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Schatzkiste – Achtsamsein
Impressum Diese Sammlung ist im Kontext des Landesmodell-‐ projekts “Gesundheit, Integration, Konzentration – Achtsamkeitsbasierte Stabilisierung und Stressbe-‐ wältigung in den Solinger Grundschulen – GIK“ entstanden. 2. Auflage, erweitert um Erfahrungen von achtsamkeitsbasisert unterrichtenden Lehrerinnen
Autor: Dr. Nils Altner Mitarbeit: Dipl. Soz.Wiss. Mara Erlinghagen, Karen Klever, Martina Ventker und weitere LehrerInnen aus NRW Fotos: Nils Altner, Mara Erlinghagen, Anja Grabenhorst Grafik: Anja Kalmann www.kalmann-‐design.de
unterstüt
Diese Vorschau gibt einen kleinen Einblick in die 2. erweiterte Auflage der 66-‐seitigen Methoden-‐Schatzkiste, die Bestandteil der GAMMA MultiplikatorInnen-‐Schulung an der Universität Duisburg-‐Essen ist. www.achtsamkeit.com/gamma
Schatzkiste – Achtsamsein
Vorwort Liebe Lehrerinnen und Lehrer,
Kennen Sie das Gefühl, wenn es schwierig ist, alle Kinder der Klasse zur notwendigen Aufmerksamkeit zu führen? Beobachten Sie in Ihrem Alltag manchmal Kinder, die sich nicht wirklich auf eine Aufgabe einlassen, oder sich nur über kurze Zeitspannen kon-‐zentrieren können? Erleben Sie Unterrichts-‐störungen als belastend und zuweilen stressig? Haben Sie im Laufe eines Unter-‐richtstages emotional herausfordernde Momente oder Situationen? Müssen Sie häufig spontan und flexibel reagieren? Be-‐gleiten Sie Kinder in belastenden Situa-‐tionen? Und wünschen Sie sich in diesen Situationen Hilfe und Entlastung? Es gibt eine wichtige Kompetenz, die uns Menschen „groß wie klein“ unterstützen kann, gut mit solchen Herausforderungen zurecht zu kommen. Das Geheimnis heißt:
Unsere Aufmerksamkeit freundlich und klar auf das lenken, was im aktuellen Augenblick wirklich wichtig ist. Wenn wir dabei achtsam mit uns, unseren Mitmenschen und der Welt umgehen lernen, dann stärken wir die Kräfte in uns und in der Gesellschaft, die Fürsorge, friedliches Mitein-‐ander und die gemeinsame Entwicklung unseres Menschseins ermöglichen. Der Psychologe und Philosoph William James erkannte schon vor über 100 Jahren den entscheidenden Zusammenhang zwischen der bewussten Lenkung der Aufmerk-‐samkeit, der inneren Haltung, mit der wir das tun, und den Auswirkungen auf die Gestaltung unserer Welt:
„Durch die Art, wie er den Din-‐gen Aufmerksamkeit schenkt,
trifft jeder von uns im wört-‐lichen Sinn eine Wahl, welche Art Welt es sein soll, in der er
leben will... Die Fähigkeit, freiwillig die
umherschweifende Aufmerk-‐samkeit immer wieder zurück
zu bringen, ist dabei die eigent-‐liche Wurzel von Urteil,
Charakter und Wille... Eine Erziehung, die diese Fähigkeit
verbessern sollte, wäre die Erziehung schlechthin."
William James, 1890/91
Mit dem Landesmodellprojekt „GIK – Gesundheit, Integration und Konzen-‐tration – Achtsamkeit in der Schule“ werden die Erkenntnisse der modernen Mind-‐Body-‐Medizin, wie sie seit 1999 am Lehrstuhl für Naturheilkunde der Universität Duisburg-‐Essen für die Behandlung von Patientinnen/Patienten und für Präventionsprogramme genutzt und wissenschaftlich erforscht werden, im schulischen Rahmen angewendet. Dieses von den NRW-‐Landesministerien für Bildung und für Gesundheit sowie von der Stadt Solingen geförderte inter-‐disziplinäre Projekt stellt deutsch-‐landweit eine Novität dar und kann als modellgebendes Beispiel für eine visionäre Zusammenarbeit von Politik, Administration und Wissenschaft mit Lehrerinnen und Lehrern dienen.
