Arbeitsmaterialien zur „Avifauna Sachsen-Anhalts“Ornithologenverband Sachsen-Anhalt e. V....

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Ornithologenverband Sachsen-Anhalt e. V. Arbeitsmaterialien zur „Avifauna Sachsen-Anhalts“ Heft 2 - Oktober 2012

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  • Ornithologenverband Sachsen-Anhalt e. V.

    Arbeitsmaterialien zur„Avifauna Sachsen-Anhalts“

    Heft 2 - Oktober 2012Spendenaufruf

    Auch mit diesem Heft wollen wir wieder zu Spenden aufrufen. Denn fast jeder der vielen Schritte auf dem Weg zu einer Avifauna Sachsen-Anhalts ist mit Kosten verbunden. Deshalb sind wir als Verein dringend auf Spenden angewiesen. Auch kleinere Beträge sind eine Hilfe! Bitte prüfen Sie Ihre Möglichkeiten einer finanziellen Förderung des Avifauna-Projektes, zum Wohle der Vogelwelt unseres schönen Bundeslandes, aber auch zur Einlösung eines der ältesten Versprechen unseres Vereins.

    Spenden können auf das Vereinskonto

    Saalesparkasse Halle Konto-Nr. 1894012980 BLZ 80053762

    unter dem Stichwort Avifauna überwiesen werden.

  • Arbeitsmaterialien zur „Avifauna Sachsen-Anhalts“Heft 2

    Diese Arbeitsmaterialien dienen der Arbeit an der „Avifauna Sachsen-Anhalts“. Sie enthalten Arbeits-anleitungen, Bearbeiterlisten und Artbearbeitungen im Entwurfsstadium. Sie sind nicht zitierbar!

    HerausgeberOrnithologenverband Sachsen-Anhalt e.V. (OSA), PF 730107, D-06045 HalleOSA im Internet: www.osa-internet.deE-Mail: [email protected]

    VorstandMark Schönbrodt, Halle (Vorsitzender); Thomas Hellwig, Güsen (1. Stellvertreter); Dr. Dirk Tolkmitt, Leipzig (2. Stell vertreter); Lukas Kratzsch, Magdeburg (Schriftführer); Nico Stenschke, Rackith (Schatzmeister)

    Bearbeiter dieses Heftes / Kontakt zum Avifauna-Projekt:Dr. Dirk Tolkmitt, Menckestr. 34, 04155 Leipzig, E-Mail: [email protected] Dr. Bernd Nicolai, Museum Heineanum, Domplatz 36, 38820 Halberstadt, E-Mail: [email protected] Fischer, Staatl. Vogelschutzwarte, Zerbster Str. 7, 39264 Steckby, E-Mail: [email protected]

    Satz und Layoutdruck-zuck GmbH, Halle (Saale)

    Druckdruck-zuck GmbH, Halle (Saale)Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

    OSA-BankverbindungSaalesparkasse Halle: Kto.-Nr. 1894 012 980 ; BLZ 800 537 62Mitgliedsbeitrag ordentliches Mitglied 20 Euro außerordentliches Mitglied 5 Euro ermäßigter Beitrag 15 EuroSpenden für das Avifauna-Projekt sind sehr willkommen!

    Ausgabe dieses Heftes: Oktober 2012

    Vorwort ............................................................................................................................................. 1Zwergadler Aquila pennata (J. F. Gmelin, 1788) ............................................................................ 3Kaiseradler Aquila heliaca Savigny, 1809 ....................................................................................... 4Rotmilan Milvus milvus (Linné, 1758) ............................................................................................. 6Adlerbussard Buteo rufinus (Cretzschmar, 1827) ............................................................................ 18Raufußkauz Aegolius funereus (Linnaeus, 1758) ............................................................................ 19Sperlingskauz Glaucidium passerinum (Linnaeus, 1758) ............................................................... 28Zwergohreule Otus scops (Linnaeus, 1758) ..................................................................................... 32Schneeeule Bubo scandiacus (Linnaeus, 1758) ............................................................................... 34Rotkopfwürger Lanius senator Linnaeus, 1758 .............................................................................. 36Schwarzstirnwürger Lanius minor J. F. Gmelin 1788 .................................................................... 41Goldhähnchen-Laubsänger Phylloscopus proregulus (Pallas 1811) ............................................... 45Dunkellaubsänger Phylloscopus fuscatus (Blyth, 1842) ................................................................. 46Mönchsgrasmücke Sylvia atricapilla (Linnaeus, 1758) .................................................................. 47Gartengrasmücke Sylvia borin (Boddaert, 1783) ............................................................................ 61Sperbergrasmücke Sylvia nisoria (Bechstein, 1795) ....................................................................... 70Klappergrasmücke Sylvia curruca (Linnaeus, 1758) ...................................................................... 78Dorngrasmücke Sylvia communis (Latham, 1787) ......................................................................... 86Spornpieper Anthus richardi Vieillot, 1818 .................................................................................... 96Rotkehlpieper Anthus cervinus (Pallas, 1811) .................................................................................. 96Bergpieper Anthus spinoletta Linnaeus, 1758 ................................................................................ 99Strandpieper Anthus petrosus (Montague, 1798) ............................................................................ 103Gebirgsstelze Motacilla cinerea Tunstall, 1771............................................................................... 104Zitronenstelze Motacilla citreola Pallas, 1776 ............................................................................... 110Gelbkopfschafstelze Motacilla flavissima Blyth, 1834 .................................................................... 111Maskenschafstelze Motacilla feldegg Michahelles, 1830 .............................................................. 112Thunberg-Schafstelze Motacilla thunbergi Billberg, 1828 ............................................................. 112Trauerbachstelze Motacilla yarrellii Gould 1837 ............................................................................ 115

    Inhalt

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 1

    Vorwort

    Das vorliegende Heft folgt dem Plan, möglichst viele der im Entwurf vorliegenden Artbear-beitungen vorab abzudrucken, um so eine höhere Qualität der Endfassungen abzusichern. Wir möchten Sie als Leser bitten, die Texte aufmerksam zu studieren und zu prüfen, ob wichtige Literaturstellen, Datenbestände und sonstige Informationen übersehen wurden oder sich vielleicht einfach Fehler eingeschlichen haben. Entsprechende Hinweise senden Sie bitte direkt an uns. Durch Ihre Mitarbeit wird das Werk gewinnen!

    Bei den Ausnahmeerscheinungen sind wiederum verschiedene Nachweise drucktech-nisch abgesetzt. Es handelt sich um – teils publizierte – Daten, die nie der notwendigen Prüfung durch die zuständigen Seltenheitenkommissionen unterzogen wurden. Eine Mel-dung kann noch immer erfolgen, auch wenn die Beobachtungen Jahre zurückliegen; fühlen Sie sich also zu einer Einreichung der Meldebögen aufgefordert. Bis zur Drucklegung des endgültigen Werkes nicht anerkannte Nachweise können keine Berücksichtigung finden.

    Die hier abgedruckten Artbearbeitungen zeigen sehr schön das Potential an Informatio-nen, das zu vielen Arten für Sachsen-Anhalt vorliegt. Wer einmal die Manuskripte zu den Grasmücken von Helmut Stein, die ganz aktuellen Ausarbeitungen zu den Waldklein-eulen von Hartmut Kolbe oder die Abschnitte zu verschiedenen Stelzen, Piepern und Würgern von Rolf Weißgerber gelesen hat, wird dem Erscheinen der Avifauna noch mehr entgegen fiebern. Wir hoffen, dass der kommende Winter für viele der Artbearbeiter Gele-genheit und Muße zur Arbeit an ihren Manuskripten bietet, damit wir die nächsten Hefte der Materialien in wesentlich geringeren Abständen herausbringen können.

    Ein Hinweis am Ende: Wenn Sie als Artbearbeiter Manuskripte eingereicht haben, wer-den diese durch uns zumeist sehr zeitnah redaktionell bearbeitet. Bevor Sie weitere Än-derungen oder Ergänzungen vornehmen, warten Sie deshalb bitte die Übersendung der überarbeiteten Dateien ab. Sonst müssen alle Änderungen nochmals von Hand übertragen werden.

    Dirk Tolkmitt, Bernd Nicolai und Stefan Fischer, September 2012

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 3

    Zwergadler Aquila pennata (J. F. Gmelin, 1788)

    • Ausnahmeerscheinung• SporadischerBrutvogel

    Die nächsten regelmäßig besetzten Brutplätze der Art liegen in Nordfrankreich, gelegent-lich taucht sie auch in der Slowakei und Ungarn als Brutvogel auf (Belik & OnOfre 1997). Mitteleuropa berührt sie auch auf dem Zug nur selten.

    Für Sachsen-Anhalt liegt nur eine historische Schilderung vor:Am 25.11.1897 soll ein Ex. bei Vockerode/WB erlegt worden sein. Es sei in das Groß-

    kühnauer Schloss gelangt, ließ sich aber später im Zerbster Museum, das die Sammlung des Schlosses übernahm, nicht mehr auffinden (BOrchert 1927). Schon das Datum der Be-obachtung muss erhebliche Zweifel an der Artdiagnose aufkommen lassen.

    Ein im Katalog des Naturkundemuseums Magdeburg mit der Herkunftsbezeichnung „Unstruttal“ aufgeführtes Ex. (krüger 1925) stammte aus der Gegend von Straußfurt/Thü-ringen (krüger in vOn knOrre et al. 1986).

    Im Zusammenhang mit einem vermehrten Auftreten der Art seit den 1990er Jahren, das sich auch in benachbarten Bundesländern bemerkbar machte (BeschOw & nOah 2001), kam es zum ersten Brutnachweis für die Art im Bundesgebiet. Nach gelegentlichen Beobachtun-gen in den Vorjahren wurde 1995 im Hakel (HZ) ein Horst der Art gefunden, in dem zwei Jungvögel flügge wurden. Wahrscheinlich fand am selben Platz schon im Vorjahr eine Brut statt (StuBBe et al. 1996; M. Stubbe, M. Weber, T. Hofmann & S. Hermann in DSK 1997).

    Daneben gelangen folgende Beobachtungen:1. Zwischen 18.04. und 23.09.1993 kommen am Hakel mehrfach 1 bis 2 Ex. (je eines der hel-

    len und dunklen Morphe) zur Beobachtung (J. Sievert, G. Rotzoll, T. Kuppel in DSK 1995).2. Vom 24.04. bis 28.08.1994 gelingen verschiedene Beobachtungen am Hakel (HZ) mit

    max. 3 Ex., davon 2 ad. (je eines der hellen und dunklen Morphe) und 1 wahrscheinlich juv., vor Ort erbrütetes Ex. (G. Rotzoll, H. Mittendorf, N. Krott in DSK 1996).

    3. Im Jahr 1996 gelangen zwischen 04.04. und 30.07. Beobachtungen von bis zu 3 Ex. (1 Ex. der hellen und 2 Ex. der dunklen Morphe). Ein Brutversuch fand möglicherweise statt, blieb aber jedenfalls erfolglos (N. Bahr, P. und T. Eichler, M. Stubbe u.a. in DSK 1998).

    4. Vom 18. bis 19.04.1998 hält sich ein Ex. der dunklen Morphe bei Kelbra/MSH auf (F. Wichmann & L. Nockemann in DSK 2002).

    5. Am 24.04.1999 taucht nochmals ein Ex. der dunklen Morphe am Hakel (HZ) auf (H. Dittmer in DSK 2005).

    6. Ein Ex. der hellen Morphe fliegt am 13.04.2001 am Hakel (HZ) (S. Hermann in geOrge & wadewitz 2002).

    7. Über Halle Nord fliegt am 31.07.2002 ein Ex. der dunklen Morphe nach NE (Schmiedel in geOrge & wadewitz 2003).

  • 4

    8. Am 10.08.2002 wird ein Ex. der dunklen Morphe in der Saaleaue Halle Nord beobachtet (R. Höhne in geOrge & wadewitz 2003).

