Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle ......ungeeignet, sagt der IOM-Chef in...

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Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit e.V. Rundbrief – Ausgabe 25 – Dezember 2020 Inhalt Lockdown.......................................................... 1 EU-Millionen für die Unmenschlichkeit..............2 Unsere Ausstellung in Aachen.......................... 4 Unsere Ausstellung in Bonn.............................. 4 Unsere Ausstellung in … .................................5 Was für ein großartiges Unterfangen!...............6 Ein Transport kommt selten allein..................... 8 Bericht aus Lesbos............................................9 Calais: Räumungen, Bootspassagen..............12 Interview: Kristina Koch...................................15 Beitrittserklärung............................................. 19 Impressum.......................................................19 Lockdown Rien ne va plus. Nichts geht mehr. Wir fahren alles runter? Das Aachener Netzwerk hat 2020 hoch gefahren. Zumindest teilweise. Bina Mira und Flame for Peace sind dem Virus zum Opfer gefallen. Aber sonst? Wir haben unsere Mitgliederzahl verdoppelt. Wir haben SOS Bihać mit über 50.000 € unterstützt, u.a. für einen VW Transporter, für einen Lada Niva, für eine Video-Kamera, für Lebensmittel, für Medikamente. Wir haben drei große Hilfstransporte nach Bihać organisiert. Wir haben eine Ausstellung konzipiert, erstellt, drucken lassen und auf die ersten Reisen geschickt. Unser Rundbrief feiert ein Jubiläum, im Internet sind wir super vertreten, unser Netzwerk wird nach außen wie nach innen immer dichter. Okay, genug des Eigenlobs. Was haben wir denn erreicht? Bihać, Lesbos, Mittelmeer, kanarische Inseln, Calais – hat sich irgendetwas verbessert im Jahr 2020? Ehrlich? Nein, leider nicht! Lest, was Dirk über Bihać schreibt, Patrick über Lesbos, Thomas über Calais. Da hat sich nichts verbessert. Leider. Und ich kann noch nicht mal sagen, dass Corona daran Schuld ist. Okay, Corona zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Von 2020 war nichts anderes zu erwarten. Aber 2021? Ich wage einen Blick in die Glaskugel: - Wir werden zusammen mit SOS Bihać den dortigen Menschen substantiell weiter helfen; sowohl den einheimischen wie denen auf der Flucht! - Wir werden mit unserer Ausstellung zeigen, was an den EU-Außengrenzen los ist. Wir werden es den Schüler*innen zeigen und den Politiker*innen – in Brüssel und anderswo. - Wir werden gemeinsam mit vielen befreunde- ten Organisationen Druck machen. Druck für Menschenrechte und Menschenwürde. Wenn ihr diesen Rundbrief lest, seht ihr, dass wir diesen Weg schon begonnen haben. Wir werden, ganz ehrlich, 2021 nicht an unser Ziel kommen. Aber wir werden ein gutes Stück weiter kommen. Dafür haben wir das richtige Team, dafür haben wir die richtigen Partner, dafür haben wir die richtigen Ideen! In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein erfolgreiches, produktives, friedliches Jahr 2021! Helmut

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Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe

und interkulturelle Friedensarbeit e.V.

Rundbrief – Ausgabe 25 – Dezember 2020

InhaltLockdown..........................................................1EU-Millionen für die Unmenschlichkeit..............2Unsere Ausstellung in Aachen..........................4Unsere Ausstellung in Bonn..............................4Unsere Ausstellung in … .................................5Was für ein großartiges Unterfangen!...............6Ein Transport kommt selten allein.....................8Bericht aus Lesbos............................................9Calais: Räumungen, Bootspassagen..............12Interview: Kristina Koch...................................15Beitrittserklärung.............................................19Impressum.......................................................19

Lockdown

Rien ne va plus. Nichts geht mehr.

Wir fahren alles runter?

Das Aachener Netzwerk hat 2020 hochgefahren. Zumindest teilweise. Bina Mira undFlame for Peace sind dem Virus zum Opfergefallen. Aber sonst?

Wir haben unsere Mitgliederzahl verdoppelt.Wir haben SOS Bihać mit über 50.000 €unterstützt, u.a. für einen VW Transporter, füreinen Lada Niva, für eine Video-Kamera, fürLebensmittel, für Medikamente. Wir haben dreigroße Hilfstransporte nach Bihać organisiert.Wir haben eine Ausstellung konzipiert, erstellt,drucken lassen und auf die ersten Reisengeschickt.Unser Rundbrief feiert ein Jubiläum, im Internetsind wir super vertreten, unser Netzwerk wirdnach außen wie nach innen immer dichter.

Okay, genug des Eigenlobs.

Was haben wir denn erreicht?

Bihać, Lesbos, Mittelmeer, kanarische Inseln,Calais – hat sich irgendetwas verbessert imJahr 2020?

Ehrlich? Nein, leider nicht!

Lest, was Dirk über Bihać schreibt, Patrick überLesbos, Thomas über Calais. Da hat sich nichts

verbessert. Leider. Und ich kann noch nicht malsagen, dass Corona daran Schuld ist.

Okay, Corona zieht alle Aufmerksamkeit aufsich. Von 2020 war nichts anderes zu erwarten.

Aber 2021? Ich wage einen Blick in dieGlaskugel:

- Wir werden zusammen mit SOS Bihać dendortigen Menschen substantiell weiter helfen;sowohl den einheimischen wie denen auf derFlucht!

- Wir werden mit unserer Ausstellung zeigen,was an den EU-Außengrenzen los ist. Wirwerden es den Schüler*innen zeigen und denPolitiker*innen – in Brüssel und anderswo.

- Wir werden gemeinsam mit vielen befreunde-ten Organisationen Druck machen. Druck fürMenschenrechte und Menschenwürde.

Wenn ihr diesen Rundbrief lest, seht ihr, dasswir diesen Weg schon begonnen haben.

Wir werden, ganz ehrlich, 2021 nicht an unserZiel kommen. Aber wir werden ein gutes Stückweiter kommen.

Dafür haben wir das richtige Team, dafür habenwir die richtigen Partner, dafür haben wir dierichtigen Ideen!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einerfolgreiches, produktives, friedliches Jahr2021!

Helmut

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Gemeinsame Pressemitteilung vom 15.12.2020

EU-Millionen für die Unmenschlichkeit

Letztes Flüchtlingslager soll geschlossenwerden - Menschen landen mit Winter-einbruch auf der Straße und in den Wäldern

Bihać / Bosnien. 1400 Flüchtlinge sind seit demSommer im Camp Lipa 30 Kilometer südlichvon Bihać untergebracht. Die InternationaleOrganisation für Migration (IOM) will das Campam 16. Dezember räumen. Das Lager auf demfreien Feld ist nicht winterfest und verfügt wederüber Strom- noch Wasseranschlüsse. Dasimprovisierte Zelt-Camp sei für dieUnterbringung von Menschen im Winter völligungeeignet, sagt der IOM-Chef in Bosnien,Peter van der Auweraert. Im Kanton rund um Bihać gab es bis EndeSeptember fünf Camps, die alle von der IOMbetrieben wurden. Zuerst wurde das größteCamp (Bira) mit einer Kapazität von etwa 2000Menschen von der Stadt geschlossen. DasMiral-Camp in Velika Kladusa wird immerleerer, weil die bosnischen Behörden neueAufnahmen verhindern. Sollte Lipa amkommenden Mittwoch, wie zu befürchten,tatsächlich ebenfalls geschlossen werden, gibtes im gesamten Kanton nur noch zwei kleineCamps mit einer Kapazität von zusammen 800Menschen. Diese sind Familien und alleinreisenden Minderjährigen vorbehalten. Insgesamt werden dann ab kommendenMittwoch mindestens 3500 Flüchtlinge undMigranten in den Wäldern und Ruinen in undum Bihać versuchen, die Winternächte zuüberleben.

