBeschäftigten.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: CIETT 2009.

Abbildung 10: Anteil der Zeitarbeit (in Vollzeitäquivalenten) an der aktiven Erwerbsbevölkerung in ausgewählten Ländern (2007 und Entwicklung seit 2000), in Prozent

2007 Entwicklung seit 2000

– 1

0

1

2

3

4

5

Gro

ßbrit

anni

en

Nie

derla

nde

Fran

krei

ch

Luxe

mbu

rg

Belg

ien

Japa

n

USA

Irlan

d

Schw

eiz

Deut

schl

and

Öst

erre

ich

Schw

eden

Finn

land

Italie

n

Nor

weg

en

Port

ugal

Däne

mar

k

Span

ien

1,3

2,8

4,8

2,5 2,42,2 2,1 2,0

1,7 1,7 1,6 1,51,3

1,1 1,0 1,0 0,9 0,8 0,81,0

0,50,5 0,50,20,2

0,8

0,3

0,70,70,70,70,50,5

– 0,1– 0,1

Page 21: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

22

WasdieStabilitätvonZeitarbeitsjobsunddieChanceaufÜbergangineinereguläreBeschäftigung

angeht, sozeigenStudien fürDeutschlandzumeinen,dassZeitarbeitnichtalseineselbstver-

ständlicheBrücke instabilereBeschäftigungsverhältnisseanzusehen ist.DieTätigkeit füreine

ZeitarbeitsfirmaerhöhtnichtpersedieChanceaufeineandereArtderBeschäftigung(Kvasnicka

2008). Zumanderen zeigenUntersuchungen, dass die Zeitarbeitmittlerweile eher als einBe-

schäftigungssegmentmiteigenerLogikverstandenwerdenmuss,wobeieinepolarisierteStruktur

zubeobachtenist.DabeigibtesaufdereinenSeiterechtlangeVerweildauerninZeitarbeitmit

entsprechendlangenVerleihzeiten–etwaalsquasidauerhafteingesetztesPersonalinderver-

arbeitendenIndustrie,dasnurinschwerenKrisensituationenbevorzugtabgebautwird.Aufder

anderenSeiteistdieZeitarbeitinDeutschlandauchhäufigvonsehrkurzenBeschäftigungsdauern

geprägt,dievonPhasenderNichterwerbstätigkeitunterbrochenwerden.Auchinsofernistdiese

BeschäftigungsformkeinKönigsweg fürdieEingliederungvonNichterwerbstätigen indenAr-

beitsmarkt(Brenke/Eichhorst2008).

Dabei stehen einfacheProduktions- undHilfstätigkeiten imgewerblichenBereich ohnebeson-

derenTätigkeitsschwerpunktundspezifischeQualifikationsanforderungenimVordergrund.Die

gegenwärtigeRegelunginDeutschlanderlaubtjedochdieprinzipiellunbefristeteArbeitnehmer-

überlassung in einen Betrieb,wobei die Zeitarbeitnehmer ähnliche oder gleichartige Tätigkei-

ten wie die Stammbelegschaften ausführen. Allerdings unterliegen Löhne, Arbeitszeiten und

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: CIETT 2009.

Abbildung 11: Sektorale Verteilung der Zeitarbeit in ausgewählten Ländern, 2007

Produktion Dienstleistungen Sonstige (u.a. Baugewerbe, Landwirtschaft, öffentliche Verwaltung)

Japan

Norwegen

Griechenland

Südkorea

Niederlande

Großbritannien

Spanien

Schweden

Tschechien

Frankreich

Italien

Ungarn

Polen

Belgien

Deutschland

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Prozent

8

11

12

13

17

22

30

34

44

46

46

51

60

60

65

8

65

60

26

46

54

60

58

31

32

41

35

30

37

29

84

24

28

61

37

24

10

8

25

22

13

14

10

3

6

Page 22: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

23

ArbeitsbedingungenderZeitarbeitnehmereinemanderenTarifvertrag,weshalbeinerhebliches

LohndifferenzialzwischenZeitarbeitundKernbelegschaftenauchbeivergleichbarerTätigkeitund

Arbeitseinsatzbesteht.DerGrundsatzderGleichbehandlunggilt indenmeisteneuropäischen

Staaten,teilweiseunterdemVorbehalteinerAbweichungnachTarifvertrag,teilweiseunbedingt:

SobeispielsweiseinFrankreich,woZeitarbeiternebendemgleichenLohnvergleichbarerStamm-

arbeitskräftezusätzlicheinePrämieinHöhevon10ProzentderLohnsumme(sogenannte„Preka-

ritätsprämie“)erhalten.DiesePrämieentfällt,wennimAnschlusseineunbefristeteBeschäftigung

beimEntleihereingegangenwird.HinzukommtdieVerpflichtungderArbeitgeberzueinerUm-

langefürdieWeiterbildungvonZeitarbeitskräften(Vanselow/Weinkopf2009).

3.4 Selbstständigkeit und freiberufliche Tätigkeit

AlsweiterealternativeBeschäftigungsformstehtdieselbstständigeErwerbstätigkeitzurVerfü-

gung. Sie ist außerhalbwichtiger Regulierungsbereichewie Kündigungsschutz, Tarifverträgen

oderMindestlohnregelungenangesiedeltundbietetdeshalbbesondereFlexibilitätsspielräume,

aberauchRisiken.InvielenStaatenistdieSelbstständigkeitauchnichtvonderallgemeinenSozi-

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: Eurostat.

Abbildung 12: Anteil der Selbstständigen (außerhalb der Landwirtschaft) in Prozent, 2008 und Veränderung seit 2001 in Prozentpunkten

2008 Differenz zu 2001

– 2

0

2

4

6

8

10

12

14

16

Italie

n

Grie

chen

land

Tsch

echi

en

Zype

rn

Slow

akei

Gro

ßbrit

anni

en

Span

ien

Port

ugal

Belg

ien

Nie

derla

nde

Irlan

d

Schw

eiz

Finn

land

Ung

arn

Deut

schl

and

Lita

uen

Nor

weg

en

Öst

erre

ich

Fran

krei

ch

Däne

mar

k

Rum

änie

n

Estla

nd

Lett

land

Luxe

mbu

rg

15,6

14,1

11,4 10,5

9,9 9,7 9,4 8,8

8,0 8,0 7,2

6,4 6,1 5,7 5,5

4,9 4,4 4,3 4,1 4,0 3,8

3,5 3,0

5,4

0,0

1,6

– 1,2

4,5

1,5

– 0,6 – 1,2

– 0,1

1,6 0,8

0,2 0,9

– 0,8

1,2 1,3 0,7

1,6

0,2 1,1 1,2

0,7 1,1 1,2

Page 23: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

24

alversicherungabgedeckt,sondern–zumindestinbestimmtenProfessionen–vonberufsspezifi-

schenSicherungssystemen.Abbildung12zeigt,dassesimlaufendenJahrzehntinvielenLändern

eineZunahmevonSelbstständigkeitgegebenhat.DiesistauchfürDeutschlandderFall,woihr

Anteil2008bei5,5Prozentlag.

BesonderesAugenmerk istdabeiauf „neueSelbstständige“zu legen,dieaußerhalbetablierter

freier Berufemit eigenständigenSicherungssystemen (z.B.Ärzte, Rechtsanwälte,Notare) tätig

sind.DiestarkeZunahmedieserBeschäftigtengruppeistvorallemaufdasWachstumdesDienst-

leistungssektors, aber auch auf Trends wie „Outsourcing“ und „Franchising“ zurückzuführen

(SchulzeBuschoff/Schmidt2009).StarkeZuwächsewarenindenletztenJahrenzumBeispielin

derKreativwirtschaft,inIT-Dienstleistungenoderauchimpublizistischenoderwissenschaftlichen

Bereichzuverzeichnen.DabeihandeltessichinderRegelumselbstständigtätige„Freelancer“

ohneAngestellte. IndiesenBereichendominierenverschiedeneFormenatypischerabhängiger

BeschäftigungwiePraktikaundVolontariatesowiedieselbstständigeTätigkeitohneAngestellte,

wobeierheblicheEinkommensunterschiedeund–damitverbunden–eineunvollständigesoziale

Absicherungzubeobachtensind(Manske/Merkel2009,Mundelius2009).

Zum Beispiel sind in Deutschland „Solo-Selbstständige“ (Selbständige ohne Angestellte) nicht

systematischvonderArbeitslosenversicherungabgedeckt.DieseGruppestelltmittlerweile im-

merhinetwadieHälftederSelbstständigen(SchulzeBuschoff/Schmidt2009).Nurwenninden

letzten zwei Jahren vorAufnahmeder selbstständigenTätigkeit über insgesamt zwölfMonate

eine abhängige Beschäftigung bestanden hat oder Arbeitslosengeld bezogen wurde, kann die

freiwilligeWeiterversicherunggewähltwerden.VoraussetzungisteinewöchentlicheArbeitszeit

vonmindestens15Stunden.DiegesetzlicheGrundlagefürdiefreiwilligeWeiterversicherungvon

Selbstständigenläuftzudem2011aus.

InanderenLänderngeltengroßzügigereRegelungen.AlspositivesBeispielkannÖsterreichgelten.

