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ALTDORFER FLEXMARKT (ALF) KONZEPTBESCHREIBUNG, ZIELSETZUNG, FUNKTIONSWEISE UND PROZESSE DES ALTDORFER FLEXMARKTS

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ALTDORFER FLEXMARKT (ALF) KONZEPTBESCHREIBUNG, ZIELSETZUNG,

FUNKTIONSWEISE UND PROZESSE DES

ALTDORFER FLEXMARKTS

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ALTDORFER FLEXMARKT (ALF)

Konzeptbeschreibung, Zielsetzung, Funktionsweise und Prozesse des

Altdorfer Flexmarkts

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Impressum

Altdorfer Flexmarkt (ALF) Konzeptbeschreibung, Zielsetzung, Funktionsweise und Prozesse des Altdorfer Flexmarkts

Veröffentlicht am:

12.12.2018

Autoren:

Andreas Zeiselmair

Alexander Bogensperger

Simon Köppl

Thomas Estermann

Daniela Wohlschlager

Mathias Müller

FfE-Auftragsnummer:

BMWi-39

Herausgeber:

Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V.

Wissenschaftlicher Leiter: Prof. Dr.-Ing. U. Wagner

Geschäftsführer: Prof. Dr.-Ing. W. Mauch (FfE e.V.)

Projekt-Manager: Dr.-Ing. Dipl.-Phys. R. Corradini

Kontakt:

Am Blütenanger 71 80995 München Tel.: +49 (0) 89 158121-0 Fax: +49 (0) 89 158121-10 E-Mail: [email protected] Internet: www.ffe.de

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Inhalt

Altdorfer Flexmarkt (ALF) .................................................................................................. 3

1 | Einleitung, Motivation und Zielsetzung von ALF ...................................................... 4

2 | Bestehende Engpassmanagement-Prozesse ............................................................ 6

2.1 Netzbezogene Maßnahmen .................................................................................................... 6

2.2 Marktbezogene Maßnahmen .................................................................................................. 7

2.3 Notfallmaßnahmen ................................................................................................................. 8

3 | Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts ....................................................... 9

3.1 Grundsätzlicher Aufbau von ALF ............................................................................................. 9

3.2 Akteur-spezifische Wertversprechen .................................................................................... 11

3.3 Flex-Optionen ........................................................................................................................ 12

3.4 Prozesse auf ALF .................................................................................................................... 15

3.4.1 Initialisierung ................................................................................................................. 16

3.4.2 Registrierung ................................................................................................................. 17

3.4.3 Angebotseinstellung und Freigabe ................................................................................ 17

3.4.4 Bedarfsprognose und Nachfrageeinstellung ................................................................. 18

3.4.5 Mapping und Aggregation ............................................................................................. 18

3.4.6 Matching ........................................................................................................................ 19

3.4.7 Anlagenabruf ................................................................................................................. 19

3.4.8 Settlement ..................................................................................................................... 20

4 | Fazit & Ausblick .................................................................................................... 21

5 | Literaturverzeichnis .............................................................................................. 22

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Altdorfer Flexmarkt (ALF)

Die folgende Konzeptbeschreibung des Altdorfer Flexmarkts (ALF), welchen die

Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. konzipiert und in Zusammenarbeit mit der

Bayernwerk Netz GmbH umsetzt, richtet sich an Interessenten mit technischem

Hintergrund und Grundlagenwissen in der Energiewirtschaft. /FFE-75 17/ Ziel ist eine

verständliche Beschreibung der Hintergründe, Funktionsweise und Prozesse des

vorgestellten Flexibilitätsmarkts, kurz Flexmarkt. Der Fokus dieses Dokuments liegt nicht

auf technischen Details, sondern den grundlegenden Funktionen und Zielsetzungen von

ALF, welche nachfolgend beschrieben und in den energiewirtschaftlichen Kontext

eingeordnet werden.

Die beschriebenen Konzepte werden im Rahmen des Verbundprojekts C/sells entwickelt,

welches Teil des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda

für die Energiewende (SINTEG)“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

(BMWi) ist (Förderkennzeichen: 03SIN121).1 /BMWI-119 17/

1 Weitere Informationen finden sich auf den Webseiten der Forschungsstelle für Energie- wirtschaft e. V. (https://www.ffe.de/csells) bzw. des Verbundprojekts (http://www.csells.net/).

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4 Einleitung, Motivation und Zielsetzung von ALF

1 | Einleitung, Motivation und

Zielsetzung von ALF

Das Energiesystem befindet sich in einem fundamentalen Transformationsprozess.

Während noch bis vor wenigen Jahren die Energieerzeugung überwiegend in

Großkraftwerken stattfand und noch vor 20 Jahren nur wenige große Unternehmen als

Stromlieferanten auftraten, hat sich dieses Bild grundlegend gewandelt. Durch die

Liberalisierung der Energiewirtschaft im Jahr 1998 stieg die Anzahl an Stromlieferanten

und somit der Wettbewerb; durch die Energiewende (u. a. beschleunigt durch das

Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) werden nach und nach die planbar einsetzbaren

fossilen Großkraftwerke durch wetterabhängige erneuerbare Energien ersetzt. Die

erneuerbare Erzeugung findet zudem an anderen Orten als bisher statt, sodass sich die

Erzeugungsschwerpunkte stark verändern.

Während früher große Energiemengen über das Übertragungsnetz von Großkraftwerken

zu den Verbrauchern transportiert wurden, entstehen heute viele Erzeugungsanlagen im

Verteilnetz. Dabei handelt es sich insbesondere um Photovoltaik- und Onshore-

Windkraftanlagen, die in den unteren Spannungsebenen angeschlossen sind.

Neben der Erzeugungsstruktur verändert sich auch die Verbrauchsstruktur. So basiert

sowohl das Mobilitätsverhalten als auch die Wärmebereitstellung zunehmend auf Strom

als Energieträger. Früher noch durch Verbrennungsmotoren dominiert, steigt die Zahl der

Elektrofahrzeuge stetig. Zudem steigen bereits viele Hausbesitzer von Gas- oder

Ölheizsystemen auf elektrisch betriebene Wärmepumpen um, die ihrerseits die

Verbrauchsstruktur ändern.

All diese Entwicklungen führen zu einer zunehmenden Belastung der Stromnetze bis hin

zur Erreichung von bestehenden Kapazitätsgrenzen. Netzengpässe entstehen vor allem

dadurch, dass einerseits erneuerbare Erzeuger (witterungsbedingt) oft gleichzeitig und

nicht perfekt prognostizierbar Energie erzeugen. Andererseits beziehen neue

Verbraucher, wie Elektrofahrzeuge oder Wärmepumpen Energie oft zu gleichen Zeiten.

Dies resultiert zum einen durch gleichartiges Nutzungsverhalten aufgrund ähnlicher

Verbrauchsprofile; zum anderen besitzen die neuen Anlagen häufig die Möglichkeit, ihr

Verhalten an externe Signalen anzupassen. Einheitliche Tarife und gleiche Preissignale für

eine Vielzahl von Verbrauchern führen folglich zu einer hohen Gleichzeitigkeit und in

Summe zu Leistungsspitzen. Da eine zeitliche Diskrepanz zwischen Zeiten mit

erneuerbarer Erzeugung und Zeiten mit hohem Verbrauch besteht, sind die Netze mit

unterschiedlichsten Belastungssituationen konfrontiert.

Motivation

Die bestehenden Netze sind aufgrund hoher Investitionskosten für lange

Nutzungszeiträume ausgelegt und in ihrer Struktur historisch gewachsen. In

Süddeutschland war der Netzausbau oftmals durch den Zubau von PV-Anlagen geprägt.

Eine Erweiterung der Infrastruktur ist kapitalintensiv und wird über die Netzentgelte als

Teil des Strompreises auf die Endkunden umgelegt.

