Akute Harnwegsinfekte (HWI) und Antibiotika: Eine ... · HWI gehören mit zu den häufigsten...

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HWI gehören mit zu den häufigsten bakteriell verursachten Infekten und sind neben Atemwegsinfekten eine der häufigsten Ursachen, warum Erwach- sene einen niedergelassenen Arzt auf- suchen und ein Antibiotikum rezeptiert bekommen. Die weltweite Antibiotika- resistenzentwicklung ist inzwischen auch ein politisches Thema geworden, „Antibiotic Stewardship“ ist dringend notwendig geworden. Dennoch wird nach wie vor viel zu unkritisch therapiert und Leitlinien werden, gerade was HWI betrifft, ignoriert. Eine aktuelle repräsen- tative Erhebung der Betriebskranken- kassen Nordwest und Mitte unter rund sieben Millionen Versicherten in 13 Bun- desländern kommt zu dem Schluss, dass Antibiotika falsch verordnet werden und dadurch die Gesundheit der Patien- ten gefährdet wird. Der Report bemän- gelt die fehlenden Antibiogramme – das wurde besonders bei den HWI deutlich, wo Urologen immerhin bei jeder vierten HWI ein Antibiogramm veranlassten, bei Hausärzten und Internisten Antibio- gramme aber die Ausnahme waren. Nun muss man dem entgegenhalten, dass bisher laut AWMF-Leitlinie („Harnwegsinfektionen bei Erwachse- nen, unkompliziert bakteriell ambu- lant erworben: Epidemiologie, Diag- nostik, Therapie und Management“) nicht zuletzt aus Kostengründen eine empirische Antibiose bei unkompli- zierten HWI empfohlen wurde; interes- sant, dass jetzt gerade Krankenkassen- vertreter Antibiogramme fordern. Das Dilemma ist, dass oft genug trotz vor- handener Symptome einer HWI die Urinkultur steril ist; Gründe dafür sind z. B. forcierte Diurese zur Keimelimi- nation, Nichtumsetzung der Leitlinien- empfehlung, dass bereits Keimzahlen ab 10 3 relevant sind, von vielen Labors (unlängst in einer Untersuchung von Schmiemann et al. festgestellt) oder dass Eintauchnährböden erst Keimzah- len > 10 4 anzeigen. Außerdem besteht das Problem einer Mischkultur durch Verunreinigung von Keimen der Vaginalmikrobiota, sodass nach einem passenden Antibiotikum für zwei oder gar drei Keime, sofern das Labor in diesem Fall überhaupt ein Antibiogramm macht, gesucht wird. Das führt zwangsläufig meist zur Ver- ordnung eines Breitbandantibiotikums. Es ist allerdings auch darauf zu achten, dass mikrobiologische Labore die in den Leitlinien empfohlenen Antibiotika testen. Letztlich sollte es bei aller Dis- kussion nicht so weit kommen, dass bei Symptomen einer HWI trotz negativer Urinkultur eine antibiotische Therapie verweigert wird. Außerdem werden die wenigsten Ärzte die Therapie erst bei Vorhandensein des Antibiogramms nach 30 bis 48 Stunden starten. Nicht- antibiotische Alternativen treten immer mehr in den Vordergrund: 37 % der Frauen in einer niederländischen pro- spektiven Kohortenstudie waren bereit, auf ein Antibiotikum zu verzichten. Dies ist medizinisch durchaus vertret- bar, denn