ImGegensatzzuDeutschlandhatesdensozialversicherungsrechtlichenStatusvonSelbstständi-

gen,dieineinerquasi-abhängigenBeschäftigungstehen,substanziellverbessert.Seit2008sind

„freieDienstnehmer“(Quasi-Arbeitnehmer)anderenBeschäftigtenweitgehendgleichgestellt,da

siederVersicherungspflichtunterliegen(mitBeiträgendesQuasi-Arbeitgebers)sowieAnspruch

aufAbfindungszahlungen,KrankengeldundMutterschutzhaben.ZudemhabenSelbstständige

dortseit2009prinzipielldasRecht,derArbeitslosenversicherungbeizutreten.Darüberhinaus

gewährenvorallemuniversalistischeLänder,wieDänemarkoderSchweden,Solo-Selbstständigen

umfassenderenZugangzumSozialversicherungssystem(SchulzeBuschoff2007).

3.5 Marginale Teilzeit, Minijobs

TeilzeitarbeitkannnichtgenerelldemRanddesArbeitsmarkteszugerechnetwerden,daTeilzeit,

insbesonderesolchemitmittlererundhöhererAnzahlanWochenstunden,oftlangfristigangelegt

undsozialabgesichertist.AndersisteinemarginaleTeilzeitarbeitmitgeringerStundenzahloder

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Page 24: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

25

niedrigenBruttostundenlöhnenzubewerten.ImdeutschenArrangementdes„Minijobs“führtdie

Steuer-undAbgabenfreiheitderBeschäftigteninderPraxiszueinerÜberwälzungdesKosten-

vorteilsaufdieArbeitgeberunddamitzueinemüberproportionalhohenAnteilanMinijob-Be-

schäftigtenmitniedrigenBruttostundenlöhnen.DiesesModellfindetinverschiedenenBereichen

des arbeitsintensiven privatenDienstleistungssektorsAnwendung und etabliert einen Bereich

außerhalboderunterhalbvonTariflöhnen.MinijobskönnenaufgrundihresgeringenArbeitszeit-

undVerdienstumfangesprinzipiellnichtalsExistenzsicherndangesehenwerden.Diesegeringen

ArbeitseinkommenausderTeilzeittätigkeitwerdenmitanderenEinkommensartenkombiniert,

mit einemHauptverdienst,mitPartnereinkommenoderSozialtransfers.WährenddieMinijobs

ausSicht derBeschäftigten eineErgänzung andererEinkünfte darstellen, erlauben sie es aus

SichtderArbeitgeber,dieBruttolöhneunddamitdieArbeitskostenzusenken.Damitstellendie

Minijobseine–wenngleichsuboptimale–Teillösung fürdasProblemhoherArbeitskosten im

Dienstleistungssektordar.SiesinddamitaucheineinternationaleBesonderheitundmitgeringen

Aufstiegschancenverbunden(Freier/Steiner2008).ÜberdiesunterminierenMinijobsdieFinan-

zierungdesSozialversicherungssystemsundtragenverstärktzuseinenProblemenbei,stattzu

entlasten.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: Eurostat.

Abbildung 13: Anteil der Beschäftigten mit Zweitjobs an allen Beschäftigten, in Prozent, 2008 und Veränderung seit 2001

2008 Differenz zu 2001

– 10

– 5

0

5

10

Isla

nd

Däne

mar

k

Nor

weg

en

Swed

en

Schw

eiz

Pole

n

Nie

derla

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land

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Irlan

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Span

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Luxe

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rg

Italie

n

Tsch

echi

en

Ung

arn

Slow

akei

Bulg

arie

n

10,0 9,7 8,7 8,3

7,6 7,6 7,4 7,0

6,2 5,2 5,1

4,5 4,5 4,3 3,9 3,8 3,8 3,7 3,5 3,4 3,3 3,2 3,2 3,0 2,7 2,6 2,1 1,9 1,8 1,6 1,1 0,8

– 8,5

– 0,8 – 1,3

1,0

– 1,1

1,5 0,4 0,4

1,2

– 2,3

– 0,5 – 0,6

0,8

– 1,1 – 0,5

0,1 1,2 1,3

0,2

– 1,3 – 2,3

– 0,1

0,8 0,7 0,9 0,6

– 0,9 0,0

0,3

– 0,3

Page 25: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

26

IminternationalenVergleichliegtderAnteilderErwerbstätigenmitZweitjobsinDeutschlandmit

knappvierProzentimmittlerenBereich,wobeijedochseit2001einrechtdeutlicherAnstiegvon

Nebentätigkeitenzubeobachtenist(Brenke2009).DieshatvorallemmitdererneutenZulassung

vonNebentätigkeitenalsabgabenfreieMinijobsimJahr2003zutun.WesentlichhöhereQuoten

vonErwerbstätigenmitNebentätigkeitenfindensichindenskandinavischenStaaten,derSchweiz,

PolenunddenNiederlandenmitmehralssiebenProzent.DieHäufigkeitvonNebentätigkeitenin

LändernmitausgebautenSozialsystemenundTarif-undMindestlohnsystemensprichtdafür,dass

eshiernichtinersterLiniedarumgeht,sehrniedrigeLöhneimerstenJobaufzubessern,sondern

dasHaushaltseinkommen,dasgemeinsammitdemPartnererwirtschaftetwird,zuerhöhen.

3.6 Muster der Flexibilität nach Wirtschaftszweigen

InsgesamtunterscheidensichinDeutschlandjenachSektorundTätigkeitsowohldieBedeutung

deratypischenBeschäftigungsverhältnissealsauchdiejeweilsamstärkstengenutztenFormen

nicht standardisierter Arbeitsverhältnisse. Das Instrument der Zeitarbeit wird beispielsweise

inDeutschlandnuringeringemUmfanginanderenBranchenalsderverarbeitendenIndustrie

eingesetzt(Tabelle2).DaindiesemSektorbetriebsinterneFlexibilitäteinebesondersgroßeBe-

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Tabelle 2: Einsatz verschiedener Beschäftigungsformen nach Sektoren in Deutschland

Soz. vers.

Besch.Teilzeit Minijobs

Befris-tungen

Freie Mitar-beit

PraktikaZeitar-

beit

Ein-Euro-Jobs

Produzierendes Gewerbe

84 11 6 4 1 1 3 0

Unternehmensnahe Dienstleistungen

74 26 13 7 4 2 1 0

Handel, Verkehr

74 28 15 4 1 2 1 0

Erziehung, Gesund-heit, Kultur, Verbände

72 41 11 12 3 3 0 4

Öffentliche Verwaltung

63 27 3 6 1 1 0 3

Personenbezogene Dienstleistungen

57 37 26 8 3 2 0 2

Quelle: Bellmann/Fischer/Hohendanner 2009.

Page 26: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

27

deutunghat,stelltZeitarbeitdasamweitestenverbreiteteElementextern-numerischerflexibilität

dar,mitderdieBelegschaftenauchzahlenmäßigangepasstwerdenkönnen.DieanderenWirt-

schaftszweigenutzenstärkeralternativeFlexibilitätsmöglichkeitenwiebefristeteArbeitsverträge,

Minijobs, Teilzeitarbeit, freieMitarbeit, Praktika oder selbstständige Tätigkeiten.Während im

öffentlichenBereichnebensozialversicherungspflichtigerTeilzeitarbeitauchbefristeteArbeitsver-

hältnisseeinebesondereRollespielen,dominiereninprivatenDienstleistungsfeldernMinijobs.

DieNutzung verschiedener Flexibilitätsformen variiert starknachSektoren (Tabelle 3 und4),

wieanhanddesdeutschenBeispielsgezeigtwerdenkann.DieseMustersindjedochauchinan-

derenLändernanzutreffen,wieAbbildung14(aufS.30)zeigt.Tabelle3unterscheidetzwischen

verarbeitender IndustrieundetabliertenDienstleistungsbereichenaufdereinenSeiteundden

sichdynamischerentwickelndenSegmentendesDienstleistungssektorsaufderanderenSeite.

BeiletzterenisthinsichtlichderQualifikationsstrukturzuunterscheiden.SiereichtvonBranchen,

in denen vorwiegend ungelernte Tätigkeiten ausreichen bis zu solchen, dieHochschulbildung

voraussetzen.

Sowohl inder Industriealsauch inBanken,Versicherungenund imöffentlichenDienstdomi-

nierensektor-oderbetriebsspezifischeQualifikationenmiteinemhohenAnteilanPersonenmit

einem dualenAusbildungsabschluss. Deren Beschäftigungsverhältnisse sind zu einem großen

TeilauflängereSichtangelegt,vomKündigungsschutzerfasstundvonTarifverträgenabgedeckt,

sodassdieLohnspreizunggeringausfällt.InterneFlexibilitätüberArbeitszeitisthierbesonders

ausgeprägt.AtypischeBeschäftigungspieltindiesenBereicheneinezwarbegrenzte,aberdurch-

ausbemerkenswerteRolle,wieetwadieZeitarbeitimRahmenderindustriellenProduktionund

befristeteBeschäftigungsowie–sozialabgesicherteundoftaufDauerangelegte–Teilzeitarbeit

indenDienstleistungen.

DieSituationsiehtindenbeidendynamischerenTeilsegmentendesDienstleistungssektorsfunda-

mentalandersaus.ImBereichderhochqualifiziertenDienstleistungenwieIT,MedienundKrea-

tivwirtschaftdominierenübertragbare,professionsbezogeneKenntnisseundFertigkeiten,oftmit

akademischemHintergrund.DualeAbschlüssespielenhiereinevergleichsweisegeringeRolle.

