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6. Zusammenfassende Diskussion
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6 Zusammenfassende Diskussion
Im Folgenden wird für die Vielzahl der berichteten Ergebnisse eine zusammen-
fassende Diskussion vorgenommen. Dabei wird zunächst auf die Stichproben,
die Skalenanalyse und die Testgüte der Untersuchung Bezug genommen. An-
schließend werden die einzelnen Ergebnisse der in Kapitel 3 aufgeworfenen
Fragestellungen diskutiert, um zu ermitteln, ob die Fragen zufriedenstellend
beantwortet werden konnten. Des Weiteren soll geklärt werden, inwiefern die
Ergebnisse mit den derzeitig vorliegenden Befunden anderer empirischer Unter-
suchungen übereinstimmen und welche Erkenntnisse die Grundlage für eine
neue Theorie bzw. für ein neues methodisches Vorgehen bilden könnten. Ab-
schließend werden die Einschränkungen dieser Studie, eine Zusammenfassung
und einige abschließende Bemerkungen dargelegt.
6.1 Stichproben
In der vorliegenden Arbeit wurden insgesamt zwei Erhebungen, zum einen mit
dem Situationsfragebogen zur Erfassung der Einflusstaktiken (SEE) und zum
anderen mit dem Situationsfragebogen zur Erfassung der Präferenzordnung der
Auszahlungen (SEP) durchgeführt. In diesem Abschnitt sollen die Stichproben-
merkmale beider Teilstudien erörtert werden, um Aussagen über die interne Va-
lidität der Untersuchungen abzuleiten.
SEE-Stichprobe
Mit dem SEE wurden insgesamt 370 zwischen 18 und 68 Jahre alte Upn. be-
fragt. Das Durchschnittsalter betrug 31 Jahre, wobei die Männer gegenüber den
Frauen geringfügig überrepräsentiert waren. Das Durchschnittsalter anderer em-
pirischer Untersuchungen lag zwischen 27 (vgl. Blickle, 1996, S. 151) und 44
(vgl. Vigoda & Cohen, 2002, S. 316) Jahre. Im Gegensatz zu dieser Unter-
suchung sind bei vielen anderen Untersuchungen die männlichen Upn. deutlich
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überrepräsentiert (vgl. u. a. Blickle, 2003a, S. 8; Blickle 2003b, S. 43; Blickle,
1996, S. 151; Blickle 1995, S. 252; Kipnis, Schmidt & Wilkinson, 1980, S. 441).
In der vorliegenden Untersuchung mit dem SEE besaßen mehr als die Hälfte der
Upn. eine Hochschulreife. Das hohe Bildungsniveau ist allerdings sehr häufig in
Untersuchungen zur Erfassung von Einflusstaktiken zu beobachten (vgl. u. a.
Blickle, 2003a, S. 8; Blickle, 2003c, S. 653).
Bei der vorliegenden Untersuchung wurden außerdem Upn. aus allen beruf-
lichen Stellungen mit oder ohne Führungsverantwortung befragt. Die Führungs-
verantwortung und die beruflichen Stellung wurden in anderen Untersuchungen
i. d. R. nicht erfasst und berichtet. Viele Studien gaben lediglich an, dass es sich
bei den Upn. um Mitarbeiter unterschiedlicher Unternehmen (vgl. u. a. Steen-
sma, Jansen & Vonk, 2003, S. 50; Farmer, Maslyn, Fedor & Goodman, 1997, S.
27; Rao, Schmidt & Murray, 1995, S. 155) oder Studierende (vgl. u. a. Knip-
penberg, Eijbergen & Wilke, 1999, S. 236; Aguinis, Nesler, Hosoda & Tedeschi,
1993, S. 431; Wunderer & Weibler, 1992, S. 523; Kipnis, Schmidt & Wilkinson,
1980, S. 441) handelte.
Die Rücklaufquote der Gelegenheitsstichprobe bei der Erhebung mit dem SEE
betrug 37 % und war somit geringer als bei der Erhebung mit dem SEP (79 %).
Dies lag vermutlich am deutlich größeren Umfang des Fragebogens. Einige
Upn. tendierten wahrscheinlich aufgrund der Menge der Fragen bzw. Situations-
beschreibungen dazu, die Beantwortung vorzeitig abzubrechen.
Eine Vielzahl vergangener deutschsprachiger bzw. angloamerikanischer Unter-
suchungen, welche sich mit der Erfassung von Einflusstaktiken beschäftigten,
hatten ebenfalls ein nicht randomisiertes Erhebungsdesign gewählt (vgl. Blickle,
2003b, S. 51; Blickle & Gönner, 1999, S. 37; ; Blickle et al., 1997, S. 49;
Blickle, 1995, S. 251; Yukl & Tracy, 1992, S. 534). Blickle et al. (1997, S. 59)
erzielten bei ihren Gelegenheitsstichproben Rücklaufquoten zwischen 25 % und
85 %. Vigoda und Cohen (2002, S. 316) erreichten mit 343 israelischen
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Arbeitern und Angestellten eine sehr zufriedenstellende Rücklaufquote von zir-
ka 88 %. Die deutschsprachige Pilotstudie von Blickle (1995, S. 252), welche
ebenfalls eine Gelegenheitsstichprobe heranzog, konnte in etwa gleichem Um-
fang (N = 342) und einer Rücklaufquote von 54 % äquivalente Rekrutierungs-
erfolge aufweisen, wobei sich die Erhebung, wie bei vielen anderen Studien
auch, im Gegensatz zur vorliegenden Untersuchung über fast ein Jahr erstreckte.
Um sicherzustellen, dass bei den hypothesenbasierten Gruppenvergleichen der
Einfluss nicht auf personenbezogene Variablen zurückzuführen ist, galt es zu
berücksichtigen, dass die Kontrollvariablen wie z. B. das Geschlecht annähernd
gleich verteilt den beiden Experimentalgruppen „SEE-K“ und „SEE-OK“ zuge-
ordnet wurden. Falls dies nicht der Fall wäre, könnten die in den Hypothesen H5
und H6 prognostizierten Unterschiede im Einflussverhalten, also den abhängigen
Variablen „rationales Argumentieren“ und „Manipulation“, auf die personenbe-
zogene Zusammensetzung der Stichprobe zurückzuführen sein (vgl. Bortz &
Döring, 2003, S. 57 f.). Aus diesem Grund werden in Kapitel 4.1.3.2 die Ver-
teilungen der Kontrollvariablen zwischen den beiden Experimentalgruppen
„SEE-K“ und „SEE-OK“ verglichen. Es stellte sich heraus, dass alle Kontroll-
variablen annähernd gleich in den Experimentalgruppen verteilt sind und es
somit wenig wahrscheinlich ist, dass personenbezogene Variablen die Ergeb-
nisse der Hypothesen H5 und H6 beeinträchtigten (s. Kap. 4.1.3.2).
Zusammenfassend ist anzumerken, dass die Ergebnisse der Erhebung mit dem
SEE aufgrund der Stichprobenzusammensetzung durchaus verallgemeinbar sind.
Die Stichprobe verfügte über ein breites Altersspektrum und ein ausgewogenes
Geschlechterverhältnis. Es wurden alle Bildungsniveaus erfasst, wobei das Bil-
dungsniveau sehr hoch war. Die Rücklaufquote war im Vergleich zu anderen
empirischen Untersuchungen ebenfalls zufriedenstellend.
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SEP-Stichprobe
Mit dem SEP wurden insgesamt 153 zwischen 17 und 64 Jahre alte Upn. be-
fragt. Das Durchschnittsalter betrug knapp 34 Jahre, wobei die Männer gegen-
über den Frauen auch bei dieser Erhebung geringfügig überrepräsentiert waren.
Die Rücklaufquote betrug 79 % und war somit sehr zufriedenstellend. Die Stich-
probe, welche mit dem SEP erhoben wurde, wies ansonsten keine weiteren Be-
sonderheiten auf.
Aufgrund des breiten Altersspektrums und des ausgewogenen Geschlechterver-
hältnisses der Upn. kann bei der Untersuchung mit dem SEP ebenfalls davon
ausgegangen werden, dass die Ergebnisse verallgemeinbar sind.
6.2 Skalenanalyse
Bei vielen inferenzstatistischen Verfahren sollten gemäß Bortz und Döring
(2003, S. 217) bestimmte Skaleneigenschaften erfüllt sein. Bei den Skalen han-
delte es sich um die in der vorliegenden Arbeit herangezogenen neun Einfluss-
taktiken „rationales Argumentieren“, „Austausch anbieten“, „Druck ausüben“,
„charismatische Floskeln“, „Manipulation“, „übergeordnete Instanzen einschal-
ten“, „Koalitionen bilden“, „einschmeicheln“ und „beraten lassen“ (s. Kap.
2.2.2.1). Da bei der Erhebung mit dem SEE ausschließlich inferenzstatistische
Verfahren zur Hypothesenprüfung herangezogen wurden, wurden die Skalen der
oben genannten Einflusstaktiken einer Skalenanalyse unterzogen. Bei der Unter-
suchung mit dem SEP, mit welchem die Präferenzordnung bezüglich der Aus-
zahlungen des Spiels erfasst wird, wurde hingegen keine Skalenanalyse durch-
geführt, da für diese Untersuchung keine inferenzstatistischen Verfahren ver-
wendet wurden.
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Normalverteilung
Zunächst stellte sich heraus, dass alle zur Hypothesenprüfung herangezogenen
Einflussskalen bis auf die Einflusstaktik „Manipulation“ normal verteilt waren.
Da die Einflusstaktik „Manipulation“ durch eine relativ große Stichprobe (N =
363) ermittelt wurde, ist eine Normalverteilung für inferenzstatistische Testver-
fahren allerdings nicht zwingend erforderlich, da eine Verletzung der Normal-
verteilung durch eine hinreichend große Stichprobe kompensiert werden kann
(vgl. Bortz, 2005; Bortz & Döring, 2003, S. 217).
Schwierigkeit
Des Weiteren wurde deutlich, dass alle neun Einflusstaktiken eine zufrieden-
stellende durchschnittliche Schwierigkeit (0.2 < P < 0.8) aufwiesen, wobei die
Einflusstaktik „rationales Argumentieren“ bei den vier Konvergenzspiel-Situa-
tionen eine über den von Zöfel (2003, S. 235) und Mummendey (1999, S. 73)
empfohlene maximale Schwierigkeit besaßen. Die Eliminierung dieser vier
Items würde bedeuten, dass die Einflusstaktik „rationales Argumentieren“ auf-
grund der hohen Einsatzhäufigkeit bei den gesamten Konvergenzspiel-Situa-
tionen unberücksichtigt bliebe.
Eine Eliminierung dieser Items wurde nicht vorgenommen, da die durchschnit-
tliche Schwierigkeit zufriedenstellend war (s. Kap. 4.2.1.2) und die Einfluss-
taktik „rationales Argumentieren“ grundsätzlich die am häufigsten herange-
zogene und somit eine „sehr leichte“ Einflusstaktik ist (vgl. u. a. Rao, Schmidt
& Murray, 1995; Yukl & Tracey, 1992; Barry und Bateman, 1992; Wunderer &
Weibler, 1992; Yukl & Falbe, 1990).
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Trennschärfe
Für alle neun Einflusstaktiken kann die durchschnittliche Trennschärfe als zu-
friedenstellend beurteilt werden. In Anlehnung an Weise (1975, zit. n. Bortz &
Döring, 2003, S. 219) besaßen alle neun Einflusstaktiken eine hohe Trenn-
schärfe.
Gesamttest-Homogenität
Abschließend wurde die Gesamttest-Homogenität und somit die Interkorrelation
aller im Test befindlichen neun Einflusstaktiken bestimmt. Die Gesamttest-
Homogenität sollte bei mehrdimensionalen Instrumenten in Anlehnung an Bortz
und Döring (2003, S. 220) nicht zu hoch ausfallen. Es stellte sich heraus, dass
die Gesamttest-Homogenität im unteren von Briggs und Cheek (1986; zit. n.
ebd.) empfohlenen Akzeptanzbereich (0.2 < r < 0.4) lag und somit aufgrund der
prognostizierten Mehrdimensionalität (weiche versus harte Einflussstrategie)
ebenfalls zufriedenstellend ausfiel.
6.3 Gütekriterien
Im Folgenden soll zusammenfassend auf die Gütekriterien der beiden Instru-
mente „SEE“ und „SEP“ eingegangen werden.
Objektivität
Sowohl beim SEE als auch beim SEP kann von einer hinreichend akzeptablen
Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität ausgegangen wer-
den, da beide Fragebogeninstrumente hinreichend standardisiert waren (s. Kap.
4.2.2.1 und 5.2.1.1).
