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2. Zukunftskolloquium der Zweigbibliothek Medizin der Universität Münster, 28./29. Juni 2010 Second “Future Colloquium” of the Münster Medical Library, June 28–29, 2010 Abstract 16 librarians from four countries took part in the “Future Colloquium” of the Münster Medical Library on pressing issues of librarianship, which Oliver Obst 1 takes place every sixth year. Expectations and desires were priorized 1 Zweigbibliothek Medizin, Universitäts- & in a moderation round and then systematically discussed. Three topics were anticipated: “Strategy” (presented by Oliver Obst), “Students” Landesbibliothek Münster, Deutschland (presented by Anna Schlosser) and “Web 2.0” (presented by Guus van den Brekel). A group work on library scenarios shifted the focus on new, innovative services, given that old, traditional services such as purchas- ing, surpass the library as well as erode former library monopolies. They were experiments with new formulas such as: “Library = Information Specialist for the visit” or “Library = Scientific Publishing Support Agent”. Finally, instructions for practice were proposed. Keywords: Medical Library, future Zusammenfassung 16 Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus vier Ländern nahmen am alle sechs Jahre stattfindende Zukunftskolloquium der Münsteraner Medizinbibliothek zu drängenden Fragen des Bibliothekswesens teil. Erwartungen und Wünsche wurden in einer Moderationsrunde priorisiert und dann systematisch diskutiert. Drei antizipierte Themen waren vor- bereitet worden: „Strategie“ (präsentiert von Herrn Obst), „Studierende“ (präsentiert von Frau Schlosser) und „Web 2.0“ (präsentiert von Guus van den Brekel). Am zweiten Tag wurde durch Gruppenarbeiten zu einer typischen Studenten- bzw. Wissenschaftlerbibliothek der Fokus auf neue, in-novative Dienstleistungen gerichtet, da alte, traditionelle Dienstleistungen wie Erwerbung vielerorts erfolgreich an der Bibliothek vorbeilaufen und Bibliotheksmonopole ins Wanken geraten. Es wurde mit neuen Formeln experimentiert wie: „Bibliothek = Informationsspe- zialist für die Visite“ oder „Bibliothek = Scientific Publishing Support Agent“. Schlussendlich wurden konkrete und individuelle Handlungsan- weisungen für die Praxis erstellt. Schlüsselwörter: Medizinbibliothek, Zukunft Einleitung „Das sind sehr interessante, turbulente, unklare und beunruhigende Zeiten, um ein Bibliothekar zu sein. Ein Grund dafür ist, dass heute viel Information entinstitutio- nalisiert und entmaterialisiert wird. Viele der Quellen für aktuellste Information haben ihre statischen und bestän- digen Qualitäten verloren und sind interaktiv und verän- derbar geworden.“ (Nina W. Matheson. College & Research Libraries. 1984;45:207-13.) 16 Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus vier Ländern nahmen am zweiten „Zukunftskolloquium der Zweigbiblio- thek Medizin“ zu drängenden Fragen des medizinischen Bibliothekswesens teil, darunter die beiden Leiter der deutschen und der österreichischen Nationalbibliotheken für Medizin. 1/12 GMS Medizin - Bibliothek - Information 2010, Vol. 10(3), ISSN 1865-066X Fachbeitrag OPEN ACCESS

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2. Zukunftskolloquium der Zweigbibliothek Medizin derUniversität Münster, 28./29. Juni 2010

Second “Future Colloquium” of theMünsterMedical Library, June 28–29,2010

Abstract16 librarians from four countries took part in the “Future Colloquium”of theMünster Medical Library on pressing issues of librarianship, which

Oliver Obst1

takes place every sixth year. Expectations and desires were priorized1 Zweigbibliothek Medizin,Universitäts- &

in a moderation round and then systematically discussed. Three topicswere anticipated: “Strategy” (presented by Oliver Obst), “Students” Landesbibliothek Münster,

Deutschland(presented by Anna Schlosser) and “Web 2.0” (presented by Guus vanden Brekel). A group work on library scenarios shifted the focus on new,innovative services, given that old, traditional services such as purchas-ing, surpass the library as well as erode former library monopolies. Theywere experiments with new formulas such as: “Library = InformationSpecialist for the visit” or “Library = Scientific Publishing Support Agent”.Finally, instructions for practice were proposed.

Keywords: Medical Library, future

Zusammenfassung16 Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus vier Ländern nahmen amalle sechs Jahre stattfindende Zukunftskolloquium der MünsteranerMedizinbibliothek zu drängenden Fragen des Bibliothekswesens teil.Erwartungen undWünschewurden in einerModerationsrunde priorisiertund dann systematisch diskutiert. Drei antizipierte Themen waren vor-bereitet worden: „Strategie“ (präsentiert von Herrn Obst), „Studierende“(präsentiert von Frau Schlosser) und „Web 2.0“ (präsentiert von Guusvan den Brekel). Am zweiten Tag wurde durch Gruppenarbeiten zu einertypischen Studenten- bzw. Wissenschaftlerbibliothek der Fokus aufneue, in-novative Dienstleistungen gerichtet, da alte, traditionelleDienstleistungenwie Erwerbung vielerorts erfolgreich an der Bibliothekvorbeilaufen und Bibliotheksmonopole ins Wanken geraten. Es wurdemit neuen Formeln experimentiert wie: „Bibliothek = Informationsspe-zialist für die Visite“ oder „Bibliothek = Scientific Publishing SupportAgent“. Schlussendlich wurden konkrete und individuelle Handlungsan-weisungen für die Praxis erstellt.