Kündigungsschutz und Tarifverträge regulieren diesen Sektor, der eher von projektbezogenen

Tätigkeitendominiertwird,kaum.DiesgehtmiteinemhöherenAnteilanSelbstständigenund

anderenFormenatypischerBeschäftigungsowiemiteinemhöherenMaßanexternerFlexibili-

tätundLohnspreizungeinher.ÄhnlichesgiltfürdieDienstleistungsbereichemitgeringenoder

mittlerenQualifikationsanforderungen,wobeihierwenigerdieSelbstständigkeitalsvielmehrdie

marginaleTeilzeittätigkeitnebenbefristetenArbeitsverträgenundsozialversicherterTeilzeitarbeit

einewichtigeRollespielt.ExterneundLohnflexibilitätsindalsoindendynamischerenBereichen

desDienstleistungssektorsstärkerausgeprägtalsimklassischenKernbereichdesdeutschenAr-

beitsmarktes.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Page 27: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

28

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Tabelle 3: Struktur der Flexibilitätsformen und Randsegmente nach Branchen in Deutschland

Verarbeitende Industrie

Etablierte Dienstleis-tungsbereiche

Wachsendes Segment

hochqualifizierter Dienstleistungen

Wachsendes Segment von

Dienstleistungen mit mittleren oder

niedrigen Qualifikati-onsanforderungen

BeispieleMetall- und

Elektroindustrie, Maschinenbau

Banken und Versicherungen,

öffentlicher Dienst

IT, Medien, Kreativwirtschaft

Reinigung, Callcenter, Gastgewerbe

Qualifikationen sektor- oder betriebsspezifischübertragbar, profes-sionsbezogen, oft

akademisch

übertragbar, oft ad hoc, begrenzt

Anteil der Absol-venten des dualen

Ausbildungssystemshoch

niedrig (mit Ausnahme von Routine- und Verwaltungsaufgaben), mit der

Konsolidierung der Sektoren wachsend

Weiterbildung begrenzt

überwiegend als Investition in eigene

Beschäftigungs-fähigkeit

eher informell, „on the job”

KündigungsschutzHauptelement,

hoher Anteil unbefristeter Arbeitsverträgebegrenzt

Betriebszugehörigkeit eher langeher kurz,

viele Selbstständigeeher kurz

Lohnbildung überwiegend über Flächentarifvertrag Einzelverträge, einige Tarifverträge

Lohnspreizung begrenzt groß groß

Anteil atypischer Beschäftigung

gering groß groß

Hauptform atypischer Beschäftigung

Zeitarbeitbefristete Beschäfti-

gung und Teilzeit

befristete Beschäftigung, Praktikanten,

Trainees, Freelancer

Teilzeit, Minijobs, befristete

Beschäftigung

Flexibilität eher intern eher extern

Quelle: Eichhorst/Marx 2009.

Page 28: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

29

Das deutsche Muster einer sektoral variierenden Beschäftigungsstruktur findet sich auch in

NachbarländernmiteinemvergleichbareninstitutionellenGefügewieder.Auchindenanderen

relativstarkreguliertenkontinentaleuropäischenLändern istderprivateDienstleistungssektor

überproportional von atypischer Beschäftigung betroffen,während traditionelle Bereiche nach

wievorrelativhomogensind.OffenbarsinddieInstitutionendes„Normalarbeitsverhältnisses“,

diesichinvielenLändernvordemHintergrundeinerindustriellgeprägtenNachkriegswirtschaft

entwickelthaben,nurbedingtaufdentertiärenSektorübertragbar.IneinigenBereichen,dieeine

Berufsausbildungvoraussetzen(z.B.kaufmännischeBerufe),sindunbefristeteStellennochdie

Regel, allerdingsmit einerhöherenTeilzeitquote.Vor allembeiDienstleistungenmit geringer

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Tabelle 4: Strukturmerkmale von Tätigkeitsfeldern, 2007

Anteil der weiblichen

Beschäftigten in %

Anteil der öffentlich

Beschäftigten in %

Durchschnitt-liche Betriebszu-

gehörigkeit in Jahren

Anteil der unbefristeten

Vollzeit-Beschäf-tigten in %

Anteil der gering entlohnten

Beschäftigten

Friseure und Kosmetiker

90 2 8,2 14 58

Gesundheits-dienstleistungen

88 37 10,4 43 28

Soziale Dienstleistungen

84 57 8,2 42 21

Gastgewerbe 82 23 6,1 24 68

Kreativwirtschaft 76 5 4 20 70

Beratungsbranche 51 10 8,6 67 7

Banken & Versicherungen

46 25 12,4 61 11

IT Dienstleistungen 23 11 8,6 67 7

Ingenieur 23 16 11,1 79 9

Metallarbeiter 12 6 11,3 71 22

Elektriker 6 9 11,1 72 22

Gesamt 49 25 10 54 25

Quelle: Eichhorst/Marx 2009 auf der Basis des SOEP.

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30

ProduktivitätneigenAkteureaberdazu,wiederdeutscheFallzeigt,RegulierungenundLohnne-

benkostenzuumgehen.DieentsprechendenStrategienunterscheidensich jedochdeutlichvon

LandzuLandundsindvomjeweiligeninstitutionellenSpielraumbeeinflusst.InArbeitsmärkten

mit allgemeingültigenMindestlöhnen ist etwa die deutsche Tendenz, einenNiedriglohnsektor

übermarginale Teilzeit zu schaffen, nichtmöglich. Dies betrifft vor allem Frankreich,wo der

Mindestlohnrelativhochist,aberzumBeispielauchBelgienunddieNiederlande.Hierwerdenals

FlexibilitätsquellevergleichsweisevielebefristeteVerträgemitkurzerLaufzeitimprivatenDienst-

leistungsbereich eingesetzt. SowirdderKündigungsschutzumgangen,und so entfallendamit

zusammenhängendeEntlassungs-undWiedereinstellungskosten.UnterdendeutschenNachbarn

fälltÖsterreichalspositivesBeispielmiteinervergleichsweisehomogenensektoralenVerteilung

auf.EinerseitshatdasLandweitreichendeAnstrengungenunternommen,atypischeBeschäfti-

gungzure-regulieren(mitAusnahmedervorallemimDienstleistungsbereichweitverbreiteten

marginalenTeilzeit,dieaußerhalbderSozialversicherungsteht).AndererseitskannÖsterreich

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: European Labour Force Survey, eigene Berechnungen.

Anmerkung: Die Einteilung nach Berufsgruppen erfolgt auf Grundlage der ISCO-88 Klassifizierung (zwei Stellen) und nach dem Modell von Häusermann und Schwander (2010). Ges = Gesamt, Arb = Arbeiter (ISCO 61, 71-83, 92, 93), MDL = mittlere private Dienstleistungen (ISCO 41, 42), GDL = gering qualifizierte private Dienstleistungen (ISCO 51, 52, 91).

Abbildung 14: Atypische Beschäftigung nach Tätigkeiten in kontinentaleuropäischen Ländern (Arbeiter und private Dienst- leistungen), in Prozent, 2007

Unbefristet Vollzeit Marginale Teilzeit Befristet Selbstständig Unbefristet Teilzeit

0%

25%

50%

75%

100%

Ges

.

Arb

.

MD

L

GD

L

Ges

.

Arb

.

MD

L

GD

L

Ges

.

Arb

.

MD

L

GD

L

Ges

.

Arb

.

MD

L

GD

L

Ges

.

Arb

.

MD

L

GD

L

Österreich Belgien Deutschland Frankreich Niederlande

65 74

69

52 61

73 65

43

61

74

63

37

67 68 69

56

45

62

37

27

15 4

23

31 16

6 26

33

14

5 21

27

10 2

19

20

26

11

41

34

14 19

1

5 15 14

3

9 12 11

3

8

11 16

0

2 14 13 2

10

4 3 3 4

7 7 6

11 7 7

7

9

11 13 11

16 10 14

14

15

3 1 4 8

2 0 1 4 6 3

6

19

1 0 1 5 5 1 5

15

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31

aufeineTraditionbeschäftigungsorientierterSozialpartnerschaftzurückgreifen,diedieWettbe-

werbsfähigkeitsämtlicherArbeitsplätzeverbesserthat.InsgesamterscheintdasLanddaherals

gutesBeispielfürden„Flexicurity-Ansatz“.Belgienweistebenfallseineeherniedrigesektorale

Spaltungauf.AndersalsinÖsterreichgehtdiesallerdingszuLastenderGesamtbeschäftigung,

führtalsozueinergeringerenAufnahmefähigkeitdesArbeitsmarktes.

3.7 Niedriglohn und „Working Poor“

DieVeränderungeniminternationalenwirtschaftlichenUmfeldkönnenalsbesondersfolgenreich

fürArbeitmitgeringenQualifikationsanforderungenangesehenwerden.TechnologischerWandel

undsteigendeStandortkonkurrenz,diedasVerlagerneinfacherTätigkeiteninsAuslandermögli-

chen,habendenLohndruckaufgeringqualifizierteBeschäftigungerhöht.EinIndikator,indem

sichdieserWandelaufdemdeutschenArbeitsmarktdeutlichausdrückt,istdieLohnungleichheit

bzw.dieEntwicklungdesNiedriglohnbereiches.NachdembisMitteder1990erJahredieLohnun-

gleichheitinDeutschlandnochzurückging,sinddiedarauffolgendenJahrevoneinemdeutlichen

WachstumgeringentlohnterBeschäftigung(unterzweiDritteldesMedianlohns)geprägt.Obwohl

nurfürwenigeLänderinternationalvergleichbareDatenvorhandensind,kannmanaufGrund

dervorliegendenInformationendavonausgehen,dassdieEntwicklunginDeutschlandbesonders

ausgeprägtist.VondeninAbbildung15dargestelltenLändernhatDeutschlandzwischen2000

und2007diegrößteZunahmezuverzeichnen.DamitnähertessichderGruppevonLändernan,

dietypischerweiseeinehoheLohnflexibilitätaufweisen,z.B.Großbritannien,IrlandundKanada.