Das Energiesystem befindet sich in einem fundamen-talen Transforma-tionsprozess.

Änderungen der Erzeugungs- und Verbrauchsstruktur belasten die Netze.

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Einleitung, Motivation und Zielsetzung von ALF 5

Weiterführendes Wissen: Zusammensetzung des Haushaltsstrompreises

Der Haushaltsstrompreis besteht aus 12 Bestandteilen und liegt in Deutschland im Mittel

bei ca. 30 ct/kWh. Die Hauptbestandteile sind Netzentgelte (23,4 %), EEG-Umlage

(23,0 %), Energiebeschaffung (9,7 %), Vertrieb und Marge (11,8 %). Die verbleibenden

Anteile (32,1 %) sind Steuern, weitere Umlagen und Abgaben. /BNETZA-01 17/

Die neuen Belastungssituationen führen einerseits – zum Schutz der Netzinfrastruktur –

zu Abregelung erneuerbarer Energien und ggf. zur vertraglich vereinbarten und

vergüteten Abschaltung gewisser Verbraucher (vgl. Abschnitt 2.2). Andererseits müssen

Netze an die neuen Belastungssituationen angepasst, ertüchtigt und ausgebaut werden,

was ebenfalls zu erhöhten Netzentgelten für Letztverbraucher führt.

Eine mögliche weitere Lösung der genannten Belastungssituationen ist die Erschließung

und Nutzung von vorhandener Flexibilität im Netz zur Reduktion von Lastspitzen und

einer gleichmäßigeren Nutzung der Netzinfrastruktur. Dies erhöht die Lebensdauer von

Netzbetriebsmitteln und vermeidet bis zu einem gewissen Grad den Netzausbau. Das

Konzept ist dabei aber explizit nicht als Alternative zum Netzausbau zu verstehen.

Stattdessen soll es zum einen als zusätzliches Werkzeug für die Zeit zwischen

identifiziertem Netzausbaubedarf und realisiertem Netzausbau dienen; zum anderen

kann es in Regionen angewendet werden, in denen es nur in wenigen Stunden im Jahr

zu Engpässen kommt (z. B. Engpassgebiete gemäß § 11 Abs. 2 EnWG). Dabei werden

Anlagen, sog. Flexibilitäts-Optionen (kurz: Flex-Optionen), die in der Lage sind ihre

Leistung auf Basis eines externen Signals aktiv zu verändern, genutzt. Somit soll in

kritischen Situationen Einfluss auf die Netzbelastung ausgeübt werden.

Weiterführendes Wissen: Flexibilität

Flexibilität beschreibt die technische Fähigkeit einer Anlage, die aktuelle und/oder

prognostizierte Leistung [P, Q] zu verändern. Zur Beschreibung dieser Fähigkeit sind

Kennwerte, wie die minimal/maximal mögliche Leistung notwendig. Weiterhin sind die

maximal verschiebbare Energiemenge [E] sowie eine Zeitangabe [t1], über Dauer der

Leistungsveränderung und - falls notwendig - Zeitpunkt des Differenzenergieausgleichs,

zu berücksichtigen. Für einen gezielten Einsatz von Flexibilität sind der Ort (sowohl

geografisch als auch der Verknüpfungspunkt im Netzgebiet) und der damit

einhergehende Wirkradius von Bedeutung. /MÜL-02 18/

Zielsetzung

Der Altdorfer Flexmarkt stellt ein konkretes Konzept zur Nutzung der im Verteilnetz

vorhandenen Flexibilität dar. ALF dient dabei als Schnittstelle zwischen Netzbetreibern

und Flexibilität im Netzgebiet. Dies ermöglicht den Flexibilitäts-Einsatz kostenoptimal,

sicher und zuverlässig zu gewährleisten. Sogenannte Flexibilitäts-Anbieter (kurz: Flex-

Anbieter) repräsentieren Besitzer, Betreiber und Vermarkter von Flex-Optionen und

können auf der zur Verfügung gestellten Plattform ihre Flexibilität anbieten. Der

Netzbetreiber als Flexibilitäts-Nachfrager (kurz: Flex-Nachfrager) stellt wiederum ein

Gesuch ein, um eine Lösung für seinen Netzengpass zu finden.

Die Konzeption des Altdorfer Flexmarkts erfolgt auf Basis der in diesem Papier

vorgestellten Rahmenbedingungen und Anforderungen. ALF wird im Rahmen eines

Feldversuchs im Netzgebiet der Bayernwerk Netz GmbH im Markt Altdorf bei Landshut

gemeinsam mit Probanden implementiert und getestet.

ALF dient als Schnittstelle zwischen Flex-Anbieter und Flex-Nachfrager.

Flexibilität ist eine Lösung, Netz-engpässe zu verhindern oder zu reduzieren.

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6 Bestehende Engpassmanagement-Prozesse

2 | Bestehende

Engpassmanagement-Prozesse

Die Ursache von Netzengpässen liegt meist in der gleichzeitigen Einspeisung vieler

Erzeugungsanlagen (bspw. PV- und Windkraftanlagen) oder perspektivisch der

Leistungsaufnahme einer großen Zahl von Verbrauchern (bspw. Elektrofahrzeuge und

Wärmepumpen). Ein Netzengpass kann jedoch auch durch notwendige

Revisionsarbeiten, planmäßige Abschaltungen für Wartung und Inspektion oder spezielle

Ereignisse mit besonderen Leistungsanforderungen (große Sonderverbraucher, z. B. bei

einem Volksfest) entstehen. Die Folge ist eine erhöhte Belastung einzelner

Netzkomponenten, bis hin zur Überlastung. Eine regelmäßige oder dauerhafte

Überschreitung der Betriebsgrenzen kann schließlich zu erhöhtem Verschleiß und ggf.

dem Ausfall einzelner Komponenten führen. Es liegt folglich im Interesse des

Netzbetreibers, die Belastung seiner Anlagen unterhalb kritischer Grenzen zu halten.

Netzbetreiber verfügen hierzu bereits heute mit dem sog. Engpassmanagement über

betriebliche Möglichkeiten, um in kritischen Belastungssituation in ihrem Netz

einzugreifen. Die Mechanismen zum Umgang mit Netzengpässen gliedern sich in drei

Phasen, die im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) gesetzlich verankert sind und in

Tabelle 2-1 dargestellt sind.

Tabelle 2-1: Gesetzliche Vorgaben zu Engpassmanagement-Prozessen

Übertragungsnetzbetreiber Verteilnetzbetreiber

Netzbezogene Maßnahmen (§ 13 Abs. 1 EnWG)

Netztopologiemaßnahmen

Marktbezogene Maßnahmen (§ 13 Abs. 1, § 14 a EnWG,

AbLaV)

Redispatch, Countertrading

Steuerbare Verbrauchseinrichtungen in

Niederspannung (§ 14 a EnWG)

Abschaltbare und zuschaltbare Lasten (AbLaV)

Netz- und Kapazitätsreserve (national)

Netzreserve (international)

Notfallmaßnahmen (§ 13 Abs. 2 EnWG)

Einspeisemanagement

Kaskadierte Anlagensteuerung

2.1 Netzbezogene Maßnahmen

Als ersten Schritt zur Vermeidung von drohenden oder zur Verringerung bestehender

Netzengpässe sind Netzbetreiber nach § 13 Abs. 1 EnWG dazu verpflichtet, topologische

Maßnahmen in ihrem Netz einzusetzen. Dabei wird die Netztopologie durch das Öffnen

oder Schließen von Netzschaltern beeinflusst und so die Belastungen durch einen

modifizierten Stromfluss verändert und ggf. reduziert.

Die starke Auslastung von Netzbetriebsmittel kann deren Lebensdauer beeinträchtigen.

