Arbeits- und sozialrechtliche Aspekte

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Der kranke Mitarbeiter im landwirtschaftlichen Betrieb. Arbeits- und sozialrechtliche Aspekte. Rechtsanwältin Susanne Wortmann Fachanwältin für Arbeitsrecht Rechtsanwälte Korth & Wortmann Bergstraße 25, 01069 Dresden Tel: 0351/4013712 Fax: 0351/4013713 - PowerPoint PPT Presentation

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Arbeits- und sozialrechtliche Aspekte

Der kranke Mitarbeiter im landwirtschaftlichen Betrieb

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Rechtsanwältin Susanne WortmannFachanwältin für Arbeitsrecht

Rechtsanwälte Korth & WortmannBergstraße 25, 01069 Dresden

Tel: 0351/4013712Fax: 0351/4013713

E-Mail: Rae_Korth_Wortmann@t-online.dewww.rechtsanwaelte-korth-wortmann.de

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Was ist Krankheit?

Im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG), das die Lohnfortzahlung bei Krankheit regelt, wird darunter jeder regelwidrige Köper- oder Geisteszustand verstanden, der einer Heilbehandlung bedarf. Also fallen auch darunter physische oder psychische Abhängigkeiten, also Süchte, Drogen, Nikotin, Alkohol; aber auch Unfruchtbarkeit oder Zeugungsunfähigkeit.

§ 3 EntgFGAnspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.

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Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn

1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

(2) Als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Absatzes 1 gilt auch eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt.

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Dasselbe gilt für einen Abbruch der Schwangerschaft, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.

(3) Der Anspruch nach Absatz 1 entsteht nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.

Beachte: Das Entgeltfortzahlungsgesetz regelt aber nicht nur die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sondern auch an Feiertagen, vgl. § 2 EntgFG.

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§ 2 Entgeltzahlung an Feiertagen

(1) Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.

(2) Die Arbeitszeit, die an einem gesetzlichen Feiertag gleichzeitig infolge von Kurzarbeit ausfällt und für die an anderen Tagen als an gesetzlichen Feiertagen Kurzarbeitergeld geleistet wird, gilt als infolge eines gesetzlichen Feiertages nach Absatz 1 ausgefallen.

(3) Arbeitnehmer, die am letzten Arbeitstag vor oder am ersten Arbeitstag nach Feiertagen unentschuldigt der Arbeit fernbleiben, haben keinen Anspruch auf Bezahlung für diese Feiertage.

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1. Exkurs:

Entgeltfortzahlung an Feiertagen

Es gilt nur an gesetzlichen Feiertagen, an denen die Arbeit ausfällt. Nicht an kirchlichen Feiertagen, Beispiel: heute = Fronleichnam.

Beachte:

Neben den bundesweiten Feiertagen gibt es in den Ländern weitere gesetzliche Feiertage.

Der Feiertag muss die alleinige Ursache des Arbeitsausfalls sein. Wenn der Arbeitnehmer also ohnehin frei gehabt hätte an dem Feiertag und damit auch kein Entgelt bezogen hätte, bekommt er auch keine Feiertagsvergütung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz.

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2. Exkurs:

Gibt es nur bei Krankheit oder Feiertagen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz eine Lohnfortzahlung?

Nein, vgl. bei Schwangerschaft: Mutterschutzgesetz, bzw. bei Pflege: Pflegezeitgesetz.

Aber auch bei personenbedingter tatsächlicher Verhinderung an der Arbeitsleistung nach § 616 BGB.

§ 616 Vorübergehende Verhinderung

Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.

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Ein solches subjektives, persönliches Leistungshindernis kommt vor allem in folgenden Fällen in Betracht: kirchliche und standesamtliche Eheschließung, außerordentliche Vorkommnisse in der Familie (Todesfälle, Begräbnisse, Geburten, Goldene Hochzeit der Eltern, Kommunion und Konfirmation der Kinder, schwere Erkrankung naher Angehöriger insbesondere Kindern, gesundheitspolizeiliche Untersuchungen in Lebensmittelbetrieben, Beschäftigungsverbote nach § 42 IfSG (Infektionsschutzgesetz), Einberufung als Laienrichter, Ladung zu Behörden oder gerichtlichen Terminen, Ausübung politischer, öffentlicher und religiöser Pflichten, Wahrnehmung von Ämtern bei der Freiwilligen Feuerwehr und auch Ablegung von Prüfungen (darunter zählt auch die Fahrprüfung).

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Achtung:

Arztbesuche: Außerhalb der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 3 EntgFG liegt nur dann ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers vor, wenn die ärztliche Versorgung während der Arbeitszeit medizinisch erforderlich ist, z. B. bei Blutabnahme im nüchternen Zustand oder die Sprechstunden des Arztes durchweg in der Arbeitszeit des Arbeitnehmers liegen und ein Termin außerhalb der Arbeitszeiten nicht vereinbart werden kann.

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Das Muster einer Bescheinigung des behandelnden Arztes über diese Arztbesuche sieht etwa so aus:

Frau/Herr …… war heute in der Zeit von …… Uhr bis …… Uhr in meiner Praxis in Behandlung.

Sofern die Behandlung innerhalb der Arbeitszeit lag, war dies notwendig, weil• die Behandlung wegen eines Arbeitsunfalls erfolgte ……,• eine akut aufgetretene Erkrankung zu behandeln war,• der Arztbesuch amtsärztlich vorgeschrieben war,• eine Untersuchung vorgenommen wurde, die nur zu dieser Zeit in der Praxis möglich

ist.

……, den ……Unterschrift des Arztes Praxisstempel

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Ganz praxisbedeutsam: Pflege erkrankter Kinder in § 45 SGB V geregelt.

§ 45 Krankengeld bei Erkrankung des Kindes

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. § 10 Abs. 4 und § 44 Absatz 2 gelten.

(2) Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 25 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 50 Arbeitstage je Kalenderjahr.

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(3) Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 haben für die Dauer dieses Anspruchs gegen ihren Arbeitgeber Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, soweit nicht aus dem gleichen Grund Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht. Wird der Freistellungsanspruch nach Satz 1 geltend gemacht, bevor die Krankenkasse ihre Leistungsverpflichtung nach Absatz 1 anerkannt hat, und sind die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, ist der Arbeitgeber berechtigt, die gewährte Freistellung von der Arbeitsleistung auf einen späteren Freistellungsanspruch zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes anzurechnen. Der Freistellungsanspruch nach Satz 1 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden.

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(4) Versicherte haben ferner Anspruch auf Krankengeld, wenn sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, sofern das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist und nach ärztlichem Zeugnis an einer Erkrankung leidet,

a) die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat,

b) bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig oder von einem Elternteil erwünscht ist und

c) die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt.

Der Anspruch besteht nur für ein Elternteil. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 gelten entsprechend.

(5) Anspruch auf unbezahlte Freistellung nach den Absätzen 3 und 4 haben auch Arbeitnehmer, die nicht Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 sind.

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Beachte:

Voraussetzung ist aber, dass eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Hier wird Krankengeld gezahlt. Jedoch längstens für zehn Arbeitstage, bei alleinerziehenden Versicherten längstens 20 Arbeitstage. Bei drei oder mehr Kindern aber für nicht mehr als 25 Arbeitstage. Bei Berufstätigkeit beider Elternteile kann nur einer nach Wahl den Anspruch geltend machen.

