Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

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ASPEKTE DER INTERNEN UND EXTERNEN SPRACHGESCHICHTE DES ITALIENISCHEN 30.11.2009 1

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Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen. 30.11.2009. Sprachwandel durch Sprachausbau. Sprachlicher Ausbau vom frühen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Der lange Weg von der lateinischen Schriftlichkeit zur Volkssprachlichen – der sprachliche Ausbau. - PowerPoint PPT Presentation

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ASPEKTE DER INTERNEN UND EXTERNEN SPRACHGESCHICHTE DES ITALIENISCHEN30.11.20091

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SPRACHWANDEL DURCH SPRACHAUSBAU

Sprachlicher Ausbau vom frühen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit

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DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN – DER SPRACHLICHE AUSBAU

Ausbausprache = im Anschluss an Heinz Kloss* eine

Sprachvarietät, die so weit entwickelt ist, dass sie für anspruchsvolle kommunikative Zwecke (z.B. Sachprosa) dienen kann.

Zum Ausbau der Sprache gehört ein gewisser Grad der Normierung in Bezug auf die Grammatik, Orthographie und den Wortschatz.

Dachsprache Sprache, die einer Gruppe von Dialekten als

gemeinsame Standardsprache dient, z.B. Latein im Mittelalter 3

*Heinz Kloss: Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800. 2., erweiterte Auflage. Düsseldorf 1978.

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KOMMUNIKATION UND SPRACHLICHE ENTWICKLUNGArten der sozialen Kommunikation und Interaktion

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KOMMUNIKATION UND SPRACHLICHE ENTWICKLUNG

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MÜNDLICHE KOMMUNIKATION

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Vertikale Kommunikationdie Kommunikation von Höhergestellten mit Untergebenen oder auch umgekehrt

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MÜNDLICHE KOMMUNIKATION

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Vertikale Kommunikation

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MÜNDLICHE KOMMUNIKATION

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Horizontale Kommunikation Arbeits- und

Privatgespräche unter Bauern im Mittelalter

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MÜNDLICHE KOMMUNIKATION

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Horizontale Kommunikation Arbeits- und

Privatgespräche unter Arbeitern und Handwerkern im Mittelalter

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SOZIALE UND KOMMUNIKATIVE NORMEN

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Horizontale Kommunikation

Mittelalterliche Verkaufsgespräche

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MÜNDLICHE KOMMUNIKATION

Horizontale und vertikale Kommunikation bei Hofe

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DER GESTEUERTE AUSBAU DES LATEINISCHENDie Karolingische Bildungsreform12

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SCHRIFTLICHKEIT IM MITTELALTER

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Quelle: J. Müller-Lancé: Latein für Romanisten. Tübingen 2006, S. 38

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400 – CA. 770: LATEIN ALS „ABBAUSPRACHE“

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ABBAU IM BEREICH DER

SCHRIFTLICHEN KOMMUNIKATIO

N N

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Sprach

wandel: Late

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h-Romanisc

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AntikeGelehrsamkeitzwischen Zäsur und Kontinuität

15

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ISID

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ILLA

(* UM

560 B

IS 6

36 )

Einer der bedeutendsten Schriftsteller des Frühmittelalters, kann aber auch zu den letzten Autoren der Spätantike, weil er das antike Wissen sammelte und ordnete.

Das Westgotenreich war zu seiner Zeit von der Vermischung romanischer und germanischer Kultur geprägt.

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ISIDOR VON SEVILLA

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Isidor von Sevilla Seine Schriften verfasste Isidor auf

Latein Das Hauptwerk

Etymologiarum sive originum libri XX Das Werk orientiert sich an den Artes

liberales, ergänzt diese jedoch um einen Abriss der damals bekannten Weltgeschichte.

Hierin befinden sich auch einige Gedanken zur Sprachgeschichte sowie zur Periodisierung des Lateinischen

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DIE STRUKTUR DER ETYMOLOGIAE

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i. DE GRAMMATICAii. DE RHETORICA ET

DIALECTICAiii. DE MATHEMATICAiv. DE MEDICINAv. DE LEGIBUS ET TEMPORIBUSvi. DE LIBRIS ET OFFICIIS

ECCLESIASTICISvii. DE DEO, ANGELIS ET

SANCTISviii. DE ECCLESIA ET SECTISix. DE LINGUIS, GENTIBUS,

REGNIS, MILITIA, CIVIBUS, AFFINITATIBUS.

x. DE VOCABULIS.

