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Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit e.V. Rundbrief – Ausgabe 23 – August 2020 Inhalt Eine Erfolgsgeschichte?....................................1 Ein neuer Hilfstransport.....................................2 Wir schlagen die, die wir brauchen................... 3 Interview: Ralf Wuppermann.............................7 Interview: Anke Langenberg..............................9 Beitrittserklärung............................................. 12 Impressum.......................................................12 Eine Erfolgsgeschichte? Es ist gerade mal ein Jahr her, dass wir ange- fangen haben, unseren ersten Hilfstransport zu organisieren. Für den wir vor 9 Monaten ge- sammelt haben. Was ist seitdem alles passiert? - Im November 2019 haben wir 2.000 kg Hilfs- güter nach Bihać geschickt, zusammen mit 13.000 €, für die wir vor Ort Lebensmittel gekauft haben. - Im Januar 2020 haben wir einen Lada Niva für SOS Bihać finanziert. - Im Februar 2020 brachte der zweite Hilfstrans- port weitere 3.300 kg Hilfsgüter nach Bihać. - Im Mai 2020 hat SOS Bihać mit unserem Geld einen VW-Transporter erworben, der seitdem unverzichtbar ist. - Zusätzlich haben wir 11.000 € für Lebensmittel und Medikamente überwiesen. - Die Video-Kamera, für die wir im letzten Rund- brief und auf unserer Facebook-Seite einen Spendenaufruf gestartet haben, ist gerade auf dem Weg nach Bosnien – auch wenn bisher erst der halbe Kaufpreis durch Spenden gedeckt ist. Mit einem Sony Camcorder vom Typ FXW-FS5 incl. „Puschel-Mikro“, Objektiv und SD-Karten haben wir unserem dortigen Kameramann Muhammed Pehlic einen Traum erfüllt. Die Ergebnisse werden wir bald sehen können – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Sammlung für den nächsten Hilfstransport „steht vor der Tür“ – am 11. August geht‘s los. In der Unterstützung von SOS Bihać sind wir mittlerweile bundesweit und international ver- netzt. Gemeinsam mit dem Team vor Ort sorgen wir für eine zuverlässige Betreuung und Versorgung der Hilfsbedürftigen in Bihać und Umgebung – egal ob diese Hilfesuchenden Einheimische sind oder aus fernen Ländern kommen. Dies alles hat Wirkung entfaltet. SOS Bihać wird immer mehr anerkannt – das macht die Arbeit einerseits einfacher, erhöht andererseits aber auch Ansprüche und die Verantwortung. Die Ansprüche sind die, die wir selbst an uns stellen. Und auch die, die andere an uns stellen. Wir selbst müssen aufpassen, dass wir uns nicht überfordern, dass wir auch mal an uns selbst denken, dass wir uns selbst die Messlatte nicht zu hoch legen. Und auch die Ansprüche von außen müssen wir sorgfältig abwägen. „Wir können nicht die Welt retten.“ Unsere Ressourcen sind begrenzt. Personell wie finanziell. In den letzten Monaten haben wir viele Steine aus dem Weg geräumt. Wir müssen aber vorsichtig sein, dass nicht irgendjemand sie wieder zurück rollt. Wir haben viel geschafft und wir haben noch große Pläne. Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. Und ein Erfolg ist sie dann, wenn wir in Bihać nicht mehr gebraucht werden. Helmut

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Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe

und interkulturelle Friedensarbeit e.V.

Rundbrief – Ausgabe 23 – August 2020

InhaltEine Erfolgsgeschichte?....................................1Ein neuer Hilfstransport.....................................2Wir schlagen die, die wir brauchen...................3Interview: Ralf Wuppermann.............................7Interview: Anke Langenberg..............................9Beitrittserklärung.............................................12Impressum.......................................................12

Eine Erfolgsgeschichte?

Es ist gerade mal ein Jahr her, dass wir ange-fangen haben, unseren ersten Hilfstransport zuorganisieren. Für den wir vor 9 Monaten ge-sammelt haben. Was ist seitdem alles passiert?

- Im November 2019 haben wir 2.000 kg Hilfs-güter nach Bihać geschickt, zusammen mit13.000 €, für die wir vor Ort Lebensmittelgekauft haben.

- Im Januar 2020 haben wir einen Lada Niva fürSOS Bihać finanziert.

- Im Februar 2020 brachte der zweite Hilfstrans-port weitere 3.300 kg Hilfsgüter nach Bihać.

- Im Mai 2020 hat SOS Bihać mit unserem Geldeinen VW-Transporter erworben, der seitdemunverzichtbar ist.

- Zusätzlich haben wir 11.000 € für Lebensmittelund Medikamente überwiesen.

- Die Video-Kamera, für die wir im letzten Rund-brief und auf unserer Facebook-Seite einenSpendenaufruf gestartet haben, ist gerade aufdem Weg nach Bosnien – auch wenn bishererst der halbe Kaufpreis durch Spenden

gedeckt ist. Mit einem Sony Camcorder vomTyp FXW-FS5 incl. „Puschel-Mikro“, Objektivund SD-Karten haben wir unserem dortigenKameramann Muhammed Pehlic einen Traumerfüllt. Die Ergebnisse werden wir bald sehenkönnen – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Sammlung für den nächsten Hilfstransport„steht vor der Tür“ – am 11. August geht‘s los.

In der Unterstützung von SOS Bihać sind wirmittlerweile bundesweit und international ver-netzt. Gemeinsam mit dem Team vor Ortsorgen wir für eine zuverlässige Betreuung undVersorgung der Hilfsbedürftigen in Bihać undUmgebung – egal ob diese HilfesuchendenEinheimische sind oder aus fernen Ländernkommen.

