Aktuelle Fragen der Kostenfestsetzung und der ... · b) Kann die im Rahmen des mittels PKH...
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Aktuelle Fragen
der Kostenfestsetzung und der Prozesskostenhilfe
Materialien und Ergebnisse
des
Kontaktstudiums 2006
der Fachhochschule für Rechtspflege NRW
Zusammenstellung der Ergebnisse:
Justizoberamtsrätin Wiesel
Justizoberamtsrätin Walter
Justizamtmann Klos
II
Inhaltsübersicht
Programm................................................................................................................... 3
Teilnehmerverzeichnis................................................................................................ 6
Themenkreis 1............................................................................................................ 8
Themenkreis 2.......................................................................................................... 10
Themenkreis 3.......................................................................................................... 12
Arbeitsergebnisse zum Themenkreis 1 .................................................................... 14
A. Erstattungsfähigkeit von Kosten im Allgemeinen.............................................. 14
B. Erstattungsfähigkeit von Kosten im Einzelnen.................................................. 14
I. Fälle des notwendigen Anwaltswechsels i. S. v. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO.......... 14
II. Entstehen der anwaltlichen Reisekosten....................................................... 17
III. Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Reisekosten....................................... 18
IV. Entstehen u. Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts ......... 23
V. Entstehen u. Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Terminsanwalts/
Unterbevollmächtigten....................................................................................... 24
Arbeitsergebnisse zum Themenkreis 2 .................................................................... 27
A. Grundsätzliches................................................................................................ 27
I. Höhe............................................................................................................... 27
II. Entstehungstatbestände................................................................................ 27
III. Prozessauftrag ............................................................................................. 28
IV. Tätigkeit des Rechtsanwalts ........................................................................ 28
B. Tätigkeiten i. S. v. Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG ........................................ 29
I. Entstehung der Terminsgebühr ...................................................................... 29
II. Kostenfestsetzung und Erstattung................................................................. 32
C. Terminsgebühr im schriftlichen Verfahren ........................................................ 38
I. Voraussetzungen (vgl. Abs. 1 Nr. 1 der Anmerkung zu Nr. 3104 VV RVG) ... 38
II. Mündliche Verhandlung vorgeschrieben, im Einverständnis mit den Parteien
ohne mündliche Verhandlung entschieden........................................................ 38
III. Verfahren nach § 307 ZPO........................................................................... 39
IV. Verfahren nach § 495 a ZPO ....................................................................... 40
V. schriftlicher Vergleich .................................................................................... 40
D. Terminsgebühr Nr. 3105 VV RVG .................................................................... 41
I. Beantragung eines Versäumnisurteils ............................................................ 41
II. Gegner ist im Termin anwesend, stellt jedoch keinen Antrag........................ 42
III
III. Im schriftlichen Verfahren............................................................................. 43
IV. Einspruch ..................................................................................................... 44
V. Anträge zur Prozess- und Sachleitung.......................................................... 47
VI. Entscheidungen von Amts wegen zur Prozess- und Sachleitung ................ 48
Arbeitsergebnisse zum Themenkreis 3 .................................................................... 49
A. Grundsätzliches:............................................................................................... 49
B. Einzelne Aspekte im Verfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO............................... 50
1. wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse ....................... 50
2. Einleitung zum Nachteil der Partei ............................................................... 54
3. Beteiligung des Rechtsanwalts...................................................................... 56
4. Zeiträume ohne (Raten-) Zahlungsverpflichtung .......................................... 57
5. Auskunftserteilung erst im Beschwerdeverfahren ........................................ 59
6. Aufhebung der PKH-Bewilligung gem. § 124 Nr. 4 ZPO .............................. 60
C. Vorschau auf evtl. Gesetzesänderungen (PKH-BegrenzG-E): ......................... 60
1. Die wichtigsten geplanten Änderungen: ........................................................ 60
2. Fazit:.............................................................................................................. 61
1
Einleitung
Die jährlich stattfindende Kontaktstudienwoche an der Fachhochschule für Rechts-
pflege Bad Münstereifel dient einem Erfahrungsaustausch zwischen Studierenden
des Studiums II und Rechtpflegerinnen und Rechtspflegern aus der Fachpraxis. Die
gemeinsame Erarbeitung von Problemlösungen in vertiefender Auswertung von
Rechtsprechung und Schrifttum soll zugleich die Bewusstmachung der sozialen und
wirtschaftlichen Bezüge fachpraktischer Problemlösungen und den persönlichen
Kontakt zwischen dem Rechtspflegernachwuchs und erfahrenen Kolleginnen und
Kollegen aus der Praxis fördern.
Die Kontaktstudienwoche des Jahres 2006 mit dem Thema
„Aktuelle Fragen der Kostenfestsetzung und der Prozesskostenhilfe“
umfasste drei Themenkreise:
1. Die Kostenerstattung bei der Beteiligung mehrerer Rechtsanwälte und die
Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Reisekosten
Die Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, Fragen aus dem Bereich der Erstattungsfä-
higkeit von Kosten, insbesondere zu den Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit
anwaltlicher Reisekosten und den Kosten mehrerer Rechtsanwälte zu diskutieren.
Dies geschah insbesondere vor dem Hintergrund gesetzlicher Änderungen (Wegfall
des Lokalisationsgebotes, § 78 ZPO; Wegfall des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO a. F.) und
der hierzu ergangenen umfangreichen aktuellen Rechtsprechung.
2. Aktuelle Einzelfragen zur Kostenfestsetzung
Die Teilnehmer dieser Gruppe erörterten vielfältige Probleme zum Entstehen und zur
Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Terminsgebühr unter Einbeziehung der aktuel-
len Rechtsprechung und Literaturmeinungen.
2
3. Die Tätigkeiten des Rechtspflegers nach §§ 120 Abs. 4, 124 Nr. 2 bis 4 ZPO
Eine dritte Gruppe der Teilnehmer widmete sich verschiedenen Fragestellungen zu
den Verfahren nach den vorgenannten Vorschriften unter Einbeziehung unterschied-
licher praktischer Erfahrungen und der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur-
meinungen.
Schließlich wurde den Teilnehmern der Gesetzentwurf des Bundesrats zur Begren-
zung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe (Prozesskostenhilfebegren-
zungsgesetz- PKHBegrenzG1
) vorgestellt.
Die vorliegenden Ausarbeitungen geben die Meinungen der Arbeitsgruppen zu den
von ihnen bearbeiteten Themen wieder.
Bad Münstereifel, im Januar 2007
Justizoberamtsrätin Wiesel
Justizoberamtsrätin Walter
Justizamtmann Klos
1
Bundesrat Drucksache 250/06
3
Programm
der 18. Kontaktstudienwoche
vom 16. bis 20. Oktober 2006
Aktuelle Fragen der Kostenfestsetzung und der
Prozesskostenhilfe
Leitung:
Justizoberamtsrätin Wiesel
Justizoberamtsrätin Walter
Justizamtmann Klos
Montag, 16. Oktober 2006
11.00 Uhr: Begrüßung und Eröffnung des Kontaktstudiums
Erläuterung des Tagungsverlaufs
Vorstellung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Zusammenstellung der Arbeitsgruppen
Raumverteilung
12.30 Uhr: Mittagessen
14.00 Uhr: Beginn der Arbeit in den Schwerpunktgruppen / Kleingruppen
Themenkreis 1:
Die Kostenerstattung bei der Beteiligung mehrerer
Rechtsanwälte und die Erstattungsfähigkeit anwaltlicher
Reisekosten
Leitung: Justizoberamtsrätin Wiesel
4
Themenkreis 2:
Aktuelle Einzelfragen zur Kostenfestsetzung
Leitung: Justizoberamtsrätin Walter
Themenkreis 3:
Tätigkeiten des Rechtspflegers nach §§ 120 Abs. 4,
124 Nr. 2 bis 4 ZPO
Leitung: Justizamtmann Klos
Dienstag, 17. Oktober 2006
9.00 Uhr: Arbeit in den Schwerpunktgruppen / Kleingruppen
12.30 Uhr: Mittagessen
14.00 Uhr: Fortsetzung der Arbeit in den Gruppen
Mittwoch, 18. Oktober 2006
9.00 Uhr: Fortsetzung der Arbeit in den Gruppen
12.30 Uhr: Mittagessen
14.00 Uhr: Fortsetzung der Arbeit in den Gruppen
Donnerstag, 19. Oktober 2006
9.00 Uhr: Abschluss der Arbeit in den Gruppen
10.30 Uhr: Bericht zum Themenkreis 1
Diskussion
5
12.30 Uhr: Mittagessen
14.00 Uhr: Bericht zum Themenkreis 2
Diskussion
Freitag, 20. Oktober 2006
9.00 Uhr: Bericht zum Themenkreis 3
Diskussion
Erfahrungsaustausch und Abschlussbesprechung
12.00 Uhr: Mittagessen; Abreise
6
Teilnehmerverzeichnis
18. Kontaktstudienwoche vom 16.10. bis 20.10.2006
an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein – Westfalen
OLG – Bezirk Düsseldorf
Justizamtmann Joachim Volpert Landgericht Düsseldorf
Justizamtmann Heinz Werthmanns Amtsgericht Rheinberg
OLG – Bezirk Hamm
Justizinspektor Oliver Heine Amtsgericht Dortmund
Justizinspektorin Sandra Rautenberg Landgericht Bielefeld
OLG – Bezirk Köln
Justizinspektorin Daniela Bredahl Amtsgericht Köln
Justizoberinspektorin Claudia Mauel Landgericht Bonn
Land Brandenburg
Justizoberinspektor Alexander Richter Landgericht Potsdam
Land Mecklenburg – Vorpommern
Justizoberinspektorin Ina Röschmann Amtsgericht Ribnitz - Damgarten
Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein – Westfalen
Rechtspflegeranwärterin Claudia Bendisch
Rechtspflegeranwärter Christian Claßen
Rechtspflegeranwärterin Carina Dämgen
Rechtspflegeranwärterin Bianca Deichsel
Rechtspflegeranwärterin Michaela Dilkaute
Rechtspflegeranwärterin Franziska Haarig
Rechtspflegeranwärterin Yvonne Hanenkamp
Rechtspflegeranwärterin Dinah Körner
Rechtspflegeranwärter Sven Krain
Rechtspflegeranwärterin Kathrin Kullmann
7
Rechtspflegeranwärterin Sabrina Mittmann
Justizobersekretärin Christina Mohn
Rechtspflegeranwärter Robert Müller
Rechtspflegeranwärterin Kathrin Pieper
Rechtspflegeranwärterin Kerstin Vestrick
Rechtspflegeranwärterin Anja Voß
8
Themenkreis 1
Die Kostenerstattung bei der Beteiligung mehrerer Rechtsanwälte und die Er-
stattungsfähigkeit anwaltlicher Reisekosten
1. Fälle des notwendigen Anwaltswechsels im Sinne von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO
Darzustellen ist, in welchen Fällen ein notwendiger Anwaltswechsel vorliegt. Ein-
zugehen ist hierbei auch auf einen Anwaltswechsel bei vorangegangenem Mahn-
bzw. Verfügungsverfahren.
2. Entstehen der anwaltlichen Reisekosten
3. Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Reisekosten
Dabei sind insbesondere folgende Fälle zu unterscheiden:
a) Der Prozessbevollmächtigte ist bei dem Prozessgericht nicht zugelassen und
am Wohn – oder Geschäftsort der Partei ansässig.
b) Der Prozessbevollmächtigte ist bei dem Prozessgericht nicht zugelassen und
nicht am Wohn - oder Geschäftsort der Partei, sondern an einem dritten Ort
ansässig.
c) Die Partei klagt im eigenen Gerichtsstand oder wird dort verklagt und beauf-
tragt einen Prozessbevollmächtigten, der bei dem Prozessgericht nicht zuge-
lassen und an einem dritten Ort ansässig ist.
d) Der Prozessbevollmächtigte ist bei dem Prozessgericht zugelassen und nicht
am Ort des Prozessgerichts, sondern am Wohn - oder Geschäftsort der Partei
ansässig.
4. Entstehen und Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts
5. Entstehen und Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Terminsanwalts/ Unterbe-
vollmächtigten
9
Rechtsprechungs – und Literaturhinweise (nur BGH):
BGH Rpfleger 2003, 98
BGH Rpfleger 2003, 214
BGH Rpfleger 2003, 471
BGH Rpfleger 2004, 182
BGH Rpfleger 2004, 316
BGH Rpfleger 2004, 587
BGH Rpfleger 2004, 733
BGH Rpfleger 2005, 49
BGH Rpfleger 2005, 112
BGH Rpfleger 2005, 216
BGH Rpfleger 2006, 39
BGH Rpfleger 2006, 40
BGH Rpfleger 2006, 166
BGH Rpfleger 2006, 570
Aufsätze:
Enders, JurBüro 2004, 627 - 631; 2005, 1- 7; 62 – 67
Karczewski, MDR 2005, 481 – 487
Teubel, jurisPR-ArbR 46/2004 Anm. 5
Von König, RpflStud 2004, 365 – 368
Hansens, RVGreport 2004, 1199 - 1200
10
Themenkreis 2
- Grundsätzliches (im Sinne einer Einleitung)
- Tätigkeiten im Sinne Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG
o Entstehen
o Erstattungsfähigkeit
o Festsetzung nach § 103 ZPO, nach § 11 RVG
- im schriftlichen Verfahren
o Entstehen
o bei schriftlichem Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO
- nach VV 3105, 3203 RVG (auch in Abgrenzung zu VV 3104, 3202 RVG)
o Anträge zur Prozess- und Sachleitung / Entscheidung von Amts wegen
o Säumnis des Gegners
§ Antrag auf Versäumnisurteil
§ Gegner im Termin anwesend, stellt jedoch keinen Antrag
§ weder Gegner noch sein PB anwesend, PB stellt keinen Antrag
§ im schriftlichen Verfahren
§ Einspruch
• Verhandeln nach Einspruch
• 2. Versäumnisurteil
• Einspruch bzgl. Teilanspruch
• gegen Vollstreckungsbescheid und Säumnis im Verhandlungstermin
• durch einen von mehreren Beklagten
§ im Berufungsverfahren
11
Hinweise auf aktuelle Rechtsprechung (nicht abschließend)
BGH Rpfleger 2006, 38
BGH Rpfleger 2006, 438
BGH FamRZ 2006, 1273
BGH NJW 2006, 2927
KG RVGreport 2006, 149
KG RVGreport 2006, 358
KG Rpfleger 2006, 227
OLG Karlsruhe JurBüro 2006, 192
OLG Koblenz NJW 2005, 2162
OLG des Landes Sachsen-Anhalt 10. Zivilsenat, Beschluss vom 4. Januar 2006, Az:
10 W 32/05
OLG Stuttgart JurBüro 2005, 303
OLG Stuttgart JurBüro 2006, 135
OLG Stuttgart NJW 2006, 2196
OLG München 11. Zivilsenat, Beschluss vom 15. Mai 2006, Az: 11 W 1334 -
1336/05, 11 W 1334/06, 11 W 1335/06, 11 W 1336/06
Thüringer OLG RVGreport 2005, 434
Beigefügte Aufsätze zur Terminsgebühr:
Enders JurBüro 2005, 225
Enders JurBüro 2005, 562
Enders JurBüro 2006, 113
Hansens RVGreport 2005, 83
Hansens RVGreport 2006, 212
Hansens RVGreport 2006, 321
König RpflStd 2006, 73
Madert/Müller-Rabe NJW 2006, 1927
Volpert RVGreport 2006, 5
12
Themenkreis 3
Tätigkeiten des Rechtspflegers nach §§ 120 Abs. 4, 124 Nr. 2 bis 4 ZPO
• Grundsätzliches (Einleitung)
1. Wann liegt eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse i.S.
des § 120 Abs. 4 ZPO vor?
a) Können allgemeingültige Standards für die Beurteilung einer wesentlichen
Verbesserung in Form einer prozentualen Einkommenserhöhung oder des
Erreichens eines bestimmten Einkommens/Vermögensniveaus festgelegt
werden?
b) Kann die im Rahmen des mittels PKH geführten Prozesses erlangte Forde-
rung berücksichtigt werden?
c) Sind bei einem relevanten Vermögenszuwachs nach PKH-Bewilligung einge-
gangene Verbindlichkeiten zu berücksichtigen?