Beachte:

Wenn sie bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind, müssen die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt werden. Der Anspruch kann im Übrigen auch im Falle der Erkrankung anderer naher Angehöriger bestehen. Wenn sie auf Pflege des Arbeitnehmers angewiesen sind und eine anderweitige Versorgung nicht möglich ist.

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Das alles sind subjektive persönliche Leistungshindernisse, die über das Entgeltfortzahlungsgesetz hinaus einen Anspruch auf Vergütung des Arbeitnehmers regeln. Dieser Vergütungsanspruch besteht aber nicht, wenn der Hinderungsgrund weder mit der Person des Arbeitnehmers zu tun hat, noch aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt, sondern er nur ganz allgemein der Erbringung der Arbeitsleistung entgegensteht. Dann scheidet der Vergütungsanspruch nach § 616 BGB aus.

Damit besteht kein Vergütungsanspruch nach der Rechtsprechung bei allgemeinen Verkehrssperren, dem Zusammenbruch des öffentlichen Personennahverkehrs, Verkehrseinstellung wegen SMOG-Alarm, Straßensperrungen wegen Verkehrsunfall, Überschwemmung, Erdrutsch, Schnee und Glatteis und Ausfall einer Straßenbahn oder ähnlichem.

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Wenn allerdings das Auto des Arbeitnehmers versagt oder er einen Unfall selbst erleidet, liegt ein persönliches Leistungshindernis vor, das einen Lohnanspruch nach § 616 BGB begründet, es sei denn, der Arbeitnehmer hat diesen Verhinderungsgrund verschuldet.

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Jetzt aber:

Der kranke Arbeitnehmer

I. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

1. Wann ist ein Arbeitnehmer überhaupt arbeitsunfähig?

Dies ist er dann, wenn die Krankheit es dem Arbeitnehmer unmöglich macht, die nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages geschuldete Leistung zu erbringen oder aber bei einer Fortsetzung der Arbeit die Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand in absehbarer Zeit verschlechtert. Damit ist also, ob eine Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit führt, davon abhängig, was für eine Arbeitsleistung zu erbringen ist. So kann ein Arbeitnehmer mit einer Fußverletzung arbeitsunfähig sein, wenn er bei der Arbeit gehen oder stehen muss. Dagegen besteht bei einer ausschließlich sitzenden Beschäftigung nicht ohne Weiteres eine Arbeitsunfähigkeit.

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Auch kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts den Inhalt der geschuldeten Arbeit festlegen und ihm, zumindest soweit das zulässig ist, eine andere Arbeitsaufgabe zuweisen. Das hat auch der Arzt bei der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu beachten.

Aber: Andere als vertraglich geschuldete Arbeiten, die innerhalb des Direktionsrechts liegen, dürfen nicht zugewiesen werden.

2.

Eine Arbeitsunfähigkeit liegt aber z. B. dann nicht vor, wenn eine Schönheitsoperation zur Arbeitsunfähigkeit, z. B. Beseitigung einer Tätowierung geführt hat. Auch ist ein ambulanter Arztbesuch nicht entgeltzahlungspflichtig, sondern nur die Erkrankung, die Anlass des Arztbesuches ist.

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Eine Arbeitsunfähigkeit ist auch dann nicht gegeben, wenn die Krankheit den Arbeitnehmer nicht an der Arbeitsleistung, sondern nur an der Zurücklegung des Arbeitsweges hindert. Denn das Wegerisiko darf dem Arbeitgeber nicht übertragen werden.

3. Erkrankung während des Urlaubs

Hier werden gemäß § 9 Urlaubsgesetz:

§ 9 Erkrankung während des Urlaubs

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.

die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Urlaub angerechnet. Der Urlaub ist also kraft Gesetzes unterbrochen. Dies gilt auch bei Bildungsurlaub, nicht allerdings bei unbezahltem Sonderurlaub.

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4.

Wenn der Arbeitnehmer zum Abbau von Überstunden bezahlt von der Arbeit freigestellt wurde, besteht kein Vergütungsfortzahlungsanspruch. Der Arbeitnehmer behält sein Entgelt aus der Freistellungsvereinbarung.

5.

Wenn ein gesetzlicher Feiertag in den Entgeltfortzahlungszeitraum fällt, hat der Arbeitnehmer für den Feiertag Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

6. Ausschluss des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung

Kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, wenn den Arbeitnehmer ein Verschulden an der Arbeitsunfähigkeit trifft.

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a) UnfallHier sind regelmäßig Unfälle verschuldet, die auf Alkoholmissbrauch zurückzuführen sind sowohl Verkehrs- als auch Freizeitunfälle. Voraussetzung ist ein vorsätzliches oder durch einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten herbeigeführte Ereignis. Dies kann sich in der Freizeit, bei Nachbarschaftshilfe oder auch einer Nebentätigkeit ereignet haben.

b) Arbeitsunfall, § 7 – 9 SGB VIIEin Arbeitsunfall ist verschuldet, wenn er auf einem groben Verstoß gegen ein Verbot des Arbeitgebers oder gegen Unfallverhütungsvorschriften oder auf besonders leichtfertigem oder unbedachten Verhalten beruht oder aber der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber bereitgestellte Sicherheitskleidung nicht getragen hat.

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c) VerkehrsunfallDiese sind dann verschuldet, wenn eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Verkehrsregeln vorliegt, wie z. B. Überholen an unübersichtlicher Stelle, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit, unachtsames Überqueren einer belebten Straße, Telefonieren während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung oder aber wenn sie auf Trunkenheit oder Tabletteneinnahme zurückzuführen sind.

Sportunfall: Diese sind dann verschuldet, wenn der Arbeitnehmer an einer besonders gefährlichen Sportart teilnimmt oder wenn sich der Arbeitnehmer in einer seine Kräfte deutlich übersteigenden Art sportlich betätigt oder er in besonders grober Weise und leichtsinnig gegen anerkannte Regeln des Sports verstößt.Wann ist eine Sportart besonders gefährlich? Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dann, wenn das Verletzungsrisiko auch durch einen gut trainierten Sportler nicht auszuschließen ist. Bislang gibt es aber dazu keinen vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall. Also auch das Amatuerboxen, das Drachenfliegen, das Fingerhakeln, das Motoradfahren aber auch das Kickboxen sollen nicht gefährlich sein.

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7.

Weitere Fälle, gegebenenfalls Schlägereien, wenn der Arbeitnehmer provoziert hat, aber auch wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit einer Nebentätigkeit nachgeht und dadurch die Arbeitsunfähigkeit verlängert wird. Dann ist die Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit verschuldet.

Beachte:

Wenn der Arbeitnehmer während der unerlaubten Nebentätigkeit einen unverschuldeten Unfall erleidet, so besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch. Ein Verschulden und damit kein Entgeltfortzahlungsanspruch kann aber vorliegen, wenn der Arbeitnehmer mit der ausgeübten Nebentätigkeit die zeitlichen Beschränkungen des § 3 Arbeitszeitgesetz überschritten hat.

Überschreitung bei mehr als zehnstündiger Arbeitszeit bzw. des Ausgleichszeitraums für diese zehnstündige Arbeitszeit. In der Regel darf nur acht Stunden gearbeitet werden.

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Auch genesungswidriges Verhalten kann ein Verschulden sein, da der Arbeitnehmer alles zu unterlassen hat, was seine Genesung verzögern kann. So dürfte z. B. die Teilnahme an einer Outdoor-Veranstaltung mit einer Lungenentzündung darunter fallen.