Dies alles hat Wirkung entfaltet. SOS Bihaćwird immer mehr anerkannt – das macht dieArbeit einerseits einfacher, erhöht andererseitsaber auch Ansprüche und die Verantwortung.

Die Ansprüche sind die, die wir selbst an unsstellen. Und auch die, die andere an unsstellen. Wir selbst müssen aufpassen, dass wiruns nicht überfordern, dass wir auch mal anuns selbst denken, dass wir uns selbst dieMesslatte nicht zu hoch legen.

Und auch die Ansprüche von außen müssen wirsorgfältig abwägen. „Wir können nicht die Weltretten.“ Unsere Ressourcen sind begrenzt.Personell wie finanziell.

In den letzten Monaten haben wir viele Steineaus dem Weg geräumt. Wir müssen abervorsichtig sein, dass nicht irgendjemand siewieder zurück rollt.

Wir haben viel geschafft und wir haben nochgroße Pläne. Die Geschichte ist noch langenicht zu Ende. Und ein Erfolg ist sie dann, wennwir in Bihać nicht mehr gebraucht werden.

Helmut

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Ein neuer Hilfstransport

Die Sommerferien gehen zu Ende und bei unsgeht es wieder los. Corona zwingt uns zurVorsicht und vielleicht auch noch zu der einoder anderen Planänderung. Aber die Not inBihac ist groß – daran ändert Corona wenig.Und wenn, dann nicht zum Besseren.

Wir sammeln diesmal verkürzt, nur zweiWochen. Los geht es am letzten Ferientag, alsoam Dienstag, dem 11. August. Wir beenden dieSammlung am Sonntag, den 23. August. Ortder Sammlung ist „wie immer“ der BosnischeKulturverein (BKC) in der Stolberger Str. 221.Dort durch die Toreinfahrt in den Hinterhof.Hinter den Garagen findet man uns auf derrechten Seite. Fast immer ist dort jemandzwischen 15 Uhr und 22 Uhr vor Ort. Solltegerade keiner dort sein, kann man die Sachenunter unser Plakat stellen.

Wir haben unseren Freund Zlatan von SOS Bihac gefragt, was dieses Mal besonders dringend benötigt wird. Hier ist seine Wunschliste bzgl. Kleidung:- dünne Regenjacken

- lange Jogginghosen- „zur Not“ auch Jeans- langärmlige Shirts- kurzärmlige Shirts- Unterwäsche/Socken- Schuhe für Männer, Gr. 39 – 47

Darüber hinaus sammeln wir nach wie vorgebrauchte, aber funktionsfähige Smartphonesincl. Ladegerät. Wir testen sie und setzen sieauf den Werkszustand zurück, bevor wir sienach Bihac schicken.

Benötigt werden auch Schlafsäcke und (nichtzu kleine) Rucksäcke. Darüber hinaus auchstabile Plastikplanen, mit deren Hilfe man sichprovisorische Zelte bastelt kann.

Und natürlich benötigen wir noch Geldspenden,für die Fahrt und für Lebensmittel, die vor Ortgekauft werden.

Der allerletzte Punkt auf der Liste ist eineRettungstrage zum Bergen von Verletzten imWald, abseits des Weges. Falls jemand zufälligeine im Keller stehen hat…

Bitte: Leitet diesen Aufruf an Freundinnen undFreunde, Kolleginnen und Kollegen, Bekannteund Unbekannte weiter!

In Kürze:

11. - 23. August, 15 – 22 UhrAachen, Stolberger Str. 221, HinterhofMännerkleidung und -schuheSmartphones, Schlafsäcke, RucksäckeSpenden für den Transport & Lebensmittel

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Wir schlagen die, die wir brauchen

In den Radionachrichten wird gerade von einermöglichen zweiten Welle durch die Urlaubs-rückkehrer gesprochen. Draußen regnet es.Seit Stunden sitze ich an meinem Schreibtischin Dortmund, schreibe Mails, telefoniere undrauche eine nach der anderen. Der Hund, dersich an das Leben im Lager und den Wälderngewöhnt hatte, liegt schlafend an meinenFüßen. Der Leiter der Hilfsorganisation SOSBihać, Zlatan Kovacevic, hat gerade angerufen.„Wir fahren jetzt los“, sagte er. Dann kribbelt esbei mir. Das Team fährt jetzt in die Berge umFlüchtlinge zu versorgen. Ich wäre gern dabei,mein Sani-Rucksack hat bereits Staub ange-setzt. Geht aber nicht wegen Corona, also tueich von hier aus, was zu tun ist. Tatort Schreib-tisch. Immerhin sind wir sind nicht alleine. MitHilfe des Aachener Netzwerks sind wir gut überden Winter gekommen und ernähren täglich200 bis 500 Menschen, versorgen sie medizi-nisch, verteilen bei Bedarf auch Kleidung undSchuhe. Mittlerweile sind wir eine von der IOManerkannte Hilfsorganisation. Die IOM(Internationale Organisation für Migration) isteine Tochter der UN. Die Anerkennung heißt fürSOS Bihać: Wir können unbehelligt von Polizeiund Grenzpolizei das tun, was sonst niemanddarf: Die Flüchtlingsrouten entlang der EUAußengrenze abfahren und Menschen helfen.Das ist ein echter Durchbruch. Keine Problememehr mit der Polizei. Die bosnische Politikbemüht sich darum, humanitäre Arbeit zukriminalisieren. Das geht nun nicht mehr,zumindest bei uns nicht. Zlatan ist eingroßartiger Diplomat. Er hat unsere Gegner inBihać zu Unterstützern gemacht. Selbst dasGesundheitsministerium schwärmt nun vonSOS Bihać und lobt unsere Arbeit. Noch vor einpaar Monaten haben sie uns ständig die Polizeiauf den Hals gehetzt. Bei allen Bemühungensich an die Regeln zu halten: es kann nichtkriminell sein, Menschen zu helfen. DieMenschenrechte sind auch von Bosnienanerkannt und unterschrieben worden.