IndenskandinavischenLändernistdieNiedriglohnquotemittlerweilehingegendeutlichgeringer.

VondiesemTrendzurNiedriglohnbeschäftigungsindinDeutschlandeinigeGruppenüberpropor-

tionalbetroffen,etwaArbeitnehmerohneBerufsabschluss,aberauchFrauen,jüngereArbeitneh-

merundAusländer.WährendderAnteilderFrauenandenNiedriglohnempfängernaberinden

80erund90erJahrenzurückgegangenistunderstimletztenJahrzehntwiederzugenommenhat,

isterbeigeringQualifizierten(von23auf30Prozent)undAusländern(von14auf27Prozent)

durchgängigstarkansteigend(Bosch/Kalina2008).

InsgesamthataberderAnteilvonMännernundFrauenmitniedrigemLohnindenmeistenLän-

dernzwischen2000und2006zugenommen,wobeiFraueninfastallenLändernhäufigerdavon

betroffensind.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

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32

Außerdemmussfestgestelltwerden,dasssichdasPhänomender„workingpoor“weitgehendauf

denBereichderTeilzeitbeschränkt.DasVollzeitarbeitsverhältnisisthingegen–trotzeinerleich-

tenZunahmegeringerLöhne-nachwievorindenmeistenFällen„armutsvermeidend“(Andress/

Seeck2007).

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Tabelle 5: Niedriglohnanteile nach Geschlecht im Ländervergleich, in Prozent

Männer FrauenNiedriglohnanteile

von Frauen in Relation zu Männern

2000 2006 2000 2006 2000 2006

Australien 12,1 16,0 (5) 18,9 20,1 1,6 1,3

Kanada 15,6 15,4 31,3 27,5 2 1,8

Dänemark 5,5 8,2 (5) 14,1 16,3 2,6 2

Finnland 4,6 (2) 4,6 (4) 9,5 9,6 2,1 2,1

Frankreich* 11,5 9,2 19,6 16,2 1,7 1,8

Deutschland 6,3 9,2 (5) 24,8 31 3,9 3,4

Ungarn 20,4 24,7 26,5 21,6 1,3 0,9

Irland 13,2 13,9 (4) 25,9 24 2 1,7

Italien 8,9 - 13,4 - 1,5 -

Japan 6,7 8 33,1 33,8 4,9 4,2

Korea 15,6 16,6 48,1 41,9 3,1 2,5

Niederlande 11,1 (1) - 29,2 - 2,6 -

Neuseeland 13,3 12,6 19,1 17,3 1,4 1,4

Polen 15,0 (1) 20,9 (4) 23,6 26,2 1,6 1,3

Spanien 12,0 (3) - 25 - 2,1 -

Schweden 4,3 4,7 (4) 8,9 8,9 2,1 1,9

Großbritannien 14 15,7 31,5 29,1 2,3 1,9

USA 19,3 19,7 (5) 31,7 29,4 1,6 1,5

* Daten für Frankreich aus anderer Quelle (und deshalb nicht vergleichbar), da nicht in der OECD-Datenbasis vorhanden. (1)=Daten 1999. (2)=Daten 2001. (3)=Daten 2002. (4)=Daten 2004. (5)=Daten 2005. Gleiche Jahre für Frauen.

Quelle: Rubery/Grimshaw 2009; OECD Earnings Database; vgl. Bosch/Weinkopf/Kalina 2009.

Page 32: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

33

InderEntwicklungderNiedriglohnbeschäftigungtretenauchsektoraleMusterdeutlichzuTage.

Dabeischneiden traditionell starke (aberschrumpfende)Branchendeutlichbesserabalsviele

dynamischwachsendeDienstleistungssektoren. ImproduzierendenGewerbe istderAnteilder

Niedriglöhneseit1980zurückgegangen(von12auf9Prozent),währenderimBaugewerbe(8auf

11Prozent),imTransportwesen(6auf15Prozent)undinpersonenbezogenenDienstleistungen

(29auf32Prozent)gestiegenist(Bosch/Kalina2008).BerufemiteinemsehrhohenNiedriglohn-

anteilsindbeispielsweiseimGastgewerbeoderinderGebäudereinigungzufinden,jeweilsmit

Anteilenvonca.70Prozent(Eichhorst/Marx2009).IminternationalenVergleichistdiegeringe

tariflicheAbdeckungder privatenDienstleistungszweige ohnegesetzlichen oder allgemeinver-

bindlichenMindestlohninVerbindungmiteinemgroßenAnteilgeringfügigerBeschäftigungeiner

derHauptgründefürdieausgeprägteLohnspreizungdesDienstleistungssektorsinDeutschland.

ZunehmendeLückenimTarifgefügeerkläreneinenTeildersteigendenLohnspreizungunddes

wachsendenNiedriglohnsektorsinDeutschland(Dustmann/Ludsteck/Schönberg2009).Diemeis-

tenLänderverfügenübergesetzlicheMindestlöhneoderTarifverträgemithohemAbdeckungs-

gradbzw.Allgemeinverbindlichkeit(Bosch/Weinkopf/Kalina2009).

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: OECD.

Anmerkung: Werte für 2007 beziehen sich in Schweden und Polen auf 2004, in Deutschland auf 2005, in Belgien und Ungarn auf 2006. Werte für 2000 beziehen sich in Polen und Finnland auf 2001 und fehlen für Österreich und Belgien.

Abbildung 15: Anteil der Niedriglohnbeschäftigung (unter 2/3 des Medianlohns) 2007 und Veränderung seit 2000, in Prozent

2007 Differenz zu 2000

– 5

0

5

10

15

20

25

Kore

a

USA

Pole

n

Ung

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Kana

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Gro

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en

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n

Neu

seel

and

Dän

emar

k

Finn

land

Schw

eden

Belg

ien

25,6 24,5

23,5 23,1 22,0 21,7

20,5

17,5 16,8 16,2 16,0 15,4

12,9 12,0

7,9 6,4 6,3

1,0

– 0,2

3,0

– 0,3 – 1,2

3,9

0,1

4,6

2,8 1,4

0,8

– 2,7

3,2 3,3

0,3

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34

Wiebei anderenMerkmalenprekärerBeschäftigung ist auch beimLohnniveau die Persistenz

bzw.MobilitätfürdieBewertungentscheidend.EinIndikatorhierfürsindÜbergängezwischen

verschiedenenBereichenderLohnverteilung(sogenannten„Dezilen“,alsoAnschnittenderVer-

teilung, die jeweils zehn Prozent umfassen).Hier schneidetDeutschland relativ gut ab, da es

Niedriglohnempfängernhäufigerals inanderenEuropäischenLänderngelingt, ineinehöhere

Gehaltsklassezuwechseln(Tabelle6).DiesgiltfürÜbergängevomerstenzumzweitenDezilder

LohnverteilungsowiefürÜbergängevomzweitenzumdrittenundvomdrittenzumviertenDezil.

AnderssiehtdasBildbeiÜbergängenaus,beidemeinDezilübersprungenwird(ersteszudrittes,

zweiteszuviertes,dritteszufünftesDezil).HiernimmtDeutschlandjeweilseinenunterenPlatzim

europäischenVergleichein.DemnachgibteshierzulandezwardurchauseineAufwärtsmobilität

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Tabelle 6: Übergänge zwischen verschiedenen Dezilen der Lohnverteilung (2006 zu 2007)

D1 zu D2 D1 zu D3-10 D2 zu D3 D2 zu D4-10 D3 zu D4 D3 zu D5-10

Schweden 22 23 17 23 16 18

Belgien 21 19 20 24 19 25

Italien 20 30 21 17 23 20

Spanien 19 34 19 31 20 34

Zypern 18 7 20 10 21 10

Lettland 18 36 17 25 16 23

Ungarn 18 33 22 29 15 26

Frankreich 17 18 19 20 22 29

Tschechien 16 18 18 20 18 20

Deutschland 16 9 18 14 17 14

Estland 16 22 16 20 16 20

Luxemburg 16 15 15 17 17 9

Finnland 16 17 19 19 8 21

Österreich 14 27 15 20 20 23

Slowenien 14 31 21 13 16 13

Niederlande 13 16 18 5 19 9

Malta 12 22 22 23 22 27

Großbritannien 11 28 15 14 17 10

Slowakei 10 38 18 19 15 21

Litauen 9 24 17 25 14 17

Polen 9 12 16 21 18 20

Portugal 8 26 20 22 19 13

Quelle: Europäische Kommission, Compendium November 2009.

Page 34: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

35

imBereichderLöhne,größereSprüngesindaberrelativselten.Diesbedeutet,starkvereinfacht,

dassMobilitäteherinnerhalbdesNiedriglohnbereichesalsüberseineGrenzehinwegstattfindet.

AllerdingsmüssendiehierverwendetenDatenmitZurückhaltunginterpretiertwerden,dasie

eineMomentaufnahmeabbilden(Übergänge2006zu2007),fürandereZeitpunktenichtunbe-

dingtrobustsindundkeineRückschlüsseüberlängerfristigeMobilitätsmusterzulassen.

