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Analysen zu Luigi Nonos Werk “Non hay caminos, hay que caminar... Andrej Tarkovskj” Kunstuniversität Graz Institut für Komposition, Musiktheorie, Musikgeschichte und Dirigieren Juni 2005 vorgelegt von Siavosh Banihashemi bei Professor Clemens Gadenstätter Professor Dr. Christian Utz

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Analysen zu Luigi Nonos Werk

“Non hay caminos, hay que caminar... Andrej Tarkovskj”

Kunstuniversität Graz

Institut für Komposition, Musiktheorie, Musikgeschichte und Dirigieren

Juni 2005

vorgelegt von Siavosh Banihashemi

bei Professor Clemens Gadenstätter

Professor Dr. Christian Utz

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Mit herzlichem Dank an

das Archivio Luigi Nono, Venedig; Frau Dr. Erika Schaller,

Cordula Stepp und Sandra Kirschenhofer

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Inhalt

1. Einleitung……………………..………………….….…..........……...1

2. Hintergründe der Entstehung……………………….….…. ………2

2.1. Entstehung und Uraufführung………………….……… ….….……2

2.2. Tarkovskys Leben und Werk……………..………..…… ….………3

3. Die formale Konzeption des Werkes…………………… .........……5

3.1. Formverlauf………………………………….………… .…………5

3.2. Instrumentarium………………………..………………… .….….12

3.3. Orchesteraufstellung …………………..………………...….......…13

3.4. Rhythmische Strukturen……………….…………………...…...…15

3.5. Mikrointervalle………………………………..……………...……18

3.6. Klangmaterial………………. …………………..…………..….…22

4. Schlussbemerkungen………………….………………………….…27

5. Anhang…………………………………………………….......…......28

5.1. Studium der Skizzen…………………………..……….…...………28

5.2. Schematische Darstellung der Klangbewegungen………………….…30

6. Literaturverzeichnis………………………….…….……………….40

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1. Einleitung

"Non hay caminos, hay que caminar... Andrej Tarkovskj1, per 7 cori " (1987), ist Luigi

Nonos letztes Orchesterwerk. Der Titel des Stückes, der soviel bedeutet wie „Es gibt keine

Wege, nur das Gehen“, könnte geradezu als Motto für das gesamte vorangegangene

kompositorische Schaffen des italienischen Komponisten dienen. Das Wandern ist in

diesem letzten Orchesterwerk das zentrale Thema, das sich auf alle Parameter ausbreitet.

Nono teilt das Orchester in sieben Chöre und sieben Instrumentengruppen auf, die sich vor

und um die Zuhörer postieren. Somit verwebt er Zeit, Klang und Raum. Dieses magische

Spiel revolutioniert die Beziehungen zwischen den Parametern radikal2. Der Raum wird

auf stets wechselnde Weise zum Klingen gebracht, der Klang wird ausgehöhlt und belebt

sich neu mit unaufhörlicher Unruhe. Dies bewirkt der Komponist durch vielfältige Arten

der Klangerzeugung und verschiedene Schattierungen der Mikrointervalle. Die ganze

Partitur, wenige Takte ausgenommen, kreist um den Ton g mit seinen Halb- und

Viertelton-alterationen. Gleichzeitig werden die Differenzierungen in Klangfarbe, Dynamik

und Tonhöhe grundlegend, die von der Klangbewegung im Raum nicht zu trennen sind. In

diesem derart verfeinerten Zusammenspiel an der Schwelle zur Stille gewinnt der geringste

Gestus unerhörtes Gewicht: Die Klangbewegungen zwischen den Perkussionsinstrumenten

der verschiedenen Gruppen schaffen ein beeindruckendes Geflecht, spannungsvoll und

ergreifend; die technische Vielfalt der Klangerzeugung wird mit magischer

Eindringlichkeit erschlossen. Dies geschieht unter anderem durch die Veränderung von

Klangfarben und überraschenden Einsätzen und Verstummen eines Instruments. Diese

äußerste Verfeinerung der Schreibweise zielt offenbar auf absolute Verinnerlichung und

kündet von einer Stimme, die vollkommen einsam ist. Es sei hier an die Analysen von

Giovanni Morelli erinnert, der einen engen Zusammenhang zwischen diesem Werk Nonos

und Tarkovskys letztem Film Opfer nachzuweisen versucht. Die Frage, wie es Nono auf

kompositorischer Ebene gelingt, die Thematik der Einsamkeit und des Wanderns in Musik

umzusetzen, wird Gegenstand der folgenden Untersuchungen sein.

1 Im weiteren Verlauf als “Tarkovsky” notiert.

2 Mit ähnlichen Mitteln hatte Nono bereits seit 1980 im Freiburger Experimentalstudio für angewandte Elektronik gearbeitet.

