Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) · In Deutschland ist die PKK mit ca. 14.000 Anhängern derzeit mit...

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Bundesamt für Verfassungsschutz Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)

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Bundesamt fürVerfassungsschutz

ArbeiterparteiKurdistans(PKK)

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ArbeiterparteiKurdistans

(PKK)

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Inhaltsverzeichnis

1 Überblick 5

2 Historischer Hintergrund des Kurdenkonflikts 8

3 Gründung, Ideologie und Ziele der PKK 9

4 Gegenwärtiger Friedensprozess zwischen dem türkischen Staatund der PKK 14

5 Berührung deutscher Interessen im Ausland durch die PKK 18

6 Situation der PKK in Deutschland und Europa 18

6.1 Organisation 18

6.2 Propaganda 22

6.3 Aktivitäten 24

6.4 Nutzung des Internets 28

6.5 Konfliktpotenziale und Wechselwirkungen 30

6.6 Beziehungen zwischen der PKK und deutschen Linksextremisten 35

6.7 Finanzierung 36

7 Fazit 37

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1 ÜberblickAbdullah Öcalan gründete 1978 in der Türkei die „Arbeiterpar-tei Kurdistans“ (Partiya Karkerên Kurdistan – PKK), deren ur-sprüngliches Ziel in der Errichtung eines unabhängigen, sozia -listisch orientierten Kurdenstaates bestand.

Zur Durchsetzung seiner Ziele rief Öcalan 1984 zum bewaffne-ten Kampf auf. Über bewaffnete Guerillaverbände – insbeson-dere die „Volksverteidigungskräfte“ (HPG) – agierte die PKK inder Türkei, der nordirakischen Grenzregion sowie im NordenSyriens.

Damit setzte eine verheerendeSpirale von Gewalt und Gegen-gewalt zwischen PKK und türki-scher Armee ein. Vor dem Hin-tergrund der Verhaftung Öca-lans 1999 rückte die PKK von ih-rer ursprünglichen Zielsetzungab. Statt eines kurdischen Staa-tes wurde nun die kulturelle Au-tonomie und lokale Selbstverwaltung für die Kurden innerhalbder Türkei angestrebt. Ende 2012 begannen offizielle Friedens-verhandlungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK-Führung, in deren Folge auch eine Verringerung der wechselsei-tigen Gewalthandlungen zu ver zeichnen war. Ein Ende des wei-terhin schwelenden Konflikts ist allerdings nach wie vor nichtabsehbar.

In Europa bemüht sich die PKK seit Jahren um ein weitgehendgewaltfreies Erscheinungsbild. Politisch strebt sie damit an, alseinzig legitime Vertreterin und Ansprechpartnerin in der Kur -denfrage anerkannt zu werden.

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In Deutschland ist die PKK mit ca. 14.000 Anhängern derzeit mitAbstand die mitgliederstärkste nichtislamistische extremisti-sche Ausländerorganisation.

1993 erließ das Bundesministerium des Innern für die PKK einBetätigungsverbot für das Bundesgebiet, nachdem mehrere ge-waltsame Aktionswellen der PKK in Deutschland vorausgegan-gen waren.1 Das Verbot umfasst auch die späteren Umbenen-nungen in „Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans“(KADEK), „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA GEL), „Ge-meinschaft der Kommunen in Kurdistan“ (KKK) und – aktuell –„Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans“ (KCK).

Im Zuge der 2013 eingeleiteten Neustrukturierung der PKK inEuropa hatte sich der europäische Dachverband PKK-naherVereine „Konföderation der kurdischen Vereine in Europa“(KON-KURD) in „Kongress der kurdisch-demokratischen Ge-sellschaft in Europa“ (KCD-E) umbenannt. Die KCD-E bildetnunmehr die PKK-Europaführung, in die auch die „Koordinati-on der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa“ (CDK)als politischer Arm der PKK integriert ist.

Trotz des Betätigungsverbots unterhalten die KCK in Deutsch-land einen illegalen und konspirativ arbeitenden Funktionärs-körper.

Anhänger der PKK nutzen das Bundesgebiet• bei aktuellen Entwicklungen/Ereignissen im Kurden-

konflikt für anlassbezogene Demonstrationen undSolidaritätskundgebungen,

• für die Durchführung von Großveranstaltungen (Pro-paganda in eigener Sache, Werbung neuer Anhänger),

• für die logistische und finanzielle Unterstützung derGesamtorganisation.

1 Von der Europäischen Union ist die PKK seit 2002 als terroristische Organisation gelistet.6

Die unterschiedlichen Organisationsbezeichnungen der ver-gangenen Jahre haben – trotz der mehrfach propagierten Ein -führung interner demokratischer Strukturen – weder in der Or-ganisationsstruktur noch an der personellen Zusammenset-zung der PKK zu signifikanten Änderungen geführt. Organisati -onsinterne Vorgaben und Anweisungen der Parteiführungwerden immer noch nach dem Prinzip von Befehl und Gehor-sam an nachgeordnete Kader weitergegeben. Auch AbdullahÖcalan, der seit 1999 eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Tür-kei verbüßt, wird von seinen Anhängern noch immer als unum-strittene Führungs- und Symbolfigur des kurdischen Volkesverehrt.

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2 Historischer Hintergrund desKurdenkonflikts

Vom Zerfall des Osmanischen Reiches nach dem Ende des Ers-ten Weltkriegs (1918) waren auch die kurdischen Siedlungsge-biete betroffen. Ein eigenständiger kurdischer Staat (1920 vorge-sehen im Vertrag von Sèvres) wurde 1923 mit dem Vertrag vonLausanne verworfen. Die kurdischen Siedlungsgebiete liegenseitdem in den heutigen Staaten Türkei, Irak, Iran und Syrien.

Dieser Umstand führte bereits in den 1920er und 1930er Jahrenzu mehreren größeren Kurden-Aufständen, welche die türki-sche Armee niederschlug.

Die türkische Republik bestritt lange Zeit die Existenz einer kur -dischen Minderheit. Die Vision des türkischen StaatsgründersMustafa Kemal Atatürk (1881-1938) von einer geeinten Repu-blik stand einer politischen und kulturellen Selbstbestimmung– insbesondere für die kurdische Minderheit – jahrzehntelangentgegen.

Die 1960, 1971 und 1980 in der Türkei durchgeführten Militär -putsche verschärften den Kurdenkonflikt. Die türkische Mili -tärjunta sah sich traditionell als Bewahrer der staatlichen Ein -heit im Sinne Atatürks.