8.

Bei bereits geleisteter Vergütungsfortzahlung kann der Arbeitgeber die erbrachten Zahlungen zurückverlangen.

Aber wie immer: Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast.

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II. Beginn und Ende der Entgeltfortzahlung

Gesetz: § 3 Abs. 3 EntgFG (siehe oben)

1.

Nach § 3 Abs. 3 EntgFG entsteht der Anspruch nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.

Beachte:

Die Wartezeit gilt auch, wenn der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall erkrankt.

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Norm: § 3 Abs. 1 EntgFG (siehe oben)

2. Dauer des Anspruchs:

Grundsätzlich 6 Wochen, also 42 Kalendertage, zu denen auch alle arbeitsfreien Tage wie Sonn- und Feiertage etc. zählen.

- Erkrankung vor Arbeitsbeginn = erster Tag bei der Berechnung des 6-Wochen-Zeitraums.

- Erkrankung während der Arbeitszeit, Tag wird bei der Bemessung des 6-Wochen-Zeitraums nicht eingerechnet

- Ende des Anspruchs mit Ablauf der 6-Wochen-Frist oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses

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3. Wiederholte Erkrankung und Fortsetzungserkrankung

a)Eine Fortsetzungserkrankung liegt dann vor, wenn die Krankheit, auf der die frühere Arbeitsunfähigkeit beruhte in der Zeit zwischen dem Ende der vorausgegangenen und dem Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit medizinisch nicht vollständig ausgeheilt war, sondern als Grundleiden latent weiterbestanden hat. Die neue Erkrankung ist also nur eine Fortsetzung der früheren Erkrankung. Die wiederholte Arbeitsunfähigkeit muss auf demselben, nicht behobenen Grundleiden beruhen.

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Beispiel1:Ein Epileptiker verletzt sich bei verschiedenen, zeitlich auseinanderliegenden Anfällen und erleidet dabei zunächst einen Armbruch, dann eine Bisswunde an der Zunge, später einen Beinbruch.Hier handelt sich bei den verschiedenen Krankheitserscheinungen jeweils um Fortsetzungserkrankungen, da sie auf demselben Grundleiden beruhen.

Aber: Eine Vorerkrankung wird nicht als Teil einer späteren Fortsetzungserkrankung angesehen, falls sie zu einer bereits bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hinzugetreten ist, ohne einen eigenen Anspruch auf Entgeltfortzahlung auszulösen. Das gilt aber nur, wenn die ursprüngliche und die hinzugetretene Erkrankung zeitgleich enden.

1 folgende Beispiele aus Tschöpe, Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 6. Auflage, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln

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Beispiel:Ein Arbeitnehmer ist sechs Wochen lang auf Grund einer Rippenfraktur arbeitsunfähig. In den letzten zwei Wochen tritt ein Hautekzem dazu. Beide Erkrankungen enden gleichzeitig. Zwei Wochen später wird der Arbeitnehmer in Folge des Hautekzems erneut für sechs Wochen arbeitsunfähig. Zwischen beiden Hauterkrankungen besteht kein Fortsetzungszusammenhang, da die erste Erkrankung an dem Ekzem keine eigene Entgeltfortzahlung ausgelöst hat, so dass bei der zweiten Erkrankung ein neuer und zwar voller Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht.

Wenn die hinzugetretene Krankheit aber über das Ende der ursprünglichen Erkrankung hinaus andauert, so ist die für die Zeit, in der sie alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit war, als ein Teil der späteren Fortsetzungserkrankung zu werten.

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Beispiel:Wieder das Rippenbruch-Beispiel. Dabei endet die hinzugetretene Hauterkrankung eine Woche nach dem Rippenbruch. Die erste Arbeitsunfähigkeit dauert also insgesamt sieben Wochen. Zwei Monate später wird der Arbeitnehmer wegen der Hauterkrankung nochmals für sechs Wochen arbeitsunfähig.In diesem Fall ist Entgeltfortzahlung für sechs Wochen zu leisten. Für die siebte Woche dagegen nicht, denn eine hinzugetretene Erkrankung verlängert den 6-Wochen-Zeitraum nicht.

Beachte:

Tritt die andere Krankheit während bestehender Arbeitsunfähigkeit hinzu, führt dies nicht zu einer Verlängerung der 6-Wochen-Frist.

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Aber: Um zwei selbstständige Verhinderungsfälle handelt es sich, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Erkrankungen wieder arbeitsfähig war.

Zum Beispiel zurück:Für die zweite Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen ist dann noch für fünf Wochen Entgeltfortzahlung zu leisten, da eine Woche bereits verbraucht ist.

Wie immer: der Arbeitgeber trägt die Beweislast für das Vorliegen einer wiederholten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit, also einer Fortsetzungskrankheit. Das dürfte für den Arbeitgeber sehr schwierig sein, da er in der Regel die Ursachen der Arbeitsunfähigkeit nicht kennt. Wenn also der Arbeitnehmer länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, dann muss er darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt, indem er z. B. eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorlegt.

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Wenn dann der Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Krankheit bestreitet, muss der Arbeitnehmer alles darlegen, was die Schlussfolgerung erlaubt, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen. Dazu muss er den Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Die Krankenkasse ist aber auch gemäß § 69 Abs. 4 SGB X befugt, den Arbeitgebern hierüber Mitteilung zu geben.

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Muster:An die Krankenkasse …… …… (Anschrift)

Ihr Mitglied ……

Sehr geehrte Damen und Herren,

Herr/Frau …… steht zu uns in einem Arbeitsverhältnis als …… Er/Sie ist bei Ihnen krankenversichert.Vom …… bis …… war Herr/Frau …… arbeitsunfähig krank. Wir gehen davon aus, dass die Erkrankung in ursächlichem Zusammenhang mit einer früheren Erkrankung steht.Wir bitten eine Befragung des Arztes vorzunehmen, ob es sich um eine Fortsetzungserkrankung handelt.Mit freundlichen Grüßen

Arbeitgeber

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b) Oft nicht bekannt: der Zwölf-Monats-Zeitraum

Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von zwölf Monaten in Folge derselben Krankheit wiederholt arbeitsunfähig war, hat er innerhalb dieses Zwölf-Monats-Zeitraums für längstens sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 EntgFG:

Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn

1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

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Also:Der Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht bei erneuter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nach Ablauf des Zwölf-Monats-Zeitraums neu. Diese Sperre fällt also nach zwölf Monaten weg.

c) der Sechs-Monats-Zeitraum

Aber: Von der Zwölf-Monats-Regelung unabhängig hat der Arbeitnehmer bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit einen erneuten Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er sechs Monate lang infolge derselben Erkrankung nicht arbeitsunfähig war. Dann ist die spätere Arbeitsunfähigkeit erste Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EntgFG. D. h. also unabhängig von der Zwölf-Monats-Regelung hat der Arbeitnehmer bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit einen erneuten Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er, das ist Voraussetzung, sechs Monate lang infolge derselben Erkrankung nicht arbeitsunfähig war und zwar wiederum für die Dauer bis zu insgesamt sechs Wochen, § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EntgFG.

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Dazu Berechnungsbeispiele:

Ein Arbeitnehmer war wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig vom 11.06. bis 22.06.2007 (12 Kalendertage), vom 15.10.2007 bis 10.06.2008, am 22.06.2008 und sodann ab 11.08.2008 längerfristig.