    9. Ein Ex. der dunklen Morphe fliegt am 05.09.2002 im NSG Salzatal (SK) (R. Höhne in geOrge & wadewitz 2003).

    10. Am 16.05.2005 kommt ein Ex. der dunklen Morphe bei Schwarzholz/SDL zur Beobach-tung (J. Braun in DSK 2008).

    11. Am 30.08.2009 hält sich ein Ex. der hellen Morphe am Salzigen See (MSH) auf (K. Ge-deon & U. Schuster in DSK 2010).

    D. Tolkmitt[Stand August 2011]

    LiteraturBeschOw; r. & t. nOah (2001): Zwergadler. Pp. 190-191. In: aBBO (Hrsg.) Die Vogelwelt von Brandenburg

    und Berlin.Borchert (1927)Belik, v. & n. OnOfre (1997): Booted Eagle. Pp. 172-173. In. Hagemeijer & Blair (Hrsg.) EBCC AtlasDSK (1994, 96, 97, 98, 2002, 2008, 2010)geOrge & wadewitz (2002, 2003)vOn knOrre, d., grün, g., günther, r. & k. schmidt (1986): Die Vogelwelt Thüringens. Gustav Fischer Verlag Jena.krüger, a. (1925): Verzeichnis der Vogelschausammlung des Museums für Natur- und Heimatkunde. Ab-

    handlungen und Berichte aus dem Museum für Natur- und Heimatkunde IV: 203-229.stuBBe, m., weBer, m., hOfmann, t. & s. hermann (1996): Der Zwergadler Hieraaetus pennatus als neuer

    Brutvogel in Deutschland. Limicola 10: 171-177.

    Kaiseradler Aquila heliaca Savigny, 1809

    • Ausnahmeerscheinung

    Der Kaiseradler war von jeher eine sehr seltene Erscheinung in Deutschland, besteht doch die am nächsten liegende südosteuropäische Population aus Individuen eher geringer Zugneigung (glutz vOn BlOtzheim et al. 1989). Erst mit dem Heranrücken des Verbreitungsgebietes an das Dreiländereck von Österreich, Slowakei und Ungarn und der deutlichen Erhöhung der Bestandszahlen in diesen Ländern in den letzten beiden Jahrzehnten (hOrváth et al. 2002) scheint ein Trend zu häufigeren Nachweisen seinen Anfang zu nehmen.

    Für Sachsen-Anhalt liegen nur wenige historische Nachweise vor.1. JOhann andreas naumann (1803) führt lediglich allgemein aus, die Art „ist hier weit selt-

    ner als der Seeadler. In unsrer Gegend wird er zur Herbst- und Winterszeit gesehen und nur zuweilen von fleißigen Jägern geschossen“. Er selbst habe sie „nur ein paarmal gese-hen“ (1808).

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 5

    2. Sein Sohn JOhann friedrich naumann (1849) berichtet konkreter, der Vater habe vor 1800 ein bei Stangerode/MSH im Fuchseisen gefangenes altes Weibchen erhalten, das noch mehr als zwanzig Jahre im Köthener Schlosshof gelebt habe. Nach dem Tode habe er es für die Sammlung erhalten. Im Naumann-Museum lässt sich das Präparat heute allerdings nicht mehr nachweisen (I. Heynen). Die Begebenheit bestätigt aber auch schon JOhann andreas naumann selbst in seinem späteren Werk (1820, vgl. zur Abb. hildeBrandt 2007).

    3. Im August 1930 wurde ein Ex. bei Harsleben/HZ erbeutet. Es soll präpariert in das sei-nerzeitige Städtische Museum gekommen sein, lässt sich im Museum Heineanum aber nicht mehr sicher nachweisen (haensel & könig 1974).

    4. Am 05.06.1986 kommt ein immat. Ex. südwestlich Welfesholz/MSH zur Beobachtung (OrtlieB 1988).

    Aus jüngerer Zeit stammen mehrere dokumentierte Nachweise:1. Am 17.08.1991 wird ein ad. Ex. bei Heteborn/HZ beobachtet (S. Achtermann et al. in

    DSK 1994). 2. Vom 14.08. bis 10.09.1994 wird mehrfach ein ad. Ex. am Hakel (HZ) beobachtet (S. Bütt-

    ner et al. in dsk 1996). Bei dem Vogel am Hakel, von dem sich auch für andere Jahre an verschiedenen Stellen

    in der Literatur Beobachtungen finden (vgl. dOrnBusch 2001), soll es sich um das ent-flogene Maskottchen des in der Nähe gelegenen russischen Militärflughafens Cochstedt gehandelt haben.

    3. Die Beobachtungen eines ad. Ex. von März 1993 bis März 1994 in der Dübener Heide bei Korgau/WB wurden nicht weiter dokumentiert (Zuppke 2009, Dornbusch 2001).

    D. Tolkmitt[Stand August 2011]

    LiteraturdOrnBusch, M. (2001): APUS Sonderheft Band 11DSK (1994)DSK (1996)glutz vOn BlOtzheim (1989) Band 4, 2. Aufl.haensel & könig (1974): Die Vögel des Nordharzes. Naturkundl. Jber. 9: 2hildeBrandt, g. (2007): APUS 13 Heft 3/4hOrváth, m., haraszthy, l., Bagyura, J. & a. kOvács (2000/2001): Eastern Imperial Eagle (Aquila heliaca)

    populations in Europe. Aquila 107/108: 193-204.naumann, J. a. (1803): Naturgeschichte der Land- ..., 4. Band ders. (1808): ,, , Nachtrag 3. Heft.ders. (1820): Naturgeschichte der Vögel Deutschlands. Band 1naumann, J. a. (1849): Das Vorkommen seltener europäischer Vögel in Anhalt. Naumannia 1: 1-14OrtlieB, R. (1988): Kaiseradlerbeobachtung im Bezirk Halle. Falke 35: 230-231zuppke 2009

  • 6

    Rotmilan Milvus milvus (Linné, 1758)

    • Brutvogel(2.000BP)• Durchzügler• Überwinterer

    Status und VerbreitungDie Art ist verbreiteter Brutvogel und regelmäßiger Durchzügler im gesamten Gebiet, aus-genommen sind nur die höheren Lagen im Harz (ab 540 m NN; könig 1974, wadewitz 2009) und größere Waldungen, durch die nach gnielka (2005) Besiedlungslücken bis 35 km² ent-stehen können.

    Sachsen-Anhalt – und hier das nördliche Harzvorland – stellt das Kerngebiet und Dich-tezentrum des auf Europa beschränkten Rotmilan-Areals dar (nicOlai 1997).

    Früher war der Rotmilan seltener Wintergast, heute überwintert er regelmäßig – aber abhängig von frühen Wintereinbrüchen im November/Dezember (Winterflucht!) – in wechselnder Anzahl (bis 600 Vögel) vornehmlich im Nordharzvorland (hellmann 2002).

    LebensraumAls ausdauernder Suchflieger benötigt der Rotmilan die offene Landschaft als Nahrungs-fläche, wobei ihm die nährstoffreichen Agrarflächen im Nordharzvorland und der Börde besonders zusagen. Mit steigender Bodenfruchtbarkeit stellte weBer (2002) sogar eine hö-here Brutdichte des Rotmilans fest. Intensive Bewirtschaftung und Ausnutzung der Agrar-flächen in den letzten zwei Jahrzehnten bereiten hier jedoch zunehmend Nahrungsproble-me. So gewinnen auch die ohnehin schon sehr attraktiven Grünland- und Niederungsge-biete des Landes für die Milane weiter an Bedeutung (schönBrOdt & tauchnitz 1999, nicOlai 2006). Günstige Nahrungsquellen, insbesondere (offene) Mülldeponien, Abdeckereien und Kompostieranlagen, führen zu möglichst nahegelegenen Ansiedlungen bzw. Brut- und gemeinschaftlichen Schlafplätzen, die oft auch nach Schließung der Deponien noch längere Zeit tradiert werden.

    Ausgedehnte Waldgebiete werden gemieden und bestenfalls deren Randlagen für die Horststandorte genutzt. Diese befanden sich früher – vermutlich aufgrund der Verfolgung der Art – grundsätzlich und unabhängig von der vorherrschenden Baumart in Wäldern.

    Etwa seit Beginn der 1970er Jahre erfolgte zunehmend eine Besiedlung der offenen Landschaft, und spätestens seit Ende der 1980er Jahre befindet sich dort die Mehrzahl der Brutplätze. Horststandorte sind hier Baumgruppen, -reihen und kleine Feldgehölze.

    Mit dem Erschweren des Beuteerwerbes in der Agrarsteppe erfolgte außerdem eine zu-nehmende Orientierung der Rotmilane auf menschliche Siedlungsgebiete. Die Brutplätze rückten dabei immer dichter an dörfliche und städtische Siedlungen heran (nicOlai 2006), wobei bereits ab Anfang der 1980er Jahre erste Ansiedlungsversuche auch in innerstädti-schen Bereichen erfolgten. Die Entwicklung der Besiedlung städtischer Lebensräume durch

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 7

    den Rotmilan ist am Beispiel von Halberstadt dokumentiert (hellmann 1999). Die Tendenz zunehmender und regelmäßiger Nutzung von Siedlungsbereichen zum Nahrungserwerb beginnt – abgesehen von Einzelbeobachtungen durch weBer (1965) in den Jahren 1957-1963 in Haldensleben – im Verbreitungszentrum etwa um 1969/70 (könig 1974), in größe-ren Städten später (in Halle erst in den späten 1980er Jahren, tauchnitz 2005).

    Mit Beginn der Ernte sind entsprechende Ackerflächen besonders attraktiv, und arbei-tende Maschinen – wie Mähdrescher oder Traktoren mit Pflug – haben regelrechte Mag-netwirkung, da sie Nahrung für die Milane erreichbar machen. Dann kann es zu lockeren, größeren Ansammlungen kommen, die sich auch an Schlafplätzen einfinden. Das größte Schlafgebiet (im Herbst bis 240, im Winter [Januar] bis 140 Vögel) befindet sich in der Halberstädter Mulde zwischen der Stadt und dem Höhenzug des Huys. Schlafplätze der Milane befinden sich fast ausnahmslos in Niederungsgebieten, wo die Vögel in Baumrei-hen und kleinen Feldgehölzen – oft in Pappeln entlang von Gräben – sitzen. Häufig war die Nähe günstiger Nahrungsquellen, z.B. offene Mülldeponien, für die Herausbildung solcher Schlafplätze von Bedeutung (hellmann 1996, 2002).

    Bestand und BestandsentwicklungDer Bestand des Rotmilans wurde für 2005 auf 2.000 (bis 2.500) BP geschätzt. Damit lebt in Sachsen-Anhalt gut ein Zehntel des kalkulierten Weltbestandes und findet sich eine hohe Siedlungsdichte (im Landesdurchschnitt annähernd 10 BP/100 km²), wie sie großflä-chig in keinem anderen Gebiet seines Areals erreicht wird (nicOlai & mammen 2009).

    Regional bestehen Unterschiede in der Siedlungsdichte (vgl. Tab. 1 bis 3), die heute in erster Linie durch das erreichbare Nahrungsangebot bestimmt werden. So finden sich höchste Dichten in grünlandreichen Flussniederungen (max. 99 BP/100 km²), hier klein-flächig sogar bis 1,8 BP/km² (weissgerBer 2011), und in Gebieten mit produktiven Acker-böden (z.B. Nordharzvorland, >50 BP/km²) wenn genügend Strukturen zur Horstanlage vorhanden sind.

    Die höchste jemals festgestellte Konzentration mit 136 BP fand sich 1979 im isolierten 13 km² großen Waldgebiet Hakel (stuBBe 1982). Nach zuverlässiger Kalkulation für 1.500 km² NE Harzvorland ergaben sich 1991 im Mittel 42 BP/100 km² (nicOlai 1993). Deutlich geringere Dichten weisen weniger produktive Heidegebiete auf.

    Tab. 1: Rotmilan-Dichten in Wäldern (Auswahl aus teilweise längeren, kontinuierlichen Untersuchungsreihen).

