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AMIRIS – Ein Agentenmodell zur Analyse der Integration erneuerbarer Energien in den Strommarkt Marc DEISSENROTH 1 , Matthias REEG 1 , Kristina NIENHAUS 1 , Nils ROLOFF 2 , Sandra WASSERMANN 3 , Wolfgang HAUSER 3 , Uwe KLANN 4 , Thomas KAST 5 Inhalt Um den Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) erfolgreich fortzuführen, müssen einige Aspekte des Strommarktes neu gestaltet werden. Es besteht u. a. die Herausforderung, das fluktuierende EE- Angebot mit der jeweiligen Nachfrage in Ausgleich zu bringen. Als eine Möglichkeit, diesen Prozess zu koordinieren, wird eine Marktintegration der EE mit einhergehender Ausrichtung der EE- Stromerzeugung an Preissignalen der Strommärkte gesehen. In den letzten Jahren sind daher neue Instrumente wie die gleitende Marktprämie oder das Grünstromprivileg zur Direktvermarktung von EE-Strom eingeführt worden. Mit Hilfe eines agentenbasierten Simulationsmodells werden die Auswirkungen solcher und zukünftiger Instrumente auf die beteiligten Akteure als auch auf das EE-Vermarktungssystem als Ganzes getestet und analysiert. Methodik Eine wichtige Voraussetzung für das Set-Up des agentenbasierten Simulationsmodells war die ausführliche Analyse der relevanten Akteure, um ihre Motivationen, Strategien und Handlungsoptionen im Zusammenhang mit Änderungen der Rahmenbedingungen für die Transformation des Energiesystems, sowie die Auswirkungen ihres Verhaltens auf das Gesamtsystem (z.B. Großhandelspreise, EE-Einspeisemengen, Marktstruktur) zu verstehen. Diese Akteursanalyse wurde mit qualitativen sozialwissenschaftlichen Methoden durchgeführt und war geleitet von marktsoziologischen Annahmen, wonach sich das Verhalten von Herausforderern und alteingesessenen Akteuren gerade in einem Transformationsprozess, wie es die Energiewende darstellt, deutlich unterscheiden [1]. Die so gewonnenen Ergebnisse wurden schließlich in eine formalisierte Modellsprache übersetzt und mit der Simulationsumgebung Repast Simphony 2.0 in das am DLR entwickelte AMIRIS-Modell (Agentenbasierte Modellierung zur Integration Regenerativer Energien In die Strommärkte) implementiert [2]. Die aktuelle Modellstruktur von AMIRIS zeigt Abbildung 1. Die Anlagenbetreiber, differenziert nach Technologien (Wind, Photovoltaik, Biomasse), EEG- Vergütungshöhe sowie Eigentümerstruktur (Privat-personen, Landwirte, Fonds, Stadtwerke, EVUs, Industrie / Gewerbe), können sich entweder „passiv“ verhalten, d. h. sie partizipieren nicht an der Direktvermarktung und veräußern weiterhin den Strom zur festen EEG-Einspeisevergütung an den Netzbetreiber. Oder sie können „aktiv“ werden und einen Direktvermarktungsvertrag mit einem Zwischenhändler abschließen, der ihnen einen Bonus auf die EEG-Einspeisevergütung bezahlt. Aus der Akteursanalyse sind zehn prototypische Zwischenhändler identifiziert worden, die das Marktprämienmodell nutzen. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, die vertraglich mit ihnen verbundenen Biomasseanlagen auf dem Regelenergiemarkt für negative Minutenreserve anzubieten und so zusätzliche Erlöse zu erzielen. 1 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Technische Thermodynamik, Abteilung Systemanalyse und Technikbewertung, Wankelstraße 5, 70563 Stuttgart, Tel.: +49-711-6862-282, Fax: +49-711-6862-747, [email protected], www.dlr.de/tt/system 2 HEAG Südhessische Energie AG (HSE), (Die dargestellten Ergebnisse entstanden während des Arbeitsverhältnisses Herrn Roloffs beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt) 3 Universität Stuttgart, ZIRIUS - Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung 4 Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) 5 Thomas Kast Simulation Solutions 13. Symposium Energieinnovation, 12. bis 14. Februar 2014, Technische Universität Graz, www.EnInnov.TUGraz.at