Schatzkiste – Achtsamsein
Dabei steht die Haltung des Achtsam-‐seins im Vordergrund. Darunter verstehen wir die Fähigkeit, die Aufmerk-‐samkeit bewusst auf den gegenwärtigen Moment und die hier und jetzt wahrzunehmenden Sinneseindrücke zu lenken. Den Bezug, den wir dabei zum gegenwärtigen Moment einnehmen, möchten wir ganz bewusst möglichst offen, freundlich zugewandt und fürsorglich gestalten. Wenn wir diese Qualitäten der bewussten Fokussierung der Aufmerk-‐samkeit und der offenen, nicht-‐abwertenden Haltung immer wieder verkörpern, um sie miteinander und mit den Kindern zu kultivieren, dann, so zeigen wissenschaftliche Studien aus unterschiedlichen Ländern, gelingt es zunehmend, Stressbelastungen zu reduzieren, physiologische und psychi-‐sche Prozesse von Selbstregulation, Erholung und Gesundung anzuregen, Schulrätin Daniela Körber Schulamt der Stadt Solingen
geistige Konzentration und Leistungs-‐fähigkeit zu stärken, Impulskontrolle und emotionale Regulation gesundheits-‐ und beziehungsfördernd zu nutzen sowie Kreativität und interkulturelle Kompetenz zu fördern. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen mit Ihren Schülerinnen und Schülern viel Freude bei der Umsetzung der hier folgenden Übungen und hoffen, dass Sie gleichermaßen wie die Kinder gesund-‐heitlich und sozial profitieren. Eine gesunde Schule für alle Beteiligten liegt uns am Herzen. Deshalb haben unsere Arbeitsgruppen in Solingen und Essen gemeinsam viel Energie, Freude, Zeit und Kreativität in dieses Projekt investiert und freuen uns sehr, wenn Sie sich hiervon inspiriert fühlen. Prof. Dr. Gustav Dobos Klinik und Stiftungslehrstuhl für Natur-‐heilkunde und Integrative Medizin, Universität Duisburg-‐Essen
Schatzkiste – Achtsamsein
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Da ist zunächst unser Körper mit seinen Sinnesorganen, dann haben wir die Gefühle, die sich in unserem Körper und Geist regen und bewegen. Darum nennen wir sie auch E-‐motionen. Im Geist, dem nächsten Aspekt, erschei-‐ nen uns beinahe ständig Gedanken, Worte, Erinnerungen, Vorstellungen, Bilder, Töne und ebenfalls beinahe ständig kommentiert und bewertet unser Geist uns selbst, was wir denken und erleben sowie die Menschen und Dinge um uns. Ebenso gehören unsere sozialen Beziehungen zu uns wie auch die Orte, Räume und die Natur, die uns umgeben und leben lassen. Eine noch weitere Umgebung, die uns prägt, besteht aus den Bereichen, die über unsere unmittelbar persönlichen Belange hinausweisen.
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Diese trans-‐personalen, politischen, philosophischen und spirituellen Themen und Fragen gehören ebenfalls zu unserem Leben. Wenn es uns gelingt, eine Haltung zu kultivieren, die versucht, alle unter-‐schiedlichen, für uns zum Teil auch wider-‐sprüchlichen und unverständlichen Meinungen und Erscheinungen als integrale Bestandteile des Menschseins zu begreifen, erleben wir uns und die Welt vielleicht hin und wieder als große lebendige, sich ent-‐wickelnde Einheit des Gewordenseins und Werdens. Dieses Buch möchte unterstützen und inspirieren, Friedlichkeit und Fürsorge mit uns, mit einander und der Erde zu ent-‐wickeln. Denn wer weiß, ob es noch irgendwo im Universum so wundersame Wesen wie uns und so lebensfreundliche Planeten gibt, wie unsere schöne Erde?