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2. Hintergründe der Entstehung

2.1 Entstehung und Uraufführung

Während seiner Spanienreise (1985) hatte Nono auf einer Klostermauer in Toledo eine

Inschrift gefunden, die er für mittelalterlich hielt und unmittelbar auf sich selbst bezog:

"Caminante no hay caminos hay que caminar" ("Wanderer. Es gibt keine Wege. Es gibt nur das Gehen").

In Wirklichkeit handelte es sich bei dieser Mauerinschrift um ein verändertes Zitat aus

einem Gedicht von Antonio Machado welches dieser selbst bereits 1960 und 1962/63

vertont hatte:

Caminante, son tus huellas Wanderer, deine Spuren

al camino y nada más: sind der Weg, sonst nichts:

caminante no hay camino, Wanderer es gibt keinen Weg,

se hace camino al andar. Weg entsteht im Gehen.

Al andar se hace camino Im Gehen entsteht der Weg

y al volver la vista atrás und schaust du zurück

se ve la senda que nunca siehst du den Pfad

se ha de volver a pisar. den du nie mehr betreten kannst.

Carninante no hay camino, Wanderer es gibt keinen Weg,

sino estelas en la mar. nur eine Kielspur im Meer.

Nono war von diesen Worten tief berührt und zitierte sie oft. Er verstand sie als Metapher

seines Ichs! Die Titel seines Streichquartetts3 und von Prometeo4, sowie aller Werke, die

zwischen 1987 und 1989 entstanden sind, beziehen sich auf die zitierten Verse von Antonio

Machado.

3 Fragmente – Stille, an Diotima für Streichquartett (1979/80)

4 Prometeo. Tragedia dell'ascolto 1. Fassung (1981/1984), 2. definitive Fassung (1985)

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Der Komponist Luigi Nono ist ein Wanderer, unterwegs zu Klangwelten, in die sich noch

niemand vorgewagt hat. Aber als Wanderer bewegt er sich auch in der Zeit, der Geschichte

und der Musikgeschichte. Dass man Nono auch als Wanderer in der Todeslandschaft von

Franz Schuberts Winterreise (D 911,1827), sehen kann, bezeugt folgendes Zitat:

"die Winterreise von F. Schubert, p - fff- ppp - f - ppppppp – fffff in meinem Herzen",

notierte Nono im Turiner Programm zu den Risonanze erranti5.

Bereits während der Entstehungszeit des Prometeo lag die Partitur über einen anderen

liebeskranken Wanderer immer wieder auf Nonos Arbeitstisch: Manfred von Lord Byron in

Robert Schumanns kühner Vertonung6.

2.2 Tarkovskys Leben und Werk

"Ich bin für eine Kunst, die dem Menschen Hoffnung und Glauben gibt. Je hoffnungsloser die Welt ist, von der ein Künstler erzählt, um so deutlicher wird er vielleicht das ihr Entgegengesetzte Ideal erspüren lassen - sonst lohnt es sich nicht zu leben"7

Andrej Tarkovsky, künstlerisch eigenwilliger Filmregisseur und Autor, war einer der

großen Visionäre dieses Jahrhunderts: Sein Ausdrucksmittel war eine visionäre

Bildersprache, mit der er sein Publikum unmittelbar erreichte.

Er wurde am 4. April 1932 als Sohn des bekannten russischen Dichters Arseniy Tarkovsky

in Zavražje geboren und wuchs in der Künstlerkolonie von Peredelkino bei Moskau auf.

Zunächst absolvierte er ein weit gefächertes Studium mit den Fächern Geologie, Malerei,

Musik und Bildhauerei. Während der politischen Tauwetterperiode nach Stalins Tod,

5 Risonanze erranti. Liederzyklus a Massimo Cacciari. (1986)

6 Manfred op. 115, Robert Schumann, dramatisches Gedicht für Sprecher, Soli, Chor und Orchester nach Lord Byron

7 Tarkovsky, Andrej

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studierte Tarkovsky an der staatlichen Filmschule VGIK8. Sein erster Spielfilm Ivanovo

detstvo (Iwans Kindheit) erhielt 1963 den "Goldenen Löwen" der Filmfestspiele in

Venedig. Im selben Jahr schrieb er zusammen mit Andrej Kontschalowsky das Buch zu

dem Film Andrej Rubljow, den er 1966 drehte und der 1969 bei den Filmfestspielen in

Cannes gezeigt und mit dem Internationalen Kritikerpreis ausgezeichnet wurde. In der

Sowjetunion war der Film wegen Mystizismus verboten.

Bekannt wurden außerdem seine Filme Solaris (1971/72, nach dem Roman von Stanislaw

Lem), Zerkalo (1974, Der Spiegel), Stalker (1979), Nostalghia (1983) und Opfer (1986).