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Reliabilität
SEE
Beim SEE wurde die Reliabilität der Einflussskalen durch eine Konsistenzanaly-
se, eine Test-Retest-Reliabilitätsanalyse und durch eine Paralleltest-Reliabilitäts-
analyse ermittelt. Bei der Konsistenzanalyse wurde deutlich, dass alle Alphako-
effizienten bei den neun Einflusstaktiken, bei der Gesamtskala „Einflussnahme“
und bei den beiden Skalen „harte“ und „weiche Einflussstrategie“ sich über dem
von Eckstein (2004, S. 305) empfohlenen Referenzwert ( = .60) befanden.
Bei der Ermittlung der Test-Retestreliabilität konnte festgestellt werden, dass die
zur Hypothesenprüfung herangezogenen Skalen „Gesamt-Einflussnahme“, „wei-
che Einflussstrategie“ und „rationales Argumentieren“ einen signifikanten posi-
tiven Test-Retest-Reliabilitätskoeffizienten aufwiesen. Bei der Einflusstaktik
„Manipulation“ und bei der harten Einflussstrategie konnte aufgrund der kleinen
Stichprobe ein nicht signifikanter aber dennoch positiver Test-Retest-Reliabili-
tätskoeffizient (größer als r = .30) ermittelt werden. Im Allgemeinen ist davon
auszugehen, dass die zur Hypothesenprüfung herangezogenen Einflussskalen
über die Zeit hinweg nur bedingt stabil sind. Die Einflusstaktik „charismatische
Floskeln“ scheint nicht über die Zeit hinweg stabil zu sein. Der Einsatz dieser
Einflusstaktik kann sich im Laufe der Zeit sehr stark verändern. In Bezug auf die
Stabilität handelt es sich bei der Einflusstaktik „charismatische Floskeln“ nicht
grundsätzlich um ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal. Somit wird deutlich, dass
die Stabilität zwischen den unterschiedlichen Einflusstaktiken schwankt und
daher nur bedingt gegeben ist.
Des Weiteren wurde der Paralleltest-Reliabilitätskoeffizient unter der Berück-
sichtigung des Spiel- und Kontexttyps bestimmt. Durch die Ermittlung der
Paralleltest-Reliabilität kann untersucht werden, ob bei gleichen situativen
Bedingungen eine Verhaltenskonsistenz in Bezug auf die Einflussnahme be-
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steht. Somit wird davon ausgegangen, dass bei zwei aus der spieltheoretischen
Sicht einheitlichen Situationen der Einsatz von Einflusstaktiken bzw. -strategien
konsistent ist – in zwei identischen Situationen werden somit auch identische
Einflusstaktiken herangezogen. Es konnten für die zur Hypothesenprüfung her-
angezogenen Einflussskalen zufriedenstellende Reliabilitätskoeffizienten ermit-
telt werden, wobei bei den intraorganisationalen Konvergenzspielen einige Ko-
effizienten sehr gering ausfielen. Somit kann allgemein davon ausgegangen
werden, dass eine Verhaltenskonsistenz bei identischen Situationsbedingungen
gegeben ist.
SEP
Die Reliabilität wurde beim SEP durch die Ermittlung der Test-Retestreliabilität
(Stabilität) und der Paralleltestreliabilität (Äquivalenz) überprüft. Es stellte sich
heraus, dass alle abhängigen Variablen eine zufriedenstellende Test-Retest-
relibilität besaßen und somit über die Zeit hinweg moderat stabil waren. Bei der
Überprüfung der Paralleltestreliabilität wurden ähnlich zufriedenstellende Er-
gebnisse erzielt. Eine Ausnahme ergab sich allerdings bei der Reaktionssituation
C des Gefangenendilemmas (s. Anhang D), in welcher die Upn. die Auszahlung
des Spiels einschätzen sollten, wenn beide Spieler kooperativ handeln. Diese
Reaktionssituation wies eine nicht zufriedenstellende Paralleltestreliabilität auf.
Validität
Beim SEE wurde des Weiteren die Validität durch die Überprüfung der Inter-
korrelationen der Einflusstaktiken, einer Faktorenanalyse und durch eine Ex-
pertenbefragung bestimmt. Bei der Überprüfung der Interkorrelationen der
einzelnen neun Einflusstaktiken konnte festgestellt werden, dass 9 der insgesamt
36 vorliegenden Interkorrelationskoeffizienten, die von Kipnis, Schmidt und
Wilkinson (1980, S. 448) empfohlene maximale Skaleninterkorrelation (r > .36)
überstiegen. Allerdings sind acht der neun sehr hohen Interkorrelationen auf vier
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Einflusstaktiken, welche bei einer Faktorenanalyse der harten Einflussstrategie
zugeordnet wurden, zurückzuführen. Am stärksten korrelierten hierbei die bei-
den harten Einflusstaktiken „übergeordnete Instanzen einschalten“ und „Koali-
tionen bilden“. In Anlehnung an Blickle (2003a) handelt es sich bei diesen
beiden Einflusstaktiken um indirekte Einflusstaktiken, welche über Dritte aus-
geübt werden (s. Kap. 2.2.2.2). Diese Gemeinsamkeit spricht ebenfalls für eine
hohe Interkorrelation. Weiterhin wurde eine hohe Interkorrelation zwischen den
beiden auf Emotionen beruhenden (s. Kap. 2.2.2.1) und somit inhaltlich
ähnlichen Einflusstaktiken „charismatische Floskeln“ und „einschmeicheln“
ermittelt. Bei einer weiteren Optimierung des Instruments könnte gegebenenfalls
eine Zusammenfassung dieser Skalen vorgenommen werden.
In Kapitel 2.2.2.2 wurde bereits deutlich, dass viele Autoren zwischen harten
und weichen Einflusstaktiken differenzierten. Bei einer Faktorenanalyse wur-
den in der vorliegenden Arbeit ebenfalls zwei Faktoren „harte“ und „weiche
Einflussstrategie“ extrahiert. Zur weichen Einflussstrategie wurden die Ein-
flusstaktiken „rationales Argumentieren“, „Austausch anbieten“, „charisma-
tische Floskeln“, „einschmeicheln“ und „beraten lassen“ und zur harten Ein-
flussstrategie die Einflusstaktiken „Druck ausüben“, „Manipulation“, „überge-
ordnete Instanzen einschalten“ und „Koalitionen bilden“ zugeordnet. Alle
Einflusstaktiken luden moderat hoch auf ihrem jeweiligen Faktor, wobei die
weichen Einflusstaktiken „charismatische Floskeln“, „einschmeicheln“ und
„Austausch anbieten“ bedeutsame Fehlladungen auf dem Faktor „harte Ein-
flussstrategie“ aufwiesen. Ein möglicher Grund hierfür könnte sein, dass diese
Einflusstaktiken nicht grundsätzlich nur einer dieser beiden Faktoren zuge-
ordnet werden können (vgl. u. a. Farmer, Maslyn, Fedor & Goodman, 1997, S.
20 ff.; Kipnis & Schmidt, 1985, S. 42).
Farmer, Maslyn, Fedor und Goodman (1997) ordneten beispielsweise die Ein-
flusstaktik „exchange“ (Austausch anbieten) sowohl der weichen als auch der
harten Einflussstrategie zu. Kipnis und Schmidt (1985, S. 42) ordneten u. a. die
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Einflusstaktik „bargaining“, welche der Einflusstaktik „Austausch anbieten“ der
vorliegenden Arbeit entspricht, einer dritten „rationalen Strategie“ zu (s. hierzu
auch Kap. 2.2.2.2). Blickle (2003a) legte ebenfalls das dreifaktorielle Modell
mit dem dritten Faktor „rationale Strategie“ zugrunde. Der rationalen (Basis-
)Strategie wurden die Einflusstaktiken „Austausch anbieten“ und „rationales
Argumentieren“ zugeordnet. In Anlehnung an die Faktorenanalyse wird aller-
dings in der vorliegenden Arbeit das zweifaktorielle Modell (s. Kap. 2.2.2.2)
mit den beiden Faktoren „harte“ und „weiche Einflussstrategie“ dem dreifaktor-
iellen Modell vorgezogen, da bei der Faktorenanalyse lediglich zwei Faktoren
extrahiert wurden (s. Kap. 4.2.2.3.2).
Um zu prüfen, ob die Zuordnung der Einflusstaktiken zu den beiden Faktoren
„harte“ und „weiche Einflussstrategie“ auch inhaltlich valide ist, wurde eine
Expertenbefragung durchgeführt. Hierbei wurde untersucht, ob die Einschät-
zungen der Experten im Einklang mit den Ergebnissen der Faktoranalyse stehen.
Es konnte festgestellt werden, dass die aus der Faktorenanalyse erzielte Zu-
ordnung der neun Einflusstaktiken zu den beiden Einflussstrategien im Einklang
mit den Einschätzungen der Experten standen. Somit konnte sowohl eine fak-
torielle als auch inhaltliche Validität festgestellt werden.
Zur Überprüfung der Konstruktvalidität wurden des Weiteren zwei Validie-
rungshypothesen aufgestellt, welche in Abschnitt 6.4.3 diskutiert werden. Wie-
terhin wurden diverse spieltheoretische Hypothesen aufgestellt und überprüft,
um zu untersuchen, ob die im Erhebungsinstrument SEE dargebotenen Situati-
onsbeschreibungen tatsächlich die spieltheoretische Form eines Gefangenen-
dilemmas bzw. Konvergenzspiels annehmen. Die Diskussion dieser Hypothesen
erfolgt ausführlich im Abschnitt 6.4.5.
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6.4 Hypothesenprüfung
Im Folgenden werden die Ergebnisse der in Kapitel 3 aufgeworfenen Fragen
diskutiert. Hierbei werden in Anlehnung an Kapitel 3 zunächst die Ergebnisse
der situationsabhängigen Unterschiedshypothesen (s. Kap. 4.2.4), der personen-
abhängigen Unterschiedshypothesen (s. Kap. 4.2.5), der Validierungshypothesen
(s. Kap. 4.2.6), der Linearen Strukturgleichungsanalyse (s. Kap. 4.2.7) und
anschließend der spieltheoretischen Hypothesen (s. Kap. 5.2.3) aufgegriffen, um
zu prüfen, inwiefern die Hypothesen (s. Kap. 3) bestätigt werden konnten.
6.4.1 Situationsabhängige Unterschiedshypothesen
Im Folgenden werden die Ergebnisse bezüglich der vermuteten Unterschiede,
welche aufgrund:
(1) des Spieltyps und
(2) des Kontexttyps
auftreten, ausführlich diskutiert.
(1) Unterschiede im Bezug zum Spieltyp
Bei den Hypothesen H1 und H2 wurde prognostiziert, dass in Gefangenen-
dilemma-Situationen häufiger die harte und in Konvergenzspiel-Situationen
häufiger die weiche Einflussstrategie herangezogen wird. Der Grund für diese
unterschiedlichen Verhaltensweisen des Beeinflussenden liegt in der vom Be-
einflussenden vermuteten Handlung (kooperative vs. nicht kooperative Hand-
lung) seitens des Einflussadressaten (s. Kap. 2.1.2). In Anlehnung an Stegbauer
ist ein Akteur in der Lage, „die aus der Perspektive des anderen sich ergebenen
Erwartungen zu erkennen“ (2002, S. 32) und somit die Handlung des
Interaktionspartners einzuschätzen (s. Reziprozität der Perspektive in Kap.
2.1.2.2).
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In dieser Arbeit wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass ein Spiel, in
dem kooperative Handlungspräferenzen dominieren, kooperativ ist und ein
Spiel, in dem die nicht kooperativen Handlungspräferenzen dominieren, nicht
kooperativ ist. In einem Gefangenendilemma ist ein Akteur im Gegensatz zum
Konvergenzspiel dazu geneigt, die nicht kooperative Handlung zu wählen (s.
Kap. 2.3.4). Somit handelt es sich bei einem Gefangenendilemma um ein nicht
kooperatives und bei einem Konvergenzspiel um ein kooperatives Spiel (s. Kap.
2.3.2.2).
Wie eben erläutert wurde, müssen die Beeinflussenden einschätzen, ob sie sich
in einer kooperativen oder nicht kooperativen Situation befinden, also ob der
Einflussadressat vermutlich kooperativ oder nicht kooperativ handelt. Um den
Einflussadressaten zu überzeugen, dass er die kooperative Handlung wählt,
wird in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen, dass in einer kooperativen
Situation vom Beeinflussenden vermutlich häufiger kooperative Einflusstak-
tiken herangezogen werden, als in nicht kooperativen Situationen.