Bekenntnisse zu einem eigenständigen Kurdentum fordertenstaatliche Reaktionen heraus, welche wiederum zu einer weite -ren Radikalisierung der Kurden beitrugen.

1984 trat die PKK den bewaffneten Kampf für einen unabhängi -gen kurdischen Staat an. In den kurdischen Siedlungsgebietenim Südosten und Osten der Türkei führte diese Entwicklungzeitweise zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

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Folge der militärischen Auseinandersetzungen waren zahlrei-che Tote und die Zerstörung kurdischer Dörfer sowie der vor-handenen Wirtschafts- und Infrastrukturen. Daraufhin begannin den 1990er Jahren eine Landflucht der Kurden aus dem Ostenin die westlichen Großstädte der Türkei.

Die Kurden sehen sich auch weiterhin als eigenständige Volks -gruppe, deren Sprache und Kultur sich von der türkischen un -terscheidet. Trotz einiger Zugeständnisse von türkischer Seite –überwiegend im kulturellen Bereich – birgt der Kurdenkonfliktimmer noch ausreichend Nährboden für extremistische undterroristische Bestrebungen.

3 Gründung, Ideologie und Ziele der PKKDie 1978 in der Türkei gegründete PKK ging aus einer 1974 ent-standenen Gruppe um Öcalan und Mazlum Doğan 2 hervor.

Die Geschichte der PKK ist eng mit der Person ihres GründersÖcalan verbunden. 1949 in der Türkei geboren, wird er von sei-nen Anhängern verehrend „Apo“ (kurdisch für „Onkel“) genannt.

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2 Der PKK-Funktionär Mazlum Doğan, der innerhalb der Organisation als Märtyrer verehrt wird, starb 1982 in tür-kischer Haft. Er ist Namensgeber des „Mazlum Doğan Jugend-, Kultur- und Sportfestivals“, das von der PKK jähr-lich – überwiegend in Deutschland – durchgeführt wird.

Bereits während seines Studi-ums der Politikwissenschaftenin der Türkei kam es zu einer Be-einflussung Öcalans durch links-extremistische Organisationen.

Er und einige seiner Vertrautenverabschiedeten auf dem PKKGründungskongress ein strengvon marxistisch-leninistischensowie nationalen Grundsätzengeprägtes Manifest. Hierin stell-te sich die PKK als revolutionärePartei des Proletariats und derBauern auf Grundlage des Wis-senschaftlichen Sozialismus dar.

Allerdings werden Attraktivität und Erfolg der PKK auch heutenoch weniger von der Ideologie an sich getragen, sondern viel -mehr durch Werte, die vor allem vom Islam, diversen Stammes-und Clanstrukturen sowie rigiden Wert-, Moral-, und Ehrvor-stellungen abgeleitet sind.

Die Organisation bekannte sich schon früh und ausdrücklich zu„revolutionärer Gewalt“. In ihrem ersten Manifest rief die PKKdazu auf, „Kurdistan vom imperialistischen und kolonialisti-schen System zu befreien und in einem einheitlichen Kurdistaneine demokratische Volksdiktatur zu gründen“. Damit war dersogenannte nationale Befreiungskampf für eine universaleklassenlose Gesellschaft in einem unabhängigen, sozialisti-schen Kurdistan erklärtes Ziel der PKK. Hauptgegner dabei wa-ren und sind der türkische Staat sowie dessen kurdische Kolla-borateure.

Der militärische Arm der PKK begann am 15. August 1984 imSüdosten der Türkei einen Guerillakrieg, um die Vision eines

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unabhängigen Kurdenstaats gewaltsam umzusetzen. Vorausge-gangen waren Auseinandersetzungen mit anderen kurdischenbzw. linksgerichteten Organisationen sowie kurdischen Land-besitzern in der Türkei.

Nach der offiziellen Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991rückte die PKK von der Rhetorik des dogmatischen Marxismusund der Forderung nach Klassenkampf ab.

Eine gravierende Zäsur bildete die Verhaftung Öcalans am 15. Februar 1999 durch den türkischen Geheimdienst in Nairobi(Kenia). 3 Unter dem Druck eines drohenden Todesurteils nahmÖcalan mit einem zweiten Manifest von der Bildung eines ei-genständigen Kurdenstaats mit Hilfe des bewaffneten KampfesAbstand. Im August 1999 erklärte er den bewaffneten Kampfder PKK schließlich für beendet.

Daraufhin zog sich der überwiegende Teil der kurdischen Gue -rillaeinheiten unter Mitnahme ihrer Waffen nach und nach ausder Türkei zurück. Seitdem halten sich diese Verbände überwie -gend in von Kurden autonom verwalteten Gebieten im benach -barten Nordirak auf. Von dort dringen sie bis heute immer wie -der in türkisches Staatsgebiet ein und provozieren dadurch be -waffnete Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee.

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3 Abdullah Öcalan wurde im Juni 1999 in der Türkei wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Im Jahr 2002 wurdedas Strafmaß in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Seitdem verbüßt er seine Haftstrafe auf der türki-schen Gefängnisinsel Imrali.

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Im Jahr 2000 bestätigte die PKK die Grundsätze ihres zweitenManifests. Die Beschlüsse sahen eine Demokratisierung inner-halb der PKK und die Wandlung hin zu einer legalen Organisa-tion vor.

Zwei Jahre später erfolgte die erste Umbenennung der PKK in„Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans“ (KADEK); an-derthalb Jahre später in KONGRA GEL.

Der KONGRA GEL sollte als eine demokratische Massenorgani-sation mit zivilem politischem Charakter die bisherige Kader-partei leninistischer Prägung ablösen und die kurdische Frageauf friedlichem Wege lösen.

Nach Gründung der „neuen“ PKK im Jahr 2005 blieb der KON -GRA GEL als Dachverband erhalten, um möglichst viele kurdi -sche Strömungen einzubinden.

Gleichzeitig gab die Organisation das Ziel eines unabhängigenKurdenstaates endgültig auf. Sie propagierte nun stattdessen einen föderalen Verbund aller kurdischen Siedlungsgebiete ineiner „Föderation des Demokratischen Nahen Ostens“ unterBeachtung existierender Grenzen.