    Großraum GebietFläche

    km²Jahre

    Bestand[BP]

    Dichte[BP/km²]

    Quelle

    Elbeniederung

    Behnsdorf, Kr. Haldensleben

    12,2 1974 4 0,3 Brennecke 1975

    Burger Holz 2,9 1969 3(-4) 1,1 (-1,4) Birth & nicOlai 1970

    Lödderitzer Forst 10,01965 0,4

    rOchlitzer 19721969 0,9

  • 8

    Großraum GebietFläche

    km²Jahre

    Bestand[BP]

    Dichte[BP/km²]

    Quelle

    Elbeniederung

    Steckby-Lödderit-zer Forst

    28,0 1979 0,6P. Ibe, G. Steinke in Brie-

    semeister et al. 1987Auewälder Wit-tenberg-Dessau

    24,4 1969 13 0,5 hinsche 1971

    EU SPA Plötzkau-er Auwald

    1,8 1964-70 17-19 10,0 kOOp 19713,9 2006 4 1,0 pschOrn 2007

    EU SPA Fallstein-gebiet

    13,9 2006 3 0,2 mammen et al. 2007

    Nordharz-vorland

    Huy19,8

    (20,0)

    1938/39 8/11 0,4/0,6 stuBBe 19611959 32 1,6 wegener 19681981 92 4,6 günther & wadewitz 19902006 6 0,3 mammen et al. 2007a

    Hohes Holz 17,0

    1938 12 0,7JOrdan zit . in stachOwiak

    19591953 54 3,2

    stachOwiak 19591957 28 1,62006 7 0,4 in: nicOlai 2006

    Hakel 13,0

    1957 76 5,9 stuBBe 19611961 34 2,6 wuttky 19631979 136 10,5

    stuBBe 19871986 103 7,91991 67 5,22006 12 0,9 weBer et al. 2007

    Tab. 2: Brutvogeldichten auf mittelgroßen Flächen (< 100 km²)

    Großraum GebietFläche[km²]

    JahreBestand

    [BP]

    Dichte[BP/100

    km²]Quelle

    NiederungenElbe,

    Havel,Saale,Elster

    Elbaue bei Wör-litz

    26,7 2001/02 20 74,9 patzak 2003

    Mittelelbegebiet zw. Mulde u.

    Saale57,0 2002/03 25 43,8 patzak & seelig 2006

    EU SPA Saale-Elster-Aue

    47,6 2004 47 98,7 schulze 2006

    EU SPA Mün-dungsgebiet

    Schwarze Elster39,2 2006 17 43,4 simOn & simOn 2007

    EU SPA Untere Havel, Scholle-

    ner See57,4 2004 11-12 19,2-20,9 OttO 2005

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 9

    Großraum GebietFläche[km²]

    JahreBestand

    [BP]

    Dichte[BP/100

    km²]Quelle

    NiederungenElbe,

    Havel,Saale,Elster

    EU SPA Aland-Elbe-Niederung

    51,2 2004 21 41,0 lippert & audOrf 2005

    EU SPA Land-graben-Dumme

    25,8 2004 4 15,5 hOlzäpfel 2005

    Altmark

    EU SPA Milde-Niederung

    22,1 2004 2 9,0 Benecke 2005

    EU SPA Klietzer Heide

    22,5 2004 2 8,9 kuhnert 2005

    EU SPA Anna-burger Heide

    60,8 2003/04 5 8,2 simOn 2005

    Mosigkauer Heide

    32,2 1958-69 12-15 37,2 – 46,6graff in haenschke et

    al. 1983EU SPA Ora-nienbaumer

    Heide20,2 2005 1 5,0

    schulze & pschOrn 2006

    EU SPA Fiener Bruch

    36,7 2004 2 5,4 hellwig 2005

    EU SPA Wul-fener Bruch,

    Osternienburg22,6 2004 10 44,2 tOdte 2005

    Nordharz / Vorland

    Halberstadt 41,0 1998-2001 17 (-27) 42,0 (-65,0)nicOlai & wadewitz

    2003EU SPA Werni-gerode, Blan-

    kenburg36,1 2007 4 11,1 ryssel 2007

    EU SPA Bu-chenwälder um

    Stollberg36,8 2006 2 5,4 schulze et al. 2007

    Tab. 3: Angaben zur Brutvogeldichte auf sehr großen Flächen (> 100 km²)

    GebietFläche[km²]

    JahreBestand

    [BP]Dichte

    [BP/100 km²]Quelle

    Kr. Merseburg 473 1969 11 2,2 plaschka 1970

    Kr. Wolmirstedt 3861972 42 11,1

    ulrich & zörner 19861985 53 13,7

    Havelberg 200 1972-80 10-14 5,0-7,0plath in freidank & plath

    1982

    Saalkreis 619 1980 55 8,9tauchnitz

    in gnielka 1984

  • 10

    Kr. Bernburg 3891982 60 15,4

    W. Gleichner u.a. inBriesemeister et al. 1987

    1988 >81 >20,9 schultz 1990

    Großraum Bernburg 414 2000 122 29,5W. Gleichner in geOrge &

    wadewitz 2001Halle & Umgebung 770 1983-86 140-170 18,2-22,0 schönBrOdt & spretke 1989

    Dessau u. Umgebung 750 1989-92 74 9,9 stahl 1996Gebiet Köthen 550 1992 41 7,5 rOchlitzer 1993

    Drömling114 1993/94 31 28,2 seelig et al. 1996153 2009 30 19,6 kratzsch & patzak 2010

    Offene Landschaft410

    1986 75 18,3nicOlai 1993

    1991 130 31,7

    4401995 63 14,3 nicOlai & Böhm 19972006 92 20,9 nicOlai 2006

    Elbe-Elster-Niede-rung

    215 1986 35-50 16,3-23,3 simOn 1987

    247 1994 48 20,0B. Simon in

    seelig et al. 1996 Altmarkkreis

    Salzwedel2292 1996-2004 300-420 13,1-18,3 gnielka 2005

    EU SPA Elbaue Jeri-chow

    134 2003/04 15 11,2 hellwig 2005a

    Zeitzer Land353 1993 20 5,7 weissgerBer 1995450 2000-03 40-50 8,9-11,1 weissgerBer 2007

    EU SPA Colbitz-Letzlinger Heide

    204 2004/05 2 0,5 schäfer et al. 2006

    Altkreis Haldens-leben

    918 2003-05 160-270 17,4-25,1 gnielka 2010

    Die Bestandsentwicklung lässt sich trotz fehlender konkreter historischer Angaben so beurteilen: Früher muss der Rotmilan nicht selten gewesen sein, denn naumann (1822) schreibt für sein Heimatgebiet (N Köthen): „In hiesiger Gegend ist er ein so gemeiner Raub-vogel, daß ihn jedermann … kennt, … Er ziehet selten einzeln, mehrentheils in kleinen, oft aber auch in großen Gesellschaften zu funfzig bis hundert Stücken“. Ein Bestandstief – aufgrund allgemein starker Verfolgung der Greifvögel – dürfte es jedoch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts gegeben haben. Strenger Schutz führte spätestens nach dem 2. Weltkrieg zur Stabilisierung und langsamen Erholung der Bestände. Ab Ende der 1960er Jahre setzte dann eine deutliche Bestandszunahme ein, die um 1990 ihren Höhe-punkt erreichte. Zu dieser Zeit kann für Sachsen-Anhalt ein, sicher nie zuvor dagewesener (Höchst-)Bestand von ca. 3200 ± 600 BP angenommen werden (nicOlai 1995). Der wesent-liche Grund liegt in der Besiedlung der offenen Landschaft. Danach gingen im gesamten Bundesland die Bestände wieder zurück. mammen (1995) kalkulierte für 1994 noch eine mittlere Dichte von 12,9 BP/100 km², womit sich hochgerechnet insgesamt ca. 2600 BP

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 11

    ergeben. Im Rahmen der bundesweiten Zählung kalkulierte m. wadewitz für 2000 den Landesbestand auf 2400 ± 400 BP (in geOrge & wadewitz 2001).

    Im Verbreitungszentrum Nordharzvorland hat der Bestand allerdings bis 1996 in nur fünf Jahren am stärksten und um rund 50 % abgenommen. Anhand von großflächigen Erfas-sungen und Literaturdaten lässt sich die Bestandsentwicklung dort in den letzten 4 Dekaden darstellen (u.a. nicOlai 1993, 2006, nicOlai & mammen 2009). Dabei vollzogen sich starke Ver-änderungen in der Siedlungsweise der Milane: Wesentlich ist, dass der markante Anstieg des Bestandes auf der Besiedlung der offenen Landschaft beruhte. Dieser Bestandsanstieg währ-te noch weitere 10 Jahre, während derer die Bestände in den isolierten Waldgebieten Hohes Holz, Huy, Hakel und Fallstein bereits deutlich abnahmen (vgl. Abb. 1).

    Abb. 1: Kalkulierter Verlauf der Bestandsentwicklung des Rotmilans im NE Harzvorland (1500 km²; fette Linie) und auf Teilflächen (Wälder, Siedlungsbereich, offene Landschaft). Aus: nicOlai (2006).

    BrutbiologieDie Besetzung der Brutplätze erfolgt ab Mitte Februar/Anfang März, wobei einzelne Über-winterer sich bereits früher an ihren Horstplätzen aufhalten. Reviere im eigentlichen Sin-ne haben Rotmilane wohl nicht, da sie einerseits sehr dicht (min. Entfernung zwischen besetzten Horsten nur 20 m, mammen & stuBBe 1996) und in „lockeren Gemeinschaften“ (schönBrOdt & tauchnitz 1987) brüten und andererseits sehr große, gemeinsam benutzte Nahrungsflächen befliegen können. Balzflüge wurden von Anfang Februar bis Anfang Mai und Horstbau von Mitte Februar bis Ende April beobachtet.

    Der Neststand ist (4) 10 bis 20 (30) m hoch auf Bäumen, ohne Bevorzugung einer der mehr als 20 nachgewiesenen Baumarten entsprechend des Angebots: z.B. im Hakel >90 % Eiche, im Huy >90 % zu etwa gleichen Teilen Eiche und Rotbuche (mammen & stuBBe 1996) und in der offenen Landschaft des Nordharzvorlandes ca. 80 % Pappel (nicOlai 2001,

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    2006). Belegt sind inzwischen auch Bruten auf Gittermasten (schultz 1988, schwarz 1992, fritsch 1992), so auch im östl. Saalkreis zwischen 1983 und 1990 3x (klammer 1991).

    Der Brutbeginn fällt überwiegend in den April (Tab. 4), früheste Legebeginne wurden bereits für die letzte März-Dekade angeben (24.03., könig 1974; 26.03., schönBrOdt & tauch-nitz 1991), späte Gelege (von Ersatzbruten?) können noch bis Ende Mai gezeitigt werden.

    Die Rotmilane legen meistens (etwa 90 % der Fälle) 2 bis 3 Eier, die mittlere Gelegegröße (n = 1006) beträgt 2,43 Eier. Der Anteil an 4er-Gelegen ist gering (3 %), ausnahmsweise gelang schönBrOdt & tauchnitz (1991) der Nachweis eines 5er-Geleges. Den Legeabstand zwischen den einzelnen Eiern eines Geleges ermittelte traue (1978) mit 2 bis 3 (max. 6) Tagen, wobei meistens ein Tag nach Ablage des ersten Eies bereits mit dem Brüten begon-nen wird. Die durchschnittliche Brutdauer ermittelte er mit 33 Tagen (31 bis 34 Tage, n = 10 Horste mit 20 Eiern).

    Tab. 4: Ermittelte Legebeginne beim Rotmilan.