2. Wie kann ein Verfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO zum Nachteil der Partei einge-
leitet werden?
a) Insoweit soll auf die Frage einer derzeit fehlenden gesetzlichen Verpflichtung
eingegangen werden.
b) Welche Stellung kommt insoweit dem Bezirksrevisor zu?
c) Besteht ein Antragsrecht der gegnerischen Partei/eines Streitgenossen
d) Besteht ein Antragsrecht des (ehemals) beigeordneten Rechtsanwalts der
Partei?
3. Ist im Falle einer erstmaligen Anordnung von Ratenzahlungen im Rahme des
§ 120 Abs. 4 ZPO auch der beigeordnete Rechtsanwalt zu beteiligen, der bisher
seine Differenzvergütung noch nicht geltend gemacht hat?
4. Welchen Einfluss haben Zeiträume ohne (Raten-)Zahlungsverpflichtung bei einer
späteren Ratenfestsetzung im Hinblick auf die Höchstgrenze von 48 Raten?
5. Vermag eine Auskunftserteilung erst im Beschwerdeverfahren gegen eine Aufhe-
bung gemäß § 124 Nr. 2, 2. Alt. ZPO im Hinblick auf § 571 Abs. 2 ZPO die Wie-
derherstellung der ursprünglichen PKH-Bewilligung zu rechtfertigen?
6. Setzt eine Aufhebung der PKH-Bewilligung gem. § 124 Nr. 4 ZPO einen ver-
schuldeten Rückstand voraus?
13
Rechtsprechungshinweise (nicht abschließend)
BGH NJW 2006, 1068
BGH, Beschluss vom 10. 1. 2006 - VI ZB 26/05 (KG)
BAG NJW 2006, 2206
BAG, Beschluss vom 24. 4. 2006 - 3 AZB 12/05 (LAG Rheinland-Pfalz)
BGH NJW 1997, 1077
BGH, Beschluss vom 09.01.1997 - IX ZR 61/94
BGH NJW-RR 2006, 197
BGH, Beschluss vom 12.07.2005 – VI ZB 72/03
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.12.2005 – 19 W 62/05
OLG Nürnberg Rpfleger 1995, 465
OLG Saarbrücken FamRZ 1993, 1335
OLG Celle MDR 201, 230
OLG Brandenburg Rpfleger 2004, 53
OLG Hamm FamRZ 2006, 349
OLG des Landes Sachsen-Anhalt FamRZ 2006, 216
OLG Köln FamRZ 2005, 2003
OLGR Köln 2001, 318
Beigefügte Aufsätze zur Thematik des § 120 Abs. 4 ZPO und der damit verbunde-
nen Fragen:
Büttner, FPR 2002, 498
Büttner, Rpfleger 1997, 347
Christl, FPR 2002, 494
Fischer, Rpfleger 1997, 463
Schuster, NJW 1981, 28
Bundesratsdrucksache 250/06
14
Arbeitsergebnisse zum Themenkreis 1
Die Kostenerstattung bei der Beteiligung mehrerer Rechtsanwälte und die Er-
stattungsfähigkeit anwaltlicher Reisekosten
Mitglieder der Arbeitsgruppe
Daniela Bredahl
Bianca Deichsel
Michaela Dilkaute
Dinah Körner
Claudia Mauel
Sabrina Mittmann
Kerstin Vestrick
A. Erstattungsfähigkeit von Kosten im Allgemeinen
Gem. § 91 Abs. 1 S.1 ZPO hat die unterliegende Partei dem obsiegenden Gegner
stets die notwendigen Kosten zu erstatten. Was bedeutet „notwendige Kosten“?
Das sind Kosten, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsver-
teidigung dienen und die eine verständige, wirtschaftlich denkende Partei als sach-
dienlich ansehen durfte. Die Partei ist stets verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits
so gering wie möglich zu halten.
B. Erstattungsfähigkeit von Kosten im Einzelnen
I. Fälle des notwendigen Anwaltswechsels i. S. v. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO
1. Grundsatz:
Nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO hat der Gegner in einer Instanz nur die Kosten zu erstat-
ten, die bei der Beauftragung eines Anwalts entstehen.
Ausnahme: Notwendiger Anwaltswechsel nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO
Ein Anwaltswechsel ist dann notwendig, wenn weder die Partei, noch der Anwalt den
Wechsel verschuldet hat.
15
Beispiele:
Notwendiger Anwaltswechsel Nicht notwendiger Anwaltswechsel
Tod des Anwalts Verstorbener Anwalt gehörte Sozietät an
und der Auftrag erstreckte sich auf die
Sozietät
Tod der Partei, es sei denn, konkrete
Umstände rechtfertigen den Anwalts-
wechsel seitens der Erben
Krankheitsbedingte Aufgabe des An-
waltsberufs
Bei kürzerem Ausfall (leichte Krankheit
und Zumutbarkeit der Fortführung des
Mandats)
Freiwillige Aufgabe der Zulassung aus
wichtigem Grund:
z. B. Änderung der Gerichtsorganisation,
die den Umsatz des RA spürbar senkt
Freiwillige Aufgabe der Zulassung aus
unbeachtlichem Grund:
z. B. Anwalts wusste schon bei Annahme
des Mandats, dass er kurzfristig die Zu-
lassung aufgeben wird
Kündigung des Mandats durch die Par-
tei: z. B. bei Differenzen zwischen Anwalt
und Partei
Untersuchungshaft des Anwalts:
Abhängig vom Ausgang des Ermitt-
lungsverfahrens
Verweisung des Rechtsstreits an ein an-
deres Gericht
2. Anwaltswechsel bei vorangegangenem Mahnverfahren:
a) Zuständigkeiten
• für das Mahnverfahren:
Ausschließlich zuständig ist das zentrale Mahngericht, bei dem der Antragstel-
ler seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, § 689 Abs. 2 ZPO.
• für das streitiges Verfahren:
Zuständig ist das Gericht, bei dem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichts-
stand hat, §§ 12, 13 ZPO, 7 BGB.
16
b) Wegfall des Lokalisationsprinzips:
Nach der Änderung des § 78 Abs. 1 ZPO zum 01.01.2000 ist das bis dato geltende
Lokalisationsprinzip weggefallen. Nunmehr ist jeder bei einem Amts- oder Landge-
richt zugelassene Rechtsanwalt bei allen Amts- und Landgerichten postulationsfähig.
Der zuvor im Mahnverfahren tätige Anwalt ist auch dann, wenn das Mahnverfahren
ins streitige Verfahren übergegangen ist, bei dem Gericht des anschließenden Ver-
fahrens noch postulationsfähig.
Ein Anwaltswechsel wegen fehlender Postulationsfähigkeit ist nunmehr nicht mehr
notwendig, also sind die dadurch entstehenden Kosten auch nicht mehr erstattungs-
fähig.
Grundsätzlich kann eine Partei, die vor einem auswärtigen Gericht klagt bzw. ver-
klagt wird i. d. R. in erstattungsfähiger Weise einen RA in der Nähe ihres Wohn- oder
Geschäftssitzes beauftragen. Hieraus folgt, dass dem Gläubiger, der stattdessen zu-
nächst das Mahnverfahren wählt, eine Widerspruchsprognose i. d. R. nicht mehr ob-
liegt, weil er gebührenrechtlich der Partei gleichzusetzen ist, die zugleich das Streit-
verfahren betreibt [Zöller, 25. Aufl., § 91 ZPO, Rn. 13: Stichwort „Mahnverfahren
nach dem 1.1.2000“]
Laut der BGH-Entscheidung vom 20.10.2005 (VII ZB 53/05: vgl. Rpfleger 2006,
166 ff.) kann die Partei lediglich die Kosten erstattet verlangen, die angefallen wären,
wenn sie von vornherein einen RA für Mahnverfahren und streitiges Verfahren beauf-
tragt hätte. Dies gilt unabhängig davon, ob mit einem Widerspruch im Mahnverfahren
zu rechnen ist oder nicht.
Ausnahme:
Ausnahmsweise darf die Partei keinen RA am Wohnort oder Geschäftssitz beauftra-
gen, wenn es sich bei der Partei um ein größeres Unternehmen mit eigener, die Sa-
che bearbeitender Rechtsabteilung oder um einen unbestrittenen Zahlungsanspruch
handelt.
In diesen Fällen ist weiterhin beim vorgeschalteten Mahnverfahren eine Wider-
spruchsprognose durchzuführen. Anderenfalls wäre die zunächst einen Mahnbe-
scheid beantragende Partei besser gestellt als diejenige, die sofort den Klageweg
beschreitet (vergleiche nachfolgende Ausführungen zu „Reisekostenerstattung“).
17
Beispiel:
Firma F in Köln mit eigener Rechtsabteilung beantragt einen Mahnbescheid gegen
einen Kunden in Düren. Aus der vorgerichtlichen Korrespondenz ergibt sich, dass mit
einem Widerspruch zu rechnen ist.
Da hier mit einem Widerspruch zu rechnen ist, muss die Partei direkt einen Anwalt
am Prozessort (des künftigen streitigen Verfahrens) beauftragen. Denn der Partei ist
im Vorfeld bekannt, dass sie den Anwalt am Prozessort schriftlich unterrichten kann.
Abwandlung:
Ist hingegen nicht mit einem Widerspruch zu rechnen, darf auch ein Anwalt am
Wohn-/Geschäftsort der Partei beauftragt werden.
II. Entstehen der anwaltlichen Reisekosten
Hat ein Rechtsanwalt eine Geschäftsreise unternommen, steht ihm ein Anspruch auf
Auslagenersatz nach VV 7003 bis VV 7006 RVG zu.
Definition Geschäftsreise:
Eine Geschäftsreise liegt vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in
der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet.
Besonderheiten ergeben sich bei der Benutzung anderer Verkehrsmittel (VV 7004
RVG).
Beispiele:
1. Bahn:
Erstattungsfähig?
§ Kosten der 1. Wagenklasse (+)
§ Zuschläge für IC, ICE und Schlafwagen (+)
§ Kosten für Bahncard (-) (OLG Karlsruhe, Rpfleger 2000, 129)
§ Verpflichtung, eine Bahncard zu erwerben, besteht für den RA nicht
§ Ersatz der tatsächlich entstandenen Kosten
18
2. Flugzeug:
§ Bringt es einen erheblichen Zeitgewinn, können auch die Kosten für die Benut-
zung eines Flugzeuges erstattungsfähig sein (Ersparnis von Übernachtungs-
kosten und Abwesenheitsgeld).
§ Lediglich die Kosten der Touristenklasse sind bei kürzeren Flugreisen hierbei
erstattungsfähig (OLG Frankfurt, NJW, 71, 160).
§ Billigflieger sind nur in tatsächlich entstandener Höhe erstattungsfähig (keine
Erstattung der Differenz zum Normaltarif; vgl. OLG München, AnwBl. 96, 645).
§ Eine Verpflichtung sog. “Sparflüge“ in Anspruch zu nehmen, besteht nicht;
(BVerwG, JurBüro 1989, 1456)
III. Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Reisekosten
Für die Reisekosten des Rechtsanwalts findet sich eine entsprechende Regelung in
§ 91 Abs. 2 S.1 ZPO.
Nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO a. F. wurden auswärtige Rechtsanwälte im Hinblick auf
ihre Zulassung/ Nichtzulassung beim Prozessgericht ungleich behandelt. Auswärtige,
beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwälte, erhielten keine Reisekostenerstat-
tung.
Beispiel:
RA aus Gummersbach, zugelassen im LG-Bezirk Köln, erhielt keine Reisekostener-
stattung bei Prozessort in Köln (aufgrund § 91 Abs. 2 S.2 ZPO a.F.)
Für nicht zugelassene Anwälte waren Reisekosten erstattungsfähig, soweit sie not-
wendig waren nach § 91 Abs. 2 S. 1 2. Hbs. ZPO.
Diese Ungleichbehandlung wurde durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz
beseitigt. Nach Beseitigung dieses Wertwiderspruchs durch Wegfall des § 91 Abs. 2
S. 2 ZPO a. F. gilt für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten alleine die
Regelung des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO n. F. unter Beachtung der hierzu vom BGH auf-
gezeigten Grundsätze.