Ab 1980 lebte Tarkovsky vorwiegend in Italien. 1985 erschien sein vielbeachtetes Buch

Die versiegelte Zeit: Gedanken zur Kunst, zur Ästhetik und Poetik des Films. 1986 drehte

Tarkovsky in Schweden seinen letzten Film, die politisch-religiöse Parabel Offret (Opfer),

in der er ein düsteres Bild der Welt nach einem vernichtenden Atomschlag zeichnete. Ende

desselben Jahres, nach den Dreharbeiten zu Opfer in Schweden, kehrte er nach Italien

zurück, bereits gezeichnet von seinem Krebsleiden, dem er am 29. Dezember 1986 in Paris

erlag.

8 VGIK: Vserossuyski Godsudarstvenni Institut Kinematografi, Moskau.

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3. Die formale Konzeption des Werkes

3.1 Formverlauf

Das ganze Stück besteht aus 26 (= 13x2) Abschnitten mit jeweils 2 bis 14 Takten (13

Stufen). Insgesamt gibt es 169 (= 13x13) Takte.

In jedem Abschnitt existieren weitere kleine Teile, die aus 1, 2, 3, oder 5 Takten aufgebaut

sind. (Abb. 3.1.1). Der längste Abschnitt mit 14 Takten ist Abschnitt 9.

Abschnitt ab Takt bis Taktzahl tempo fermata ZeitdauerZeitdauer

1 1 5 5 30 00:00:44 2 6 18 13 5+5+3 30 00:01:44 3 19 30 12 3+3+3+3 30 00:01:36 4 31 32 2 2 30 120 5" 7" 00:00:21 5 33 40 8 3+5 30 00:01:04 6 41 44 4 30 00:00:32 7 45 46 2 30 00:00:16 8 47 53 7 7 30 00:00:56 9 54 67 14 30 00:01:52 10 68 75 8 3+5 30 00:01:04 11 76 79 4 1+3 120 60 120 7" 00:00:20 12 80 87 8 5+3 30 00:01:04 13 88 93 6 3+3 30 00:00:48 14 94 101 8 3+1+3+1 30 00:01:04 15 102 109 8 (3+2)+3 30 00:01:04 16 110 115 6 30 00:01:48 17 116 120 5 5 30 60 120 7" 00:00:32 18 121 128 8 3+5 30 00:01:04 19 129 133 5 5 30 7" 00:00:47 20 134 138 5 5 120 60 120 7" 00:00:19 21 139 143 5 5 30 00:00:40 22 144 155 12 30 00:01:36 23 156 159 4 1+3 120 60 120 7" 4" 00:00:24 24 160 164 5 2+3 30 60 120 8" 00:00:34 25 165 166 2 (1+1)+(1+2) 30 120 16" 00:00:26 26 167 169 3 3(1+2) 60 120 7" 00:00:15

sum 169 82 00:22:54

Abb. 3.1.1

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Mit Abb. 3.1.2 wird ersichtlich, dass die Abschnitte mit jeweils 2-14 Takten einem

mathematischen Prinzip folgen: So erscheinen zum Beispiel die Abschnitte mit 2 Takten

3x, die mit 3 Takten 1x, usw.

Die Serie [ 3 - 1 ] wird zuerst wiederholt und dann variiert, indem die Abschnitte

verdoppelt werden: [ 3 - 1 ] wird zu [ 6 - 2 - 1 ].

Abschnittslänge in Takten 2 3 4 5 6 7 8 12 13 14 Erscheinen der Abschnitte 3 1 3 6 2 1 6 2 1 1

Abb. 3.1.2

Die wichtigste Zahl in diesem Stück ist die Sieben: Das Werk ist für 7 Chöre geschrieben,

die an 7 verschiedenen Orten positioniert werden. Der zentrale Ton ist g, allerdings mit

viertel- und halbtönigen Erniedrigungen und Erhöhungen, so dass insgesamt 7 Töne im

Vierteltonabstand zur Verfügung stehen und das innerhalb von 7 Oktaven.

Abb.3.1.3

Die Dynamik geht von einem siebenfachen Piano bis zum fünffachen Fortissimo.

Insgesamt enthält das Stück also vierzehn verschiedene Dynamikbezeichnungen (= 7x2).

Wenn man piano als -1 und mezzopiano als 1 bezeichnet, gibt es Stufen von -1 bis -7 und

+1 bis + 7.

ppppppp pppppp ppppp pppp ppp pp p P F f ff fff ffff fffff1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 1 2 3 4 5 6 7

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Abb. 3.1.4

In Abb.3.1.5 lässt sich der dynamische Verlauf innerhalb jedes einzelnen Abschnittes

nachvollziehen. In Abb.3.1.6 und 3.1.7 sind die dynamischen Bezeichnungen durch Zahlen

ersetzt worden, um die Analyse zu erleichtern.