xi. DE HOMINE ET PORTENTISxii. DE ANIMALIBUSxiii. DE MUNDO ET PARTIBUSxiv. DE TERRA ET PARTIBUSxv. DE AEDIFICIIS ET AGRISxvi. DE LAPIDIBUS ET METALLISxvii. DE REBUS RUSTICISxviii. DE BELLO ET LUDISxix. DE NAVIBUS, AEDIFICIIS ET

VESTIBUSxx. DE DOMO ET INSTRUMENTIS

DOMESTICIS

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METASPRACHLICHE HINWEISE

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1 De linguis gentium. Linguarum diversitas

exorta est in aedificatione turris post diluvium. Nam priusquam superbia turris illius in diversos signorum sonos humanam divideret societatem, una omnium nationum lingua fuit, quae Hebraea vocatur…

Bezugnahme auf den Turmbau zu Babel

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METASPRACHLICHE HINWEISE

Periodisierung vom Altlateinischen zum Romanischen Latinas autem linguas quattuor esse quidam

dixerunt, id est Priscam, Latinam, Romanam, Mixtam.

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Quelle: http://penelope.uchicago.edu/Thayer/L/Roman/Texts/Isidore/9*.html#1

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METASPRACHLICHE HINWEISE

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Prisca est, quam vetustissimi Italiae sub Iano et Saturno sunt usi, incondita, ut se habent carmina Saliorum.

Latina, quam sub Latino et regibus Tusci et ceteri in Latio sunt locuti, ex qua fuerunt duodecim tabulae scriptae.

Romana, quae post reges exactos a populo Romano coepta est, qua Naevius, Plautus, Ennius, Vergilius poetae, et ex oratoribus Gracchus et Cato et Cicero vel ceteri effuderunt.

Mixta, quae post imperium latius promotum simul cum moribus et hominibus in Romanam civitatem inrupit, integritatem verbi per soloecismos et barbarismos corrumpens.

(1) Altlatein

(2) Latein zur Zeit der Etruskerkönige

(3) Zeit der römischen Republik

(4) Kaiserzeit und danach

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METASPRACHLICHE HINWEISE

DE VASIS REPOSITORIIS.

[…] “Z pro D, sicut solent Itali dicere ozie pro hodie.” […]

Hinweis auf die Affrizierung von [dj] in Italien

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http://la.wikisource.org/wiki/Etymologiarum_libri_XX_-_Liber_XX

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ETWA 150 JAHRE SPÄTER IM KAROLINGERREICH…

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Page 24: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER KULTURHISTORISCHE KONTEXT

Die Karolingische Bildungsreform („Karolingische Renaissance“) In der merowingischen Zeit war es zu einem

Niedergang der antiken Stadtkultur und einem allgemeinen Verfall der kirchlichen Organisation, der Liturgie, der Schriftkultur und der Baukunst gekommen.

Das römische Schulwesen war weitgehend zum Erliegen gekommen.

Man berichtete von Priestern, die nicht das nötige Latein beherrschten, um ein korrektes Vaterunser zu beten.

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DER KULTURHISTORISCHE KONTEXT

Die Karolingische Bildungsreform („Karolingische Renaissance“) In der merowingischen Zeit war es zu einem

Niedergang der antiken Stadtkultur und einem allgemeinen Verfall der kirchlichen Organisation, der Liturgie, der Schriftkultur und der Baukunst gekommen.

Das Schulwesen war seit dem Ende des 5. Jahrhundert weitgehend zum Erliegen gekommen.

Man berichtete von Priestern, die nicht das nötige Latein beherrschten, um ein korrektes Vaterunser zu beten. 25

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DA

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Die Kaiserkrönung

Karls

in Rom (800)

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DER KULTURHISTORISCHE KONTEXT

Die Karolingische Bildungsreform („Karolingische Renaissance“) 777: Karl versammelte an seinem Hof Gelehrte

aus ganz Europa (Alkuin, Paulinus von Aquileia, Paulus Diaconus, Theodulf von Orléans).