Es ist streitig, ob für auswärtige, beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwälte
die Notwendigkeitsprüfung des § 91 Abs. 2 S.1 2.Hbs. ZPO Anwendung findet oder
19
ob § 91 Abs. 2 S.1 1.Hbs. ZPO uneingeschränkt gilt, d.h. Reisekostenerstattung oh-
ne Notwendigkeitsprüfung.
Beispiel:
RA aus Bad Münstereifel, zugelassen bei dem Amtsgericht Euskirchen;
Prozessort ist Euskirchen
1. Meinung (laut Gesetzestext)
Reisekosten ohne Notwendigkeitsprüfung gem. § 91 Abs. 2 S.1 1.Hbs. ZPO
2. Meinung (Auslegung des Gesetzes)
Reisekosten nur soweit notwendig gem. § 91 Abs. 2 S.1 2.Hbs. ZPO
Trotz der Neuregelung gibt es daher immer noch Unklarheiten, da im Gesetzestext
nach wie vor von einem beim Prozessgericht nicht zugelassenen RA die Rede ist
(§ 91 Abs. 2 S.1 2.Hbs. ZPO).
Zur Zulassung führt der BGH in seiner Entscheidung vom 16.10.2002 (VIII ZB 30/02;
vgl. Rpfleger 2003, 98) aus, dass damit nur die berufsrechtliche Zulassung der
Rechtsanwälte nach § 18 ff. BRAO gemeint sei, nicht jedoch die Postulationsfähig-
keit nach § 78 ZPO. Der Rechtsanwalt muss immer im Bezirk der Zulassung seine
Kanzlei haben.
Es wäre deshalb sinnvoll gewesen, in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO den Passus „der nicht
bei dem Prozessgericht zugelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht
wohnt“ zu streichen, um diese Unklarheit zu beseitigen und damit alle Anwälte gleich
zu behandeln (2. Meinung).
Folgende Konstellationen können auftreten:
(Im Nachfolgenden wird die zweite Meinung vertreten.)
20
a) Der Prozessbevollmächtigte ist beim Prozessgericht nicht zugelassen und
am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig.
Beispiel:
Prozessort: Köln
Partei: Hamburg
RA: Hamburg, zugelassen in Hamburg
Die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässi-
gen RA ist regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechts-
verteidigung notwendig i. S. v. § 91 Abs. 2 S.1 2.Hbs. ZPO anzusehen (BGH
16.10.2002, VIII ZB 30/02; vgl. Rpfleger 2003, 98).
Gründe für die Notwendigkeit:
§ Räumliche Nähe
§ Persönliches mündliches Gespräch erforderlich
§ Tatsachen des Sachverhalts müssen übermittelt werden
§ RA häufig bereits im vorgerichtlichen Verfahren tätig geworden - Vermeidung
eines Anwaltswechsels (vgl. auch Karczewski, MDR 2005, 481- 487)
Ausnahmen:
Die Hinzuziehung eines auswärtigen RA ist nicht erforderlich, wenn schon im Zeit-
punkt der Beauftragung des RA feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch
nicht erforderlich sein wird.
Hierbei sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
1. Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung
§ Diese verfügen regelmäßig über sachkundige Mitarbeiter, die in tatsächlicher
und rechtlicher Hinsicht in der Lage sind, den RA am Prozessort umfassend und
schriftlich zu informieren. Eines eingehenden persönlichen Mandantengesprächs
bedarf es daher grundsätzlich nicht. Somit ist auch die Erstattung von Reisekos-
ten in den überwiegenden Fällen ausgeschlossen.
Ausnahme: Unternehmen hat keine eigene Rechtsabteilung, sondern beauftragt
einen „Hausanwalt“ am Geschäftsort (sog. Outsourcing): Fahrt- und Reisekosten
sind grundsätzlich erstattungsfähig.
21
Begründung: Unternehmen sind nicht verpflichtet eine eigene Rechtsabteilung zu
unterhalten, die tatsächlichen Verhältnisse sind maßgebend.
§ Wenn der Insolvenzverwalter selbst RA ist, ist er einem Unternehmen mit eige-
ner Rechtsabteilung gleichzustellen (BGH 13.07.04, X ZB 40/03; vgl. Rpfleger
2004, 733; BGH 13.06.06, IX ZB 44/04; vgl. Rpfleger 2006, 570).
2. Überschaubarer Streit
§ Ein überschaubarer Streit liegt dann vor, wenn eine Geldforderung Streitgegen-
stand ist, die Gegenseite versichert hat nicht leistungsfähig zu sein und versi-
chert, gegen die Klage keine Einwendungen zu erheben. In diesem Fall sind
Fahrt- und Reisekosten des Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig.
§ Wenn der Gegner sich nicht äußert oder versucht den Anspruch zu bekämpfen,
ist es einzelfallabhängig, ob es sich noch um einen überschaubaren Streit han-
delt. Im Zweifel sind die Fahrt- und Reisekosten zu erstatten.
b) Der Prozessbevollmächtigte ist beim Prozessgericht zugelassen und nicht
am Ort des Prozessgerichts, sondern am Wohn- oder Geschäftsort der Par-
tei ansässig.
Beispiel:
Prozessort: Euskirchen
Partei: Bad Münstereifel
RA: Bad Münstereifel, zugelassen beim AG Euskirchen, LG- Bezirk Bonn
Da zwischen einem zugelassenen und nicht zugelassenen RA nicht mehr unter-
schieden werden sollte (siehe obige Ausführungen zum Wertungswiderspruch) gel-
ten die gleichen Voraussetzungen wie unter Punkt a).
c) Der Prozessbevollmächtigte ist beim Prozessgericht nicht zugelassen und
nicht am Wohn- oder Geschäftsort der Partei, sondern an einem dritten Ort
ansässig.
Beispiel:
Prozessort: Köln
Partei: Euskirchen
RA: Berlin, zugelassen in Berlin
22
Die Reisekosten eines an einem dritten Ort (weder Prozessort noch Wohn- oder Ge-
schäftsort der Partei) ansässigen Rechtsanwalts sind nur bis zur Höhe der fiktiven
Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsan-
walts erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder –verteidigung erforderlich gewesen wäre (BGH 18.12.03, I ZB
21/03; vgl. Rpfleger 2004, 316).
Ob tatsächlich direkte mündliche Gespräche zwischen Partei und Prozessbevoll-
mächtigten stattgefunden haben, soll nicht entscheidend sein.
Wenn sich die Partei eines Vertrauensanwalts bedient, dann ist ihr auch zuzumuten
die anfallenden Mehrkosten selbst zu tragen.
Wenn die tatsächlich entstandenen Reisekosten vom „dritten Ort“ geringer sind als
vom Wohnort der Partei, sind lediglich diese erstattungsfähig.
Ausnahme:
Wenn es sich bei dem RA nicht um einen Vertrauensanwalt, sondern um einen Spe-
zialanwalt handelt und ein vergleichbarer ortsansässiger RA nicht beauftragt werden
kann, sind die Kosten in voller Höhe erstattungsfähig.
d) Die Partei klagt im eigenen Gerichtsstand oder wird dort verklagt und be-
auftragt einen Prozessbevollmächtigten, der beim Prozessgericht nicht zu-
gelassen und an einem dritten Ort ansässig ist.
Beispiel:
Prozessort: Köln
Partei: Köln
RA: München, zugelassen in München
Bei dem anfallenden Mehraufwand handelt es sich nicht um Kosten, die für eine
zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig sind.
Dies gilt auch, wenn der auswärtige RA bereits vorprozessual in derselben Angele-
genheit tätig war. Daher sind die Kosten nicht erstattungsfähig.
(BGH 12.12.02, I ZB 29/02; vgl. Rpfleger 2003,214).
Ausnahme: Spezialanwalt
23
IV. Entstehen u. Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts
Begriff: Verkehrsanwalt
• vermittelt Verkehr zwischen Partei und Prozessbevollmächtigten
• ansässig am Wohnort der Partei (Prozessbevollmächtigter am Prozessort)
Entstehen der Kosten (Vergütungsansprüche):
a) Verfahrensgebühr
• VV 3400 RVG Verfahrensgebühr max. 1,0 fache Gebühr vom Gegenstand seiner
Tätigkeit, § 2 RVG.
Entsteht nur in Verbindung mit der Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtig-
ten. Bei vorzeitiger Beendigung vgl. VV 3405.
• VV 3101 RVG zusätzliche Verfahrensgebühr bei Mehrvergleich
Beispiel:
Der Verkehrsanwalt bespricht mit der Partei einen gerichtlichen Vergleichsvor-
schlag und rät ihr nachdrücklich zur Annahme. (Es reicht nicht, dass er lediglich
beim Vertragsschluss anwesend ist.)
b) Einigungsgebühr
• VV 1000, 1003 RVG
Einigungsgebühr bei Abschluss und ursächlicher Mitwirkung am Vergleich
c) Terminsgebühr
entsteht grundsätzlich nicht
Ausnahme: Bei Auftragserweiterung zum Terminsanwalt/Unterbevollmächtigten
d) Auslagen aller Art möglich
Erstattungsfähigkeit der Kosten:
a) Voraussetzung
Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO müssen die Kosten zur zweckentsprechenden Rechts-
verfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sein.
24
Dies ist gegeben, wenn die unmittelbare Information der Partei an den Prozessbe-
vollmächtigten unmöglich oder erschwert ist, z. B. bei Gebrechlichkeit, Krankheit,
hohem Alter, geringer Vorbildung oder mangelnden juristischen Kenntnissen, Ver-
sorgung pflegebedürftiger Personen oder großer Entfernung zwischen Wohnort und
Prozessort.
b) Höhe
Bei Verneinung der Erstattungsfähigkeit sind die Kosten bis zur Höhe der fiktiven
Reisekosten für die „Informationsreise“ der Partei zu erstatten, ansonsten Erstattung
in voller Höhe.
Ausnahme:
Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung und eingetragene Verbraucherverbände
erhalten nur die Kosten für eine schriftliche und/oder telefonische Informationsertei-
lung.
c) Besonderheiten
In Berufungsverfahren sind Verkehrsanwaltskosten grundsätzlich als nicht notwendig
anzusehen. (BGH 21.09.2005, IV ZB 11/04; vgl. Rpfleger 2006, 40)
V. Entstehen u. Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Terminsanwalts/
Unterbevollmächtigten
Begriff: Terminsanwalt
Vertretung in Terminen jeder Art
Entstehen der Kosten (Vergütungsansprüche):
a) Verfahrensgebühren:
• VV 3401 RVG
in Höhe der Hälfte der Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten vom Ge-
genstandswert seiner Tätigkeit, beachte VV 3405 RVG
• VV 3101 RVG
25
zusätzliche Verfahrensgebühr bei Mehrvergleich in Höhe der Hälfte der Gebühr
des Prozessbevollmächtigten
Ausnahme: Der Verkehrsanwalt wird vom Mandanten bzgl. des Mehrvergleichs-
werts bevollmächtigt.
Er erhält insoweit die volle Gebühr, da er diesbezüglich als Prozessbevollmäch-
tigter tätig wird.
b) Einigungsgebühren:
• VV 1000, 1003 RVG
bei Abschluss und ursächlicher Mitwirkung am Vergleich
c) Terminsgebühr:
• VV 3402 RVG
in Höhe der einem Verfahrensbevollmächtigten zustehenden Terminsgebühr vom
Wert seiner Tätigkeit
d) Auslagen: aller Art möglich
Erstattungsfähigkeit der Kosten:
a) Voraussetzungen:
• § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt für den Terminsanwalt nicht, sondern nur für Hauptbe-
vollmächtigte.
• Gem. § 91 Abs. 1 S.1 ZPO müssen die Kosten zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sein.
b) Höhe:
§ Die Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für den auswärtigen Prozessbevoll-
mächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, sind
erstattungsfähig, soweit sie die durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten er-
sparten, erstattungsfähigen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht we-
sentlich übersteigen.
§ Eine wesentliche Überschreitung wird im Regelfall angenommen, wenn die Kos-
ten des Unterbevollmächtigten die ersparten Reisekosten um mehr als 1/10 über-
schreiten.
26
Beispiel:
Prozessort: Köln – 2 Gerichtstermine -
Terminsanwalt: Köln
Partei: Bonn
Prozessbevollmächtigter: Heidelberg
Entfernung Bonn- Köln: 40 km
Berechnung (jeweils incl. Mehrwertsteuer):
1. fiktive Reisekosten des Prozessbevollmächtigten:
Beachte: Erstattungsfähig nur von Bonn nach Köln, da Mehrkosten eines Vertrau-
ensanwaltes zu Lasten der Partei gehen.
80 km x 0,30 € � 24,00 €
Abwesenheitsgeld � 20,00 €
VV 7008 � 7,04 €
51,04 € X 2 = 102,08 €
2. Mehrkosten des Terminsanwalts (ohne Terminsgebühr, da diese sonst dem
Hauptbevollmächtigten zustehen würde)
Streitwert: bis 900 €
VV 3401 � 42,25 €
VV 7002 � 20,00 €
VV 7008 � 9,96 €
72,21 €
Im Vergleich mit der fiktiven Reisekostenberechnung ergibt sich, dass die Kosten des
Terminsanwalts die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten unterschrei-
ten. Sie sind somit erstattungsfähig.
Hätte im vorliegenden Fall nur ein Gerichtstermin stattgefunden, würden die Ter-
minsanwaltskosten die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten um mehr
als 10 % überschreiten. In diesem Fall sind nur 51,04 € erstattungsfähig.
27
Arbeitsergebnisse zum Themenkreis 2
Aktuelle Einzelfragen zur Kostenfestsetzung - Terminsgebühr
Mitglieder der Arbeitsgruppe
Christian Claßen
Carina Dämgen
Franziska Haarig
Christina Mohn
Robert Müller
Sandra Rautenberg
Joachim Volpert
A. Grundsätzliches
I. Höhe
Nach dem RVG entsteht in erstinstanzlichen Zivilsachen die Terminsgebühr grund-
sätzlich mit einem Gebührensatz von 1,2 nach Nr. 3104 VV RVG.
Unter den Voraussetzungen der Nr. 3105 VV RVG ermäßigt sich die Terminsgebühr
auf 0,5.