Das Engpassmana-gement gliedert sich in drei gesetzlich geregelte Maßnahmen-gruppen.

Vor dem Eingriff in Erzeugung oder Verbrauch müssen erst alle netzseitigen Lösungen genutzt werden.

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Bestehende Engpassmanagement-Prozesse 7

2.2 Marktbezogene Maßnahmen

Netzbetreiber dürfen nur in die Erzeugung eingreifen, wenn sie nach dem Ausschöpfen

aller möglichen topologischen Maßnahmen eine Gefährdung oder Störung nicht

verhindern können. Netzbetreiber verfügen selbst aufgrund der Entflechtung über keine

Erzeugungs- oder Verbrauchsanlagen. Daher sind sie auf die Schaltung extern

betriebener Anlagen angewiesen.

Weiterführendes Wissen: Entflechtung

Vor Beginn der Elektrifizierung befanden sich Erzeugung, Vertrieb und Netze in der Hand

weniger Unternehmen. Während Wettbewerb lange als schädlich betrachtet wurde, stieß

die EU mit einer Binnenmarktrichtlinie im Jahr 1996 an, die unterschiedlichen

Wertschöpfungsstufen voneinander zu trennen, um mehr Wettbewerb zu schaffen. Dies

ermöglichte Letztverbrauchen einen Lieferantenwechsel, was zum verstärkten

Wettbewerb auf Vertriebsebene führte. Um im Netz – ein natürliches Monopol – eine

künstliche Wettbewerbssituation zu schaffen, wurde eine Regulierung eingeführt, welche

zur langfristigen Verringerung der Netzentgelte durch Effizienzverbesserungen bei den

Netzbetreibern führen sollte. /STEG-01 08/ Im Zuge der zunehmenden Notwendigkeit für

Eingriffe in Erzeugung und Verbrauch aufgrund steigender Netzbelastungen führt dieses

System heute jedoch zu erhöhtem Abstimmungsbedarf und erfordert neue Mechanismen,

da die Interessen der verschiedenen Akteure (Erzeuger, Vertrieb, Netzbetreiber)

divergieren.

Marktbezogene Maßnahmen sind ihrerseits klar im Gesetz beschrieben

(§ 13 Abs. 1 EnWG). Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) haben hier eine Reihe an

Möglichkeiten, um in die Fahrpläne von Kraftwerken einzugreifen:

Resdispatch: Bei Redispatch (vgl. Abbildung 2-1) werden Erzeugungsanlagen mit

mehr als 10 MW Leistung vor und hinter einem Netzengpass so angepasst, dass

sich die über die Leitung transportierte Leistung reduziert.

Countertrading: Beim Countertrading können Übertragungsnetzbetreiber auf

Märkten, die einen Handel bis kurz vor Erbringung ermöglichen (Intraday-

Handel), Strom kaufen oder verkaufen, um Netzengpässe zu beseitigen.

Nutzung von abschaltbaren und zuschaltbaren Lasten: Die Nutzung von

„abschaltbaren und zuschaltbaren Lasten“ erfolgt unter vertraglich festgelegten

Randbedingungen. Dabei werden regelmäßig Anlagen über eine Ausschreibung

marktlich beschafft, welche über eine gewisse Zeit ihren Leistungswert im Sinne

eines Netzengpasses aktiv anpassen können.

Netzreserve: Im Rahmen der Netzreserve werden Erzeuger als systemrelevant

eingestuft und speziell für Netzengpässe vorgehalten, anstatt diese stillzulegen.

Im Bedarfsfall werden diese Anlagen durch die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB)

eingesetzt, um Netzengpässe ähnlich wie im Redispatch zu vermeiden. Dies kann

sowohl national als auch international erfolgen.

Die Entflechtung trennt Erzeugung, Vertrieb und Netz nach klaren Regeln u. a. zur Schaffung von Wettbewerb

Kosten und Einsatzhäufigkeit von Redispatch stiegen in den letzten Jahren sehr stark.

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8 Bestehende Engpassmanagement-Prozesse

Abbildung 2-1: Redispatch als eine der marktbasierten Maßnahmen des Engpass-

managements /FFE-37 13/

Die Möglichkeiten für Verteilnetzbetreiber (VNB) Netzengpässe marktbezogen zu

verhindern sind im Vergleich zu denen der Übertragungsnetzbetreiber deutlich geringer.

So können diese nach dem Ausschöpfen aller netzseitigen Maßnahmen lediglich

Verbrauchsanlagen abregeln, die nach den Vorgaben in § 14 a EnWG im Gegenzug eine

statische Verringerung von Netzentgelten erhalten.

Weiterführendes Wissen: § 14 a EnWG

Im Energiewirtschaftsgesetz besteht mit § 14 a „Steuerbare Verbrauchseinrichtungen in

Niederspannung“ eine Möglichkeit für Verteilnetzbetreiber im Gegenzug zur

netzdienlichen Steuerung von Verbrauchsanlagen (mit separatem Zählpunkt) eine

pauschale Reduktion von Netzentgelten anzubieten. Nach /BNETZA-01 17/ beträgt diese

im Mittel 55 % und damit 3,30 ct/kWh.

Diese Netzentgeltreduktion kommt insbesondere strombasierten Wärmeerzeugern

(Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen) zu Gute, da hierdurch Amortisationszeiten

verkürzt und die Anwendungen wirtschaftlicher werden.

Bei erzeugungsbedingten Netzengpässen haben Verteilnetzbetreiber derzeit keinerlei

Möglichkeiten marktbezogene Maßnahmen zu nutzen.

2.3 Notfallmaßnahmen

Kann ein Netzengpass weder über netz- noch marktbezogene Maßnahmen verhindert

werden, kommt es zu Notfallmaßnahmen. Nach § 13 Abs. 2 EnWG können Netzbetreiber

sukzessive erneuerbare Erzeugungsanlagen im Rahmen des Einspeisemanagements

abschalten. Ist auch dies nicht ausreichend, können schrittweise Anlagen und Netzstränge

vom Netz getrennt werden, um Gefährdungen oder Störungen zu beseitigen.

VNB verfügen über weniger Möglichkeiten, in Erzeugung und Verbrauch ein-zugreifen als ÜNB.

Die Kosten für Einspeisemanage-ment sind in den letzten Jahren gestiegen.

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Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts 9

3 | Aufbau und Funktion des

Altdorfer Flexmarkts

Wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben existieren nach den heutigen Regularien

keine marktbezogenen Maßnahmen des Engpassmanagements für Verteilnetzbetreiber.

ALF ist ein Mittel, diese Lücke v. a. für Verteilnetzbetreiber zu schließen.

Aufbau und Funktionen werden nachfolgend beschrieben. In diesem Kapitel wird der

grundsätzliche Aufbau des Altdorfer Flexmarkts als Plattform erläutert sowie die

beteiligten Akteure und der Ablauf der Prozesse beschrieben.

3.1 Grundsätzlicher Aufbau von ALF

ALF stellt einen Mechanismus für das Netzengpassmanagement dar (vgl. Abbildung 3-1),

um die vorhandene Lücke bei marktbezogenen Maßnahmen zu schließen

(vgl. Abschnitt 2.2).

Flex-Anbieter stellen sog. Flex-Angebote auf der Plattform ein bzw. geben ihre Flex-

Option zur Nutzung frei, wenn sie selbst ihre Anlage nicht aktiv vermarkten.

Stellt ein Flex-Nachfrager einen Bedarf an Flexibilität fest, kann dieser einen Flex-Bedarf

mit spezifischer Verortung des Problems einstellen.