Viel Freude damit! Nils Altner
Wir Menschen als staunende Zwiebeln
Ist es nicht ein Wunder, dass unser Herz warm und lebendig schlägt? Wir leben – wie unglaublich! Dabei ist jede und jeder von uns ist ein erstaunliches, einmaliges und unteilbares Ganzes. Darum sprechen wir voneinander auch als “In-‐dividuen”, den Nicht-‐Teilbaren. Zugleich lassen sich aber verschiedene Aspekte unseres Menschseins beschreiben. Stellen wir uns diese Aspekte einmal wie eine Zwiebel mit vielen Schichten vor:
Und wenn wir in klaren Nächten staunend in den Sternenhimmel schauen, dann schaut sich das Universum mit unseren Augen selber an und staunt über sich mit unseren Herzen.
Schatzkiste – Achtsamsein
Inhaltsverzeichnis !. Moment mal… Innehalten und zu uns kommen .…………………………………………. + !. In Körper und Atem unser Zuhause finden .………………..…………………………….. $% !. Wie wir wahrnehmen .………………..…………………………………..….…………………. $% !. Bewusst fühlen und denken ………………..……………………….…………..………..…. $% !. Berührende und nährende Beziehungen pflegen ……………..…………..………..…. *+ !. Die Welt in uns – wir in unserer Welt ……………..…………..………………………...…. $% !. (Im) Wandel sein und Ent-‐Wicklung zulassen ……………..………………..………..…. *+ !. Das Leben feiern! ……………..…………..………………………………………………....….. !"
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge zieh´n. Ich werde den letzten vielleicht nicht
vollbringen, aber versuchen will ich ihn! Rainer Maria Rilke
Schatzkiste – Achtsamsein
Moment mal… Innehalten und zu uns kommen
Wenn wir achtsam innehalten, schenken wir Aufmerksamkeit, Zeit und Zuwendung dem, was jetzt in uns und um uns da ist. Wenn wir achtsam innehalten, ermöglichen wir genau das, was uns im Alltag oft fehlt: sinnenvolle Präsenz im gegenwärtigen Augenblick mit einer offenen, wertschätzenden und gelassenen Haltung. Wenn wir in diesem Sinne uns, unsere KollegInnen und die Kinder immer wieder einladen, in unserem TUN innezuhalten, um die Aufmerksamkeit zu sammeln und zu konzentrieren, um bei uns zu SEIN, dann spüren wir uns selbst und einander. So lernen wir uns mit der Zeit immer besser kennen! Je häufiger wir innehalten und uns bewusst konzentrieren, desto besser werden wir darin. Und je besser wir uns spüren und kennen, desto leichter fällt es zu wissen, was uns jetzt gut tut. Auf diesem Weg lernen wir, gut auf uns selbst, gegenseitig auf einander und auf unsere Lebenswelt zu achten. In diesem Buch findest du eine Sammlung von Anregungen und Übungen, mit denen du im (Schul-‐) Alltag dich, die Kinder und KollegInnen immer wieder einladen kannst zum Innehalten, Spüren und fürsorglich sein. Von ganz kurzen Konzentrations-‐ und Wahrnehmungsanregungen reicht die Sammlung bis zu längeren Projekten. Los geht´s!