die meisten unkomplizierten Zystitiden führen nicht zwangsläufig zu Pyelonephritiden. Im Zweifelsfall hilft eine CRP-Bestimmung zur Abgrenzung. Neues zur Pathophysiologie Bisher konzentrierte man sich auf die Virulenzfaktoren der uropatho- genen Erreger. Allerdings gibt es zwi- schen den Bakterien, die einen HWI verursachen,und denen bei einer asymptomatischen Bakteriurie keine Unterschiede. Die Wirtsantwort und somit das Immunsystem sind das Ent- scheidende. So fanden schwedische Wissenschaftler heraus, dass Toll-like- Rezeptoren (TLR), die für die ange- borene Immunabwehr eine zentrale Bedeutung haben, auch bei HWI eine wichtige Rolle spielen. TLR sitzen in der Plasmamembran von Immunzel- len und erkennen bakterielle Lipopro- teine und Lipopolysaccharide; sie sti- mulieren die Bildung von Zytokinen in den Granulozyten, Makrophagen und dendritischen Zellen, um eine Infektion abzuwehren. Aktuell wird ein Polymor- phismus des Toll-like-Rezeptors TLR4 und 5 als Ursache der HWI vermutet. Außerdem muss berücksichtigt werden, Akute Harnwegsinfekte (HWI) und Antibiotika: Eine unendliche Geschichte … dass trotz antibiotischer Therapie intra- zellulär Erreger im Biofilm der Blasen- schleimhaut überleben können, sodass es zu einer erneuten Infektion kommen kann. Ist ausreichend sekretorisches Immunglobulin A (sIgA) vorhanden, vermindert dies das Risiko einer erneu- ten Infektion. Weitere Reservoirs, die zu berücksichtigen sind, sind die Harn- röhre, die Vagina und die Perineal- und Perianalregion. Übertriebene Genital- hygiene, falsche Wischtechnik bei der Defäkation oder das Vorliegen einer Stuhlinkontinenz begünstigen das Auf- treten von HWI. Asymptomatische Bakteriurie Bei der asymptomatischen Bakteriurie, die durch dieselben Erreger wie bei einer Zystitis hervorgerufen wird, ist im Gegensatz zur akuten Zystitis die Wirtsantwort des betreffenden Individu- ums herunterreguliert. Der Einsatz eines Antibiotikums würde in diesem Fall das vorhandene Gleichgewicht zerstören. Die aktuelle Urinmikrobiomforschung kommt zu dem Schluss, dass selbst ste- riler Urin nicht steril ist. Daher ist eine Antibiotikagabe kontraindiziert bei: r nichtschwangeren Frauen in der Prä- menopause r Frauen mit Diabetes mellitus bei sta- biler Stoffwechsellage r älteren Personen, die zu Hause leben r älteren Personen, die in Heimen leben r Patienten nach Rückenmarksverlet- zungen r Patienten mit Dauerkatheter in situ. Eine asymptomatische Bakteriurie sollte nur bei Schwangeren (wenn in einer zweiten Urinkultur bestätigt) oder vor operativen Eingriffen am Harntrakt behandelt werden. Derzeit wird selbst bei einer Botoxinjektion in den Detrusor trotz asymptomatischer Bakteriurie von einer Antibiotikagabe abgeraten. Wenngleich die AWMF-Leitlinie (siehe Tabelle) seit Juli 2015 abgelaufen ist (die neue wird im September 2016 erwar- tet), erscheint es als unwahrscheinlich, KV-Blatt 09.2016 21 Medizinisches Thema