Versuch einer Rekonstruktion des klassischen Lateins mithilfe überlieferter Texte (was allerdings erst den italienischen Humanisten des 15. Jahrhunderts vollständig gelang)

Der Abstand zur gesprochenen (romanischen) Sprache wurde durch die Bildungsreform noch größer

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Die karolingische Minuskel

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DER KULTURHISTORISCHE KONTEXT

Der „Wiederaufbau“ des Lateinischen im Rahmen der karolingischen Bildungsreform hat auf romanischem Gebiet (insbes. in Italien) den Ausbau des (bzw. der Volgari) verzögert

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Karolingisches Latein =

Dachsprache

Romanische Dialekte

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CA. 770 – 1450: LATEIN ALS AUSBAUSPRACHE

30Ausbau und Perfektio

nierung der schrift

lichen Kommunikation im

Lateinischen

Ungesteuerte

r Polyze

ntrisc

her Ausb

au des Volgare (b

is 15. Jh

.)

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DIGLOSSIE MIT BILINGUISMUSKommunikation auf Latein und auf Volgare im Mittelalter am Beispiel Italiens

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DIGLOSSIE MIT BILINGUISMUS

Länger und beharrlicher als in anderen romanischen Ländern wurden in Italien die muttersprachlichen Dialekte aus der literarischen und nicht literarischen Schriftsprachlichkeit ausgeschlossen.

Der schriftliche Gebrauch des volgare war stark eingegrenzt.

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DIGLOSSIE MIT BILINGISMUS IM MA

SPRACHEN MERKMALE

Latein (= Mittellatein) = High Variety (HV)

Die H-Varietät wird geschrieben und vor allem in formalen Redesituationen gebraucht.Sie wird in den Bildungs-institutionen regelhaft als Register erlernt und besitzt hohes Prestige.

Volgare (primäre Dialekte) = Low Variety (LV)

Die L-Varietät wird als Muttersprache erworben und unterliegt keiner institutionellen Kontrolle.Sie wird in allen informalen Kommunikationssituationen gebraucht. Sie weist starke diatopische Variation auf.

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LATEINISCHE BILDUNG: DIE SIEBEN FREIEN KÜNSTE – DAS STUDIUM DER GRAMMATIK

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Die sieben freien Künste bestanden aus den Studienfächern Arithmetik: Zahlentheorie Astronomie: Lehre der Himmelskörper Dialektik: Beweislehre Rhetorik: Redelehre Geometrie: Vermesslehre Grammatik: Sprachlehre Musik: Musiklehre

Sie gehörten nach römischer Vorstellung zur Bildung "eines freien Mannes“

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LATEINISCHE BILDUNG: DIE SIEBEN FREIEN KÜNSTE – DAS STUDIUM DER GRAMMATIK

Im mittelalterlichen Lehrwesen waren sie die Grundlage für Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Die sieben freien Künste wurden in ein

"Trivium" mit den prachlich ausgerichteten Fächer Grammatik, Rhetorik und Dialektik

sowie ein "Quadrivium" mit mathematisch ausgerichteten Fächer Arithmetik, Geometrie,Musik und Astronomie unterteilt.

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LATEINISCHE BILDUNG: DIE SIEBEN FREIEN KÜNSTE – DAS STUDIUM DER GRAMMATIK

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Lateinunterricht im Mittelalter

und in der Renaissance

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LATEINISCHE BILDUNG: DIE SIEBEN FREIEN KÜNSTE – DAS STUDIUM DER GRAMMATIK

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LATEIN

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– Das Studium der Grammatik

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LATEINISCHE BILDUNG: DIE SIEBEN FREIEN KÜNSTE – DAS STUDIUM DER GRAMMATIK

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LATEINISCHE BILDUNG: DIE SIEBEN FREIEN KÜNSTE – DAS STUDIUM DER GRAMMATIK

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LATEINISCHE BILDUNG: DIE SIEBEN FREIEN KÜNSTE – DAS STUDIUM DER GRAMMATIK

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LATEINISCHE BILDUNG: DIE SIEBEN FREIEN KÜNSTE – DAS STUDIUM DER GRAMMATIK

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Page 43: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER (ZUNÄCHST) UNGESTEUERTE AUSBAU DES VOLGARE

Latein und Volgare im Mittelalter (800-1200)43

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DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - DAS VERONESER RÄTSEL (UM 800)

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Indovinello veronese Der Fundort

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DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - DAS VERONESER RÄTSEL

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✝ separebabouesalbaprataliaaraba & albouersorioteneba & negrosemen seminaba

✝ gratiastibiagimusomnipotenssempiternedeus

Se pareba boves, alba pratàlia aràba et albo versòrio teneba, et negro sèmen seminaba

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DAS VOLGARE BEI GERICHT960-120046

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DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - DAS VERONESER RÄTSEL - DIE PLACITI CAMPANI (960)

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DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - DAS VERONESER RÄTSEL - DIE PLACITI CAMPANI (960)