Innehalten und SEIN
Kapitel 1
Schatzkiste – Achtsamsein
Wenn wir in der Lage sind, seine Weisheit zu erkennen,
dann ist der Körper der beste Lehrer und ein verlässlicher
Führer auf unserer Reise. Reginald Ray
Im Körper und Atem unser Zuhause finden Unser Körper ist das Geschenk, das wir bei unserer Empfängnis empfangen, der Ort unseres Lebens. Lernen wir ihn kennen mit all unseren Sinnen, bewohnen wir ihn. Machen wir ihn zum sicheren Ort, der uns auch in den Stürmen des Lebens ein sicheres Zuhause ist. Hierher kehren wir mit unserer Aufmerksamkeit immer wieder zurück, um uns zu besinnen, zu “er-‐innern”, zu entspannen und erholen. Während unsere Empfindungen, Gedanken und Gefühle sich ständig ändern wie das Wetter, sind wir oft “außer uns”. Im Körper können wir wirklich zur Ruhe und zu uns kommen.
Kapitel 2
Schatzkiste – Achtsamsein
Der Mensch sei die Atempause zwischen dem Ewigen und dem
Strömen der Zeit. Pico della Mirandola
Unser Atem Unser Atem fließt in einem ganz persönlichen Rhythmus. Er bestimmt und spiegelt wider, wie wir uns fühlen, wie konzentriert, angespannt oder wohlig wir grade sind. Dabei gilt: je gestresster wir werden, desto flacher und schneller geht unser Atem. Ein langer, tiefer Atemzug wendet unsere Stressreaktionen in Richtung Entschleunigung, Entspannung und Erholung. Und, da wir unseren Atemfluss sehr leicht bewusst gestalten können, ist der Atem unsere wichtigste Einflussmöglichkeit auf unseren Spannungs-‐ und Erholungszustand.
Lade die Kinder ein, maximal so viele Minuten lang, in den Ruheübungen zu verweilen, wie sie Jahre alt sind. D.h. achtjährige Kinder können sich z.B. in der Regel gut auf eine Meditation einlassen, die maximal etwa acht Minuten dauert. Übungen in Bewegung mögen die meisten Kinder auch für längere Zeit. Frag sie und vertraue deinem Gefühl!
Als Faustregel für die Länge vieler achtsamer Übungen gilt:
Schatzkiste – Achtsamsein
Wie wir wahrnehmen Wir nehmen die ganze Zeit, unser ganzes Leben lang wahr, -‐ sogar im Traum. Dabei wird unsere Aufmerksamkeit meist von äußeren Ereignissen oder auch von Ereignissen aus unserem Inneren angezogen. Das, worauf unsere Aufmerksamkeit dann gerichtet ist, nehmen wir in unserem Gewahrseinsraum mit den Sinnen auf. Das ist dann unsere “Welt”. Wenn wir achtsam dafür sind, können wir dabei mitbestimmen, worauf wir achten wollen. Durch diese bewusste Wahl gestalten wir unsere Welt. In diesem Sinne sind wir durch achtsames Wahrnehmen schöpferisch.
Geschöpftes Leben Gott, der Schöpfer, schuf die Menschen
nach seinem Bilde: schöpferisch.
Am schönsten verkörpern wir das schöpferische Lebensprinzip dadurch,
dass wir selbst unser Leben gestalten.
Wenn wir bewusst und weise wählen, was wir wahrnehmen und “wahrgeben” wollen,
dann leben wir ein schöpferisch gestaltetes Leben.
Kapitel 3
Ja
Schatzkiste – Achtsamsein
1
Finde ein Klanginstrument mit einem langen Nachklang. Das können Zimbeln, Gongs, Klangschalen, -‐stäbe oder auch Smartfon Apps sein. 1x schlagen oder tönen lassen, dabei schließen sich die Augen oder du senkst den Blick. Deine Aufmerksamkeit richtet sich auf den Klang, zwei, drei Atemzüge lang.