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HWI gehören mit zu den häufigsten bakteriell verursachten Infekten und sind neben Atemwegsinfekten eine der häufigsten Ursachen, warum Erwach-sene einen niedergelassenen Arzt auf-suchen und ein Antibiotikum rezeptiert bekommen. Die weltweite Antibiotika-resistenzentwicklung ist inzwischen auch ein politisches Thema geworden,

„Antibiotic Stewardship“ ist dringend notwendig geworden. Dennoch wird nach wie vor viel zu unkritisch therapiert und Leitlinien werden, gerade was HWI betrifft, ignoriert. Eine aktuelle repräsen-tative Erhebung der Betriebskranken-kassen Nordwest und Mitte unter rund sieben Millionen Versicherten in 13 Bun-desländern kommt zu dem Schluss, dass Antibiotika falsch verordnet werden und dadurch die Gesundheit der Patien-ten gefährdet wird. Der Report bemän-gelt die fehlenden Antibiogramme – das wurde besonders bei den HWI deutlich, wo Urologen immerhin bei jeder vierten HWI ein Antibiogramm veranlassten, bei Hausärzten und Internisten Antibio-gramme aber die Ausnahme waren.

Nun muss man dem entgegenhalten, dass bisher laut AWMF-Leitlinie („Harnwegsinfektionen bei Erwachse-nen, unkompliziert bakteriell ambu-lant erworben: Epidemiologie, Diag-nostik, Therapie und Management“) nicht zuletzt aus Kostengründen eine empirische Antibiose bei unkompli-zierten HWI empfohlen wurde; interes-sant, dass jetzt gerade Krankenkassen-vertreter Antibiogramme fordern. Das Dilemma ist, dass oft genug trotz vor-handener Symptome einer HWI die Urinkultur steril ist; Gründe dafür sind z. B. forcierte Diurese zur Keimelimi-nation, Nichtumsetzung der Leitlinien-empfehlung, dass bereits Keimzahlen ab 10 3 relevant sind, von vielen Labors (unlängst in einer Untersuchung von Schmiemann et al. festgestellt) oder dass Eintauchnährböden erst Keimzah-len > 10 4 anzeigen.

Außerdem besteht das Problem einer Mischkultur durch Verunreinigung von Keimen der Vaginalmikrobiota, sodass

nach einem passenden Antibiotikum für zwei oder gar drei Keime, sofern das Labor in diesem Fall überhaupt ein Antibiogramm macht, gesucht wird. Das führt zwangsläufig meist zur Ver-ordnung eines Breitbandantibiotikums.Es ist allerdings auch darauf zu achten, dass mikrobiologische Labore die in den Leitlinien empfohlenen Antibiotika testen. Letztlich sollte es bei aller Dis-kussion nicht so weit kommen, dass bei Symptomen einer HWI trotz negativer Urinkultur eine antibiotische Therapie verweigert wird. Außerdem werden die wenigsten Ärzte die Therapie erst bei Vorhandensein des Antibiogramms nach 30 bis 48 Stunden starten. Nicht-antibiotische Alternativen treten immer mehr in den Vordergrund: 37 % der Frauen in einer niederländischen pro-spektiven Kohortenstudie waren bereit, auf ein Antibiotikum zu verzichten. Dies ist medizinisch durchaus vertret-bar, denn die meisten unkomplizierten Zystitiden führen nicht zwangsläufig zu Pyelonephritiden. Im Zweifelsfall hilft eine CRP-Bestimmung zur Abgrenzung.

Neues zur Pathophysiologie

Bisher konzentrierte man sich auf die Virulenzfaktoren der uropatho-genen Erreger. Allerdings gibt es zwi-schen den Bakterien, die einen HWI verursachen,und denen bei einer asymp tomatischen Bakteriurie keine Unterschiede. Die Wirtsantwort und somit das Immunsystem sind das Ent-scheidende. So fanden schwedische Wissenschaftler heraus, dass Toll-like-Rezeptoren (TLR), die für die ange-borene Immunabwehr eine zentrale Bedeutung haben, auch bei HWI eine wichtige Rolle spielen. TLR sitzen in der Plasmamembran von Immunzel-len und erkennen bakterielle Lipopro-teine und Lipopolysaccharide; sie sti-mulieren die Bildung von Zytokinen in den Granu lozyten, Makrophagen und dendritischen Zellen, um eine Infektion abzuwehren. Aktuell wird ein Polymor-phismus des Toll-like-Rezeptors TLR4 und 5 als Ursache der HWI vermutet. Außerdem muss berücksichtigt werden,

Akute Harnwegsinfekte (HWI) und Antibiotika: Eine unendliche Geschichte …

dass trotz antibiotischer Therapie intra-zellulär Erreger im Biofilm der Blasen-schleimhaut überleben können, sodass es zu einer erneuten Infektion kommen kann. Ist ausreichend sekretorisches Immunglobulin A (sIgA) vorhanden, vermindert dies das Risiko einer erneu-ten Infektion. Weitere Reservoirs, die zu berücksichtigen sind, sind die Harn-röhre, die Vagina und die Perineal- und Perianalregion. Übertriebene Genital-hygiene, falsche Wischtechnik bei der Defäkation oder das Vorliegen einer Stuhlinkontinenz begünstigen das Auf-treten von HWI.

Asymptomatische Bakteriurie

Bei der asymptomatischen Bakteriurie, die durch dieselben Erreger wie bei einer Zystitis hervorgerufen wird, ist im Gegensatz zur akuten Zystitis die Wirtsantwort des betreffenden Individu-ums herunterreguliert. Der Einsatz eines Antibiotikums würde in diesem Fall das vorhandene Gleichgewicht zerstören. Die aktuelle Urinmikrobiomforschung kommt zu dem Schluss, dass selbst ste-riler Urin nicht steril ist. Daher ist eine Antibiotikagabe kontraindiziert bei: r nichtschwangeren Frauen in der Prä-

menopause r Frauen mit Diabetes mellitus bei sta-

biler Stoffwechsellager älteren Personen, die zu Hause leben r älteren Personen, die in Heimen

leben r Patienten nach Rückenmarksverlet-

zungen r Patienten mit Dauerkatheter in situ.