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AMIRIS – Ein Agentenmodell zur Analyse der Integration erneuerbarer Energien in den Strommarkt

Marc DEISSENROTH1, Matthias REEG1, Kristina NIENHAUS1,

Nils ROLOFF2, Sandra WASSERMANN3, Wolfgang HAUSER3,

Uwe KLANN4, Thomas KAST5

Inhalt

Um den Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) erfolgreich fortzuführen, müssen einige Aspekte des Strommarktes neu gestaltet werden. Es besteht u. a. die Herausforderung, das fluktuierende EE-Angebot mit der jeweiligen Nachfrage in Ausgleich zu bringen. Als eine Möglichkeit, diesen Prozess zu koordinieren, wird eine Marktintegration der EE mit einhergehender Ausrichtung der EE-Stromerzeugung an Preissignalen der Strommärkte gesehen.

In den letzten Jahren sind daher neue Instrumente wie die gleitende Marktprämie oder das Grünstromprivileg zur Direktvermarktung von EE-Strom eingeführt worden. Mit Hilfe eines agentenbasierten Simulationsmodells werden die Auswirkungen solcher und zukünftiger Instrumente auf die beteiligten Akteure als auch auf das EE-Vermarktungssystem als Ganzes getestet und analysiert.

Methodik

Eine wichtige Voraussetzung für das Set-Up des agentenbasierten Simulationsmodells war die ausführliche Analyse der relevanten Akteure, um ihre Motivationen, Strategien und Handlungsoptionen im Zusammenhang mit Änderungen der Rahmenbedingungen für die Transformation des Energiesystems, sowie die Auswirkungen ihres Verhaltens auf das Gesamtsystem (z.B. Großhandelspreise, EE-Einspeisemengen, Marktstruktur) zu verstehen. Diese Akteursanalyse wurde mit qualitativen sozialwissenschaftlichen Methoden durchgeführt und war geleitet von marktsoziologischen Annahmen, wonach sich das Verhalten von Herausforderern und alteingesessenen Akteuren gerade in einem Transformationsprozess, wie es die Energiewende darstellt, deutlich unterscheiden [1]. Die so gewonnenen Ergebnisse wurden schließlich in eine formalisierte Modellsprache übersetzt und mit der Simulationsumgebung Repast Simphony 2.0 in das am DLR entwickelte AMIRIS-Modell (Agentenbasierte Modellierung zur Integration Regenerativer Energien In die Strommärkte) implementiert [2]. Die aktuelle Modellstruktur von AMIRIS zeigt Abbildung 1.

Die Anlagenbetreiber, differenziert nach Technologien (Wind, Photovoltaik, Biomasse), EEG-Vergütungshöhe sowie Eigentümerstruktur (Privat-personen, Landwirte, Fonds, Stadtwerke, EVUs, Industrie / Gewerbe), können sich entweder „passiv“ verhalten, d. h. sie partizipieren nicht an der Direktvermarktung und veräußern weiterhin den Strom zur festen EEG-Einspeisevergütung an den Netzbetreiber. Oder sie können „aktiv“ werden und einen Direktvermarktungsvertrag mit einem Zwischenhändler abschließen, der ihnen einen Bonus auf die EEG-Einspeisevergütung bezahlt. Aus der Akteursanalyse sind zehn prototypische Zwischenhändler identifiziert worden, die das Marktprämienmodell nutzen. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, die vertraglich mit ihnen verbundenen Biomasseanlagen auf dem Regelenergiemarkt für negative Minutenreserve anzubieten und so zusätzliche Erlöse zu erzielen.