Mindest-undKombilöhnegeltenalswichtigeRegulierungsmechanismen imgeringentlohnten

und gering produktiven Dienstleistungsbereich. Gesetzliche Mindestlöhne oder allgemeinver-

bindlicheTariflöhnestellenverbindlicheLohnuntergrenzendar.WährendsieaufdereinenSeite

dieEntlohnungssituationderBeschäftigtenverbessernkönnen,geltensieaufderanderenSeite

als problematisch imHinblick aufmögliche Arbeitsplatzverluste. Die Arbeitsmarkteffekte von

Mindestlöhnensindwedertheoretischnochempirischeindeutiggeklärt.Allerdingsüberwiegen

nachwievorStudienmitHinweisenaufnegativeWirkungengegenüberneutralenoderpositiven

BefundenimHinblickaufdieBeschäftigung(Neumark/Wascher2007).

Wichtigbei derBewertungvonMindestlöhnen sinddreiAspekte: dieHöhe imVergleich zum

Durchschnittslohn(Abbildung16),dieArtderFestlegungsowiedieBerücksichtigungvonBrutto-

arbeitskostenundstaatlichenLohnzuschüssen.InGroßbritannienwarenbiszuletztkeineBelege

fürbeschäftigungsschädlicheWirkungendesnationalenMindestlohnesverfügbar - trotz eines

überproportionalenWachstumsindenvergangenenJahren(LowPayCommission2009,Metcalf

2007).FürdieSituationinderaktuellenKriseliegennochkeineStudienvor.

ProblematischeristdieSituationinFrankreich,wohoheLohnnebenkosteneinezusätzlicheBe-

lastungfürArbeitgeberdarstellen.UmdieBeschäftigungimMindestlohnbereichstabilzuhalten,

wird aus Steuermitteln eine Befreiung von Sozialbeiträgen in erheblichemUmfang finanziert.

DamitkonntedieLohnspreizungbegrenztunddieAnzahlderArbeitsplätzestabilisiertwerden–

aberebenaufKostenstaatlicherZuschüsseandieArbeitgeber(vgl.etwaJamet2006).

KombilöhneimRahmeneiner„Makeworkpay“-StrategiengaltenlangeZeitalsKönigswegbeider

ÜberwindungvonLangzeitarbeitslosigkeitundgeringenArbeitsanreizen.Kombilöhnehängenin

ihrerAusprägungundWirksamkeitvomZusammenwirkenmitderLohnfindungunddemSozi-

alleistungssystemab.AufdereinenSeiteführensiezueinerVerminderungderArbeitskosten,

dievondenArbeitgebernzu tragensind.AufderanderenSeitekönnensie fürTransferbezie-

herzueinerVerstärkungderArbeitsanreizeundsomitzurSteigerungderErwerbstätigkeitim

geringentlohntenBereichundgleichzeitigzurVerminderungvon„ArmutinArbeit“beitragen.

KombilöhnespielendeshalbeinezentraleRollebeiderAktivierungvonTransferbeziehern,und

zwarinsbesonderedort,wodieSozialleistungenbeiArbeitslosigkeitehergeringsindundesein

flexiblesSystemderLohnsetzunggibt, also typischerweise imangelsächsischenKontext.Dort

sindbeschäftigungsabhängigeSteuergutschrifteneinzentralesElementderArbeitsmarkt-und

Sozialpolitikmitsowohlbeschäftigungs-alsauchverteilungspolitischerZielsetzung(Immervoll/

Pearson2009).EinallgemeinerMindestlohnvermindert indiesemKontextdieRisiken fürdie

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Page 35: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

36

öffentlichenHaushalte.InKontinentaleuropadominierenbeiinsgesamtgroßzügigerenSozialleis-

tungssystemen, höheren Lohnnebenkosten und stärker eingeschränkter Lohnflexibilität arbeit-

geberseitigeSubventionen,soetwainFrankreich,woArbeitgeberbeiträgeinderZoneoberhalb

desMindestlohnesausSteuermittelngetragenwerden.DortistimvergangenenJahrzehnteinin

seinemUmfangbegrenzterarbeitnehmerseitigerKombilohnhinzugetreten,derinseinerWirkung

aber hinter den angelsächsischenMaßnahmen zurückbleibt. Groß angelegte Kombilöhne sind

miterheblichenKostenfürdieöffentlichenHaushalteverbunden,insbesonderedann,wennsie

komplementärzueinemausgebautenSozialleistungssystemhinzutreten.AuchsindinderRegel

negativeArbeitsanreizeaufZweitverdienerundbeachtlicheEinkommenseffekte,diezueinerVer-

minderungderArbeitszeitführenkönnen,zubeobachten(Immervoll/Pearson2009).

MitderMöglichkeit,LeistungenderGrundsicherungnachdemSGBIIdurcheigenesErwerbsein-

kommenaufzustockenodergeringeVerdienstemitdembedürftigkeitsgeprüftenArbeitslosengeld

IIzuergänzen,verfügtDeutschlandübereinengenerellen,leichtzugänglichenundunbefristeten

Kombilohn.DieserhöhtaufdereinenSeitedieNeigung,niedrigeBruttostundenlöhnezuakzeptie-

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: OECD.

Abbildung 16: Mindestlöhne in Prozent des Medianverdienstes von Vollzeitarbeitnehmern 2007

2007 Differenz zu 2001

0,50 0,50

0,45 0,44 0,44 0,41

0,38 0,38 0,37 0,37 0,35 0,35 0,34 0,34 0,33 0,33 0,33 0,32 0,30 0,30

0,25

0,06

0,02

– 0,05

0,00

– 0,01

0,06 0,05

– 0,03 0,00

0,02 0,02

– 0,04 – 0,03

0,02 0,00 0,00

– 0,02

0,08

0,02 0,00

– 0,02

– 0,1

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

Neu

seel

and

Fran

krei

ch

Aust

ralie

n

Irlan

d

Belg

ien

Grie

chen

land

Gro

ßbrit

anni

en

Nie

derla

nde

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Span

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Ung

arn

Lita

uen

Rum

änie

n

Luxe

mbu

rg

Port

ugal

Slow

akei

Kore

a

Japa

n

Tsch

echi

en

USA

Page 36: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

37

renundeineErwerbstätigkeitaufzunehmen,aufderanderenSeiteerlaubtdiesaberArbeitgebern

auch,eineLohnsenkungvorzunehmen,ohneeinenMindestlohnbeachtenzumüssen.Dominant

isthierbeidieErwerbstätigkeit imRahmenvonTeilzeitundMinijobs,beidenendieHinzuver-

dienstmöglichkeiten ausgeschöpftwerden (Brenke/Ziemendorff 2008).DieWahrscheinlichkeit,

dassinTeilzeiterwerbstätigeBeziehervonArbeitslosengeldIIdenTransferbezugverlassen,ist

dabeideutlichniedrigeralsbeiinVollzeitbeschäftigtenAufstockern(Bruckmeier/Graf/Rudolph

2007).AlleinüberAnreizezurAufnahmeeinerErwerbstätigkeitkannsomitarbeitsmarktpolitisch

nurwenigerreichtwerden.AndieserStellemusseineAktivierungaufVollzeitbasishinzutreten,

diedieChanceaufdenAbgangausderTransferabhängigkeiterhöht.EinebloßeAnhebungder

HinzuverdienstgrenzenbeimBezug einerGrundsicherungwürde lediglich zu einemgrößeren

Kreis von Aufstockern führen, die den Leistungsbezugmit einer Teilzeittätigkeit kombinieren

oderihreArbeitszeitggf.entsprechendreduzieren.ZusätzlicheAnreizefürdieAusdehnungdes

Arbeitsangeboteswerdendamitnichtgesetzt.DiesistmitMehrausgaben,nichtjedochmiteiner

verbessertenArbeitsmarktintegrationverbunden.

3.8 Aktivierungspolitik

DeutschlandhatmitdenHartz-ReformeneineumfassendeundiminternationalenVergleichbe-

merkenswertweitreichendeWendevonpassiver,sozialpolitischmotivierterArbeitsmarktpolitik

hinzueinerbreitangelegtenAktivierungsstrategievollzogen (Eichhorst/Grienberger-Zingerle/

Konle-Seidl2008,Caliendo2009).DurchdieNeuorientierungderGrundsicherungbeiLangzeitar-

beitslosigkeitoderNichterwerbstätigkeitwurdenerheblichstriktereAnforderungenandenLeis-

tungsbezuggestellt.SowurdeeinekonsequentereAktivierungmitdemZielderBeendigungvon

TransferabhängigkeitundgleichzeitigerVermeidungvonArmutinstitutionalisiert.Weggefallen

istdieamfrüherenLohnausgerichteteArbeitslosenhilfezugunsteneinereinheitlichenLeistung

derGrundsicherungfüralleErwerbsfähigen.GleichwohlbesteheninDeutschlandimMittelwert

fürvierFamilientypenundzweiEinkommensniveaus,welcheinAbbildung17dargestelltwerden,

auchnachdenHartz-ReformennochimmerleichtüberdurchschnittlichgroßzügigeLohnersatz-

leistungen bei längerer Arbeitslosigkeit, wie Abbildung 17 zeigt. Besonders großzügig ist der

deutscheSozialstaatbeiLeistungenderGrundsicherungfürHaushaltemitKindern,insbesondere

beiAlleinerziehenden(Tabelle7).

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Page 37: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

38

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: OECD.