    ZeitraumLegebeginn Anzahl

    GelegeQuelle

    früh spät Mittel1963-67 27.03. 23.04. 10.04. 44 traue 19781976-85 04.04. 23.05. 19.04. 315 schönBrOdt & tauchnitz 19871986-90 26.03. 15.05. 14.04. 247 schönBrOdt & tauchnitz 19911991-98 28.03. 14.05. 15.04. 325 schönBrOdt & tauchnitz 2000

    Die Brutgröße beträgt im Mittel 2,11 juv. (n = 2930; stuBBe et al. 1991, schönBrOdt & tauchnitz 1987, 1991, 2000), wobei erfolgreiche 4er-Bruten nur sehr selten sind (0,5 %). Seit Anfang der 1990er Jahre ist die mittlere Anzahl Jungvögel je Brut geringer geworden. Dabei wiesen nicO-lai & Böhm (1997) darauf hin, dass stabile Rotmilan-Bestände mehr als 2,0 juv./erfolgreiche Brut aufweisen, Gebiete mit Werten deutlich unter 2,0 Bestandsabnahme zeigen.

    Tab. 5. Brutgrößen (Anzahl Jungvögel – Juv.) beim Rotmilan.

    Gebiet ZeitraumJuv./erfolg-reiches BP

    Anzahl Bruten

    Quelle

    Hakel1957-67 2,20 369

    stuBBe et al.19911982-90 1,81 502

    Nördl. Harzvorland 1978-89 2,10 318

    Südharzrand 2003-05 1,95 22 BOck & herrmann 2006

    Raum Halle

    1976-83 2,23 313 schönBrOdt & tauchnitz 1987

    1986-90 2,31 247 schönBrOdt & tauchnitz 1991

    1991-98 2,13 328 schönBrOdt & tauchnitz 2000

    1999-2006 1,92 222 schönBrOdt & tauchnitz 2006

    Saale-Elster-Aue, südl. Halle

    1976-95 2,31 186aus tauchnitz 2005

    1996-2003 2,00 86

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 13

    Die jungen Milane schlüpfen ab Anfang/Mitte Mai und verlassen als Ästlinge den Horst mit 46 bis 52 Tagen. Exakte Daten zur Entwicklung der Jungvögel liefern traue & wuttky (1966). Flügge Jungvögel werden ab Mitte Juni und bis Mitte Juli beobachtet; der späteste Nachweis von fast flüggen Jungvögeln im Horst gelang am 05.08.1975 (Gleichner in Briese-meister et al. 1987).

    Die gesamte Brutphänologie hat sich zumindest für den Zeitraum von 1970 bis 2000 et-was verfrüht (u.a. tauchnitz 2005; Tab. 4), was eher Auswirkung veränderter Zug- und Überwinterungsstrategien als Reaktion auf Klimaerwärmung zu sein scheint.

    Der Bruterfolg schwankt von Jahr zu Jahr und ist in erster Linie abhängig von der Verfüg-barkeit der Nahrung. Unterschiede wurden z.B. gefunden zwischen Habitaten: Waldbrüter waren weniger erfolgreich als Offenlandbrüter (stuBBe et al. 1991, weBer 2002) und Milane in Flussauen erfolgreicher als in der Ackerlandschaft (schönBrOdt & tauchnitz 1987). Ins-besondere im Nordharzvorland ging der Bruterfolg in den letzten zwei Dekaden erheblich zurück (nicOlai & Böhm 1997, weBer 2002).

    Jahreszeitliches AuftretenDer Rotmilan ist (auch heute noch) Zugvogel, dessen traditionelles Überwinterungsgebiet auf der Iberischen Halbinsel liegt. Die allgemeine Zugrichtung zielt also nach SW (z.B. stuBBe 1991, resetaritz 2006). Die Ankunft des größten Anteiles der heimischen Brutpopu-lation erfolgt im März. Allgemein lagen bis 1959 vor allem in den dünner besiedelten Lan-desteilen auch die Erstbeobachtungen erst im März (Tauchnitz in gnielka 1984). Rotmila-ne wurden dann immer früher im Jahr beobachtet (Tab. 5), und heute erscheinen wegen der regelmäßigen Überwinterungen derartige Angaben zur Ankunft kaum mehr möglich.

    Tab. 6. Erstbeobachtungen bzw. Ankunft an Brutplätzen in verschiedenen Gebieten.

    Gebiet Zeitraummittlere

    EBAnzahl Jahre

    Extreme Quelle

    Nordharzvorland1953-59 27.02. 7 17.02. – 12.03. stachOwiak in OrtlieB 19801953-62 04.03. 10 01.03. – 10.03.

    könig 19741963-72 28.02. 10 22.02. – 07.03.

    Kr. Bitterfeld 1967-79 28.02. 5 21.02. – 07.03. kuhlig & heinl o.J. [1983]Kr. Merseburg 1964-76 25.02. 4 20.02. – 29.02. ryssel & schwarz 1981Raum Köthen 1963-70 25.02. 7 ? rOchlitzer 1972

    Kr. Burg 1967-71 01.03. 5 16.02. – 09.03. königstedt & nicOlai 1972

    Bereits am Ende der Brutsaison (ab Mitte Juli) finden sich an Plätzen mit günstigem Nah-rungsangebot, wie frisch gemähten Wiesen und umgepflügten Äckern, öfter größere An-sammlungen, z.B.: 23./24.08.1968 75 Ex. am Hakel (M. Stubbe in könig 1974), 05.08.1988 80 Ex. in der Kliekener Aue (schwarze & kOlBe 2006) und 21.08.2005 74 Ex. Quedlinburg (S. Herrmann in geOrge et al. 2006). Gleichzeitig wächst die Anzahl sich an den Schlafplät-

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    zen versammelnder Milane. Gemeinschaftliche Schlafplätze, die auch in der Brutzeit von Nichtbrütern genutzt werden, gewinnen schließlich zur Herbstzugzeit und im Winter an Bedeutung. Im bedeutendsten Schlafgebiet des Landes nördlich von Halberstadt (hell-mann 1996, 2002) versammeln sich im September/Oktober/November bis zu 250 Milane. Darunter befinden sich dann wahrscheinlich auch Zuzügler aus nordöstlichen Gebieten, denn in diesem Zeitraum kulminiert der Wegzug, was u.a. die Planbeobachtungen zum direkten Zug durch hellmann (1990) belegen und bereits bei naumann (1822) zu lesen ist.

    Der normale Wegzug findet von September bis Mitte November statt (könig 1974, schwarze & kOlBe 2006, BOck & herrmann 2006), scheint sich aber in den letzten Dekaden phänolo-gisch verzögert zu haben. Die Angabe von Letztbeobachtungen erscheint wegen verbleiben-der Wintervögel kaum sinnvoll, lediglich für das Brutgebiet Lödderitzer Forst errechnet sich für den Zeitraum 1963-70 im Mittel der 20.11. (27.10. – 17.12., n = 8 Jahre; rOchlitzer 1972).

    Zwar gab es auch früher schon Winterbeobachtungen (z.B. naumann 1822, lindner 1901, 1904), doch begann ab Anfang der 1960er Jahre „eine zuerst zögernde, dann zunehmen-de Anzahl von Winterdaten einzulaufen“ (könig 1974). Mindestens seit 1963 (Kläranlage Quedlinburg) existieren Winterschlafplätze (clausing & gleichner 1978, geOrge 1990). Aus fast allen Landesteilen sind inzwischen Winterbeobachtungen bekannt, beispiels-weise bezeichnen schwarze & kOlBe (2006) die Art für die zentrale Mittelelbe-Region als „vereinzelt überwinternd“ und kennen aus dem Zeitraum von 1959 bis 2004 225 Januar-Beobachtungen. Überwinternde Rotmilane konzentrieren sich dagegen auf die intensiv genutzten Löß-Schwarzerde-Gebiete NE des Harzes, an den größten Schlafplätzen um Hal-berstadt finden sich bis 140 Milane (hellmann 2002). In milden Wintern verbleiben bis 600 Rotmilane in Sachsen-Anhalt. Sofern allerdings im November/Dezember bereits ein früher Wintereinbruch erfolgt, ziehen die Milane zum großen Teil noch ab (Winterflucht). Kommen Schnee und Kälte erst im Januar, versuchen die verbliebenen Milane im Gebiet auszuharren. Überwinterer sind Vögel im fortpflanzungsfähigen Alter aus hiesigem Brut-gebiet (geOrge 1995), doch verbringen auch schon einzelne Jungvögel ihren ersten Winter in der Nähe ihrer Geburtsorte (resetaritz 2006).

    Gefährdung und SchutzDie wesentliche Ursache für die Bestandsabnahme ist nach nicOlai & mammen (2009) und nicOlai et al. (2009) Nahrungsmangel, bedingt durch: (1.) Intensivierung der Landbewirt-schaftung und Flächennutzung, (2.) fehlendes Angebot bzw. Abnahme von Beutetieren (z.B. Hamster) und anderen Nahrungsquellen (z.B. Schließung offener Mülldeponien) und (3.) Verschlechterung der Erreichbarkeit von Beutetieren (z.B. durch massive Ausweitung des Anbaus von Raps und Winterweizen).

    Außerdem kam es zur Zunahme von Verlusten durch Verkehr, Windkraftanlagen und Prädatoren (z.B. Waschbär), Horstplätze sind durch den Abgang des Baumbestandes in der offenen Landschaft und interspezifische Konkurrenz (z.B. durch andere Großvögel)

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 15

    gefährdet. Zu den Todesursachen resümierte schönfeld (1984) in seiner Ringfundauswer-tung, dass diese zu über 80 % aus anthropogen verursachten Faktoren resultieren. 72 % der Verluste traten danach während des Zuges und im Winterquartier auf.

    Direkte Verfolgung (Fang, Abschuss, Giftköder), früher ursächlich für die geringere Häu-figkeit fast aller Greifvögel, ist heute illegal und spielt bei uns sicher nur eine untergeordnete Rolle. Natürliche Verluste bei Bruten bzw. Nestjungen kommen durch Extremwetterlagen und Prädatoren wie Marder und Habicht vor (stuBBe 1961); einen Ausnahmefall mit Verlust eines Altvogels und seiner Nestjungen durch Blitzschlag stellte wuttky (1967) fest.

    Besonderheiten und offene FragenHybridisierung: Mischpaare und Hybride zwischen Rot- und Schwarzmilan sind zwar schon mehrfach nachgewiesen, doch für Sachsen-Anhalt noch nicht sicher belegt. Ledig-lich Wuttky (in OrtlieB 1980) „schöpfte mehrmals Verdacht auf Mischbruten im Hakel“. Außerdem zeigten Blutproben des Rotmilans aus dem Nordharzvorland „in den 1990er Jahren mehrere typische Allele des Schwarzmilans“ (nachtigall & gleichner 2005).

    Abnorme Färbungen: Briesemeister beobachtete am 15.09.2002 bei Lostau nördl. Magde-burg einen weißen Milan mit schwarzen Hand- und Armschwingen, der mit zwei normal-gefärbten Rotmilanen überhinflog (geOrge & wadewitz 2002).

    Interspezifische Beziehungen: Von gemeinsamem Nisten von Rot- und Schwarzmilan in einem Baum berichten gleichner & BOBBe (2008) und von enger Brutnachbarschaft (10

    Abb. 2: Lage der Schlafplätze des Rotmilans im Winter 2000/01 und 2001/02 in Sachsen-Anhalt. Schlafgebiete (schwarze Kreisflächen, K.) im Mit-tel je Winterdekade mit >50 (= große K.), 20-50 (= mittl. K.) und

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    m) zwischen Rotmilan, Mäusebussard und Aaskrähe rössler (2002). sellin (1967) berich-tet von benachbartem Brüten mit Turmfalken: Nestabstand nur 8 m auf Nachbarbäumen einer Pappelgruppe in offener Landschaft. Nach zappe (1980) brüteten ein Rotmilan- und zwei Graureiher-Paare erfolgreich auf einer Alteiche bei Plötzkau. Ihren vorjährigen, von Kolkraben besetzten Horst zurückzuerobern gelang Rotmilanen nicht (schuBert 1985). Sogar in den relativ kleinen Rotmilanhorsten wurden öfters Untermieter, besonders Feld-sperlinge und Stare, gefunden (OrtlieB 1980).