Die sechswöchige Entgeltfortzahlung endete am 13.11.2007. Der Lauf der Zwölf-Monats-Frist begann am 11.06.2007, endete also am 10.06.2008. Ab 22.06.2008 bestand somit erneut ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für sechs Wochen, nämlich für den 22.06.2008 (1. Kalendertag) sowie ab 11.08. bis 20.09.2008 (41 Kalendertag), dies sind insgesamt 42 Kalendertage.

Verkürzt man die zweite Arbeitsunfähigkeit auf die Zeit 15.10. bis 05.12.2007, hat der Arbeitnehmer ebenfalls ab 22.06.2008 erneut Anspruch auf die sechswöchige Entgeltfortzahlung, denn er war zwischen der zweiten und dritten Erkrankung für mindestens sechs Monate arbeitsfähig (Beginn des Sechsmonatszeitraums: 06.12.2007, Ende: 05.05.2008).

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Höhe der Entgeltfortzahlung

a)

Es gilt § 4 Abs. 1 Satz 1 EntgFG und unter Beachtung § 4 Abs. 1 a Satz 1 EntgFG, also das, was er in der für ihn maßgeblich regelmäßigen Arbeitszeit an Arbeitsentgelt erhalten hätte, also nicht Überstundenentgelt; vgl.

§ 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 a Satz 1 EntgFG:

(1) Für den in § 3 Abs. 1 oder in § 3a Absatz 1 bezeichneten Zeitraum ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.

(1a) Zum Arbeitsentgelt nach Absatz 1 gehören nicht das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt und Leistungen für Aufwendungen des Arbeitnehmers, soweit der Anspruch auf sie im Falle der Arbeitsfähigkeit davon abhängig ist, dass dem Arbeitnehmer entsprechende Aufwendungen tatsächlich entstanden sind, und dem Arbeitnehmer solche Aufwendungen während der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen.

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Bei der regelmäßigen Arbeitszeit ist bei Schwankungen der Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitszeit vergangenheitsbezogen zu ermitteln, d. h. die vergangenen zwölf Monate sind heranzuziehen. Wenn also die Arbeitszeit und damit auch die Entgelthöhe unregelmäßig schwankt, muss als Referenzzeitraum festgelegt werden, das die durchschnittliche Arbeitslänge maßgebend ist für die Berechnung.

b) Einmalige Zuwendungen/Sondervergütungen

§ 4 a EntgFG bestimmt, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten bei der Bemessung von Sondervergütungen in einem bestimmten Umfang berücksichtigt werden können. Sondervergütung nach § 4 a EntgFG ist jede Leistung, die zusätzlich zum laufenden Arbeitsgelt erbracht wird.

§ 4a Kürzung von Sondervergütungen

Eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), ist auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.

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Hier ist es möglich, bei Fehltagen die in demselben Zeitraum liegen wie die Zahlung der Sondervergütung, also Beispiel Weihnachtsgeld 01.12., bedeutet also Zeitraum ein Jahr davor bis zum 30.11., kann eine Kürzung entweder einzelvertraglich oder durch eine Betriebsvereinbarung, wenn kein Tarifvertrag Anwendung findet, vereinbart werden. Danach ist aber eine Kürzung der Sondervergütung für jeden krankheitsbedingten Fehltag nur um bis zu ¼ des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, zulässig.

Beispiel:Eine Regelung sieht für den 01.12. die Zahlung einer Sondervergütung in Höhe von 2.000,00 EUR vor. Das Arbeitsentgelt aus der Zeit 01.12. des Vorjahres bis zum 30.11. des laufenden Jahres beträgt unter Einbeziehung der Sondervergütung 26.400,00 EUR. Unterstellt, es gab 220 Arbeitstage, ergibt sich somit ein jahresdurchschnittliches Entgelt von 120,00 EUR je Arbeitstag (26.400,00 EUR / 220 Tage). Dann darf die Sondervergütung für jeden krankheitsbedingten Fehltag um bis zu 30,00 EUR gekürzt werden (120,00 EUR / 4 = 30,00 EUR).

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Formulierungsvorschlag für eine Kürzungsregelung:

Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zuzüglich sonstiger Sondervergütungen wird für jeden krankheitsbedingten Fehltag um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt.

4. Anzeige- und Nachweispflichten

a)

Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen. Das gilt auch während der vierwöchigen Wartezeit zu Beginn des Arbeitsverhältnisses.

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§ 5 Abs. 1 EntgFG lautet:

(1) 1 Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. 2 Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. 3 Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. 4 Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. 5 Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.

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Es ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sicherzustellen, dass der Arbeitgeber am ersten Tag der Erkrankung unterrichtet wird. D. h. es genügt nicht, wenn er an diesem Tag eine briefliche Mitteilung abschickt. Es muss die voraussichtlich Dauer mitgeteilt werden. Die Unterrichtung kann auch eine andere Person übernehmen.

Nachgewiesen werden muss die Arbeitsunfähigkeit spätestens dann, wenn sie länger als drei Kalendertage dauert, vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 EntgFG:

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 44

Dieser Nachweis wird durch Vorlage der Bescheinigung eines Arztes über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtlicher Dauer geführt. Das gilt auch während der vierwöchigen Wartezeit nach § 3 Abs. 3 EntgFG und auch, wenn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht oder nicht mehr besteht, also nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums.

Hier ist in der Praxis oft zu beobachten, dass Arbeitnehmer, die aus der Entgeltfortzahlung beim Arbeitgeber herausgekommen sind und Krankengeld beziehen, dieser Pflicht nicht genügen. Dann hat der Arbeitgeber die Berechtigung, den Arbeitnehmer zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufzufordern.

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Nachfolgend Muster:

1. Anzeige einer Arbeitsunfähigkeit:

An die…… GmbH …… (Anschrift)

Sehr geehrte Damen und Herren,

aufgrund einer Erkrankung kann ich heute bis voraussichtlich zum …… nicht zur Arbeit erscheinen. Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reiche ich fristgemäß nach.

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitnehmer

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2. Aufforderung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

AnFrau/Herrn …… …… (Anschrift)

Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,

nach § 5 Abs. 1 EFZG sind Sie gehalten, eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert. Die Vorlage hat spätestens am darauffolgenden Werktag zu erfolgen.

Wir fordern Sie hiermit auf, dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen.

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitgeber

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 47

3. Aufforderung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit

AnFrau/Herrn …… …… (Anschrift)

Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,

nach § 5 Abs. 1 EFZG sind Sie gehalten, eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert. Die Vorlage hat spätestens am darauffolgenden Werktag zu erfolgen. Nach § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG ist der Arbeitgeber berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Von dieser Möglichkeit machen wir hiermit Gebrauch. Wir bitten Sie, im Falle der Erkrankung bereits am ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen.

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitgeber

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Der Arbeitgeber kann auch arbeitsvertraglich regeln, das der Arbeitnehmer verpflichtet ist, bereits am ersten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen.

Unterschiedliche Regelungen bei Arbeitnehmern sind möglich. Ebenso wie die Aufforderung einzelner Arbeitnehmer, wenn der Verdacht besteht, dass die Drei-Tages-Frist missbraucht wird; vgl. Muster 3.

Das kann bedeutsam werden für eine Arbeitsunfähigkeit, die länger dauert, als in der ärztlichen Bescheinigung angegeben. Dann gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 4 EntgFG: „Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 49

Allerdings beginnt hier wieder die Vorlagefrist mit dem Ende der zunächst bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zu laufen.