Was folgte, war die Errichtung der KKK – einer Gemeinschaftder Kurden ohne eigenen Staat. Öcalan forderte die PKK-An-hänger auf, in den kurdischen Siedlungsgebie ten basisdemo-kratische Föderationen mit einer übergeordneten „konfödera-len Struktur“ zu schaffen.4 Jede Form des Terrorismus wurde da-bei abgelehnt, lediglich eigene bewaffnete Kräfte zur „Selbstver-teidigung“ sollten beibehalten werden.

Im Juni 2007 erfolgte schließlich die Umbenennung in KCK.

Mit den Umbenennungen wollte die PKK nach außen hin denEindruck einer politischen Neuausrichtung erwecken und sichvom Makel einer Terrororganisation befreien. Trotz der mehrfa -chen Ankündigung, interne demokratische Strukturen einzu-

134 Von der PKK als „Demokratischer Konföderalismus“ bezeichnet.

führen, hält die Organisation aber bislang an einem strikt hierar-chischen Kaderaufbau mit einer autoritären Führung fest. De-mokratisierungsansätze, z.B. die Basis in Entscheidungsabläufeeinzubinden, wurden weder strukturell noch personell realisiert.

Das gegenwärtige Ziel der PKK, die Etablierung einer nichtstaat -lichen und länderübergreifenden, demokratischen Selbstver-waltung der Kurden als „demokratische Nation“, soll perspekti -visch als Vorbild für alle Völker des Nahen Ostens sowie der Weltdienen.

4 Gegenwärtiger Friedensprozess zwischendem türkischen Staat und der PKK

Ende 2012 begannen – offiziell von der türkischen Regierung be-stätigt – erneute Friedensverhandlungen zwischen dem türki-schen Staat und Öcalan sowie der PKK-Führung im Nordirak. 5

Dieser anhaltende Prozess wird auch von den in Deutschlandlebenden PKK-Anhängern aufmerksam verfolgt.

Am 21. März 2013 war anlässlich des traditionellen kurdischenNeujahrsfestes „Newroz“ in Diyarbakir (Türkei) eine von der kurdischen Presse als „historisch“ bezeichnete Botschaft

5 Bereits im Jahr 2008 führte der türkische Nachrichtendienst auf Weisung der türkischen Regierung in Oslo(Norwegen) erste Verhandlungen mit PKK-Funktionären, die jedoch nach drei Jahren ergebnislos abgebrochenwurden.14

Öcalans verlesen worden. In dieser rief der PKK-Chef seine An-hänger zur Beendigung des bewaffneten Kampfes in der Türkeiauf. Darüber hinaus appellierte er an die Guerillakämpfer derPKK, sich aus der Türkei zurückzuziehen.

Der eingeleitete Friedensprozess war allerdings von Beginn angeprägt durch gegenseitiges Misstrauen und hohe Forderungender Konfliktparteien. So warf die PKK der türkischen Regierungu.a. Tatenlosigkeit in den laufenden Verhandlungen vor undstoppte deshalb im September 2013 ihren im Mai begonnenenschrittweisen Abzug von etwa 1.500 Kämpfern aus der Türkei.Selbst ein vom türkischen Ministerpräsidenten am 30. Septem-ber 2013 angebotenes „Demokratisierungspaket“ vermochte beider PKK-Führung keinen Gesinnungswandel herbeizuführen,denn aus Sicht der PKK blieben elementare kurdische Forderun-gen durch das Reformpaket unberücksich tigt. Ende Oktober2013 drohte die PKK-Führung mit der Rückführung der abgezo-genen Kämpfer in die Türkei und mit einer Wiederaufnahme desbewaffneten Kampfes, ohne dies jedoch in die Tat umzusetzen.

Öcalan griff im Jahr 2014 bei den Feierlichkeiten zum kurdi-schen Neujahrsfest den Friedensprozess erneut auf. In einer öf-fentlich verlesenen Erklärung bewertete er den bisherigen Dia-log positiv und bekräftigte, dass alle Beteiligten ihren grundsätz-lichen Willen zu einer friedlichen Beilegung des Kurdenkon-flikts deutlich gemacht hätten. Kritisch merkte er jedoch an, dietürkische Regierung agiere bislang zögerlich und eher einseitig,

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da eine gesetzliche Grundlage für den Frieden bislang fehle. Ermahnte verbindliche Festlegungen an, weil ansonsten ein län-gerfristiger Friede nicht garantiert werden könne.

Bereits im Vorfeld des Newroz-Festes hatte der Kommandantdes bewaffneten PKK-Arms, Murat Karayilan, beklagt, dass derFriedensprozess bislang nur einseitig von der PKK vorangetrie-ben werde: Die PKK habe mit dem Abzug ihrer bewaffnetenKräfte aus der Türkei schließlich ihren Teil des Vertrages erfüllt.Karayilan bekräftigte indes, dass sich auch die HPG weiter anden vereinbarten Waffenstillstand gebunden sähen, jedoch nur,wenn die türkische Regierung innerhalb von ein bis zwei Wo-chen nach den türkischen Kommunalwahlen am 30. März 2014neue Schritte in Richtung Frieden einleiten würde. Eine Auf-kündigung des Friedensprozesses erfolgte nach Ablauf der Fristjedoch nicht.

Vor dem Hintergrund der laufenden Friedensbemühungen fan -den immer wieder kurzzeitige militärische Auseinandersetzun -gen zwischen der türkischen Armee und Guerillaeinheiten derPKK statt. Im Juni 2013 erschossen in Lice (Provinz Diyarbakir/Türkei) türkische Sicherheitskräfte einen 18-jährigen kurdi-schen Jugendlichen bei einer Protestkundgebung. Die Guerilla-kämpfer der HPG führten daraufhin im Juli 2013 einen Vergel-tungsangriff auf eine Gendarmeriestation in Hani (Pro vinz Diy-

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arbakir/Türkei) durch, wobei ein türkischer Soldat getötet wur-de. Zuletzt hat die türkische Armee Mitte Oktober 2014 Stellun-gen der PKK in der Türkei an der Grenze zum Irak mit Flugzeu-gen beschossen. Den Militärschlägen waren wiederholte Angrif-fe der PKK auf einen türkischen Militärposten vorausgegangen.