Abbildung 17: Nettolohnersatzraten bei längerer Arbeitslosigkeit, Mittelwerte von vier Familientypen und zwei Einkommensniveaus 2008 und Veränderung zu 2001 in Prozentpunkten

2008 Differenz zu 2001

– 40

– 20

0

20

40

60

80

Nie

derla

nde

Däne

mar

k

Belg

ien

Irlan

d

Schw

eiz

Japa

n

Finn

land

Öst

erre

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Isla

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Neu

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Fran

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ch

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n

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Kana

da

Pole

n

Ung

arn

Span

ien

Slow

akei

Port

ugal

Kore

a

USA

Grie

chen

land

Italie

n

71,5 69,5 67,5

63,0 60,3 59,8 57,8 57,0 57,0 56,8 55,8 54,8 54,3 53,5 52,8

48,8 48,5 47,8 44,0 43,0 41,8

36,8 35,8 35,5 33,0

26,8

13,8 13,5 10,8

– 3,5

5,8 6,0

– 7,3

– 1,3 – 5,0 – 4,8

– 10,3

– 22,8

0,5 0,0

– 13,0

– 4,5 – 4,3

0,3

– 4,5 – 8,0

0,8

– 4,8

7,8

– 0,5

– 35,0

1,3

– 7,0

– 0,3 – 1,8 – 0,5

Page 38: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

39

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Tabelle 7: Nettolohnersatzraten bei langer Arbeitslosigkeit nach Haushaltstyp, Mittelwerte von 67 und 100 Prozent des Durchschnittsverdienstes, 2008

67 % des Durchschnittsverdienstes

100 % des Durchschnittsverdienstes

Durchschnittalleinstehend, keine Kinder

alleinerziehend, zwei Kinder

alleinstehend, keine Kinder

verheiratet, zwei Verdiener,

zwei Kinder

Niederlande 85 95 61 45 72

Dänemark 79 83 58 58 70

Belgien 69 82 52 67 68

Irland 74 72 54 52 63

Schweiz 69 79 47 46 60

Japan 61 92 42 44 60

Finnland 61 71 44 55 58

Österreich 51 67 51 59 57

Island 58 69 42 59 57

Norwegen 54 88 38 47 57

Luxemburg 58 70 43 52 56

Großbritannien 54 73 38 54 55

Deutschland 48 78 36 55 54

Schweden 63 62 44 45 54

Neuseeland 51 69 35 56 53

Frankreich 49 66 34 46 49

Australien 42 62 30 60 49

Tschechien 42 67 30 52 48

Kanada 32 62 23 59 44

Polen 35 63 24 50 43

Ungarn 30 62 23 52 42

Spanien 32 48 23 44 37

Slowakei 27 49 19 48 36

Portugal 24 54 17 47 36

Korea 22 53 16 41 33

USA 9 40 6 52 27

Griechenland 0 12 0 43 14

Italien 0 0 0 54 14

OECD 46 64 33 52 49

Quelle: OECD.

Page 39: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

40

DiesemBildfolgendergebensichrechthohemarginaleBelastungenbeimWechselausderInakti-

vitätbzw.beimWechselvomBezugbedürftigkeitsgeprüfterSozialleistungenderGrundsicherung

ineineErwerbstätigkeit(Abbildung18;Immervoll/Pearson2009).

Dem größeren Umfang sozialstaatlicher Leistungen entsprechen hohe marginale Belastungen

beieinerVeränderungdesBruttoverdienstesbzw.Einkommens,wieTabelle8belegt.Ländermit

hohenNettolohnersatzratenweisen folglich auch überdurchschnittlich hohemarginale Steuer-

sätzeauf.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: Immervoll/Pearson 2009.

Abbildung 18: Marginale Steuersätze bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Vollzeit mit zwei Dritteln des Durchschnitts- verdienstes, 2005

88

83 78 78

74 74 70

68 68 68 67 65 64 62 62 60 58 57

52

45 44 42

36 31

29 27

19 17

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Däne

mar

k

Nied

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Schw

eden

Schw

eiz

Irlan

d

Finn

land

Islan

d

Groß

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n

Tsch

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en

Japa

n

Kana

da

Span

ien

Unga

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Portu

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Kore

a

USA

Slow

akei

Italie

n

Grie

chen

land

Page 40: Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit · 3 Werner Eichhorst, Paul Marx, Eric Thode Atypische Beschäftigung und Niedriglohnarbeit Benchmarking Deutschland: Befristete und

41

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Tabelle 8: Marginale Steuersätze nach Familienstand und Einkommen, in Prozent der Arbeitskosten, 2008

Familientypalleinstehend alleinstehend alleinstehend verheiratet

keine Kinder keine Kinder 2 Kinder 2 Kinder

Einkommensniveau (% des Durchschnitts-einkommens)

67 100 67 100-0

Belgien 66,5 66,5 66,5 66,5

Frankreich 63,2 52,0 57,7 49,1

Deutschland 59,2 54,2 61,1 48,4

Ungarn 58,1 71,5 58,1 71,5

Österreich 57,3 60,0 57,3 60,0

Niederlande 55,5 50,2 56,7 55,2

Finnland 53,9 58,0 53,9 58,0

Italien 53,6 53,6 54,1 54,6

Griechenland 52,1 52,1 52,1 52,1

Tschechien 50,2 50,2 50,2 55,0

Schweden 47,4 63,3 47,4 63,3

Portugal 47,1 47,1 47,1 38,6

Spanien 45,3 48,2 34,0 45,3

Slowakei 44,4 44,4 44,4 44,4

Türkei 44,0 44,0 44,0 44,0

Norwegen 43,1 51,1 43,1 51,1

Dänemark 42,6 49,4 42,6 43,9

Polen 41,9 41,9 33,7 33,7

Luxemburg 41,8 53,1 41,8 37,0

Australien 39,2 35,4 47,2 54,2

Großbritannien 38,8 38,8 73,4 38,8

Island 37,6 37,6 42,2 42,2

USA 34,4 34,4 49,3 49,3

Schweiz 34,3 35,8 27,7 31,7

Kanada 34,2 40,8 56,9 57,0

Irland 31,4 33,2 65,3 33,2

Japan 30,0 34,3 30,0 31,3

Neuseeland 21,0 33,0 21,0 53,0

Korea 20,4 29,9 18,7 29,9

Mexiko 17,5 18,8 17,5 18,8

OECD 43,5 46,1 46,5 47

Quelle: OECD Taxing Wages.

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42

EinkommensunterstützungbeilängererArbeitslosigkeitisteinewichtigeKomponentedesSozial-

staates.DiesspiegeltsichauchindeniminternationalenVergleichnachwievorhohenAusgaben

fürpassiveSicherungsleistungenimBudgetderdeutschenArbeitsmarktpolitikwider.Aberauch

bei den aktiven arbeitsmarktpolitischenMaßnahmen sowie in derArbeitsvermittlung undBe-

ratungweistDeutschlandeinesderumfangreichstenSystemeauf.ImRahmenderAktivierung

sindjedochaktiveArbeitsmarktpolitik,ArbeitsvermittlungundBeratunginstärkeremMaßezu

InstrumentenderWiedereingliederungvonStellensuchendenumgeformtworden.Dabei istdie

VerfügbarkeitfürdieArbeitsvermittlung,dieTeilnahmeanMaßnahmensowiedieAnnahmevon

(zumutbaren) Stellenangeboten als Voraussetzung für den Leistungsbezug anzusehen (Konle-

Seidl/Eichhorst2008a,2008b).AllerdingsgibteskeinesystematischvergleichbarenIndikatoren

fürdieIntensitätderAktivierungalssolche.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

Quelle: EUROSTAT.

Abbildung 19: Ausgaben für aktive und passive Arbeitsmarktpolitik in Prozent des BIP (2007)

0,2 0,1

0,4 0,3

0,1 0,1 0,2 0,2 0,2 0,1 0,2 0,0 0,1 0,1 0,0 0,1 0,0 0,1 0,1 0,1 0,1 0,3

0,1 0,1

0,1 0,0 0,0

1,1 1,0

0,7

0,5 0,7 0,6

0,7 0,5

0,9

0,4 0,5

0,4 0,4 0,4

0,4 0,2 0,1 0,1 0,3

0,0 0,1 0,0

0,1

0,1

0,2 0,1

2,0

1,5 1,4

1,6 1,4 1,4

1,2

1,2 0,7

1,1 0,9

0,7 0,5 0,4 0,5

0,4 0,5 0,4 0,2

0,4 0,3 0,2 0,2 0,3 0,1

0,2 0,1

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

Belg

ien

Däne

mar

k

Nie

derla

nde

Deut

schl

and

Finn

land

Span

ien

Fran

krei

ch

Öst

erre

ich

Schw

eden

Port

ugal

Irlan

d

Italie

n

Pole

n

Nor

weg

en

Luxe

mbu

rg

Ung

arn

Zype

rn

Slow

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Bulg

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n

Mal

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Slow

enie

n

Gro

ßbrit

anni

en

Tsch

echi

en

Lett

land

Lita

uen

Rum

änie

n

Estla

nd

Ausgaben für passive Arbeitsmarktpolitik Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik Ausgaben für Arbeitsmarkt-Dienstleistungen

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43

VordiesemHintergrundstellt sichdieFrage, obdieAusrichtunghinzueiner stärkeraktivie-

rendenArbeitsmarktpolitikdiegestecktenZieleerreichenkann.Zunächstistfestzuhalten,dass

sich der Stand der Evaluationsforschung gegenüber der Situation vor einigen Jahren deutlich

weiterentwickelt hat – dies gilt sowohl international (Card/Kluve/Weber 2008, Fromm/Spross

2008,Konle-Seidl2008a,2008b)alsauchbezogenaufDeutschland(vgl.Bernhardetal.2008,

Caliendo2009,Jacobi/Kluve2007).BetrachtetmanzunächstdieaktivenMaßnahmen,solassen

sichfolgendeBefundefesthalten:

1. Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber haben sich als effektive Instrumente zur Förderung

vonEinstellungenerwiesen.AllerdingsgelingtdiesnurzuvergleichsweisehohenKostenund

unterInkaufnahmeerheblicherVerdrängungs-,Substitutions-undDrehtüreffekte.DieFörde-

rungeinerErwerbstätigkeitdurchSubventionenkanndeshalbnichtmiteinemZugewinnan

ArbeitsplätzeninderGesamtwirtschaftgleichgesetztwerden.