Beispiel:Wenn also in der Bescheinigung als letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit der 15.08. angegeben ist und die Arbeitsunfähigkeit darüber hinaus fortbesteht, muss spätestens am 19.08. (vierter Krankheitstag) eine neue Bescheinigung vorgelegt werden.

b) Was gilt bei Verletzung der Pflicht?

Die Mitteilungspflicht ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, deren Verletzung in aller Regel keinen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellt. Ausnahme: es liegt eine beharrliche Nichtbeachtung dieser Pflichten vor.

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Aber: Der Arbeitgeber kann bei Nichtvorlage der ärztlichen Bescheinigung die Entgeltfortzahlung verweigern, vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 EntgFG:

§ 7 Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern,

1. solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt oder den ihm nach § 5 Abs. 2 obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt.

Heilung tritt aber sofort ein, wenn der Arbeitnehmer die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sei es auch verspätet oder anderweitig erbringt und nachweist, dass er arbeitsunfähig krank ist. Das ist besonders praxisbedeutsam in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer keine ärztliche Bescheinigung beibringen kann, weil er keinen Arzt aufgesucht hat.

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Verletzt der Arbeitnehmer die Nachweispflicht, § 5 Abs. 1 Satz 2 EntgFG (siehe oben), besteht dieses Leistungsverweigerungsrecht und im Wiederholungsfall nach vorheriger Abmahnung das Recht zur ordentlichen Kündigung.

Bei Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 5 Abs. 1 EntgFG steht dem Arbeitgeber kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Hier kann nach Schuldfaktor und wiederholter Nichtbeachtung dieser Pflicht und Ausspruch vergeblicher Abmahnung auch eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sein.

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V. Was ist bei bestehenden Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers?

Grundsätzlich gilt: Die ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat die Vermutung der Richtigkeit.

Wenn allerdings Umstände vorliegen, die ernsthafte und begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit entstehen lassen, so muss der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern.

Dies kann im Einzelfall sehr schwer sein.

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Beispiele:Angekündigte Arbeitsunfähigkeit, nämlich Drohung im Falle der Nichterteilung von Urlaub, Verrichtung von Schwarzarbeit, ganztägig Bauen auf einer Eigenheimbaustelle, schichtweise Nachgehen einer Nebenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber o. ä.

Beachte: § 275 SGB V

Danach ist es dem Arbeitgeber möglich, bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers die Krankenkasse einzuschalten, die verpflichtet ist, vom medizinischen Dienst unverzüglich eine Begutachtung einzuholen.

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Zweifel haben die Krankenkassen bei auffallend häufigen bzw. auffallend häufig für kurze Dauer arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmern bzw. den Arbeitnehmern, deren Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeitstag am Beginn oder Ende einer Woche fällt. So liegt eine auffallende Häufigkeit nach allgemeiner Lebenserfahrung bei Arbeitnehmern vor, die gegenüber dem Durchschnitt um 50 % erhöhte Krankheitswerte aufweisen.

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 55

Muster zur Aufforderung zur Untersuchung durch den medizinischen Dienst für diese Fälle:

An dieKrankenkasse …… …… (Anschrift)

Sehr geehrte Damen und Herren,

unser Arbeitnehmer, Herr ……, ist seit dem …… arbeitsunfähig krank. Er hat eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des/der Herrn/Frau Dr. …… vorgelegt. In letzter Zeit ist unser Arbeitnehmer wiederholt von Arbeitskollegen gesehen worden. Diese haben mitgeteilt, dass der Arbeitnehmer folgende Arbeiten verrichtet hat: ……

Wir haben daher Zweifel, ob die Arbeitsunfähigkeit zutreffend diagnostiziert worden ist, und bitten, eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einzuholen.

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitgeber

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VI. Kostenausgleich in Kleinbetrieben

Nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz können Arbeitgeber in Kleinbetrieben die Entgeltfortzahlungskosten für ihre Arbeitnehmer über ein Sondervermögen erstattet verlangen, welches durch Umlagen gebildet wird. Ein Kleinbetrieb darf nicht mehr als 30 Arbeitnehmer, Arbeiter und/oder Angestellte beschäftigen, § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, Satz 2 AAG. Auszubildende, Aushilfskräfte, Schwerbehinderte, Wehr- und Zivildienstleistende etc. sind nicht mitzuzählen.

Das Umlageverfahren wird durch die Krankenkassen durchgeführt.

Erstattungsfähig sind die Aufwendungen für die gesetzlichen Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall für alle Arbeitnehmer und auch für Auszubildende.

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 57

Im AAG wird auch der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs. 1 MuSchG geregelt sowie die Entgeltfortzahlung bei Beschäftigungsverboten nach § 11 MuSchG.

Die Aufwendungen für die Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall werden in Höhe von 80 %, für das Mutterschaftsgeld und den Mutterschutzlohn in voller Höhe ersetzt. Allerdings erfolgt eine Erstattung erst, nachdem der Arbeitgeber die Beträge bereits erbracht hat, § 2 Abs. 2 Satz 2 AAG.

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VII. Krankheitsbedingte Kündigung

Die krankheitsbedingte Kündigung ist eine sogenannte personenbedingte Kündigung.

Anlass kann entweder sein:

- dauerhafte Arbeitsunfähigkeit,- eine lang andauernde Erkrankung,- häufige Kurzerkrankung oder- krankheitsbedingte Minderleistung.

Auch die krankheitsbedingte Kündigung muss sozial gerechtfertigt sein.

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Ob sie das ist , ist in drei Stufen zu prüfen, welche sind:

- Zunächst muss eine Negativprognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes vorliegen.- Sowohl die bisherigen als auch die nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers müssen weiter zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dies können etwa durch Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen hervorgerufen werden.- Dritte Stufe ist die Interessenabwägung, bei der geprüft werden muss, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führt.

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Ganz verkürzt kann man ein Prüfungsschema bei einer krankheitsbedingten Kündigung aus den vier verschiedenen genannten Gründen folgendermaßen darstellen:

Grund

Prüfungs-stufen

Dauerhafte AU oder Wiederein-stellung völlig Ungewiss

Lang anhaltendeErkrankung

Häufige Kurz-erkrankungen

KrankheitsbedingteMinderleistung

1.Negative Gesund-heitsprognose (Zeit-punkt: Kündigungs-Zugang

gegeben AU auf nicht absehbare Zeit

Fehlquoten Minderleistung

2.Beeinträchtigung betrieblicher Interessen

gegeben wirtschaftliche Be-lastung Überbrück-ungsmaßnahmen nicht mehr möglich oder zumutbar

Ablaufstörungen

Entgeltfortzahlung

sonstige Kosten (z. B. Mehrarbeit)

nicht mehr im Leistungslohn einsetzbarFür vollen Zeitlohn keine adäquate Leistung

3.Interessenab-Wägung

grundsätzlich entbehrlich

unzumutbare Belastung des Arbeitsverh.

unzumutbare Belastung des Arbeitsverh.

unzumutbare Belastung des Arbeitsverh.