ALF übernimmt folglich das Matching von Flex-Bedarf und Flex-Angebot und die

darauffolgende Abrufentscheidung unter Berücksichtigung der Angebots-

Randbedingungen. Zudem sind auf der Plattform durch den Netzbetreiber Limitierungen

hinterlegt die vermeiden sollen, dass Flexibilitätsabrufe zur Lösung eines Netzengpasses

einen anderen Engpass verursachen (vgl. Abbildung 3-1).

Abbildung 3-1: Grundsätzlicher Aufbau des Altdorfer Flexmarkts und

Zusammenspiel von Flex-Option und Flex-Nachfrager

AbrufentscheidungKoordination der

Randbedingungen

Matching von Flex-Bedarf und -Angebot

Altdorfer

Flexmarkt

(ALF)

Flex-

AnbieterFlex-

Nachfrager

Flex-OptionenNetzbetreiber

Berücksichtigung von Limitierungen

ALF bietet eine neue marktbezogene Maßnahme für VNB.

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10 Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts

Als Flex-Anbieter können alle Besitzer bzw. Betreiber von Erzeugungs-, Verbrauchs- und

Speicheranlagen auftreten, die ihre Einspeise- oder Entnahmeleistung bei Bedarf gezielt

anpassen können. Unterschieden wird dabei in Flex-Anbieter von Anlagen mit und ohne

aktiver Vermarktung (vgl. Abschnitt 3.4.3). Abbildung 3-2 zeigt die Zusammenhänge

dieser Akteure mit ALF auf.

Netzbetreiber treten wie beschrieben als Flex-Nachfrager auf. Unterschieden wird dabei

in Anschlussnetzbetreiber (ANB), Verteilnetzbetreiber (VNB) und Übertragungs-

netzbetreiber (ÜNB).

Abbildung 3-2: Beteiligte Akteure und Interaktionen mit ALF

Zur Übergabe des Bedarfs übermittelt der Netzbetreiber Leistung, Ort und Dauer des

Netzengpasses (= Flex-Nachfrage) an ALF. Flex-Angebote werden durch die Flex-

Anbieter auf ALF hinterlegt. Die auf der Plattform durchgeführte Auswahl passender

Angebote und Allokation von Flex-Angebot zu Flex-Bedarf wird als Matching bezeichnet.

Eine Herausforderung bei der praktischen Umsetzung besteht dabei hinsichtlich

spezifischer Verfügbarkeiten, variabler Preise und weiterer Randbedingungen der Flex-

Angebote. So kann z. B. eine Wärmepumpe oder der Ladevorgang eines Elektrofahrzeugs

nicht beliebig lange unterbrochen werden, da ansonsten technische Restriktionen

eintreten oder Komfort-Einbußen zu erwarten sind.

Auch wirken nicht alle Flex-Optionen auf jeden Netzengpass gleich stark. Um eine

Auswahl relevanter Flex-Angebote für einen Flex-Bedarf treffen zu können, ist zudem

entscheidend, auf welche Netzbetriebsmittel eine Flex-Option in welcher Weise wirken

kann. Daher werden auf ALF vor dem Matching im sog. „Mapping“ bereits Anlagen auf

ihre Wirksamkeit auf den Netzengpass hin überprüft und bzgl. ihres Einflusses auf den

Netzengpass gewichtet.

Wenn ein Matching unter der Einhaltung aller Randbedingungen erfolgreich

stattgefunden hat, werden die ausgewählten Anlagen kontrahiert und zum

Erbringungszeitraum – falls der Bedarf nach wie vor besteht – durch die Plattform

abgerufen.

Netzbetreiber

i Information

Produkt / Dienstleistung

€ Geld

Vergütung

Flexibilität

Fahrplananpassung

Stellt Nachfrage ein

Vergütet Abruf nach Erbringung

Flexibilität

Stellt Nachfrage ein

Flexibilität

Vergütet Abruf nach ErbringungVNB & ÜNB

Verortet Flexibilität

Altdorfer

Flexmarkt (ALF)

ANB

Vergütung

Angebotsabgabe

Registriert Flex-Option

FreigabeFlex-Anbieter(Flex-Option ohne

aktive Vermarktung)Flexibilität

Registriert

Flex-Option

Leistungsbegrenzung

Flex-Anbieter(Flex-Option mit

aktiver Vermarktung)

Bei Flex-Optionen wird in Anlagen mit und ohne aktiver Vermarktung unterschieden.

Randbedingungen zum Einsatz der Flex-Optionen machen den Matching-Prozess komplex.

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Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts 11

Nach erfolgreichem Abruf wird die Abrechnung durch die Plattform angestoßen und die

Abrufe für spätere Überprüfung dokumentiert.

Aufgrund der Gestaltung heutiger Mechanismen und dem Aufbau von ALF entstehen für

unterschiedliche Akteure spezifische Wertversprechen. Diese werden nachfolgend

dargestellt.

3.2 Akteur-spezifische Wertversprechen

Netzbetreiber, Flex-Anbieter (von Anlagen mit und ohne aktiver Vermarktung) und der

Plattformbetreiber stellen bei Nutzung und Betrieb der Plattform als direkt beteiligte

Akteure die Anforderungen zur Ausgestaltung von ALF. In Abbildung 3-3, einem sog.

„Platform Business Model Canvas“ /FFE-101 17/, werden die Wertversprechen,

Werttransaktionen und Schlüsselkomponenten (entsprechend der drei konzentrischen

Kreise) für die unterschiedlichen, an der Plattform beteiligten Akteure (entsprechend der

vier Kreissegmente) aufgezeigt. Diese werden im Nachfolgenden kurz erläutert.

Abbildung 3-3: Darstellung der Geschäftsprozesse auf ALF mittels eines

„Platform Business Model Canvas“

Plattform-

Betreiber

Flex-

Anbieter mit

Anlagen mit

aktiver

Vermarktung

Flex-

Anbieter mit

Anlagen

ohne aktive

Vermarktung

Wertversprechen

Zuordnungs-

Matrix

Kostenoptimale

Lösung für

NetzengpässeZusatzerlöse durch

alternative

Vermarktungs-

Möglichkeit

Bessere Anlagen-

auslastung

Stamm-

daten

Angebot (Leistung-Preis-Zeitreihe,

Randbedingungen)

Baseline

Zahlungs-

Information

Lösung von

Netzengpässen

Geringeres

Risiko bei

Revisionen

Geringere Betriebs-

mittelauslastung

Zahlungs-

Information

Aktiver Beitrag zur

Energiewende

Zusatzerlöse

Stamm-

daten

Zahlungs-

Information

Erlöse durch

Plattform-Betrieb

Support

Möglichkeit für

Beratungsleistungen

Möglichkeit für

datenbasierte

MehrwertdiensteISO 27001

Visualisierung

Aktiver Beitrag zur

Energiewende

Leistung

Vertriebskanäle &

Kundenkontakt

Server-

Infrastruktur

Provision

Abrechnung

Marktzugang

Netz-

betreiber

Zeitgewinn für

Netzausbau-

Vorhaben

Registrierungs-

Gebühr

Daten Daten

Schlüsselkomponenten

Präqualifikation

Matching

IT-Sicherheit

Ansprechendes

Front-End

Registrierung

API

Dokumentation

Schaltungen

Messungen

Abrechnung

Informations-

Bereitstellung

Datenhaltung

Aggregation

Prognosen

Bedarf

(Leistung, Ort, Dauer)

Provision

Vergütung

Vergütung

Vergütung

Visualisierung

Anlagen-

Zugriff

Wert-Transaktionen

Die Plattform bringt Wertversprechen für unterschiedliche Akteure.