Das ist umso unverständlicher, wenn man weiß,wieviel Geld die EU im Blindflug an die IOM und

an die Regierung in Sarajevo „überwiesen hat“.Nach unseren Recherchen geht es dabei alleinfür die IOM seit 2018 um 85,5 Millionen Euro fürMigrationsmanagment in BiH, „einschließlich10,3 Millionen Euro für humanitäre Hilfe“. 25Millionen Euro davon sind im Oktober zugesagtworden und sollen in Kürze fließen. 25 MillionenEuro für den Betrieb von zwei kleinen Familien-camps in Bihać und zwei weiteren etwasgrößeren Camps für Männer in Sarajevo! MehrCamps hat die IOM ab Mittwoch in BiH nämlichnicht mehr. Quelle für diese Summen ist Oliver Varhelyi,EU-Kommissar für Erweiterung und Nachbar-schaftspolitik. Varhelyi ist der Vertreter Ungarnsin Brüssel. Hinzu kommen seit 2016 insgesamt552,1 Millionen Euro bilateraler IPA-Mittelzuwei-sungen (Vorbeitrittshilfen, durch die Reformenvon EU-Beitrittskandidaten gefördert werdensollen) an die Regierung in Sarajevo. Da der Kanton Una Sana mit der Stadt Bihaćdie Hauptlast der Flüchtlingskrise in BiH trägt,haben wir über ein Abgeordnetenbüro bei derEU-Kommission angefragt, wieviel von denMillionen nach Bihać geflossen ist. Die Antwortist eine Lüge. „Natürlich“ und „insbesondere“würden EU-Mittel nach Bihać gehen. „SeitBeginn der Krise ist kein einziger Cent von derRegierung in Sarajevo nach Bihać geflossen,um die Stadt zu unterstützen“, sagte erstgestern Bihaćs Bürgermeister Surhet Fazlic imGespräch mit SOS Bihać. Außerdem habe dieKantonalregierung vorgeschlagen, das Lipa-Camp mit vorhandenen Wohncontainern ausdem leerstehenden Bira-Camp winterfest zumachen. Die IOM habe nicht reagiert, so Fazlic.Seit nunmehr 1½ Jahren arbeiten das AachenerNetzwerk und SOS Bihać partnerschaftlichhumanitär in Bihać und im Kanton. Das etwa 30Mitarbeiter starke Team in Bihać arbeitetehrenamtlich, ebenso die Mitarbeiter inDeutschland, Österreich und der Schweiz. Diegesamte Hilfe wird durch private Geld- undSachspenden finanziert. Vollkommen unver-ständlich ist also, dass sich ausgerechnet derungarische EU-Kommissar Oliver Varhelyi inseinem Antwortschreiben darauf beruft, dass jahumanitäre Nothilfe geleistet werde: „Für die-jenigen, die unter ungeeigneten Bedingungenaußerhalb der Aufnahmeeinrichtungen über-nachten müssen, wird Hilfe geleistet, indemtrockene Nahrungsmittel, Schlafsäcke, warmeKleidung und erste Hilfe angeboten werden“.Diese Arbeit wird durch die mobilen Teams von

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SOS Bihać durchgeführt. Zwar sind auch dieIOM und DRC (Danish Refugee Council) mobilunterwegs. „Doch ein Großteil dieser Arbeit wirdvon unserem Partner SOS Bihać durchgeführt.Wenn die EU-Kommission sich anteilig aufunsere Arbeit beruft, dann sollen sie auch dafürbezahlen. Wir fordern finanzielle Unterstützungfür SOS Bihać“, so Helmut Hardy, Vorsitzenderdes Aachener Netzwerkes für humanitäre Hilfeund interkulturelle Friedensarbeit e.V. Erst vorwenigen Tagen hatte die Lagerleitung desCamps Lipa, das von der millionenschwerenIOM geführt wird, erneut unsere Hilfe ange-fordert. Es fehlten trotz der Millionenzahlungendurch die EU 600 Decken, die SOS Bihać sofortgeliefert hat. Entsprechende Bitten um Hilfeseitens der IOM kommen regelmäßig undwerden im Sinne der Humanität nach unserenKräften bedient. Fehlen z.B. Decken,(er-)frieren Menschen. Offensichtlich kümmert sich die EU-Kommission nicht darum, was mit ihren Gelderngeschieht, die an die IOM oder die Regierung inSarajevo geschickt werden. Das, obwohl mansich auf die Einsetzung eines EU-Koordinatorsberuft. „Wenn in diesem Winter Menschen in denWäldern Bosniens und den Ruinen erfrierenoder an Unterversorgung sterben, dann trägtdie EU-Kommission die Schuld“, erklärt derVorsitzende der bosnischen HilfsorganisationSOS Bihać, Zlatan Kovacevic. Es könne nichtsein, dass die EU-Kommission die Stadt Bihaćauffordere zu handeln und dadurch Leben zuretten. Die Kleinstadt habe alles Erdenklichegetan. Dafür stehe kein Geld mehr zurVerfügung. Das Geld liege in Sarajevo. Esstehe in der Verantwortung der EU, Bihać beidieser Aufgabe zu helfen. Das werde jedochnicht getan. Zu der lebensbedrohlichen Situation derFlüchtlinge in den Wäldern kommen dieillegalen Pushbacks durch die kroatischePolizei. Diese werden mit unverminderter Bruta-lität täglich weitergeführt. Die mobilen Teamsvon SOS Bihać helfen und dokumentieren rundum die Uhr. Dafür stehen u.a. mehreregeländegängige Fahrzeuge und Transporter zuVerfügung. Seit kurzem steht ein angemietetesCargo-Lager in Bihać bereit. Regelmäßigkommen Hilfstransporte aus verschiedeneneuropäischen Ländern. SOS Bihać sitzt zudemauf Augenhöhe mit IOM und DRC im Krisenstabdes Kantons.

Außerdem versorgt SOS Bihać verarmtebosnische Familien, das Kinderheim Duga undseit kurzem eine weitere Kindereinrichtung inPrijedor in der sogenannten Republica Srbska.„Seit dem Krieg in Bosnien hat sich einentscheidender Punkt nicht verändert“, so DirkPlanert, Mitarbeiter des Aachener Netzwerksund SOS Bihać. „In Brüssel schaut man weg.Das planlose Schicken von Geld ist in einemkorrupten Land wie Bosnien nicht zielführend.Ganz offensichtlich tun eine Menge Leute ihreJobs nicht. Das ist mit der europäischenAbschreckungspolitik zu erklären. Die gegenMenschenrechte und EU-Gesetze verstoßendekroatische Grenzpolizei und ihre Knüppel undDrohnen zu finanzieren, sich aber gleichzeitigmit der Finanzierung von Hilfe für genau dieseOpfer zu brüsten, das widerspricht jeder Logikund hat mit den europäischen Werten rein garnichts zu tun.Wir fordern von der EU-Kommission und demmitverantwortlichen ungarischen EU-Kommissar Oliver Varhely: • Sofortige Beendigung illegaler Pushbacksdurch Kroatien und eine sofortige Beendigungder systematischen und organisierten Gewaltund Folter gegen Flüchtlinge durch kroatischeGrenzpolizisten. Abschaffung der Spezial-einheit, die auf Gewalt gegen Flüchtlinge„spezialisiert“ ist und Ermittlungen gegen derenMitglieder, die nicht von Kroatien selbst geführtwerden dürfen.• Sofortige finanzielle Unterstützung der StadtBihać und des Kantons Una Sana für dieVersorgung und Unterbringung von Flücht-lingen.• Die Aufnahme mindestens von besondersschutzbedürftigen Flüchtlingen in der Europä-ischen Union und deren Verteilung auf ver-schiedene EU-Staaten, in denen die Menschen-rechte eingehalten werden.• Sofortige finanzielle Unterstützung derhumanitären Arbeit von SOS Bihać!