Während die militärischen Aktionen in der Türkei selbst zu-rückgingen, weiteten sie sich hingegen in den kurdischen Sied-lungsgebieten Syriens aus. So stand im syrischen Bürgerkriegbis Mitte 2014 der syrische Ableger der PKK, die Partei PYD(„Partei der demokratischen Union“), mit ihren bewaffnetenEinheiten 6 den islamistischen Gegnern des Assad-Regims kon-frontativ gegenüber. Ende Januar 2014 war in Teilen der kurdi-schen Siedlungsgebiete Syriens bereits eine „DemokratischeAutonomie“ unter Federführung der PYD ausgerufen worden.Durch den militärischen Vormarsch der Terrormiliz „Islami-scher Staat“ (IS) im August 2014 im Nord-Irak und im Septem-ber 2014 in Nord-Syrien verlagerten sich die bewaffnetenKampfhandlungen gegen den IS. Während es der PKK im Nord-Irak um den Schutz der dort lebenden jesidischen Bevölkerunggeht, steht in Nord-Syrien die Verteidigung der neu geschaffe-nen Autonomiegebiete im Vordergrund.

176 „Volksverteidigungseinheiten“ („Yekîneyên Parastina Gel“ - YPG).

5 Berührung deutscher Interessen imAusland durch die PKK

Der in der Türkei von der PKK ausgehende Terror wirkte sich inder Vergangenheit immer wieder auch auf den Fremdenverkehraus:

Die militante Gruppe „Freiheitsfalken Kurdistans“ (TAK), her-vorgegangen aus den bewaffneten Einheiten der PKK, ver übteab 2005 Bombenanschläge in Touristenorten, die mehrere To-desopfer forderten.

Im Jahr 2008 entführten kurdische Extremisten drei deutscheBergsteiger am Berg Ararat und hielten sie zwölf Tage gefangen.Einen Monat zuvor hatte das Bundesministerium des Innernein Verbot gegen den PKK-Fernsehsender „Roj TV“ in Deutsch -land erlassen.

Zuletzt bekannten sich die TAK im August 2011 zu Anschlägenauf türkische Tourismusgebiete, bei denen zwölf Personen ver-letzt wurden.

6 Situation der PKK in Deutschland undEuropa

6.1 Organisation

Am 26. November 1993 erließ das Bundesministerium des In-nern ein Betätigungsverbot gegen die PKK für die Bundesrepu-blik Deutschland. Das Bundesgebiet war zum Schauplatz vonerheblicher öffentlicher Gewalt geworden, als im Juli 1993 PKK-Aktivisten nahezu zeitgleich in verschiedenen StädtenDeutschlands rund 60 Überfälle und Brandanschläge auf türki-sche diplomatische Vertretungen sowie Banken, Reisebüros,Gaststätten und Vereinslokale verübten. Bei den Anschlägen

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wurden ein türkischer Staatsbürger getötet und mehrere Perso-nen verletzt.

Das Betätigungsverbot für die PKK in Deutschland erstrecktsich auch auf die späteren Umbenennungen der PKK.

Deutsche Gerichte verurteilten seit Erlass des PKK-Verbots bis-lang über 100 PKK-Anhänger zu teils mehrjährigen Haftstrafen.Der Bundesgerichtshof hat im Jahre 2010 unter Aufgabe seinerbisherigen Rechtsprechung festgestellt, dass es sich bei der PKKinsgesamt um eine terroristische Vereinigung im Ausland han-delt (§§ 129a, 129b StGB). Seitdem werden hochrangige PKK-Funktionäre regelmäßig wegen Mitgliedschaft in einer auslän-dischen terroristischen Vereinigung verurteilt.

Die Führungsfunktionäre der CDK halten sich aktuell vorwie-gend in den Nachbarländern Deutschlands auf. Europa wird in-tensiv als Rückzugs- und Ruheraum genutzt. Die Tätigkeit der inDeutschland eingesetzten CDK-Kader erfolgt in der Regel an ei-nem Ort und ist gewöhnlich zeitlich begrenzt. Die zumeist kon-spirativ agierenden Funktionäre machen nach dem Prinzip vonBefehl und Gehorsam den ihnen nachgeordneten Ebenen Vor-gaben, die ohne Diskussion umzusetzen sind.

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Derzeit hat die PKK die Bundesrepublik Deutschland in vier Be-reiche (Nord, Mitte, Süd 1 und Süd 2) strukturiert, sogenannte Sa-halar, die mit jeweils einem Führungsfunktionär ausgestattetsind. Den Sahalar sind aktuell insgesamt 29 Gebiete (Bölge) unter-geordnet.

Örtliche Vereine - Treffpunkte der Anhängerschaft – dienenPKK und CDK dazu, Informationen zu steuern und Vorgabenumzusetzen. Als Dachverband dieser Vereine fungiert das „De-mokratische Kurdische Gesellschaftszentrum Deutschland“(NAV-DEM) 7 – bis Juni 2014 „Föderation Kurdischer Vereine inDeutschland e.V.“ (YEK-KOM). Nach eigenen Angaben sind ihm46 örtliche Vereine angeschlossen. 8 Durch eine aktive Öffent-lichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontak-ten zu politischen Entscheidungsträgern bemüht sich NAV-DEM, weitere Unterstützung für seine Anliegen zu erhalten.

Darüber hinaus unterhält die PKK zahlreiche Massenorganisatio-nen, in denen Anhänger aus verschiedenen Bevölkerungs-, Be-rufs- oder Interessengruppen organisiert sind. Besonders hervor-zuheben sind die Jugendorganisation „Komalên Ciwan“ (sinnge-mäß „Gemeinschaft der Jugendlichen“) bzw. die europäische Ju-genddachorganisation „Ciwanên Azad“ 9, die „Kurdische Frauen-bewegung in Europa“ (AKKH) sowie die Studenten organisation„Verband der Studierenden aus Kurdistan“ (YXK). Nennenswertsind auch die Organisationen „Union der Journalisten Kurdistans“(YRK), „Union der kurdischen Lehrer“ (YMK), „Union der JuristenKurdistans“ (YHK), „Union der Schriftsteller Kurdistans“ (YNK) so-wie die „Union kurdischer Familien“ (YEK MAL). Zu den Umfeld-organisationen gehören auch Religionsgemeinschaften wie die„Islamische Gemeinde Kurdistans“ (CIK), die „Föderation der de-mokratischen Aleviten“ (FEDA), die „Union der Aleviten aus Kur-distan“ (KAB), die „Föderation der yezidischen Vereine e.V.“ (FKE)und die „Union der Yeziden aus Kurdistan“ (YEK).

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7 Akronym für die kurdische Bezeichnung „Navenda Civaka Kurd a Demokratîk li Almanyayê“.8 Homepage YEK-KOM (5. August 2014).9 Die PKK-Jugendorganisation „Komalên Ciwan“ hat sich auf transnationaler Ebene neu strukturiert und auf einer

Europakonferenz im April 2013 die neue europäische Dachorganisation „Bewegung der freien Jugend Kurdistans“(„Tevgera Ciwanên Azad a Kurdistanê“, kurz: „Ciwanên Azad“) gegründet.

