An der schönen Pforte - Predigt vom 2. Dezember 2012
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Transcript of An der schönen Pforte - Predigt vom 2. Dezember 2012
AnderschonenPforte
Gottesdienst vom 2. Dezember 2012 – Heilsarmee Münsingen
Apostelgeschichte 3,1-11
Der Tempel
Unter Herodes dem Grossen wurde seit 21 v. Chr. der Tempel umgestaltet. Der
Geschichtsschreiber Flavius Josephus beschreibt seine Grösse mit einem Sta-
dion (zwischen 185 und 200 m) Länge und einem Stadion Breite. Zerstört
wurde dieser Tempel im Jahr 70 durch die Römer. Sein Standort wird dort ver-
mutet, wo heute die Al-Aqsa-Moschee
steht und Historiker gehen davon aus,
dass die Klagemauer noch das letzte
Überbleibsel des Tempels ist.
Die schöne Pforte liegt im Osten des
Tempels und trennt den Vorhof der
Frauen vom Vorhof der Heiden. Sie
liegt innerhalb der äusseren Tempel-
mauern.
Die Geschichte
Es ist drei Uhr nachmittags - die neunte
Stunde: Gebetszeit. Das Bitten um Al-
mosen verspricht um diese Zeit den
grössten Erfolg. Freunde tragen den
Mann, der von Geburt an gelähmt ist, zu seinem Stammplatz, wo er geduldig
darauf wartet, dass ihm die vorbeiströmende Menge mit kleinen Gaben das
Überleben ermöglicht.
Auch Petrus und Johannes gingen als gläubige Juden regelmässig zum Gebet.
So auch an diesem Tag. Dabei begegneten sie dem gelähmten Mann, der sie
um ein Almosen bat. Erwartungsvoll sieht er die beiden an: Ob er wohl etwas
bekommen würde? Nur, die Beiden sind nicht vermögend, Geld können sie
nicht weitergeben. Aber sie haben etwas anderes, nämlich einen Erlöser und
Heiland, der sie befähigt, Wunder zu tun! So griff Petrus nach der rechten Hand
des Bettlers und sprach zu ihm: «Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber
habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh
umher!» (Vers 6)
Was niemand erwarten konnte, geschieht. Die seit seiner Geburt unbrauchba-
ren Gelenke und Muskeln festigten sich und der Gelähmte konnte stehen und
gehen. Unfassbar. Auch der Verfasser der Apostelgeschichte, Lukas, der ja Arzt
war, dürfte von dieser Heilung fasziniert gewesen sein. Die vielen Tempelbesu-
cher, die Tag für Tag zum Gebet kamen, kannten natürlich den Gelähmten, der
um Almosen bat. Jetzt konnte dieser Mann auf eigenen Beinen stehen, gehen
und sogar umher springen. Weil er dabei nicht vergass, wem er im Endeffekt
die Heilung zu verdanken hatte, lobte er Gott.
Martyria und Diakonia
Meistens ist der Dienst am Nächsten begleitet vom Zeugnis dessen, der uns
zum Dienst befähigt: Jesus Christus. Der Dienst (Diakonia) ist eng verknüpft mit
dem Zeugnis (Martyria). Petrus zeigt dies beispielhaft, handelt er doch im Na-
men Jesu.
Vier Fragen
Wenn ich mir die Geschichte so betrachte, so kommen mir spontan vier Fragen
in den Sinn. Sicher gibt es noch mehr, aber ich möchte mich auf diese be-
schränken.
Wo ist Deine schöne Pforte?
Die schöne Pforte ist der "Arbeitsort" des Gelähmten. Dort bat er um Almosen,
dorthin wurde er täglich gebracht. Aber auch für die Gläubigen, die den Tempel
für das Gebet besuchten, war es einer der Zugänge zum Heiligtum. Haben wir
in unserem Leben auch solche Pforten? Wo sind wir täglich zugegen? Der Ge-
lähmte wusste, an diesem Ort zogen viele Menschen vorüber. Hier konnte er
also erwarten, dass er mit den Nötigsten versorgt wurde. Vielleicht ist für uns
der Gottesdienst eine solche "schöne Pforte", weil wir hier ebenfalls mit dem
zum Leben Notwendigen versorgt werden. Es kann aber auch sein, dass unser
Arbeitsplatz ein solcher Ort ist, wo wir Gemeinschaft mit Anderen und den Aus-
tausch von Gütern pflegen können.