Abschnitt

1 ppp pp p ppppp P2 ppppp ppp pp f3 ppp pp P ppppp p4 ppp fff p ppp5 ppppp ppp ppppp6 p ppp p P F P pppp F7 ppppp8 ppp ffff fff ff fff ffff ppp pppp9 p P p pppp p fffff

10 ppppp ff11 ffff ppp f ff fff ffff12 ppppppp ppppp13 ppp14 p pp ppp pppp ppppp ppp15 ppp pp p fff ff f fff f ffff16 ppppp17 pp P f ff ffff18 ppppp19 ppp20 ffff pp ffff ppp21 pppp ff fff22 ppppp23 ffff ppp ff fff ffff24 ppp pp p F ffff25 pppp ffff26 f ffff ppppppp

Abb. 3.1.5

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Abschnitt ppppppp pppppp ppppp pppp ppp pp p P F f ff fff ffff ffffffffff

1 * * * * * *2 * * * * * * * * * * **3 * * * * * *4 * * *5 * * * *6 * * * * * *7 *8 * * * *9 * * * * **10 * *

11 * * * *

12 * *13 *14 * * * * *

15 * * * < * > < * < * * *

16 *

17 * * * * > *

18 *19 *20 * > > > > > > > *

21 * * *

22 *

23 * * * *

24 * * * * > > > *

25 * * > * *26 * > > > > > * > > * > > *

sum 2 2 10 8 16 8 12 6 3 5 7 7 11 2

Abb. 3.1.6

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Abschnitt

1 5 6 7 3 8 2 3 5 6 10 3 5 6 8 3 7 4 5 12 7 5 5 3 5 3 6 7 5 7 8 9 8 4 9 7 3 8 5 13 12 11 12 13 5 4 9 7 6 7 4 7 14

10 3 11 11 13 5 10 11 12 13 12 1 3 13 5 14 7 6 5 4 3 5 15 5 6 7 12 11 10 12 19 13 16 3 17 6 8 10 11 13 18 3 19 5 20 13 6 13 5 21 4 11 12 22 3 23 13 5 11 12 13 24 5 6 7 9 13 25 4 13 26 10 13 1

Abb. 3.1.7

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Abschnitt sum

1 -3 -2 -1 -5 1 -10

2 -5 -3 -2 3 -7

3 -3 -2 1 -5 -1 -10

4 -3 5 -1 -3 -2

5 -5 -3 -5 -13

6 -1 -3 -1 1 2 1 -3 2 -2

7 -5 -5

8 -3 6 5 4 5 6 -3 -4 16

9 -1 1 -1 -4 -1 7 1

10 -5 4 -1

11 6 -3 3 4 5 6 21

12 -7 -5 -12

13 -3 -3

14 -1 -2 -3 -4 -5 -3 -18

15 -3 -2 -1 5 4 3 5 3 6 20

16 -5 -5

17 -2 1 3 4 6 12

18 -5 -5

19 -3 -3

20 6 -2 6 -3 7

21 -4 4 5 5

22 -5 -5

23 6 -3 4 5 6 18 24 -3 -2 -1 2 6 2

25 -4 6 2

26 3 6 -7 2

Abb. 3.1.8

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144 des 169 Takte umfassenden Werkes verlaufen in einem sehr langsamen Grundtempo

= 30 (144 = 12x12). Die restlichen 25 Takte sind im doppelten oder vierfachen Tempo (25

= 5x5) notiert. Davon stehen 9 Takte im Tempo = 60 (9 = 3x3) und 12 Takte im Tempo

= 120 (12=3x4). Die verbleibenden 4 Takte sind mit Accelerando überschreiben (4=2x2).

Sie bestehen aus einem Takt mit einem Accelerando von 30 bis 60 und drei Takten mit

einem Accelerando. von 60 bis 120.

tempo TaktTakt30 144 rest 25 60 9 120 12

accel.30-60 1 accel.60-120 3

Abb. 3.1.9

Takt fermata tempo fermata32 5 120 7 76 120 7 77 60 78 60 79 accel.60-120117 accel.30-60118 60 119 60 120 120 7 134 7 120 135 120 7 136 60 137 120 138 120 156 120 7 157 60 158 60 159 accel.60-120 4 162 60 163 accel.60-120164 120 8 166 120 16 167 60 168 120 169 120 7 25 12 70

Abb. 3.1.10

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3.2 Instrumentarium

Die Orchestergruppen werden rund um die Zuhörer postiert: an der Stirnseite des Saales

befindet sich die erste Gruppe (drei Posaunen, große Trommel und Pauken), vor ihr die

zweite (chorisch besetzte Streicher: 7 erste und 7 zweite Geigen, 6 Bratschen, 7 Violoncelli

und 6 Kontrabässe); an den Längswänden die Gruppen 3 bis 6, von denen jeweils zwei

gleich besetzt sind, und zwar 3 und 5 mit Flöte/Piccolo, Trompete und einer Violine. 4 und

6 mit Klarinette/kleiner Klarinette, Trompete und gleichfalls einer Violine. Jede dieser vier

seitlichen Gruppen enthält überdies zwei Bongos unterschiedlicher Klanghöhe. An der

rückwärtigen Wand des Saales befindet sich die siebte Gruppe (Posaune, Bratsche,

Violoncello, Kontrabass und symmetrisch zur ersten Gruppe – große Trommel und

Pauken). Von den sieben Chören ist nur der zweite homogen (Streicher), die andern mit

ihren Verbindungen von Blas-, Streich- und Schlaginstrumenten extrem inhomogen. Im

weiteren Verlauf des Werks lässt Luigi Nono auch homogene Chöre entstehen – etwa die