    Aktionsräume: Erste Untersuchungen an markierten Einzelvögeln im Nordharzvorland haben Aktionsraumgrößen von mehr als 36 km² (Brutvögel des Waldes) und etwa 8 km² (Brutvögel des Offenlandes) ergeben, wobei die monatlichen Aktionsräume kleiner waren und sich mit fortschreitender Jahreszeit und geringerer Beuteverfügbarkeit vergrößerten (nachtigall 1999, nachtigall et al. 2003).

    Nahrung: Zur Jagdstrategie äußern sich driechciarz & driechciarz (2009), die einen ausdauernden (Anteil von 90 %) Jagdflug der Milane zur Nahrungssuche bestätigen. Die Hauptbeute zur Brutzeit sind Kleinsäuger: Im Dichtezentrum waren das früher nach wuttky (1963, 1968) Feldhamster (1957-67: 45 % Anteil; bei traue 1970 sogar >52 %) und Feldhase (13 %). Der Anteil dieser Beute ging bis in die 1990er Jahre auf 6 % bzw. 8 % zurück, wobei er durch Wühlmäuse, Wildvögel, Schlachtabfälle und Aas ausgeglichen wird (weBer & stuBBe 2000). Bei den Wildvögeln handelt es sich oft um Jungvögel (traue 1970); sofern es sich bei der Beute um Altvögel handelt, dürften diese vornehmlich als Verkehrsopfer aufgelesen worden sein (eigene Beobachtungen). Andererseits beobachte-te rOhn (1992), wie ein Rotmilan eine ihn attackierende Elster schlug. Untersuchungen von Gewöllen aus den Monaten November 1999 bis Februar 2002 durch resetaritz (2006) ergaben 80 % bis mehr als 90 % Wühlmause. Außerdem wurden viele Regenwürmer ge-fressen, deren Mengenanteil sich derzeit aber nicht quantifizieren lässt. Auf Großinsekten (Grünes Heupferd Tettigonia viridissima) als Nahrung weist noch hOernecke (2002) hin und Herrmann (in geOrge & wadewitz 2003) beobachtete die Aufnahme von Kaulquappen aus einer austrocknenden Fahrspur. Desöfteren versuchen Rotmilane auch anderen Greif-vögeln und Rabenvögeln die Beute abzujagen (z.B. Wanderfalke, naumann 1822; Turmfal-ke, sellin 1967; Rabenkrähe, BuschendOrf 2011; Elster, B. Nicolai). In Siedlungen „nimmt er Speisereste vom Erdboden, von Küchenfenstern, Fleisch vom Gartengrill“ (J. Braun, Mskrpt. 1994). Neuerdings wird in privater Initiative an vielen Stellen (z.B. in Halberstadt) aktiv mit Fleisch bzw. Schlachtabfällen gefüttert.

    Bemerkenswert erscheint schließlich die Feststellung von weBer (2002), dass Bestands-dynamik und Reproduktionszahlen des Rotmilans keine Abhängigkeit vom Feldmausan-gebot zeigen.

    Schadstoffbelastung: Bei Untersuchungen von Eiproben der Rotmilane konnten zwar gewisse Belastungen durch ausgewählte Umweltschadstoffe (persistente chlororganische

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 17

    Verbindungen, Schwermetalle) nachgewiesen werden (weBer & stuBBe 1995, weBer et al. 1998), allerdings ergaben sich daraus bisher keine spürbaren Auswirkungen auf die Re-produktion

    Alter: Das durchschnittliche Lebensalter zwischen 1957 und 1967 im Hakel geborener Mi-lane betrug nach stuBBe (1982) nur 2¼ Lebensjahre. Die Ergebnisse von schönfeld (1984) zeigen, dass die Jugendsterblichkeit am höchsten (im 1. Jahr 40 %) ist, danach kontinuier-lich von 22 % im 2. bis auf 8 % im 11. Lebensjahr abnimmt. Das festgestellte Höchstalter eines freilebenden Rotmilans waren 29 Jahre und 10 Monate (geOrge & nicOlai 1996), er wurde nur 9 km von seinem Beringungsort Hakel frischtot aufgefunden.

    B. Nicolai[Stand: September 2011]

    LiteraturBenecke (2005)Birth & nicOlai (1970)BOck & herrmann 2006)J. Braun (1994): Artbearbeitung

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    (2002), (2003)geOrge, wadewitz & fischer (2006)gleichner & BOBBe (2008): Apus 355gleichner & zappe (1980): Apus

    4: 167-171gnielka (1984), (2005), (2010)günther & wadewitz (1990)haenschke et al. (1983)hellmann (1990), (1996), (1999),

    (2002)hellwig (2005), (2005a)hinsche (1971)hOernecke (2002): Apus 209hOlzäpfel (2005)klammer, G. (1991): Populati-

    onsökol. Greifvogel- u. Eulen-arten 2: 79-83.

    könig (1974)stahl (1996)kOOp (1971)kratzsch & patzak (2010)kuhlig & heinl o.J. [1983]kuhnert (2005)lippert & audOrf (2005)lindner (1901), (1904) mammen (1995)mammen, mammen & resetaritz

    (2007), (2007a) mammen & stuBBe (1996)naumann (1822)nachtigall, W. (1999): Aktions-

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    nicOlai (1993), (1995), (2006),nicOlai (1997): EBCC-AtlasnicOlai & Böhm (1997)

    nicOlai et al. (2009)nicOlai, B., & u. mammen (2009):

    Info-dienst Nat. Niedersachs. 29, Nr. 3: 144-150.

    nicOlai & wadewitz (2003): Abh.Ber.Mus. Heineanum SH

    OrtlieB (1980): nBBOttO (2005)patzak (2003)patzak & seelig (2006): Apus-SHplaschka (1970)pschOrn (2007)resetaritz (2006)rOchlitzer (1972): HercyniarOchlitzer (1993)rössler (2002): Apus 207rOhn (1992)ryssel (2007)ryssel & schwarz (1981)schäfer et al. (2006)schönBrOdt & spretke (1989)schönBrOdt & tauchnitz (1987),

    (1991), (1999), (2000), (2006)schönfeld (1984) schuBert (1985): Apus 6: 81-88schulze (2006): Ber. LA Sachs.-

    Anh. SH 1schulze & pschOrn 2006schulze, ryssel & pschOrn (2007)schultz (1988)schwarz (1992)

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    schwarze & kOlBe (2006)seelig et al. (1996) sellin (1967) simOn (1987), (2005)simOn & simOn (2007)stachOwiak (1959)stuBBe (1961), (1982), (1987)stuBBe, zörner, matthes &

    Böhm (1991)tauchnitz (2005)

    tOdte (2005)traue (1966), (1970), (1978)traue & wuttky 1966)ulrich & zörner (1986)wadewitz (2009): Ornithol. Jber.wallaschek, Oehme & hirsch-

    mann (2000)weBer, B. (1965)weBer, m. (2002) weBer, m. et al. (1998)

    weBer, m., kratzsch & stuBBe (2007)

    weBer, m. & stuBBe (1995), (2000)

    wegener (1968)weissgerBer (1995), (2007),

    (2011)wuttky (1963), (1967), (1968)

    Adlerbussard Buteo rufinus (Cretzschmar, 1827)

    • Ausnahmeerscheinung

    Von seinen Brutgebieten auf dem südlichen Balkan dringt der Adlerbussard nur sehr sel-ten nach Mitteleuropa vor. Am regelmäßigsten tritt er noch in Ostungarn auf, wo er seit den 1990er Jahren jährlich mit bis zu 10 Paaren brütet und vereinzelt überwintert (dudás et al. 1993, hadarics & zalai 2008). Die Zunahme der Beobachtungen in Mitteleuropa seit den 1980er Jahren wird mit der Arealausdehnung nach Nordwesten und klimatischen Ver-änderungen in Zusammenhang gebracht (mrlik & landsfeld 2002).

    Für Sachsen-Anhalt sind zwar nur zwei historische Nachweise bekannt; aufgrund der vor-liegenden Dokumentationen erscheinen diese aber als gesichert:1. Ein am 11.07.1964 bei Mötzlich/HAL überfliegender Vogel konnte anhand der protokol-

    lierten Merkmale sicher erkannt werden (K. Liedel in gnielka 1984). 2. Am 29.08.1973 kommt ein ad. Ex. in einer großen Greifvogelansammlung am Rande

    des Tagebaurestloches Lochau (HAL und SK) zur Beobachtung (teichmann 1975, gniel-ka 1984, Plaschka in ryssel & schwarz 1981).

    Aus jüngerer Zeit stammt ein dokumentierter Nachweis:Am 19.07.2007 kann über längere Zeit ein ad. Ex. westlich Steckby/ABI beobachtet werden

    (dOrnBusch & dOrnBusch 2010; Dornbusch & Dornbusch in DSK 2009).

    D. Tolkmitt[Stand August 2011]

    LiteraturdOrnBusch , m. & ch. dOrnBusch (2010): APUS 15: 69-70dsk (2009)dudás, m, kOvács, g. & i. sándOr (1993): Der Adlerbussard Buteo rufinus als mitteleuropäischer Brutvogel in

    der ungarischen Hortobagy-Pußta. Limicola 7:141-146

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 19

    gnielka (1984): Avifauna von Halle und Umgebung. Band 2.hadarics, t. & t. zalai (2008): Nomenclator Avium Hungariae. MME Budapest.mrlik, v. & B. landsfeld (2002): The occurrence of Long-legged Buzzard (Buteo rufinus) in parts of Cen-

    tral Europe during 1980-1998 and possible factors for its recent expansion. Egretta 45: 104-114.ryssel & schwarz (1981): Die Vogelwelt im Kreis Merseburg. Sonderheft 18. Beiträge zur Geschichte und

    Kultur des Kreises Merseburg.teichmann, a. (1975): Adlerbussard (Buteo rufinus Cretzschm.) bei Halle. Beitr. z. Vogelk. 21: 496-497.

    Raufußkauz Aegolius funereus (Linnaeus, 1758)

    • Brutvogel(140-190Reviere)• Überwinterer/Teilzieher

    Status und VerbreitungAls Brutvogel wurde der Raufußkauz erstmals 1959 nahe Schierke/HZ für das Gebiet Sachsen-Anhalts nachgewiesen (fuchs 1963). Ausgehend vom Hochharz besiedelte die Art etwa bis 1995 mit 60-100 Revieren den gesamten Harz (nicOlai 1997). Ansiedlungen in den Waldkomplexen des pleistozänen Flach- und Hügellandes erfolgten unmerklich und wer-den für die Zeit ab Ende der 1980er Jahre angenommen. pschOrn (2010) geht 2009/10 hier von 70-90 Revieren aus. In besonderem Bezug zu den genannten Besiedlungen dürften die Vorkommen im Westharz ab 1948, in der Südheide in Niedersachsen ab 1963, in den Bran-denburger Gebieten westlich von Nauen 1985 und der Rochauer Heide 1986 zu sehen sein (mannes in zang & heckenrOth 1986, BlOck & BlOck 1986, schmidt 1987). Sachsen-Anhalt könnte in diesem Zeitrahmen sowohl zeitgleich (Harz) als auch lückenfüllend (Kiefernhei-den) besiedelt worden sein.