Zlatan Kovacevic, Vorsitzender SOS BihaćHelmut Hardy, Vorsitzender Aachener Netzwerk

Dirk Planert, SOS Bihać, Koordinator DeutschlandArye Wachsmuth, SOS Bihać, Koordinator Österreich

Sascha Severa, SOS Bihać, Koordinator Schweiz

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Unsere Ausstellung in Aachen

Hin und her – her und hin. Corona machte dieAusstellung in Aachen schwierig. GroßeEröffnung mit vielen Gästen, u.a. aus dem EU-Parlament? Unmöglich! Kleine Eröffnung mitMusik und Oberbürgermeisterin? Abgesagt!

Schließlich wurde es mehr eine Presse-konferenz mit Rundgang und musikalischerBegleitung von HeJoe. Ein schöner Zeitungs - artikel war die einzige Werbung.

Gerne gehört hätten wir die Moria-Version von„Was zählt für dich“ von Christina Lux. Nichtsehen konnten wir die beiden Statements derbeiden EU-Parlamentarier Dr. Dietmar Kösterund Daniel Freund. Aber immerhin sind sie ineinem kurzen Film zu sehen, den Tom gemachthat!Nur wenige Zuschauer durften die Ausstellungsehen. Was ist möglich? Wie können wir etwasmöglich machen?

Schulen scheinen der einzige Weg zu sein...

Unsere Ausstellung in Bonn

Die Bertolt-Brecht-Gesamtschule Bonn(BBG) war die zweite Station unsererAusstellung „Menschenrechte an denAußengrenzen der Europäischen Union“.Mujo Koluh ist Lehrer an der BBG – undMitglied im Aachener Netzwerk. Er berichtet:

Nachdem die Ausstellung Anfang November inder Aachener Citykirche ihre Premiere feierte,war die BBG Bonn die erste Schule, der dieses,wie der Gründer unseres Netzwerkes HeinzJussen sagte, „aktuell-wichtige Lehrmaterial“zur Verfügung gestellt wurde. Die Schulekooperiert seit Jahren mit dem AachenerNetzwerk. Damit startete die Ausstellung ihreReise an einem bekannten und befreundetenOrt. Und das war gut so! In den Tagen davorwurde den Lehrkräften umfangreiches Materialeingereicht, mit dem sie die Schüler*inneninhaltlich auf die bevorstehende emotionale undpolitische Herausforderung vorbereitenkonnten. Am Anfang des dreiviertelstündigenBesuches wurde jede Klasse bzw. jeder Kursunter anderem über die Entstehung undUmsetzung der Idee und die Intention derAusstellung in Kenntnis gesetzt, was sich imNachhinein als sehr hilfreich erwiesen hat. AmEnde fand auch eine Nachbesprechung undFragerunde statt. Vom 30. November bis zum11. Dezember wurde die Ausstellung von mehrals zwanzig Klassen bzw. Kursen der Jahr-gänge 8 bis 13 besucht.

Die lichtdurchflutete Aula zeigte sich wiegeschaffen für die Aufstellung der 25 Rollups.Die räumliche Trennung und die gleichzeitigeNähe der Aula zum Hauptgebäude der Schuleerweckten den Eindruck, dass man mit den

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Klassen jedes Mal aufs neue in eineKunstgalerie geht…! Von diesem Eindruck hatman sich leider schnell verabschieden müssen.

Die Schüler wurden mit jedem weiteren Rollupstiller und nachdenklicher. Dennoch verspürteman förmlich, wie sich die Räume schnell mit„Empathie-Aerosolen“ füllten. Unser aller„Probleme“ waren in dem Moment „ad acta“gelegt. Trotz der Abstandsregelung rückten dieSchüler*innen näher zusammen und suchtenden Augenkontakt, als ob sie den damitausgelösten Vorstellungen entfliehen wollen!

Auf die Frage, ob sie ihre Gefühle, Fragen,Meinungen vielleicht aufschreiben möchten,kam eine mehr als deutliche Antwort. MehrereHundert Zettel wurden anschließend abge-geben. Mehrere Schüler*innen gingen mit ver-schiedenen Kursen zwei Mal an verschiedenenTagen in die Ausstellung und beide Malewurden Zettel abgegeben! Die Form und Größeder Zettel ist so unterschiedlich wie die Kinderund Jugendlichen selbst. Der Inhalt einheitlich,gefühlvoll, aber auch energisch, fragend,fordernd! Der häufigste Satz, der zu hören war:„Es muss sich doch was ändern!?“

Und wie das so oft am Ende eines solchenEreignisses passiert, flossen am 10. Dezember,dem Internationalen Tag der Menschenrechte,auch die Tränen. Vielleicht auch deswegen,weil wir alle, wie die Geflüchteten, auch einRecht zu weinen haben. Damit haben sie

wenigstens ein Recht, das man ihnen nichtverweigern kann! Damit hört unsere rechtlicheGemeinsamkeit aber auch auf. Nachdem sichdie sechs „Tränen-schuldigen“ Abiturien-ten*innen sehr emotional für die Ausstellung beiallen Mitwirkenden bedankt und ganzentschlossen mitgeteilt haben, dass sie auchkonkret im Netzwerk anpacken möchten, weildie letzten Tage „deren Leben bzw. Denkweiseverändert haben“, blieben auch die Augen desVerfassers nicht mehr trocken! Dank der Maskegeriet der „Vorfall“ aber nicht außer Kontrolle.Abschließend kann man die erste Station derReise als einen Erfolg bezeichnen und allenfolgenden Stationen und uns allen das Gleichewünschen!

Mujo Koluh

Unsere Ausstellung in …

Es ist schwer zu sagen, wie es genau weitergeht. Es ist kaum verantwortbar, die Aus-stellung öffentlich größeren Gruppen verfügbarzu machen. Geschlossene Gruppen wie Schul-klassen bilden hier eine Ausnahme. Weitergehen soll es in Schulen in Wuppertal, BergischGladbach, Remscheid und wieder Bonn. DieTermine sind allerdings, Lockdown-bedingt,auch hier sehr schwierig zu planen.

Interessierte Schulen können sich gerneunverbindlich bei uns „auf die Liste setzen“lassen. Informationen gibt es auf unsererWebseite und per eMail [email protected]

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Was für ein großartiges Unterfangen!

Ich staune immer noch überdas, was Menschen in kurzerZeit bewegen können.Gemeint ist ein prall gefüllterLKW mit Spenden von Aachennach Bihać. Um Missver-ständnissen vorzubeugen: wir

haben den mit 7 Tonnen Hilfsgütern beladenenBrummi nicht nach Bosnien geschoben,gefahren wurde er von einem Fahrer der FirmaCelebic. Was mich vielmehr und inaußerordentlichem Maße begeistert hat, wardie gigantische Bereitschaft so vieler Menschenund Organisationen, Spenden zur Verfügung zustellen, beim Packen und Räumen zu helfenund diesen Hilfstransport für die Geflüchteten inBihać zu ermöglichen.

Als wir am 12. Oktober die Nachricht aus Bihaćbekamen, dass Schnee gefallen war und dieKälte den Geflüchteten an den Außengrenzenzunehmend zu schaffen machte, ermutigte unsHelmut zum 4. Hilfstransport nach Bihać. Ausmeiner Perspektive als Beobachterin war dasUnterfangen von Beginn an ein logistischesMeisterstück. Mich beschlichen Bedenken,obwohl ich eigentlich meist positiv an die Dingeherangehe. Es war die Komplexität derEreignisse, die mich schon zu Beginnwankelmütig werden ließen. Wir standen kurzvor neuen „Corona-Einschränkungen“ undsomit vor vielen unberechenbaren Begeben-

heiten. Zudem beschäftigten uns die Vorberei-tungen zur Ausstellung „Menschenrechte anden Außengrenzen der Europäischen Union“.Mir wurde erst recht mulmig, als unserNetzwerk durch die Aufrufe zum Spenden zuwachsen begann und das eingetroffeneMaterial unseren Lagerraum im BosnischenKulturverein sprengte. Glücklicherweise durftenwir unseren Aufbewahrungsbereich erweitern.Danke an dieser Stelle an den BosnischenKulturverein! Das ganze Unternehmen wurdefür mich als Betrachterin zu einem logistischenZauberwerk - nicht aber allein zu einemZauberwerk, sondern auch zu einem Lehrwerk,denn gelernt habe ich, dass man um etwas zubewegen an die gute Sache glauben und dieDinge anpacken muss. Ich bin begeistert,welche Hilfsbereitschaft und Einsatzkraft dieses„Rheinländische Vertrauen“ ausgelöst hat.