Die Placiti campani „[...] et ipse [qui] supra Aligernus benerabilis

abbas pro pars [sic!] memorati sui monasteri faceret ei per testes talem consignationem se[cun]dum lege, ut singulo ad singulos ipsi testes eius teneat in manum supradictam abbreabiaturam, quam ipse Rodel[grim]us hostenserat, et testificando dicat: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, [t]renta anni le possette parte sancti Benedicti; et firmarent testimonia ipsa secundum lege per [sa]cramenta. [...]“

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DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - DAS VERONESER RÄTSEL - DIE PLACITI CAMPANI (960)

„Ille aute(m) [= Teodemundus], tenens in manum predicta abbrebiatura, que memorato Rodelgrimo hostenserat, et cum alia manu tetigit eam, et testificando dixit: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene [...]“

„Ille autem [= Mari], tenens in manum predicta abbrebiatura, et cum alia manus tangens eam, et testificandum dixit: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene [...]“

„Ille autem [= Garipertus], tenens in manum memoratam abbrebiaturam, et tetigit eam cum alia manu, et testificando dixit: Sao ko kelle terre per kelle fini que ki contene [...]“

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DAS PLACITO CAPUANO

Der Gegenstand des Textes aus Capua von 960 ist die Bekundung, dass bestimmte Ländereien dreißig Jahre lang im Besitz des mächtigen Klosters Sankt Benedikt zu Montecassino gewesen seien.

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Page 51: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

Der Kontext Im März 960 verkündete der Richter

Arechisi in Capua das Urteil zu Gunsten der Benediktiner.

Kläger im Rechtsstreit war ein gewisser Rodelgrimus aus Aquino, der die Besitzrechte des Klosters angefochten hatte.

Dem Beklagten, Abt Aligernus aus Montecassino, gelang es jedoch, drei Zeugen beizubringen, welche die folgenden Eidesformeln zu Gunsten des Klosters sprachen.

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Page 52: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

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Richter, Kläger, Beklagte und Rechtsbeistände werden z.T. namentlich vorgestellt.

Daraufhin kommt es zum erstenmal zur Erwähnung einer notariellen Urschrift (abbrebiatura), in welcher die Grenzverläufe der umstrittenen Ländereien topographisch genau beschrieben sind.

Page 53: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DIE PROZESSPARTEIEN UND DER PROZESSGEGENSTAND

Kläger Richter Beklagter der Bauer Rodelgrimus

Arechisi aus Capua

Abt Aligernus des Benediktinerklosters Montecassino

Zeugen: Mari (Mönch und Diakon)Theodemundus (Mönch und Diakon)Garipertus (Mönch und Diakon)

Wird zu einer Geldstrafe an das Kloster verurteilt

Spricht Recht zugunsten des Klosters

53Prozessgegenstand:

Streit um Ländereien: im Besitz des Klosters oder des

Bauern Rodelgrimus?

Page 54: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

Der Kläger Rodelgrimus zeigt der Gegenpartei, vertreten durch den Abt Aligernus und seine Zeugen, die abbrebiatura.

Es folgt die Beschreibung der Grenzverläufe mit Nennung von Bergen, Gewässern, Ortschaften etc., bis der Diskurs auf die besagte abbrebiatura zurückkommt.

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Page 55: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

Es fällt in indirekter Rede schließlich der entscheidende Satz, der dann im kampanischen Text in verkürzter Form in direkter Rede wiederholt wird:

[...] eo quod dicebat, ut pars memorati sui monasterii ipse iam per triginta annos possedissent, et talem dicebat exinde secundum lege comprobare quomo[do ...] infra supradicte finis haberent.

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Page 56: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

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[...] eo quod dicebat, ut pars memorati sui monasterii ipse iam per triginta annos possedissent, et talem dicebat exinde secundum lege comprobare quomo[do ...] infra supradicte finis haberent.

“Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, trenta anni le possette parte sancti Benedicti.”

Lateinische Passage des Protokolltextes

Vorgefertigte kampanische Schwurformel

Page 57: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

Nach der Aussage des Klägers wird die Aussage des Abtes und seiner Zeugen vermerkt, wobei die Zeugenaussage in der Volkssprache protokolliert wird.

Es kommt außerdem zur detaillierten Schilderung der Situation, in welcher die volgare-Formel angewandt wird, d.h. mit der Urkunde in der einen Hand, während mit der anderen darauf gezeigt wird, soll die vorgefasste Eidesformel vom Zeugen nachgesprochen werden:

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Page 58: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

Nach dem Vorlesen des Formeltextes werden die drei Zeugen des Abtes namentlich genannt.