6.2 Propaganda

Zur Verbreitung ihrer Propaganda und Ideologie verfügt diePKK über ein vielfältiges Medienwesen. Dadurch informiertbzw. mobilisiert sie nicht nur ihre Anhänger, sondern sie ver-sucht auch die in Deutschland lebenden Kurden perspektivischim Sinne der Organisation zu beeinflussen. Funktionäre derPKK erhalten in den verschiedenen Medien regelmäßig eine öf -fentliche Plattform zur Verbreitung ihrer Propaganda.

Ein Eckpfeiler dieser Informationspolitik ist die PKK-naheNachrichtenagentur „Firat News Agency“ (ANF) mit Sitz in denNiederlanden. Deren Ziel besteht darin, eine Präsenz für kurdi-sche Medien durch ein Korrespondentennetz in der Türkei, imIran, Irak, in Syrien sowie in europäischen Staaten zu gewähr-leisten.

Insgesamt nutzt die PKK ihre Print- und Fernsehmedien in ers-ter Linie zur Mobilisierung ihrer Anhänger und zur Verbreitungkurdenspezifischer Themen. Besonders hervorzuheben sindhierbei die PKK-Tageszeitung „Yeni Özgür Politika“ (YÖP) undder 2008 gegründete und seit Februar 2012 mit einer norwegi-schen Lizenz ausgestattete Fernsehsender „Stêrk TV“.

Die in Deutschland herausgegebene YÖP erscheint mit einertäglichen Auflage von ca. 10.000 Exemplaren in türkischer undkurdischer Sprache. Die ideologischen Grundlagen für PKK-Ka-der werden durch die monatlich erscheinende und in den Nie-derlanden verlegte PKK-Zeitung „Serxwebûn“ gelegt bzw. ver-tieft.

Zu den wichtigsten Aktivitäten der PKK in Deutschland zählenzentral gesteuerte Propagandaaktionen. Im Fokus stehen dabeidas Schicksal des in der Türkei inhaftierten Öcalan, die militäri -schen Konflikte in Syrien und im Grenzgebiet der Türkei zumNordirak sowie staatliche Maßnahmen gegen PKK-nahe Ein -richtungen in Deutschland und Europa. Zentrale Elemente der

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Indoktrinationen sind vor allem Demonstrationen und Kund-gebungen sowie Podiumsdiskussionen, Unterschriftenkampa-gnen, Hungerstreiks, Mahnwachen und Pressekonferenzen. Da-bei gelingt es der Organisation immer wieder, ihre Anhänger-

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Nachrichten-agentur

Zeitungen Fernseh-sender

Verlage

„Firat NewsAgency“ (ANF)

Sitz in denNiederlanden.

„Yeni ÖzgürPolitika“ (YÖP -„Neue freiePolitik“)

Tageszeitung,Auflage ca.10.000 Exemplare.

„Serxwebûn“(„Unabhängig-keit“)

erscheintmonatlich, wirdin den Nieder-landen verlegt.

„Stêrka Ciwan“ („Stern derJugend“)

erscheint monatlich.

„Stêrk TV“

2008 gegründetund seitFebruar 2012mit einer norwegischenLizenz ausge-stattet.

„Mezopota-mien Verlagund VertriebGmbH“

Sitz in Neuss.Publikationen –auch deutsch-sprachig – desPKK-FührersÖcalan.

„MIR MultimediaGmbH“

Sitz in Neuss.Vertrieb vonTonträgernPKK-naherKünstler.

schaft in hohem Maße zu mobilisieren. So beteiligten sich bei-spielsweise am 13. September 2014 in Düsseldorf ca. 30.000 Per-sonen aus ganz Europa am „22. Internationalen KurdischenKulturfestival“, das – im Unterschied zur Veranstaltung im Jahr2012 – friedlich verlief.

6.3 Aktivitäten

Vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs in Syrien und den Aus-einandersetzungen mit dem IS verstärkt die PKK in Deutsch-land ihre Solidaritätsaktionen und Veranstaltungen für die im

Norden Syriens und im Irak lebenden Kurden. Dabei versuchendie PKK und ihr syrischer Ableger PYD mit diversen öffentli-chen Solidaritätsdemonstrationen für die Interessen der syri-schen und irakischen Kurden zu werben. Anhaltende und sichintensivierende Kampfhandlungen in den kurdischen Sied-lungsgebieten Syriens und des Irak spielen hier eine initialisie-rende Rolle. Bei den Auseinandersetzungen stehen sich bewaff-

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nete Kräfte der PYD bzw. der PKK und islamistische Gruppen –vor allem der IS – gegenüber. Zuletzt hat sich das Kundgebungs-geschehen hierzulande hin zur Forderung nach Aufhebung desPKK-Betätigungsverbots in Deutschland verlagert. Angesichtsder Friedensverhandlungen zwischen PKK und türkischer Regie-rung sowie des von der PKK geführten Kampfes gegen den IS er-scheint das Verbot einschlägigen Kreisen nicht mehr zeitgemäß.

Trotz des grundsätzlich friedlichen Verhaltens der PKK-Anhän -ger in Deutschland ist es in der Vergangenheit auch zu gewalttä-tigen Aktionen gekommen. Diesen lagen zumeist konkrete po -litische Ereignisse im Vorfeld zugrunde, die ursächlich für eineSteigerung der Aggressionsbereitschaft unter den PKK-Aktivis-ten gewesen sein dürften:

• Mitte Februar 2012 verübten mutmaßliche PKK-Anhän-ger in Köln einen Brandanschlag auf Räumlichkeiten ei-ner türkischen Zeitung.

• Am Rande des „Internationalen Kurdischen Kulturfesti-vals“ im September 2012 in Mannheim war es zu gewalt-tätigen Angriffen von Festivalteilnehmern auf die Poli-zei gekommen. An den Gewalttätigkeiten beteiligtensich bis zu 1.500 zumeist kurdische Jugendliche. Insge -samt 80 Polizisten wurden verletzt. Die Ausschreitun -gen, die in ihrer Heftigkeit mit denen anlässlich der Ver-haftung Öcalans im Jahr 1999 vergleichbar sind, standenim Zusammenhang mit seinerzeit intensivierten be-waffneten Auseinandersetzungen zwischen der türki-schen Armee und bewaffneten PKK-Kräften, einem fak-tischen Verbot, Öcalan im Gefängnis besuchen zu dürfensowie einem Hungerstreik von in der Türkei inhaftiertenPKK-Anhängern.