An dieser Stelle möchte ich Helmut, unseremVereinsvorsitzenden, ein riesengroßes Danke-schön sagen: „Helmut, das war wirklichgroßartig! Danke für deine Tatkraft und deineZeit, die du der Sache widmest. Mit deinemDurchhaltevermögen und deinen breitenSchultern gibst du uns die Zuversicht, dass dieProjekte gelingen!“

So, das musste mal gesagt werden!!!

Vor dem Sortieren

Ermöglicht wurde durch den Einsatz vielerverschiedener Hilfen, dass am Ende der Aktionvor der Einfahrt des Bosnischen Kulturvereinsein bis unters Dach beladener LKW mit 672Kartons sowie 10 Big Bags Hilfsgütern an Bordstand, der sich mit der Spedition der FirmaCelebic in Richtung Bosnien aufmachte undzwei Tage später den Zielort Bihać erreichte.

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Zlatan Kovacevic (SOS Bihać) informierte unsglücklich, dass der LKW mit der wertvollenFracht nach langen 1300 km Fahrt wohl-behalten angekommen sei und auch er findetvertrauensvolle Worte und denkt gleichzeitigbereits an seine nächste Aufgabe: „Auf unsereAachener Freunde ist immer Verlass. AmWochenende werden wir die ersten Winter-jacken und Schlafsäcke verteilen. Hier sollkeiner erfrieren.“ Zlatan weiß, wie groß die Notder Geflüchteten ist, die entlang der bosnischenGrenze versuchen, einen Weg ins so nahegelegene Europa zu finden. Er arbeitet in Bihaćvor Ort und setzt sich täglich mit Leib und Seelefür die Notleidenden und Bedürftigen ein. Ervertraut auf das Aachener Netzwerk, auf unsereHilfe und unsere Unterstützung, auf die er beiseinem Engagement angewiesen ist. Undgerade, weil es so wichtig ist, verlässlich zubleiben, blicke ich vor jedem geplanten Hilfs-transport angespannt auf das, was unserwartet.

Abfahrbereit in Wuppertal-Cronenberg

Wir haben es also auch dieses Mal wiedergeschafft und ich kann sagen: „Schön, Mitgliedin einem Verein zu sein, in dem selbst diekleinen Leistungen Großes bewirken.“

Keine kleine Leistung erbrachte Ralf, der7 weite Fahrten mit seinem Berlingo unter-nommen hat, um Hilfsgüter aus allen möglichenOrten in Deutschland abzuholen. Ein beson-deres Dankeschön deshalb auch an dich, Ralf!

Wir konnten die großen Spendenmengen unddas Sortieren, Verpacken, Katalogisieren undEntsorgen von Altpapier nur bewerkstelligen,weil so viele fleißige Unterstützer*innenmitgewirkt haben. Danke an Eva und Felix, dieihre Corona-bedingt freie Zeit sinnvoll nutzen

wollten, Danke auch an Sarah und unser neuesMitglied Tento, die tatkräftig ihren Einsatzfanden, an Eyad, Khedr, Mohammed undYamen, die selbst vor gut 5 Jahren über dieBalkanroute nach Deutschland kamen, Dankean Hicham, der immer parat steht, wenn seineHilfe gebraucht wird und seine vielen Kontaktenutzt. Er vermittelte uns 10 Euro-Paletten derFirma Lando (einer Tochterfirma von Hammer).

Ein Teil ist schon versandfertig

Danke auch an Björn, Christian, Giana, Lisa,Thomas und an Heinz, unser Gründungs-mitglied, der den Verein schon seit so vielenJahren unterstützt, Danke an die Firma BerndtDeubner Baumaschinen und -gerät GmbH undCo, die uns 7 Paletten und 3 Big Bags schenktesowie den Gabelstapler und einen Fahrer dafürzur Verfügung stellte, an den Spediteur ZaimCelebic, der alle Eventualitäten einplante. Einherzliches Dankeschön an die vielenSpenderinnen und Spender der gut erhaltenenKleidung, an alle Vereine und Firmen, wieHermine e.V., der u.a. 500 fabrikneue Schlaf-säcke gespendet hat, an die DüsseldorferFirma Yarn Studios, die uns fabrikneue Waregespendet hat, vermittelt durch Solingen hilft,an Kristina Koch und Willkommen in Nippes, andie Firma Bergans in Norderstedt, an unsereFreunde der Seebrücke Wuppertal, an dasDörper Bündnis für Flüchtlinge, an Kipepeo –fair und sozial e.V. aus Winterberg, an DanielaNeuendorf und die Refugees Foundation Kölnfür die gut erhaltene Winterkleidung, anChristian, der einen ganzen Anhänger gefülltmit gesammelten Sachen vorbeigebracht hat.Nicht vergessen möchte ich die FlüchtlingshilfeRuchheim aus Ludwigshafen, die eine Palette

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Verbandsmaterial beitrug - Material, das vor Ortso nötig gebraucht wird. Bestimmt habe ichjemanden vergessen, denn die Liste ist lang. Esfühle sich jeder, der etwas beigetragen hat,gewürdigt, auch wenn er oder sie keineErwähnung erfährt.

Erwähnen möchte ich aber auch diegroßzügigen Geldspenden, die ebenfalls einengroßen Beitrag zum Transport geleistet haben.

Mein letztes Dankeschön gilt Zlatan, den ichschon erwähnt habe, und den Menschen inBihać, die sich für die gute Sache einsetzen.Zlatan, ich hoffe, du findest die Zeit diesenRundbrief zu lesen .

Nun, meine Begeisterung über unser Zusam-menwirken ist unübersehbar. Es bleibt mir dieDaumen zu drücken und allen Menschen inBihać, die unter der Kälte und den schwierigenBedingungen leiden, zu wünschen, dass sieden Winter wohlbehalten überstehen.

Anke Langenberg

Ein Transport kommt selten allein

Das Aachener Netzwerk ist ein Netzwerk imdoppelten Sinn: Einerseits bilden die Mitgliederein Netzwerk, andererseits ist der Verein selbstTeil eines Netzwerk von Vereinen und Orga-nisationen, die sich gegenseitig unterstützen.Und so kam und kommt es zu einigen Trans-porten mit Netzwerk-Beteiligung außerhalb vonAachen:

- Mitte November waren es gut 2 Tonnen Hilfs-güter, die unser Mitglied Sigrid Wittl mit demSpendendepot Zürich und unserer Unter-stützung nach Bihać brachte.

- Mitte Dezember kam der Transport unseresWiener Mitglieds Arye in Bihać an. Die Warensammelten SaveXHumanrights und We Help!

- Kurz vor Weihnachten bringt der KölnerSpenden konvoi 15 Paletten auf den Weg,darunter 640 Paar Schuhe, die dem AachenerNetzwerk gespendet wurden.

- Rund um den Jahreswechsel ist noch einTransport von Dresden aus geplant.

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Bericht aus Lesbos

Nachdem das größte Flüchtlingslagers Europasam 09.09.2020 vollständig abgebrannt ist,mussten mehr als 10.000 Menschen 8 Tagelang auf einer abgesperrten Straße zwischenMytilini und Thermi auf Lesbos leben. Rechtsund links auf dem ca. 2,5 km langenStraßenabschnitt waren jeweils 4 Checkpointsvon der Polizei und dem Militär errichtetworden. NGOs, Ärzt*innen und Journalist*innenwar es nicht erlaubt die gesperrte Zone zubetreten, um die schutzsuchenden Menschenzu versorgen. Selbst „Ärzte ohne Grenzen“musste illegal ein medizinisches Versorgungs-zentrum, innerhalb des gesperrten Bereichs,errichten.