In Anlehnung an Wunderer und Weibler (1992, S. 522) handelt es sich bei den
in dieser Arbeit herangezogenen weichen Einflusstaktiken um Kooperations-
strategien (s. Kap. 2.2. 2.1). Folglich müssten diese kooperativen Strategien
häufiger in Konvergenzsituationen eingesetzt werden als in Gefangenendilem-
mata. Dieser Sachverhalt wird in der Hypothese H2 deutlich. In einer nicht ko-
operativen Situation werden hingegen häufiger nicht kooperative, also harte
Einflusstaktiken von den Akteuren eingesetzt (Hypothese H1), da die Beeinflus-
senden möglicherweise den Wunsch haben, den Einflussadressaten zu schä-
digen (vgl. Knippenberg, Eijbergen & Wilke, 1999, S. 241).
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen sehr deutlich, dass in Gefan-
genendilemma-Situationen häufiger die harte und in Konvergenzspiel-Situa-
tionen häufiger die weiche Einflussstrategie herangezogen wurde (s. Kap. 4.2.4).
Auf Basis der individuellen Einflusstaktiken konnte durch eine anschließende
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explorative Datenalyse (s. Kap. 4.2.4) festgestellt werden, dass insbesondere die
beiden harten Einflusstaktiken „übergeordnete Instanzen einschalten“ und „Ma-
nipulation“ in nicht kooperativen Gefangenendilemma-Situationen bevorzugt
wurden. Die Einflusstaktik „Koalitionen bilden“ wurde entgegen der Prognose
bevorzugt in Konvergenzspiel-Situationen eingesetzt. Dies könnte daran liegen,
dass die Einflusstaktik „Koalitionen bilden“ nicht immer eindeutig der harten
Einflussstrategie zugordnet werden konnte. Farmer, Maslyn, Fedor und Good-
man (1997, S. 20 ff.) definierten beispielsweise die Einflusstaktik „coalition“
(Koalitionen bilden) sowohl als harte als auch als weiche Einflusstaktik (s. Kap.
2.2.2.2).
Bei den weichen Einflusstaktiken konnte festgestellt werden, dass die vier
weichen Einflusstaktiken „rationales Argumentieren“, „beraten lassen“, „charis-
matische Floskeln“ und „einschmeicheln“ bevorzugt in kooperativen Konver-
genzspiel-Situationen herangezogen wurden. Lediglich die Einflusstaktik „Aus-
tausch anbieten“ wurde annähernd gleich häufig in den beiden unterschiedlichen
Situationen eingesetzt. Dies könnte wiederum daran liegen, dass die Einfluss-
taktik „exchange“ (Austausch anbieten) von einigen Autoren als eine weiche,
harte oder sogar rationale Einflusstaktik definiert wurde (ebd., S. 23).
Knippenberg, Eijbergen und Wilke (1999, S. 241) konnten ebenfalls belegen,
dass weiche Einflusstaktiken häufiger in kooperativen und harte Einfluss-
taktiken häufiger in nicht kooperativen Situationen herangezogen werden (s.
Kap. 2.2.2.4). Somit stimmen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung
mit den derzeit vorliegenden Befunden überein, wobei im Gegensatz zu
Kirchlers Untersuchung (s. Kap. 2.2.2) die Konfliktart, welche in der vorlie-
genden Arbeit durch den Spieltyp bestimmt wurde, allerdings nicht in den
Hintergrund trat. Der Spieltyp bestimmt demzufolge ausschlaggebend, welche
Einflusstaktiken die Akteure bevorzugt heranziehen.
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(2) Unterschiede im Bezug zum Kontexttyp
Bei der Hypothese H3 wurde davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter innerhalb
einer wirtschaftlichen Organisation weniger häufig die harte Einflussstrategie
heranziehen als dies bei Geschäftspartnern aus jeweils unterschiedlichen wirt-
schaftlichen Organisationen der Fall ist. Die Mitarbeiter innerhalb einer wirt-
schaftlichen Organisation begegnen sich häufiger als Akteure unterschiedlicher
Organisationen. Hierdurch ist die Wahrscheinlichkeit eines wiederholten Spiels
bei Mitarbeitern innerhalb einer wirtschaftlichen Organisation größer als bei
Geschäftspartnern. Die Möglichkeit einer Spielwiederholung trägt in Anlehnung
an Knippenberg und Steensma (2003, S. 65) dazu bei, dass die involvierten
Akteure weniger harte Einflusstaktiken einsetzen, als wenn dies nicht der Fall ist
(s. Kap. 2.2.2.4). Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass bei einer stei-
genden Wahrscheinlichkeit einer Spielwiederholung auch die Kooperation
zwischen den Akteuren steigt (vgl. Murnighan & Roth, 1983, S. 299).
In der vorliegenden Arbeit konnte festgestellt werden, dass in interorganisa-
tionalen Situationen häufiger auf die harte Einflussstrategie zurückgegriffen
wurde als in intraorganisationalen also innerbetrieblichen Einflusssituationen (s.
Kap. 4.2.4). Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den Befunden von
Bruins (1999, S. 11) und Farmer, Maslyn, Fedor und Goodman (1997), welche
herausfanden, dass externe Akteure in Unternehmen häufiger harte Einfluss-
taktiken einsetzten als interne Akteure.
Auf Basis der individuellen Einflusstaktiken wurde durch eine explorative
Datenanalyse deutlich (s. Kap. 4.2.4), dass insbesondere die harte Einflusstaktik
„Koalitionen bilden“ bevorzugt in interorganisationalen Situationen herange-
zogen wurde. Vermutlich erweist sich eine Koalitionsbildung z. B. mit Kollegen
aus der eigenen Organisation als eine effektivere Taktik zur erfolgreichen
Beeinflussung von externen Akteuren, als gegenüber internen Akteuren. Dies
könnte damit zusammenhängen, dass die internen Akteure weniger Bedenken
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haben, sich mit einem/mehreren internen Akteur/en zusammenzuschließen, um
gegen einen externen Akteur zu koalieren als dies der Fall ist, wenn der Zu-
sammenschluss gegen einen Akteur aus der eigenen Organisation gerichtet ist.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass externe Akteure eher bereit sind,
harte Einflusstaktiken einzusetzen, um damit die eigenen Interessen durchzu-
setzen und möglicherweise den Einflussadressaten zu schädigen (s. Kap.
2.2.2.4), als interne Akteure. Ein Grund hierfür könnte die Unterscheidung
zwischen Gruppenmitgliedern (ingroup members) und Nichtgruppenmitglieder
(outgroup members) sein. „Real-life examples and empirical findings show that
group members often devalue and disadvantage other groups“ (Waldzus, Mum-
mendey & Wenzel, 2005, S. 76). In Anlehnung an Abele und Petzold (1996, S.
220) favorisieren ingroup members die eigene Gruppe gegenüber anderen
Gruppen (ingroup favouritism), um das Selbstwertgefühl zu erhöhen.
6.4.2 Personenabhängige Unterschiedshypothesen
Im Folgenden werden die Ergebnisse bezüglich der vermuteten Unterschiede,
welche aufgrund:
(1) des Geschlechts,
(2) des Grades der Informiertheit,
(3) der Sozialen Erwünschtheit und
(4)des Macht- und Anschlussmotivs
auftreten, ausführlich diskutiert.
(1) Geschlechterunterschiede
Bei der Hypothese H4 wurde prognostiziert, dass die Einsatzhäufigkeit der
harten Einflussstrategie bei Männern größer ist als dies bei Frauen der Fall ist.
Hierbei wurde davon ausgegangen, dass der Einsatz der harten Einflussstrategie
mit dem Aggressivitätspotenzial zusammenhängt. Je aggressiver man sich in
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einer bestimmten Situation verhält, umso häufiger werden harte Einflusstaktiken
herangezogen. Ein aggressives Verhalten lässt sich im Allgemeinen durch
grobe, unfreundliche, angriffs- und kampflustige Neigungen charakterisieren
(vgl. James & Mazerolle, 2002, S. 13).
Frühere Studien konnten bereits belegen, dass Männer ein höheres Aggres-
sivitätspotential aufweisen als Frauen (vgl. Pervin, 1981, S. 154; Maccoby &
Jacklin, 1974, S. 133) und somit auch häufiger grobe bzw. harte Einflusstaktiken
heranziehen. Das erhöhte Aggressivitätspotential der Männer scheint in Anleh-
nung an Zimbardo (1992, S. 365) auf die Wirkung von Sexualhormonen auf das
Gehirn zurückzuführen zu sein. Morgan (1997, S. 260) weist allerdings darauf
hin, dass das Klischee, dass Männer aggressiver als Frauen sind, infolge der
Geschlechterrevolution im Laufe der Zeit mehr und mehr verblasst. Dennoch
kann man an dieser Stelle festhalten, dass die Ergebnisse im Einklang mit
früheren Studien stehen und immer noch zeitgerecht in Bezug auf das Einfluss-
verhalten in Organisationen sind, da die Ergebnisse (s. Kap. 4.2.5) eindeutig
zeigen, dass Männer in der Tat häufiger die harte Einflussstrategie einsetzten als
Frauen.
In Anlehnung an Pervin (1981, S. 147) hat die Gesellschaft bezüglich des
Geschlechts bestimmte Erwartungen (Geschlechtsrollen-Erwartungen). Frauen
und Männer verhalten sich in der Öffentlichkeit so, wie es die Gesellschaft von
ihnen erwartet. Es konnte empirisch belegt werden, dass Männer aggressiver als
Frauen sind, da sie auf Frustration emotionaler und aktiver reagieren (ebd., S.
154). Da harte Einflusstaktiken häufiger von Männern herangezogen werden als
von Frauen, entsprechen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit dem ge-
schlechtsspezifischen Rollenverhalten.
Weiterhin konnte auf Basis der individuellen Einflusstaktiken durch eine ex-
plorative Datenanalyse (s. Kap. 4.2.5) ebenfalls festgestellt werden, dass Männer
häufiger alle vier harten Einflusstaktiken „Koalitionen bilden“, „übergeordnete
6. Zusammenfassende Diskussion
285
Instanzen einschalten“, „Manipulation“ und „Druck machen“ einsetzten als
Frauen.
Frauen setzten hingegen auffällig häufiger die weiche Einflusstaktik „rationales
Argumentieren“ ein. Dieses Ergebniss steht auch im Einklang mit der Unter-
suchung von Kirchler (1993, S. 21). Kirchler konnte ebenfalls feststellen, dass
der alte Stereotyp, wonach Männer rationaler sind (vgl. u. a. Maccoby &
Jacklin, 1974), nicht bestätigt werden konnte. Spiro (1983, S. 400) argumentiert
weiterhin, dass Frauen häufiger emotionale Taktiken nutzen als Männer. Somit
kann man davon ausgehen, dass Frauen vermutlich häufiger die Einflusstaktik
„einschmeicheln“ und „charismatische Floskeln“, welche auf emotionalen
Äußerungen beruhen (s. Kap. 2.2.2.1), heranziehen als Männer. Dieser Unter-
schied konnte allerdings nur in geringem Maße bei der Einflusstaktik „ein-
schmeicheln“ festgestellt werden. Bei der Wahl der Einflusstaktik „charisma-
tische Floskeln“ bestehen kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Kirchler (1993) untersuchte zusätzlich noch die Wechselwirkungen (Interakti-
onen) zwischen dem Geschlecht und den Konfliktsituationen. Kirchler (1993, S.
116) konnte bei seiner Erhebung (s. Kap. 2.2.2.3) keine einzige signifikante
Wechselwirkung zwischen dem Geschlecht und den jeweiligen Konfliktsitua-
tionen feststellen. Demzufolge war eine Wechselwirkung zwischen dem Ge-
schlecht und dem Spieltyp nicht zu erwarten, was sich in der vorliegenden
Untersuchung auch bestätigte.1
(2) Unterschiede im Bezug zum Grad der Informiertheit
Bezüglich des Grades der Informiertheit der Spieler wird in der vorliegenden
Arbeit zwischen zwei Formen unterschieden:
1 ANOVA, F[1, 335] = 1.47, exaktes p = .226, n2 = .004.
6. Zusammenfassende Diskussion
286
(1) vollständige Information und
(2) unvollständige Information (s. Kap. 2.3.2.3)
Es handelt sich um eine Situation mit vollständigen Informationen, wenn der
Beeinflussende davon ausgeht, dass der Einflussadressat über die Konsequenzen
und somit über die Auszahlungen der Situation informiert ist. Geht der Beein-
flussende davon aus, dass der Einflussadressat nicht über die Auszahlungen der
Situation informiert ist, handelt es sich um eine Situation mit unvollständigen
Informationen.
Bei der Hypothese H5 wird davon ausgegangen, dass in Situationen mit voll-
ständigen Informationen die Einflusstaktik „rationales Argumentieren“ häufiger
eingesetzt wird als in Situationen mit unvollständigen Informationen, da der
Beeinflussende davon ausgeht, dass der Interaktionspartner, also der Einfluss-
adressat, auf dem gleichen Informationsstand ist und somit eine geringe Infor-
mationsmacht seitens des Beeinflussenden besteht (s. weitere Aspekte in Kap.