II. Entstehungstatbestände
Nach Abs. 3 der Vorbemerkung 3 VV RVG entsteht die Gebühr:
1. für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahme-
termin, oder
2. für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen
anberaumten Termins (Ortstermin), oder
3. für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerich-
teten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts, ausgenommen Bespre-
chungen mit dem Auftraggeber.
Auch im schriftlichen Verfahren kann nach Abs. 1 Ziffer 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV
RVG eine Terminsgebühr entstehen.
28
Werden in derselben Angelegenheit in demselben Rechtszug bzw. Verfahren mehre-
re der in Vorbem. 3 VV RVG aufgeführten Entstehungstatbestände für die Termins-
gebühr nebeneinander erfüllt, kann der Rechtsanwalt die Terminsgebühr gem. § 15
Abs. 2 RVG nur einmal fordern.
Beispiel 1:
RA R reicht auftragsgemäß Klage ein und nimmt am Verhandlungstermin (Ziffer 1)
und am Ortstermin des gerichtlich bestellten Sachverständigen (Ziffer 2) teil.
R erhält gem. § 15 Abs. 2 RVG nur eine 1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG.
III. Prozessauftrag
Voraussetzung für die Entstehung der Terminsgebühr ist zunächst die Erteilung ei-
nes unbedingten Prozessauftrages/Klageauftrages durch den Mandanten (AG Düs-
seldorf RVGreport 2006, 268; Enders JurBüro 2006, 113; von König RpflStd 2006, 73
/ Hansens RVGreport 2006, 241). Ist kein Prozessauftrag, sondern ein Auftrag zur
außergerichtlichen Vertretung erteilt worden, muss der RA nach Teil 2 VV RVG ab-
rechnen (z.B. eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG).
Es kommt nicht darauf an, ob ein gerichtliches Verfahren über den Streitgegenstand
anhängig bzw. rechtshängig ist. Die Terminsgebühr kann daher anders als die BRA-
GO- Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr auch nach nicht rechtshängigen An-
sprüchen entstehen (vgl. Hansens, aaO; AG Coburg RVGreport 2006, 270; a. A.: LG
Freiburg RVGreport 2006, 269). Dies dürfte sich bereits aus der Formulierung in Abs.
2 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG ergeben.
IV. Tätigkeit des Rechtsanwalts
Auf die Terminsgebühr hat es grundsätzlich keinen Einfluss mehr, ob im Termin strei-
tig oder nichtstreitig verhandelt bzw. ob die Sache erörtert wird, oder ob im Termin
nur Anträge zur Prozess- und Sachleitung gestellt werden. Es genügt für das Entste-
hen der Gebühr, dass der Rechtsanwalt vertretungsbereit einen Termin wahrnimmt.
Beispiel 2:
Rechtsanwalt R macht für seinen Mandanten einen Anspruch in Höhe von 5.000 €
geltend. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erkennt der Beklagte einen Teilbe-
trag in Höhe von 3.000 € an, über den Rest wird streitig verhandelt. Der Beklagte
29
wird durch ein entsprechendes Teilanerkenntnis- und Schlussurteil zur Zahlung in
Höhe von 5.000 € verurteilt.
R bekommt eine 1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG nach einem Wert in Höhe von
5.000 €.
B. Tätigkeiten i. S. v. Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG
I. Entstehung der Terminsgebühr
Ziffer 1: Vertretung im Verhandlungs-, Erörterungs- o. Beweisaufnahmetermin
Voraussetzung für die Terminsgebühr ist, dass der RA vertretungsbereit den Termin
wahrnimmt, er muss jedoch keine Anträge stellen oder sich zu Wort melden. Die Ver-
tretung in der Güteverhandlung nach § 278 ZPO ist dabei als Vertretung im Erörte-
rungstermin anzusehen (Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts,
Teil 7, Rdnr. 284).
Die bloße Teilnahme im Termin reicht zur Entstehung der Terminsgebühr aber dann
nicht aus, wenn der Rechtsanwalt den Auftraggeber in dem Termin nicht vertritt, z. B.
weil er erklärt, nicht aufzutreten (Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungs-
rechts, Teil 7 Rn. 276, 277) oder weil er dem sich selbst vertretenden Auftraggeber
im Termin lediglich beratend zur Seite steht.
Auch bei der sog. Flucht in die Säumnis entsteht für den Rechtsanwalt eine volle 1,2
Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG und nicht lediglich eine 0,5 Gebühr nach
Nr. 3105 VV RVG (OLG Koblenz Rpfleger 2005, 487; KG Rpfleger 2006, 227).
Beispiel:
Im Gerichtstermin erschien für die Klägerin deren Prozessbevollmächtigter. Der
Kammervorsitzende wies darauf hin, die Klage sei ohne Aussicht auf Erfolg. Darauf-
hin erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, er trete nicht auf. Auf Antrag
des Beklagten erging ein Versäumnisurteil.
Zwar hätte der Rechtsanwalt nach § 33 BRAGO für eine nichtstreitige Verhandlung
lediglich eine halbe Verhandlungsgebühr bekommen. Diese Regelung hat das RVG
jedoch nicht übernommen. Weil der RA im Termin zunächst vertretungsbereit aufge-
treten ist, ist hierdurch die 1,2 Terminsgebühr entstanden. Diese kann nachträglich
nicht wieder entfallen, § 15 Abs. 4 RVG.
30
Wenn der RA im Termin erkennt, dass die Rechtverfolgung seiner Partei ohne Aus-
sicht auf Erfolg ist, müsste er, um seiner Partei Kosten zu ersparen, ein Anerkenntnis
abgeben. Denn in diesem Fall ermäßigt sich die Gerichtsgebühr gem. KV 1211 Nr. 2
GKG von einer dreifachen auf eine einfache Gebühr.
Ziffer 2: Wahrnehmung eines Ortstermins
Die Terminsgebühr kann auch durch die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich
bestellten Sachverständigen anberaumten Termins (Ortstermin) anfallen. Die Wahr-
nehmung erfordert lediglich die körperliche Anwesenheit des Rechtsanwalts bei der
betreffenden Örtlichkeit. Eine Wortmeldung oder eine Tätigkeit zur Beeinflussung der
Beweiserhebung des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist nicht erforderlich.
Ziffer 3: Mitwirkung an außergerichtlichen Besprechungen zur Verfahrensver-
meidung bzw. - erledigung
a) Zweck dieser Terminsgebühr
Der RA soll nach seiner Bestellung zum Verfahrens– oder Prozessbevollmächtigten
in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage
entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Die Terminsgebühr für die
Mitwirkung an außergerichtlichen Besprechungen ist ein Anreiz, diesen Beitrag zu
erbringen. Daher kann sie auch anfallen, wenn noch gar kein gerichtliches Verfahren
anhängig ist (vgl. Hansens, aaO; AG Coburg, aaO).
Sie soll zur Entlastung der Gerichte sowie zur Vereinfachung und Beschleunigung
des Verfahrens beitragen.
Beispiel:
RA R erhält Klageauftrag. Vor Einreichung der Klage fordert er den Gegner zur Zah-
lung auf. Der Gegner meldet sich telefonisch bei R und bespricht mit diesem Mög-
lichkeiten zur Vermeidung des Verfahrens. Daraufhin zahlt der Gegner den geforder-
ten Betrag.
R erhält eine 0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG, weil er die Klage noch
nicht eingereicht hat, sowie eine 1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG für die nach
Erteilung des Prozessauftrages durchgeführte außergerichtliche Besprechung mit
dem Gegner mit dem Ziel der Verfahrensvermeidung.
31
b) Voraussetzungen
- unbedingter Prozess- oder Verfahrensauftrag (Hansens RVGreport 2006, 241;
AG Coburg, aaO)
- Gesprächspartner darf nicht Gericht oder Auftraggeber sein. Er muss außer-
halb des Lagers des eigenen Auftraggebers stehen und er muss dazu befugt
sein, zur Vermeidung und Erledigung des Verfahrens beizutragen (Nieders.
FG RVGreport 2006, 228)
- grundsätzlich kein Einverständnis des Auftraggebers mit der Besprechung er-
forderlich, es sei denn der Auftraggeber bringt vor, dass die Besprechung un-
nötig gewesen sei und unnötige Kosten verursacht habe (Hansens aaO)
- Zeitpunkt unerheblich: Besprechung vor (Vermeidung eines Verfahrens) und
nach Anhängigkeit (Erledigung eines Verfahrens) eines Verfahrens lösen die
Terminsgebühr aus (Enders JurBüro 2005, 561)
- Zielrichtung: Besprechung muss nur auf Vermeidung oder Erledigung gerich-
tet sein. Der Erfolg der Besprechung ist daher nicht erforderlich (OLG Koblenz
RVGreport 2005, 270). Es reicht aus, wenn nur ein Gesprächspartner dieses
Ziel verfolgt (Hansens aaO / Hess. LAG RVGreport 2006, 271; a. A. OLG
Karlsruhe JurBüro 2006, 192).
- Art der Besprechung:
o mündlich oder fernmündlich
o persönlich
o Videokonferenz
o kein Austausch von Schriftstücken per Post oder Telefax oder von SMS
(Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3 Vorbem. 3 Rdnr. 49)
o Terminsabsprache nicht erforderlich, zufälliges Aufeinandertreffen ge-
nügt (Hansens, aaO; a. A: OLG Karlsruhe JurBüro 2006, 192)
o Gesprächsbereitschaft beider Seiten (Hess. LAG RVGreport 2006, 271)
o Mitwirkung an der Besprechung ist erforderlich: Zuhören reicht aus
(Enders aaO)
c) Persönlicher Anwendungsbereich
- Der Verkehrsanwalt kann die Terminsgebühr nur bekommen, wenn ihm ein
ausdrücklicher Auftrag für die außergerichtliche Besprechung erteilt worden ist
(Gerold / Schmidt / Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, Nr. 3400 VV, Rdnr. 59).
32
- Dem Terminsvertreter steht diese Gebühr nach Sinn und Zweck dieser Re-
gelung ebenfalls zu (Gerold / Schmidt Müller-Rabe, RVG,17. Auflage, 3401
VV, Rdnr. 28; Hansens aaO), obwohl die Besprechung eigentlich nicht als
Termin im Sinne von 3402 VV anzusehen ist.
- Diese Terminsgebühr fällt nicht an für Verfahrensbevollmächtigte in der
Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (Anmerkung zu Nr. 3312
VV) und nicht für Verfahrensbevollmächtigte in der Zwangsvollstreckung (An-
merkung zu Nr. 3310 VV).
- Der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt erhält die Terminsgebühr,
wenn die außergerichtliche Besprechung nach dem Zeitpunkt der Wirksamkeit
der PKH - Bewilligung erfolgt ist (Gerold / Schmidt Müller-Rabe RVG 17. Auf-
lage, Vorbem. 3 VV, Rdnr. 138).
II. Kostenfestsetzung und Erstattung
1. Notwendigkeit
Die durch die Wahrnehmung eines Verhandlungs-, Beweisaufnahme- oder Erörte-
rungstermins (Alt. 1 von Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG) oder eines von einem gerichtlich
bestellten Sachverständigen anberaumten Ortstermins (Alt. 2 von Vorbem. 3 Abs. 3
VV RVG) angefallene Terminsgebühr gehört ohne Weiteres neben den sonstigen
Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts zu den gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO kraft
Gesetzes erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits.
Dies gilt grundsätzlich auch für die durch Besprechungen ohne Beteiligung des Ge-
richts angefallene Terminsgebühr zur Verfahrensvermeidung oder Verfahrenserledi-
gung (Alt. 3 von Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG). Die Notwendigkeit dieser Terminsge-
bühr kann ausnahmsweise dann zu verneinen sein, wenn feststand, dass die Be-
sprechung von vornherein keinen Erfolg haben kann (vgl. Hansens RVGreport 2006,
241, 249).
Im Übrigen ist bei der Prüfung der Erstattungsfähigkeit im Kostenfestsetzungsverfah-
ren wie folgt zu unterscheiden:
2. kein gerichtliches Verfahren anhängig
§§ 103 ff. ZPO: nicht möglich, da ein gerichtliches Verfahren nicht anhängig ist. Die
Frage der Kostenfestsetzung stellt sich hierbei nicht.
33
Sie kann bei Vorliegen eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs (z.B.
Verzug, § 280 BGB) erstattungsfähig sein und dann in einem besonderen Klage- o-
der Mahnverfahren gesondert geltend gemacht werden.
§ 11 RVG: Eine Festsetzung ist auch hier nicht möglich, da kein gerichtliches Verfah-
ren anhängig ist und es an einem für die Festsetzung zuständigen Gericht fehlt (Ge-
rold / Schmidt Müller-Rabe RVG 17. Auflage, § 11 RVG Rdnr. 88). Der RA müsste
gegen den Mandanten im Wege der Honorarklage oder im Mahnverfahren vorgehen.
Beispiel:
RA R erhält Klageauftrag. Vor Einreichung der Klage fordert er den Gegner zur Zah-
lung auf. Der Gegner meldet sich telefonisch bei R und bespricht mit diesem Mög-
lichkeiten zur Vermeidung des Verfahrens. Daraufhin zahlt der Gegner den geforder-
ten Betrag.
3. Gerichtliches Verfahren anhängig
a) Besprechung wird nach Anhängigkeit des gerichtlichen Verfahrens durchge-
führt (§§ 103 ff. ZPO)
Beispiel:
RA R erhält Klageauftrag. Nach Einreichung der Klage fordert er den Gegner zur
Zahlung auf. Der Gegner meldet sich telefonisch bei R und bespricht mit diesem
Möglichkeiten zur Erledigung des Verfahrens. Daraufhin zahlt der Gegner den gefor-
derten Betrag. Der Kläger nimmt den Klageantrag zurück und stellt Kostenantrag. Es
ergeht Kostenentscheidung.
Drei Auffassungen sind vertretbar.
1. Meinung:
Die Terminsgebühr gehört zu den Kosten des Rechtsstreits und ist daher festset-
zungsfähig (OLG Koblenz RVGreport 2006, 269 / OLG Nürnberg RVGreport 2005,
312 / Hansens aaO).
2. Meinung:
Die Terminsgebühr ist nicht erstattungsfähig, da sie aus den Akten nicht ersichtlich
ist (OLG Stuttgart RVGreport 2006, 194 = JurBüro 2006, 135 = NJW 2006, 2196).