Kurz nach dem Brand wurde der Notstand aufder Insel ausgerufen. Als besonders prekärstellte sich heraus, dass die Menschen nicht mitausreichenden Lebensmitteln vom Militärversorgt worden sind. Die NGOs, welche inengem Kontakt mit den Geflüchteten standen,wurden von ihnen darüber informiert, dass esan dem Nötigsten fehlt, wie Babymilch,Babynahrung, Wasser, Medikamente oderWindeln. Es gab weder ausreichend Lebens-mittel noch sanitäre Anlagen noch einen Schutzvor Covid 19. Mindestens 3.000 Kinder lebtenzu diesem Zeitpunkt mehr als 8 Tage auf derStraße, nachdem sie einem Feuer entkommenwaren. Die Menschen begannen dieBewässerungsschläuche der Bauern für derenOlivenfeldern anzuritzen, um den notwendig-sten Wasserbedarf zu decken. Magenprobleme

und Durchfall waren die Folge. NGOs undÄrzt*innen verschafften sich über unwegsamesGelände Zutritt zur Straße und konnten so einekleine Anzahl an Bedürftigen mit dem Notwen-digsten versorgen, jedoch war es nie genug.

Man hat die Menschen in der Zone mit sowenig Lebensmitteln wie möglich versorgt, umden psychischen Druck weiter zu erhöhen unddiese langsam ausbluten zu lassen, damit,wenn das neue Camp - Moria 2.0 - errichtet ist,sie kooperativ und ohne einen Aufstand folgenwerden.

Die Gegebenheiten im neuen Camp, welchesaus ca. 1.000 Sommerzelten besteht, sindkatastrophal und noch bei weitem schlechterals in Moria selbst. Das Camp wurde auf einerLandzunge direkt an der Küste errichtet und esgibt keinen Schutz vor dem starken Windentlang der Küste.

Zu Beginn, als ca. 9.000 Menschen im neuenCamp gelebt haben, gab es ca. 150 Dixi-Toiletten. Mittlerweile, ca. 10 Wochen später,sind es um die 400 Dixi-Toiletten für 7.700Menschen. Es gibt nur wenige Möglichkeitensich die Hände zu waschen, ohne Seife oderDesinfektionsmittel. Selbst nach 10 Wochengibt es noch keine Duschen in Moria 2.0.

Es wurden Bucket-Showers für die Menschenerrichtet, bei denen sie sich mit ihremmitgebrachten Wasser, es werden 15 Ltr.empfohlen, duschen können. Die Menschen,welche Zugang zu ca. 3-5 Liter Wasser am Tag

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haben, sollen also 15 Liter kaltes Wasser zumDuschen mitnehmen. Völliger Irrsinn!

Es bleibt zu sagen, dass sich viele Geflüchtetebereits selbst Bucket-Showers errichtet haben,die weit mehr Privatsphäre bieten.

Möchte man bewusst die Situation und dieStrukturen nicht verbessern? Dusch-Containermit Warmwasserboiler innerhalb Europas zuordern, sollte doch nicht die größte Schwierig-keit sein. Auf jeden Fall finden aktuell keineFestivals statt, wo diese unter anderem zumEinsatz kommen würden.

Nachdem das Camp eine Woche vonMenschen bewohnt war, wurde das ehemaligeMilitärgelände nach Munitionsresten undBlindgängern abgesucht, daneben standenKinder. Es kommen noch weitere belastendeFaktoren dazu.

Der Winter steht vor der Tür.

Die aktuell installierte Stromversorgung ist nurmangelhaft (pro Tag ca. 2-3 Stunden aktiv) undbringt bei Unwetter große Gefahren mit sich.

Dabei sprach doch die Kommissarin für Innereserst im September davon, dass es kein zweitesMoria mehr geben wird. Gleichzeitig errichtetensie Moria 2.0 und man stellt fest: Es ist nochschlimmer!

Aktuell steht das Camp unter Quarantäne. AuchHinsichtlich dieses Themas zeigt sich dervöllige Irrsinn der Situation. Wer keine Masketrägt, bekommt ein Bußgeld von 150 €.Selbstverständlich ist es wichtig eine Maske zu

tragen, jedoch erhalten die Geflüchtetenmonatlich nur 75 €. Zudem müssen bis zu 150alleinstehende Männer gemeinsam in einemgroßen Zelt schlafen. Während derEssensverteilung stehen mehr als 1.000Menschen dicht gedrängt mehrere Stunden ineiner Schlange. Das Bußgeld steht im Vergleichzu diesen Bedingungen in keinem Verhältnis.

Journalist*innen bekommen keine Genehmi-gungen, um die Bedingungen im neuen Campzu dokumentieren. Tagtäglich werden dieMenschenrechte in diesem Lager mit Füßengetreten. Doch wie soll man sie verteidigen,wenn keiner etwas von den Menschenrechts-verletzungen weiß?

Am 10. November 2020 erreichte ein Boot mit30 Geflüchteten die Küste von Lesbos. DerUNHCR wurde informiert und verhinderte nicht,dass die Menschen von der Polizei zurück aufein Boot gebracht wurden und von dergriechischen Küstenwache in türkischeGewässer gezogen wurden. All das konnte einGeflüchteter dokumentieren, dem es gelangsein Handy zu verstecken.

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Am 17. November 2020 erreichte ein weiteresBoot mit Geflüchteten im Norden von Lesbosdie Küste. Der UNHCR wurde erneut informiert,begab sich jedoch nicht vor Ort und ignorierteweitere Anrufe von Journalist*innen und NGOs.Journalist*innen waren schnell vor Ort, um denVorfall zu dokumentieren und einen Pushbackzu verhindern. Die Journalist*innen wurdenzunächst von der Polizei inhaftiert. Nachmehreren Stunden auf der Polizeiwache durftensie diese wieder verlassen.

Alleine die Mare Liberum hat seit März diesesJahres 266 Pushbacks am Ägäischem Meerdokumentiert. Nun eröffneten die griechischenBehörden gegen 33 NGO Mitarbeiter*innen einVerfahren wegen Menschenschmuggel undSpionage. Ihnen droht eine mehrjährigeHaftstrafe, darunter auch Mitarbeiter*innen derMare Liberum. Die Behörden hören Telefoneder Hilfsorganisationen ab oder observierendiese. Die Justiz hat dennoch keine Anklageerhoben, vermutlich aufgrund der dünnenBeweislage. Als Spione und Menschen-schmuggler wurden sie trotzdem diffamiert.

Getan haben sie nichts, außer Menschen-rechtsverletzungen zu dokumentieren, die vonder Europäischen Union und griechischenSicherheitskräften begangen worden sind.

Die Menschenrechtsverletzungen an denAußengrenzen der Europäischen Unionnehmen kein Ende. Der neue Migrationspakt,welcher eher ein Abschiebepakt ist, wird keinesdieser Probleme lösen. Ob nun Frontex, diegriechische Küstenwache oder die kroatischenGrenzbeamten, alle scheinen über dem Gesetzzu stehen - und das unter den Augen derEuropäischen Kommission und desEuropäischem Rats. EU-Parlamentarier*innenhalten tagtäglich der Kommission und dem Ratdiese Menschenrechtsverstöße vor. Die EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen,sprach im September und sagte: „Moria is astark reminder. We need to find sustainablesolutions on migration. And we all have to stepup.“ - Getan wird jedoch nichts, leeres Gerede.

Wann wird es endlich Konsequenzen gebenund die Verantwortlichen zur Rechenschaftgezogen werden, allen voran die Politiker*innender EU-Kommission und des Rates, welche dieProbleme bewusst ignorieren?

I‘m so sorry Refugees, this is not Europe!

Patrick Münz

Natürlich ist Moria einer der Schwerpunkteunserer Ausstellung

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Calais: Räumungen, Bootspassagen

und die zweite Welle der Corona-Pandemie

Zuletzt berichteten wir an dieser Stelle nacheiner Reise im Juni über die Situation derGeflüchteten in den Calaiser Camps. Seitdemhat sich die Situation dort verändert – hier eineZusammenfassung.