2. DieBewertungöffentlichgeförderterQualifikationsprogrammefälltgemischtaus–mitzahl-

reichen Studien, die zu unterschiedlichen Befunden gelangen. Auf der einen Seite haben

kurzfristigeQualifizierungsprogrammemittlerweileeineguteReputation–auchimZugeeiner

aktivierendenIntervention–aufderanderenSeitegibtesdeutlicheHinweiseauflangfristig

positiveEffekteanspruchsvollererundlängerdauernderQualifizierungsmaßnahmen.

3. BeiderSchaffungöffentlichgeförderterArbeitsgelegenheitenfürschwervermittelbareArbeits-

lose, insbesondereLangzeitarbeitsloseaufeinem“zweitenArbeitsmarkt“,zeigensichinsge-

samtwenigePerspektivenaufEingliederunginreguläreBeschäftigung.Hiertrittdiesozialpo-

litischeFunktionindenVordergrund.

4. Eine besondere Form der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist die Kurzarbeit. Sie besteht zwar

inDeutschlandbereitsseit langemundhatinderaktuellenKriseanBedeutunggewonnen.

GleichwohlistsieimGegensatzzudenmeistenanderenInstrumentenderArbeitsmarktpoli-

tiknochniesystematischevaluiertworden.ImFalleeinerUmstrukturierungoderSchließung

einesUnternehmensbestehtmit einerTransfergesellschaft inDeutschlanddieMöglichkeit,

ehemaligeBeschäftigteineineneueBeschäftigungzuvermittelnundentsprechendzuqua-

lifizieren. Transfergesellschaften konnten bislang keine signifikant besseren Ergebnisse als

Vergleichsgruppenerzielen.

5. Geförderte Existenzgründungengehören zudenwirksamsten arbeitsmarktpolitischenMaß-

nahmen,auchimHinblickaufdenlängerfristigenAusstiegausderArbeitslosigkeitunddie

SchaffungzusätzlicherArbeitsplätze(Caliendo/Künn/Wießner2008).

Diese Ergebnisse betreffen überwiegend Studien auf der Individualebene der Basis von Kon-

trollgruppenvergleichen.MakroökonomischeWechselwirkungen,wiedienegativenEffektender

FinanzierungvonArbeitsmarktpolitik,sowieSubstitutions-,Verdrängungs-undMitnahmeeffekte

neutralisierendieWirkungenaufderMikroebenetendenziell.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

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WährendüberdieWirksamkeitderaktivenArbeitsmarktpolitikinsgesamteinskeptischesUrteil

gefälltwerdenmuss, darf nicht vergessenwerden: Die Reformen der letzten Jahren in vielen

OECD-StaatenhabenzueinerengerenVerknüpfungdesBezugsvonTransferleistungenmitin-

tensiverenBemühungen um eine Stellenvermittlung und derVerpflichtung zurAnnahme von

Jobangeboten,aktivenMaßnahmenundeigenenSuchbemühungengeführt–sowohl in formal-

rechtlicherHinsichtalsauchinderpraktischenHandhabung.ForderndeInterventionen,wiedie

VerpflichtungzumNachweiseigenerStellensuchaktivitätenoderdieVerhängungvonSanktionen,

aberauchdieintensivereBetreuungundVermittlungvonStellensuchenden,könnendieDauer

derArbeitslosigkeitebensoverkürzenwieEinschränkungenbeidenLeistungsansprüchen.For-

derndeMaßnahmenbegünstigendenAbgangausArbeitslosigkeitundverminderntendenziell

Anspruchslöhne(Konle-Seidl/Eichhorst2008a,2008b,Fromm/Spross2008,Mölleretal.2009).

Allerdingsgiltauchhier,dassnichtjedekurzfristigeArbeitsmarktintegrationausderArbeitslo-

sigkeitherausmiteinemsignifikantenRückgangderTransferabhängigkeitaufderMakroebene

einhergeht.EsgibtvielmehrdeutlicheAnzeicheneineshäufigenWiedereintrittsindieArbeitslo-

sigkeitunddenTransferbezugaufgrundeinernurprekären,durchindividuelleHemmnissewie

unzureichendeQualifikationen behinderten Erwerbstätigkeit, beispielsweise inGroßbritannien

(Finn/Schulte2008).Weiterhinistauffällig,dassaktivierendeMaßnahmenineinemLeistungs-

systemtendenziellzuVerschiebungeninandere,wenigerstarkaufAktivierungausgerichteteSo-

zialleistungenführen,etwavonderArbeitslosenversicherungoderderSozialhilfeindieErwerbs-

unfähigkeit,LangzeitkrankenstandoderFrührente(Konle-Seidl/Eichhorst2008b).Dieszeigtsich

in denNiederlanden,Dänemark oderGroßbritannien sehr deutlich (vgl. u. a. Kvist/Pedersen/

Köhler2008).InvielenLändernkonntemitAktivierungspolitikenallenfallseineStabilisierung

dergesamtenTransferabhängigkeiterreichtwerden,nichtjedocheinedeutlicheVerminderung

desSozialleistungsbezugs.

Atypische Beschäftigung im internationalen Vergleich

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4.Fazit

AlleLänder,dieimRahmenderBenchmarking-Studieuntersuchtwerden,weisenmehroderwe-

nigergroße„Ränder“amArbeitsmarktauf,diedenÜbergangsbereichzwischenArbeitslosigkeit

undtraditionellenBeschäftigungsformenmarkieren.EsgibtjedochcharakteristischeUnterschiede

imAusmaßderNutzungnumerischerFlexibilitätinGestaltbefristeterArbeitsverträgeoderZeit-

arbeitundbeimAusmaßvonLohnflexibilität,etwainderGrößedesNiedriglohnsektors.Diese

UnterschiedekönnenmitdeminstitutionellenGefüge,denReformpfadenundderNutzungverfüg-

barerBeschäftigungsoptionendurchArbeitgeberundArbeitnehmererklärtwerden.DieMuster

derNutzung„atypischer“BeschäftigungvariierennichtnurzwischendenStaaten,sondernauch

nachSektoreninnerhalbDeutschlands.

1. Insgesamt ist inDeutschland die befristete Beschäftigungüberwiegend ein Instrument der

dualenBerufsausbildungoderdererweitertenProbezeitmitgutenÜbernahmechanceninder

Privatwirtschaft. Im öffentlichen Bereich ist die Situation häufiger vonAbfolgen befristeter

Tätigkeitengekennzeichnet. InsgesamtistdiebefristeteTätigkeit inDeutschlandjedochmit

wenigerProblemenbehaftetalsinanderenhochreguliertenArbeitsmärkten.

2. DieZeitarbeithatsichinDeutschlandmittlerweilealseinwesentlicherFlexibilitätspuffervor

alleminderverarbeitendenIndustrieerwiesen.ÜbergängeindiereguläreBeschäftigungsind

eherselten.DamitgehteinerheblichesLohndifferenzialfürvergleichbareTätigkeiteneinher.

3. Minijobs(alsausschließlicheErwerbstätigkeitoderalsNebentätigkeit)spielenalsHinzuver-

dienstfürdieHaushalteinDeutschlandeinewichtigeRolle.AusSichtderArbeitgebersindsie

alsElementflexiblerundoftgeringentlohnterTätigkeitenbesondersimprivatenDienstleis-

tungssektorattraktiv.

4. NiedriglohnbeschäftigungistinDeutschlandsowohlinVollzeitalsauchinTeilzeitstarkange-

wachsen.DieseiminternationalenVergleichauffällige,aberauchnachholendeEntwicklung

isteineFolgedesstrukturellenWandelshinzurBeschäftigungimprivatenDienstleistungs-

sektor,dergenerelleinegeringereTarifabdeckungundeinestärkereNutzungvonatypischen

Beschäftigungsformen,insbesondereMinijobsundZeitarbeit,aufweist.Mittelbardürfteauch

dieAktivierungspolitikimGefolgederHartz-ReformeneinenBeitragzudieserEntwicklung

geleistethaben.GeringeStundenverdienste sind jedoch insgesamtvorallemeinPhänomen

vonpartieller,nichtExistenzsichernderErwerbstätigkeit,diezumTeilauchvondengegebenen

AnreizenimTransfersystembegünstigtwird.

5. (Solo-)Selbstständigkeithatsich imprivatenDienstleistungsbereichalswichtiges Instrument

etabliert,umRegulierungeneinesabhängigenBeschäftigungsverhältnisseszuumgehen.Dabei

trittunmittelbaresunternehmerischesRisikoandieStellesozial-undarbeitsrechtlicherSchutz-

vorkehrungen.DieBetroffenen,dieauch imBereichderhöherQualifiziertenzufindensind,

müssenbeiArbeitszeitundEntlohnunghäufigeinerheblichesMaßanFlexibilitätaufbringen.