Bongos aus den Gruppen 3 bis 6 – und gewinnt damit genau jene Mobilität des Klanges im

Raum, welche er in seinen vorangegangenen Werken mittels der Live-Elektronik realisiert

hatte.

coro 1 coro 2 coro 3 coro 4 coro 5 coro 6 coro 7 sum

Flöten 1 1 2 Klarinetten 1 1 2 Trompeten 1 1 1 1 4 Posaounen 3 1 4

Gr.Tr. 1 1 2 Pauken 1 1 2 Bongo 2 2 2 2 8

Violinen I 7 1 1 9 Violinen II 7 1 1 9 Braschen 6 1 7 ViolonCelli 7 1 8

Kontrabässe 6 1 7

sum 5 33 5 5 5 5 6 64

Abb. 3.2.1

Insgesamt sind 64 Instrumente beteiligt (64 = 8x8). Für jedes Instrument existiert eine

Zahlenreihe: 2, 4, 7, 8, 9 die zweimal erscheint (2 erklingt viermal). In diesen

fünf im Raum verteilten Gruppen spielen jeweils fünf Instrumente (5x5 = 25). Somit

verbleiben noch 39 Instrumentalisten (39 = 13x3).

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3.3 Orchesteraufstellung

Bereits diese Form der Orchesteraufstellung lässt entscheidende Differenzen zwischen der

Komposition Gruppen von Stockhausen und Nonos Tarkowsky-Komposition erkennen. In

beiden Werken ist das Publikum dem Orchesterklang von mehreren Seiten ausgesetzt, es

befindet sich quasi im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens selbst und wird auf diese

Weise wesentlich unmittelbarer in die Aufführungssituation einbezogen. Nono geht in

seiner Absicht, die traditionell klare Trennung zwischen Podium und Zuhörerraum

aufzuheben, noch einen Schritt weiter, da nicht nur das Orchester in insgesamt sieben

Chöre, sondern auch der Publikumsblock in fünf Abteilungen gegliedert ist. Hier ergeben

sich vielfältige Möglichkeiten, je nach Platzwahl bewusst andere Hörperspektiven zum

Werk einzunehmen.

Abb. 3.3.1

Diese Positionierung bewirkt nicht nur räumliche Klangbewegungen, sondern hat auch

den Effekt von mikrotonaler Tonhöhen-Veränderung, die sich in ständiger Bewegung

befinden. Mit dieser Technik trägt Nono dem Zitat Machados Rechnung: Sie vermittelt ein

Gefühl von stetiger Wanderung.

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In Abb. 3.3.2 sind die verschiedenen Klangbewegungen zwischen den einzelnen Gruppen

und die Verteilung der Mikrotöne auf die Gruppen innerhalb der verschiedenen Abschnitte

abgebildet.9

Abschnitt Klangbewegung Klangbewegung plus Klangänderung Statikeklang Klangänderung in Gr. sumsum

1 * * * 3 2 * * 2 3 * * 2 4 * 1 5 * * * 3 6 * 1 7 * 1 8 * 1 9 * 1

10 * 1 11 * 1 12 * 1 13 * * 2 14 * * 2 15 * 1 16 * 1 17 * 1 18 * 1 19 * 1 20 * 1 21 * 1 22 * 1 23 * 1 24 * * 2 25 * * 2 26 * 1

sum 10 12 7 7 36

Abb. 3.3.2

9 Für die schematische Darstellung der Klangbewegungen innerhalb der einzelnen Gruppen siehe Anhang, 5.2 Schematische Darstellung der Klangbewegungen, S.30

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3.4 Rhythmische Strukturen

Luigi Nono hat in sein Werk horizontale, vertikale und diagonale Rhythmusstrukturen

eingebaut.

Innerhalb der vertikalen Rhythmusstruktur versucht Nono – durch unterschiedliche

Rhythmen und Tondauern – zwischen den Instrumenten eine Klangbewegung von einer

Gruppe zu anderen zu realisieren. Dieser Effekt wird durch die Schlaginstrumente oder

durch kurze und schnelle Noten in anderen Instrumenten verstärkt (Bsp.Abb3.4.1). Dieser

kleine pulsierende Rhythmus wird variiert.

Abb. 3.4.1

Die horizontale Rhythmusstruktur liegt in den Bläsern und Streichern. Innerhalb des

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Rhythmus’ wird die Tonhöhe schleichend verändert (Bsp. Abb.3.4.2). Dadurch wird der

Frequenzbereich zwischen zwei Instrumenten enger oder breiter. Dieser Wechsel von

Mikrointervallen und rhythmischen Strukturen wird mit anderen Tonfolgen in anderen

Instrumenten imitiert oder variiert. Diese rhythmische Struktur basiert auf drei Rhythmen:

Sechzehntel oder Zweiunddreißigstel, Triolen und Quintolen.