    Tab. 1: Siedlungsräume (Dichtezentren) vom Raufußkauz in Sachsen-Anhalt nach pschOrn (2010)

    Dichtezentrumbelegte Erstbesiedlung

    (zumeist rufende ♂)Brutpopulation

    2009/10

    Altmarkkreis Salzwedel und Colbitz-Letzlinger Heide 1997 (gnielka 2005) 20 – 30 Reviere

    Forst Havelberg und Klietzer Heide/SDL 2009/10 (pschOrn 2010) 8 – 10 Reviere

    Harzregion 1958 (Fuchs 1963) 70 – 100 Reviere

    Fläming und Heidegebiete im LK Wittenberg 2002 (Zuppke 2002) 40 – 50 Reviere

    Gesamt 140 – 190 Reviere

    LebensraumBrut und Ansiedlung des Raufußkauzes setzen ein (Schwarzspecht-)Höhlenangebot und das weitgehende Fehlen von Brutansiedlungen des Waldkauzes voraus. In Sachsen-Anhalt bieten diese Bedingungen zwei Habitatformen: die Fichtenalthölzer der Harzregionen und

  • 20

    die Kiefernforsten der pleistozänen Sandheiden in Altmark und Fläming. pschOrn (2010) schreibt: „Im Bereich des ,Harzes‘ besiedelt der Raufußkauz vorwiegend ältere Nadel- und Mischwaldbereiche, welche durch die Fichte Picea abies dominiert werden. Vereinzelt werden auch kleine ältere Rotbuchen-Inseln innerhalb von größeren Fichten- oder Kiefernparzellen genutzt. Eine Bevorzugung bestimmter Höhenlagen ist dabei nicht zu erkennen. In den nä-heren Bereichen der Rufreviere sind meist Lichtungen, Waldwiesen oder breitere Waldwege bzw. Fichtenstangenhölzer zu finden. Zum Teil weisen die Waldflächen auch einen geringen Bodenbewuchs (Baumverjüngungen, Krautschicht) auf “. In den Kiefernheiden zeichnen sich wiederum zwei Habitattypen ab: Kiefern-Monokulturen der Altersklassen >100 Jahre, zumeist mit Kiefern-Naturverjüngung oder Buchen- bzw. Eichenunterbau, und großflächi-ge 60-100jährige Kiefernforsten mit eingesprengten 80-120jährigen Rotbuchen-Inseln, bei noch vorhandenem Kronenschluss ohne Kraut- und Strauchschicht. Angrenzende kleine-re Fichten-Bestände oder Kiefern-Stangenhölzer für den Tageseinstand sind offenbar Be-dingung, nicht dagegen Lichtungen oder ähnliche Bestandsaufhellungen. Forstlich starke Auflichtungen der >120jährigen Rotbuchen-Bestände für den einzubringenden Unterbau (zumeist wieder Rotbuche) führen für den Raufußkauz durch die aufwachsenden Buchen als Strauchschicht und den geringeren Deckungsgrad in den oberen Bereichen zu einem pessimalen Bruthabitat. Bestand und BestandsentwicklungFür die Kammlagen der sächsischen und thüringischen Mittelgebirge stellt der Raufuß-kauz ein angestammtes Faunenelement dar. BOrchert (1927) leitet daraus wenig belegt die Aussage ab, „so scheint es, als sei die Eule wohl sicherer Brutvogel im Harze.“ Zum gleichen Ergebnis kommen für diesen Zeitabschnitt ringleBen (1968) und haensel & könig (1981). zang (1981) geht davon aus, dass der Harz in den letzten 150 Jahren keine eigenständige Po-pulation aufwies und die Art etwa zwischen 1910 und 1935 völlig fehlte. Die gegenwärtige Harzpopulation bildete sich vermutlich erst nach 1935 heraus. Die Besiedlung der pleisto-zänen Flachlandheiden in Altmark und Fläming erfolgte ab 1980 nach der der niedersäch-sischen Heiden um Lüneburg, Celle, Uelzen und der grenznahen Gebiete Brandenburgs und Nordostsachsens (möckel 1996).

    Dagegen ist aus dem Köthener Raum von den Naumanns zu lesen (hildeBrandt 2007): „Man bemerkt ihn in hiesiger Gegend sehr sparsam .... er ist mir in meinem Leben nur drei-mal vorgekommen.“ und „Im Anfange des verwichenen Frühlings ließ sich ein Pärchen die-ses Kauzes bei meinem Wohnorte [ Ziebigk b. Köthen] sehen, hielt sich eine Zeitlang hier auf und würde wahrscheinlich hier gebrütet haben wenn mein jüngster Sohn nicht das Weibchen geschossen hätte.“ „Auch in großen Obstgärten und hohlen Weidenbäumen... habe ich ihn zuweilen angetroffen.“ Später wird von einem im Hausgarten geschossenen Kauz berichtet (naumann 1820-1844). In der Naumann-Sammlung Köthen befinden sich zwei Präparate mit Original-Etiketten von Johann Friedrich Naumann aber ohne Sammeldaten (Busching 2003). Für Baldamus (1852) war die Art Brutvogel in der Umgebung von Diebzig/ABI. päss-

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 21

    ler (1856) berichtet von zwei Bruten im Kopfe einer „Pappelweide“ an einem Wiesengraben und in einem hohlen Apfelbaum bei Trinum/ABI. In der Köthener Avifauna (rössler in rOchlitzer 1993) ist zu lesen: „Ehemaliger Brutvogel – Naumann (1822) erwähnte, daß er wiederholt Jungvögel bei Ziebigk erlegt hat und Päßler (1856) nennt einen regelmäßig auf-gesuchten Brutplatz bei Trinum.“ Diese Angaben sind zu korrigieren. Der Großraum um Köthen war Mitte des 19. Jahrhunderts wie heute eine Agrarebene mit nur wenigen feucht-gründigen Laubholz-Feldgehölzen. Bei den aufgeführten Raufußkauz-Beobachtungen der drei Gewährsleute ist von ziehenden Individuen auszugehen. Den angeführten Brutnach-weisen Pässlers dürfte eine Verwechslung mit dem seinerzeit allgegenwärtigen Steinkauz zugrunde gelegen haben. Bemerkenswert ist dennoch die Erwähnung der Art für den Kö-thener Raum, zumal aus dieser Zeit anderswo kein gehäuftes Auftreten und keine Ansied-lungen in Flachlandgebieten bekannt geworden sind (T. Mebs). Den Köthener Angaben stehen nur 14 weitere Nachweise dismigrierender Raufußkäuze für Sachsen-Anhalt außer-halb bekannter Brutansiedlungen gegenüber.

    Tab. 2: Raufußkauz-Nachweise außerhalb potentieller Brutgebiete.

    Datum Fundort Fundumstand Quelle

    29.03. 1818

    bei Halle gnielka ( 1984)

    Anf 03.1956 Thekenberge S Halberstadt Rupfungsfund haensel & könig (1974-91)

    24.03.1968Baumgruppe Abraumkippe Beu-

    na b. MerseburgSichtbeobachtung hOfmann & rieger (1979)

    09.09.1974Berga-Kelbra Bereich Helmes-

    tauseeFang durch H. Graff wagner & scheuer (2003)

    28.04.1974 Steckbyer HeideFang durch M. Dorn-

    buschdOrnBusch (1977)

    Jan. 1977 Hakel Winterbeobachtung stuBBe (1991)

    08.12.1986 Steckbyer Heide Rupfungsfund K.-J. Seelig, M. Dornbusch

    1989 Langenapel/Altmark 40 ha Wald in AgrarzoneH.-W. Wowries in pschOrn

    (2010)

    12.10.1990 Großpaschleben b. Köthen vermutl. Verkehrsopfer rOchlitzer (1993)

    19.10.1998 Börde b. Aschersleben tot an Bundesstraße B 6 geOrge & wadewitz (1999)

    14.04.2000 Jessener Berge NE Jessen/Elser Rupfung U. & B. Simon

    03.07.2000 Mosigkauer Heide Verkehrsopfer schwarze & kOlBe (2006)

    24.10.2004 Haldensleben Gebäudeanflug R. Brennecke

    06.10.2005 Mosigkauer Heide kurze Sichtbeobachtung geOrge et al. (2008)

    Die Altmark-Population wurde 1997 bei Kartierungsarbeiten westlich Darnebeck/SAW durch gnielka (2005) entdeckt. Die Folgejahre erbrachten weitere Ruf- und Brutzeitnach-

  • 22

    weise aus dem Raum Salzwedel, Arendsee/SAW und Uchtspringe/SDL, ab 2001 in der Colbitz-Letzlinger Heide, 1997 und 2002 im Naturpark Drömling und 2007 im Flechtinger Höhenzug westlich von Haldensleben (fischer & dOrnBusch 2004, gnielka 2005, Brennecke 2008, B. Schäfer). Mit 20-30 Revieren (pschOrn 2010) können die großen Waldgebiete der Altmark zwar als dünn aber doch als flächig besiedelt angesehen werden. pschOrn (2010) ermittelte auf knapp 950 km2 untersuchter Waldfläche Dichten zwischen 0,21 und 0,32 Reviere/10 km2. Der an den Altmarkkreis Salzwedel nördlich angrenzende Landkreis Lü-chow-Dannenberg (Nds) wurde ab 1965 von NW nach SO besiedelt, die grenznahen Gebie-te zu Sachsen-Anhalt erst nach 1980 (pelny 2002). Die späte Enddeckung der Brutvorkom-men im Norden Sachsen-Anhalts werden gern auf das Fehlen aktiver Beobachter in der Region (gnielka 2005) und auf politische Gründe (Grenznähe und militärische Sperrzonen bis nach 1990) zurückgeführt, eine Neubesiedlung erst unmittelbar vor ihrer Entdeckung ist nicht voll auszuschließen.

    Die ostelbische Havelberg-Klietz-Population im Elbe-Havel-Winkel ist lediglich durch gezielte Suchaktionen von M. Kuhnert bekannt. In den ausgedehnten Kiefernheiden konn-te er im Forst Havelberg am 21.04.2010 fünf und in der Klietzer Heide am 22.04.2010 vier rufende ♂♂ ermitteln. pschOrn (2010) geht von 8-10 Revieren für 192 km2 untersuchte Waldfläche aus und errechnete eine Revierdichte von 0,42-0,52 Revieren/10 km2. In beiden Waldgebieten wurde zuvor und danach nicht nach dem Raufußkauz gesucht. Auch fehlen jegliche Hinweise auf Bruten. Aus den sich im Land Brandenburg fortsetzenden Forsten liegen nach ADEBAR-Kartierungen keine weiteren Nachweise vor.

    Die Entdeckungsgeschichte der Harz-Population begann im Westharz mit der Feststel-lung von 13 Raufußkauz-Rufplätzen zwischen 1948 und 1952 entlang der Bundesstraße B 4 Hohegeiß–Braunlage–Bad Harzburg (Mannes in zang & heckenrOth 1986). Im Ostteil gelangen bei Schierke/HZ am 04.12.1958 der erste Ruf- und am 10.05.1959 der erste Brut-nachweis (fuchs 1963). Von einer zeitgleichen Besiedlung der beiden naturräumlich nicht getrennten Regionen ist auszugehen. knOlle et al. (1973) zeigten auf, dass im Westharz 20 von 26 der bekannten Ansiedlungen max. 6 km westlich der Staatsgrenze lagen und feuer-stein (1953) führt ein rufendes ♂ im April 1952 4 km östlich Hohegeiß auf dem Gebiet von Benneckenstein/HZ auf. fuchs und reich fanden 1963 um Schierke und Elend/HZ bereits ein zusammenhängendes Vorkommen mit etwa 10 rufenden ♂♂ (haensel& könig 1981). Aus dem übrigen Harz war zunächst nur ein Nachweis (rufendes ♂) am 15.05.1971 SW Hasselfelde/HZ bekannt. Kartierungen 1978 bis 1983 ergaben 40 bis 50 Reviere überwie-gend im Hochharz, in diesem Zeitraum fehlte die Art offenbar noch in den südöstlichen Harzbereichen (nicOlai 1993). Atlas-Kartierungen in den Jahren 1990 bis 1995 ergaben um Güntersberge/HZ neue Brutvorkommen (gnielka & zaumseil 1997). Daraus schließt nicOlai (1997) auf eine Erweiterung und Stabilisierung der Harzpopulation mit 60 bis 100 Revieren. pschOrn (2010) fasst das Brutvorkommen für den Harz (Sachen-Anhalt-Teil) 2009/2010 wie folgt zusammen: Auf 1347,75 km2 Waldfläche wurden 70 bis 100 Reviere mit einer Revierdichte von 0,52 – 0,74 Reviere/10 km2 ermittelt. Die Art tritt wie auch anderen-

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 23

    orts in ihrem Vorkommen geklumpt auf, sodass die Siedlungsdichte in optimalen Wald-bereichen deutlich höher liegen kann. Im thüringischen Südharz (Landkreis Nordhausen) wurde 1981 der erste Ruf- und 1984 der erste Brutnachweis bekannt (wagner & scheu-er 2003). Nicht näher beschrieben ist ein Brutnachweis vom 17.05.1981 im Hakel (stuBBe 1991), einem Laubmischwald von 1300 ha mit starker Waldkauz-Population.