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12 Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts

Netzbetreiber

ALF bietet Netzbetreibern eine zusätzliche marktbezogene Maßnahme zur präventiven

Lösung von Netzengpässen. Dies reduziert folglich auch die Kosten für

Notfallmaßnahmen, da diese durch die Nutzung vorhandener Flexibilität über ALF

weniger häufig zum Einsatz kommen. Der Einsatz von Flexibilität kann zudem verhindern,

dass Netze bis auf das „letzte Kilowatt“ ausgebaut werden müssen. Leistungsspitzen

können so über die Nutzung von Flexibilität abgefangen werden. Die reduzierten Kosten

wirken sich folglich positiv auf die Netzentgelte aus, welche auf die Letztverbraucher

umgelegt werden. Ein weiterer wesentlicher Mehrwert für den Netzbetreiber ist die

bessere Kenntnis seines Netzgebiets durch zusätzliche Informationen und die spezifische

Visualisierung der ALF-Prozesse.

Flex-Anbieter

Die Anreize für Flex-Anbieter um auf der Plattform teilzunehmen umfassen Zusatzerlöse,

alternative Vermarktungsmöglichkeiten und kürzere Amortisationszeiten aufgrund von

Zusatzeinnahmen sowie der aktive Beitrag zur Energiewende bei relativ geringem

Aufwand. Die niedrige Einstiegshürde zur Teilnahme vereinfacht die

Partizipationsmöglichkeiten auch kleiner Akteure.

Plattformbetreiber

Von welchem Akteur bzw. welcher energiewirtschaftlichen Rolle die Flex-Plattform in

Zukunft betrieben wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Wenn eine Plattform jedoch

im Energiesystem etabliert ist, beinhalten die Wertversprechen für einen

Plattformbetreiber potenziell u. a. ein tragfähiges Geschäftsmodell (ggf. als White Label

Lösung), Provisionen für die erfolgreiche Abwicklung, Vertriebskanäle und Kundenkontakt

(B2B) durch unterschiedliche Teilnehmer auf der Plattform. Auf Basis der Daten können

weiter datenbasierte Geschäftsmodelle (Auswertungen, Analysen) entwickelt und

Mehrwertdienstleistungen (z. B. Beratungsdienstleistungen) für die Plattformnutzer

angeboten werden.

3.3 Flex-Optionen

Grundsätzlich ist die Teilnahme einer Flex-Option in ALF dann möglich, wenn diese

Flexibilität über eine oder mehrere technische Einheiten zur Verfügung stellen kann.

Voraussetzung ist, dass die Anlagen gesteuert werden und somit ihre Leistung anpassen

können. Zudem müssen sie über einen eigenen Zählpunkt für Nachweis und

Dokumentation der Erbringung verfügen. Dafür sind eine Anbindung über das sog. Smart

Meter Gateway (SMGW) sowie eine Schnittstelle zur Datenübertragung erforderlich. Dies

kann über die sogenannte CLS-Schnittstelle (Controllable Local Systems) erfolgen oder

(v. a. für ältere Bestandsanlagen) über eine Steuerbox, welche das digitale Schaltsignal in

ein binäres Signal (wie heute aus dem Rundsteuerempfänger) umwandelt.

Die nötige Infrastruktur ist bislang (Stand Oktober 2018) allerdings nur als Testumgebung

vorhanden. Diese dient in erster Linie der technischen Evaluierung der neuen Infrastruktur

und basiert auf dem Einsatz vorläufiger, noch nicht zertifizierter Komponenten; die

erfassten Daten können somit auch nicht für abrechnungsrelevante Prozesse eingesetzt

Netzbetreiber können durch ALF flexibler auf Netzengpässe reagieren.

Flex-Anbieter profitieren v. a. von Zusatzerlösen und der aktiven Teilnahme an der Energiewende.

Die Rolle des Plattformbetreibers ist Gegenstand aktueller Untersuchungen.

Das Ziel von ALF ist u. a. die Integration kleiner Anlagen bei Nutzung der iMSys-Infrastruktur.

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Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts 13

werden. Eine zertifizierte und flächendeckend verfügbare Infrastruktur der intelligenten

Messsysteme (iMSys) wird erst im Zuge des Smart Meter Rollouts bereitgestellt.

Weiterführendes Wissen: iMSys und CLS

Ein „Smart Meter“ wird auch als intelligentes Messsystem bezeichnet (iMSys) und stellt

eine Kombination aus moderner Messeinrichtung (mME) und Smart Meter Gateway

(SMGW) dar. Um Anlagen aktiv steuern zu können, benötigt man neben einem iMSys auch

die notwendige Schnittstelle zur Flex-Option, die sog. CLS-Schnittstelle. Diese verbindet

das Gateway mit den Controllable Local Systems (CLS), also den steuerbaren Geräten

(u. a. Wechselrichter oder Wärmepumpe).

Weitere Informationen zu diesen Komponenten finden sich in /FFE-46 18/

Zur Teilnahme in ALF kommen eine Vielzahl von Flex-Optionen in Frage. Im Rahmen des

Projekts wurden zunächst potenzielle Flex-Optionen auf Basis einer Literaturrecherche

identifiziert. Diese Grundgesamtheit wurde auf Anlagentypen reduziert, die üblicherweise

in der Nieder- und Mittelspannung angeschlossen sind. Die Liste schränkt sich weiter ein,

wenn man diese auf die potenziell vor Ort in der Projektregion verfügbaren Flex-

Optionen reduziert (vgl. Abbildung 3-4).

Abbildung 3-4: Übersicht verschiedenster Flexbilitätsoptionen vom

Gesamtpotenzial über die konzeptionelle Betrachtung hin zu im

Feldversuch berücksichtigten Anlagen

Flex-Optionen können grundsätzlich in Anlagen mit und ohne aktiver Vermarktung

unterschieden werden. Diese Unterscheidung bezieht sich in erster Linie auf die

bisherigen Vermarktungsmöglichkeiten der Anlagen.

Anlagen ohne aktive Vermarktung sind in der Regel Letztverbraucher oder Prosumenten

mit Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen oder PV-Anlagen. Die zugehörigen Flex-Anbieter

sind dabei aktuell nicht in der Lage, ihre Anlagen aktiv auf bestehenden Märkten

anzubieten. Für ALF wird ein Prozess geschaffen, um diese Anlagen auf der Plattform zu

aggregieren.

Gesamt

Anlagen mit aktiver Vermarktung (z. B. Biomasse-Anlagen, Wasserkraft, BHKW- / KWK-Anlagen, GHD-Anlagen, HEMS, Speicher, Windkraftanlagen)

Anlagen ohne aktive Vermarktung (z. B. PV-Anlagen, Wärmepumpen, Nachtspeicherheizung, E-Fahrzeuge, Hausspeicher-systeme)

Lastmanagement im Haushalt (z. B. Nachtspeicher-heizungen, Wärme-pumpen, Elektroboiler, Heizstab, el. Warm-wasseraufbereitung)

Lastmanagement in GHD (z. B. allgemeines Lastmanagement -Fokus Beleuchtung, Klimatisierung, Kühlhäuser, Kühlung –sonstiges, Wasserwerke)

Lastmanagement Industrie (z. B. Aluminiumindustrie, Chlorindustrie, Papierindustrie, Elektrostahlindustrie, Zementindustrie)

Konzeption(in Nieder- und Mittelspannung) Elektromobilität

Kraftwerke (z. B. Konventionelle Kraftwerke, KWK-Kraftwerke, Power-To-Heat Kraftwerke, Biogas-Anlagen)

Erneuerbare Energien (z. B. PV, Wind, Biogas, Wasserkraft, Geothermie)

Speicher (z. B. Pumpspeicherwerke, Druckluftspeicher, Batteriespeicher, Power-To-Gas)

Feldversuch(in Altdorf verfügbar)

Anlagen ohne Fahrplan(z. B. PV-Anlagen, Wärmepumpen, Nachtspeicherheizung, E-Fahrzeuge, Hausspeicher-systeme)

Anlagen mit Fahrplan(z. B. Biomasse-Anlagen, PV-Freiflächenanlagen)

Anlagen ohne aktive Vermarktung werden auf der Plattform aggregiert.