34
3. Meinung:
Die Terminsgebühr ist festsetzbar, wenn über deren Anfall kein Streit besteht (OLG
Jena RVGreport 2005, 434).
Meinung 2 und 3 sind abzulehnen, da sie schon die Funktion des Rechtspflegers im
Kostenfestsetzungsverfahren als sachlich unabhängiges Entscheidungsorgan außer
Acht lassen.
Zudem setzt der Rechtspfleger auch sonst Kosten fest, die sich nicht aus den Ge-
richtsakten ergeben (z.B. Verkehrsanwalt, Nr. 3400 VV) und er entscheidet sonst
auch über streitige Kostenpositionen (z.B. Reisekosten, Privatgutachtenkosten, Kos-
ten mehrerer RA).
Vorzugswürdig ist daher grundsätzlich Meinung 1.
Es ist jedoch in jedem Einzelfall festzustellen, ob die Terminsgebühr erstattungsfähig
ist. Grundlegende Entscheidungen des BGH zu dieser Frage sind zwar noch nicht
ergangen.
Allerdings ist auf die Entscheidung des BGH vom 28.03.2006, VIII ZB 29/05 (RVGre-
port 2006, 234) zu verweisen, deren Leitsatz wie folgt lautet:
Die Festsetzung einer anwaltlichen Einigungsgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG in
Verbindung mit Nrn. 1000, 1003 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren nach
§§ 103, 104 ZPO erfordert - wie bisher die Festsetzung einer anwaltlichen Ver-
gleichsgebühr nach § 23 BRAGO (vgl. Beschluss des BGH v. 26.09.2002 - III ZB
22/02, NJW 2002, 3713) -, dass die Parteien einen als Vollstreckungstitel tauglichen
Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO haben protokollieren lassen (§§ 160 Abs. 3
Nr. 1, 162 f. ZPO).
Der BGH hält in seiner Entscheidung unter Hinweis auf seine zur Berücksichtigung
der BRAGO- Vergleichsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren ergangene Ent-
scheidung (vgl. BGH BRAGOreport 2002, 172 = JurBüro 2003, 19) auch für die Fest-
setzung der Einigungsgebühr gem. §§ 103, 104 ZPO im Interesse der Rechtsklarheit
und Rechtssicherheit die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Pro-
zessvergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für erforderlich.
Das an äußerlich leicht erkennbare Kriterien anknüpfende Kostenfestsetzungsverfah-
ren erfordere klare und praktikable Grundlagen, die ohne förmliche Vergleichsproto-
kollierung nicht erfüllt seien. Das Kostenfestsetzungsverfahren sei auf eine rasche,
vereinfachte, anhand der Prozessakten vorzunehmende gebührenrechtliche Über-
35
prüfung der Tätigkeit des Rechtsanwaltes zugeschnitten. Der BGH hat ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass die Berücksichtigung der Einigungsgebühr im Kostenfest-
setzungsverfahren auch dann die förmliche Vergleichsprotokollierung erfordert, wenn
der Abschluss eines Einigungsvertrages ohne Schwierigkeiten durch den Rechts-
pfleger festgestellt werden kann.
Überträgt man die Überlegungen des BGH zur Festsetzbarkeit der Einigungsgebühr
auf die in Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG geregelte Terminsgebühr, könnte man zu
dem Ergebnis gelangen, dass diese Terminsgebühr nur dann berücksichtigungsfähig
ist, wenn sich die Entstehung der Terminsgebühr aus der Akte ergibt.
b) Die Besprechung wird vor Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens
durchgeführt (§§ 103 ff. ZPO)
Beispiel:
RA R erhält Klageauftrag. Vor Einreichung der Klage fordert er den Gegner zur Zah-
lung auf. Der Gegner meldet sich telefonisch bei R und bespricht mit diesem Mög-
lichkeiten zur Vermeidung des Verfahrens. Da es zu einer Einigung nicht kommt,
reicht R die Klage ein. Im Verhandlungstermin erscheint der Beklagte nicht und es
ergeht Versäumnisurteil.
Im gerichtlichen Verfahren ist lediglich eine 0,5 Terminsgebühr Nr. 3105 VV entstan-
den. Die Besprechung vor Anhängigkeit des Verfahren erhöht diese Terminsgebühr
auf 1,2.
Zur Erstattungsfähigkeit werden 2 Auffassungen vertreten:
1. Meinung:
Die Terminsgebühr für die außergerichtliche Besprechung (Differenz i.H.v. 0,7: 1,2
abzgl. 0,5) ist wie die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV nicht im Kostenfestsetzungsver-
fahren festzusetzen (OLG Koblenz RVGreport 2005, 430; vgl. zur Festsetzbarkeit der
Geschäftsgebühr BGH RVGreport 2006, 274).
2. Meinung:
Es handelt sich um Prozessvorbereitungskosten, die in der Kostenfestsetzung be-
rücksichtigt werden können (Hansens aaO / Zöller ZPO 25. Auflage, § 91 Rdnr. 13).
36
Die 1. Meinung ist deshalb abzulehnen, weil die Terminsgebühr anders als die Ge-
schäftsgebühr einen Prozess- bzw. einen Verfahrensauftrag voraussetzt.
Die 2. Meinung ist vorzugswürdig, weil die Terminsgebühr für die RAe einen Anreiz
schaffen soll, gerichtliche Verfahren zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu vermei-
den (Gerold / Schmidt Müller-Rabe RVG 17. Auflage, VV Vorbem. 3 Rdnr. 122). Zu-
dem könnte hierfür sprechen, dass der RA die Terminsgebühr ansonsten (mit-) ein-
klagen müsste.
Im Übrigen ist auf die Ausführungen zu Buchst. b) zu verweisen.
c) Festsetzung gem. § 11 RVG
Die Terminsgebühr kann gem. § 11 RVG grundsätzlich festgesetzt werden. Erhebt
der Mandant den Einwand, er habe keinen Auftrag zur oder kein Einverständnis mit
der Besprechung erteilt, ist die Festsetzung gem. § 11 V RVG ausgeschlossen (Ge-
rold / Schmidt Müller-Rabe RVG 17. Auflage, VV Vorbem. 3 Rdnr. 137). In einem
solchen Fall kann der RA die Durchsetzung seines Anspruch nur durch Mahn- oder
Klageverfahren erreichen.
d) PKH- Anwalt
aa) Terminsgebühr ist durch Besprechung vor Anhängigkeit des Verfah-
rens entstanden:
Der PKH- Anwalt erhält die Terminsgebühr nicht, weil die PKH nur auf den Zeitpunkt
der Antragstellung zurückwirken kann. Der RA ist für den außergerichtlichen Bereich
auf Beratungshilfe angewiesen. Trägt der Rechtsanwalt hier allerdings vor, dass er
bereits einen Prozessauftrag erhalten hat, wird Beratungshilfe abzulehnen sein.
bb) Terminsgebühr ist durch Besprechung nach Anhängigkeit des Ver-
fahrens entstanden:
Für die Landeskasse besteht grundsätzlich Erstattungspflicht (Gerold / Schmidt Mül-
ler-Rabe RVG 17. Auflage, VV Vorbem. 3 Rdnr. 138), zumal es für die Landeskasse
günstiger sein kann, die Terminsgebühr zu erstatten als einen kostenintensiveren
Termin durchzuführen.
37
4. Verfahrensfragen
Der Anfall der Terminsgebühr ist grds. darzulegen. Zur Darlegung gehört:
• Erteilung eines Prozessauftrages vor der Besprechung (AG Düsseldorf RVGre-
port 2006, 268 / Hansens aaO)
• Zeitpunkt der Besprechung
• Inhalt und Ergebnis der Besprechung
• Angabe des Gesprächspartner sowie die Art und Weise seiner Mitwirkung
• Zielrichtung der Besprechung (Vermeidung oder Erledigung)
Wird dieser Vortrag im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht bestrit-
ten, ist die Terminsgebühr festzusetzen. Im Falle des Bestreitens ist Glaubhaftma-
chung erforderlich, § 104 Abs. 2 ZPO (OLG Koblenz NJW 2005, 2162). Diese kann
z.B. wie folgt erfolgen:
• Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, § 294 Abs. 1 ZPO
• Berufung auf die anwaltliche Wahrheitspflicht (Gerold / Schmidt Rdnr. 135)
• Beifügung einer Kopie eines über die Besprechung gefertigten Aktenvermerks
Bestreitet der Erstattungspflichtige weiterhin die Erstattungsfähigkeit der Terminsge-
bühr, muss wiederum der Erstattungspflichtige seine die Terminsgebühr leugnende
Sachdarstellung glaubhaft machen. Erfolgt dies, muss geprüft werden, welches Vor-
bringen glaubhafter ist. Lässt sich dies nicht feststellen, liegt ein non liquet vor. Die
Terminsgebühr kann dann nicht festgesetzt werden (Hansens aaO / OLG Koblenz
aaO).
Erstattung aus der Landeskasse (PKH-RA):
Gem. § 55 Abs. 5 S. 1 RVG gilt § 104 Abs. 2 ZPO. Der PKH-RA muss die Entste-
hung der Terminsgebühr darlegen und ggf. glaubhaft machen.
38
C. Terminsgebühr im schriftlichen Verfahren
I. Voraussetzungen (vgl. Abs. 1 Nr. 1 der Anmerkung zu Nr. 3104 VV
RVG)
In einem Verfahren, für das grundsätzlich die mündliche Verhandlung vorgeschrie-
ben ist,
1. wird im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung eine Ent-
scheidung getroffen,
2. wird gem. § 307 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden,
3. es ergeht gem. § 495a ZPO eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, für
die im ordentlichen Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist,
oder
4. es wird in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen.
II. Mündliche Verhandlung vorgeschrieben, im Einverständnis mit den
Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden.
a) Mündliche Verhandlung erfordernde Entscheidungen sind:
- Urteile (§ 128 Abs. 1 ZPO)
- Beschlüsse in WEG- Sachen (§ 44 WEG; vgl. BGH Rpfleger 2006, 438; LG It-
zehoe RVGreport 2005, 193 aA; AG Düsseldorf NZM 2005, 954; Gerold-
Schmidt Müller-Rabe RVG 17. Auflage VV 3104 Rdnr. 30)
b) Keine mündliche Verhandlung erfordernde Entscheidungen sind:
- einstweilige Verfügungen/Arreste, wenn durch Beschluss entschieden wird
(§ 922 Abs. 1, 936 ZPO; OLG München RVGreport 2005, 427)
- einstweilige Anordnungen (§ 620 a Abs. 1 ZPO)
- Beweisbeschlüsse (§ 128 Abs. 4 ZPO)
- Kostenbeschlüsse (§ 128 Abs. 3 ZPO; OLG Karlsruhe Beschluss vom 29.09.06
– Az: 16 WF 115/06; AG Hamburg RVGreport 2006, 346; OLG Frankfurt
RVGreport 2006, 388)
39
c) Tätigkeit des Anwalts:
Schriftsätzliche Förderung der Angelegenheit statt Terminsverhandlung. Bestellungs-
bzw. Vertretungsanzeige und Vorlage der Prozessvollmacht reichen nicht aus (Ge-
rold Schmidt Müller-Rabe Nr. 3104 VV Rdnr. 44)
d) Einverständnis der Parteien:
Das unbedingte Einverständnis der Parteien kann ausdrücklich oder stillschweigend
erklärt werden (vgl. aber BGH Rpfleger 2006, 438)
Beispiel 1:
R reicht Klage ein. Für den Beklagten bestellt sich RA S. Mit Zustimmung der Partei-
en ordnet das Gericht gem. § 128 Abs. 2 ZPO schriftliches Verfahren an. Es ergeht
Urteil.
Es entsteht eine 1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV, weil mit Zustimmung der Parteien
in einem Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung eine Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung getroffen worden ist.
Beispiel 2:
R reicht Klage ein. Für den Beklagten bestellt sich RA S. Mit Zustimmung der Partei-
en ordnet das Gericht gem. § 128 Abs. 2 ZPO schriftliches Verfahren an. Es ergeht
Beweisbeschluss. Anschließend wird die Klage zurückgenommen.
Es entsteht keine Terminsgebühr, weil keine eine mündliche Verhandlung vorausset-
zende Entscheidung ergangen ist.
III. Verfahren nach § 307 ZPO
Das Anerkenntnisurteil kann gem. § 307 S. 2 ZPO immer ohne mündliche Verhand-
lung ergehen. Zur Entstehung ist die Stellung des Klageantrags und der Erlass des
Anerkenntnisurteils erforderlich. Ein Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils gem.
§ 307 ZPO ist dagegen nicht erforderlich. Die Entstehung einer Terminsgebühr in
diesen Fällen ist sachgerecht, da ansonsten kein Anreiz für die Anwälte bestehen
würde, das schriftliche Verfahren nach § 307 ZPO zu betreiben.
40
Beispiel:
R reicht Klage ein. Schriftliches Verfahren wird durchgeführt. Der Beklagtenvertreter
erkennt die Klageforderung schriftsätzlich an, worauf im schriftlichen Vorverfahren
Anerkenntnisurteil gem. § 307 ZPO ergeht.
IV. Verfahren nach § 495 a ZPO
Nach § 495 a ZPO kann das Gericht sein Verfahren nach billigem Ermessen
bestimmen, wenn der Streitwert 600 € nicht übersteigt. Es kann also auch ohne
mündliche Verhandlung entschieden werden. Voraussetzung für die Entstehung der
Terminsgebühr ist aber, dass in dem Verfahren nach § 495 a ZPO eine Entschei-
dung ergeht, für die auch im ordentlichen Verfahren eine mündliche Verhandlung
vorgeschrieben ist. Daher entsteht im Verfahren nach § 495 a ZPO eine Terminsge-
bühr, wenn ein Urteil ergeht, nicht aber wenn z. B. ein Beweisbeschluss ergeht oder
der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid gem. §§ 700 Abs. 1 und 341
Abs. 2 ZPO verworfen wird (LG Berlin RVGreport 2006, 347; AG Ansbach RVGreport
2006, 388).