Abb. 3.4.2

Die Rhythmen auf der horizontalen Ebene konstruiert Nono auf unterschiedliche Art und

Weise: Die eine Technik besteht darin, aus einer Folge von Zahlen einen Rhythmus zu

kreieren die zweite Konstruktionsmöglichkeit besteht in der symmetrischen Spiegelung der

Zahlen an einer imaginären y-Achse. (Abb.3.4.2)

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In der diagonalen Rhythmusstruktur wandern die Töne mit ihrer Tondauer von einen

Instrument zum anderen oder von Gruppe zu Gruppe.

In Takt 6 in 7.Gruppe : Cb. : 5 ; Vc. : 7 ; Vla. : 9

In Takt 8 in 2.Gruppe : Cb. : 13 ; Vc. : 10 ; Vle. : 7

In Takt 11 in 1.Gruppe : 1. 2. 3. Trb. : 6

In Takt 36 in 7.Gruppe : Cb. : 24 ; Vc. : 16 ; Vla. : 17

In Takt 11 in 5. und 6.Gruppe :

2.Vno I : 8 2.Vno II : 11

2.Cl. : 11 2.Fl. II : 8

In Takt 37 in 5 4 6 3

In Takt 51 : 3.Gr. Vl. : 18 , 4.Gr. Vl. : 16

5.Gr. Vl. : 21 , 6.Gr. Vl. : 16

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3.5 Die Mikrointervalle

Die bereits erwähnten 7 Töne die im Stück angewandt werden10, erscheinen in allen

Oktavlagen, manchmal über sieben Oktaven gespreizt, dann wieder clusterartig auf engem

Raum zusammengepresst. Durch diese Reduktion der Tonhöhen wird die Unterscheidung

in Tonhöhe und Klangfarbe weitgehend hinfällig. Ein Werk dieser Art hören heißt, die

Ohren auf Tonfarben im Raum und deren minimale Veränderungen zu richten.11 Das ist –

wie Nono im Programmheft12 schrieb – das Ziel des Komponisten:

Gestern – heute: Ablehnung der Dogmen fixierter Modelle

Menschliche Notwendigkeit schaffen

Gefahren eingehen

überwinden ohne Grenzen

das verschiedene das andere Hören schaffen um andere

Gefühle zu erfinden andere Techniken andere Sprachen

In der menschlichen technischen Transformation

für andere Möglichkeiten Lebensnotwendigkeiten

für andere Utopien.

In Abb.3.5.1 sind die Oktavlagen der jeweiligen Abschnitte notiert, in Abb.3.5.2 die

Tonhöhen in allen Oktaven im jeweiligen Abschnitt und in Abb.3.5.3 sind diese beiden

Tabellen zusammenfassend dargestellt.

10 Siehe S.6

11 Stenzl, Jürg: Luigi Nono. Hamburg 1998

12 Programmheft Donaueschinger Musiktage 1989, S.59 f.

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Abschnitt sum 1G G g g1 g2 g3 g4 andereandere

1 1 * battutobattuto2 3 * * *3 1 *4 7 * * * * * * *5 1 * puntepunte6 1 * puntepunte7 1 *8 4 * * * * puntepunte9 4 * * * *10 1 *11 1 *12 2 * * puntepunte13 1 *14 1 *15 2 * *16 1 *17 1 *18 1 *19 1 * puntepunte20 7 * * * * * * *21 2 * *22 3 * * *23 1 *24 1 *25 7 * * * * * * *26 7 * * * * * * *

Abb. 3.5.1

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Abschnitt sum T.h.. 1 2 3 4 5 6 7 -3 -2 -1 0 1 2 3

1 4 * * * *2 3 * * *3 7 * * * * * * **4 7 * * * * * * **5 7 * * * * * * **6 1 *7 1 *8 5 * * * * *9 4 * * * *

10 1 *11 4 * * * *12 2 * *13 3 * * *14 5 * * * * *15 5 * * * * *16 3 * * *17 5 * * * * *18 3 * * *19 3 * * *20 7 * * * * * * **21 2 * *22 3 * * *23 4 * * * *24 5 * * * * *25 7 * * * * * * **26 7 * * * * * * **

sum 108 6 17 19 24 19 17 6

Abb. 3.5.2

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Abschnitt sum Ok. 1 2 3 4 5 6 7 sum T.h.