1 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Technische Thermodynamik, Abteilung Systemanalyse

und Technikbewertung, Wankelstraße 5, 70563 Stuttgart, Tel.: +49-711-6862-282, Fax: +49-711-6862-747, [email protected], www.dlr.de/tt/system

2 HEAG Südhessische Energie AG (HSE), (Die dargestellten Ergebnisse entstanden während des Arbeitsverhältnisses Herrn Roloffs beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt)

3 Universität Stuttgart, ZIRIUS - Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung 4 Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) 5 Thomas Kast Simulation Solutions

13. Symposium Energieinnovation, 12. bis 14. Februar 2014, Technische Universität Graz, www.EnInnov.TUGraz.at

Abbildung 1: Modellstruktur AMIRIS

Ergebnisse

Der Aufbau und die Struktur des Modells machen AMIRIS als Tool zur Politikberatung sehr flexibel, und Simulationsexperimente können über verschiedene Parametereinstellungen vielfältig konfiguriert werden. So wurde unter anderem untersucht, wie sich Faktoren wie die Prognosegüte, Portfoliozusammensetzung, Profilservicekosten etc. auf die Marktposition der Zwischenhändler auswirken. Auf Seiten der Anlagenbetreiber wurde untersucht, welche Vergütungsklassen am stärksten von der Direktvermarktung profitieren und ob am Markt ausreichend Anreize vorhanden sind, um durch die Marktintegration eine flexiblere EE-Einspeisung zu realisieren.

Abbildung 2: Entwicklung der Gesamtergebnisse von 2012 bis 2019 der Zwischenhändler

Abbildung 3: Durch Bereitstellung von Regelenergie erzielte Mehreinnahmen gegenüber der EEG-

Einspeisevergütung. Holzvergaser (BmAB2) nehmen nicht an der Direktvermarktung teil

13. Symposium Energieinnovation, 12. bis 14. Februar 2014, Technische Universität Graz, www.EnInnov.TUGraz.at

Als Ergebnisbeispiel zeigt Abbildung 2 die Auswirkungen der Direktvermarktung auf die Einnahmensituation der Zwischenhändler. Dargestellt sind die Entwicklungen der Gesamtergebnisse der verschiedenen Zwischenhändlertypen über einen Zeitraum von 8 Jahren (2012-2019) unter der Annahme einer degressiv ausgestalteten Managementprämie für die Händler. Zwischenhändler mit Erfahrungen im Energiehandel und einem leistungsstarken Portfolio weisen weiterhin positive Bilanzen auf. Kleinere Zwischenhändler mit schlechter Prognosequalität haben dagegen Schwierigkeiten, sich auf dem Markt zu behaupten.

Auch wurde analysiert, welches Potenzial eine Vermarktung auf dem Regelenergiemarkt bietet und inwiefern durch die Direktvermarktung ein bedarfsorientiertes Einspeiseverhalten der EE-Anlagen angereizt wird. Für die am Regelenergiemarkt teilnehmenden Biomasseanlagenbetreiber (aufgeteilt in 4 Vergütungsklassen) sind deren Mehreinnahmen gegenüber der EEG-Einspeisevergütung in Abbildung 3 dargestellt. Die Anlagen zur Festbrennstoffverwertung (BmAB1) sowie große Biogasanlagen (BmAB4) profitieren dabei deutlich durch die Bereitstellung von Regelenergie.

Weiterhin ist das Wettbewerbsverhalten untersucht worden, indem die Anlagenbetreiber jährlich ihre Vertragskonditionen mit den Zwischenhändlern überprüfen, bei attraktiveren Angeboten ihre Verträge wechseln und so Ertragszuwächse generieren können.

Die Simulationsergebnisse zeigen, dass Entscheidungsträgern mit Hilfe des AMIRIS-Modells Auswirkungen verschiedener Ausgestaltungsvarianten von Politikinstrumenten sowohl auf die Makroebene des Energiesystems als auch auf die Mikroebene der Akteure demonstriert werden können.

Literatur

[1] N. Fligstein and D. McAdam, “Toward a general theory of strategic action fields*,” Sociological Theory, vol. 29, no. 1, pp. 1–26, 2011.

[2] M. Reeg, K. Nienhaus, N. Roloff, U. Pfenning, M. Deissenroth, S. Wassermann, W. Hauser, W. Weimer-Jehle, T. Kast, and U. Klann, “Weiterentwicklung eines agentenbasierten Simulationsmodells (AMIRIS) zur Untersuchung des Akteursverhaltens bei der Marktintegration von Strom aus erneuerbaren Energien unter verschiedenen Fördermechanismen”, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Apr. 2013.

13. Symposium Energieinnovation, 12. bis 14. Februar 2014, Technische Universität Graz, www.EnInnov.TUGraz.at