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 61

Beachte:

Da der Arbeitgeber häufig die Krankheitsursache des Arbeitnehmers nicht im Einzelnen kennt, hat er das Problem, dass er über sein Personal disponieren möchte, aber nicht weiß, ob und wenn ja wann der Arbeitnehmer wieder kommt. Der Arbeitgeber müsste daher versuchen, den Arbeitnehmer anzuschreiben um herauszufinden, ob eine Beschäftigung überhaupt und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen möglich ist. Ein solches Schreiben könnte daher wie folgt aussehen:

Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,

wir haben in den letzten Jahren bei Ihnen erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten feststellen müssen. Diese betrugen im Einzelnen:…… (Hier sollten die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgeschlüsselt wiedergegeben werden.) …… Diese Fehlzeiten waren mit erheblichen Entgeltfortzahlungskosten verbunden. Diese betrugen im Einzelnen:…… (Hier sollten die Entgeltfortzahlungskosten aufgeschlüsselt wiedergegeben werden.) ……

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 62

Wir haben damit insgesamt zwei Probleme, die Ihre hohen Fehlzeiten und die damit verbundenen Entgeltfortzahlungskosten mit sich bringen: Zum einen eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Unternehmens, zum anderen aber auch das Problem der Planbarkeit Ihres Einsatzes.

Um abzuklären, ob und wann wir mit Ihrem Einsatz wieder rechnen können, würden wir Sie bitten, uns Ihre Krankheitsursachen mitzuteilen und/oder die Sie behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Wir müssen dann gemeinsam sehen, ob ein Einsatz Ihrerseits in unserem Hause und ggf. auf welcher Position in Frage kommt bzw. was wir tun können, damit Ihr Einsatz ohne Fehlzeiten im bisherigen Umfang in Zukunft möglich ist.

Sollten Sie zwischenzeitlich selbst zu dem Ergebnis gekommen sein, dass eine Beschäftigung tatsächlich nicht mehr möglich ist, steht es Ihnen jederzeit frei, sich bei der Personalabteilung, dort bei Herrn/Frau ……, zu melden. Man wird dann gemeinsam klären müssen, ob ggf. eine einvernehmliche Beendigungslösung in Betracht kommt.

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitgeber

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Beachte:

Soll eine krankheitsbedingte Kündigung seitens des Unternehmens beabsichtigt sein, so ist darauf hinzuweisen, dass nach § 84 Abs. 2 SGB IX ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt werden muss, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt ist.

§ 84 Abs. 2 SGB IX:

Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. (Fortsetzung nächste Seite)

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Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfe im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.

Nach der Rechtsprechung wirkt sich ein unterlassenes BEM für den Arbeitgeber nachteilig aus, wenn er in einem Kündigungsrechtsstreit nach einer krankheitsbedingten Kündigung darlegen und beweisen muss, dass auf Grund der lang andauernden Erkrankung eine sogenannte negative Prognose gestellt werden kann, dass der Arbeitnehmer die Arbeit nicht mehr aufnehmen wird.

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 65

Im Übrigen kann die Weigerung des Arbeitgebers ein BEM durchzuführen sogar zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers gemäß §§ 280 BGB, 823 Abs. 2 i. V. m. § 84 Abs. 2 SGB IX führen, so LAG Hamm vom 04.07.2011 – Az. 8 Sa 726/11 -.

Es ist dem Arbeitgeber daher nur zu raten, ein solches betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen und die beteiligten Stellen, gegebenenfalls Betriebsrat oder aber beim schwerbehinderten Arbeitnehmer den Schwerbehindertenvertreter und auf jeden Fall das Integrationsamt mit einzubeziehen.

Zur Vorbereitung auf die Durchführung dieses betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements und gegebenenfalls zur Erleichterung der Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen dieses Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber folgendes Anschreiben verwenden:

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 66

Muster:

Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,

in diesem Jahr liegen Ihre Fehlzeiten über dem Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen. Ihre Fehlzeiten betrugen im Einzelnen:

…… (Hier sollten die Fehlzeiten aufgeschlüsselt werden.) ……

Die Fehlzeiten haben zu nicht unerheblichen Kosten in unserem Unternehmen geführt. Diese betrugen für den oben aufgeführten Zeitraum insgesamt …… EUR brutto.

Der Gesetzgeber sieht in § 84 Abs. 2 SGB IX vor, dass die Möglichkeiten erörtert werden sollen, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.

Aufgrund Ihrer Erkrankungen zählen Sie zu dem Personenkreis, mit dem wir als Arbeitgeber verpflichtet sind, ein so genanntes betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen.

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 67

Wenn Sie mit der Durchführung eines solchen betrieblichen Eingliederungsmanagements einverstanden sind, bitten wir Sie, uns dies auf anliegender Durchschrift dieses Schreibens zu bestätigen. Unsere Personalabteilung würde anschließend auf Sie zukommen, um einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Gegenstand dieses Gesprächstermins ist, dass wir Sie zunächst über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements informieren wollen. Wir wollen Sie ferner darüber informieren, dass und welche Informationen wir benötigen, damit geprüft werden kann, ob überhaupt und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, eine Weiterbeschäftigung ggf. auf welchem Arbeitsplatz tatsächlich und rechtlich möglich ist.

Wenn Sie mit der Durchführung des betrieblichen Wiedereingliederungs-managements einverstanden sind, teilen Sie uns das bitte mit.

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Gegebenenfalls:

Eine Ablichtung dieses Schreibens sowie des vereinbarten Gesprächstermins leiten wir an … (gegebenenfalls Integrationsamt) … weiter.

Bei Betriebsrat gegebenenfalls:

Ob ein Vertreter des Betriebsrats an dem Gesprächstermin teilnimmt, obliegt Ihnen. Wir wären Ihnen daher für eine Mitteilung verbunden, ob ein Vertreter des Betriebsrats an dem Gespräch teilnehmen soll oder nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitgeber

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2. Muster ausführlicher:

An Frau/Herr ………… (Anschrift)

Gespräch zur Gesundheitsvorsorge

Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,

Ihre Gesundheit und Ihre Arbeitsfähigkeit sind uns wichtig!

In den vergangenen Monaten waren Sie bereits mehrfach arbeitsunfähig erkrankt. So ergibt sich für die vergangenen 12 Monate (…) eine Fehlzeit in Höhe von …… Arbeitstagen (Krankheit, Rehabilitation und Wiedereingliederung). Das letzte mit Ihnen in diesem Zusammenhang geführte Krankenrückkehrgespräch durch Ihren ……,……, fand am …… statt.

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Jahre = Fehltage (Arbeitstage)…… ……

Für die letzten Jahre errechnen sich darüber hinaus folgende Fehlzeiten:

Wir bedauern dies sehr und wünschen Ihnen eine baldige Genesung.Damit der Arbeitgeber durch ein frühzeitiges Zugehen auf erkrankte Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, schnellstmöglich eventuellen gesundheitlichen Gefährdungen am Arbeitsplatz entgegenzuwirken und um eine erfolgreiche Eingliederung zu unterstützen, sieht das SGB IX in § 84 Abs. 2 (beigefügt als Anlage 1) ein sog. betriebliches Eingliederungsmanagement vor.

Hierbei geht es darum, betrieblich beeinflussbare Faktoren zur Unterstützung Ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz und Ihrer Gesundung auszumachen und so bestenfalls einen Beitrag zur dauerhaften Stabilisierung Ihrer Gesundheit leisten zu können.

Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist es also, Sie dabei zu unterstützen, Ihre Gesundheit zu stabilisieren oder zu verbessern und individuell auf Sie abgestimmte Maßnahmen zu finden, damit Sie Ihre Arbeit wieder aufnehmen können und Ihnen die Arbeitsausführung erleichtert wird.