    Nach einer Fläming-Population des Raufußkauzes wurde zwischen 1965 und etwa 1980 erfolglos gesucht (kOlBe 2009, schwarze & kOlBe 2006). Der Erstnachweis gelang am 14.05.2002 durch einen aufgegriffenen Jungvogel westlich Kropstedt/WB (zuppke 2002). Ge-zielte Suchaktionen führten hier ab 2003 zu mehreren Ruf-Nachweisen. Zu dieser Zeit sollte der Fläming bereits als besiedelt angesehen werden, belegt durch weitere Funde rufender ♂♂ von h. rehn ab 2004 sowie h. kOlBe und t. hOfmann ab 2005 nordwestlich von Berkau/WB. Großflächige Untersuchungen in den Jahren 2009/10 ergaben für die Forstbereiche um Grimme/ABI und Stackelitz/WB 12 BP (zuzüglich 3 BP nördlich der Landesgrenze bei Me-dewitz, Brandenburg), in den Forsten um Serno, Buko und Köselitz/WB 3-5 BP und in der Region nördlich Senst/WB bis Groß und Klein Marzehns (Brandenburg) 4-6 rufenden ♂♂ (H. Kolbe, H. Rehn). Fünf Brutnachweise davon gelangen in grenznahen Brandenburger Flächen (H. Kolbe). In der Kropstädter Heide (WB) geht u. zuppke von zwei mehrjährig be-setzten Revieren aus. Die Vorkommen in der Glücksburger und Annaberger Heide (WB) im Bereich des Südlichen Fläming-Hügellandes schließen westwärts an die nach 1980 bekannt gewordenen Brutplätze der Rochauer Heide (möckel 1996) und um Herzberg (Brandenburg) an. Für die Annaburger Heide gab es bis 1988 nur einen Einzelnachweis (M. Rossner in mö-ckel 1996). Die Bearbeitung des Nordteils 2003/04 durch simOn (2005) ergab 5 BP für dieses Waldgebiet. In der Glücksburger Heide ermittelte simOn 2009/10 6-8 Ansiedlungen (pschOrn 2010). pschOrn (2010) geht von 40-50 Revieren auf knapp 2.000 km2 untersuchter Waldfläche aus und ermittelte eine Dichte von 0,20-0,25 Revieren/10 km2. Aus dem Wittenberger Teil der Dübener Heide liegen aktuell keine Ansiedlungshinweise für den Raufußkauz vor, ob-gleich die Forststrukturen denen des Flämings stark ähneln.

    Bestandszahlen in mehrjährig untersuchten, definierten Arealen liegen aus Sachsen-An-halt nicht vor. Auch sind Bestandsfluktuationen in Abhängigkeit vom Kleinsäugerangebot nicht untersucht.

    BrutbiologieFür das Gebiet Sachsen-Anhalts liegen keine verallgemeinerungswürdigen Arbeiten zur Brutbiologie oder Ökologie des Raufußkauzes vor. Vorhandene Einzeldaten erlauben keine Rückschlüsse auf signifikante Abweichungen zu langjährig untersuchten Populationen wie jene von wagner & Jentzsch (2000) aus dem thüringischen Südharz. Die wenigen Angaben zu den Rufperioden der ♂♂ (Herbstgesang Mitte Sept. bis Mitte Nov., Frühjahresbalz ab Anfang Feb., verstärkt im März) liegen im Harz und in den klimatisch wärmeren Heiden weitgehend zeitgleich.

  • 24

    Jahreszeitliches AuftretenDer Raufußkauz gilt als Brut- und Jahresvogel, ♀♀ neigen zu winterlichen Abwanderun-gen, juv. zu Dispersion und Dismigration. Bestandsfluktuationen treten im Abhängigkeit vom Nahrungsangebot auf (Bauer et al. 2005), weniger aufgrund von Witterungsbeson-derheiten wie außergewöhnlichen Schneelagen. Nach Nahrungsanalysen durch wagner & Jentzsch (2000) im Südharz betrug bei > 1.200 Beutetieren der Anteil der Kleinnager 93 %. Von den erbeuteten Vögeln waren rund 50 % Sommervögel, was gegen ein winterliches Ausweichen auf Kleinvögel spricht.

    Gefährdung und SchutzDer Raufußkauz ist für seine Reproduktion auf das Vorhandensein von Schwarzspecht-Höhlen angewiesen. Der Schwarzspecht wiederum benötigt für die Anlage eigener Brut-höhlen >80-100 jährige Fichten bzw. >100-120 jährige Kiefern. Abteilungen dieser Alters-klassen unterliegen einer starken forstlichen Nutzung durch Holzeinschlag. Das Schädigen von Nadelbäumen diesen Alters u.a. durch Kiefern-Baumschwamm Heterobasidion anno-sum und Kiefern-Feuerschwamm Phellinus pini machen diese Bäume für den Schwarz-specht zwar attraktiv; für die Waldwirtschaft jedoch ein Grund zur Holznutzung und damit zur Baumfällung. Dagegen können Höhlenbäume in den Rotbuchen-Beständen bei selektiven Holzentnahmen generell erhalten werden. Der Erhalt vorhandener Höhlenbäume hat Priorität in der Schutzstrategie für den Raufuß-kauz. Der Verbleib der Höhlenbäume als Wohn- und Brutstätten geschützter Arten (Vögel, Fledermäuse, Insekten) ist forstrechtlich durch die Leitlinie Wald, Punkt 4.3 „Gezielter Arten- und Biotopschutz“ geregelt und kann nach Absprache mit der Forstbehörde durch spezielle Baumkennzeichnung noch erhöht werden. Nistkästen werden vom Raufußkauz generell gern bezogen und können für die Anhebung und Stabilisierung lokaler Popula-tionen dienlich sein. schelper (1983) schreibt über geförderte Brutplatzangebote: „große Teile der niedersächsischen Regionalpopulationen sind geradezu abhängig von dieser di-rekten Hilfe.“ schwerdtfeger (2008) kontrolliert in der Region um Osterode am Harz seit 1979 auf 200 km2 etwa 200 Nistkästen. Das Nisthöhlenangebot hatte eine schnelle Erhö-hung der Brutpaarzahl zur Folge; in 28 Jahren ließen sich darin 760 Bruten nachweisen. In Sachsen-Anhalt sind im Fläming seit 2007 etwa 50 Nistkästen für die Art ausgebracht, in denen 2009/2010 insgesamt vier Bruten stattfanden. Ihre vergleichsweise geringe Nutzung hat mit den noch zahlreich vorhandenen Schwarzspechthöhlen und der kurzen Zeit der Verfügbarkeit seit 2007 zu tun. Insgesamt sind Bruten in Nistkästen stärker gefährdet als in den unauffälligeren Baumhöhlen. Höhlenschutz gegen den Baummarder Martes martes als Hauptprädator während der Reproduktionsphase wäre zweckmäßig, ist aber nur be-dingt wirksam. vieweg (1979) warnt vor dem Ausbringen von Nisthilfen für den Waldkauz in Raufußkauzterritorien. In einem von ihm untersuchten Gebiet (Mittleres Erzgebirge) waren die Nistkästen durch Wadkäuze schnell belegt, die der Raufußkäuze verwaisten.

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 25

    Besonderheiten und offene FragenAußerhalb des Harzes wird der Raufußkauz heute als Neubesiedler großer Waldgebiete zwi-schen Altmark und Fläming angesehen. Es ist aber nicht abschließend geklärt, ob tatsächlich eine rezente erstmalige Besiedlung geschehen ist oder die wenigen älteren Brutvorkommen nicht bekannt waren. Der heutige Raufußkauz-Siedlungsraum im Fläming um Grimme/ABI bestand um 1750 noch zu großen Teilen aus Ackerland (Dreifelderwirtschaft), lichten Hutungsflächen (Birke, Kiefer) und Erika-Heiden ohne nennenswerte Althölzer. Erst ab 1850 erfolgten großflächige Aufforstungen mit der Kiefer, wenig später mit eingesprengten Rotbucheninseln (pietschmann 2002). Für Schwarzspechte interessante Strukturen gab es im Bereich des Hohen Flämings, aber diese dürften vom Waldkauz besiedelt gewesen sein. Weiträumige geschlossene Altholzabteilungen wuchsen als Kiefernmonokulturen hier erst-mals in den 1930er Jahren (vergl. kuhk 1938, Brutnachweis in der Lüneburger Heide) und nach den Großbränden und Holzungen der Nachkriegsjahre bis um die Jahrtausendwende heran (J. Freitag, R. Telle) . Den heute vom Raufußkauz bezogenen Lebensraum, Kiefern-forste und Rotbuchenabteilungen mit Schwarzspecht- aber ohne Waldkauzvorkommen hat es historisch im Fläming und wohl anderorts im Flachland kaum gegeben, was ein spätes Einwandern in diese Nische erklären könnte. Die Frage der Herkunft der Neusiedler bleibt vorerst unbeantwortet. Ein Individuenaustausch mit benachbarten Populationen ließe sich durch Fang und Beringung der Brutvögel belegen. Populationsökologische Untersuchungen an den Flachlandpopulationen fehlen und wären wünschenswert. Ferner ist nach bisher un-bekannten Siedlungsinseln in weniger untersuchten kleineren Forsten zu fahnden.

    H. Kolbe[Stand November 2011]

    Literatur zu Raufuß- und SperlingskauzBaldamus (1852): Verzeichnis der Brutvögel der Umgebung von Diebzig. Naumannia 2: 55.Bauer, h.-g., e. Bezzel & w. fiedler (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas – Nonpasseriformes –

    Nichtsperlingsvögel. Wiebelsheim.BOck, B. & p. BOck (1986): Zum Brutvorkommen des Rauhfußkauzes (Aegolius funereus) im Flachland und

    zu ersten Brutnachweisen im Bezirk Potsdam, Mitt. Bezirksarbeitsgr. Artenschutz Potsdam. 2: 30-35. BOrchert, w. (1927): Die Vogelwelt des Harzes, seines nordöstlichen Vorlandes und der Altmark. Magdeburg.Brennecke, r. (2008): Haldensleber Vogelkunde-Informationen 26 – Avifaunistischer Jahresbericht 2007

    für den Altkreis Haldensleben.Buschíng, w.-d. (2003): Die Vogelsammlung Johann Friedrich Naumanns im Naumann-Museum in Köthen

    (Vogelbestände im Saal 3). Blätter aus dem Naumann-Museum 22: 1-44.dOrnBusch, m. (1977): Rauhfußkauz bei Steckby. Apus 4: 43-44. feuerstein, w. (1953): Neues vom Rauhfußkauz, Aegolius f. funereus (L.). Mitt. Thür. Ornithol. 4: 28-29.fischer, s. & g. dOrnBusch (2004): Bestandssituation seltener Vogelarten in Sachsen-Anhalt – Jahresbericht

    2001 bis 2003, in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Sonderheft 4: 5-31. Fischer, S. & G. Dornbusch (2005): Bestandssituation seltener Brutvogelarten in Sachsen-Anhalt – Jahres-

    bericht 2004, in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle. Sonderheft 1: 3-23. fischer, s. & g. dOrnBusch (2005):Kartierung wertgebender Vogelarten in EU SPA Sachsen-Anhalts – Stand

    und Ergebnisse, in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle. Sonderheft 1: 29-30