Schon wieder klingelt das Telefon. Auf demDisplay steht: „der Kleine“. Ich habe die Nase

voll für heute, nach dem vergangenen Jahr binich manchmal etwas „durch“, aber bei ihm hebeich ab. Es ist Ahmad (Name von der Red.geändert), mein kleiner Freund aus Vučjak,dem Camp auf der Müllhalde nahe Bihać. SeineStimme klingt, als würde er aus dem Urlaubanrufen. Anders als sonst, sehr fröhlich: „Wiegeht es Dir? Hier scheint die Sonne und ich bingrade mit Freunden unterwegs. Ich liebe Dich.Und ich vermisse Dich sehr. Hier ist alles gutjetzt.“ Er klingt, als sei er schon dort wo erhinwill, am Ziel, als sei wirklich „alles gut“.Geographisch ist er angekommen in der EU,aber die Abschiebung schwebt noch immer wieein Damoklesschwert über ihm. Bis zum „allesist gut“ wird noch Zeit vergehen, vielleicht viel.Vielleicht wird nie „alles gut“. Heute hat erZuversicht. Die überträgt sich auf mich. Einguter Anruf. Ich nehme wieder Schub auf undarbeite weiter. Wenn man weiß wofür, fällt esleichter.

Ahmad in der Ambulanz im Camp Vucjak im Sommer 2019. DieArbeit als Übersetzer und Hilfssani machte ihm Freude. Trotzder Umstände haben wir viel gelacht, manchmal geweint.

Ahmad lebt jetzt in einer Flüchtlingsunterkunftin einer italienischen Großstadt. Vor ziemlichgenau einem Jahr haben wir uns kennen ge-lernt, an einem Ort der nach Müll und Fäkalienroch und der kurz darauf in internationalen Me-dien als Dschungel- und Horrorcamp Schlag-zeilen machte. Etwa 1000 Männer und Jungslebten dort mit hoher Fluktuation. Tausendedurchlitten dieses fürchterliche Elend mit demNamen Vučjak. Der Älteste über 60, derjüngste 12 Jahre alt. Ahmad war 18, Flüchtlingaus Pakistan, von der Polizei deportiert auf die

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Müllhalde. Er sprach mich mit schüchternerStimme an, in leisem aber perfektem Englisch,deutlich besser als meines, und bat mich umHilfe. Ich weiß nicht mehr was er brauchte,vermutlich Schuhe oder eine Behandlung inunserer Ambulanz. Ein hochintelligenter Junge,viel zu zart für all das. Ich holte ihn in unserTeam. Er spricht Urdu und Paschtu, konnte alsoals Übersetzer helfen.

Ahmad übersetzt, als einer unserer Patienten erzählt, das dieslowenische Grenzpolizei einen Hund auf ihn gehetzt hatte. DieSlowenen übergaben ihn an der Grenze den Kroaten, die trans-portierten den Mann dann an die EU Außengrenze und triebenihn durch den Wald zurück nach Bosnien, raus aus der EU.

Einer unserer Mitarbeiter war Nationalspielerder pakistanischen Fußballnationalmannschaft,beherrschte sieben Sprachen und war dazuauch noch ein auffällig schöner Mann. Einälterer Mann, Gaz aus Kaschmir, war früherGeschäftsführer bei KFC. Er hat es nachPortugal geschafft. Alles Männer, die unshervorragend im Ambulanzzelt unterstützten.Es dauerte nicht lange und Ahmad arbeiteteselbst am Patienten und versorgteSchmutzinfektionen. Aus Österreich waren Dr.Karin Tschare-Fehr und der Künstler AryeWachsmuth gerade da und wir arbeitetengemeinsam in unserer Ambulanz. Wirschlossen ihn alle in unser Herz. Es sindTausende, die mir in den vergangenen Monatenbegegnet sind. Mit ein paar Dutzend ist derKontakt geblieben, mit einigen sogar sehr eng.Wenn aus Flüchtlingen Freunde werden, dannhabe ich aufgehört sie zu fotografieren. DieNähe macht das. Das ist mir erst jetzt bei derSuche nach Fotos von Ahmad aufgefallen. ImZelt bei der Arbeit blühte er auf, wir versorgten

ihn in diesen Wochen mit allem Notwendigen.Er arbeitete und träumte davon Europa zuerreichen. Schlimm war für mich, ihn im Campzurücklassen zu müssen und selbst abendsduschen zu können und ein Bett zu haben. Esging nicht anders. Seine Eltern hatten ihr Hausauf dem Land in Pakistan zu einem Spottpreisverkauft, um seine Reise finanzieren zukönnen. Jetzt leben sie in einer Lehmhütte amRande einer Stadt. Sie haben ihn losgeschickt,damit wenigstens einer aus der Familie eineZukunft hat und später Geld schicken kann. InPakistan ist offiziell kein Krieg. Ich habe vielePakistanis gefragt: „Warum tut ihr Euch dieseReise an?“ Es gab bei allen nur drei möglicheAntworten: Entweder flohen sie aus denGrenzgebieten zu Afghanistan vor den Drohnender US-Army, weil ein oder mehrere Familien-angehörige durch sie getötet worden waren.Oder Flucht vor den Taliban. Die dritte: Kriegeinnerhalb von Familien. Meist geht es umErbstreitereien, wenn Land hinterlassen wird.Obendrauf kommt dann noch Korruption ein-hergehend mit Chancenlosigkeit. Kurz: Fluchtwegen Angst um Leib und Leben. Für diesenText hatte ich noch ein paar Fragen an Ahmadund habe mit ihm gesprochen. Vor kurzem isteiner seiner Cousins ermordet worden.