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Da die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Arbeitnehmer für uns ein wichtiges und ernst zunehmendes Thema darstellt, möchten wir Ihnen unsere Hilfe anbieten. Wenn Sie damit einverstanden sind, würden wir gerne ein Gespräch darüber führen, an dem auch die Personalabteilung, der Betriebsrat und der Betriebsarzt beteiligt werden können. In diesem Gespräch soll gemeinsam erörtert werden, welche betrieblichen Bedingungen in Ihrem Fall im Hinblick auf Ihre Gesundung und Gesunderhaltung verändert und welche geeigneten Maßnahmen vor oder bei Wiederaufnahme Ihrer Arbeit vereinbart werden können, um einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.

Wir laden Sie daher zu einem Beratungsgespräch am ……, um …… Uhr, im …… ein. Von Unternehmensseite werden anwesend sein…

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Gegebenenfalls bei Betriebsratsbeteiligung:

Sofern Sie es wünschen, werden wir auch einen Vertreter des Betriebsrats zu diesem Gespräch einladen. Bitte senden Sie uns zur Bestätigung des Termins die als Anlage 2 beigefügte „Rückantwort zur Einladung zum Beratungsgespräch“ ausgefüllt im beigefügtem Rückumschlag zurück.

Die vorformulierten für den Arbeitnehmer beigefügten Schreiben können daher so aussehen:

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 73

Muster 1 Antwortschreiben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements

bin ich nicht einverstanden.bin ich einverstanden. (Zutreffendes bitte ankreuzen.)

Bei dem zu vereinbarenden Gespräch möchte ich, dassHerr/Frau …… als Vertreter des BetriebsratsHerr/Frau …… als Vertreter der Schwerbehindertenvertretung teilnimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Arbeitnehmer

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 74

Muster 2, ausführliche Form, Antwortschreiben:

An die …… GmbH…… (Anschrift)

Rückantwort zur Einladung zum Beratungsgespräch (Betriebliches Eingliederungsmanagement)

Name, Vorname ……Personalnummer …… Geburtsdatum……Gesprächstermin ……

Mit einem Beratungsgespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements bin ich einverstanden.

Der Gesprächstermin ist für mich passend.An diesem Gespräch soll ein Vertreter des Betriebsrats teilnehmen.An diesem Gespräch soll ein Vertreter der Schwerbehindertenvertretung teilnehmen.

Den Gesprächstermin kann ich leider nicht einhalten. Als alternativer Termin würde bei mir passen …… (Datum/Uhrzeit).……, den ……

Arbeitnehmer

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 75

Zusätzlich beifügen:

Name, Vorname ……Personalnummer …… Geburtsdatum……

Ich wurde über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements aufgeklärt.Des Weiteren bin ich darüber informiert worden, dass die Teilnahme am betrieblichen Eingliederungsmanagement freiwillig ist und von mir jederzeit ohne Angabe von Gründen beendet werden kann.Ich bin mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements einverstanden. Über die Einhaltung des Datenschutzes wird eine gesonderte Vereinbarung geschlossen.Ich bin mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht einverstanden. Mir ist bekannt, dass ich mich im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf ein nicht durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX nicht berufen kann.

……, den ……

Arbeitnehmer

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 76

Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht:

Name, Vorname ……Personalnummer …… Geburtsdatum ……

Ich bin darüber informiert worden, dass Frau/Herr …… als Beauftragte(r) für das betriebliche Eingliederungsmanagement die Aufgabe hat, mir dabei zu helfen, meine Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen sowie meinen Arbeitsplatz zu erhalten.

Um die dazu erforderlichen Maßnahmen ergreifen zu können, benötigt sie/er Informationen über meine Person, meinen Gesundheitszustand, meinen Arbeitsplatz sowie den bisherigen Verlauf meines Arbeitsverhältnisses (nachfolgend personenbezogene Daten). Ich habe zugestimmt, dass eine elektronische Speicherung und Verarbeitung derartiger personenbezogener Daten ausschließlich zum Zweck der Dokumentation und zur Erbringung von gesundheitsbezogenen Maßnahmen und Hilfen vorgenommen wird.

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Diese Erklärung erfolgte freiwillig und kann jederzeit von mir widerrufen werden. Mir wurde versichert, dass meine personenbezogenen Daten ohne mein ausdrückliches Einverständnis weder an meinen Arbeitgeber noch an Dritte weitergeleitet werden.

Daher entbinde ich• die mich behandelnden Ärzte/Ärztinnen ……• die mich betreuende(n) Person(en) ……• meine Krankenkasse ……• den Unfallversicherungsträger ……• den Rentenversicherungsträger ……• die Agentur für Arbeit ……• sonstige Sozialversicherungsträger, nämlich ……• andere, nämlich ……• von der Schweigepflicht gegenüber Herrn/Frau ……

……, den ……

Arbeitnehmer

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Und zum Schluss noch die Datenschutzerklärung:

Name, Vorname ……Personalnummer …… Geburtsdatum……Anschrift ……Führungskraft ……das Unternehmen ……und Frau/Herr ……

schließen folgende Vereinbarung über den Schutz persönlicher Daten im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements:

Frau/Herr …… ist damit einverstanden, dass zum Zweck ihrer/seiner Eingliederung die Angaben, die im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements erhoben werden, den am Prozess Beteiligten bekannt gemacht werden. Ärztliche Angaben zu Krankheitsdiagnosen werden nicht zur Personalakte genommen.

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 79

Sie/Er ist darüber informiert, dass die am Prozess Beteiligten zur Wahrung des Datengeheimnisses verpflichtet sind.Im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements werden u. a. folgende Informationen erhoben und genutzt:

• Personal- und Sozialdaten• Fehlzeitenübersicht• Aufstellung über die beim Arbeitgeber angefallenen Entgeltfortzahlungskosten• Gesundheitsdaten, Krankheitsdiagnosen, ärztliche Atteste und

Gesundheitszeugnisse• Abschrift der Personalakte• Dokumentationen über Verläufe und Ergebnisse von Arbeitsversuchen• Dokumentationen über Verläufe und Ergebnisse von Maßnahmen zur

stufenweisen Wiedereingliederung• Dokumentation über innerbetriebliche Umbesetzung• Anpassung des Arbeitsplatzes

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Daten, die im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements erhoben wurden, dürfen nur nach vorheriger Zustimmung des Arbeitnehmers an Dritte (z.B Rehabilitationsträger) weitergegeben werden.

Frau/Herr …… wurde über die Erfassung, Veränderung und Nutzung der erhobenen Daten umfassend informiert. Auch ist darauf hingewiesen worden, dass die Angaben freiwillig sind und sie/er alle ihre/seine Person betreffenden Dokumente einsehen kann.

Frau/Herr …… ist mit der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements einverstanden.

……, den ……

Arbeitnehmer

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Die Kündigung:

Beachte:

Eine Kündigung geht auch selbstverständlich einem kranken Arbeitnehmer zu, es sei denn sie wird zur Unzeit ausgesprochen.

Die unterschiedlichen krankheitsbedingten Kündigungsgründe:

1. Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit

a) Sichere Arbeitsunfähigkeit auf DauerIn der Regel ist bei unstreitig auf Dauer gegebener Unmöglichkeit die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, eine soziale Rechtfertigung der Kündigung gegeben.