3.2).
Bei der Hypothese H6 wird hingegen vermutet, dass in Situationen mit unvoll-
ständigen Informationen seitens des Einflussadressaten der Beeinflussende im
Vergleich zu Situationen mit vollständigen Informationen tendenziell häufiger
die Einflusstaktik „Manipulation“ einsetzt. Es konnte bereits belegt werden, dass
Personen mit (Informations-)Macht annahmen, die Mitarbeiter häufiger „zu
kontrollieren und manipulieren zu können“ (Neubauer & Rosemann, 2006, S.
77).
Angrenzende Forschungsgebiete wie die Spieltheorie untersuchen den Einfluss
von vollständigen und unvollständigen Informationen durch die Analyse von
Spielen. Sieg (2000, S. 100 ff.) verdeutlicht den Einfluss des Grades der Infor-
miertheit der Spieler durch ein so genanntes Signalspiel, in welchem sich eine
Regierung (Spieler A) zur Wiederwahl aufstellt. Die Wähler (Spieler B) würden
6. Zusammenfassende Diskussion
287
im Falle einer vollständigen Information diese Regierung nur wiederwählen,
wenn sie kompetent ist (ebd., S. 102). Die Regierung kann nur durch rationale
Argumente die Wähler davon überzeugen, sie wiederzuwählen, da die Wähler
aufgrund der vollständigen Information in der Lage sind, die Kompetenz der
Regierung nach rationalen Gesichtspunkten einzuschätzen und Täuschungsver-
suche aufdecken würden. Liegt hingegen eine unvollständige Information sei-
tens der Wähler vor, könnte eine inkompetente Regierung z. B. durch eine
expansive Geldpolitik vortäuschen, kompetent zu sein (ebd., S. 104). Eine
Verschleierung von Tatsachen (Synonym: Manipulation, s. Kap. 2.2.2.1) ist
demnach nur bei einem (Signal-)Spiel mit unvollständigen Informationen
möglich, da die Spieler den Manipulationsversuch bei einer vollständigen Infor-
mation mit einer hohen Wahrscheinlichkeit aufdecken würden.
Sowohl die Hypothese H5 als auch die Hypothese H6 konnten nicht bestätigt
werden. Auch auf Basis der individuellen Einflusstaktiken (s. Kap. 4.2.5) konnte
festgestellt werden, dass kaum Unterschiede bei der Einsatzhäufigkeit der
restlichen sieben Einflusstakten zwischen den beiden Experimentalgruppen
SEE-K (vollständige Information) und SEE-OK (unvollständige Information)
bestanden.
Ein Grund dafür könnte die hohe Komplexität des Erhebungsinstruments sein.
Im SEE wurde der Grad der Information lediglich durch die Anweisung „Gehen
Sie davon aus, dass Ihr Kollege die folgenden Konsequenzen kennt (s. SEE-K,
Anhang B) bzw. nicht kennt (s. SEE-OK, Anhang C)“ vorgegeben. Diese
Anweisungen könnten durch die Komplexität der Situationsbeschreibungen mit
deren Konsequenzen und Einflussitems in den Hintergrund getreten sein, womit
der Grad der Informiertheit des Einflussadressaten für viele Upn. unberück-
sichtigt blieb. Die Vermutung wurde auch durch eine nachträgliche Befragung
der Upn. durch den Untersuchungsleiter bestätigt.
6. Zusammenfassende Diskussion
288
Diesem Problem könnte man in zukünftigen Untersuchungen dahingehend ent-
gegenwirken, indem man die Komplexität des Erhebungsinstruments verringert.
Beispielsweise bestünde die Möglichkeit, sich auf nur einige wenige Situationen
(z. B. indem man auf die Betrachtung des Spiel- und Kontexttyps verzichtet)
und Einflusstaktiken (z. B. „rationales Argumentieren“ und „Manipulation“) zu
beschränken, um so die Aufmerksamkeit der Upn. auf die unterschiedlichen
Bedingungsvariationen (vollständige versus unvollständige Information) zu fo-
kussieren.
(3) Unterschiede im Bezug zur Sozialen Erwünschtheit
Es wird vermutet, dass die Antworttendenz „Soziale Erwünschtheit“ einen
moderierenden Effekt auf die Einsatzhäufigkeit von Einflusstaktiken ausübt (s.
Kap. 3.2). Insbesondere bei den harten Einflusstaktiken kann davon ausge-
gangen werden, dass hoch sozial erwünscht antwortende Personen die harten
Einflusstaktiken aufgrund der Antworttendenz „Soziale Erwünschtheit“ (s. Kap.
2.2.2.3) weniger häufig angeben als niedrig sozial erwünscht antwortende Per-
sonen.
Es wurde vermutet, dass hoch sozial erwünscht antwortende Personen weniger
häufig die zur Hypothesenprüfung herangezogenen Skalen „harte Einfluss-
strategie“ (Hypothese H7) und „Manipulation“ (Hypothese H8) einsetzen als
niedrig sozial erwünscht antwortende Personen.
Sowohl die Hypothese H7 als auch die Hypothese H8 konnten bestätigt werden.
Bei der erweiterten Datenanalyse auf Basis der individuellen Einflusstaktiken
konnte ebenfalls festgestellt werden, dass die restlichen drei harten Einfluss-
taktiken „Koalitionen bilden“, „übergeordnete Instanzen einschalten“ und
„Druck ausüben“ von den hoch sozial erwünscht antwortenden Personen
weniger häufig antizipiert wurden als von den niedrig sozial erwünscht ant-
wortenden Personen. Dieses Ergebnis spricht eindeutig dafür, dass die Ant-
6. Zusammenfassende Diskussion
289
worttendenz „Soziale Erwünschtheit“ einen moderierenden Effekt auf das
Antwortverhalten der Upn. in Bezug auf die harten Einflussskalen ausübt. Es
stellte sich bereits bei einigen anderen Studien heraus, dass die Soziale Er-
wünschtheit die angegebene Einsatzhäufigkeit von Einflusstaktiken beeinflusst
(vgl. u. a. Blickle, 1995, S. 258; Yukl & Falbe, 1990, S. 139). Um welche
individuellen Einflusstaktiken es sich dabei handelt, wurde allerdings nicht
näher erläutert.
(4) Unterschiede in Bezug zum Macht- und Anschlussmotiv
Neben der Antworttendenz „Soziale Erwünschtheit“ wird weiterhin vermutet,
dass das Einflussverhalten entscheidend von den Motiven der Akteure beein-
flusst wird (s. Kap. 2.2.1.3). Insbesondere die Ausprägung des Macht- und
Anschlussmotivs einer Up. spielt im Hinblick auf die Einflussnahme eine
bedeutende Rolle.
Ein hoch ausgeprägtes Machtmotiv trägt dazu bei, dass die Akteure andere
Personen stärker beeinflussen als niedrig Machtmotivierte (vgl. Schneider &
Schmalt, 1994, S. 245). Mit einem steigenden Machtmotiv steigt auch die
Einflussaktivität der Person signifikant an (vgl. Mowday, 1978, S. 148).
Weiterhin argumentiert Heckhausen (1989, S. 352), dass hoch Anschluss-
motivierte weniger „wahrheitsverhüllende Propaganda“ im Sinne von Manipu-
lation ausüben. Akteure, welche ein hohes Anschlussmotiv aufweisen „would
not use tactics that might be perceived as socially undesirable” (Grams &
Rogers, 1990, S. 73).
Bei der Hypothese H9 wurde davon ausgegangen, dass hoch Machtmotivierte
häufiger andere Personen beeinflussen als niedrig Machtmotivierte. Bei der
Hypothese H10 wurde hingegen prognostiziert, dass hoch Anschlussmotivierte
weniger manipulieren als niedrig Anschlussmotivierte.
6. Zusammenfassende Diskussion
290
Sowohl die Hypothese H9 als auch die Hypothese H10 konnten bestätigt werden.
Eine erweiterte explorative Datenanalyse auf Basis der neun individuellen Ein-
flusstaktiken (s. Kap. 4. 2.5) ergab ebenfalls, dass hoch machtmotivierte Per-
sonen generell häufiger Einflussmittel einsetzen als niedrig machtmotivierte.
Eine Ausnahme bestand jedoch bei der Einflusstaktik „beraten lassen“, wo die
Einsatzhäufigkeit annähernd gleich verteilt war. Dies könnte unter Umständen
daran liegen, dass die Bitte um einen Rat und somit die Einholung einer anderen
Meinung im Widerspruch zum negativ gepolten Machtmotiv-Item „Ich versuche
Personen in meinem Umfeld nicht von meiner Meinung zu überzeugen.“ (s.
Anhang A) steht. Personen mit einem hohen Machtmotiv könnten gemäß diesem
Item möglicherweise bestrebt sein, die eigene Meinung durchzusetzen und nicht
andere Meinungen einzuholen.
Hoch anschlussmotivierte Personen setzten hingegen weniger häufig harte Ein-
flusstaktiken ein als niedrig anschlussmotivierte Personen. Besonders auffällig
war dieser Unterschied bei den beiden harten Einflusstaktiken „Druck ausüben“
und „Manipulation“ ausgeprägt. Die einzige Einflusstaktik, die von den hoch
anschlussmotivierten Personen im Vergleich zu den niedrig anschlussmoti-
vierten Personen bevorzugt eingesetzt wurde, war die weiche Einflusstaktik
„einschmeicheln“. Ein Grund dafür könnte die Zielsetzung bzw. die Charakter-
istik der Einflusstaktik „einschmeicheln“ sein. In Anlehnung an Steensma, Jan-
sen und Vonk (2003, S. 49) wird die Einflusstaktik „ingratiaton“ (einschmeich-
eln) oft dazu herangezogen, um eine Kooperation mit anderen Mitarbeitern zu
erzeugen (s. Kap. 2.2.2.1). Anschlussmotivierte arbeiten bevorzugt in einer
Gruppe (s. Anschluss-Item 1 im Anhang A) und streben somit eine Kooperation
mit anderen Gruppenmitgliedern an.
Generell kann also davon ausgegangen werden, dass hoch machtmotivierte Per-
sonen häufiger Einfluss ausüben und hoch anschlussmotivierte Personen dem-
gegenüber weniger häufig harte Einflussmittel, wie beispielsweise die Einfluss-
taktik „Manipulation“ einsetzen, als dies bei niedrig macht- bzw. anschlussmoti-
6. Zusammenfassende Diskussion
291
vierten Personen der Fall ist. Diese Ergebnisse stehen somit auch im Einklang
mit anderen empirischen Untersuchungen (s. Kap. 2.2.1.3).
6.4.3 Validierungshypothesen
Neben der Untersuchung des Einflusses des Macht- und Anschlussmotivs auf
die Einflussnahme bzw. auf die Einflusstaktik „Manipulation“ (s. Kap. 6.4.2)
wurden zusätzlich noch zwei Hypothesen zur Prüfung der Konstruktvalidität im
Sinne einer konvergenten und diskriminaten Validitätsprüfung durchgeführt.
Dabei wurde das Machtmotiv als konvergentes und das Anschlussmotiv als
diskriminantes Validitätskonstrukt verwendet. Zur Prüfung der konvergenten
Validität wurde die Hypothese H11 auf signifikante gleichsinnige Korrelationen
(die Machtmotivation korreliert positiv mit der Einflussnahme) und zur Prüfung
der diskriminanten Validität wurde die Hypothese H12 auf signifikante gegen-
läufige Korrelationen (die Anschlussmotivation korreliert negativ mit der Ein-
flusstaktik „Manipulation“) untersucht.
Die Hypothesen H11 und H12 konnten vollständig bestätigt werden, wobei die
Höhe der Korrelationen gering, aber aufgrund der großen Stichprobe dennoch
sehr signifikant war (s. Kap. 4.2.6). Folglich konnte nachgewiesen werden, dass
je höher das Machtmotiv ausgeprägt war, desto häufiger wurde Einfluss auf die
Einflussadressaten ausgeübt und je höher das Anschlussmotiv ausgeprägt war,
desto weniger Manipulationsversuche wurden von den Upn. durchgeführt. Die
Konstruktvalidität kann somit in Bezug auf den Aspekt, dass die Ausprägung
bestimmter Motive bei einer Person einen Einfluss auf die Wahl von Einfluss-
taktiken ausüben, als zufriedenstellend bewertet werden.