V. schriftlicher Vergleich
1. schriftlicher Vergleich
- Vergleichsvertrag gem. § 779 BGB (gegenseitiges Nachgeben), eine schriftli-
che Einigung i.S.v. Nr. 1000 VV RVG reicht nicht aus
- Vergleich muss wirksam sein, d.h. er darf nicht widerrufen worden sein
- Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung ist notwendig, Verfah-
ren gem. § 495 a ZPO oder § 128 Abs. 2 ZPO reicht aus
Beispiel 1:
Im schriftlichen Verfahren schließen die Parteien einen privatschriftlichen, nicht vom
Gericht protokollierten Vergleich, woraufhin der Kläger nach dessen Erfüllung seine
Klage zurücknimmt.
Es entsteht eine Terminsgebühr, weil im Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher
Verhandlung ein Vergleich geschlossen worden ist.
41
Beispiel 2:
Im einstweiligen Verfügungsverfahren schließen die Parteien einen schriftlichen Ver-
gleich.
Es entsteht keine Terminsgebühr, weil für das einstweilige Verfügungsverfahren kei-
ne mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, §§ 922, 936 ZPO (OLG München
RVGreport 2005, 427)
2. Beschlussvergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO
Wird in einem Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung ein Be-
schlussvergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen - Unterbreitung eines schriftli-
chen Vergleichsvorschlags durch die Parteien oder Annahme eines schriftlichen Ver-
gleichsvorschlags des Gerichts durch die Parteien – entsteht die 1,2 Terminsgebühr
Nr. 3104 VV RVG (BGH Rpfleger 2006, 38; BGH RVGreport 2006, 387).
Das gilt auch, wenn im Verfahren gem. §§ 128 Abs. 2 oder 495 a ZPO ein Be-
schlussvergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird.
D. Terminsgebühr Nr. 3105 VV RVG
Nach Nr. 3105 VV RVG ermäßigt sich die 1,2-Terminsgebühr der Nr. 3104 VV RVG
auf 0,5, wenn der RA
- nur einen Termin wahrnimmt,
- in dem eine Partei nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist
- und lediglich ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteil
- oder ein Antrag zur Prozess- oder Sachleitung gestellt wird.
I. Beantragung eines Versäumnisurteils
Erforderlich für die Terminsgebühr ist lediglich, dass ein Antrag auf Erlass eines
Versäumnisurteils gestellt wird. Ob das Versäumnisurteil dann auch ergeht, oder
möglicherweise wegen nicht ordnungsgemäßer Ladung des Gegners der Antrag
abgelehnt wird, ist unerheblich (Hansens aaO). Geht daher die Tätigkeit des
Rechtsanwalts im Termin über die Beantragung eines Versäumnisurteil hinaus (z. B.
Erörterung mit dem Gericht über die Zulässigkeit der Klage), entsteht eine 1,2 Ter-
minsgebühr Nr. 3104 VV RVG.
42
II. Gegner ist im Termin anwesend, stellt jedoch keinen Antrag
1. Der Gegenanwalt erklärt gleich zu Beginn des Termins, dass er nicht auftreten
werde. Der Klägervertreter stellt einen Antrag auf Versäumnisurteil.
è Hierbei fällt eine Terminsgebühr i.H.v. 0,5 an, gem. 3105 VV, da nur der An-
trag auf Versäumnisurteil gestellt wurde und die Gegenseite nicht zur Vertre-
tung bereit und daher nicht ordnungsgemäß vertreten ist (Han-
sens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 7, Rdnr. 277; Ge-
rold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 16. Auflage, Vorbemerkung 3 VV, Rdnr. 60)
2. Der Gegenanwalt nimmt zunächst noch an der Verhandlung teil und erklärt spä-
ter, dass er keinen Antrag stellen möchte.
è Hierbei fällt eine Terminsgebühr i.H.v. 1,2 an gem. 3104 VV, da beide Partei-
en ordnungsgemäß vertreten sind.
Eine Reduzierung der Terminsgebühr entfällt auch dann, wenn der Gegen-
anwalt später erklärt, er wolle keine Anträge mehr stellen, da er zunächst
verhandelt hat und damit nicht lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil ge-
stellt wurde (OLG Koblenz, RVGreport 2005, 231)
3. Der Gegenanwalt erklärt gleich zu Beginn der Verhandlung, dass er nicht verhan-
deln werde. Der Klägervertreter stellt einen Antrag auf Versäumnisurteil.
è Hierbei fällt eine Terminsgebühr i.H.v. 1,2 an gem. Nr. 3104 VV, da beide Par-
teien ordnungsgemäß vertreten sind.
Es liegt hier zwar ein Fall von § 333 ZPO vor, jedoch hat der Gesetzgeber
ausdrücklich in Nr. 3105 Abs. 3 VV zum Ausdruck gebracht, dass § 333 ZPO
keine Anwendung findet.
3. Der Gegenanwalt erklärt gleich zu Beginn der Verhandlung, dass er nicht auf-
treten werde. Der Klägervertreter stellt einen Antrag auf Versäumnisurteil und er-
örtert darüber hinaus noch mit dem Gericht die Schlüssigkeit der Klage.
è Hierbei fällt eine Terminsgebühr i.H.v. 1,2 an gem. Nr. 3104 VV, auf Grund
der über einen Versäumnisurteil - Antrag hinausgehenden Tätigkeit durch Er-
örterung der Schlüssigkeit der Klage mit dem Gericht (Hansens aaO).
Gleiches gilt, wenn die Gegenpartei nicht erschienen oder nicht ordnungsge-
mäß vertreten ist.
43
Ergebnis:
Der Wortlaut ist sprachlich ungenau, weil danach bereits bei Nichterscheinen der
Partei, selbst wenn sie ordnungsgemäß vertreten ist, dem Wortlaut nach die Ermä-
ßigung eintreten würde. Zu lesen ist Nr. 3105 VV RVG zutreffender Weise wie folgt:
- wenn die Partei nicht erschienen und auch nicht ordnungsgemäß vertreten ist
oder
- wenn die Partei zwar erschienen ist, allerdings ohne Anwalt und damit wegen
des Postulationszwangs des § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht ordnungsgemäß vertre-
ten ist.
III. Im schriftlichen Verfahren
Erlässt das Gericht gem. § 331 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung ein Ver-
säumnisurteil gegen den Beklagten, nach dem dieser seine Verteidigungsabsicht
nicht rechtzeitig angezeigt hat, so verdient der Klägervertreter, obgleich er nicht in
einer mündlichen Verhandlung anwesend war, eine 0,5 Terminsgebühr gem. Nr.
3105 VV.
Im Regelfall stellt der Klägervertreterden Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils
bereits in der Klageschrift. Ergeht dann das Versäumnisurteil, entsteht die Termins-
gebühr Nr. 3105 VV RVG.
Streitig ist jedoch, ob eine 0,5 Terminsgebühr auch dann anfällt, wenn trotz fehlen-
den Antrags ein Versäumnisurteil erlassen wird.
1. Meinung:
Es entsteht keine reduzierte Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV, da sich ausdrücklich
aus dem Gesetzestext (§ 331 Abs. 3 ZPO) ergibt, dass ein Antrag vorliegen muss
(Gerold/Schmidt/Müller- Rabe, RVG, 17. Aufl., Nr. 3105 VV Rn. 23; OLG Düsseldorf
JurBüro 84, 1838).
2. Meinung:
Es entsteht nach wohl h. M. eine reduzierte Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV, da in
Abs. 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG gebührenrechtlich lediglich darauf abge-
stellt wird, ob ein Versäumnisurteil ergeht. Nicht erforderlich ist für die Entstehung
dieser Terminsgebühr, dass auch ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteil im
44
schriftlichen Verfahren gestellt worden ist (OLG Jena RVGreport 2006, 187; LG Ber-
lin RVGreport 2006, 105; AnwKom- RVG Onderka, RVG, 3. Aufl., VV 3105 Rn. 30;
LG Köln MDR 2001, 1018).
Problematisch ist bei dieser Argumentation, dass prozessual für eine Entscheidung
gemäß § 331 Abs. 3 ZPO ein Antrag erforderlich ist.
IV. Einspruch
1. Einspruch und anschließende Verhandlung
Nimmt der RA nach Beantragung des Versäumnisurteils im ersten Termin nach Ein-
spruchseinlegung durch den Beklagten an dem Verhandlungstermin über den Ein-
spruch des Beklagten teil und erscheint der Beklagte zu diesem Termin, erhält der
Klägervertretereine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG.
Eine Sonderverhandlungsgebühr entsprechend § 38 BRAGO, die der RA für die
Verhandlung, auf die das Versäumnisurteil folgte, nach der BRAGO gesondert erhal-
ten hat, ist im RVG nicht mehr vorgesehen.
Beispiel:
R reicht auftragsgemäß Klage ein. Im ersten Termin ist der Beklagte säumig, so dass
gegen ihn auf Antrag des Kläger- Vertreters ein Versäumnisurteil ergeht. Hiergegen
legt er Einspruch ein. In dem daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen Ver-
handlung erscheint der Beklagte und verhandelt.
2. Einspruch und 2. Versäumnisurteil
Ist nach Erlass eines ersten Versäumnisurteils und nach Einspruch durch den Geg-
ner dieser im daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung (Ein-
spruchstermin gem. § 345 ZPO) weder erschienen noch ordnungsgemäß vertreten
und beantragt der Klägervertreter2. Versäumnisurteil, so entsteht die Terminsgebühr
Nr. 3104 VV RVG (BGH FamRZ 2006, 1273; BGH NJW 2006, 2927). Der Kläger-
vertreterhat dann nicht nur einen Termin i.S.v. Nr. 3105 VV RVG wahrgenommen.
Nr. 3105 VV RVG findet nur Anwendung, wenn der RA einen Termin i.S.v. Nr. 3105
VV RVG wahrgenommen hat. Das ergibt sich aus der Formulierung „Wahrnehmung
nur eines Termins“.
45
Beispiel:
R reicht auftragsgemäß Klage ein. Im ersten Termin ist der Beklagte säumig, so dass
gegen ihn ein Versäumnisurteil ergeht. Hiergegen legt er Einspruch ein. In dem dar-
aufhin anberaumten Einspruchstermin ist der Beklagte erneut säumig, so dass auf
Antrag des Klägervertreters 2. Versäumnisurteil ergeht.
3. Einspruch gegen VB und Säumnis im Verhandlungstermin
Ergeht auf Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid ein zweites Versäumnis-
urteil, so entsteht nur eine Terminsgebühr in Höhe von 0,5 nach Nr. 3105 VV RVG
(AG Kaiserslautern JurBüro 2005, 475). Der Vollstreckungsbescheid, der als 1. Ver-
säumnisurteil gilt (§ 700 Abs. 1 ZPO), ergeht ohne Termin. Eine 1,2-Terminsgebühr
kommt hier daher nicht in Betracht, weil der Termin im Prozessverfahren (Ein-
spruchstermin) der erste und einzige Termin in dem Verfahren ist.
Beispiel:
Im Mahnverfahren ergeht ein Vollstreckungsbescheid. Hiergegen legt der Beklagte
Einspruch ein. Im daraufhin anberaumten Termin bleibt er säumig, so dass sein Ein-
spruch auf Antrag des Klägers durch zweites Versäumnisurteil nach §§ 700 Abs. 6 S.
1, 345 ZPO verworfen wird.
4. Teileinspruch gegen Versäumnisurteil
Ergeht zunächst ein Versäumnisurteil und wird sodann nur teilweise Einspruch ein-
gelegt und hierüber verhandelt, so ist zunächst aus dem Gesamtwert die 0,5-
Terminsgebühr (Nrn. 3104, 3105 VV RVG) angefallen. Aus dem Teilwert des Ein-
spruchs erhöht sich die Terminsgebühr dann auf 1,2, so dass zwei verschiedene
Gebühren zu berechnen sind (§ 15 Abs. 3 S. 1 RVG). Insgesamt darf der Anwalt
jedoch nicht mehr abrechnen als eine 1,2-Gebühr aus dem Gesamtwert.
Beispiel:
Gegen den Beklagten ergeht auf Antrag des Klägervertreters ein Versäumnisurteil in
Höhe von 10.000,00 €. Der Beklagte legt hiergegen Einspruch ein, soweit er zu mehr
als 4.000,00 € verurteilt worden ist. Im anschließenden Termin verhandeln die Par-
teien.
46
Lösung:
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG, Wert 6.000 €: 405,60 €
0,5 Terminsgebühr Nr. 3105 VV RVG, Wert 4.000 €: 122,50 €
Summe: 528,10 €
Gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,2 v. 10.000 € = 583,20 €, keine Kürzung
5. Einspruch durch einen von mehreren Beklagten
Zur Entstehung der 1,2 Terminsgebühr reicht es aus, wenn die Voraussetzungen
hierfür (Beklagter erscheint oder ist im Termin ordnungsgemäß vertreten) nur für ei-
nen der Beklagten erfüllt sind.
Eine andere Frage ist, in welcher Höhe die Beklagten zur Erstattung der Terminsge-
bühr verpflichtet sind.
Beispiel:
Der Anwalt erhebt für seinen Mandanten Klage gegen zwei Beklagte als Gesamt-
schuldner auf Zahlung. Da beide Beklagte im Termin säumig und auch nicht ord-
nungsgemäß vertreten sind, ergeht antragsgemäß ein Versäumnisurteil gegen beide
Beklagte. Der Beklagte zu 2) legt Einspruch ein. Im Einspruchstermin wird streitig
verhandelt und das Versäumnisurteil aufrecht erhalten.
Es ist eine 1,2 Terminsgebühr entstanden. Im Rahmen der Kostenfestsetzung müs-
sen beide Beklagte als Gesamtschuldner eine 0,5 Terminsgebühr Nr. 3105 VV er-
statten. Die Differenz zur 1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV schuldet nur der Beklagte
zu 2.
6. Unzulässiger Einspruch gegen VU
Wird der Einspruch ohne mündliche Verhandlung gem. § 341 Abs. 2 ZPO als unzu-
lässig verworfen, findet eine Erhöhung der Terminsgebühr auf 1,2 gem. Nr. 3105
Abs. 2, 3104 Abs. 1 VV nicht statt, da die Voraussetzungen der Notwendigkeit der
mündlichen Verhandlung nicht gegeben ist. (LG Berlin, RVGreport 2006, 347)
47
Beispiel:
R reicht auftragsgemäß Klage ein. Im ersten Termin ist der Beklagte säumig, so dass
gegen ihn ein Versäumnisurteil ergeht. Hiergegen legt er verspätet Einspruch ein,
der daraufhin vom Richter ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen
wird.