Eine asymptomatische Bakteriurie sollte nur bei Schwangeren (wenn in einer zweiten Urinkultur bestätigt) oder vor operativen Eingriffen am Harntrakt behandelt werden. Derzeit wird selbst bei einer Botoxinjektion in den Detrusor trotz asymptomatischer Bakteriurie von einer Antibiotikagabe abgeraten.

Wenngleich die AWMF-Leitlinie (siehe Tabelle) seit Juli 2015 abgelaufen ist (die neue wird im September 2016 erwar-tet), erscheint es als unwahrscheinlich,

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dass die neue Version viel Neues zum Thema Akuttherapie von HWI bringen wird. Die Leitlinie empfiehlt Fosfomy-cin, Nitrofurantoin oder Pivmecillinam (seit 2016 auch in Deutschland verfüg-bar) als Mittel der ersten Wahl wegen der niedrigen Resistenzrate gegenüber Escherichia coli, dem zweifelsohne häu-figsten Erreger unkomplizierter HWI. Gyrasehemmer sind Mittel zweiter Wahl und Trimethoprim bzw. Cotrimoxazol sollten nur bei lokalen Resistenzraten gegenüber Escherichia coli von < 20 % zum Einsatz kommen, was in Deutsch-land schon lange nicht mehr der Fall ist. Dennoch gab und gibt es immer noch viele Vorbehalte gegen diese Empfeh-lungen: Die EUCAST(European Com-mittee on Antimicrobial Susceptibility Testing) -Antibiogrammnorm benennt für Nitrofurantoin Grenzwerte nur bei Escherichia coli, Enterokokken, Staphy-lococcus saprophyticus, Staphylococcus aureus und Streptococcus agalactiae; für Fosfomycin gibt es nur Grenzwerte bei Escherichia coli, Proteus mirabilis und Staphylococcus aureus; bei Nitrofu-rantoin wird auf die Niereninsuffizienz als Kontraindikation verwiesen, wobei inzwischen selbst die Autoren der Pris-cusliste einräumen, dass bei einer GFR > 60 ml/min die Gefahr pulmonaler Nebenwirkungen zu vernachlässigen ist.

Die aktuellen ARS-Daten (Antibiotika Resistenz Surveillance) des Robert Koch-Instituts verzeichnen für die Uro-logie im ambulanten Bereich im Jahr 2014 für Escherichia coli eine Resis tenz gegenüber Cotrimoxazol von 28,3 % und gegenüber Ciprofloxacin von 22,0 %; hingegen liegen die Resistenzraten für Fosfomycin bei 1,3 % und für Nitrofu-rantoin bei 2,8 %. Außerdem gibt es im Gegensatz zu Trimethoprim (nicht im 1.Trimenon) und Cotrimoxazol (nicht im letzten Trimenon) keine Bedenken für den Einsatz dieser Subs tanzen bei Schwangeren. In Anbetracht der weltwei-ten Resistenzentwicklung empfiehlt die EAU (European Association of Urology)-Leitlinie zur antibiotischen Langzeitpro-phylaxe rezidivierender HWI nur noch Nitrofurantoin 50 mg oder 100 mg ein-

mal täglich, Fosfomycin 3 g alle 10 Tage oder in der Schwangerschaft Cepha-lexin 125 mg, 250 mg oder Cefaclor 250 mg einmal täglich; zur postkoitalen Gabe bei Frauen, die gehäuft nach dem Geschlechtsverkehr unter HWI leiden, eignet sich ebenfalls Nitrofurantoin. Trimethoprim allein oder Cotrimoxazol sollte, so die EAU-Leitlinie, aufgrund der aktuellen Resistenzsituation nicht mehr eingesetzt werden; dasselbe gilt für Flu-orchinolone und Cephalosporine. Die französische Arzneimittelbehörde wies 2011 allerdings auf eine wenn auch sel-tene Gefahr von Lungen- und Leberschä-den im Zusammenhang mit der Lang-zeitzeiteinnahme von Nitrofurantoin hin.