Irgendwann versuchte er das erste Mal „thegame“. Vorher gab es täglich Gesprächedarüber. Ahmad hatte Angst vor dem, was vorihm lag: Die kroatische und die slowenischeGrenzpolizei. Was passieren kann, das sah erja jeden Tag an den Prellungen, Platz- undSchnittwunden in unserer Ambulanz. Finanziert,gewollt und gefördert durch die Wölfe im EU-Parlament in Brüssel. Die Wölfe sind zwar inder Minderheit, aber der Rest sind Lämmer. Sielassen die Wölfe gewähren. Einige wenigeMitglieder des EU-Parlamentes allerdingskämpfen, so viel sie können. Unter anderemsind das die MEPs Erik Marquardt (GrüneBRD), Dietmar Köster (SPD BRD) und BettinaVollath (Sozialdemokratin aus Österreich). Alledrei waren in Bihać und haben sich selbst einBild der Lage gemacht.

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Wenn Ahmad ein paar Tage unterwegs war,ging mein Blick oft in Richtung des Waldweges,der in die Berge führt. Ich begann mir Sorgenzu machen. Plötzlich stand er wieder vor mirund fiel mir förmlich weinend in die Arme.Wieder nicht geschafft, wieder von derkroatischen Grenzpolizei ausgeraubt undgeschlagen. Nach weit über 10 Versuchen kamer einmal lachend zurück. Die Polizisten hatteneine Gasse gebildet, auf jeder Seite sechs EU-Grenzpolizisten mit Knüppeln. Die Flüchtlingewurden illegal zurückgepusht nach Bosnien undmussten diese Gasse durchlaufen. Ahmad warder Schnellste. Nur ein Schlag hatte ihn amUnterschenkel gestreift. Er freute sich, dass sienicht seinen Kopf getroffen hatten.

Als Vučjak dann aufgelöst wurde, trafen wir unsregelmäßig heimlich irgendwo in der Stadt. Erlebte versteckt in Ruinen und im Wald oder warunterwegs „on game“. Langsam begann er zuverwahrlosen. Mein Ahmad stank wie alleanderen. Nicht mehr nach Vučjak, aber nachElend. Duschen ging nirgendwo. Hätte ich ihnin unser Teamappartment mitgenommen, wärewenige Minuten später die Spezialpolizeigekommen. Das ist in Bosnien eine Straftat.Alles wäre vorbei gewesen. Das konnte ichnicht riskieren. In den Wäldern und Ruinenhätte ich ihn in dieser Zeit gut als Hilfssanitäterund Übersetzer gebrauchen können. Nicht nurich.

In derselben Zeit, in der Ahmad sich innerhalbvon nur 48 Stunden in die Arbeitsabläufe inunserer Feld-Ambulanz eingearbeitet hatte, warGesundheitsminister Jens Spahn im Kosovo,um dort Fachkräfte aus Pflegeberufen abzu-werben. Die Ursache für viele Probleme, dieMenschen in anderen Ländern haben, ist genaudas: Kolonialismus. Wir holen uns was wirbrauchen. Wer dann die Alten in den Heimen imKosovo versorgt, das kann Spahn ja egal sein.Hauptsache, wir bekommen Fachkräfte, die unsfehlen. Dabei stehen viele, die es wollen undkönnten, vor den EU-Außengrenzen undwerden geschlagen, getreten, ausgeraubt,zurückgepusht ins Nirgendwo. DutzendeFlüchtlinge haben in unserer Ambulanz im

Laufe der Monate mitgearbeitet.Voraussetzung: Grundkenntnisse in Englischund schnell lernfähig. Bis zum Abschluss desB2-Sprachkurses in Deutschland würde etwaein Jahr vergehen. Die Ausbildung zumAltenpflegehelfer dauert ein weiteres Jahr, zumAltenpfleger 3 Jahre. Ahmad ist jetzt 19, diemeisten anderen bis höchstens 30 Jahre alt.Das, was ihre Ausbildung und ihre Versorgungzu Beginn kosten würde, würden sie späterselbst wieder erarbeiten und durch Steuernpraktisch zurückzahlen. Die Statistik derAgentur für Arbeit verzeichnet im Mai 2020bundesweit 23.500 offene Stellen in derAltenpflege und 16.200 in der Krankenpflege.Eine andere Quelle spricht von 171 Tagen, diees durchschnittlich dauert, bis eine solcheStelle besetzt ist. Zurzeit gibt es in Deutschland3,3 Millionen Pflegebedürftige, schreibt dasBundesgesundheitsministerium. Und es werdenmehr. Die Prognose des StatistischenBundesamtes für 2025: 110.000 Pflegefach-kräfte, die uns fehlen werden. Wir brauchenAhmad.

Ahmad mit dem Künstler und Flüchtlingshelfer AryeWachsmuth aus Österreich in der Ambulanz. In Vucjak ist blei-

bendes entstanden.

Arye Wachsmuth hat von Wien aus oft mitAhmad gesprochen, seit er im November 2019in Italien angekommen war. So blieb auch ichauf dem Laufenden. Wir haben beide eine Rollein seinem Leben. Ab und an braucht man einenMenschen, der zuhört und einem die Hand aufdie Schulter legt und sagt: „Junge, Du machstdas alles schon richtig. Glaub an Dich. Du bist

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nicht allein. Du schaffst das“. Er braucht das,das spürt man. Das ist auch ok so.