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• Auch in Bonn kam es zu einem Brandanschlag auf einüberwiegend von türkischen Nationalisten besuchtesVereinsheim. Die PKK-Führung hatte zuvor ihre Anhän-ger in Europa anlässlich des Jahrestages der VerhaftungÖcalans zu nicht näher erläuterten Aktionen des zivilenUngehorsams aufgerufen.

• Am 10. Januar 2013warfen unbekannte Tä-ter Molotowcocktailsauf das Gelände derehemaligen Botschaftder Republik Türkei 10 inBerlin. Es entstand le-diglich geringer Scha-den, da die Brandsätzevon selbst erloschen.Aus schlaggebend fürdiesen Anschlag dürftedie Ermordung dreierbekannter PKK-Akti-vistinnen in Paris ge-wesen sein. Nach wievor gehen Anhängerder PKK davon aus, dass der türkische Geheimdienst(mit Unterstützung französischer Stellen) für die Mordeverantwortlich sei. Man vermutet darin eine gezielteStörung der aufgenommenen Friedensverhandlungen.Bereits am 17. Januar 2013 hatte die französische Polizeieinen Hauptverdächtigen und mutmaßlichen PKK-Ak-tivisten festgenommen. Die PKK bestreitet allerdings

2710 Die Botschaft war im Oktober 2012 an einem anderen Standort in Berlin neu eröffnet worden.

eine PKK-interne Vergeltungstat – das eigentliche Motivfür die Verbrechen bleibt weiterhin unklar. Der mutmaß-liche Haupttäter bestreitet die Morde vehement und gibtzum Sachverhalt keine weiteren Auskünfte. Sowohl inDeutschland als auch in verschiedenen europäischenLändern erfolgten als Reaktion auf die Morde überwie-gend friedliche Aktivitäten. Insgesamt schuf der in Euro-pa bislang beispiellose Dreifachmord aber ein nachhalti-ges und erhebliches Emotionalisierungspotenzial, insbe-sondere für die PKK-Anhänger in Deutschland.

• So kam es zuletzt am 12. April 2014 in Duisburg im Ver -lauf einer „europaweiten Jugenddemonstration“, an deretwa 650 – zumeist jugendliche – Anhänger der PKK teil-nahmen, zu Gewalttätigkeiten gegen Polizeibeamte so-wie zu Stein- und Flaschenwürfen auf einen türkischenKulturverein und auf ein Wohnhaus, an dem eine türki -sche Nationalflagge hing.

6.4 Nutzung des Internets

Das Internet hat sich mittlerweile auch für die PKK und insbe-sondere für die Anhänger ihrer Jugendorgansation „KomalênCiwan“ bzw. „Ciwanen Azad“ zu einem zentralen Kommunika-tionsmedium entwickelt. Im Rahmen der Vernetzungs- undMobilisierungsbemühungen kommt vor allem den diversen so-zialen Netzwerken und Kommunikationsmöglichkeiten – ne-ben klassischen Internetpräsenzen, Homepages und anderendort verfügbaren Diensten – eine stets wachsende Bedeutungzu. Die Organisation nutzt das Internet als Kommunikations-plattform und als offenes Medium zur propagandistischen Agi-tation, Mobilisierung und Rekrutierung. Fast alle Teilorganisa-tionen der PKK pflegen eine oder mehrere eigene Internetprä-

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senzen. Dort werden PKK-relevante Themen – oftmals glorifi-zierend – erläutert, dar gestellt oder kommentiert.

Insbesondere jugendliche PKK-Aktivisten nutzen die Anony-mität des Internets zur Verbreitung von Propaganda. Darüberhinaus sind vor allem die sozialen Netzwerke wie Face book oderTwitter bei den jüngeren PKK-Anhängern sehr beliebt und die-nen zunehmend als Mobilisierungs- und Rekrutierungsmedi-um. So werden dort gezielt Veranstaltungshinweise gepostetbzw. wird zur Teilnahme an Aktionen mobilisiert. Inzwischenbetreiben einige Teilorganisationen der „Komalên Ciwan“ eige-ne Gruppen auf Facebook, in denen zeitnah Informationen undMeinungen ausgetauscht werden. Dies geschieht sowohl in of-fenen als auch nur für entsprechend legitimierte Anhänger zu-gänglichen Gruppen.

Die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets werden da-rüber hinaus auch zur Auseinandersetzung mit dem politischenGegner genutzt. Hierbei wendet sich die PKK in erster Linie ge-gen türkische Nationalisten der„Ülkücü“-Bewegung, aber auchgegen den türkischen Staat selbst.Türkische Nationalisten betrach-ten insbesondere die PKK und de-ren Anhänger als ideologisch be-gründete Feinde. So kommt es re-gelmäßig – zumeist in sozialenNetzwerken im Internet – zu Be-schimpfungen und gegenseitigenProvokationen zwischen jugendli-chen Anhängern beider Gruppie-rungen. Die Anonymität des Inter-nets verführt die Nutzer dabei oftmals zu verbalen Attacken undDrohungen, die jedoch selten in die Tat umgesetzt werden.

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Allerdings konnte im Sommer 2012 in Wiesbaden nur durchstarke Polizeipräsenz eine Konfrontation zwischen türkisch-nationalistischen und kurdischen Jugendlichen verhindert wer-den. Zuvor war von türkischen Nationalisten über das Internetzur Teilnahme an der gegen die PKK gerichteten Zusammen-kunft aufgerufen worden. Auslöser der Aktion waren verschärf-te bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der türkischenArmee und dem militärischen Arm der PKK. Derartige Ereignis-se in der Heimatregion bergen ein immenses Spannungspoten-zial, um die Anhänger beider Gruppierungen immer wieder aufsNeue zu emotionalisieren und gegeneinander aufzubringen.