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Dann lass den nächsten Klang mit dem Einatemzug zu dir kommen und begrüße ihn leise. Die Zimbeln mehrmals schlagen. Lass drei Atemzüge lag Stille sein oder länger Dann öffnen sich die Augen wieder. Zum Abschluss Recken, Strecken, Räkeln,wie es angenehm ist. Schön ist es, wenn die Kinder reihum, die Zimbeln oder den Gong selbständig tönen lassen.
Hören nach draußen und drinnen
Höre deinem Leben zu. Sieh das unergründliche Geheimnis, das es ist. In der Langeweile und dem Schmerz nicht weniger als in der Freude und im Glück. Fühle, rieche, schmecke dich zu seinem verborgenen Herzen hin. Genau betrach-‐ tet, ist jeder Moment entscheidend und das Leben selbst ist ein Geschenk.
Fredrick Büchner
Schatzkiste – Achtsamsein
Achtsam Essen
Nimm dir eine Rosine, Weintraube oder eine andere Frucht. Bemerke die Gewohnheit, sie gleich in den Mund stecken zu wollen und halte dich zurück. Schau dir erst einmal an, was genau du da in den Hand hältst. Was siehst du? Welche Farben, Formen, Größe? Reflektiert die Oberfläche das Licht! Scheint das Licht hindurch? Wie fühlt sich die Frucht zwischen deinen Fingern an? Glatt oder rauh? Gibt sie nach, wenn du drückst? Welche Tempe-‐ ratur hat sie? Und welches Gewicht? Wenn du sie am Ohr leicht drückst, hörst du etwas? Wie riecht sie? Wie fühlt sie sich an den Lippen an? Wie zwischen den Zähnen, und wie, wenn du sie mit der Zunge berührst? Noch nicht zubeißen! Beweg sie erst einmal eine Weile im oder am Mund hin und her. Was nimmst du wahr? Geschmack? Was schmeckst du im Vergleich zum Riechen? Temperatur? Oberfläche? Größe?.... Fließt der Speichel schon? Dann bereite dich auf das Beißen vor: schließ die Augen und spüre genau, wie deine Zähne die Frucht zerbeißen. Was bemerkst du beim Kauen? Wenn du die Frucht ganz geschluckt hast, was bleibt noch nach im Mund? Im Anschluss können wir sammeln, was wir gerade alles anders gemacht haben als sonst und was du dabei empfunden hast. Habt ihr Lust, euer Essen immer mal wieder so achtsam und intentiv zu erleben? Vielleicht während einer regelmäßigen “Klostermahlzeit”?
"Endlich musste ich mal nichts können. Ich durfte
einfach sagen, was ich denke und fühle, und das wurde
nicht direkt als richtig oder falsch bewertet."
Schülerin eines Gymnasiums nach dem achtsamen Essen
Schatzkiste – Achtsamsein
Bewusst fühlen und denken Unser Gehirn denkt fast immer, das ist seine Natur. Es erinnert sich, plant, phantasiert, hat Vorstellungen und Meinungen. Als Erwachsene ist unser Geist dabei jedoch die meiste Zeit mit Problemen beschäftigt. Über die zehntausende von Jahren unserer Entwicklung haben vor allem diejenigen von uns ihre Gene an die nächste Generation weitergegeben, die sich im Geiste mit Problemen beschäftigt haben. Der Neurowissenschaftler Rick Hanson nennt das den Klettverschluss-‐Effekt unseres Geistes: Schwieriges, Unangenehmes, Problematisches hält unser Denken fest. Zum Ausgleich ist es schön und sinnvoll, auch zu lernen, unseren Geist ganz bewusst dem Wunderbaren, Schönen und Einmaligen unseres Lebens zu öffnen. Und da unserer Aufmerksamkeit diese Eindrücke oft wie in einer Teflonpfanne durchrutschen, braucht es ein bewusstes Innehalten und den Geist darauf Ausrichten, um auch das Schöne und Wunderbare in uns zu spüren. Je öfter wir bewusst unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, desto besser gelingt uns das. Unser lebendiger Atem ist dabei ein guter Anker für bewusstes Aufmerksamsein.