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14 Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts

Weiterführendes Wissen: Vom Prosumer zum Flexumer

Durch den dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien entsteht zunehmend ein Wandel

der ursprünglich reinen Letztverbraucher. Da diese im neuen Energiesystem über

Erzeugungsanlagen, Speicher und Elektrofahrzeuge verfügen, leisten sie einen aktiven

Beitrag zur Energiewende. Aus den Begriffen „Consumer“ (engl. Verbraucher) und

„Producer“ (engl. Erzeuger) entstand so das Kunstwort „Prosumer“, um diese Akteure zu

beschreiben.

Diese Komponenten können perspektivisch zunehmend auch Flexibilität anbieten,

wodurch sich der Prosumer zum Flexumer weiterentwickelt.

Anlagen mit aktiver Vermarktung umfassen z. B. Biomasse-Anlagen, Großverbraucher,

Windkraftanlagen oder PV-Freiflächenanlagen. Entscheidend ist dabei nicht der

Anlagentyp, sondern die Fähigkeit des Flex-Anbieters, die Leistung der Flex-Option zu

prognostizieren und einen Angebotspreis zu hinterlegen. Diese Kenntnis resultiert aus

bestehenden Erfahrungen der Anlagenvermarktung.

Das folgende Kapitel 3.4 erläutert den Plattform-Prozess unter Berücksichtigung der

beiden genannten Varianten.

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Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts 15

3.4 Prozesse auf ALF

Im nachfolgenden Kapitel werden die Bestandteile von ALF erläutert und auf einzelne

Module näher eingegangen. Abbildung 3-5 zeigt einen Überblick der wichtigsten

Prozesse, die auf ALF abgebildet sind.

Abbildung 3-5: Ablauf-Diagramm der wesentlichen Prozesse von ALF

Flex-AnbieterALF

Flex-Nachfrager

Kontrahierungs-zeitraum (d)

Matching

Fahrplan-ermittlung

Abruf der Anlagen

Anlagen-steuerung

Dokumentation

Anlage der netztopologischen Zuordnungs- und Effektivitätsmatrix

Registrierung des Flex-Anbieters und

der Flex-Option

Verortung FlexOption

ANB weiteremit aktiver

Vermarktung

ohne aktive

Vermarktung

Vermarktungs-Freigabe

Angebots-einstellung

Mapping und Aggregation

Plattform Initialisierung und

Registrierung (d-x)

Day-Ahead-Prozess (d-1)

Settlement

Initialisierung der Plattform

Bestimmung der Flex-Nachfrage

Settlement

Bedarfs-Prognose

Anlegen der Flex-Option

Abrechnungs-zeitraum (d+x)

C1

E

F

G1

G2

H1

H2 H3

A1A2

B1B2

B3

D1

D2C3

C2

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16 Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts

3.4.1 Initialisierung

Die Initialisierung von ALF (A1) wird durch den Flex-Nachfrager angestoßen. Für die aktive

Nutzung der Plattform durch den Netzbetreiber muss zunächst eine netztopologische

Zuordnungsmatrix jedes Netzgebietes erstellt werden (A2), da ALF über keinerlei

Netzdaten verfügt. Diese bildet die netztechnischen Zusammenhänge jedes einzelnen

Netzanschlusspunktes zu jedem anderen Netzanschlusspunkt ab und ermöglicht eine

Zuordnung einzelner Flex-Optionen in die Netzstruktur. Abbildung 3-6 zeigt hierzu ein

vereinfachtes Beispiel. Die Übermittlung und Aktualisierung dieser Zuordnungsmatrix

kann zu jedem Zeitpunkt erfolgen.

Abbildung 3-6: Die netztopologische Zuordnungsmatrix

Tritt beispielsweise eine Überlastung des Transformators (n0) auf, können alle

Netzanschlusspunkte im Netzgebiet dieses Problem potenziell lösen (blaue Markierung).

Tritt hingegen eine lokale Netzbelastung durch zu hohe Last im Netzstrang zwischen den

Netzanschlusspunkten n2 und n3 auf, so kann nur die flexible Ladesäule (n3) den

Netzengpass lösen.

Neben der netztopologischen Zuordnungsmatrix ist es nötig, die technische Wirksamkeit

der verbundenen Netzanschlusspunkte zueinander zu hinterlegen. Dies ist vor allem dann

relevant, wenn Netze vermascht sind oder mehrere Übergabepunkte in das überlagerte

Netz vorhanden sind.

Über eine Effektivitätsmatrix kann ALF später die Angebote gewichten und wirksame

Flexibilität für einen Engpass berücksichtigen. Die zugrundeliegende Wirksamkeit

einzelner Netzanschlusspunkte auf alle anderen Netzanschlusspunkte muss je

Netztopologie berechnet und der Plattform übergeben werden. Die Netztopologie kann

sich durch netzbezogene Maßnahmen verändern.

n4

n1

n2

n3

n0 n1 n2 n3 n4

n0 1 1 1 1 1

n1 1 1 1 1 0

n2 1 1 1 1 0

n3 1 1 1 1 0

n4 1 0 0 0 1

Netzgebiet Netztopologische

Zuordnungsmatrix

n0

Auf ALF werden keine Netzdaten gespeichert.

Flex-Angebote werden nach ihrer Wirksamkeit auf den Engpass gewichtet.

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Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts 17

3.4.2 Registrierung

Die Registrierung der Flex-Anbieter (B1) kann ebenfalls zu beliebiger Zeit geschehen und

umfasst Angaben zur Person sowie Anschrift und Rechnungsadresse. Zudem können je

Anbieter mehrere Flex-Optionen angelegt werden. Dies ist v. a. dann relevant, wenn ein

Anbieter beispielsweise über eine PV-Anlage, ein Elektrofahrzeug, einen Hausspeicher

und eine Wärmepumpe verfügt, welche jeweils individuell gesteuert werden können. Für

die Registrierung der Flex-Optionen sind einige individuelle technische Angaben

erforderlich. ALF ist jedoch so konzipiert, dass gerade bei Kleinanlagen auch Personen

ohne energietechnisches Fachwissen diese ausfüllen können. Demnach verfügt die

Plattform über Tipps und Infos zu den jeweils notwendigen Daten (vgl.

Netzanschlussvertrag oder Typenschild). Inwiefern sich dies in der Praxis bestätigt, soll im

Feldversuch getestet werden.

Nachdem Flex-Optionen angelegt wurden, erhält der jeweilige Anschlussnetzbetreiber

relevante Informationen, um diese innerhalb seines Netzgebietes zu verorten und einem

Netzanschlusspunkt zuzuweisen (B2). Auf Basis der Zuordnung kann die Flex-Option

später über die Effektivitätsbewertung für einen eingestellten Flex-Bedarf ausgewählt

werden.

Sind diese Schritte erfolgt, werden die Flex-Optionen für die Vermarktung freigeschaltet

und können auf ALF genutzt werden (B3).

3.4.3 Angebotseinstellung und Freigabe

Die Angebotseinstellung muss für die zwei Arten von Flex-Optionen grundsätzlich

unterschieden werden.

Flex-Optionen ohne aktive Vermarktung

ALF dient dem Zweck, kleine Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen und deren Flexibilität

für die Netze zu nutzen. Diese Anlagen sind jedoch nicht in der Lage, eigene Prognosen

oder individuelle Fahrpläne zu liefern. Ihr Einsatz und ihre Verfügbarkeit sind stattdessen

nur stochastisch.