6.5 Konfliktpotenziale und Wechselwirkungen

Neben den über das Internet ausgefochtenen Konfrontationenist es in der Vergangenheit auch zu tatsächlichen gewalttätigenAuseinandersetzungen zwischen PKK-Anhängern und türki -schen Nationalisten gekommen. Hierzu zwei Beispiele:

• Bei einem mehrtägigen Marsch von bis zu 150 PKK-An-hängern im September 2012 durch Deutschland war es –neben Handgreiflichkeiten zwischen Marschteilnehmernund der Polizei – auch zu Handgreiflichkeiten mit türki-schen Nationalisten gekommen. Dabei griffen Marsch-

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teilnehmer aufgrund entsprechender Provokationen ihretürkischen Widersacher mit Steinen, Stangen und sogarGullydeckeln an. Bei den Ausschreitungen wurden insge-samt sieben Personen, davon fünf Polizisten, verletzt. DerMarsch war dem „Internationalen kurdischen Kulturfes-tival“ 2012 in Mannheim vorgeschaltet gewesen.

• Auch bei der Errichtung eines Infostands eines PKK-na-hen Ortsvereins in Hannover im März 2013 war es zu ge-walttätigen Auseinandersetzungen zwischen Standbe-treibern und türkischen Nationalisten gekommen. EinePerson wurde dabei schwer verletzt.

Neben dem Konfrontationspotenzial zwischen Anhängern derPKK und türkischen Nationalisten haben sich anlässlich desBürgerkriegs in Syrien weitere Spannungsfelder innerhalbDeutschlands aufgetan. Diese verlaufen zwischen der PKK bzw.der PYD auf der einen und islamistischen bzw. weiteren kur-disch-syrischen Oppositionsgruppen auf der anderen Seite. Ge-walttätiges Potenzial trat bei folgenden Kundgebungen in Er-scheinung:

• Im Juni 2013 versammelten sich vor einem PKK-nahenObjekt in Berlin Anhänger der bislang nicht auffälligensyrisch-kurdischen Oppositionsgruppe „Kurdische Zu-kunftsbewegung e.V“. Die Kundgebung stand unter demMotto „Verletzung der Menschenrechte der Kurden inSyrien durch die PYD/PKK“. Die ca. 70 Teilnehmer zeig-ten themenbezogene Transparente und skandierten inSprechchören. Die im Vereinsobjekt anwesenden An-hänger der PKK/PYD verhielten sich ruhig.

• In Stuttgart kam es wiederholt zu Konfrontationen zwi-schen PKK-Anhängern und Islamisten bzw. Personen,

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die von PKK-Anhängern als Islamisten eingeschätztwurden. So fanden im August 2013 tätliche Auseinan-dersetzungen zwischen Teilnehmern einer Kundge bungvon PKK-Anhängern und einer parallel stattfin dendenVersammlung von Anhängern der Muslimbru derschaftstatt.

• Bei einer Solidaritätsdemonstration für syrische Kurdenim Februar 2014 bewarfen Demonstrationsteilnehmersalafistische Koranverteiler mit Gegenständen. In bei-den Fällen verhinderte die Polizei eine Eskalation derAuseinandersetzung.

• Anfang August und Anfang Oktober 2014 kam es imRahmen von mehreren Veranstaltungen zu Sachbeschä-digungen und gewaltsamen Auseinander setzungen so-wohl mit der Polizei als auch mit islamistischen Perso-nen, die sogar zu schweren Körperverletzungsdeliktenund versuchten Tötungsdelikten führten.

• In Hamburg erfolgten im Oktober 2014 im Anschluss aneine friedlich verlaufene Kundgebung von Kurden ge-walttätige Auseinandersetzungen zwischen 100 Kund-gebungsteilnehmern und Islamisten. Die Polizei nahmetliche Personen in Gewahrsam und beschlagnahmtediverse Hieb- und Stichwaffen sowie eine Schusswaffe.Ein erneutes Aufeinandertreffen der verfeindeten Grup-pen im Nachgang zum Freitagsgebet konnte einige Tagespäter nur durch massiven Polizeieinsatz verhindertwerden.

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• Die Entwicklungen in Syrien und im Irak haben sich auchauf das Aktionsverhalten der PKK-Jugendorganisation„Komalên Ciwan“ bzw. „Ciwanen Azad“ ausgewirkt. So be-teiligten sich insbesondere jugendliche PKK-Anhänger aneiner Vielzahl kurzzeitiger und friedlich verlaufener Be-setzungen von Fernsehsendern, Parteibüros, Flughafen-gebäuden, Bahnhöfen oder an Straßenblockaden.

• Provokationen türkischer Nationalisten am Rande einerprokurdischen Demonstration in München führten imHerbst 2014 zu tätlichen Auseinandersetzungen mitKurden.

6.6 Beziehungen zwischen der PKK und deutschenLinksextremisten

Wechselwirkungen bestehen auch zwischen der PKK und deut -schen linksextremistischen Gruppen. Die PKK wird von derarti-gen Organisationen punktuell propagandistisch unterstützt.Dies erfolgt vornehmlich dann, wenn sich die vom linksextre-mistischen Spektrum besetzten Aktionsfelder und das The-menpotential der PKK überschneiden.

Bereits im Mai 2010 gründeten PKK-nahe linksextremistischeGruppen ein bundesweites deutsches Aktionsbündnis unter derBezeichnung „Tatort Kurdistan“. An dem Bündnis sind von PKK-Seite insbesondere die YEK-KOM, die sich im Juni 2014 in NAV-DEM umbenannte, sowie auf linksextremistischer Seite u.a. die„Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) unddie „Antifaschtische Revolutionäre Aktion Berlin“ (ARAB) betei-ligt. Die Kampagne zielt darauf ab, angebliche Verwicklungendeutscher Behörden sowie der Industrie in den „Krieg der Tür-kei gegen die kurdische Zivilbevölkerung“ aufzuzeigen. Zudemfordert die Kampagne die Aufhebung des Betätigungsverbotsgegen die PKK in Deutschland.

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Im November 2013 organisierte die Kampagne „Tatort Kur -distan“ in Berlin eine Demonstration anlässlich des 20. Jahresta -ges des PKK-Verbots. Hauptforderung der ca. 5.500 Teilnehmerwar dabei die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland. Inder Vergangenheit war es bei gemeinsamen Kundgebungen vondeutschen Linksextremisten und PKK-Anhängern in Deutsch-land vereinzelt auch zu Gewalttätigkeiten gekommen. In Ham-burg und Berlin hatten bei entsprechenden Aktionen im Jahr2011 Demonstranten Polizisten angegriffen. Hierbei warenüber 80 Personen verletzt worden. Hintergrund der Demons-trationen waren auch dabei verstärkte Kampfhandlungen zwi-schen der PKK und der türkischen Armee sowie ein faktischesBesuchsverbot für PKK-Führer Öcalan.