Die Camps

Wieviele Geflüchtete momentan inoffiziell inCalais und seinen Nachbargemeinden leben, istauch für die Akteure vor Ort schwer einzu-schätzen. Allerdings scheinen es weniger zusein als im Frühjahr und Sommer. Waren esdamals kontinuierlich um die 1.000 oder mehr,so dürfte die Zahl heute bei etwa 600 bis 900Personen liegen, wobei die Schätzung aufBeobachtungen zivilgesellschaftlicher Organi-sationen bei der dezentralen Verteilung derLebensmittel beruht.

Lebten die meisten der Geflüchteten im Juninoch in einem Konglomerat mehrerer Camps,das sich im Industriegebiet Zone des dunesbefand und gemeinhin als der Jungle vonCalais bezeichnet wurde, so wurde diesesGebiet im Juli vollständig geräumt und mithohem Aufwand eingezäunt. Ein Teil derGeräumten siedelte danach auf ein Brach-gelände am Krankenhaus über, in dem sichbereits länger kleinere Camps befanden unddas nun als Hospital Jungle bezeichnet wurdeund Ende September ebenfalls von einermassiven Räumungsoperation betroffen war.

Aus diesen Räumungswellen hat sich also einestark veränderte Geographie der Campsergeben: Der Hospital Jungle ist mit etwa 200(statt zuvor etwa 800) Bewohner_innen einesvon mehreren kleineren Camps in Calais,während andere Exilierte in Richtung Coquelleswestlich von Calais zogen, wo sich dieBetriebsanlagen des Kanaltunnels und dieAnfahrtswege der Lastverkehrs befinden.

Der zweite Lockdown

Als Reaktion auf die zweite Welle der Corona-Pandemie etablierte die französische Regie-rung Ende Oktober 2020 schrittweise einenneuen Lockdown (Französis: confinement). DieMaßnahme ähnelt dem ersten Confinement vonMärz bis Juni 2020. Für einen Teil der inprekären Camps lebenden Menschen eröffnetedie Seuche damals eine Möglichkeit,vorübergehend und freiwillig in eine festeUnterkunft wechseln zu können. Für diemeisten jedoch verschärfte das Confinementdie Lebensbedingungen in den Camps, auchweil elementare Versorgungsstrukturen, da-runter die Verteilung warmer Mahlzeiten undder Zugang zu Trinkwasser, ganz oder teilweisewegbrachen. Gleichzeitig hielten die Räu-mungen und Gewaltakte durch Polizeikräfteunvermindert an oder nahmen sogar noch zu.

Die Situation ist nun ähnlich. Die Präfektur desDepartements Pas-de-Calais erklärte AnfangNovember, auf freiwilliger Basis abgeschirmteUnterbringungen wie bereits im Frühjahranzubieten, was dann auch geschah.Außerdem würden das Rote Kreuz, Sécuritécivile (Katastrophenschutz), die OrganisationAudasse und Médecins du Monde während desConfinement zweimal wöchentlich Suchfahrtendurchführen, um offensichtlich krankenPersonen den Zugang zu medizinischerVersorgung zu ermöglichen. Auch werdewährend der Wintermonate ein Notquartier fürFrostnächte eingerichtet. Dieses war bereits ineinigen vergangenen Jahren bereitgestelltworden – und in anderen Jahren nicht.

Wie im Frühjahr bleiben diese Hilfen unter-dimensioniert, während – siehe unten – die

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massive und alltägliche Gewalt gegen dieCamps auch jetzt andauert.

Humanitäre Hilfen

Während des ersten Lockdowns stellten die inCalais tätigen Hilfsorganisation die Verteilungwarmer Mahlzeiten ein und wichen aufAlternativen wie Lunchpakete, Wasserkanisteroder die Verteilung von Lebensmitteln undBrennholz zum Selberkochen aus. Beidesverhinderte eine Hungerkatastrophe, aber nichteine massive Verschlechterung der Lebens-bedingungen.

Bislang ist es in Calais nicht wieder soweitgekommen. Die dezentralen Essensausgabenkönnen nach wie vor stattfinden. Allerdings giltseit dem 10. September eine Polizeiverord-nung, die es faktisch allen Organisationenaußer der staatlich beauftragten La vie activeverbietet, in der Calaiser Innenstadt und invielen Bereichen nahe der Camps Verteilungendurchzuführen. Zwar führen die unabhängigenOrganisationen auch während des Confinementweiterhin Verteilungen durch, doch müssen dieGeflüchteten nun erheblich längere Wegezurücklegen. Gleichzeitig nutzen die Polizei-behörden die Einschränkungen des Confine-ment, um die Beobachtung und Dokumentationder Polizeieinsätze etwa durch die GruppeHuman Rights Observers zu behindern.

Das Confinement bedeute für die Geflüchtetenein Paradox: Sie werden durch die Ausgangs-sperre gezwungen, ihre Camps und Zelte nichtzu verlassen, die dann am nächsten Morgengeräumt werden – so die Human RightsObservers im Gespräch.

Räumungen und Polizeigewalt

Die Human Rights Observers haben dokumen-tiert, dass es momentan alle zwei Tage jeweilsmeist vier Räumungen von Camps gibt, mitanderen Worten also Räumungen im 48-Stunden-Rhythmus. Dabei handelt es sich umeinen Typ von Räumungen, der nicht auf dieAuflösung des betroffenen Camps zielt,sondern lediglich einen Zustand von permanen-ter Unruhe und ständigem Stress erzeugt,

wobei zusätzlich Zelte und andere Besitztümerder Betroffenen beschlagnahmt oder zerstörtwerden.

Am 13. und 28. November kam es darüberhinaus zu größeren Räumungsoperationen, beidenen allein am 13. November über 100 Zeltekonfisziert wurden und das Geländeanschließend gerodet wurde, um eineNeuansiedlung zu verhindern.

Räumung von Zelten am 11. Dezember

Im gleichen Zeitraum erlangten dieAktivist_innen außerdem Kenntnis von zweischwerwiegenden Polizeiübergriffen in einemeritreischen Camp. In einem Fall sollen Beamteder CRS eine Art nächtlichen Überfall auf dasCamp durchgeführt und dabei CS-Gas undSchlagstöcke eingesetzt haben. Im anderenFall wurde ein Mann bei einem Einsatz derCRS am 11. November durch ein Gummi-geschoss schwer am Kopf verletzt. In einemoffenen Brief, den die Community desbetroffenen Camps danach an die französischeÖffentlichkeit adressierte, werden eine Reiheweiterer Fälle von Polizeigewalt berichtet.

Bootspassagen

Galt es noch vor wenigen Jahren als extremschwierig, etwa versteckt in einem Lastwagenvom Festland nach Großbritannien zu ge-langen, so haben die seit Ende 2018zunehmenden Bootspassagen die Erfolgs-aussichten stark erhöht. In diesen beidenJahren gelangten über zehntausend Menschenauf kleinen Booten nach Großbritannien, davonüber 8.000 im laufenden Jahr, wobei derSeptember mit knapp 2.000 Überfahrten der

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bislang meistfrequentierte Monat war. Danachgingen die Zahlen jahreszeitbedingt zurück,liegen mit knapp 500 im Oktober und etwa 650im November jedoch deutlich höher als in denVorjahren. Die Erfolgsaussicht der Boots-passagen liegt bei rund 70 Prozent und istdamit bemerkenswert hoch. Obwohl die„Channel migrants“ nur einen minimalen Teildes Einwanderungsgeschehens ausmachen,wurden sie zu einem innenpolitischenReizthema, das vor allem durch die britischeRechte befeuert wurde und wird.

Im Zuge der Bootspassagen kam es mehrfachzu Todesfällen, doch war deren Zahl geringerals in früheren Jahren, als es zahlreicheMenschen bei Versuchen verunglückten, sichauf Lastwagen oder Zügen zu verstecken. Am27. Oktober kenterte ein Boot vor Loon-Plagebei Dunkerque und sieben Menschen fandenden Tod, darunter eine kurdische Familie mitihren Kindern im Alter von 15 Monaten, fünfJahren und acht Jahren.