6.4.4 Lineare Strukturgleichungsanalyse
In Anlehnung an die Befunde von Blickle und Hepperle (1999), Schnackers und
Kleinbeck (1975) und Heckhausen (1989) wurde in Kapitel 4.2.7 eine Lineare
Strukturgleichungsanalyse durchgeführt, welche den Einfluss des Macht- und
6. Zusammenfassende Diskussion
292
Anschlussmotivs auf fünf individuelle Einflusstaktiken untersucht. Blickle und
Hepperle (1999) stellten bereits anhand einer Pfadanalyse fest, dass die Macht-
motivation einen Einfluss auf den Einsatz der Einflusstaktiken „übergeordnete
Instanzen einschalten“, „Druck machen“, „einschmeicheln“ und „rationales
Überzeugen“ gegenüber Kollegen ausübt. Schnackers und Kleinbeck (1975, S.
308 ff.) kamen zu dem Ergebnis, dass hoch Machtmotivierte häufiger manipu-
lieren als niedrig Machtmotivierte. „Power motivation is frequently defined in
psychology as gaining satisfaction from manipulating and influencing others”
(Kipnis, 1974, S. 85). Heckhausen (1989, S. 352) berichtete hingegen, dass hoch
Anschlussmotivierte weniger manipulieren als niedrig Anschlussmotivierte (s.
hierzu auch Kap. 2.2.1.3).
Auf der Grundlage dieser Befunde wurde eine Lineare Strukturgleichungsana-
lyse durchgeführt, welche durch die Analyse des Mess- und Strukturmodells
gemäß Schumacker und Lomax (2004, S. 106) als ein weiteres Verfahren zur
Validierung angesehen werden kann. In Anlehnung an Anderson und Gerbing
(1988) wurde in Kapitel 4.2.7 zuerst das Messmodell der latenten Variablen
vorgestellt und anschließend das Strukturmodell spezifiziert. Das Messmodell
der latenten Variablen setzt sich aus dem „Macht- und Anschlussmotiv“ (s. Kap.
4.2.7.1) und dem Messmodell der endogenen Variablen der fünf Einflusstak-
tiken „übergeordnete Instanzen einschalten“, „Druck machen“, „einschmeich-
eln“, „Manipulation“ und „rationales Überzeugen“ zusammen (s. Kap. 4.2.7.2).
Untersuchung des Messmodells der exogenen Variablen
Die Untersuchung des Messmodells der exogenen Variablen ergab, dass eines
der insgesamt fünf Items (manifeste Variablen) des Machtmotivs einen sehr
hohen Messfehleranteil aufwies und somit eliminiert wurde. Beim Anschluss-
motiv wurden aufgrund des hohen Messfehleranteils zwei von insgesamt fünf
Items eliminiert. Auf dieser Basis entstand ein modifiziertes Messmodell bei den
exogenen Variablen mit vier Machtmotiv-Items und drei Anschlussmotiv-Items
6. Zusammenfassende Diskussion
293
(s. Kap. 4.2.7.1). Das modifizierte Motivmodell konnte gegenüber dem An-
fangsmodell mit jeweils fünf Items für jedes Motiv seine Modellanpassung bzw.
den Fit verbessern.
Untersuchung des Messmodells der endogenen Variablen
Die Untersuchung des Messmodells der endogenen Variablen ergab, dass alle
Indikatoren ausnahmslos hoch signifikant auf dem zugehörigen Faktor luden
und somit keine Items eliminiert werden mussten. Auffällig war allerdings, dass
jeweils das erste Item der ersten Situationsbeschreibung für alle fünf Einfluss-
taktiken den größten Messfehleranteil aufwies (s. Kap. 4.2.7.2). Dies könnte
daran liegen, dass sich die Probanden erst einmal an den Fragestil im Sinne
eines „warming up“ gewöhnen mussten.
Untersuchung des Strukturgleichungsmodells
Aufgrund der genannten Ergebnisse wurde für die Strukturgleichungsanalyse
das modifizierte Messmodell des Macht- und Anschlussmotivs und das fünf-
faktorielle Anfangsmodell der Einflusstaktiken übernommen. In Anlehnung an
die Befunde von Blickle und Hepperle (1999), Heckhausen (1989) und Schnack-
ers und Kleinbeck (1975) wurde dabei untersucht, inwiefern die Ausprägung des
Macht- oder Anschlussmotivs einer Person deren Einsatzhäufigkeit von fünf
individuellen Einflusstaktiken beeinflusst.
Die Analyse des Strukturgleichungsmodells (s. Kap. 4.2.7.3) zeigte, dass das
Machtmotiv offenbar einen großen Einfluss auf die harten Einflusstaktiken
„Manipulation“, „übergeordnete Instanzen einschalten“ und „Druck ausüben“
und einen etwas geringeren, aber dennoch signifikanten Einfluss auf die weiche
Einflusstaktik „einschmeicheln“ ausübt. Allerdings kann man von der Höhe des
Machtmotivs nicht darauf schließen, ob eine Person bevorzugt die Einflusstaktik
„rationales Argumentieren“ einsetzt, da der Pfad vom Machtmotiv zum „rati-
onales Argumentieren“ als einziger nicht signifikant in diesem Modell war und
6. Zusammenfassende Diskussion
294
somit kein Zusammenhang zwischen der Höhe des Machtmotivs und der Ein-
satzhäufigkeit dieser Einflusstaktik bestand. Weiterhin zeigte sich, dass je höher
die Anschlussmotivation bei einer Person ausgeprägt war, desto weniger häufig
hatte sie die Einflusstaktik „Manipulation“ eingesetzt.
Somit stehen die Ergebnisse der Strukturgleichungsanalyse mit Ausnahme des
Pfades vom Machtmotiv zur Einflusstaktik „rationales Argumentieren“ mit den
Befunden von Blickle und Hepperle (1999), Heckhausen (1989) und Schnackers
und Kleinbeck (1975) im Einklang.
Des Weiteren wurden Strukturgleichungsmodelle für unterschiedliche Teilgrup-
pen der Untersuchungsstichprobe berechnet und deren Ergebnisse miteinander
verglichen (s. Kap. 4.2. 7.3). Mithilfe dieser Vergleiche wurde untersucht, ob
der Einfluss des Macht- oder Anschlussmotivs auf die fünf individuellen Ein-
flusstaktiken geschlechterspezifisch variiert und ob durch die beiden differier-
enden Spieltypen „Gefangenendilemma“ und „Konvergenzspiel“ Unterschiede
in Bezug auf die Vorhersage der Einsatzhäufigkeit der fünf individuellen Ein-
flusstaktiken existieren. Somit sollte unter Berücksichtigung des Geschlechts
und des Spieltyps untersucht werden, inwiefern sich der Einfluss der exogenen
latenten Variablen „Macht-“ und „Anschlussmotiv“ auf die fünf Einflusstaktiken
unterscheidet. Da diese gruppenbezogenen Vergleiche bisher weder theoretisch
noch empirisch untersucht wurden, handelte es sich hierbei um ein quasi
exploratives Untersuchungsdesign.
Die Ergebnisse zeigten, dass der Einfluss des Machtmotivs auf die harten
Einflusstaktiken „Manipulation“, „übergeordnete Instanzen einschalten“ und
„Druck ausüben“ bei den Männern wesentlich geringer war als bei den Frauen.
Aus diesen Erkenntnissen kann man schließen, dass bei Frauen die Ausprägung
des Machtmotivs einen sehr großen Einfluss auf die Einsatzhäufigkeit dieser
drei harten Einflusstaktiken ausübt. Je ausgeprägter das Machtmotiv bei Frauen
ist, desto häufiger nutzen sie die harten Einflusstaktiken. Bei den Männern,
6. Zusammenfassende Diskussion
295
welche im Allgemeinen höher machtmotiviert als Frauen sind (s. Kap. 4.2.7.3,
Tab. 4.45), war der Einfluss des Machtmotivs auf die harten Einflusstaktiken
wesentlich geringer.
Dieser Unterschied könnte auf das geschlechtsspezifische Rollenverhalten zu-
rückzuführen sein. „Both woman and men are placed in sex-role stereotypes,
which influence their personality and behavior patterns. Woman are socialized
to be passive […], while men are socialized to be aggressive, active and domina-
ting (Rajan & Krishnan, 2002, S. 197). Hoch machtmotivierte Frauen entsprech-
en somit nicht den Geschlechtsrollen-Erwartungen, da sie sich eher aggressiv
und aktiv in Bezug auf die Einflussnahme und dominant in Bezug auf die
Machtausübung verhalten. Macht- bzw. dominanzmotivierte Frauen scheinen
sich demnach nicht konform im Hinblick auf die Geschlechtsrollen-Erwartungen
zu verhalten. Sie ziehen wesentlich häufiger die eher für Männer typischen
harten Einflusstaktiken „Manipulation“, „übergeordnete Instanzen einschalten“
und „Druck ausüben“ heran (s. Kap. 2.2.2.1), als niedrig machtmotivierte
Frauen. Darüber hinaus ist der Effekt, dass hoch Machtmotivierte häufiger
Einfluss auf andere ausüben als niedrig Machtmotivierte bei Frauen bedeutend
größer als bei Männern.
Hoch machtmotivierte und somit karriereorientierte (vgl. Nerdinger; Blickle &
Schaper, 2008, S. 78) Frauen verhalten sich entspechend der männlichen
Geschlechtsrollen-Erwartung. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit einer
Studie der German Consulting Group (2005), aus welcher hervorging, dass
Frauen nur unter der Bedingung, dass sie sich wie Männer verhalten, Karriere
machen können.
Die situative Einflussvariable „Spieltyp“ übt im Gegensatz zur personenbe-
zogenen Einflussvariablen „Geschlecht“ offenbar keinen Einfluss auf die Vor-
hersage des Einsatzes der fünf Einflusstaktiken durch die beiden Motive aus.
Die Regressionskoeffizienten zwischen den Motiven und den Einflusstaktiken
6. Zusammenfassende Diskussion
296
waren bei beiden Spieltypen annähernd gleich ausgeprägt. Somit kann davon
ausgegangen werden, dass unabhängig von der Situation (Spieltyp) sowohl das
Macht- als auch das Anschlussmotiv den schon von Blickle, Hepperle (1999),
Heckhausen (1989), Schnackers und Kleinbeck (1975) berichteten Einfluss auf
die jeweiligen Einflusstaktiken ausübten.
6.4.5 Spieltheoretische Hypothesen
In der vorliegenden Arbeit wurde aufbauend auf dem Situationsfragebogen zur
Erfassung von Einflusstaktiken (SEE), in welchem unterschiedliche spieltheore-
tisch fundierte Situationsbeschreibungen dargestellt werden, ein Situations-
fragebogen zur Erfassung der Präferenzordnung (SEP) entwickelt. Die Präfe-
renzordnung der Spieler gibt Auskunft über die Rangordnung der Auszahlungen
eines spezifischen Spiels, welche sich aus den Handlungsalternativen (koop-
erativ versus nicht kooperativ handeln) der Spieler A und B ergibt (s. Kap.
2.3.2.1).
In der vorliegenden Arbeit wurden zwei spezifische Spiele und zwar die beiden
Spieltypen „Gefangenendilemma“ und „Konvergenzspiel“ als unabhängige Va-
riablen bei den Hypothesen H1 und H2 herangezogen (s. Kap. 3.1). Der SEP
wurde entworfen, um zu untersuchen, ob die Upn. in der Lage sind, eine intra-
organisationale Gefangenendilemma- oder Konvergenzspielsituation im Bezug
auf die Auszahlungen des Spiels so einzuschätzen, wie es die Spieltheorie vor-
gibt bzw. annimmt und somit die wahrgenommene mit der spieltheoretischen
Rangordnung der Auszahlungen (s. Kap. 2.3.4) übereinstimmt. Das Erhebungs-
instrument „SEE“ würde, wenn die Rangordnung der Auszahlungen des Spiels
frei variiert, nicht das messen, was es messen soll und zwar die Wahl von Ein-
flusstaktiken innerhalb einer bestimmten spieltheoretisch fundierten Situation.
6. Zusammenfassende Diskussion
297
Neben der Bestimmung der Rangordnung der Auszahlungen können auch wei-
tere Eigenschaften eines spezifischen Spiels analysiert werden. In der Spieltheo-
rie werden unterschiedliche Spiele im Hinblick auf die dominante Strategie (ko-
operativ versus nicht kooperativ handeln), die Maximin-Strategie und das Nash-
Gleichgewicht analysiert (s. Kap. 2. 3.3). Insgesamt wurden acht spieltheore-
tische Hypothesen (H13 bis H20) aufgestellt (s. Kap. 3.4).
Die Ergebnisse (s. Kap. 5.2.3) zeigten, dass sowohl die Rangordnung der
Auszahlungen als auch alle weiteren Eigenschaften beim Konvergenzspiel im
Sinne der Hypothesen H14 und H18 bis H20 bestätigt werden konnten. Somit kann
davon ausgegangen werden, dass die Upn. die im SEE vorgegebenen intraorga-
nisationalen Konvergenzspiel-Situationen (s. Situationsbeschreibung 1 und 3,
Anhang B und C) auch als Konvergenzspiele wahrgenommen haben.