R hat eine 0,5 Terminsgebühr für den Antrag auf Versäumnisurteil nach Nr. 3105 VV
verdient. Eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV scheidet trotz zweitem Urteils
hier aus, da gem. § 341 Abs. 2 ZPO der Einspruch ohne mündliche Verhandlung als
unzulässig verworfen werden kann.
V. Anträge zur Prozess- und Sachleitung
Stellt der RA im Termin zur mündlichen Verhandlung nur Anträge zur Prozess- oder
Sachleitung, so fällt lediglich eine 0,5 Terminsgebühr gem. Nr. 3105 VV an.
Hierher gehören z.B. Antrag auf:
• Vertagung § 227 ZPO
• Aussetzung des Verfahrens §§ 246 ff. ZPO
• Ruhen des Verfahrens § 251 ZPO
• Einsicht in beigezogene Akten
Keine Anträge zur Prozess- oder Sachleitung sind dagegen:
• Einverständnis mit der Klagerücknahme
• Klagerücknahme
Unerheblich ist hierbei, ob das Gericht den gestellten Anträgen stattgibt, oder sie ab-
lehnt.
48
VI. Entscheidungen von Amts wegen zur Prozess- und Sachleitung
Die Ermäßigung tritt nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3105 VV RVG wiederum auch
ein,
• wenn das Gericht bei Säumnis von Amts wegen lediglich Entscheidungen zur
Prozess- oder Sachleitung trifft.
Hierbei ist zu beachten, dass die Voraussetzungen für ein Versäumnisurteil
vorliegen müssen, und stattdessen eine der oben aufgeführten Entscheidungen
getroffen wird.
oder
• wenn eine Entscheidung gemäß § 331 Abs. 3 ZPO – Versäumnisurteil im
schriftlichen Verfahren - ergeht (Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV RVG).
Die Ermäßigung kann nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 3105 VV RVG entsprechend Anm.
Abs. 1 zu Nr. 3104 VV RVG auch im schriftlichen Verfahren eintreten.
G
49
Arbeitsergebnisse zum Themenkreis 3
Tätigkeiten des Rechtspflegers nach §§ 120 Abs. 4, 124 Nr. 2 bis 4 ZPO
Mitglieder der Arbeitsgruppe
Claudia Bendisch
Oliver Heine
Yvonne Hanenkamp
Sven Krain
Kathrin Kullmann
Kathrin Pieper
Alexander Richter
Ina Röschmann
Anja Voß
Heinz Werthmanns
A. Grundsätzliches:
Das Prozesskostenhilfegesetz dient dem Zweck, die "Kostenbarriere" beim Zugang
zu den Gerichten abzubauen und jedem Bürger die Möglichkeit zu verschaffen, die
staatlichen Rechtspflegeorgane ohne unzumutbares Kostenrisiko in Anspruch neh-
men zu können.
Der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind (Art. 3 Abs. 1 GG)
gebietet es dem Staat i. V. m. dem Sozialstaatprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) dafür zu
sorgen, dass die Rechtsverfolgung bzw. die Rechtsverteidigung einer Partei nicht
durch Geldmangel unverhältnismäßig erschwert wird (MDR 4/2001, Seite 230f.).
Insoweit stellt die Prozesskostenhilfe einen Sonderfall der Sozialhilfe im Bereich der
Rechtspflege dar. Die Sozialhilfe dient dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beheben,
so dass sie grundsätzlich weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft nach
Wegfall der Hilfsbedürftigkeit zu gewähren ist.
Anders als die Sozialhilfe bewirkt die Prozesskostenhilfe eine Stundung der fälligen
und während des Rechtsstreits noch entstehenden Kosten. Die begünstigte Partei ist
50
somit nicht uneingeschränkt von der Zahlung der Kosten befreit. Die Höhe der von
ihr zu leistenden Zahlungen richtet sich nach der gegenwärtigen Bedürftigkeit der
Partei.
Da sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer Partei im Laufe der
Zeit ändern können, hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 120 Abs. 4 ZPO
die Möglichkeit geschaffen, die (meist) zu Beginn des Rechtsstreits getroffene PKH-
Bewilligung zu überprüfen und ggf. abzuändern.
B. Einzelne Aspekte im Verfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO
1. Wann liegt eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Ver-
hältnisse i. S. des § 120 Abs. 4 ZPO vor?
a) Können allgemeingültige Standards für die Beurteilung einer wesentlichen
Verbesserung in Form einer prozentualen Einkommenserhöhung oder des
Erreichens eines bestimmten Einkommens/Vermögensniveaus festgelegt
werden?
Bei der Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Rechtspfleger immer
auf den Einzelfall abzustellen. Wegen der Vielzahl der zu treffenden Entscheidungen
wird versucht, allgemein anwendbare Kriterien zur Beurteilung einer wesentlichen
Verbesserung zu finden. Hierbei haben sich in der Rechtsprechung folgende vier
Meinungen herausgebildet (OLG Karlsruhe 19 W 62/05, Beschluss vom 13.12.2005):
Eine wesentliche Veränderung liegt danach vor,
1. Meinung:
wenn die Veränderung den wirtschaftlichen und sozialen Lebensstandard der Partei
prägt und verändert (Zöller/Philippi, ZPO 25. Auflage § 120 Rn. 21),
2. Meinung:
wenn sich die für die Bewilligung maßgeblichen Verhältnisse nicht nur geringfügig
und vorübergehend, sondern so nachhaltig geändert haben, dass sich die ursprüng-
51
liche Bewilligung als im Sinne und nach Zweck einer Fürsorgeleistung unzutreffend
erweist,
3. Meinung:
wenn sich die Einkommens- und Vermögenssituation um mindestens bzw. mehr als
10 % verändert hat (Jur. Büro 1989, Seite 1446).
4. Meinung:
wenn das erworbene Vermögen nennenswert bzw. deutlich über dem Schonvermö-
gen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (2.600,00 EUR) liegt.
Die 10 %-Lösung (3. Meinung) ist abzulehnen, da sie zu pauschal auf die Einkom-
menssituation abstellt und die Lebenssituation der Partei gänzlich außer Acht lässt.
So kann sich z. B. das Arbeitseinkommen um deutlich mehr als 10 % erhöhen, je-
doch gleichzeitig eine weitere unterhaltsberechtigte Person hinzukommen.
Die nach der 1. und 2. Meinung vertretenen Rechtsauffassungen ergänzen sich und
sind bei deutlicher Verbesserung des Lebensstandards durch Einkommenserhöhung
gut anwendbar.
Bei einmaligem Vermögenszuwachs der Partei, z. B. durch Lotteriegewinn oder Erb-
schaft, ist das Schonvermögen zu berücksichtigen (4. Meinung) welches der PKH-
Partei zu verbleiben hat.
Kommt man nach Überprüfung zu dem Schluss, dass eine Abänderung zu erfolgen
hat, ist es sinnvoll, bei einer Einkommenserhöhung die Raten anzuordnen bzw. zu
erhöhen. Bei einmaligem erheblichem Vermögenszuwachs kann eine Einmalzahlung
angeordnet werden.
Gelangt man jedoch bei der Überprüfung zu dem Ergebnis, dass die Vermögensver-
hältnisse der Partei unverändert geblieben, aber zuvor bei der PKH-Bewilligung
falsch beurteilt worden sind, ist eine Abänderung nach § 120 Abs. 4 ZPO nicht mög-
lich. Hier ist allenfalls die Möglichkeit der Beschwerde gegen die PKH-Bewilligung
gegeben.
52
Die Vorschrift des § 120 Abs. 4 ZPO ermöglicht keine neue rechtliche Beurteilung
eines unveränderten Sachverhalts.
b) Kann die im Rahmen des mittels PKH geführten Prozesses erlangte Forde-
rung berücksichtigt werden?
Grundsätzlich sind diese Forderungen zu berücksichtigen, z. B. Kaufpreisansprüche,
soweit sie realisierbar, d. h. gegen den Prozessgegner durchsetzbar sind.
Zweckgebundene Ansprüche, wie z. B. Schmerzensgeld oder Unterhaltsforderun-
gen, stehen allerdings der Partei persönlich zu und sind wohl bei der Beurteilung au-
ßer Acht zu lassen.
Die Berücksichtigung weiter Ansprüche ist fraglich.
So kann z. B. ein Zugewinnausgleichsanspruch nur angesetzt werden, wenn dieser
auch im Rahmen des § 115 ZPO zu berücksichtigen wäre. Erwirbt der Ehepartner
mittels des im Scheidungsverfahren zugesprochenen Zugewinns eine eigengenutzte
Immobilie, weil er aus der Ehewohnung ausziehen musste, ist in diesem Fall der Zu-
gewinn nicht einzusetzen.
Die Immobilie würde dann als Schonvermögen einzuordnen sein.
Eine weitere Besonderheit ergibt sich bei einer im Rechtsstreit durchgesetzten Abfin-
dungsforderung.
Das Bundesarbeitsgericht (3 AZB 12/05, Beschluss vom 24.04.2006) hatte folgenden
Fall zu entscheiden:
In dem Verfahren verglichen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber dahingehend, dass
das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bei Zahlung einer
Abfindung über 5.000,00 EUR endet.
Daraufhin änderte das Arbeitsgericht den PKH-Bewilligungsbeschluss gemäß § 120
Abs. 4 ZPO dahingehend ab, dass die von der Landeskasse bezahlten Prozesskos-
ten in einem Betrag zurückzuzahlen sind. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies
das Landesarbeitsgericht zurück, weil die den Schonbetrag von 2.301,00 EUR über-
53
steigende Abfindung eine gemäß § 120 Abs. 4 ZPO zu berücksichtigende wesentli-
che Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darstelle.
Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde entschied das Bundesarbeitsgericht, dass
die für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung Vermögen i. S.
d. § 115 Abs. 3 ZPO, § 11a Abs. 3 ArbGG darstellt, das – bei tatsächlicher Zahlung -
einzusetzen ist, soweit dies zumutbar erscheint.
Dabei hat der Partei zunächst ein Schonvermögen von 2.301,00 EUR sowie der
Freibetrag für die unterhaltsberechtigte Tochter über 256,00 EUR zu verbleiben.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dem Arbeitnehmer durch den Verlust
des Arbeitsplatzes Kosten für Bewerbungen, Fahrten, u. ggf. auch Schulungen und
Umzug entstehen. Da diese Kosten von zahlreichen Faktoren abhängig sind, auch
von der beruflichen Qualifikation sowie vom Alter, erweist sich eine Typisierung als
praktikabel.
Als Anhaltspunkt für die dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes ty-
pischer Weise entstehenden Kosten kann die derzeitige Höhe des Schonbetrages für
Ledige dienen. Somit ist ein weiterer Betrag von 2.301,00 EUR hinzuzurechnen, so
dass von der Abfindung in Höhe von 5.000,00 EUR dem Arbeitnehmer letztlich ein
Betrag 4.858,00 EUR verbleibt und nur 142,00 EUR als Einmalzahlung an die Lan-
deskasse zu leisten sind.
Soweit die erworbene Forderung das Aktivvermögen der Partei nicht wesentlich ver-
mehrt, d. h. die Forderung zur Tilgung von vor PKH-Bewillgung entstandenen Ver-
bindlichkeiten verwendet wird, wird sie nicht berücksichtigt. In diesem Fall haben die
entstandenen Prozesskosten keinen Vorrang vor diesen Verbindlichkeiten der Partei
(OLG Karlsruhe 19 W 62/05, Beschluss vom 13.12.2005).
Eine häufig gestellte Frage ist, ob der Richter schon im Bewilligungsverfahren die im
Rechtsstreit geltend gemachte Forderung der PKH-Partei zu berücksichtigen hat,
denn er hat nicht nur die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern
auch die Erfolgsaussichten der Klage zu prüfen. PKH ist nur zu gewähren, wenn die
Klage Aussicht auf Erfolg hat. Dennoch muss die Forderung nicht zwingend schon in
die Bewertung im Bewilligungsverfahren einfließen, da noch nicht absehbar ist, in-
wieweit die Forderung bei positivem Verfahrensausgang für die PKH-Partei realisier-
54
bar ist. Die spätere Anwendung des § 120 Abs. 4 ZPO wird durch diese Möglichkeit
nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
c) Sind bei einem relevanten Vermögenszuwachs nach PKH-Bewilligung ein-
gegangene Verbindlichkeiten zu berücksichtigen?
In der Regel haben nach PKH-Bewilligung eingegangene Verbindlichkeiten keinen
Einfluss auf die Abänderungsentscheidung, es sei denn, es sind notwendigerweise
eingegangene Verbindlichkeiten.
Hierzu zählen z. B.
Aufwendungen für den Kauf eines PkW´s zum Zwecke der überwiegend beruflichen
Nutzung. Die Höhe des Kaufpreises darf jedoch in keinem Missverhältnis zum Ein-
kommen stehen (Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 04.04.1995, 12 WF
44/95).
Nutzt die Partei die Forderung zum Erwerb von Luxusgütern auf zu missbilligende
Weise, z. B. für eine Weltreise, Sportboot etc., so wird sie behandelt, als hätte sie
das Vermögen noch inne (OLG Köln, 11 W 3/01, Beschluss vom 22.02.2001).
2. Wie kann ein Verfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO zum Nachteil der Par-
tei eingeleitet werden?
a) Insoweit soll auf die Frage einer derzeit fehlenden gesetzlichen Verpflich-
tung eingegangen werden.
Vorliegend handelt es sich um ein reines Amtsverfahren, das durch Anregungen oder
Fristvorlagen, die beispielsweise aufgrund Wegfalls von Unterhaltspflichten oder Be-
endigung von (anderweitigen) Ratenzahlungsverpflichtungen erfolgen, aufgegriffen
wird.