Man ist eigentlich nur durch Nachdenken unglücklich.
Joseph Joubert
Wir fühlen den Schmerz, aber nicht die Schmerzlosigkeit; wir fühlen die Sorge, aber nicht die Sorglosigkeit,
die Furcht, aber nicht die Sicherheit. Arthur Schopenhauer
Kapitel 4
Schatzkiste – Achtsamsein
2
Der Affe bewegt sich flink. Er schaut wach, seine Augen blitzen voller Humor und Schalk. Mit seinem Rufen bringt er uns zum Lachen.
Wacher, humorvoller Geist, Sammlung & Konzentration
Feuer Herz-‐Dünndarm
Der Tiger bewegt sich katzengleich, kraftvoll, majestätisch und lautlos. Er kann furchterregend fauchen.
majestätischer Mut, im Fluss sein, Furchtlosigkeit, innere Wärme
Wasser Nieren-‐Blase
Die fünf Tiere Mit dem Verkörpern von Tierqualitäten in alten Qigong-‐Übungen aus China können wir unser Achtsamsein fördern und bewusst positiven Einfluss auf die Gesundheit von Körper und Geist nehmen. siehe auch: Brunner R, Altner N (2004) Qigong in der Schule. Entspannung, Konzentration und Ruhe. Mülheim: Verlag an der Ruhr.
Der Bär steht schwer, fest und sicher. Seine Schritte setzt er hörbar und bestimmt. Sein Brummen ist tief und wohlig vibrierend.
Stabile Sicherheit, Vertrauen, harmonisiert Blutdruck
Erde Milz-‐Magen
Tier Qualitäten Element
stärkt Organkreise
Der Kranich steht sicher und voller Anmut. Er breitet seine Schwingen weit und leicht. Sein Ruf trägt weit.
sorglose Anmut, Selbstbewusst-‐sein, Präsenz, Gleichgewicht
Metall Lunge-‐Dickdarm
Der Hirsch ist der Meister des fliegenden Laufs, weil er blitz-‐schnell zwischen An-‐ und Entspannung wechselt. Wenn er röhrt, lauschen alle Tiere im Wald.
flexible Schnellkraft & Entspannung, Heiterkeit, „in Form bleiben“
Holz Leber-‐Galle
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Schatzkiste – Achtsamsein
Berührende und nährende Beziehungen pflegen Das Rad des Leidens anhalten Wenn die Wut, der Ärger oder die Trauer meines Gegenübers nicht automatisch auf meinen Geist überspringt, weil ich zwar mitfühle, aber nicht außer mir gerate, dann halte ich den uralten Kreislauf des Leidens an, weil ich die Erregung nicht weitergeben muss, wie eine ansteckende Krankheit. Dann ermögliche ich wahre Begegnung und lege die Basis für ein friedvolles Miteinander.
Kapitel 5
Gefühle erkennen ist sehr wichtig. Spürst Du, wie sich diese Personen gerade fühlen? Wie fühlt sich das in Dir an?
Schatzkiste – Achtsamsein
Achtsame Teamkultur
Vielleicht gelingt es, nicht nur mit uns selbst und den Kindern achtsam zu sein, sondern auch mit den KollegInnen. Stell dir vor, wie es wäre, wenn wir im Miteinander immer wieder gemeinsam Momente des Innehaltens und zu-‐uns-‐Kommens einlegten.
Wie es wäre, wenn wir einander bei Anliegen gegenseitig fragten, “Hast du mal einen Moment für mich?” und dann auch ehrlich antworten könnten, “Grad passt es mir gar nicht, aber vielleicht in einer Stunde?”.
Wie wäre es, wenn wir vereinbarten, in EInzel-‐ und Teambesprechungen auf einander abwertende Gesten, Worte, Augenverdrehen, Ignorieren etc. zu verzichten und statt dessen davon ausgehen, dass jede(r) potentiell wertvolle Beiträge zum Ganzen geben kann?