Es handelt sich um drei Geistliche, die dem Richter die Wahrhaftigkeit ihrer Aussage bekunden müssen:

[...] et iam dictus domnus Aliger[nus] abbas pro parte memorati sui monasterii paratus erat cum hos testes suos, idest Teodemundum diaconum et monachum, et Mari clericum et monachum, Garipertum clericum et notarium [...]

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Page 59: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

Mit der abbrebiatura in der Hand, die der Kläger Rodelgrimus vorgelegt hatte, schwört nun jeder der Zeugen separat nach der besagten Schwurformel.

Keine der volkssprachlichen Konstituenten ist zufällig.

Die uniformen Zeugenaussagen enthalten in kondensierter Form die wesentlichen Informationen, die für die Urteilsfindung des Richters von Bedeutung sind.

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Page 60: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

PLACITO CAPUANO

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Das Aussprechen der Schwurformel

Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, trenta anni le possette parte sancti Benedicti.

Page 61: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

Ille aute(m) [= Teodemundus], tenens in manum predicta abbrebiatura, que memorato Rodelgrimo hostenserat, et cum alia manu tetigit eam, et testificando dixit: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene [...]

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Page 62: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

Ille autem [= Mari], tenens in manum predicta abbrebiatura, et cum alia manus tangens eam, et testificandum dixit: Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene [...]

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Page 63: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS PLACITO CAPUANO

Ille autem [= Garipertus], tenens in manum memoratam abbrebiaturam, et tetigit eam cum alia manu, et testificando dixit: Sao ko kelle terre per kelle fini que ki contene [...]

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Page 64: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DIE PLACITI CAMPANI

“Sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, trenta anni le possette parte sancti Benedicti.” [Capua, März 960]

“Sao cco kelle terre, per kelle fini que tebe monstrai, Pergoaldi foro, que ki contene, et trenta anni le possette.” [Sessa Aurunca, März 960]

“Kella terra, per kelle fini que bobe mostrai, sancte Marie è, et trenta anni la posset parte sancte Marie”. [Teano, Juli 963]

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Page 65: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DIE PLACITI CAMPANI

Ein Vergleich mit anderen Texten aus der Region, die im selben Zeitraum entstanden sind, zeigt aber auch, dass wichtige Zeugenaussagen keineswegs notwendigerweise in der Volkssprache protokolliert werden mussten, denn es gibt auch Beispiele für derartige Zitate in lateinischer Sprache:

Scio quia illae terrae per illas fines et

mensuras quas vobis monstravimus, per triginta annos possedit pars Sancti Vincentii.

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Page 66: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN – DIE TESTIMONIANZE DI TRAVALE (1158)

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Page 67: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN – DIE TESTIMONIANZE DI TRAVALE (1158)

[…] Viventi quondam filius, qui Henrigulus vocatur, dicit quod audivit dicere Berardinum predictum quod isti de Casa Magii, hii sunt li Nappari, fuerunt de la curte di Travale, ut ipse audivit dicere; de la Montanina dicit: Io de presi pane e vino p(er) li maccioni a Travale; de illa que est da Casa Magii dicit quod perdonatum fuit. […]

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Page 68: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN – DIE TESTIMONIANZE DI TRAVALE (1158)

“[…] Pogkino, qui Petrus dicitur, dicit quod ipse stetit cum Gkisolfolo Africanu et ab eo audivit quod Casa Magii erat de la curte de Travale et fecit ibi servitium, non quod ipse viderit vel sciat; et ab eodem Gkisolfolo audivit quod Malfredus fecit la guaita a Travale. Sero ascendit murum et dixit: Guaita, guaita male; non mangiai ma mezo pane. Et ob id remissum fuit sibi servitium, et amplius no(n) tornò mai a far guaita, ut ab aliis audivit, quia veritatem inde nescit.”