Das Verfahren zur Aufhebung der Prozesskostenhilfe bzw. Anordnung einer Raten-
zahlungspflicht wird, wie oben beschrieben oder auf Anregung des Gegners bzw.
auch auf Anregung des beigeordneten Anwalts eingeleitet. Wenn die Voraussetzun-
gen eines Änderungsgrundes gegeben sind, steht die Entscheidung im pflichtgemä-
ßen Ermessen des Gerichts. Bei der Ermessensausübung ist auch darauf abzustel-
len, wie hoch die noch ungedeckten Kosten sind und welche Härten sich für die Par-
55
tei ergeben. In allen Änderungsfällen ist der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt
worden ist, rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG bzw. Anspruch auf
ein faires Verfahrens). Da auch die Beiordnung des Rechtsanwalts betroffen ist, ist
auch ihm rechtliches Gehör zu gewähren.
Eine gesetzliche Verpflichtung zur Einleitung besteht nicht. Die Anwendung der Vor-
schrift ist in jedem Fall von Amts wegen zu berücksichtigen. Abzugrenzen ist, ob es
sich um ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Richters oder um ein originä-
res Verfahren handelt. Beispielsweise könnte eine verspätete Beschwerde als ein
solches Verfahren aufgegriffen werden (FPR 2002 Heft 10 Seite 498 Anwaltszeit-
schrift Familie, Partnerschaft und Recht).
b) Welche Stellung kommt insoweit dem Bezirksrevisor zu?
Es besteht ein Antragsrecht bzw. die Möglichkeit einer Anregung zur Einleitung des
Verfahrens nach § 120 Abs. 4 ZPO seitens der Staatskasse. Zur näheren Ausfüh-
rung vg. OLG Nürnberg, B. v. 06.04.1995 (Rpfleger 1995, Seite 465).
Am eigentlichen Verfahren ist die Staatskasse nicht zwingend und durchgängig zu
beteiligen. Entscheidungen werden nicht von Amts wegen mitgeteilt. Binnen eines
Monats steht der Staatskasse ein Beschwerderecht zu. Nach Ablauf von 3 Monaten
seit der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft (Zöller 5. Auflage Rn. 28 zu
§ 120 ZPO i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 5 ZPO).
Ein Beschwerderecht der Staatskasse kann bei Bewilligung ratenfreier Prozesskos-
tenhilfe und auch im Verfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO ausgeübt werden.
c) Besteht ein Antragsrecht der gegnerischen Partei/eines Streitgenossen?
Ein eigenes Antragsrecht der gegnerischen Partei zur Einleitung des Verfahrens be-
steht nicht. Es können von der gegnerischen Partei lediglich Anregungen erfolgen,
die den Rechtspfleger jedoch zur Einleitung eines Prüfungsverfahrens veranlassen
können. Änderungen der Entscheidung können den Gegner beschweren. Er ist da-
her im Verfahren anzuhören und Entscheidungen sind ihm mitzuteilen. Es besteht für
56
den Gegner kein Beschwerderecht, wenn es bei der ursprünglichen Entscheidung
verbleibt (Zöller 25. Auflage § 124 Rn. 21 bzw. § 127 Rn. 27).
d) Besteht ein Antragsrecht des (ehemals) beigeordneten Rechtsanwalts der
Partei?
Die vorstehenden Ausführungen (zu c) gelten auch für den beigeordneten Rechts-
anwalt, dem kein eigenes Beschwerderecht zusteht (Rpfleger 1997, 347 – 350;
FamRZ 2006, 341). Er ist aber im Verfahren anzuhören und Entscheidungen sind
ihm mitzuteilen.
3. Ist im Falle einer erstmaligen Anordnung von Ratenzahlungen im
Rahmen des § 120 Abs. 4 ZPO auch der beigeordnete Rechtsanwalt zu
beteiligen, der bisher seine Differenzvergütung noch nicht geltend
gemacht hat?
Denkbar ist hierzu folgende Fallkonstellation:
Dem Antragsteller ist Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von
Rechtsanwalt X bewilligt worden. Dieser reicht nach § 55 RVG seine Kosten bei Ge-
richt ein und erhält die PKH-Vergütung aus der Staatskasse. Gemäß § 120 Abs. 4
ZPO wird bei einer Überprüfung festgestellt, dass dem Antragsteller nunmehr Raten-
zahlungsverpflichtungen aufzuerlegen sind. Es stellt sich nunmehr die Frage, ob der
beigeordnete Rechtsanwalt im Falle einer erstmaligen Anordnung von Ratenzahlun-
gen zu beteiligen ist, vor allem auch, da dieser bisher seine Differenzvergütung (§ 50
RVG) noch nicht geltend gemacht hat.
Die Vorschrift des § 55 Abs. 6 RVG gibt vor, dass der Urkundsbeamte der Ge-
schäftsstelle (= der Beamte des gehobenen Dienstes, vgl. AV des JM betr. die Fest-
setzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung der Rechtsanwälte und
Steuerberater v. 30.06.2005) vor einer Festsetzung der weiteren Vergütung den
Rechtsanwalt auffordern kann, innerhalb einer Frist von einem Monat bei der Ge-
schäftsstelle des Gerichts, dem der Urkundsbeamte angehört, Anträge auf Festset-
zung der Vergütung, für die ihm noch Ansprüche gegen die Staatskasse zustehen,
einzureichen oder sich zu den empfangenen Zahlungen zu erklären.
57
Eine Verpflichtung hierzu besteht somit nicht, “.... kann“
Nach Riedel/Sußbauer, 9. Auflage zum RVG Rn. 28 und 29 zu § 55 RVG ist "die Auf-
forderung nach § 55 Abs. 6 Satz 1 RVG ein Mittel, das dem Urkundsbeamten an die
Hand gegeben worden ist, damit er sich die für die Schlusskostenrechnung erforder-
lichen Angaben von den beigeordneten Rechtsanwälten verschaffen kann. Es han-
delt sich daher um eine Kompetenznorm. Ob der Urkundsbeamte davon Gebrauch
machen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Allerdings wird er regelmä-
ßig die an einen beigeordneten Rechtsanwalt gerichtete Aufforderung, Anträge auf
Festsetzung seiner "weiteren Vergütung" einzureichen, (...) um der Staatskasse end-
gültige Klarheit über die bestehenden Ansprüche bzw. Verbindlichkeiten zu ver-
schaffen."
Nicht zuletzt bestimmt Nr. 9.1 der Durchführungsbestimmung der PKH des Landes
Nordrhein-Westfalen, dass "der beigeordnete Rechtsanwalt zur Einreichung seiner
Kostenrechnung aufzufordern (§§ 55 Abs. 2, 55 Abs. 6 RVG) ist", soweit dies erfor-
derlich ist.
Daher ist der Spielraum praktisch Null. Der beigeordnete Anwalt ist zu beteiligen.
4. Welchen Einfluss haben Zeiträume ohne (Raten-) Zahlungsverpflich-
tung bei einer späteren Ratenfestsetzung im Hinblick auf die Höchst-
grenze von 48 Raten?
Wenn der Rechtspfleger unter Berücksichtigung des § 115 ZPO zu dem Ergebnis
kommt, dass die Partei, der vorher Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligt war,
nunmehr Raten zu zahlen hat, ist die Höchstgrenze des § 115 Abs. 2 ZPO zu beach-
ten. Dabei stellt sich die Frage, ob, nachdem eine Entscheidung nach § 120 Abs. 4
ZPO ergangen ist, noch 48 Monatsraten zu zahlen sind bzw. nur so viele Raten, bis
48 Monate seit Verfahrensabschluss bzw. Bewilligung der Prozesskostenhilfe verstri-
chen sind.
Beispiel:
Das Urteil in dem Verfahren, in dem dem Antragsteller PKH ohne Ratenzahlung ge-
währt wurde, ist seit dem 15.01.2004 rechtskräftig. Nach der Kostenentscheidung
58
werden die Kosten gegeneinander aufgehoben. Die Gesamtkosten auf Antragsteller-
seite, die sich aus Gerichtskosten i. H. v. 400,00 EUR, PKH-Vergütung i. H. v. 800,00
EUR und die Differenzgebühren i. H. v. 300,00 EUR des Anwalts zusammensetzen,
betragen insgesamt 1.500,00 EUR. Bei der Überprüfung gemäß § 120 Abs. 4 ZPO
am 15.01.2006 ergibt sich eine monatliche Ratenzahlungsverpflichtung von 30,00
EUR ab dem 01.02.2006.
Bei zu zahlenden
a) 48 Monatsraten
(keine Berücksichtigung der Null-
Raten)
Es wären 1440 € zu zahlen.
a) 48 Monatsraten
(keine Berücksichtigung der Null-
Raten)
Es wären 1440 € zu zahlen.
a) 48 Monatsraten
(keine Berücksichtigung der Null-
Raten)
Es wären 1440 € zu zahlen.
a) 48 Monatsraten
(keine Berücksichtigung der Null-
Raten)
Es wären 1440 € zu zahlen.
a) 48 Monatsraten
(keine Berücksichtigung der Null-
Raten)
b) Zahlung bis 15.01.2008
(Berücksichtigung der Nullraten)
Es wären 24 Monate = 720 € zu
zahlen
(Berücksichtigung der Nullraten)
Es wären 24 Monate = 720 € zu
b) Zahlung bis 15.01.2008
(Berücksichtigung der Nullraten)
Es wären 24 Monate = 720 € zu
b) Zahlung bis 15.01.2008
(Berücksichtigung der Nullraten)
Es wären 24 Monate = 720 € zu
b) Zahlung bis 15.01.2008
(Berücksichtigung der Nullraten)
Es wären 24 Monate = 720 € zu
b) Zahlung bis 15.01.2008
d.h. vollständige Befriedigung der
Staatskasse und teilweise Erstat-
tung der Differenzgebühr
- OLG Nürnberg, Beschluss vom
03.08.1992, 16 WF 77/91, FamRZ
92, Seite 1449 ff.
- OLG Saarbrücken, Beschluss vom
16.06.1993, 6 WF 32/93 FamRZ 93,
Seite 1335 ff.
- Aufsatz, Rpfleger 1997, Seite 463
ff.
- d.h. vollständige Befriedigung der
Staatskasse und teilweise Erstat-
tung der Differenzgebühr
- OLG Nürnberg, Beschluss vom
03.08.1992, 16 WF 77/91, FamRZ
92, Seite 1449 ff.
- OLG Saarbrücken, Beschluss vom
16.06.1993, 6 WF 32/93 FamRZ 93,
d.h. teilweise Befriedigung der
Staatskasse und keine Auskehrung
der Differenzgebühr.
- OLG Karlsruhe, Beschluss vom
10.09.1991, 11 WF 826/92, Rpfleger
93, Seite 164 ff.
59
- die weitaus herrschende Meinung lehnt die Anrechnung von Nullraten ab, so dass
Zeiträume ohne Zahlungsverpflichtung keine Auswirkungen auf die Höchstgrenze
von § 115 Abs. 2 ZPO haben.
5. Vermag eine Auskunftserteilung erst im Beschwerdeverfahren gegen
eine Aufhebung gemäß § 124 Nr. 2, 2. Alt. ZPO im Hinblick auf § 571
Abs. 2 ZPO die Wiederherstellung der ursprünglichen PKH-
Bewilligung zu rechtfertigen?
Hierzu existieren folgende drei Meinungen:
1. Meinung
des Beschwerdegerichts in einer PKH-Sache:
Grundsätzlich keine Neubewilligung bei demselben Gegenstand, in gleicher Instanz,
bei keiner Veränderung der Vermögensverhältnisse (OLG Düsseldorf, FamRZ 1986,
617 f.).
Weitere identische Meinung des OLG Naumburg, FamRZ 2006, 216 f.:
Grundsätzlich auch keine Neubewilligung mit der Begründung:
Aufhebung als Sanktion für fehlende Kooperationsbereitschaft.
2. Meinung:
Grundsätzlich Neubewilligung bei wesentlicher Verschlechterung der persönlichen
Verhältnisse, jedoch erst mit Wirkung ab Antragstellung (OLG Zweibrücken, FamRZ
2002, 1418, 1419).
3. Meinung:
Grundsätzlich Neubewilligung, außer wenn eine erneute Missachtung (der Zahlungs-
anordnung) zu befürchten ist.
(BGH-Beschluss v. 12.07.2005 VI ZB 72/03).
60
6. Setzt eine Aufhebung der PKH-Bewilligung gem. § 124 Nr. 4 ZPO einen
verschuldeten Rückstand voraus?
Ja, denn ein Rückstand allein reicht für die Aufhebung der PKH-Bewilligung nicht
aus. Hier ist ein schuldhafter Verzug erforderlich. Ein Widerruf ist daher unzulässig,
wenn die Nichtzahlung der Raten nicht auf einem Verschulden des Bedürftigen be-
ruht. Dabei ist das Gericht nicht an die Feststellung und Bewertung im Rahmen des
ursprünglichen Bewilligungsbeschlusses gebunden.
Beispiel für verschuldeten Rückstand:
Ohne Angaben von Gründen werden Raten nicht gezahlt und auf Nachfragen des
Gerichts wird nicht reagiert.
Beispiele für unverschuldeten Rückstand:
- wirtschaftliche Verhältnisse waren von Anfang an ungünstiger als vom Gericht an-
genommen -
- wirtschaftliche Verhältnisse haben sich während der Ratenzahlungen wesentlich
verschlechtert -
(OLG Frankfurt, FamRZ 1983, 1046; OLG Köln, Rechtspfleger 1984, 200; OLG
Hamm, FamRZ 1986, 1127; OLG Düsseldorf, Jur. Büro 1987, 911)
C. Vorschau auf evtl. Gesetzesänderungen (PKH-BegrenzG-E):
1. Die wichtigsten geplanten Änderungen:
- Prozesskostenhilfe soll danach künftig nur noch als Darlehen gewährt werden
- Begrenzung der Ratenzahlung (auf 48 Monate) soll entfallen
- Beschwerderecht der Staatskasse soll ausgeweitet werden
- Einführung einer Gerichtsgebühr für das PKH-Verfahren
- Einsatz der ausgeurteilten Forderung soll gesetzlich geregelt werden
- Änderung der Freibeträge
- Konkretisierung der wesentlichen Einkommensverbesserung
- die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (im Rahmen der ers-
ten Bewilligung auch für Klageverfahren pp.) soll dem Rechtspfleger (durch Ände-
rung des RPflG) übertragen werden