Bei den intraorganisationalen Gefangenendilemma-Situationen konnten aller-
dings nicht alle Hypothesen bestätigt werden. Es zeigte sich, dass sich entgegen
der Hypothese H13 und H17 die Rangordnung der Auszahlungen des Spiels
änderte und sich im Nash-Gleichgewicht eine pareto-optimale Lösung befand (s.
Kap. 5.2.3). Was dies für eine konkrete Situation bedeutet und was der Grund
dafür sein könnte, soll im Folgenden anhand der Situationsbeschreibung 2 des
SEP, welche die Form eines intraorganisationalen Gefangenendilemmas annim-
mt und der Situationsbeschreibung 8 des SEE entspricht, diskutiert werden.
Situationsbeschreibung 2 des SEP (s. Anhang D): Stellen Sie sich vor, dass in
naher Zukunft eine Fortbildung angeboten werden soll, die die Qualifikation und
somit die Aufstiegschancen erhöht. Sie und Ihr rivalisierender Kollege können
sich für diese Fortbildung anmelden. Die Anmeldung ist freiwillig und es kann
nur ein Mitarbeiter an der Fortbildung teilnehmen. Sie und Ihr Kollege sollen
sich via Mail für oder gegen die Teilnahme an der Fortbildung entscheiden. Aus
dieser Sachlage heraus können sich vier Reaktionssituationen A bis D ergeben
(s. Tab. 6.1).
6. Zusammenfassende Diskussion
298
Die Auszahlungen (s. Kap. 2.3.2.1) der vier Reaktionssituationen, welche sich
an die (Erwartungs-)Nutzentheorie (s. Kap. 2.3.3) anlehnen, werden in einer
typischen Gefangenendilemma-Situation gemäß der in Kapitel 2.3.4.1 und
4.1.1.1 vorgegebenen Rangordnung festgelegt. Demnach würde sich für die
Situationsbeschreibung 2 des SEP die in Tabelle 6.1 vorgestellte spieltheore-
tische Rangordnung der vier Auszahlungen, welche in der Situationsbeschrei-
bung 8 des SEE auf dem ordinalen Niveau (beste bis schlechteste Auszahlung)
vorgegeben wurde (s. Anhang B und C), ergeben.
Tabelle 6.1: Spieltheoretische Rangordnung der Auszahlungen der Situationsbe-
schreibung 2 des SEP
Reaktions-situation
Beschreibung der Reaktionssituationen der Situationsbeschreibung 2 des SEP
SpieltheoretischeRangordnung der
Auszahlungen
A Nur Sie entscheiden sich für die Fortbildung und können auch an dieser teilnehmen und die daraus resultierenden Vorteile realisie-ren. Ihr Kollege wird darüber aber verärgert sein.
beste Auszahlung (temptation)
B Nur Ihr Kollege entscheidet sich für die Fortbildung - daraus ergibt sich die umge-kehrte Konsequenz.
schlechtesteAuszahlung (sucker`s
payoff)
C Keiner von Ihnen entscheidet sich für die Teilnahme an der Fortbildung, diese wird im Unternehmen nicht durchgeführt.
zweitbeste Auszahlung (reward)
D Sie beide entscheiden sich für die Fortbil-dung. Es wird durch Zufall entschieden, wer daran teilnehmen darf. Das bedeutet, dass Sie bzw. Ihr Kollege zwar verärgert darüber sein wird, wenn der andere zur Fortbildung geschickt wird, aber dennoch eine Chance besteht, dass man selbst an der Fortbildung teilnehmen kann.
drittbeste Auszahlung (punishment)
6. Zusammenfassende Diskussion
299
In Anlehnung an die Spieltheorie sollte demnach die Auszahlung höher sein,
wenn sich beide Akteure A und B nicht zur Fortbildung anmelden und somit
kooperativ handeln (Reaktionssituation C), als wenn sie dies täten (Reaktions-
situation D). Dieses für die Akteure A und B kooperative Spielergebnis (s. Tab.
6.1, Reaktionssituation C) ist allerdings nicht im Interesse der Organisation, da
sie keine potentiellen Teilnehmer für die Fortbildung hätte. Für die Organisation
ist es in jedem Fall besser, wenn sich beide Akteure für die Fortbildung ent-
scheiden, denn dann könnte die Organisation wählen, wer für die bevorstehende
Fortbildung in Frage käme. Die Interessen der Organisation stehen somit nicht
mit den Interessen der Organisationsmitglieder im Einklang.
In Anlehnung an Simon (1981, S. 219 ff.) sollten derartige Interessenunter-
schiede zur Sicherung des Organisationsbestehens ausgeglichen oder zumindest
gemindert werden. Die Organisation müsste ihre Mitglieder motivieren, dass sie
organisatorisch und nicht persönlich rational handeln (s. Kap. 2.1.1.1). Die nicht
kooperative Handlung „sich für die Fortbildung entscheiden“ ist im intraorgani-
sationalen Gefangenendilemma für die Spieler in jedem Falle organisatorisch
rational, da wie eben geschildert die nicht kooperative Handlung im Einklang
mit den Interessen der Organisation steht.
In Kapitel 2.1.1.2 und 2.3.1.2 wurde bereits deutlich, dass die Organisation
bestimmte Einflussmöglichkeiten besitzt, um ihre Interessen gegenüber ihren
Mitgliedern durchsetzten zu können. Dieser Einfluss würde sich in den Aus-
zahlungen des Spiels widerspiegeln und ist auch in der Situationsbeschreibung 2
des SEP vorzufinden (s. Kap. 5.2.3). Es zeigte sich, dass die Upn. die Reaktions-
situation D (beide Kollegen entscheiden sich für die Fortbildung) der Reaktions-
situation C (keiner von beiden Kollegen entscheidet sich für die Fortbildung)
vorgezogen haben. Hierdurch konnte wiederum eine pareto-optimale Nash-
Gleichgewichtslösung (s. Kap. 2.3.4.1) ermittelt werden, wenn sich beide
Kollegen für die Fortbildung entscheiden.
6. Zusammenfassende Diskussion
300
Die Veränderung der spieltheoretischen Rangordnung der Auszahlungen des
Spiels (die Reaktionssituation D wurde der Reaktionssituation C vorgezogen)
konnte auch bei der zweiten im SEP enthaltenen intraorganisationalen Gefan-
genendilemma-Situation festgestellt werden (s. Situationsbeschreibung 4, An-
hang D). Bei der Situationsbeschreibung 4 des SEP, welche der Situations-
beschreibung 6 des SEE entspricht (s. Anhang B und C), ging es um eine
Zusammenlegung von zwei Abteilungen, wobei sich die jeweiligen beiden
Abteilungsleiter für oder gegen eine Zusammenlegung entscheiden konnten (s.
Situationsbeschreibung 4, Anhang D). Falls sich ein Abteilungsleiter für die
Zusammenlegung entscheidet, handelt er nicht kooperativ, da der andere Abtei-
lungsleiter seine Abteilung und somit seinen Entscheidungsspielraum verlieren
würde. Die Organisation ist allerdings an der Zusammenlegung interessiert.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Upn. die Reaktionssituationen im Interesse der
Organisation und somit organisatorisch rational (s. Kap. 2.1.1.1) einschätzten.
Die Reaktionssituation D (beide Abteilungsleiter entscheiden sich für die
Zusammenlegung der Abteilungen) wurde der Reaktionssituation C (keiner der
beiden Abteilungsleiter entscheidet sich für die Zusammenlegung der Abtei-
lungen) vorgezogen. Somit konnte auch bei der Situationsbeschreibung 4 des
SEP eine pareto-optimale Nash-Gleichgewichtslösung (s. Kap. 2.3.4.1) bei der
Reaktionssituation D (beide Abteilungsleiter entscheiden sich für die Zusam-
menlegung der Abteilungen) ermittelt werden. Die Rangordnung der Auszah-
lungen des Spiels wich somit von der spieltheoretischen Rangordnung ab. Durch
den Einfluss der Organisation entstand eine spezielle Lösung eines intraorgani-
sationalen Gefangenendilemmas.
In der Literatur wurde bereits der Einfluss einer dritten Partei bei einem Gefan-
genendilemma durch die so genannte Mafialösung eines Gefangenendilemmas
beschrieben (vgl. Holler & Illing, 2006, S. 190 f.). Die Mafia sorgt durch
verbindliche Abmachungen dafür, dass die Gefangenen in einer typischen
Gefangenendilemma-Situation (s. Kap. 2.3.4.1) stets schweigen und somit
6. Zusammenfassende Diskussion
301
kooperativ handeln. Im Gegensatz zur Mafia, welche daran interessiert ist, dass
die am Spiel beteiligten Akteure (Gefangenen) kooperativ handeln, ist die
Organisation daran interessiert, dass die Akteure in einem Gefangenendilemma
nicht kooperativ handeln. In diesem Fall trägt die nicht kooperative Handlung
(sich für die Fortbildung bzw. Zusammenlegung der Abteilungen entscheiden)
zur Sicherung des Fortbestehens der Organisation bei und ist somit organisa-
torisch rational. Die beteiligten Akteure kooperieren somit mit der Organisation.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass eine dritte Partei Einfluss auf die
Auszahlungen eines Spiels ausüben kann. Als außenstehende Partei kann jede
beliebige Person, Organisation oder sonstige Interessenvertretung auftreten, die
über genügend Macht verfügt, um die Höhe der Auszahlungen des Spiels zu
beeinflussen. In einem Unternehmen können beispielsweise Vorgesetzte (s. Kap.
2.3.1.2) als außenstehende Partei auftreten. Diese Partei ist allerdings in einem
Spiel nicht als Spieler beteiligt, ihr Einfluss spiegelt sich alleine in den Aus-
zahlungen des Spiels wider (vgl. Holler & Illing, 2006, S. 19 f.). Für die Spieler,
die unter dem Einfluss dieser Partei stehen, verändern sich die Höhe der Aus-
zahlungen und unter Umständen auch die Rangordnung der Auszahlungen des
Spiels.
6.5 Einschränkungen dieser Studie
In der vorliegenden Untersuchung wurde ein Situationsfragebogen mit acht
Situationsbeschreibungen konzipiert, um die Wahl von neun unterschiedlichen
Einflusstaktiken in Organisationen unter Berücksichtigung situativer Faktoren
zu untersuchen. Durch die Berücksichtigung von spieltheoretischen Annahmen
bei der Ausgestaltung der Untersuchungsmethodik ergeben sich für die vor-
liegende Untersuchung einige Einschränkungen. Ortmann (1988) argumentierte
diesbezüglich, dass die Spieltheorie für die Analyse von sozialwissenschaft-
lichen Fragestellungen „von vielen als begrenzt angesehen wird“ (ebd., S. 21).
6. Zusammenfassende Diskussion
302
Im Folgenden werden die sieben bedeutendsten Einschränkungen dieser Unter-
suchung vorgestellt.
(1) In der vorliegenden Untersuchung wurden jeweils vier Gefangenendilem-
mata und Konvergenzspiele zur Beschreibung der Situation herangezogen (s.
Kap. 4.1.1.1). In Organisationen können allerdings auch viele andere Spieltypen
vorzufinden sein. Es könnten z. B. Nullsummenspiele existieren, bei denen der
Verlust des einen Spielers der Gewinn des anderen ist. Die vorliegende Unter-
suchung beschränkt sich allerdings nur auf zwei Spieltypen, welche als die
bedeutendsten in Organisationen vorzufindenden Nicht-Nullsummen-Spiele an-
gesehen werden können.
(2) Weiterhin beschäftigt sich die vorliegende Arbeit ausschließlich mit sta-
tischen Spielen, womit die Spielzeit immer nur einen einzigen Moment aus-
macht. Verfügt allerdings ein Spiel über mehrere Züge und/oder ist die Reihen-
folge der Züge für den Beobachter von Bedeutung, so kann ein Spiel nicht mehr
in der statischen Normalform dargestellt werden (s. hierzu auch Kap. 2.3.2.1).
Die Analyse statischer Spiele könnte durch die Untersuchung dynamischer
Spiele erweitert werden. Die dynamische Darstellung von Spielen spielt insbe-
sondere in Organisationen eine bedeutende Rolle, da die Mitglieder einer
Organisation nicht nur einmalig sondern ständig miteinander interagieren.