Störungen des intestinalen Mikrobioms durch Antibiotika

Der Aspekt der Kollateralschäden kommt bisher bei der Diskussion um das richtige Antibiotikum viel zu kurz: Antibiotikaassoziierte Diarrhöen sind hinlänglich bekannt; beunruhigend ist aber, dass selbst eine Kurzzeitantibiose die Diversität der Darmbakterien (Mikrobiota) über Jahre verändert und sich die Zahl von Resistenzgenen im Darm nach Antibiotikagabe, besonders wenn diese wiederholt erfolgt, drastisch erhöht. Das Mikrobiom des Menschen ist in den letzten Jahren dank neuer Gensequenzierungsverfahren zu einem

vielversprechenden Forschungsgebiet geworden. Zahlreiche Krankheiten wer-den inzwischen mit einem veränderten intestinalen Mikrobiom in Verbindung gebracht, wie beispielsweise chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Aller-gien, Autoimmunerkrankungen, Adipo-sitas, Diabetes und Depressionen.

Im Darm leben etwa 10 14 Bakterienzel-len, also zehnmal mehr als menschliche Zellen, weswegen man vom Darmmi-krobiom oder „second genome“ spricht. Stewardson et al. verglichen die Verände-rungen der intestinalen Mikrobiota unter Ciprofloxacin- und Nitrofurantoingabe; überraschend war, dass unter Nitrofu-rantoin, das bisher nur als Chemothera-peutikum für die Blase galt, Clostridien (auch pathogene Stämme) abnahmen, dafür kam es zu einer Zunahme von Fae-calibacterien, die als Butyratbildner eine protektive Wirkung auf das Darmepithel haben; im Vergleich dazu hatten die mit Ciprofloxacin behandelten Probanden am Ende der Behandlung erhebliche Ver-schiebungen der Firmicuten, Actinobak-terien und Bacteroidetes. Vier Wochen später waren die meisten Verände-rungen reversibel. Vervoort et al. unter-suchten Stuhlproben von Probanden, die Nitrofurantoin erhielten über insge-samt vier Wochen und fanden einen pas-sageren Anstieg von Actinobakterien im Vergleich zur Placebogruppe.

Fortsetzung von Seite 21

Antibiotika der 1. Wahl Alternativen Falls E.coli-Resistenz < 20 %

Fosfomycintrometamol 3000 mg 1 x

Ciprofloxacin 250 mg 2 x täglich für 3 d

Trimethoprim 200 mg 2 x täglich für 5 d

Nitrofurantoin retard 100 mg 2 x täglich für 5 d

Levofloxacin 250 mg 1 x täglich für 3 d

Cotrimoxazol 160/800 mg 2 x täglich für 3 d

Pivmecillinam 3 x 400 mg für 3 d

Ofloxacin 200 mg 2 x täglich für 3 d

Cephalosporin der 1. Generation (z. B. Cefadroxil) 500 mg 2 x täglich für 3 d

Tabelle: AWMF­Leitlinie

KV-Blatt 09.201622 Medizinisches Thema

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Die Arbeitsgruppe des Instituts für Kli-nische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg stellte auf dem diesjährigen EAU-Kongress ein experi-mentelles Modell mit Labormäusen vor, die über sieben Tage Fosfomycin oder Nitrofurantoin verabreicht bekamen. Nitrofurantoin war ähnlich wie bereits beschrieben mit einer vorteilhaften Erhö-hung von Faecalibacterien einhergehend, allerdings geschah dies im Rahmen eines Verdrängungsprozesses zulasten einiger Bakterienstämme, die unter der Therapie dezimiert wurden. Noch viel ausgeprägter war allerdings die Dysbi-ose unter bereits einer einzigen Gabe von Fosfomycin; manche Bakterienfami-lien waren vollkommen verschwunden.

Die Konsequenz aus diesen drei Stu-dien: Nitrofurantoin, begleitende Probi-otikagabe bei Antibiose oder ganz ein-fach nichtantibiotische Alternativen. In einer aktuellen Studie bei 494 Patien-tinnen wurde Fosfomycin 1 x 3 g als Ein-malgabe versus 3 x 400mg Ibuprofen über drei Tage untersucht. Im Ibupro-fenarm brauchten im Beobachtungszeit-raum von 28 Tagen 31,1 % letztendlich doch ein Antibiotikum, in der Fosfomy-cingruppe aber immerhin 12,3 % ein zweites Antibiotikum.