Fazit

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Es gibt kein Land, in dem nicht mindestens eine Randzone weniger attraktiver Jobs genutzt

wird–aberAusmaßundAufstiegsperspektivenvariieren.Allerdings lassensichschwerMus-

terbeispieleeinerinjederHinsichtüberzeugendenRegulierungfinden.Aufgrundderkomplexen

ZusammenhängezwischenNormalarbeitsverhältnissenundatypischenArbeitsverträgensowie

denWechselwirkungenzwischenverschiedenenArtenatypischerBeschäftigungmüssenRefor-

moptionenkontextabhängig formuliertwerden.Hierbeimussdaraufgeachtetwerden,dassdie

institutionellenRahmenbedingungenaufdereinenSeitebeschäftigungsfreundlichsind,aufder

anderenSeiteaberauchdenSicherungsbedürfnissenderArbeitnehmerentsprechen.Nichtjede

Flexibilitätkannunterbundenwerden,aberesbrauchtBrückeninandereJobs,wenngleichauch

klarseindürfte,dassnichtinjedemFalleinAufstiegmöglichseinwird.

1. BeiderbefristetenBeschäftigungbestehtinsgesamtwenigHandlungsbedarf.Allerdingszeigt

die intensiveNutzungbefristeterVerträgebeiNeueinstellungen imöffentlichenBereichdie

NebenwirkungeneinesbesondersstriktenKündigungsschutzesindiesemSektor.Anstattdie

befristeteBeschäftigungzude- oder re-regulieren,wäre es sinnvoller, einmitderBetriebs-

zugehörigkeitschrittweisewachsendesMaßanBeschäftigungssicherheitzuschaffen–ohne

zwischen befristeter und unbefristeter Beschäftigung generell unterscheiden zu müssen.

Gleichzeitig würde ein Abfindungssystem bei der Kündigung von Mitarbeitern für mehr

RechtssicherheitundTransparenzsorgen.

2. Zeitarbeitsolltezwarnichtgenerelleingeschränktwerden,problematischistallerdings,wenn

fürgleichartigeTätigkeitenunterschiedlicheStandardszumEinsatzkommen, insbesondere

beimLohnniveau.DeshalbsollteübereinmitderDauerderTätigkeitbeieinerZeitarbeitsfirma

stufenweisewachsendesMaßanBeschäftigungsstabilitätnachgedachtwerden.Auchsolltemit

AusnahmesehrkurzerEinarbeitungsphaseneineAnnäherungandieArbeitsbedingungenund

dieEntlohnungderStammbelegschaftenmitgleichartigenTätigkeitenangestrebtwerden.Dies

solltemiteinersystematischenReformdesKündigungsschutzessoverbundenwerden,dass

dieGrenzezwischen„atypischer“und„regulärer“Beschäftigungdurchlässigerwird.

3. DerNiedriglohnsektorbietetzusätzlicheArbeitsplätze.EristaucheineBegleiterscheinungdes

strukturellenWandelshinzuDienstleistungstätigkeitenmitgeringererProduktivitätundQua-

lifikationsanforderungen.DieMöglichkeiteneinerhöherenEntlohnungsinddeshalbbegrenzt

und könnten die weitere Entwicklung in diesem Segment behindern. Gleichwohl gibt es

AnsatzpunktefüreineausbeschäftigungspolitischerSichtsinnvolleRegulierung.Zumeinen

sollteesumdieÜberwindungvonTeilzeit/MinijobsinRichtungVollzeittätigkeitengehen.Dies

alleinwirdbereitsdieHäufigkeitgeringerBruttostundenlöhnevermindern.Deshalb sollten

AktivierungsmaßnahmenregelmäßigamPrinzipeinerVollzeittätigkeitausgerichtetsein,die

eherExistenzsicherndseinkannalseineTeilzeit-oderMinijobtätigkeit.Gleichesgiltauchfür

bessereIntegrationvonZweitverdienern,insbesondereFrauenundMüttern,indenArbeits-

markt.HieristnichtdieArbeitsmarktpolitikallein,sondernvorallemdasZusammenspielmit

Familien-undSteuerpolitikgefragt.

Fazit

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4. ZumanderenisteinmoderaterMindestlohnfürdenArbeitsmarktnichtunterallenUmständen

schädlich.VoraussetzungsollteallerdingseineunabhängigeExpertisebeiseinerFestlegung

undseinerständigenEvaluationsein.SoferninsbesonderesozialpolitischeGründefürdieErwä-

gungeinesMindestlohnesausschlaggebendsind, ist eine einheitliche,moderate, gesetzlich

festgeschriebeneLohnuntergrenzeinjedemFallsektoralenMindestlöhnenunterschiedlicher

Höhevorzuziehen.WenndasHauptargumentdarinbesteht,dasseineVollzeitbeschäftigung

einEinkommensichernmuss,dasdenLebensunterhaltdeckt,lässtsichnichtnachvollziehen,

warumdiesesEinkommenvonderZugehörigkeitzueinerbestimmtenBrancheabhängensoll.

Esistaberzubeachten,dassaucheinmoderaterMindestlohnbestimmteArbeitsplätzegefähr-

den kann. Dass bei Implementierung eines Mindestlohns niedrig entlohnte Minijobs oder

Aufstocker-Tätigkeitenwegfallen,kannimZusammenspielmitPunkt3erwünschtsein,weil

sowohlbeiArbeitgebernalsauchbeiArbeitnehmernAnreizezurBündelunginumfassenderen

Teilzeit-oderVollzeittätigkeitengesetztwerden.

5. ImBereichderSelbstständigenbietetessichan,durcheineEinbeziehungindieSozialversiche-

rungodereineverpflichtendeprivateAbsicherungdafürzusorgen,dassfürdiewesentlichen

LebensrisikeneineausreichendeVorsorgegetroffenunddamiteineGleichstellungmitNicht-

Selbstständigenvollzogenwird.

6. BeiderAktivierungvonTransferbeziehernstehtimGrundeeineweitereFortführungderjüngs-

tenBemühungenan.AuchindenZeitenderKrisebleibteswichtig,Langzeitarbeitslosigkeit

unddauerhafteAbhängigkeitvonöffentlichenSozialleistungenzuminimieren.Eswärefalsch,

angesichtseinerrückläufigenBeschäftigungAktivierungsbemühungenzureduzierenundauf

dieSozialsystemezuverweisen.Dies istgeradeauch ineinerSituationdesbeschleunigten

Strukturwandelswichtig,umvonArbeitslosigkeitbedrohteoderbetroffeneErwerbspersonen

möglichstraschwieder in tragfähigeBeschäftigungsverhältnissevermittelnzukönnen.Aus

denErfahrungenimAuslandundinDeutschlandistmittlerweilebekannt,dasseinseitigfor-

derndeInterventionennichtausreichen,wenneseinerseitsanBeschäftigungsfähigkeitman-

geltoderandererseitsadäquateBeschäftigungsmöglichkeitenfehlen.Hiermüssenindividuelle

Förderinstrumente, insbesonderedieVermittlungnotwendigerQualifikationen, stärker zum

Einsatzkommen.

Fazit

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Fazit

Tabelle 9: Überblick

Wert für Deutschland

DurchschnittHöchster

WertNiedrigster

Wert

Überdurchschnittlich

Anteil befristeter Beschäftigung (2008 zu 2001)

14,7 ( + 2,3) 14 (EU) 29,3 (ES) 1,3 (RO)

Marginale Steuerbelastung bei Geringverdienst für Alleinstehende ohne Kinder (2008)

59,2 43,5 (OE) 66,5 (BE) 17,5 (MX)

Marginale Steuerbelastung bei Geringverdienst für Alleinstehende mit zwei Kindern (2008)

61,1 46,5 (OE) 66,5 (BE) 17,5 (MX)

Anteil atypischer Beschäftigungsformen insgesamt (unbefristet Teilzeit, geringfügige Teilzeit und befristet) (2007)

36,9 22,9 (EU) 37,1 (ES) 2,1 (RO)

Anteil atypischer Beschäftigungsformen insgesamt (geringfügige Teilzeit und befristet) (2007)

22 13,9 (EU) 31,5 (ES) 1,7 (RO)

Marginale Steuersätze bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Vollzeit mit zwei Dritteln des Durchschnittsverdienstes (2005)

67,2 56,6 (OE) 88,5 (DK) 16,7 (GR)

Durchschnittlich

Nettolohnersatzrate bei langer Arbeitslosig-keit, Durchschnittswert (2008 zu 2001)

54,3 ( - 13,0) 48,6 (OE) 71,5 (NL) 13,5 (IT)

Anteil der Zeitarbeit (2007 zu 2000) 1,6 ( + 0,8) 2,0 (EU) 4,8 (UK) 0,8 (ES)

Anteil der Niedriglohnbeschäftigung (2007 zu 2000)

17,5 ( + 4,6) 17 (OE) 25,6 (KR) 6,3 (BE)

Anteil der Niedriglohnbeschäftigung unter Frauen (2006 zu 2000)

31 ( + 6,2) 28 (OE) 41,9 (KR) 8,9 (SE)

Regulierung der Zeitarbeit (2008 zu 1995) 1,75 ( - 1,8) 1,79 (OE) 5,5 (MX) 0,5 (US)

Unterdurchschnittlich

Anteil der befristeten Beschäftigung ohne Auszubildende (2008)

6,3 ( + 1,9) 11,1 (EU) 28,0 (ES) 0,3 (LV)

Anteil der Niedriglohnbeschäftigung unter Männern (2006 zu 2000)

9,2 ( + 2,9) 13,3 (OE) 24,7 (HU) 4,6 (FI)

Übergang befristet-unbefristet 2006/07 26 37,29 (EU) 71 (MT) 8 (FI)

Regulierung der befristeten Beschäftigung (2008 zu 1995)

0,75 ( - 2,75) 1,65 (OE) 4,25 (GR) 0 (US)

Übergang Niedriglohn-mittlerer Lohn 2006/07 (D2 zu D4-10)

14 19,6 (EU) 31 (ES) 5 (NL)

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