(3) Bei den in dieser Untersuchung herangezogenen Spielen handelt es sich
ausschließlich um Zwei-Personenspiele. Es ist allerdings denkbar, dass in Orga-
nisationen Spiele mit mehr als zwei Personen existieren. Beispielsweise könnte
die Organisation als ein weiterer Akteur auftreten. In der vorliegenden Unter-
suchung wurde lediglich der Einfluss der Organisation, welcher sich in den Aus-
zahlungen des Spiels widerspiegelt, als eine mögliche Erklärung für die Ent-
stehung einer speziellen Lösung eines intraorganisationalen Gefangenendilem-
mas berücksichtigt (s. Kap. 6.4.5).
6. Zusammenfassende Diskussion
303
(4) Die im Erhebungsinstrument der vorliegenden Arbeit enthaltenen Situations-
beschreibungen betrachten ausschließlich horizontale (laterale) Beziehungen,
also nur Interaktionen zwischen hierarchisch gleichgestellten Kollegen oder
Geschäftspartnern. In Organisationen wird allerdings auch Einfluss auf Vorge-
setzte oder Untergebene ausgeübt. Blickle (1995) und Kipnis, Schmidt und
Wilkinson (1980) berücksichtigen bereits in ihrem Erhebungsinstrument die
Wahl von Einflusstaktiken auf Vorgesetzte und Untergebene (s. Kap. 2.2.2.3).
Die Analyse von Einflusstaktiken unter Berücksichtigung situativer Faktoren
sollte somit in zukünftigen Forschungsarbeiten auch im Hinblick auf die Be-
rücksichtigung vertikaler Beziehungskonstellationen erweitert werden.
(5) Im Situationsfragebogen zur Erfassung der Präferenzordnung (SEP), welcher
dazu entwickelt wurde, um zu untersuchen, ob die Upn. in der Lage sind, eine
Gefangenendilemma- oder Konvergenzspielsituation im Bezug auf die Auszah-
lungen des Spiels so einzuschätzen, wie es die Spieltheorie vorgibt, wurden aus-
schließlich die vier intraorganisationalen Situationsbeschreibungen des Situa-
tionsfragebogens zur Erfassung der Einflusstaktiken (SEE) berücksichtigt. Der
SEE verfügte weiterhin über vier interorganisationale Situationsbeschreibungen.
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigten, dass sich die Rangordnung der Auszah-
lungen eines intraorganisationalen Gefangenendilemmas änderte. Es wurde ver-
mutet, dass diese Änderung auf den Einfluss der Organisation zurückzuführen
ist. Dieser Einfluss würde allerdings nicht bei einem interorganisationalen Ge-
fangenendilemma vorzufinden sein, da die Geschäftspartner über keine gemein-
same Organisation verfügen, welche Einfluss auf sie ausüben könnte (s. Situa-
tionsbeschreibung 2 und 4, Anhang B und C). Demzufolge dürfte sich auch
nicht die Rangordnung der Auszahlungen eines interorganisationalen Gefangen-
endilemmas durch den Einfluss der Organisation ändern. Dieser Sachverhalt
wurde allerdings in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht, da im SEP zur
Reduzierung der Komplexität des Erhebungsinstruments nur intraorganisation-
ale Situationsbeschreibungen berücksichtigt wurden.
6. Zusammenfassende Diskussion
304
(6) In allen acht Situationsbeschreibungen des SEE wurden neun unterschied-
liche Einflusstaktiken erfasst. Über alle acht Situationsbeschreibung wurden
immer dieselben neun Items zur Erfassung der neun Einflusstaktiken verwendet
und zwar ein Item für jede Einflusstaktik. In vergangenen retrospektiven Unter-
suchungen wurde hingegen jede einzelne Einflusstaktik durch ungefähr fünf
Items erfasst (vgl. u. a. Blickle, 1995). In der vorliegenden Arbeit wurden somit
die neun Einflusstaktiken in einer relativ geringen Verhaltensbandbreite erhob-
en. Durch eine derartige inhaltliche Reduktion bei der Itemerfassung kann die
Reliabilität bzw. Validität der Einflussskalen unter Umständen beeinträchtigt
werden.
(7) Weiterhin ist anzumerken, dass die vorliegende Untersuchung nur auf Quer-
schnittsdaten zurückgreift. Es wurden keine weiteren Erhebungsmethoden wie
beispielsweise Interviews oder Beobachtungen einbezogen.
6.6 Zusammenfassung
Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, die Wahl von Einflusstaktiken
in wirtschaftlichen Organisationen unter Berücksichtigung unterschiedlicher
Faktoren zu untersuchen. Hierbei wurde angenommen, dass die erfolgreiche
Beeinflussung von persönlichen und situativen Faktoren abhängt (vgl. Kipnis,
1974, S. 98). In der Vergangenheit wurden allerdings die situativen Einfluss-
größen häufig vernachlässigt bzw. sehr wenig untersucht (vgl. Raven, Schwarz-
wald & Koslowsky, 1998, S. 309).
Um die Bedeutsamkeit situativer Einflussfaktoren zu analysieren, wurde ein
Situationsfragebogen zur Erfassung von Einflusstaktiken (SEE) konzipiert (s.
Kap. 4.1.1.1), mit welchem die Wahl von neun bereits von Blickle (1995)
erfassten Einflusstaktiken unter Berücksichtigung von persönlichen und auch
situativen Faktoren untersucht werden konnte. Es beteiligten sich insgesamt 370
6. Zusammenfassende Diskussion
305
Personen aus unterschiedlichen wirtschaftlichen Organisationen und einer öf-
fentlichen Verwaltung an dieser Erhebung.
Mithilfe einer Skalenanalyse (s. Kap. 4.2.1) und einer Untersuchung der Test-
gütekriterien (s. Kap. 4.2.2) wurde die Qualität des Situationsfragebogens
„SEE“ untersucht. Die Skalenanalyse zeigte zufriedenstellende Ergebnisse in
Bezug auf die Normalverteilung, die durchschnittliche Schwierigkeit, die durch-
schnittliche Trennschärfe und die Gesamttest-Homogenität. Lediglich die Ein-
flusstaktik „Manipulation“ war nicht normal verteilt, wobei eine Normalver-
teilung aufgrund der großen Stichprobe (N = 363) für eine weitere inferenz-
statistische Auswertung nicht zwingend erforderlich war.
Die Reliabilität wurde durch drei unterschiedliche Methoden bestimmt. Die
Ergebnisse der Reliabilitätsanalyse zeigten, dass alle zur Hypothesenprüfung
herangezogenen Einflussskalen eine zufriedenstellende interne Konsistenz, Test-
Retestreliabilität und Paralleltest-Reliabilität besaßen (s. Tab. 4.14).
Die Validität wurde ebenfalls durch drei Methoden bestimmt. Auch bei der
Validitätsprüfung wurden zufriedenstellende Ergebnisse erzielt, welche durch
eine Interkorrelationsanalyse, eine Faktorenanalyse und eine Expertenbefragung
ermittelt wurden. Bei der Faktorenanalyse konnten zwei Faktoren extrahiert
werden. Die Zuordnung der neun Einflusstaktiken zu den beiden Faktoren
„weiche Einflussstrategie“ (mit rationales Argumentieren, beraten lassen,
charismatische Floskeln, Austausch anbieten und einschmeicheln) und „harte
Einflussstrategie“ (mit Koalitionen bilden, übergeordnete Instanzen einschalten,
Manipulation und Druck ausüben) ergab sich auch bei einer Expertenbefragung.
Somit war sowohl eine zufriedenstellende faktorielle als auch inhaltliche Validi-
tät gegeben.
Des Weiteren wurden auf Grundlage der Theorie und Empirie (s. Kap. 2) insge-
samt 20 Hypothesen aufgestellt, wovon 16 bestätigt werden konnten. Es stellte
sich heraus, dass sowohl situative als auch persönliche Faktoren die Einfluss-
6. Zusammenfassende Diskussion
306
nahme in Organisationen beeinflusst haben. Die harte Einflussstrategie wurde
häufiger in Situationen, die die Form eines Gefangenendilemmas annehmen
(Hypothese H1) und in Situationen, bei welchen der Einflussadressat aus einer
anderen Organisation stammte (Hypothese H3) eingesetzt als in Konvergenz-
spiel-Situationen bzw. in Situationen, in welchen Einfluss auf einen Kollegen
ausgeübt wurde. Die weiche Einflussstrategie wurde hingegen häufiger in
Konvergenzspiel-Situationen herangezogen als in Gefangenendilemmata (Hypo-
these H3).
Weiterhin konnte bestätigt werden, dass Männer (Hypothese H4) und niedrig
sozial erwünscht antwortende Personen (Hypothese H7) häufiger die harte Ein-
flussstrategie einsetzen als Frauen bzw. hoch sozial erwünscht antwortende
Personen. Niedrig sozial erwünscht antwortende Personen nutzen zudem noch
häufiger die Einflusstaktik „Manipulation“, als hoch erwünscht antwortende
Personen (Hypothese H8). Des Weiteren wurde festgestellt, dass hoch Macht-
motivierte generell häufiger Einfluss ausüben, als niedrig Machtmotivierte
(Hypothese H9). Hoch Anschlussmotivierte setzen hingegen weniger häufig die
Einflusstaktik „Manipulation“ ein als niedrig Anschlussmotivierte (Hypothese
H10).
Die Hypothesen H5 und H6 konnten allerdings nicht bestätigt werden. Somit
konnte nicht festgestellt werden, dass wenn der Beeinflussende davon ausgeht,
dass der Einflussadressat über die Konsequenzen des Spiels informiert ist (voll-
ständige Information), er häufiger die Einflusstaktik „rationales Argumentieren“
und weniger häufig die Einflusstaktik „Manipulation“ einsetzt, als wenn er nicht
davon ausgeht (unvollständige Information).
Des Weiteren wurden zwei Hypothesen H11 und H12 zur Prüfung der Konstrukt-
validität im Sinne einer konvergenten und diskriminaten Validitätsprüfung auf-
gestellt. Dabei wurde das Machtmotiv als konvergentes (die Machtmotivation
korreliert positiv mit der Einflussnahme) und das Anschlussmotiv als diskrimi-
6. Zusammenfassende Diskussion
307
nantes Validitätskonstrukt (die Anschlussmotivation korreliert negativ mit der
Einflusstaktik „Manipulation“) verwendet. Die beiden Validierungshypothesen
konnten ebenfalls bestätigt werden, womit die Konstruktvalidität als zufrieden-
stellend bewertet werden kann.
Durch eine Lineare Strukturgleichungsanalyse (Kap. 4.2.7) konnte zudem fest-
gestellt werden, dass der Einfluss des Machtmotivs auf die harten Einfluss-
taktiken „Manipulation“, „übergeordnete Instanzen einschalten“ und „Druck
ausüben“ bei den Männern wesentlich geringer war als bei den Frauen. Bei
Frauen übt somit die Ausprägung des Machtmotivs einen sehr großen Einfluss
auf die Einsatzhäufigkeit dieser drei harten Einflusstaktiken aus. Je ausgeprägter
das Machtmotiv bei Frauen ist, desto häufiger nutzen sie diese harten
Einflusstaktiken. Bei den Männern, welche im Allgemeinen höher macht-
motiviert als Frauen sind, war der Einfluss des Machtmotivs auf die harten
Einflusstaktiken wesentlich geringer.
Des Weiteren wurde aufbauend auf dem SEE, in welchem unterschiedliche
spieltheoretisch fundierte Situationsbeschreibungen dargestellt werden, ein Situ-
ationsfragebogen zur Erfassung der Präferenzordnung (SEP) entwickelt. Die
Präferenzordnung der Spieler gibt Auskunft über die Rangordnung der Auszah-
lungen eines spezifischen Spiels, welche sich aus den Handlungsalternativen
(kooperativ versus nicht kooperativ handeln) der Spieler A und B ergibt (s. Kap.
2.3.2.1). In der vorliegenden Arbeit wurden zwei spezifische Spiele und zwar
die beiden Spieltypen „Gefangenendilemma“ und „Konvergenzspiel“ als
unabhängige Variablen bei den Hypothesen H1 und H2 herangezogen. Der SEP
wurde entworfen, um zu untersuchen, ob die Upn. in der Lage sind, eine
intraorganisationale Gefangenendilemma- oder Konvergenzspielsituation im Be-
zug auf die Auszahlungen des Spiels so einzuschätzen, wie es die Spieltheorie
vorgibt und somit die wahrgenommene mit der spieltheoretischen Rangordnung
der Auszahlungen (s. Kap. 2.3.4) übereinstimmt. An dieser Untersuchung nah-
men 153 Personen teil. Es konnte festgestellt werden, dass sowohl die Test-
6. Zusammenfassende Diskussion
308
Retestreliabilität als auch die Paralleltestreliabilität des SEP sehr zufrieden-
stellend ausfiel.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Rangordnung der Auszahlungen und auch alle
weiteren Eigenschaften beim Konvergenzspiel im Sinne der Hypothesen H14 und
H18 bis H20 bestätigt werden konnten. Somit kann davon ausgegangen werden,
dass die Upn. die im SEE vorgegebenen intraorganisationalen Konvergenzspiel-
Situationen (s. Situationsbeschreibung 1 und 3, Anhang B und C) auch als
Konvergenzspiele wahrgenommen haben. Bei den intraorganisationalen Gefan-
genendilemma-Situationen konnten allerdings nicht alle Hypothesen bestätigt
werden. Es zeigte sich, dass sich entgegen der Hypothese H13 und H17 die Rang-
ordnung der Auszahlungen des Spiels änderte und sich im Nash-Gleichgewicht
eine pareto-optimale Lösung befand. Diese Änderung der Rangordnung ist ver-
mutlich auf den Einfluss der Organisation zurückzuführen (s. Kap. 6.4.5).