Da für das Matching von Flex-Nachfrage und Flex-Angebot (vgl. Abschnitt 3.4.6) eine

definierte Leistung zu einem gewissen Zeitschritt nötig ist, wird mit diesen Anlagen eine

Aggregation und Verfügbarkeitsermittlung durchgeführt. Die verfügbare Flexibilität wird

unter Berücksichtigung von Randbedingungen auf ALF quantifiziert, da sie selbst nicht

dazu in der Lage sind. Die Prognose erfolgt erst nach Auswahl aller für den Flex-Bedarf

in Frage kommenden Flex-Optionen unter Einbeziehung deren Wirksamkeit (vgl.

Mapping, Abschnitt 3.4.4).

Um die Einstiegshürde möglichst gering zu halten, wird die Freigabe der Flex-Option

ohne aktive Vermarktung als sog. Langzeitkontrahierung durchgeführt. Der Aufwand für

die Teilnahme an ALF ist daher für Kleinstanlagen nur einmal durch die Registrierung

gegeben (C1). Expertenwissen ist hierfür nicht notwendig.

Der ANB ordnet neu angelegte Flex-Optionen einem Netzanschlusspunkt zu.

Flex-Optionen ohne aktive Vermarktung haben durch Langzeitkon-trahierung nur sehr geringen Aufwand.

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18 Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts

Flex-Optionen mit aktiver Vermarktung

Diese Flex-Optionen verfügen über bereits im Vorfeld geplante Arbeitspunkte, die sog.

Baseline (C2). Sie werden beispielsweise für den Stromhandel, direkte Lieferverträge oder

das Bilanzkreismanagement benötigt. Dabei handelt es sich sowohl um Anlagen für deren

Einsatz ein Einsatzverantwortlicher entscheidet (> 10 MW Nettonennleistung), als auch

um direkt oder über einen Aggregator vermarktete Anlagen. Da es sich hierbei i. d. R. um

Experten handelt, können diese auch beurteilen innerhalb welcher technischer oder

wirtschaftlicher Randbedingungen die Anlage für eine bestimmte Zeit ihre Leistung

steigern oder reduzieren kann.

Die Flex-Anbieter solcher Anlagen können daher ihr Flex-Angebot in Form eines

Fahrplans auf der Plattform hochladen und Flexibilität individuell anbieten (C3). Auch

können sie ihren Preis für die Flexibilitätserbringung jeweils festlegen und so individuelle

Fahrplanprodukte anbieten.

3.4.4 Bedarfsprognose und Nachfrageeinstellung

Auf Basis digital abgebildeter Netze sowie Last- und Erzeugungsprognosen können

Netzbetreiber ihre Netze simulieren, um etwaige Engpässe zu ermitteln (D1).

Die Marktprozesse auf ALF werden am Tag vor der Erbringung durchgeführt; es handelt

sich also um einen sog. Day-Ahead Prozess. Demnach ist die Ermittlung des

Flexibilitätsbedarfs durch den Netzbetreiber sowie die Übergabe an die Plattform

spätestens am Vortag notwendig. Die ermittelte Nachfrage muss in Form eines

Leistungswertes inklusive der Netzzuordnung (in Form des betroffenen Netzknotens),

eines Erbringungszeitpunktes, einer Erbringungsdauer und eines Maximalpreises durch

den Netzbetreiber am Vortag auf ALF eingestellt werden (D2).

In dieser Form ist ALF dafür gedacht, Betriebsplanungsprozesse zu verbessern. Sollten im

Laufe eines Tages im Rahmen der Betriebsführung kurzfristig Netzengpässe auftreten, ist

die Plattform nach derzeitiger Ausgestaltung nicht das geeignete Instrument. In diesem

Fall muss weiterhin auf Notfallmaßnahmen wie Einspeisemanagement oder kurativen

Redispatch durch die Netzbetreiber zurückgegriffen werden.

3.4.5 Mapping und Aggregation

Nachdem die Flex-Nachfrage an die Plattform übergeben wurde, findet das sog. Mapping

statt (E). Dies bezeichnet die Auswahl aller Flex-Optionen, welche gemäß der

netztopologischen Zuordnungsmatrix einen Einfluss auf den Netzknoten haben, für den

ein Bedarf ausgewiesen wurde. Zudem erfolgt eine Berechnung des effektiven Einflusses

einer Flex-Option bezüglich des konkreten Netzengpasses. /FFE-35 18/

Für alle Anlagen ohne aktive Vermarktung eines Typs (z. B. Wärmepumpe) erfolgt – nach

erfolgreicher Auswahl aller Anlagen mit einer Wirksamkeit auf den Netzengpass – eine

Verfügbarkeitsabschätzung. Das Ergebnis dieser Berechnung ist die mit einer gewissen

Mindestwahrscheinlichkeit verfügbare Leistung aller aggregierter Anlagen, die für einen

Netzengpass in Frage kommen.

Flex-Optionen mit aktiver Vermarktung können sowohl Preis als auch Leistung und Rand-bedingungen an ALF übergeben.

ALF aggregiert und prognostiziert Verfügbarkeit und Leistung von Anlagen ohne aktive Vermarktung.

ALF ersetzt keine Notfallmaßnahmen, sondern verbessert die Betriebsplanung.

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Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts 19

Die Ergebnisse des Mappings und der Aggregation sind folglich alle für die Lösung eines

Netzengpasses in Frage kommenden Flex-Optionen inklusive zeitdiskreter

Leistungswerte auf Basis ihrer netztechnischen Effektivität. Diese Daten werden

zusammen mit den Kosten und spezifischen Randbedingungen ins Matching übergeben.

3.4.6 Matching

Eine Herausforderung der Plattform ist es, kosteneffizient Flex-Angebot und Flex-Bedarf

im sog. Matching zu allokieren (F). Dies wird vor allem dadurch erschwert, da Flex-

Optionen über gewisse Randbedingungen verfügen und mehrere Nachfrager gleichzeitig

oder zeitversetzt Flexibilität benötigen.

Um eine bestmögliche Zuordnung von Angebot und Nachfrage zu erreichen, nutzt die

Plattform eine gemischt-ganzzahlige Optimierung unter Berücksichtigung der

hinterlegten Randbedingungen, effektiven Leistung und Kosten. Diese Optimierung

erfolgt für den gesamten Tag und gewährleistet eine kostenoptimale Nutzung der

vorhandenen Flexibilität.

Nach erfolgreicher Zusammenführung von Flex-Angebot und Flex-Bedarf werden der

Abruf der Flex-Optionen kontrahiert und alle Beteiligten über das erfolgreiche Matching

in Kenntnis gesetzt.

3.4.7 Anlagenabruf

Der Abruf der kontrahierten Flex-Optionen zum Zeitpunkt der Erbringung erfolgt direkt

von der Plattform. Für Anlagen mit aktiver Vermarktung wird von der Plattform ein

angepasster Fahrplan erstellt und an den Flex-Anbieter übergeben (G1). Bei direkter

Steuerung von Anlagen ohne aktiver Vermarktung nutzt die Plattform den Service eines

aktiven externen Marktteilnehmers. Dieser baut zum Zeitpunkt des Abrufes einen CLS-

Kanal zu den Smart Meter Gateways der jeweiligen Flex-Optionen auf (G2).

Weiterführendes Wissen: externer Marktteilnehmer

Die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der Smart Meter

Infrastruktur ist nicht für jeden beliebig möglich. Manche Parteien (wie z. B. Netzbetreiber,

Messstellenbetreiber oder Energielieferanten) sind explizit nach Messstellenbetriebsgesetz

(MsbG) für den Umgang mit Daten berechtigt, da sie diese für die Erfüllung ihrer Aufgaben

benötigen. Dies trifft nicht auf andere Zwecke oder Akteure zu. Alle nicht im Gesetz explizit

genannten Parteien werden unter dem Begriff „externe Marktteilnehmer“ firmiert. Je

nachdem ob diese nur passiv Daten auslesen möchten oder aktiv auch Anlagen schalten,

sind sie an unterschiedlich anspruchsvolle Vorgaben bzgl. der IT-Sicherheit und des

Datenschutzes gebunden. Zudem benötigen diese laut § 49 Abs. 2 MsbG für ihre

Tätigkeiten eine Einwilligung des Anschlussnutzers.