Die Verwahrlosung des Flüchtlings ist verschwunden. Ahmadist nun in Italien und hofft, bleiben zu dürfen. Ein Job würde ihmhelfen.

Jetzt lebt er von 30 Euro wöchentlich, die ervom italienischen Staat bekommt. Nach seinerAnkunft haben wir ihm Geld geschickt füranständige Kleidung, damit er mit dem abge-rissenen Zeugs „from the game“ nicht so auffälltin Italien. Arye hat sogar einen Kontakt inbesagter Großstadt, Leute, die Ahmad getroffenhaben und ihm Dinge brachten, um die Aryegebeten hatte. Bis zum 14. Juni 2019 habe ichnoch nie von einer Freundschaft gehört, die aufeiner Müllhalde begonnen hat. Jetzt kann ichsie nicht mehr zählen. Viele der freiwilligenHelfer aus der Ambulanz halten Kontakte,

teilweise sehr intensiv. Ahmad sagte in Vučjakeinmal zu mir: „Mein Vater ist nicht da. Jetzt bistDu mein Vater. Ich möchte so leben wie Du.Irgendwo hingehen und gute Dinge fürMenschen tun“. „Nein mein Freund“, habe ichgesagt. „Erst gehst Du studieren, lernst DeinenBeruf und baust ein Haus für Deine Familie.Dann kannst Du sowas tun“. Er hat sichgekrümmt vor Lachen und hat anderen das alsWitz des Tages präsentiert.

Jetzt, so sagt er, werden selbst aus ItalienFlüchtlinge bis nach Bosnien zurückgeschickt.Er bekomme Nachrichten von anderen Pakista-nis, die das belegten. Er selbst brauchtdringend einen Job. Das erhöht die Wahr-scheinlichkeit, dass er seine Papiere bekommt,die ihm den Aufenthalt für mindestens ein Jahrsichern. Er ist seit November 2019 in Italien undbisher offensichtlich geduldet und mit demNötigsten vom Staat versorgt. Ein Freund vonihm hat einen Job bekommen. Schwarzarbeitfür 800 Euro im Monat, ohne freie Tage bei 10bis 12 Stunden täglich. Das ist ein Risiko. EinMigrant bekomme keinen legalen Job, sagtAhmad. Das ist auch in der Türkei undGriechenland so. Keiner will Flüchtlinge, zumAusbeuten sind sie dann aber doch gut genug.Trotz allem hofft Ahmad weiter. Auch, dass sieihn bleiben lassen. Vor ein paar Tagen hat ermir ein Video geschickt. Darauf sind seineEltern, die Geschwister und die Lehmhütte zusehen. „Sieh es Dir an“, sagt Ahmad. „Dannwirst Du verstehen, warum ich nicht zurückkann, sondern mich hier für meine Familiebemühen muss“.

Dirk Planert

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Interview: Ralf Wuppermann

Im letzten Rundbrief haben wir zwei Personenaus unserem Netzwerk interviewt. Wir setzendiese Reihe nun fort. Dieses Mal mit Ralf undAnke.

Ralf Wuppermann haben wir im letztenRundbrief kennen gelernt. Dort beschrieb er,wie er eine Palette Verbandsmaterial inLudwigshafen abgeholt hat.

Helmut Hardy (HH): Ralf, du bist seit siebenMonaten Mitglied im "Aachener Netzwerk fürhumanitäre Hilfe und interkulturelleFriedensarbeit e.V.". Wie bist du dazugekommen?

Ralf Wuppermann (RW): Sieben Monateschon? Gefühlt bin ich kürzlich erst eingetreten.Das liegt wahrscheinlich an den zahlreichen„alten Hasen“, die schon so lange im Netzwerkdabei sind und schon so viel bewegt haben.

Einer von den ganz alten Hasen ist wohl HeinzJussen. Wenn ich beim „Flame for Peace (FfP)“mitgelaufen bin, haben mich immer schon seineErzählungen von den Hilfsaktionen in denJugoslawien-Kriegen der 90er Jahre starkbewegt. Ich denke, Heinz und der FfP habenbei mir schon vor längerer Zeit den Grundstein

für den Eintritt in den Verein gelegt. Da wussteich es nur noch nicht.

Durch den Lauftreff LTB Aachen und dort vorallem durch dich, Helmut, bin ich in denVerteiler für den Rundbrief des AachenerNetzwerks „geraten“. Ich habe ihn immeraufmerksam gelesen und das war’s dann. Also,dann bin ich eingetreten.

HH: Nun ist es ja oft nicht leicht, sich ineinen gewachsenen Verein einzufinden. Wieempfindest du es?

„Learning by doing“ fällt mir da ein. Passt nichthundertprozentig, aber so ungefähr: meineersten Aktionen im Netzwerk waren gleichpraktisches Anpacken beim Klamottensortierenund beim Palettenverladen für denHilfstransport Anfang Februar nach Bihać.

Da habe ich gleich einen großen Teil des hartenAN-Kerns kennen gelernt und wir haben Handin Hand gearbeitet.

Mein erstes Plenum war dann bei Heinz inBelgien in der so genannten Werkstatt, einesehr schön umgebaute alte Scheune. Es wurdean diesem Termin ein neuer Vorstand gewähltund Heinz bekam die Ehrenmitgliedschaftverliehen.

Eine besondere Atmosphäre! Für michinsgesamt ein schönes Erlebnis und ich fühltemich gleich sehr gut aufgenommen.