1 1 -2 , -1 , 0 , 1 4 2 3 0 1 0 , 2 3 3 1 -3 , -2 , -1,0 , 1, 2 , 3 7 4 7 0 1 -1 2 -2 3 -3 7 5 1 -3 ,-2 , -1 , 0 , 1 , 2 , 3 7 6 1 (0) 0 7 1 2 1 8 4 -2 , (0) 0 1 -1, 1 , 2 5 9 4 1 -2 -1 0 4

10 1 -2 1 11 1 -1 , 0 , 1 , 2 4 12 2 -2 0 2 13 1 -1 , 0 , 1 3 14 1 -2 , -1 , 0 , 1 , 2 5 15 2 -2 , 0 , 2 -1 , 1 5 16 1 -1 , 0 , 1 3 17 1 -2 , -1, 0, 1, 2 5 18 1 -1, 0, 1 3 19 1 -2, 0, 2 3 20 7 -3 3 -2 2 -1 1 0 7 21 2 2 0 2 22 3 -2 -1 0 3 23 1 -1, 0, 1, 2 4 24 1 -2, -1, 0, 1, 2 5 25 7 0 1 -1 2 -2 3 -3 7 26 7 -3 3 -2 2 -1 1 0 7

sum 26 5 13 9 10 14 7 5 107

Abb. 3.5.3

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3.6 Klangmaterial

Als weiteren Parameter verwendet Nono in seinem Werk verschiedene Spieltechniken und

erreicht dadurch ganz unterschiedliche Klangfarben.

1. Klangtypus:

Im erstem Abschnitt beginnt jeder Klang in jeder Gruppe mit einem Impuls von einem

außenstehenden Schlaginstrument (1), gefolgt von einem Liegeton in der Geige (g’) (2).

Daraufhin spielen die Holzbläser einen rhythmisierten liegenden Ton, der auf g’ beginnt,

herumschwebt und wieder zu g’ zurückkehrt (3). Diese Klangfülle endet mit tremoloartigen

Impulsen in den Bongos (4). (Abb. 3.5.1)

Abb. 3.6.1

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2. Klangtypus:

Diese Klangfarbe, die im 2.,… Abschnitt vorkommt, ist aufgebaut aus liegenden Tönen, die

aus engen, vierteltönigen Intervallen bestehen, die in weiter Lage gesetzt sind (Abb.3.6.2).

Abb. 3.6.2

3. Klangtypus:

Der dritte und einfachste Klang innerhalb der Komposition besteht aus Clustern mit

variierenden Spieltechniken: sul ponte, armonici sul ponte, testo arco lentiss, crini sulla

corda, sordina…(zBs. Abschnitt 3,5,11).

Weitere Klangmuster, die in Abschnitt 4,20,25,26 vorkommen, baut Nono aus einer Art

auf mehrere Instrumente verteiltem auf- und absteigenden Arpeggio auf.(Abb.3.6.3)

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Abb. 3.6.3

4. Klangtypus:

Dieser Klangtypus besteht aus einer Klangfläche, die über mehrere Instrumente verteilt ist

und einer rhythmischen Bewegung in den auf mehrere Gruppen verteilten Bongos. Somit

ist dieser Typus ein fast reiner Schlagzeugklang (zBs.Abschnitt 6,12). Durch andere

Spieltechniken wie dietro al ponte wird diese Klangfläche mit neuen Farben angereichert.

5. Klang Typus:

Dieser Typus ist eine Variation des vorherigen Klangmusters: Hier wird der rhythmisierte

Ton bzw. das Tremolo nur in den Streichern gespielt und tremoloartige, schnelle

Tonwiederholung erklingen in den Bläsern. (Abschnitt 7, Beginn von Abschnitt 11)

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6. Klangtypus:

Im 10. Abschnitt versucht der Komponist aus drei verschiedenen Spieltechniken eine

Klangmixtur zu bauen. Jeder liegende Ton beginnt mit einem Tremolo und endet mit einem

Pizzicato. (Takt 69,70 in Vn. I.2). Diese Reihenfolge von drei Elementen wird zunächst in

verschiedenen Instrumenten gespielt und setzt dann im weiteren Verlauf verspätet ein oder

wird vertauscht. (Takt 71) (Abb.3.6.4)

Abb. 3.6.4

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7. Klangtypus:

Der letzte Klangtypus ist eigentlich ein Crescendo auf Liegetönen. Dieses Crescendo

erstreckt sich entweder über drei bis vier Takte oder vollzieht sich ganz schnell innerhalb

eines Vierteltones. Diese Crescendi werden teilweise zu Beginn, meist aber am Ende durch

einen Schlag in den Perkussionsinstrumenten verstärkt. Der 17. und der 24. Abschnitt

bestehen nur aus Crescendi und Accelerandi. Sie beginnen im Tempo q = 30 im zweifachen

bzw. dreifachen Pianissimo und enden im Tempo q = 120 und q sffff bzw. ffff.