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Es sei denn:

Der Arbeitnehmer kann auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden, der gleichwertig zumutbar und frei ist und der Arbeitnehmer geeignet ist, die dortige Arbeit zu verrichten. Das kann auch ein geringwertiger, nicht aber ein höherwertiger Arbeitsplatz sein. Wenn also ein Mitarbeiter versetzt werden kann im Rahmen des Direktionsrechts ist der Arbeitsplatz frei.

b) Ungewissheit der WiedergenesungRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts:

BAG vom 21.05.1992, 2 AZR 399/91; hiernach muss eine längere arbeitsunfähige Erkrankung, im entschiedenen Fall 1,5 Jahre vorliegen. Darüber hinaus muss im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiss sein. Diese Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit steht dann einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsfähigkeit gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann.

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Rechtsanwältin Susanne Wortmann 83

2. Lang andauernde Erkrankung

Die Kündigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn bei Kündigungszugang auf Grund der objektiven Umstände eine Arbeitsunfähigkeit in nicht absehbarer Zeit anzunehmen ist und genau diese Ungewissheit zu unzumutbaren betrieblichen oder aber wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers führt. Diese Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen muss dargelegt werden. Dabei hat der Arbeitgeber auch Überbrückungsmaßnahmen in Erwägung zu ziehen, wie etwa die Einstellung einer Aushilfskraft auf unbestimmte Zeit. Gegebenenfalls muss der Arbeitgeber genau darlegen, warum die Einstellung einer Aushilfskraft nicht möglich oder auch nicht zumutbar für ihn ist.

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3. Häufige Kurzerkrankungen

a) negative GesundheitsprognoseHier wird die negative Gesundheitsprognose durch häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit angenommen.

Beachte:

Es gibt keine festen Anhaltspunkte dafür, wann diese häufigen Fehlzeiten vorhanden sind.

So kann bereits bei einem 15 Monate andauernden Beschäftigungsverhältnis und einer Fehlquote von ca. 50 % eine Kündigung, da Negativprognose vorliegt, gerechtfertigt sein nach BAG vom 19.05.1993, 2 AZR 598/92.

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Allgemein gilt aber, dass diese häufigen Kurzerkrankungen in der Vergangenheit ein Indiz für die weiteren Fehlzeiten in der Zukunft sind und auch im Falle eines Rechtsstreits vorzutragen sind. Der Arbeitnehmer kann in einem etwaigen Prozess die Behauptung des Arbeitgebers bestreiten und die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Wenn diese dann den Inhalt hat, dass die künftige gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt wurde, liegt die negative Gesundheitsprognose nicht vor. Allerdings reicht die vom Arbeitnehmer vorgetragene Behauptung, das Leiden hätte sich gebessert, nicht aus.

Letztendlich entscheidend ist aber die negative Gesundheitsprognose für die der Arbeitgeber die Beweislast trägt. Dabei ist maßgeblich die objektive Prognose eines sachverständigen Dritten, in der Regel eines Arztes. Wenn sich aus den Auskünften der behandelnden Ärzte Zweifel an der Negativprognose ergeben, ist das nicht ausreichend. Ausreichend ist aber, wenn die Ärzte Auskunft insoweit erteilen, das Leiden des Arbeitnehmers habe sich nicht verschlimmert.

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b) erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher InteressenDazu kommt noch, dass die Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen geführt haben. Hierbei sind zu beachten Betriebsablaufstörungen, also wirtschaftliche Belastungen, grundsätzlich zählen dazu auch Entgeltfortzahlungskosten. Dabei können die betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen alternativ aber auch kumulativ vorliegen.

aa) BetriebsablaufstörungenDas sind Organisationsschwierigkeiten, Schwierigkeiten Ersatzkräfte zu beschaffen etc.

Beachte:

Wenn der Arbeitgeber einen häufig erkrankten Arbeitnehmer schon aus betriebsbedingten Gründen ohnehin nicht mehr beschäftigen kann, fehlt es allerdings an kündigungsrelevanten Betriebsablaufstörungen. Dann unter Umständen betriebsbedingte Kündigung notwendig.

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Überbrückungsmaßnahmen, die der Arbeitgeber ergreifen kann, sind immer zu beachten.

Beachte:

Gerade bei sehr hohen krankheitsbedingten Fehlquoten kann der Arbeitgeber den Nachweis für solche erheblichen betrieblichen Auswirkungen so gut wie gar nicht führen. Hier kommt eine erhebliche Störung des Betriebsablaufs nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer in Folge seiner Erkrankung gar nicht mehr einplanbar ist und deshalb auch diese Überbrückungsmaßnahmen unmöglich werden. Der pauschale Vortrag, andere Arbeitnehmer müssen Überstunden leisten, reicht zum Beispiel nicht aus.

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bb) erhebliche wirtschaftliche BelastungenDas sind insbesondere die Entgeltfortzahlungskosten, Kosten für Überstundenzuschläge, Kosten für einzustellende Ersatzkräfte aber auch Produktionsausfallkosten. Diese allein stellen schon betriebliche Beeinträchtigungen dar. Der Arbeitgeber muss nicht zusätzlich noch Betriebsablaufstörungen darlegen und auch kein Personalreserve vorhalten.

Bei der durchzuführenden Interessenabwägung ist der Belastungsgrad des Arbeitgebers zu prüfen. Dabei ist nicht auf die Gesamtbelastung des Arbeitgebers mit Entgeltfortzahlungen abzustellen, sondern auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses des gekündigten Arbeitnehmers. Daher beurteilt sich die Zumutbarkeit auch in Abhängigkeit von der Dauer des ungestörten Bestandes des Arbeitsverhältnisses sowie der Ursache der Erkrankung und ob die Fehlzeiten des gekündigten Arbeitnehmers deutlich höher sind als die der Arbeitnehmer mit vergleichbaren Tätigkeiten.

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So sind etwa nach einer Entscheidung des BAG vom 05.07.1990, 2 AZR 154/90 Entgeltfortzahlungskosten, die den Sechs-Wochen-Zeitraum um das doppelte Überschreiten außergewöhnlich hoch und können die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar machen.

Schließlich noch:

4. Krankheitsbedingte Minderleistung

Auch die Minderleistung eines Arbeitnehmers kann ihre Ursache entweder in krankheitsbedingten persönlichen Umständen haben aber auch auf einer Pflichtverletzung beruhen. Wenn die Minderleistung auf einem Nachlassen der körperlichen oder geistigen Kräfte beruht, dann ist sie personenbedingt. Hier ist wieder das oben in der Darstellung angeführte Prüfungsschema zu beachten.

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Bitte noch beachten:

Urlaubsabgeltung bei langer Krankheit:

Problematisch waren bisher immer die so genannten Langzeiterkrankten, die bereits aus der Entgeltfortzahlung heraus und bei den Sozialversicherungsträgern abgemeldet waren, also nicht mehr auf der Gehaltsliste standen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde und noch Urlaubsansprüche geltend gemacht wurden. Insoweit war bislang eine Geltendmachung seitens des Arbeitnehmers innerhalb der geltenden Verjährungsfristen, das sind drei Jahre, möglich. Nach mehreren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, die nach der so genannten Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH ergangen sind, wird jetzt von der höchstrichterlichen Rechtsprechung überwiegend bei einem ruhenden Arbeitsverhältnis ein automatischer Verfall der Urlaubsabgeltungsansprüche bei lang andauernder Erkrankung nach 15 Monaten angesehen; vgl. z. B. LAG Baden-Württemberg vom 21.12.2011 – 10 Sa 19/11 -.

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