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Page 69: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DIE (TOSKANISCHEN) KAUFLEUTE ALS FÖRDERER DES VOLGARE12. und 13. Jahrhundert69

Page 70: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN – DIE SPRACHE DER KAUFLEUTE

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Die Bücher der Kaufleute In der Toskana

nahmen die Kaufleute frühzeitig die Kontoführung in die eigenen Hände, zuvor wurde sie von Notaren ausgeübt

Libri di conti Libro del dare Libro del avere Libro memoriale Libro di compere e

vendite […]

Page 71: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN – DIE SPRACHE DER KAUFLEUTE

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Das älteste überlieferte Schriftstück aus Florenz = Frammenti di un

libro di conti di banchieri fiorentini (1211)

Page 72: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

FRAMMENTO … (1211)

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Abkürzungen: typisch für die Kaufmannssprache d. = denari; f. = figliuolo; k., kl., kal. = calende,

calendi = 1. Tag des Monats; l., lib. = libbre, libbra, livre, livra (Pfund); s. = soldi; tt. = testimoni

Buonagiu(n)la‘ da-sSomaia‘ die dare lib. Xxiii‘ (e) s.-xviii per livre ve(n)titré + (e) -+ ke-i-p(re)sta(m)mo‘ i die a(n)zi kl. Luglio‘: po(nemmo) ke-die aire; (e) dene pagare‘ i(n) k. agossto‘, se-più-sta(n)do‘, a iiii d.‘ lib. il mese‘ qua(n)to-fosse‘ nostra‘ volo(n)tade‘, € s‘-ei‘ no-pagasse‘, sì-no-p(ro)mise‘ di pagare Buonone‘ f. Farolfi da Duomo‘ p(ro)de‘ (e) kapitale‘ qua(n)t‘-elli-sstessero‘. Tt.‘ […]

Page 73: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

SCHULE IM MITTELALTER

73

Latein und Volgare Latein in den

Notarsschulen über das Volgare

Die Kaufmannsschulen verzichteten weitgehend auf das Lateinische und griffen auf das Volgare zurück

Von den Bürgern oder den Gemeinden finanzierte Privatschulen

Page 74: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DAS VOLGARE IN DER RELIGIÖSEN KOMMUNIKATION11. Jh. bis 15. Jh.74

Page 75: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - DAS VERONESER RÄTSEL - DIE INSCHRIFT DER COMODILLA-KATAKOMBE (ROM)

75

Gesamtaussicht und Ausschnitt

Page 76: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - DIE INSCHRIFT VON S. CLEMENTE (ROM)

76

Page 77: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - DIE INSCHRIFT VON S. CLEMENTE (ROM)

77

[Sisinius]: Fili dele pute, traite. Gosmari, Albertel

traite. Falite dereto co lo palo Carvoncelle

  [Clemens]: Duritiam cordis

vestri... saxa traere meruistis

Page 78: Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen

DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - IL CANTICO DI FRATE SOLE DES HL. FRANZISKUS

78

Franziskus dichtete seinen Gesang auf die Schöpfung (Il Cantico di Frate Sole) am Ende seines Lebens, vermutlich Ende 1224 oder Anfang 1225.

Dichtung (insbes. religiöse) in der Volkssprache war in der italienischen Kultur jener Zeit noch höchst ungewöhnlich.

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DER LANGE WEG VON DER LATEINISCHEN SCHRIFTLICHKEIT ZUR VOLKSSPRACHLICHEN - IL CANTICO DI FRATE SOLE DES HL. FRANZISKUS

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Canticum fratris solis vel Laudes creaturarum

 

Altissimu onnipotente bon signore,tue so le laude, la gloria e l’honore et onne benedictione.

Ad te solo, altissimo, se konfano,et nullu homo ene dignu te mentovare.

Laudato sie, mi signore, cun tucte le tue creature,spetialmente messor lo frate sole,lo qual’è iorno, et allumini noi per loi.

Et ellu è bellu e radiante cun grande splendore,de te, altissimo, porta significatione.

Laudato si, mi signore, per sora luna e le stelle,in celu l’ài formate clarite et pretiose et belle.

Laudato si, mi signore, per frate vento,et per aere et nubilo et sereno et onne tempo,per lo quale a le tue creature dai sustentamento.

[…]

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DER HL. FRANZISKUS – GEBETE IN VOLGARE

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Altissimo glorioso Dio,illumina le tenebre de lo core mioet da me fede dricta,sperança certa e caritade perfecta,senno et cognoscemento,Signore,che faça lo tuo santoe verace commandamento. Amen.

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DER HL. FRANZISKUS – GEBETE IN VOLGARE

Audite, poverelle dal Signore vocateke de multe parte et province sete adunate:vivate sempre en veritateke en obedientia moriate.

Non guardate a la vita de fore,ka quella dello spirito è migliore.Io ve prego per grand'amorek'aiate discrecione de le lemosene ke ve dà el Segnore.

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