Abbschnitt Takt Dynamik cresc. Taktzahl Ziel Dynamik

11 77,79 ppp 2+1 sffff14,15 98,104 ppppp 6+1 fff

106 f 1 sfff108 f 1+1/4 sffff

17 119 pp 3+2 sffff21 143 sff 1/4

23 159 f 1 sffff24 163 ppp 3+2 ffff26 168 f 1/4 ffff

Abb. 3.6.5

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4. Schlussbemerkungen

Die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Werk hat deutlich gemacht, wie vielseitig

Luigi Nono mit den ihm zur Verfügung stehenden Parametern hantiert und welche

Klangfülle er dadurch erreicht. Das Programm des Werkes – das Wandern des

Komponisten und des Ichs – wird auf verschiedenste Art und Weise vergegenwärtigt: Ob

es das Wandern der Töne innerhalb einer Gruppe ist, oder das Wandern der Klangfarben im

Raum, das Publikum begibt sich zusammen mit den Ausführenden bei der Musik Nonos

auf eine Wanderung mit dem eigenen Hörerlebnis.

Durch die Analyse ist deutlich geworden, mit wie vielen unterschiedlichen Mitteln Nono

den Zuhörer auf diese Reise schickt. Bei aller Klangfülle ist die Komposition sehr präzise

geplant und konstruiert.

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5. Anhang

5.1 Studium der Skizzen

Die Skizzen zum vorliegenden Werk wurden freundlicherweise vom das Archivio Luigi

Nono, Venedig, zur Verfügung gestellt. Da das Material leider nicht vollständig zugesandt

wurde, konnte es nur als Zusatzmaterial in diese Arbeit miteinfließen. Im Folgenden wurde

versucht, die Skizzen auf die formale Anlage hin zu untersuchen.

Form: Die Skizzen zeigen, dass dieses Stück aus zwei Teilen aufgebaut ist: Der erste Teil (A)

besteht aus 13 Abschnitten und der zweite Teil (B) aus 11 Abschnitten. Die Länge der

Abschnitte ist unterschiedlich.

A

1 00:00:40 2 00:01:20 3 00:01:20 4 00:00:30 00:00:40 5 00:00:10 6 00:00:10 00:00:40 7 00:00:30 8 00:00:20 00:01:20 9 00:00:20

10 00:00:20 11 00:00:20 12 00:00:40 13 00:00:40

sum 00:07:20

B

1 00:01:04 2 00:01:04 00:02:08 3 00:01:04 4 00:01:44 5 00:01:04 00:02:08 6 00:01:04 7 00:00:52 00:01:44 8 00:00:52 9 00:01:04

10 00:01:04 11 00:01:44

sum 00:12:40

Abb. 5.1.1

Nono baut aus diesen zwei Teilen ein 13-teiliges Stück.

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FormMaterial Zeit

1 A1 00:00:40 2 A2 00:01:20 3 A3 00:01:20 4 B1 00:01:04 5 A(4,5,6,7) 00:01:20 00:00:30 00:00:10 00:00:10 00:00:30 6 B4 00:01:44 7 A(12)B(2,3) A(13) 00:03:28 00:00:40 00:01:04 00:01:04 00:00:40 8 B(5,6) 00:02:08 00:01:04 00:01:04 9 B9 00:01:04

10 A(8,9,10,11) 00:01:20 00:00:20 00:00:20 00:00:20 00:00:20 11 B(7,8) 00:01:44 00:00:52 00:00:52 12 B10 00:01:04 13 B11 00:01:44

sum 00:20:00

Abb. 5.1.2

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5.2 Schematische Darstellung der Klangbewegungen Die Schemen verdeutlichen die Klangbewegung und das Auftreten der Vierteltöne in

jeder einzelnen Gruppe.

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5. Literaturverzeichnis

5.1 Primärliteratur

MACHADO, Antonio: Obras completas. Madrid 1984

NONO, Luigi: Non hay caminos, hay que caminar...Andrej Tarkovskj. Für sieben Chöre. Venedig 1987

NONO, Luigi: Skizzen. Venedig 1988

5.2 Sekundärliteratur

DREES, Stephan : Architektur und Fragment: Studien zu Kompositionen des späten Nono. Diss. Folkwang – Hochschule. Essen 1997

KOLLERITSCH, Otto (Hg.): Die Musik Luigi Nonos. Wien 1991

METZGER, Heinz – Klaus/RIEHN, Rainer (Hg.) : Luigi Nono, Musik-Konzepte, Hefte 20, Mailand 1981

MORELLI, Giovanni/BORIO, Gianmario/VENIERO Rizzardi (Hg.): Selbstreferentialität als Aspekt des Materialdenkens in den letzten Kompositionen Luigi Nonos. Zur Darstellung werkübergreifender Zusammenhänge, in: La nuova ricerca sull'opera di Luigi Nono, hrsg. von. Florenz: Leo S. Olschki 1999 (= Archivio Luigi Nono, Studi I/1998), S. 171-185.

Programmheft zu den Donaueschinger Musiktagen. Donaueschingen 1989, S.59 f.

SCHALLER, Erika : Klang und Zahl. Luigi Nonos serielles Komponieren zwischen 1955 und 1959. Saarbrücken 1977

STENZL, Jürg: Luigi Nono. Hamburg 1998