Wie wäre es, wenn wir unseren Umgang miteinander regelmäßig zum Gegenstand unserer gemeinsamen Reflexion und Gestaltung machten? Was täte dir und uns gut?
Schatzkiste – Achtsamsein
Natur unterm T-‐Shirt Wir Menschen leben als Lebewesen auf der Erde und trotz all unserer Erfindungen und Kultur, gehören unsere Körper und unser Geist auch zum Reich der Natur. In uns wirken Naturgesetze und uns geht es auf Dauer nur gut, wenn unser Leben natürlichen Rhythmen folgen kann: dem Wandel zwischen Bewegung und Ruhe, aktiv sein und uns erholen, lebendigem, knallbuntem, lauten Trubel und tiefer, wohltuender Stille, nach außen Tun und Machen, nach innen lauschen und Sein, Helligkeit und Dunkel, Wärme und Kälte, Essen, Sattsein, Verdauen, Nahrung, Bilder, Töne, Nachrichten in uns Aufnehmen und dann einen Weile ohne Input sein, damit wir spüren, was sich in uns regt. Die Natur beginnt direkt unter unserem T-‐Shirt. Lernen wir auf ihre Signale zu achten, Ihre Sprache zu verstehen, Damit wir gut für sie sorgen können in uns drin und um uns herum.
Die Welt in uns – wir in unserer Welt
...keine Freude kommt, kein Schicksal je von außen uns. Ins eigene Wesen müssen wir, vorsichtige Gärtner, lauschen,
bis von dort mit Blumenangesichtern neue Freuden wachsen, neue Kräfte.
Hermann Hesse
Kapitel 6
Schatzkiste – Achtsamsein
„Der Wald gibt den Kindern Ruhe – hier sind sie freundlich miteinander.“
Solinger Lehrerin
Nutzen wir die Möglichkeiten, die wir haben, um mit den Kindern draußen zu sein. Green-time statt screen time! Die Hoffnung ist, dass wenn wir den Kindern Zeit in der Natur ermöglichen, sie einen Bezug zur lebendigen Welt entwickeln, der sie beruhigt, beglückt und stärkt. Nur wenn die Kinder eine emotionale Beziehung zur Natur in sich selbst und um sie herum haben, können sie ihre fragile Verletzlichkeit und zugleich ihre wunderbare Fähigkeit zur Selbstregulation fühlen. Aus dieser verkörpert empfundenen Verbundeneit mit dem Natürlichen kann das Bedürfnis erwachsen, sich auch für dessen Pflege und Erhalt einzusetzen. Und je mehr Menschen dafür aktiv werden, desto größer wird die Chance, unsere lebendige Erde doch noch zu erhalten.
Setzen wir uns dafür ein, dass die Kinder wieder Buden in den Parks und Wäldern bauen!
Verbinden wir, wenn es geht, Unterricht mit dem Leben im Park, in den Gärten oder dem Wald um die Ecke! Begrünen wir den Schulhof und legen Schulgärten an! Suchen wir Kontakte zu Urban Gardening Gruppen und den http://www.transition-initiativen.de.
Was geschieht, wenn wir die Kinder für eine Weile im Wald, im Park oder am Bach s e i n lassen?
Schatzkiste – Achtsamsein
(Im) Wandel sein, Entwicklung zulassen Neue Wege finden und gehen Jeden Tag gehen wir dieselben Wege. Das ist praktisch, weil wir meinen, da schon alles zu kennen und wir nicht mehr auf die Kleinigkeiten am Wegesrand achten müssen. Wenn du Lust hast, geh mal deine Wege anders. Lass dich führen und geh deinen gewohnten Weg rückwärts, oder/und geh ihn mit (fast) geschlossenen Augen. Tue so, als kämst du von einem anderen Planeten und sähest diese Erde zum allerersten Mal. Finde deine Wege neu! Was bemerkst du? Wie fühlst du dich dabei?” Bemerke die kleinen und großen Veränderungen auf deinem Weg von Tag zu Tag, von Jahreszeit zu Jahreszeit, Jahr zu Jahr. Male, spiele, tanze sie. Mach dazu eine Materialsammlung des Wandels oder eine Fotoausstellung.