Die Politik Frankreichs und Großbritannienszielt, mit den Worten der britischenInnenministerin Priti Patel, darauf ab, die Kanal-route „ungangbar“ zu machen. Hierzu sollen derKanal, die französischen Strände und dasHinterland verstärkt kontrolliert werden – imKontext eines am 28. November geschlossenenAbkommens ist von einer Verdopplung derMaßnahmen die Rede. Erfahrungsgemäß wirddies die Bootspassagen nicht beenden, kannaber zu einem Ausweichen auf längere unddamit riskantere Strecken oder einem ver-stärkten Rückgriff auf das ebenfalls riskantereVerstecken in Lastwagen führen. Eine Ver-schärfung des Grenzregimes wird die Zahlkünftiger Todesopfer also eher noch erhöhen.

Dr. Thomas MüllerFotos (C) Human Rights Observers

(Der Text beruht auf Beiträgen des BlogsJungleOfCalais, der laufend die Entwicklungdes Migrationsgeschehens nach Großbri-tannien dokumentiert.)

Und auch über Calais wird in unserer Aus-stellung informiert:

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Interview: Kristina Koch

Kristina Koch ist in Köln aktiv,genauer gesagt: in Nippes.Nicht nur durch die geo-grafische Nähe hat sich einefruchtbare Zusammenarbeitzwischen unseren Vereinenentwickelt. Grund genug, sienäher zu befragen.

Helmut Hardy (HH): Kristina, euer Vereinheißt „Willkommen in Nippes“. Wo ist dennNippes? Wer ist „Willkommen“? Und wiesonicht „Willkommen in Köln“?

Kristina Koch (KK): Nippes ist ein Stadtbezirkvon Köln. Nicht weit vom Zentrum entfernt.Urkölsch und multikulturell zugleich. Ab Ende2014 wurden dort viele Geflüchtete unter-gebracht. In Nippes gab es über ein DutzendNotunterkünfte, eine davon eine Turnhalle.Heute ist noch eine Unterkunft davon bewohnt.

Daraufhin gründeten 2015 einige engagiertePrivatpersonen die Initiative „Willkommen inNippes“, kurz WiN. Ich bin kurz danachhinzugekommen. Wir waren zunächst Anlauf-stelle für die neuen Bewohner im Viertel. Habenuns in Cafés getroffen, privat oder im Park –wie so viele andere Willkommensinitiativenauch. Wir sind auch in die Camps gegangenund haben dort Beratung und Sprachkursedurchgeführt. Mich hat z.B. diese Turnhallen-unterkunft mit 200 Männern echt fertiggemacht. Mir war es wichtig, dass diese Leutegenug Infos und Kontakte bekommen, umschnell da raus zu kommen und ihren Weg zugehen. Und jemanden haben, der ihnen zuhört.Einer der Bewohner, mehrfacher syrischerMeister im Karate, hat Anschluss in einemNippeser Karate-Verein gefunden und ist schonDritter bei den Deutschen Meisterschaftengeworden. So was wäre ohne Kontakt undInteresse nie geschehen. Und wir haben nochmehr solcher Geschichten... Andere derfrüheren Turnhallen-Bewohner*innen gehörenzum Willkommen in Nippes-Team, auch wennsie schon lange nicht mehr in Nippes leben.

HH: Ihr habt ein eigenes Haus – kostet dasnicht Unsummen?

KK: 2017 hat uns die evangelische GemeindeKöln-Nippes sehr schöne Räumlichkeitenüberlassen, das WiNHaus International. Das istdas Herz der Initiative, wo alle Fädenzusammenlaufen. Eine zweistöckige Wohnungmit vielen Räumen zum Lernen, für Gespräche,Ruhe oder zum Feiern, mit Balkonen, Küche,Fahrradwerkstatt, Spendenlager und vielemmehr. Wir – die neuen und alten Nachbar*innen– betreiben das Haus wie eine WG. DieKooperation mit der ev. Gemeinde ist eingroßes Glück, sie unterstützt uns auch finanziellund noch auf anderen Ebenen.

Mittlerweile werden unsere Angebote vonLeuten aus ganz Köln und manchmal ausanderen Städten genutzt. Nicht nur vongeflüchteten Menschen, auch von anderen, diesich orientieren wollen und Hilfe brauchen. Wirsetzen uns für die Rechte und die Menschen-würde von Geflüchteten und Menschen mitZuwanderungsgeschichte ein.

HH: Habt ihr Pläne für die nähere Zukunft?

KK: Wir planen in der Tat schon wieder wasNeues. Wir haben sehr viel gelernt in denJahren und würden unsere Angebote und auchdie Zielgruppe gerne noch weiter öffnen. Voneinigen Geflüchteten kam der Wunsch, etwaszurückzugeben. Deshalb steht gerade einProjekt an, das zwar weiterhin Menschen mitund ohne internationale Geschichte zusammen-bringen soll. Wir wollen jedoch das SystemHelfer und Geflüchtete aufbrechen. Undgemeinsam etwas auf die Beine stellen, an demjeder teilhaben kann. Dann kann es auch gern„Willkommen in Köln“ oder einfach nur„Willkommen“ heißen. Der Gedanke ist, Raumfür Diversität zu schaffen. Wir haben alsGemeinschaft so viele verschiedene interes-sante Ressourcen und Perspektiven. DieseDiversität zu nutzen und zu leben ist unserWunsch und soll der Inhalt des neuen Projektssein. Jetzt suchen wir eine zentrale Immobilieund Unterstützer, die uns bei der Finanzierunghelfen. Freue mich über Ideen!

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HH: 2015 waren "alle Flüchtlinge" will-kommen. Seitdem hat sich viel getan.Kannst du gewisse Phasen feststellen undbeschreiben?

KK: Ein Einschnitt war diese Silvesternacht inKöln. Danach hat man alle, aber insbesondereNordafrikaner, kritischer beäugt. Bei WiN habenwir davon nichts gemerkt, aber ich glaube, dashat der Willkommenskultur einen Knacksverpasst.

Die EU setzt heute viel stärker als 2015 aufeine Abschottung ihrer Außengrenzen. Immerwieder beschließen die Staats- undRegierungschefs, die Grenzen für Flüchtendeundurchlässiger zu machen. Das Ziel dergemeinsamen Migrationspolitik ist Abwehr. Sokommen natürlich kaum noch Menschen beiuns an. Stattdessen hängen sie auf dem Mittel-meer, auf den griechischen Inseln und auf derBalkanroute fest.

Dass sich in den elenden Lagern an den EU-Außengrenzen nichts tut, ist ganz bewussteund offensichtlich gestaltete Abwehr. Dawerden einschlägige Konventionen und europä-

isches Recht verletzt. Die deutsche Regierungwartet auf eine “europäische Lösung”, währendsie die humanitäre Notsituation der Menschenignoriert.

Dass man überhaupt die Aufnahme der paarDutzend Kinder aus Griechenland in NRWerwähnen muss, ist beschämend. Also dasGegenteil von 2015.

Auf „Willkommen in Nippes“ hat sich dieseEntwicklung auch ausgewirkt: wir haben einenFörderverein gegründet, damit wir z.B.Fundraisings durchführen und auch an deninternationalen Hotspots helfen können. Wirhaben ein Ärzteteam auf Samos unterstützt.Projekte für Idlib/Syrien und Bihać/Bosnienhaben wir auch durchgeführt. Alles, was in Kölngeht, nehmen wir natürlich auch mit: im Juliwaren wir Mitgestaltende einer Leave No OneBehind-Aktion mit Offenem Brief an dendeutschen Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft.

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HH: Wie haben sich eure Angeboteverändert? Was habt ihr 2015 angeboten,was heute?

KK: Viele unserer Angebote von damalsexistieren noch heute. Zum Beispiel ist unsereBeratung mit Rechtshilfe nach wie vor sehrgefragt. Es sind neue Themen dazugekommen: Neben Asylverfahrensthemen gehtes jetzt auch mal um Inkasso- oder Steuer-sachen.