Das Matching auf der Plattform erfolgt über eine gemischt-ganzzahlige Optimierung.

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20 Aufbau und Funktion des Altdorfer Flexmarkts

3.4.8 Settlement

Mittels Tarifanwendungsfällen können z. B. Messwerte im Bedarfsfall (TAF 6) oder die IST-

Einspeisung (TAF 9) abgerufen werden, um die Erbringung der Flexibilität auch

nachweisen zu können (H1). So kann der Abruf dokumentiert und in einem

Erbringungsnachweis für die Abrechnung überführt werden. Auch Regulierungsorgane

können diese Daten erhalten, um ähnlich wie im Zuge von bestehenden Prozessen

(REMIT) die Marktaktivitäten zu überwachen.

Weiterführendes Wissen: Tarifanwendungsfälle

Bei Tarifanwendungsfällen (TAF) handelt es sich um standardisierte Prozesse, die eine

Interaktion zwischen dem Smart Meter Gateway und schaltberechtigten Stellen

(z. B. Netzbetreiber, Messstellenbetreiber oder externer Marktteilnehmer) ermöglichen.

Dabei werden v. a. häufig benötigte Prozesse als TAF standardisiert. Diese umfassen u. a.

datensparsame und zeitvariable Tarife (TAF 1 & 2), das Ablesen von Zählerständen (TAF 6),

dem Abruf der IST-Einspeisung (TAF 9) und dem Abruf von Netzzustandsdaten (TAF 10).

/BSI-03 13/ Zu Beginn des Smart Meter Rollouts werden lediglich ein Teil der TAF

verfügbar sein (TAF 1, 2, 6 und 7). /PTB-01 14/

Zudem erhalten alle beteiligten Akteure Informationen über die erfolgreiche

Leistungserbringung. Die Plattform stößt überdies die Rechnungsstellung an und fordert

die Nachfrageseite zur Zahlung auf (H2, H3).

Über Tarifanwendungs-fälle kann die Flex-Erbringung nachgewiesen und dokumentiert werden.

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Fazit & Ausblick 21

4 | Fazit & Ausblick

Der Altdorfer Flexmarkt stellt ein neues Instrument für marktbasiertes

Engpassmanagement dar. Verteilnetzbetreiber erhalten durch ALF ein Mittel, in ihrer

Betriebsplanung flexibel auf Netzengpässe zu reagieren und somit seltener auf

Notfallmaßnahmen zugreifen zu müssen. Durch die Erschließung lokal verorteter

Flexibilität können die Netze besser ausgelastet und Einspeise- und Verbrauchsspitzen

reduziert werden. Dadurch können mehr erneuerbare Energien und neue Verbraucher

ins Netz integriert werden, ohne das Netz auf das „letzte Kilowatt“ auszubauen oder

erneuerbare Energien durch Einspeisemanagement regelmäßig drosseln zu müssen.

Somit schafft es einen aktiven Beitrag zur Erreichung der Ziele der Energiewende.

Durch den einfachen Zugang wird auch kleinteiligen Flex-Optionen die Möglichkeit

geboten, einen Beitrag zu leisten. Flex-Anbieter werden dadurch zudem neue

Erlöspotenziale geboten.

ALF wird im weiteren Verlauf des Projektes C/sells (www.csells.net) gemeinsam von der

Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. und der Bayernwerk Netz GmbH in Altdorf bei

Landshut umgesetzt. Ziel ist es, dadurch wertvolle Erkenntnisse für alle Beteiligten und

das Energiesystem der Zukunft zu gewinnen und gemeinsam mit den Bürgern von Altdorf

die Energiewende mitzugestalten. /FFE-32 18/

Die Ergebnisse sollen als Musterlösung dienen, welche als skalierte Lösung großflächig

eingesetzt werden kann, um langfristig fester Bestandteil des Energiesystems zu werden.

Abbildung 4-1 zeigt den angestrebten Zeitplan und die wichtigsten Aspekte bei der

Umsetzung des Altdorfer Flexmarkts bis zum Projektabschluss Ende 2020 dar.

Abbildung 4-1: Zeitplan für die Umsetzung des Altdorfer Flexmarkts

Konzeptionelle Ausgestaltung der Plattform und Funktionsbeschreibung

Festlegung der Plattform-architektur und Anbindung an die iMSys-Struktur

Aufsetzen der Plattform und Review der Architektur

Implementierung der Plattform für die Probanden in Altdorf

von marktbasierten Engpass-management

Konzeptionelle

Ausgestaltung

der Plattform

Festlegung der

Plattform-

architektur und

Anbindung an

die iMSys-

Struktur

Aufsetzen der

Plattform,

Demobetrieb

und Review

der Architektur

Implementierung

der Plattform für

die Probanden in

Altdorf und

Umsetzung von

marktbasiertem

Engpass-

management

Auswertung des

Plattform-

konzeptes und

Ableitung von

Handlungs-

empfehlungen

Pro

jekts

tart

20

17

20

18

20

19 2

02

0

Pro

jekte

nd

e

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22 Literaturverzeichnis

5 | Literaturverzeichnis

BMWI-119 17 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): Schaufenster

intelligente Energie - Digitale Agenda für die Energiewende -

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BNETZA-01 17 Monitoringbericht 2017. Bonn: Bundesnetzagentur, 2017.

BSI-03 13 Technische Richtlinie BSI TR-03109-1 - Anforderungen an die

Interoperabilität der Kommunikationseinheit eines intelligenten

Messsystems. Bonn: Bundesamt für Sicherheit in der

Informationstechnik (BSI), 2013.

FFE-37 13 von Roon, Serafin; Steinert, Corinna: Energienetze in Bayern -

Handlungsbedarf bis 2022. München: Bayerischer Industrie- und

Handelskammertag BIHK e.V., Verband der Bayerischen Energie- und

Wasserwirtschaft e.V. (VBEW), 2013

FFE-101 17 Dufter, Christa et al.: Evaluating business models of a decentralized

energy system - Paper and poster presentation. In: 7th Solar

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FFE-75 17 Köppl, Simon; Estermann, Thomas; Zeiselmair, Andreas: Laufendes

Projekt: C/sells – Großflächiges Schaufenster im Solarbogen

Süddeutschlands in: www.ffe.de/csells. München: Forschungsstelle für

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methoden/digitalisierung/688-c-sells-das-energiesystem-der-

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(Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/72LkM0abb);

München: FFE, 2018.

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flexibility options within the framework of a smart market platform in:

8th Solar Integration Workshop. Stockholm: Energynautics GmbH,

2018.

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Literaturverzeichnis 23

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Köppl, Simon; Müller, Mathias; Zeiselmair, Andreas: Smart Meter -

Umfeld, Technik, Mehrwert. München: Forschungsstelle für

Energiewirtschaft e.V., 2018.

MÜL-02 18 Müller, Mathias et al.: Dezentrale Flexibilität für lokale

Netzdienstleistungen - Eine Einordnung des Flexibilitätsbegriffs als

Grundlage für die Konzipierung einer Flexibilitätsplattform in C/sells.

In: BWK - Das Energie-Fachmagazin 6/2018. Düsseldorf: Verein

Deutscher Ingenieure (VDI), 2018.

PTB-01 14 PTB-Anforderungen Smart Meter Gateway. Braunschweig:

Physikalisch Technische Bundesanstalt, 2014.

STEG-01 08 Steger, Ulrich: Die Regulierung elektrischer Netze - Offene Fragen und

Lösungsansätze. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag, 2008