HH: Was findest du an der aktuellen Arbeit ...spannend? wichtig?

RW: Unbürokratische Hilfe, die bei denenankommt, die sie benötigen! Das ist das, wasmich fasziniert. Winterkleidung sammeln, insKrisengebiet transportieren und dort an dieFrierenden verteilen ist ein einfaches, abergutes Beispiel.

Klar stimme ich mit dir, Helmut, überein, wenndu sagst, dass wir nicht einfach nur ein„Klamotten-Sammel-Verein“ sind. Klar gehörtauch konzeptionelle Arbeit dazu. Klar, dassimmer auch an einer Art „Leitbild“ für den Vereingearbeitet wird.

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Aber mein persönliches Ding ist eher daspraktische Anpacken.

HH: Der Verein hat eine lange Historie, er istmehr als ein Vierteljahrhundert alt. Sind dieThemen nicht schon lange überholt?

RW: Die Themen sind - leider - aktuell wie nie!Es ist schon eine traurige Ironie des Schicksals,dass genau an den Orten, wo in denJugoslawien-Kriegen der 90er Jahre Menschengetötet, verletzt, traumatisiert wurden, dass dortheute wieder Menschen in großer Not undLebensgefahr „gestrandet“ sind.

Es sind diesmal nicht die Einwohner selbst,sondern Flüchtende, die sich vor Krieg undBedrohung in ihren Heimatländern in Sicherheitbringen wollen und nun an der EU-Außengrenze quasi „im Zaun hängen“, wennich das mal etwas sarkastisch ausdrücken darf.

Was mich persönlich betrifft, so muss ichzugeben, dass ich die Not, die Kriege und dieKriegsverbrechen, die in den Neunzigern vorunserer Haustür in Ex-Jugoslawien stattfanden,damals kaum beachtet habe.

Erst in letzter Zeit habe ich mich, wohl auchdurch die Arbeit im Netzwerk, intensiver mit dendamaligen Ereignissen befasst. Und binerschrocken über mich selbst, dass ichVerbrechen wie den Völkermord von Srebrenicadamals nur sehr abstrakt wahrgenommen habe.

Für mich persönlich sind also selbst die „altenThemen“ nicht überholt, und darüber hinaussind die alten Themen tragischerweise wiederzu neuen Themen geworden.

HH: Und dann noch die übliche Frage ausdem Bewerbungsgespräch: Wo siehst duden Verein in 5 Jahren? Was möchtest dumit dem Verein bis dahin erreicht haben?

RW: Uff! Übliche und dennoch schwierigeFrage. Was mir spontan einfällt:

Vernetzung. Wichtiges Thema! Es scheint jadoch etliche Menschen zu geben, die irgendwiehelfen wollen, aber nicht so recht wissen, anwen sie sich wenden sollen. Das zeigt sich in

den umfangreichen Kleider- und Geldspenden,die eintrudeln, wenn wir dazu aufrufen. Und inden Anfragen und Spenden aus ganzDeutschland, speziell zur Hilfe vor Ort in Bihać.Vernetzung also konsequent weiter ausbauen!Aber da wärt ihr wohl auch ohne mich draufgekommen!?

Auch kein neuer Einfall, aber für mich wichtig:weiterhin Hilfe vor Ort. Die Idee mit dem Kaufeines „sicheren Hauses“ oder Safe House oderwie man das nennt in Bihać finde ichhervorragend. Flucht braucht Zuflucht.

Ok, so richtig visionär sind meine Ideen jetztnicht. Visionär wäre vielleicht:

Politisch daran arbeiten, dass die Flüchtendennicht mehr am EU-Grenzzaun hängen bleibenmüssen. Dass sie keine Zuflucht in einemkleinen Safe House suchen müssen, sondernsie im reichen und sicheren EU-Europabekommen.

Oder besser noch: Dass sie erst gar nicht mehrihre Heimatländer verlassen müssen, weil esdort wieder friedlich und sicher undauskömmlich ist.

Aber jetzt fange ich wohl an zu spinnen!?

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Interview: Anke Langenberg

Anke Langenberg hat zwischen zwei Studien-abschlüssen zwei (mittlerweile erwachsene)Kinder bekommen, arbeitet als Lehrerin undbetreut die Instagram- Seite des AachenerNetzwerks.

Helmut Hardy (HH): Anke, du bist seit zweiMonaten Mitglied im „Aachener Netzwerk fürhumanitäre Hilfe und interkulturelleFriedensarbeit e.V.“. Wie bist du dazugekommen?

Anke Langenberg (AL): Ich habe damit gerech-net, dass du das fragen würdest, denn ichwerde immer wieder danach gefragt, seitdemich in den Verein eingetreten bin. Ehrlichgesagt, hatte ich bisher keine Antwort parat, dieich in Kürze hätte geben können und jetzt, wosich mein Bild von der Arbeit festigt, versteheich, warum es so schwierig ist, eine kurzeAntwort zu formulieren. Es ist die Komplexitätder Aufgaben und Ereignisse. Ich habe deinePosts und E-Mails, die mir schon vor meinemEintritt zugesandt wurden, stets aufmerksamgelesen und es stellte sich schnell das Gefühlein, dass sich hier Menschen zusammenfinden,die in guter Absicht etwas voran bringen. Auch