6.7 Finanzierung

Europa stellt für die PKK einen „sicheren Hafen“ dar. Dieser Um-stand wird auch dazu genutzt, Gelder bei hier lebenden Anhän-gern einzutreiben. Die PKK erwartet, dass die geschätzt etwa 1,5Millionen in Europa lebenden Kurden einen finanziellen Beitragzur Unterstützung der Organisation und ihrer Ziele leisten. Da-mit soll dezidiert zum politischen und militärischen Kampf derPKK für die „Freiheit Kurdistans“ beigetragen werden. Die Orga-nisation strebt mit ihren Geldsammelkampagnen an, ihre An-hänger noch stärker an sich zu binden, erreicht de facto aber nureinen kleinen Teil der in Europa lebenden Kurden.

Als wichtigste Einnahmequelle dient der PKK die sogenannteJahresspendenkampagne (kampanya). Zum Selbstverständnisder PKK gehört, dass die in Europa lebenden Kurden entspre -chend ihrem Jahreseinkommen Spenden an die PKK entrich-ten. Während von kurdischen Familien mehrere Hundert Euroverlangt werden, beansprucht die PKK von erfolgreichen Ge-schäftsleuten durchaus mehrere Tausend Euro. So sammelte dieOrganisation beispielsweise im Jahr 2013 in Deutschland etwa

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9 Mio. Euro. Die Einnahmen dienen in erster Linie dem Unter-halt der Organisation und ihres umfangreichen Propagandaap-parats in Europa. Ein Teil des Geldes wird aber auch in den Na-hen Osten verbracht. Die Kampagne ist somit eine zentrale Auf-gabe im Spektrum jährlichen PKK-Aktivitäten.

Weitere Einkünfte erzielt die PKK aus Mitgliedsbeiträgen, demVertrieb von Publikationen und aus Veranstaltungen wie demjährlich stattfindenden „Internationalen Kurdistan-Kulturfes-tival“.

Das „Wirtschafts- und Finanzbüro“ („Ekonomi ve Maliye Bürosu“– EMB) stellt ein wichtiges Abrechnungs- und Kontrollorgan imFinanzsystem der PKK dar.11 Hauptamtliche Funktionäre derOrganisation kontrollieren die Einnahmen und Ausgaben dereinzelnen PKK-Gebiete (Bölge) und koordinieren zugleich Bar-geldtransporte in Deutschland und Europa.

7 FazitDie PKK zeigt ihr ambivalentes Verhalten nach wie vor in einer„Doppelstrategie“: Einem militärischen Auftreten im türkisch-irakischen bzw. türkisch-syrischen Grenzgebiet steht eingrundsätzlich friedliches Vorgehen in Deutschland bzw. Europagegenüber. Dieses Vorgehen wird auch aktuell von der Überzeu-gung geleitet, sich europäische Staaten als Ruhe- und Rückzugs-räume zu bewahren.

Entsprechend wird die PKK in Deutschland auch weiterhin dieUnterstützung ihrer Hauptorganisation in propagandistischer,logistischer und finanzieller Form fortführen. Insgesamt wer-den sich damit die Unterstützungshandlungen für die PKK-Kräfte in Syrien und im Nordirak weiter intensivieren. Vor die-sem Hintergrund ist mit der Fortführung von Aktivitäten zurRekrutierung von Kämpfern der PKK auch in Deutschland zu

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11 In den USA ist die PKK gemäß dem „Foreign Narcotics Kingpin Designation Act“ (Gesetz zur Kennzeichnung aus-ländischer Drogenhändler) als eine in den Drogenschmuggel involvierte Organisation gelistet. In Deutschland lie-gen keine Hinweise dafür vor, dass Organisationsstrukturen der PKK direkt in den Drogenhandel verwickelt sind.

rechnen, jedoch dürfte sich der parallel fortschreitende Frie-densprozess in der Türkei zugleich mäßigend auf die PKK-An -hängerschaft in Deutschland auswirken.

Es ist anzunehmen, dass die PKK ihre Bemühungen fortsetzenwird, die durch den Krieg in Syrien und im Irak entstandeneninstabilen Verhältnisse weiter in ihrem Sinne zu nutzen. Letzt-endlich beabsichtigt die Gruppierung, ihren Einfluss in den tra -ditionellen kurdischen Siedlungsgebieten zu verstärken unddort ihren Vormachtanspruch zu untermauern. Die im Januar2014 erfolgte Ausrufung einer Autonomie in verschiedenenKantonen der überwiegend von Kurden bewohnten GebieteNordsyriens sowie die Waffenhilfe der PKK im Nordirak zur Un-terstützung der dortigen kurdischen Peschmerga im Kampf ge-gen den IS werden dafür sorgen, dass die dortige Krisenregionauf unbestimmte Zeit im Blickfeld der PKK-Anhänger inDeutschland bleibt.

Trotz des grundlegend friedlichen Auftretens gibt es innerhalbder PKK nach wie vor eine latente Gewaltbereitschaft. Hierauskönnen beim Aufeinandertreffen von PKK-Anhängern und tür-kischen Nationalisten in Deutschland jederzeit spontane Ge-walttätigkeiten erwachsen. Liegen darüber hinaus Ereignisseund Entwicklungen auch ohne zwingenden Bezug zu Deutsch-land vor, welche die hiesige PKK-Anhängerschaft emotionali-sieren, sind auch weiterführende Gewalttaten denkbar. Diesschließt situative Gewaltanwendung gegenüber der Polizei beiDemonstrationen bis hin zu gezielten Angriffen auf türkischeEinrichtungen mittels Brandsätzen ein.

Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion zum Fortbestand desBetätigungsverbots gegen die PKK bleibt festzustellen, dass diePKK in Deutschland – trotz nach außen propagierter Transpa-renz – nach wie vor über einen konspirativ und nach einemstrengen Kaderprinzip agierenden Funktionärskörper verfügt.Dieser leitet organisationsinterne Vorgaben nach dem Prinzip

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von Befehl und Gehorsam an die nachgeordneten Ebenen inDeutschland weiter, die ihrerseits für die Umsetzung der Vorga-ben verantwortlich sind.

Zudem ist die PKK immer noch in der Lage bzw. dazu bereit –und dies hat sie in der Vergangenheit wiederholt gezeigt – ihreAnhängerschaft nicht nur für störungsfreie Proteste zu mobili-sieren, sondern auch physische Gewalt in Deutschland einzu-setzen.

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StandJuli 2015

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