Verwechsle Gewohnheit nicht mit dem,
was natürlich ist. Mahatma Gandhi
Kapitel 7
Schatzkiste – Achtsamsein
Das Leben feiern!
Kapitel 8
Ja
Ja Lass dich fallen,
lerne Schlangen beobachten, pflanze unmögliche Gärten. Lade jemanden Gefährlichen zum Tee ein. Mache kleine Zeichen, die „Ja“ sagen, und verteile sie überall in deinem Haus. Werde ein Freund von Freiheit und Unsicherheit. Freu dich auf deine Träume. Weine bei Kinofilmen, schaukle so hoch, wie du kannst auf einer Schaukel im Mondlicht. Pflege verschiedene Stimmungen, verweigere dich dem “nur verantwortlich Sein“. Handle aus Liebe und Begeisterung. Glaube an Zauberei, lache eine Menge, bade im Mondlicht. Träume wilde phantasievolle Träume, lies jeden Tag. Stell dir vor, du wärst verzaubert, verbring deine Zeit mit Kindern, höre alten Leuten zu. Spiele mit allem, denn du bist unschuldig! Baue eine Burg aus Decken, schwimm in Flüssen, füttere Tiere, schreib Liebesbriefe und Gedichte, lass die Angst fallen.
nach Joseph Beuys
some people dance in the rain,
others just get wet Bob Marley
Schatzkiste – Achtsamsein
Es gibt vielerlei Lärm.
Aber es gibt nur eine STILLE. Kurt Tucholzky
STILLE ist die Sprache des Göttlichen, alles andere bleibt dürftige Übersetzung.
Jalaluddin Rumi
Schatzkiste – Achtsamsein
Vielen herzlichen Dank an alle beteiligten KollegInnen, SchulleiterInnen, Lehrerinnen und Lehrer, die sich mit Kopf, Herz und Hand haben inspirieren lassen und die ihrerseits die Kinder, uns und diese „Schatzkiste“ inspirieren. Besonderer Dank gilt Prof. Gustav Dobos, der Schulrätin, Daniela Körber, der Inklusionsbeauftragten, Birkhild Mahlendorf, den Schulleitern Claudia Bialowons und Peter Nink sowie den Lehrerinnen Karen Klever, Martina Ventker, Hilde Kornmüller-‐Martens, Renate Heck, Regina Luerweg, Melanie Speckheuer und vielen weiteren! Mara Erlinghagen hat das Projekt feinsinnig und tatkräftig mitgestaltet, Holger Cramer, Dennis Anheyer, Barbara Ebner und Teresa Bichler am Lehrstuhl für Naturheilkunde haben die Begleitevaluation konzipiert und umgesetzt. Danke für den gemeinsamen Weg zu einer Kultur der achtsamen und empathischen Zusammenarbeit! Informationen zum Landesmodellprojekt “GIK -‐ Gesundheit, Integration, Konzentration – Achtsamkeitsbasierte Stabilisierung und Stressbewältigung in den Solinger Grundschulen“ unter www.achtsamkeit.com/gik zur universitäts-‐zertifizierten MultiplikatorInnen-‐Weiterbildung „GAMMA -‐ Gesundheit, Achtsamkeit und Mitgefühl im menschenbezogenen Arbeiten“ an der Universität Duisburg-‐Essen unter www.achtsamkeit.com/gamma sowie www.uni-‐due.de/naturheilkunde/ Kontakt: Dr. Nils Altner nils.altner@uni-‐due.de