wenn du es nicht hören willst, Helmut, es ist einbisschen auch das Vorbild der Familie Hardy,das mich inspiriert hat. Seit Jahren unterstütztihr eure erweiterte Familie in unkomplizierterWeise. Das schafft Vertrauen. Ich arbeite alsLehrerin an einer Hauptschule und habe dortmit vielen wunderbaren jungen Menschen ausden verschiedensten Ländern Europas und derWelt zu tun und ich sehe, dass dieUnterstützung, die Professionelle im Rahmenihrer beruflichen Möglichkeiten geben können,längst nicht ausreicht. Als im Februar nun derAufruf kam, dass ein Hilfstransport nach Bihaćorganisiert werden sollte und Leute zumPacken gesucht wurden, motivierte mich meineTochter Franka, mitzumachen. Sie sagte ohnezu zögern zu und ich klinkte mich ein. DieAktion hat mir viel Freude bereitet. Alles warsuper vororganisiert und auf unerklärlicheWeise unkompliziert. Vielleicht lag es auch hierwieder an den Menschen, die sich für die Aktionzusammentaten. Wir kannten einander nichtund doch lief alles wie geschmiert. Als dievielen Kartons tatsächlich in Bosnien eintrafen,wäre ich am liebsten hingefahren und hättegerne mit ausgeladen. Es sind Erlebnisse wiediese, die mich berühren. Ich habe 2018 inNamibia in einer Suppenküche gemeinsam mitmeiner namibischen Freundin Erica undanderen Helfer*innen Essen an bedürftigeKinder in Katutura, einem Township inWindhoek, verteilt. Damals fühlte ich michähnlich. Erica zögert nicht, sie handelt. Ich magdie Verbindung zu Menschen, die sich tatkräftigfür Zivilgesellschaft engagieren.

HH: Da rechnen wir uns zweifellos dazu.Gab es noch weitere Gründe?

AL: Ja, es gibt noch einen weiteren Punkt, dermeine Überlegung dem Verein beizutretenetwas diffus beflügelte. Es ist das ThemaEuropa. Ich habe die kriegerischen Bilder vonder Serie der Kriege auf dem Gebiet desehemaligen Jugoslawien noch erschreckendgut im Kopf. Den Verein „Aachener Netzwerk“habe ich immer in Zusammenhang mit einemfriedlichen, vereinigten Europa gesehen. DieProjekte „Flame for Peace“ und „Bina Mira“

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setzen seit Jahren ein Zeichen fürVerbundenheit in Europa. Es ist die Idee derVernetzung, die mich motiviert. Mit dem Namen„Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe undinterkulturelle Friedensarbeit“ kann ich mich100 %ig identifizieren. Ich fühle mich alsAachenerin, bin weltweit durch Freunde undFamilie vernetzt und verbunden undentsprechend an globalem, interkulturellemAustausch interessiert. Ich wünsche mir einehumane und friedliche Welt, denn Gewalt undKrieg sind in meinem inneren Programm nichtangelegt. Mir ist es unbegreiflich, dassMenschen sich bewusst Gewalt antun, dennmeine Erfahrungen sind durch mein friedvollesAufwachsen in einem Teil Europas, in dem seit70 Jahren Frieden herrscht, positiv geprägt.Wenn die Ursachen in den Vorprägungen derMenschen liegen, muss man hier ansetzen unddas bedeutet, sich zu verbinden undhumanitäre Hilfe zu leisten. Das möchte ichunterstützen!

HH: Nun ist es ja oft nicht leicht, sich ineinen gewachsenen Verein einzufinden. Wieempfindest du es?

AL: Gut, dass du das ansprichst. Ich habe michtatsächlich schwer getan. Corona und die damitverbundenen Einschränkungen haben dieSituation nicht gerade erleichtert. Mir fehlte dieMotivation für die Online-Treffen. Ich blockiertetagsüber mit meiner beruflichen Arbeit denWohnzimmertisch, mein Englischkurs, meineSystemische Weiterbildung, alles lief überZoom oder Skype und irgendwann wollte ichRuhe in meinem Haus haben, mit der Familiezusammen kochen, spielen und einfach malFreude haben. Ich las die Protokolle und mirfehlte der Punkt an dem ich andocken konnte.Alle wirkten kompetent, wissend, schon langemiteinander verwoben. Ich fühlte mich irgend-wie außen vor und hatte zunächst keine Idee,wo ich etwas tun konnte. Dann entstand dieFacebook-Seite und ich beobachtete, was sichhier bewegte. Ich weiß, dass man selbst etwastun muss, um aus Situationen, in denen manfesthängt, herauszukommen. Ich überlegte mir,dass zur Vollständigkeit auch Instagram als

soziales Medium eine Möglichkeit sein könnte,um auf die Vereinsarbeit und die Menschen aufder Flucht in den Wäldern Bosniens aufmerk-sam zu machen. Mit eher mäßigen Instagram-Kenntnissen wagte ich es, meine Unterstützunganzubieten und die Seite anzulegen und zubespielen. Seither hat sich meine Blockadegelöst und die Ferien sowie die wieder-erworbenen Möglichkeiten sich auch live zubegegnen haben mich nun noch näher an dieArbeit im Verein herangeführt.

HH: Was findest du an der aktuellen Arbeit ...spannend? wichtig?

AL: Ehrlich gesagt freue ich mich über und aufdie Begegnungen mit euch Aktiven und auf dieAktionen, bei denen ich meine Hände nutzenkann. Die zwei Treffen, denen ich bisherbeigewohnt habe, waren spannend, aber aucherstmal hilfreich, um mir ein Bild zu machen.Dirk Planert berichtete sehr bewegend vonseinen einstigen Erlebnissen in Bosnien undüber die aktuelle Arbeit von Zlatan und SOS-Bihać vor Ort. Der Nachmittag war aufwühlend,zugleich aber auch motivierend für diekommenden konkreten Hilfsaktionen. Unserletztes Treffen war für mich wirklich besonders,denn hier zeigte sich die Arbeit des Netzwerkeseindrucksvoll. Erstmalig registrierte ich, wieviele Verbindungen der Hilfe sich bereitsergeben haben. Heinz Jussen brachteanlässlich des Gedächtnisses an das Massakervor 25 Jahren in Srebrenica Zeitungsberichtevon seinem damaligen Hilfsgütertransport nachBosnien, zur eingekesselten bosnischen StadtTuzla, mit. Heinz ist Gründungsmitglied desVereins. Er berichtete an diesem Abend in allerRuhe und Stille von seinen Erlebnissen.