  • 26

    fischer, s. & g. dOrnBusch (2006): Bestandssituation ausgewählter Brutvogelarten in Sachsen-Anhalt – Jah-resbericht 2005, in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle. Sonderheft 1: 5-27.

    fischer, s. & g. dOrnBusch (2007): Bestandssituation ausgewählter Brutvogelarten in Sachsen-Anhalt – Jah-resbericht 2006, in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle. Sonderheft 2: 5-30. fischer, s. & g. dOrnBusch (2008): Bestandssituation ausgewählter Brutvogelarten in Sachsen-Anhalt – Jah-resbericht 2007, in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle. Sonderheft 4: 5-34.

    fuchs, e. (1963): Der Rauhfußkauz, Aegolius funereus, Brutvogel im Harz. Beitr. Vogelkd. 8: 469-470. geOrge, k. & m. wadewitz (1998): Aus ornithologischen Tagebüchern: Bemerkenswerte Beobachtungen

    1997 in Sachsen-Anhalt. Apus 10: 37-71.geOrge, k. & m. wadewitz (1999): Aus ornithologischen Tagebüchern: Bemerkenswerte Beobachtungen

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    1999 in Sachsen-Anhalt. Apus 10: 221-259. geOrge, k. & m. wadewitz (2001): Aus ornithologischen Tagebüchern: Bemerkenswerte Beobachtungen

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    Sperlingskauz Glaucidium passerinum (Linnaeus, 1758)

    • Brutvogel(45-60Reviere)• Jahresvogel,Überwinterer

    Status und VerbreitungDer Sperlingskauz ist seit Anfang der 1990er Jahre als alljährlicher Brutvogel Sachsen-Anhalts nachgewiesen. In höchster Dichte werden der Hochharz über 500 m NN und ausgedünnt die übrigen Harzregionen bewohnt. Besiedelt ist ferner der Nordteil Sachsen-Anhalts, doch erlaubt das lückenhafte Datenmaterial bisher keine Status-Bewertung. Der Hohe Fläming ist gesichertes Brutgebiet, obgleich die bisherigen Brutnachweise grenznah

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 29

    aus den brandenburgischen Forsten bekannt wurden. Ungeklärt sind die Besiedlungsver-hältnisse in der Dübener Heide, von einer gegenwärtigen Brutansiedlung ist auszugehen.

    LebensraumAls primärer Brutvogel der Hoch- und Mittelgebirgswälder zeigt der Sperlingskauz in der Habitatwahl im Harz und auch im pleistozänen Hügelland deutliche Präferenzen für ana-loge Forststrukturen. Im Harz bilden Fichten-Althölzer, aufgelockerte und damit struktur-reichere Fichtenmischwälder bis hin zu den subalpinen Brockenwäldern die Hauptlebens-räume. Ein ausreichendes Höhlenangebot (zumeist Buntspecht) setzt >60jährige Einzel-bäume oder Baumbestände, das Deckungsbedürfnis Tageseinstände in dichtwüchsigem Stangengehölz voraus. Nach pschOrn (2010) werden hier größere Laubholzabteilungen gemieden. In den Endmoränen- und Sandergebieten von Altmark, Fläming und Dübener Heide bilden Kiefernalthölzer mit hohem Fichtenanteil den Primärbiotop. Die Feldschicht wächst hier in reduzierter Dichte oder wird zumeist von der Heidelbeere (Vaccinium myr-tillus) abgedeckt. Eingesprengte Laubbäume unterliegen oftmals dem Kronenschluss von Kiefer und Fichte und bilden als Totholz wertvolle Höhlenbäume. Dagegen befanden sich die bisher bekannt gewordenen Brutplätze im Fläming in 150jährigen Traubeneichen-Be-ständen mit 20jährigem Rotbuchenunterbau, umgeben von Nadelhölzern (Kiefer, Fichte, Douglasie, Küstentanne) unterschiedlichen Alters und variierender Bestandsdichte. Von gleichen Brutbiotopen berichtet muller (2009) aus den Vogesen. Die Nadelhölzer bieten außerhalb der Vegetationszeit, der Buchenunterbau zur Brutzeit einen hohen Deckungs-grad. Buchen-Dickungen weisen keine Feldschicht auf und sind damit für die Kleinsäuger-Jagd besonders prädestiniert. Alle bekannten Vorkommen befanden sich inmitten großer zusammenhängender Waldkomplexe. Die von schönn (1980) hervorgehobene Bevorzu-gung von Wassernähe am Brutplatz, trifft für zwei der drei Fläming-Brutplätze zu. Das Vorhandensein breiter Waldwege, Waldlichtungen und ähnlicher Freiflächen ist in ge-schlossenen Fichten-Bergwäldern von Relevanz, weniger oder gar nicht dagegen in den offeneren Heidewäldern.

    Nach tOrkler & langBehn (2009) ist der Sperlingskauz an das Vorkommen der Fichte gebunden. In 98 % der Brutreviere im niedersächsischen Flachland (Kerngebiet Lünebur-ger Heide) ist die Fichte die dominierende Baumart, Ausnahmen bildeten Kiefernalthölzer mit der Fichte als Unterbau oder Bestandsverjüngung und in ganz seltenen Fällen Laub-mischwälder. a. tOrkler ergänzt (mündl. Mitt.): „Bei zunehmender Revierdichte bezieht der Sperlingskauz sehr schnell pessimale Habitate und kann damit in unterschiedlichsten Waldtypen auftreten.“

    Bestand und BestandsentwicklungHistorisch ist nur ein Nachweis gesichert: Abschuss eines Tieres 1890 bei Mammendorf/BK, als Präparat bis Kriegsende in der Sammlung auf Schloss Hundisburg (nathusius 1939). BOr-

  • 30

    chert (1927) nennt noch zwei weitere, wenig gesicherte Einzelvorkommen zu Anfang des 20. Jahrhunderts bei Krosigk/SK und Schönebeck. Die Bestandsschätzungen für Sachsen-Anhalt durch fischer & dOrnBusch (2004-2010) basierten zunächst auf einem sehr geringen Informa-tionsstand, man ging für 2001-2006 von 10-15, nach verbessertem Kenntnisstand 2007-2009 von 20-30 BP vor allem im Hochharz aus. pschOrn (2010) ermittelte 2009/10 43 Reviere und schätzt den Gesamtbestand auf 45-60 Ansiedlungen in Sachen-Anhalt.

    Aus der Altmark wurden bis 2009 folgende Einzelnachweise des Sperlingskauzes be-kannt: Raum Salzwedel 21.10.2000 und 10.04.2010 SW Diesdorf, 02.04. 2003 östlich Chü-den, 01.01.2007 2 km östlich Riebau, 30.03.2010 Badel und 07.04.2010 Bierstedt; Letzlinger Heide 06.10.2010 Finkenbucht bei Wannefeld/SAW; Colbitzer Heide 14.10.2009 NO Dolle/BK (gnielka 2005, pschOrn 2010). Die bisherigen Beobachtungen und Brutzeitnachweise lassen nicht zwingend auf ein Brutvorkommen schließen. Einige der Waldstücke sind für eine Brutansiedlung bemerkenswert klein. Von Gewöllfunden am 10.03. und 27.05.2001 (gnielka 2005) unter einer Buntspechthöhle bei Chüden sollte nicht zwangsläufig auf eine besetzte Bruthöhle geschlossen werden. Es kam kein Altvogel zur Beobachtung; Auswurf unter einer Bruthöhle ist nur während der Nestlingszeit ab Juni typisch und besteht aus Kot- und Rupfungsresten. Der Kot- und Gewöllplatz der Altvögel befindet sich stets in eini-ger Entfernung von der Bruthöhle. Dennoch geht gnielka (2005) von einem wahrscheinli-chen Brutvorkommen in der Region aus. Im nördlich angrenzenden und stärker bewalde-ten Wendland (Lkr. Lüchow-Dannenberg) ist die Art seit 2002 bekannt. Aktuell wird dort von mindestens 15-20 Ansiedlungen ausgegangen, einzelne davon in direkter Grenznähe nordöstlich von Arendsee (A. Torkler). pschOrn (2010) nennt für die Altmarkkreise 4-6 Re-viere und errechnet eine Revierdichte von 0,04-0,06 Revieren/10 km2. Offenbar sind wirk-liche Brutansiedlungen in der Region bisher noch nicht entdeckt worden.

    Die Vorkommen im Harz blieben lange Zeit verborgen. Im Westharz konnten nach der Entdeckung einer ersten Brut im Mai 1992 SO Osterode am Harz (wiesner et al. 1992) im Folgejahr 16 weitere Reviere und bis 1997 32 Brutnachweise erbracht werden (meBs 2001). Für Sachsen-Anhalt schreibt schönn (1980): „Trotz intensiver Nachsuche in neuerer Zeit konnten keinerlei Vorkommen ermittelt werden (H. König, briefl.)“ und nennt ein von F. Ritter am 09.10.1979 westlich von Wernigerode/HZ (Steinerne Renne) verhörtes ♂. wies-ner et al. (1992) berichten von einem rufenden ♂ am 10.02.1990 westlich Schierke/HZ. Danach mehrten sich die Nachweise. wiesner (1997) benennt den ersten Brutnachweis bei Schierke durch Oelkers im Frühjahr 1993. pschOrn (2010) führt für die Zeitspanne 1993-1999 14 und für 2000-2010 insgesamt 77 Einzelnachweise auf und geht von 40-60 Revieren aus. Bei ca. 1.350 km2 untersuchter Waldfläche ergibt sich eine Revierdichte von 0,30-0,45 Revieren/10 km2. schulze et al. (2008) fanden im 6.112 ha großen EU SPA Vogelschutzge-biet Hochharz zwischen 1994 und 2007 im Mittel 5,7 (3-11) besetzte Reviere. Die übrigen Harzregionen sind, wenn auch bei geringerer Dichte, zwischenzeitlich ebenfalls besiedelt.

    Im Fläming ist der Sperlingskauz mehrjährig nachgewiesener Brutvogel, wenn auch die Brutnachweise und die Mehrzahl der Feststellungen aus dem grenznahen Raum des Lkr.

  • Arbeitsmaterialien Avifauna Sachsen-Anhalt 2: 31

    Potsdam-Mittelmark vorliegen. Erste Hinweise auf eine Anwesenheit des Kauzes gehen auf Oktober 1997 zurück, erfolgreiche Suchaktionen begannen im Mai 2005, der erste Brutnachweis gelang 2008 (kOlBe 2009). Bis einschließlich 2011 wurden drei Brutansied-lungsräume mit je 1-2 BP im Bereich Potsdam-Mittelmark und zwei Herbstnachweise aus dem Raum Grimme/ABI bekannt. Flächig sind die Flämingwälder selbst bis 2011 nicht abschließend durchsucht. Mit Blick auf die Forststruktur (u.a. großflächige Fichtenanteile) dürften weitere BP vor allem im Belziger Raum siedeln (4 ruf. M Feb. 2011 auf 13 km2 [H. Kolbe]), klare Hinweise auf Ansiedlung oder Brut im Fläming-Bereich von Sachsen-Anhalt fehlen.

    Die sporadischen Beobachtungen im Wittenberger Teil der Dübener Heide deuten auf ein weiteres Brutvorkommen für Sachsen-Anhalt hin. J. Noack fand am 20.06.2004 SO von Bad Schmiedeberg (Ausreißerteich) ein ♂ mit deutlichem Revierverhalten. Brutzeitbeob-achtungen gelangen J. Noack am 17.04. und 02.05.2010 bei Mark Schmelz SW Reinharz (räumliche Trennung ca. 2 km), wo H. Rehn ein ♂ am 05.10.2010 den Herbstgesang vor-tragend nachwies. Am 15. und 17.05.2011 sangen zwei ♂ am Reichsapfelweg 4 km SSW von Reinharz, Hinweise auf eine aktuelle Brut gelangen nicht (H. Kolbe, H. Rehn). Die ausgedehnten und strukturreichen Wälder der Dübener Heide südlich von Bad Schmiede-berg sind als po