Um klare Aussagen zu den zahlreichen Heilpflanzen nicht nur in der Akutthe-rapie, sondern auch in der Prophylaxe machen zu können, werden dringend

Studien benötigt. Die wichtigsten Heil-pflanzen bei HWI sind: Kapuzinerkresse und Meerrettich, die antibakteriell wirk-same Isothiocyanate (Senföle) enthal-ten, Bärentraubenblätter, deren Wirkung allerdings am optimalsten im alka-lischen Urin ist, Rosmarinblätter, Tau-sendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel, Goldrute, Hauhechelwurzel, Birken-blätter, Orthosiphonblätter, Cantharis, Berberis.

Dr. med. Elke HeßdörferFachärztin für Urologie

Blasenzentrum Westend14052 Berlin

KV-Blatt 09.2016 23 Medizinisches Thema

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Was ist meine Praxis wert? Die erfolgreiche Übergabe einer Praxis ist heute kein Selbst läufer mehr. Daher sollten Ärzte möglichst früh mit der Planung der Praxis abgabe beginnen. Am besten schon ab dem 50. Lebensjahr, da Maßnahmen, die die Praxis attraktiver für den Verkauf machen – wie die Moder-nisierung der Praxisausstattung, die Mitarbeiterqualifi kation, das Eingehen von Kooperationen und nicht zuletzt die Suche nach einem Nachfolger –, meist mehrere Jahre erfordern.

Sobald es dann an die konkrete Übergabe geht, sind viele Faktoren wichtig: Entscheidend sind fundierte Aussagen zu Markt und Stand-ort, Stärken und Potenzialen der Praxis und betriebswirtschaftlichen Größen wie Umsatz und Kosten. Das und viel mehr sind Basis für die Ermittlung des Praxiswertes.

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S chlechte Nachrichten für Patienten: Bis 2020 könnten in Deutschland

Tausende Hausarztpraxen verschwinden. Laut einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) plant fast jeder vierte Haus-

und Facharzt, in den nächsten fünf Jahren seine Praxis aufzugeben.Oder: Gute Nachrichten also für Ärzte, die eine eigene Praxis eröffnen möchten?Nicht unbedingt: Immer mehr junge Ärzte sind nicht bereit, eine Praxis zu

übernehmen. „Es besteht eine regelrechte Lücke, ein Gap, zwischen Angebot

und Nachfrage“, sagt Professor Dr. Wolfgang Merk, Sachverständiger für

die Bewertung von Unternehmen und Praxen im Gesundheitswesen. Das

gefährdet nicht nur emotional das Lebenswerk eines manchen Mediziners oder

Psychotherapeuten. „Verläuft die Praxisabgabe nicht erfolgreich, hat das auch

massive Auswirkungen auf deren Altersvorsorge“ sagt der Experte aus München.

Bestes Beispiel sind für ihn die Zahnärzte. Früher sei der Praxisgründer in

der Regel männlich und Anfang 30 gewesen. Heute seien die Berufsanfänger

vorwiegend weiblich und Mitte 20. „Kaum eine 25-jährige Zahnärztin wird bereit

sein, sagen wir 300.000 Euro für eine Praxis auszugeben, um diese dann 40

Jahre zu führen“, erläutert Merk.

Der Plan, in der Zukunft erst noch etwas erleben zu wollen, hält viele davor ab,

sich in jungen Jahren an die eigene Praxis zu binden. Deshalb liegt es für viele

Erfolgreiche Nachfolge bei Heilberufen braucht gute PlanungWerden Arztpraxen zum Ladenhüter? Insbesondere in ländlichen

Gebieten besteht eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage.

Eine erfolgreiche Nachfolgeregelung braucht daher eine gute

Vorbereitung.

PRAXISÜBERGABE

Warum Sie diesen Artikel lesen sollten:Die eigene Arztpraxis als optimale Altersvorsorge? Fraglich. Der Prozess der Übergabe ist komplexer geworden. Experten geben Tipps.

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