Bist Du Bittsteller oder Geber?
Jeder von uns kann sich in der einen oder der anderen Rolle befinden. Haben
wir von etwas reichlich, so fällt es uns sicher leicht, davon abzugeben. Anderes
wiederum haben wir zu wenig und bedürfen vielleicht dessen. Petrus und Jo-
hannes hatten kein Geld, das sie weitergeben konnten. Sie hätten jetzt natür-
lich auch denken können: "Ach, wie schade, wir können dem armen Mann
nichts geben." Aber manchmal ist nicht das am Wichtigsten, was wir vielleicht
vordergründig annehmen. Die beiden Apostel hatten wesentlich mehr anzubie-
ten als materielle Güter: Sie konnten dem Gelähmten zu einer neuen Existenz
verhelfen. Sie wurden zu reichen Gebern! Und der Bittsteller wurde in einem
Masse beschenkt, die er nicht für möglich gehalten hätte.
Was hast Du zu geben?
Liebe Freunde, wir fühlen uns manchmal zu arm, um andere an unserem Besitz
teilhaben zu lassen. Vieles müssen wir vielleicht entbehren, einiges fehlt uns an
"Ecken und Enden". Und doch, wenn wir uns darüber Gedanken machen, stel-
len wir fest, dass wir manchen Reichtum besitzen, der einem Mitmenschen
helfen kann. Niemand erwartet von uns, dass wir Wunder wirken! Aber es kann
sein, dass es für Jemanden schon sehr hilfreich ist, wenn wir mit ihm unser Le-
ben teilen. Vielleicht braucht er auch nur unseren Zuspruch, oder wir können
im Gebet für ihn einstehen. Ich bin überzeugt, jeder von uns hat etwas zu ge-
ben. Ein kleiner Dienst zur rechten Zeit kann bereits ein grosses Geschenk sein.
Woher kommen Deine Gaben?
Egal, ob Du nun Empfänger oder Schenkender bist: «Alle gute Gabe und alle
vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem
keine Veränderung ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis.» schreibt
Jakobus in seinem Brief (Jak 1,17). Grund genug, dankbar zu sein, dass man aus
seinem Reichtum weitergeben kann oder aus der Fülle empfangen darf. Gaben
zu haben - be-gabt sein - heisst immer, dass Gott in erster Linie derjenige ist,
der aus Seiner Fülle schenkt.
Wir stehen in der Adventszeit. Wir stehen in der Erwartung des Fests, das wir
aus Dankbarkeit für das grösste Geschenk feiern, das uns Gott gemacht hat: Die
Geburt unseres Herrn und Heilands Jesus Christus. Es ist allerdings bequem, bei
Weihnachten stehen zu bleiben. Genau das tun viele und sehen nur noch den
Kommerz, das einander gegenseitig mit allem Möglichen und Unmöglichen be-
schenken, den Feiertagsstress und, und, und... Aber Weihnachten ist erst der
Auftakt, der Beginn von etwas noch Grösseren. Denn ohne die Krippe gäbe es
kein Wirken Jesu auf Erden, kein Leiden, Sterben am Kreuz und Auferstehen
des Gottessohns.
Schliesslich wäre auch der Heilige Geist nicht ausgegossen worden, der in unse-
rer Geschichte die Apostel Petrus und Johannes dazu befähigt, dem Gelähmten
Heilung zuzusprechen. Er ist es auch, der uns den wahren Reichtum schenkt.
Dabei geht es nicht um Geld oder materiellen Überfluss, sondern Gaben, die
uns zu dem machen, was wir sind. Du arbeitest gerne mit den Händen? Viel-
leicht braucht dein Nachbar jemanden, der ihm den Rasen schneidet. Du kannst
gut mit Worten umgehen? Vielleicht braucht dein Nächster einen Zuspruch, sei
es per Telefon oder durch einen kleinen Kartengruss.
Gaben müssen nicht immer spektakulär sein. Selbst kleine Handreichungen
können zum Dienst am Nächsten und zum Gottesdienst werden.
Ich wünsche Euch allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit, mit ei-
nem offenen Herzen und Geist zu Gottes Reden und einer offenen Hand zum
Nächsten, um nach der Weisung Gottes zu handeln.
Amen.
(Theo Ochsenbein)