Verbunden mit den eindrucksvollen Erzäh-lungen von Dirk einige Tage zuvor wurde mirmit aller Deutlichkeit bewusst, dass ein Kriegauf europäischem Boden niemals wiedergeschehen darf! Der Verein verdient denNamen wegen seiner Wurzeln in der sowichtigen Friedensarbeit und humanitären Hilfeauf allen Ebenen! Bisher passiert ganz viel in

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meinem Kopf. Ich hoffe, dass ich bald mitmeinen Händen helfen und handeln kann.

HH: Der Verein hat eine lange Historie, er istmehr als ein Vierteljahrhundert alt. Sind dieThemen nicht schon lange überholt?

AL: Die Themen werden niemals überholt sein.Ich glaube, wenn wir nicht endlich anfangenzusammenzuhalten und gemeinsam für Europaund für den Frieden auf der Welt einstehen, unsverbunden fühlen und für jeden, der humanitäreHilfe braucht, etwas tun, dann zerfällt dieeuropäische Idee in viele kleine starreMiniaturen. Wenn jeder sein eigenes Süppchenkocht und nicht mehr auf das große Ganzeschaut, dann hilft das auch denjenigen nicht,die sich kleinbürgerlich abgrenzen. Ich denke,die Arbeit ist gerade im Moment, wo Menschenin absurder Weise bedroht werden, ganzbesonders wichtig.

HH: Und dann noch die übliche Frage ausdem Bewerbungsgespräch: Wo siehst duden Verein in 5 Jahren?

AL: Hm. Das beantworte ich in einem Jahr,wenn hoffentlich Corona unser Leben wenigerbestimmt als zur Zeit. Heute kann ich nursagen, was ich mir wünsche. Ich wünsche mireine friedliche und kontroverse Auseinander-setzung, ich wünsche mir Verbundenheit mitnoch viel mehr anderen Projekten und Vereinenund ich wünsche mir, dass wir Oldies vielejunge Menschen für unsere Arbeit gewinnenwerden. Vielleicht kann ich helfen, Ideengerade dafür zu schmieden, denn als Lehrerinkenne ich die Bedürfnisse der Jugend. Aktuellfreue ich mich auf die Vorbereitung desnächsten Hilfstransports nach Bihać und auf dieTreffen mit euch nach den Ferien.

HH: Was möchtest du mit dem Vereinerreichen?

AL: Da gibt es etwas, was im Moment wenigerreichbar zu sein scheint, denn ich wünschemir, dass Transporte nach Bihać oder sonstwohin irgendwann nicht mehr notwendig seinwerden und die Europäische Gemeinschaftetwas für die vielen Geflüchteten in oder

außerhalb der Grenzen Europas tut. Ichwünsche mir, dass im Mittelmeer kein Menschmehr ertrinken muss und die Not und die Kriegeauf der Welt ein Ende finden. Für unsere Arbeitals Verein wünsche ich mir, dass wir einenBeitrag für all das leisten können.

Anke und ihre Tochter Franka

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Beitrittserklärung

Antrag auf Mitgliedschaft im„Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfeund interkulturelle Friedensarbeit e. V.“

Hiermit beantrage ich meine Mitgliedschaft im „Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit e. V.“!

Mit meiner Mitgliedschaft erkläre ich die Satzung des oben genannten Vereins als für mich verbindlich!

Name: __________________________

Vorname: __________________________

Straße: __________________________

PLZ: ______ Ort: ____________________

E-Mail: __________________________

Telefon: __________________________

Ein Mitgliedsbeitrag wird nicht erhoben.

Im Falle einer finanziellen Unterstützung überweise(n) ich (wir) den entsprechenden Betrag auf das Konto IBAN DE21 3905 0000 0000 3170 08, BIC AACSDE33XXX bei der SK Aachen.

Persönliche Daten werden bei uns natürlich gespeichert, nur für vereinsinterne Zwecke verwendet und nicht an Dritte weiter gegeben. Mehr darüber in unserer Datenschutzerklärung.

Ort, Datum: ________________________

Unterschrift: ________________________

Impressum

Diesen Rundbrief erhalten alle Mitglieder undAbonnentInnen.

Wir freuen uns über jeden und jede, der/dieInteresse an unserem Rundbrief hat! Wer alsojemanden kennt, der/die sich für unsere Arbeitinteressiert: eine kurze E-Mail [email protected] reicht.Und auch wer den Rundbrief nicht mehrerhalten möchte schicke bitte einfach eineformlose E-Mail an [email protected].

Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe undinterkulturelle Friedensarbeit e.V.

Büro:Welthaus AachenAn der Schanz 152064 AachenTel. +49 241 89 43 86 00

Internet:http s ://www.Aachener-Netzwerk.de

Vereinsadresse:c/o Helmut HardyIm Grüntal 18a52066 AachenTel. +49 241 97 01 38

Das Aachener Netzwerk ist gemeinnützig undSpenden sind deshalb steuerlich absetzbar.Unser Spendenkonto ist:

Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe undinterkulturelle Friedensarbeit e.V.

Sparkasse AachenIBAN DE21 3905 0000 0000 3170 08BIC AACSDE33XXX