Die Form der Sprachhilfe hat sich verändert:Deutschkurse haben sich zu Sprachpaten-schaften entwickelt: also private Nachhilfe,Sprachtandems und Vorbereitungen aufspezielle Prüfungen: Zwei unserer ehrenamt-lichen Lehrerinnen haben sich auf medizinischeFachprüfungen spezialisiert. Auch kleineRunden, in denen nur geredet wir, sind beliebt.Was einerseits zeigt, dass die Leuteglücklicherweise in Schulen oder Ausbildungenstecken. Aber auch, wie wenig Optionen siehaben, außerhalb der Schule Deutsch zusprechen. Irgendwo in unserem Haus sitzenjedenfalls immer Leute, die irgendwas lernen.Neuerdings boomen auch Englisch- und Mathe-Nachhilfe.

Neu dazugekommen sind (kostenlose)Arabischkurse – geleitet von einem Iraker undeinem Syrer. Die machen viel Spaß undvermitteln auch Einblicke in die arabischeKultur.

In schulischen Lockdown-Zeiten ermöglichenwir Kindern aus Notunterkünften ohne Internet,ihre Hausaufgaben und Online-Unterricht beiuns im Haus zu machen.

Die Themen Jobs und Wohnungen werdenwohl ewig wichtig bleiben. Unsere Wohnungs-gruppe hat trotz Wohnungsmangel in Köln über300 Menschen aus den Notunterkünften geholt.Abgesehen von der reinen Wohnungssuchebegleiten wir jeden vermittelten Mieter auchnach der Anmietung weiter, da gibt es immerwas zu tun. Aktuell wollen viele ihreWohnungen wechseln, weil die Familiennachziehen.

Unsere Freizeitangebote sind nicht mehr ganzso angesagt. Früher war unser Haus abendsbrechend voll. Wir haben mehrmals wöchentlichgekocht, gespielt und Partys gefeiert. Da ginges teilweise hoch her. Kurdische Kreistänze,guineischer Breakdance und so weiter. Ichdeute es mal als gutes Zeichen, dass das einwenig zurückgegangen ist, und hoffe, dasssolche Treffen nun auch in neu gefundenenFreundeskreisen stattfinden.

HH: Sind die Helfer:innen die gleichen wiedamals? Oder hat sich auch hier vielgeändert?

KK: Wir sind heute weniger Helfer. Aber dafürist es ein harter, verlässlicher Kern. Wir habenuns - wie viele andere bestimmt auch - oftgefragt, woran das liegt.

Es hat sicher mit politischen Stimmungs-strömungen zu tun. Und damit, dass dasThema in den Medien nicht mehr so stattfindet.So als ob es gar keine Geflüchteten mehr gäbeoder jetzt alles in trockenen Tüchern wäre.Diese Berichte über Geflüchtete, die eineAusbildung als Bäcker oder so machen,klingen, als ob sie alle super im Leben stünden.Als ob es für uns nichts mehr zu tun gäbe.

Dabei ist der Bedarf an Unterstützung groß.

Allerdings sind die Anliegen der Geflüchtetennatürlich komplexer geworden. Die Engagiertenmüssen sich mit ihrem Gegenüber richtigauseinander setzen. Vielleicht ist das auch einGrund für die Zurückhaltung der Helfer. Wennman jetzt jemanden begleiten möchte, wird manmöglicherweise mit kniffligen Themen kon-frontiert. Das reicht von der Begleitung beimKampf gegen eine Abschiebung über Familien-zusammenführung bis zur Suche nach einemAusbildungsplatz oder einer Psychotherapie.Das kann Zeit und Nerven kosten. Es istzugleich aber eine sehr befriedigende Aufgabe– und man setzt sich so auch der politischenStimmung entgegen und fördert dasMiteinander in unserem Land.

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HH: Wie habt ihr Kontakt zum AachenerNetzwerk bekommen?

KK: Ich habe eine enge Verbindung zuBosnien-Herzegowina, habe mal eine Weile inSarajevo gewohnt. Letzten Sommer fuhr ichnach Bihać, um mir anzusehen, worüber DirkPlanert und andere Helfer berichteten, und umeinige Sachen nach Vučjak zu bringen. In derkleinen Stadt Bihać hatte ich schon häufigUrlaub gemacht. Und ich konnte mir vorstellen,wie hart es für die vielen Geflüchteten und wieeinschneidend es für die Bewohner von Bihaćsein musste, dass dort viele Geflüchtetegestrandet waren - mit wenig Hoffnung auf eineLösung.

Über den Kontakt zu Dirk Planert habe ich dannvom Aachener Netzwerk erfahren und auch vonden Spendenaufrufen. Da macht Willkommen inNippes natürlich direkt mit. So habe ich auchüber die anderen Aktivitäten des AachenerNetzwerks gehört. Dass es sich gerade in derGegend, die auch mir sehr am Herzen liegt, sosinnvoll und lebensnah engagiert, freut mich

sehr. Mittlerweile hat sich Willkommen inNippes an zwei Hilfstransporten beteiligt und istsogar stolzer Partner des Aachener Netzwerksgeworden.

Ich hoffe, dass wir uns in Zukunft weitereinbringen können.

HH: Habt ihr Ideen für eine weitereZusammenarbeit?

KK: Wir sind auch in Zukunft dabei, wennHilfstransporte geschickt werden und machenauf Eure Projekte und Spendenaufrufeaufmerksam. Ich fände es auch schön, wennwir uns an eurer Ausstellung beteiligen könnten.Vielleicht könnte das WiNHaus die KölnerLocation werden, wenn die Ausstellungwandert.

Außerdem könnt Ihr gern Leute an unsverweisen, die zum Beispiel aus Aachen nachKöln ziehen und Unterstützung brauchen.

Im Internet findet man Willkommen-in-Nippes unterhttps://www.willkommen-in-nippes.de/ sowie bei Facebook

https://www.facebook.com/willkommen.in.nippes/

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Beitrittserklärung

Antrag auf Mitgliedschaft im„Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfeund interkulturelle Friedensarbeit e. V.“

Hiermit beantrage ich meine Mitgliedschaft im „Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit e. V.“!

Mit meiner Mitgliedschaft erkläre ich die Satzung des oben genannten Vereins als für mich verbindlich!

Name: __________________________

Vorname: __________________________

Straße: __________________________

PLZ: ______ Ort: ____________________

E-Mail: __________________________

Telefon: __________________________

Ein Mitgliedsbeitrag wird nicht erhoben.

Im Falle einer finanziellen Unterstützung überweise ich den entsprechenden Betrag auf das Konto IBAN DE21 3905 0000 0000 3170 08, BIC AACSDE33XXX bei der SK Aachen.

Persönliche Daten werden bei uns natürlich gespeichert, nur für vereinsinterne Zwecke verwendet und nicht an Dritte weiter gegeben. Mehr darüber in unserer Datenschutzerklärung.

Ort, Datum: ________________________

Unterschrift: ________________________

Impressum

Diesen Rundbrief erhalten alle Mitglieder undAbonnentInnen.

Wir freuen uns über jeden und jede, der/dieInteresse an unserem Rundbrief hat! Wer alsojemanden kennt, der/die sich für unsere Arbeitinteressiert: eine kurze E-Mail [email protected] reicht.Und auch wer den Rundbrief nicht mehrerhalten möchte schicke bitte einfach eineformlose E-Mail an [email protected].

Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe undinterkulturelle Friedensarbeit e.V.

Büro:Welthaus AachenAn der Schanz 152064 AachenTel. +49 241 89 43 86 00

Internet:http s ://www.Aachener-Netzwerk.de

Vereinsadresse:c/o Helmut HardyIm Grüntal 18a52066 AachenTel. +49 241 97 01 38

Das Aachener Netzwerk ist gemeinnützig undSpenden sind deshalb steuerlich absetzbar.Unser Spendenkonto ist:

Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe undinterkulturelle Friedensarbeit e.V.

Sparkasse AachenIBAN DE21 3905 0000 0000 3170 08BIC AACSDE33XXX