6.7 Abschließende Bemerkungen
In der vorliegenden Arbeit wurde die Einflussnahme der Mitglieder einer Orga-
nisation unter Berücksichtigung persönlicher und situativer Faktoren untersucht.
Die Ergebnisse zeigten, dass die persönlichen Merkmale, wie das Geschlecht,
das Macht- und Anschlussmotiv und die Antworttendenz „Soziale Erwünscht-
heit“ einer Person die Wahl von unterschiedlichen Einflusstaktiken bzw. -
strategien determinieren. Weiterhin wurde deutlich, dass nicht nur persönliche
sondern auch situative Faktoren, wie der Spiel- und Kontexttyp, die Wahl von
Einflusstaktiken und -strategien beeinflussen.
Zur Untersuchung der situativen Faktoren wurde in der vorliegenden Arbeit ein
Situationsfragebogen mit acht spieltheoretisch fundierten Situationsbeschrei-
bungen konzipiert. Engelhart (1994b, S. 182) empfahl bereits einen an der
Spieletypologie orientierten Fragebogen zu entwickeln, um zu untersuchen, ob
sich die wahrgenommenen Spieltypen auf die Wahl von Einflusstaktiken aus-
6. Zusammenfassende Diskussion
309
wirken, „nicht zuletzt deshalb, weil die von den Akteuren unterschiedlich defi-
nierten Spielregeln die persönlichen Handlungsspielräume (scheinbar) einengen
und damit über “Erfolg“ oder “Mißerfolg“ von sozialer Einflußnahme bzw.
Mikropolitik entscheiden“ (ebd., S. 182). Mikropolitische Vorgehensweisen sind
somit entscheidend von situativen Faktoren, wie beispielsweise dem Spieltyp,
abhängig.
In Anlehnung an Neuberger (2006, S. 191) ist Mikropolitik, wie es häufig
angenommen wird (s. Kap. 1), kein Störfall, sondern eine Bedingung dafür, dass
ein Unternehmen überhaupt funktioniert, da die Organisation nicht alle Bereiche
und Prozesse im Betrieb vorab regeln bzw. kontrollieren kann. Organisationen
haben daher „eine Reihe von Mechanismen entwickelt; einer davon ist, den
Akteuren Handlungsspielraum zu geben“ (ebd., S. 191). Gemäß Koch, Kaschu-
be und Fisch (2003, S. 4) verdeutlicht das Konzept der Eigenverantwortung den
Sachverhalt, dass das Handeln der Individuen weniger reglementiert bzw.
kontrolliert und den Akteuren somit ein größerer Handlungsspielraum einge-
räumt wird. Das Eigenverantwortungskonzept geht davon aus, dass der gegen-
seitige Einfluss der Organisationsmitglieder zunehmen und der der Organisation
abnehmen sollte.
Gemäß Neubauer & Rosemann (2006, S. 211 f.) und Winterhoff-Spurk (2002, S.
11) vergrößert sich der Handlungsspielraum der Organisationsmitglieder in der
heutigen Organisation stetig und spielt daher eine immer wichtigere Rolle. Wie
kann aber die Organisation bei einem immer größer werdenden Handlungs-
spielraum dafür sorgen, dass die Interessen der Organisation, welche nicht
immer mit den Interessen der Organisationsmitglieder übereinstimmen (s. Kap.
1), dennoch durchgesetzt werden. An dieser Stelle kommt die Mechanismus-
Design-Theorie, für welche den drei Forschern Leonid Hurwicz, Eric S. Maskin
und Roger B. Myerson im Jahr 2007 der Wirtschafts-Nobelpreis (vgl. Nobel-
prize Organization, 2008) verliehen wurde, zum Tragen.
6. Zusammenfassende Diskussion
310
Die Mechanismus-Design-Theorie wendet die spieltheoretische Analyse rück-
wärts an (vgl. Rieck, 2007). Bei dieser Theorie fragt man sich nicht, wie ein
Spieler ein bestimmtes Spiel spielen wird, sondern wie man ein Spiel gestalten
(designen) sollte, damit bestimmte Handlungen (z. B. kooperative vs. nicht
kooperative Handlung) ausgeführt werden. Die Herausforderung bei der Gestal-
tung des Spiels liegt darin, dass die Spieler freiwillig die gewünschte Handlung
antizipieren (ebd.). Das Spiel wird durch bestimmte Regeln so gestaltet, dass für
den Designer ein gewünschtes Spielergebnis erzielt werden kann.
Die Regeln müssen so gestaltet werden, dass die gewünschten Handlungen der
Spieler ein Nash-Gleichgewicht ergeben (ebd.). Bei einem nicht kooperativen
Spiel, wie beispielsweise beim Gefangenendilemma, werden die Spieler frei-
willig die nicht kooperative Handlung wählen, da sich das Nash-Gleichgewicht
in dem Feld befindet, in welchem beide Spieler nicht kooperativ handeln (s.
Kap. 2.3.4.1). Bei einem kooperativen Spiel, wie beispielsweise beim Kon-
vergenzspiel, befindet sich hingegen das Nash-Gleichgewicht in dem Feld, in
welchem beide Spieler kooperativ handeln (s. Kap. 2.3.4.2).
In der vorliegenden Arbeit wurde allerdings festgestellt, dass der Spieltyp (ko-
operativer vs. nicht kooperativer Spieltyp) auch einen entscheidenden Einfluss
auf die Wahl der Einflussstrategie der Organisationsmitglieder ausübt. Je „nach
der Struktur und den „Regeln“ der Spiele, an denen sie in der Organisation
teilnehmen, können die Strategien also mehr oder minder variabel sein: sie
können mehr oder weniger riskant, mehr oder weniger aggressiv oder, im
Gegenteil, mehr oder weniger defensiv sein“ (Crozier & Friedberg, 1979, S. 71).
Es konnte festgestellt werden, dass in einem kooperativen Spiel (Konvergenz-
spiel) bevorzugt die weiche Einflussstrategie eingesetzt wurde. Weiche Einfluss-
mittel sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den Einflussadressaten mehr Frei-
heiten und somit einen größeren Handlungsspielraum einräumen (vgl. Knippen-
berg & Steensma, 2003, S. 55). Harte Einflussmittel werden hingegen häufiger
in nicht kooperativen Spielen (Gefangenendilemma) herangezogen. Harte Ein-
6. Zusammenfassende Diskussion
311
flussmittel basieren auf Zwang und Kontrolle und erzeugen Spannungen zwi-
schen den Beeinflussenden und den Einflussadressaten (ebd., s. hierzu auch
Kap. 2.2. 2.2).
Bei den Einflussadressaten ruft der Einsatz bestimmter Macht- bzw. Einfluss-
mittel Ärger, Wut und Reaktanz hervor (vgl. Scholl, 2004, S. 545), was
insbesondere bei den harten Einflussmitteln der Fall sein dürfte. Die Pioniere der
Reaktanzforschung argumentieren: „in general, as the magnitude of influence
pressure increases, threat to freedom and consequent reactance arousal should
increase and positive influence should decrease“ (Brehm & Brehm, 1981, S.
152). Des Weiteren verschlechtert sich in Anlehnung an Scholl (2004, S. 548)
das (Arbeits-)Klima auf der Beziehungsebene. Gandz und Murray (1980, S. 242
f.) konnten belegen, dass die wahrgenommenen politischen Aktivitäten in einer
Organisation negativ mit der Arbeitszufriedenheit korrelieren (r = -.21, p <
.001).
Hieraus ergibt sich die Konsequenz, dass die Gestaltung von nicht kooperativen
Spielen zwar zu einer nicht kooperativen Handlung seitens der beteiligten
Spieler führt, welche für die Organisation unter Umständen wünschenswert ist
(s. Kap. 6.4.5), aber dies zu Lasten der Arbeitszufriedenheit geht und nicht im
Sinne der Humanisierung der Arbeit ist. Die Organisationen sollten daher bei
der Gestaltung von Arbeitssituationen im Sinne von Spielen berücksichtigen,
dass nicht kooperative Spiele, wie z. B. das Gefangenendilemma, die Arbeitszu-
friedenheit der Organisationsmitglieder durch den erhöhten Einsatz harter mi-
kropolitischer Einflussmittel negativ beeinträchtigen könnten.
Die aus der vorliegenden Arbeit resultierenden Erkenntnisse könnten in der
Praxis in speziellen Kommunikations- und Führungstrainings innerhalb eines
Unternehmens thematisiert werden. Hierdurch könnten die Führungskräfte sen-
sibilisiert werden, wie und warum sich die Mitarbeiter oder Geschäftspartner
unter bestimmten persönlichen und situativen Voraussetzungen bzw. Bedin-
6. Zusammenfassende Diskussion
312
gungen verhalten. Des Weiteren könnten Führungskräfte die Erkenntnisse nut-
zen, um das Handeln (kooperatives vs. nicht kooperatives Handeln) aber auch
das Einflussverhalten, welches durch bestimmte Einflusstaktiken bzw. -strate-
gien geprägt ist, im Sinne der Organisation zu steuern. Hierzu könnten die
Führungskräfte verbindliche Regeln (s. Kap. 2.3.1.2) einführen, welche die
Bedingungen der (Spiel-)Situation determinieren und somit die Auszahlungen
des Spiels (s. Kap. 2.3.2.1) festlegen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorliegende Arbeit einen innova-
tiven Beitrag zur Untersuchung von mikropolitischen Verhaltensweisen in Orga-
nisationen unter Verwendung mikropolitischer und spieltheoretischer Konzepte
leistet. Im Theorieteil wurden zunächst unterschiedliche Ansätze vorgestellt,
welche sich mit Macht und Einfluss in Organisationen auseinandersetzen. In
Anlehnung an die Theorie (s. Kap 2.2.1) wird Einfluss als die Realisation von
Macht und die Einflusstaktiken, welche in der vorliegenden Arbeit explizit
untersucht wurden, als die Art und Weise des Einflusses verstanden. Die
unterschiedlichen Einflusstaktiken lassen sich wiederum in unterschiedliche
Basisstrategien unterteilen (s. Kap. 2.2.2.2), wobei die vorliegende Arbeit
zwischen der harten und weichen Einflussstrategie unterscheidet.
Es wurde weiterhin deutlich, dass mikropolitische Verhaltensweisen (Einsatz
von Einflusstaktiken bzw. -strategien) sowohl durch persönliche als auch durch
situative Faktoren beeinflusst werden. Um die situativen Faktoren, welche in
vergangenen Forschungsarbeiten häufig sehr wenig untersucht wurden, hin-
reichend präzise zu berücksichtigen, wurde die Spieltheorie herangezogen (s.
Kap. 2.3.2 bis 2.3.4). Durch die Verwendung spieltheoretischer Konzepte war es
möglich, bestimmte Situationsbedingungen in Form von Situationsbeschrei-
bungen zu formalisieren. Mithilfe eines Situationsfragebogens (SEE) wurden
acht solcher Situationsbeschreibungen konzipiert und den Upn. vorgelegt. Um
zu überprüfen, ob die Upn. tatsächlich die jeweiligen Situationsbeschreibungen
in Bezug auf die Auszahlungen des Spiels (s. Kap. 2.3.2.1) so wahrnehmen, wie
6. Zusammenfassende Diskussion
313
es die Spieltheorie vorgibt, wurde ein weiterer innovativer Situationsfragebogen
(SEP) entwickelt. Die Verwendung der Situationsfragebogentechnik mithilfe der
Spieltheorie könnte in zukünftigen Forschungsarbeiten einen weiteren Beitrag
zur Untersuchung von mikropolitischen Verhaltensweisen unter Berücksichti-
gung situativer Faktoren leisten. Dabei könnten die in Abschnitt 6.5 berichteten
Einschränkungen dieser Studie dazu dienen, die Untersuchung der Wahl von
Einflusstaktiken z. B. in Bezug auf die Einflussrichtung (vertikal) oder die
Betrachtung dynamischer Spiele, zu erweitern.
7. Literaturverzeichnis
314
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