Schlüsselwörter: Medizinbibliothek, Zukunft

Einleitung„Das sind sehr interessante, turbulente, unklare undbeunruhigende Zeiten, um ein Bibliothekar zu sein. EinGrund dafür ist, dass heute viel Information entinstitutio-nalisiert und entmaterialisiert wird. Viele der Quellen füraktuellste Information haben ihre statischen und bestän-digen Qualitäten verloren und sind interaktiv und verän-derbar geworden.“(Nina W. Matheson. College & Research Libraries.1984;45:207-13.)

16 Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus vier Ländernnahmen am zweiten „Zukunftskolloquiumder Zweigbiblio-thek Medizin“ zu drängenden Fragen des medizinischenBibliothekswesens teil, darunter die beiden Leiter derdeutschen und der österreichischenNationalbibliothekenfür Medizin.

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FachbeitragOPEN ACCESS

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Abbildung 1: Prioritäten des 2010er Workshops

Programm

Das Programmdes zweitägigen Kolloquiums bestand auseiner Einführung in das Thema, einer kurze Vorstellungs-runde, in der Erwartungen undWünsche geäußert werdenkonnten und einer moderierten Prioritätensetzung (Abbil-dung 1). Zum ersten Thema „Strategie“ präsentierte HerrObst u.a. den Vortrag von Derek Halling „Following thepaths of library users in redesigning library spaces“ [1]sowie das Video „Manifesto 2.0“ [2] von Laura Cohenund Søren Johannessen. Das Thema Nr. 2 betraf Studie-rende und wurde von Frau Schlosser vorgetragen. Dazuwurde ein Video von der „Yonsei Samsung Library Südko-rea“ gezeigt sowie Bilder des Rolex Learning Center Lau-sanne (http://www.rolexlearningcenter.ch/the_building/,http://snipurl.com/rolex2). Am zweiten Tag wurden ineiner Gruppenarbeit (4 Gruppen à 3–4 Personen) zu einer„Studentenbibliothek“ bzw. „Wissenschaftlerbibliothek“,bevor Guus van den Brekel eine Einführung in Web2.0/Emerging Technologies gab.Das Zukunftskolloquium war sowohl als Fortbildung avi-siert als auch als Brainstorming. Schlussendlich solltenkonkrete und individuelle Handlungsanweisungen gene-riert werden: Was zu tun ist, um in der eigenen Bibliothekpositive Veränderungen umzusetzen. Es waren zwar dreiExperten eingeladen worden, aber da die Rahmenbedin-gungen von Bibliothek zu Bibliothek doch so variieren,dass allgemeine Ratschläge nicht immer passen würden,dienten die Experten „lediglich“ der Strukturierung desWorkshops, dem Freisetzen des Blicks über den Teller-

rand und der Initiierung von Diskussionen. Insgesamtwaren die Rahmenbedingungen des Workshops auf dieFreisetzung größtmöglicher Kreativität ausgerichtet.

Prioritäten

Die Delphi-Studie zum letzten Kolloquium 2004 [3] hatteeinige Prognosen bezüglich des Zeitraums von 2010 bis2012 getroffen, so sollte eine interaktive Auskunft ange-botenwerden, sich das Burn-out-Syndrom verbreiten, eineStudy Landscape existieren, Bibliothekare fähig sein zugenetischen Schulungen und Recherchen, der Etat selb-ständig erwirtschaftet, Bibliotheksräume zu Labors um-gewidmet und jeder Student von der Bibliothekmit einemTablet-PC ausgestattet werden. Sechs Jahre nach dem1.Münsteraner Zukunftskolloquium standenwieder vieleder damaligen Themen auf der Tagesordnung, aber auchviele neue. In einer moderierten Teamarbeit wurden jedrei favorisierte Themen und Wünsche pro Teilnehmereingesammelt und an einer Tafel kategorisiert. So ent-stand eine Übersicht der Prioritäten:

• Budget/E-Journals: Die Zeitschriften waren wie 2004ein zentraler Punkt, doch diesmal befassten sich nursechs Kärtchenmit diesemSubjekt (2004: 11), zudemwaren die Fragen zielgerichteter. Sie richteten sich aufFinanzierung (Budget, Verhandlungen, Lizenzierung)und Management (Print-Zeitschriften makulieren).Damals fragten 5 Personen nach der Geld- und Kos-tenproblematik, 2010 waren es 4. Auch hier waren

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die Anmerkungen gezielter, so wurde insbesonderenach Budgetverhandlungen mit der Fakultät gefragt.

• Marketing: 2004 war der Kontakt zur Fakultät bereitsein heißes Thema gewesen (6 Pers.), und auch indiesem Seminar stand die Kommunikation mit denBenutzern im Vordergrund: „Ergründung von Benutzer-wünschen, wenn Berührungspunkte nur noch elektro-nisch“ oder „Die Fakultät, das unbekannte Wesen?“.Dies und ähnliche Punkte waren auch unter Web 2.0und den Hauptbenutzergruppen Wissenschaftler undStudenten („Ort“) zu finden.

• Web-Tech: Soziale Netzwerke waren das erste Mal imVisier, auch wenn 2004 bereits damit experimentiertwurde. 6–7 Personen suchten nach Antworten auf ihreFragen bezüglich Emerging Technologies, Bibliothek2.0, Virtual Research Environments (VRE) usw.

• E-Books:5 Leute fragten nach elektronischenBüchern,gegenüber 1 in 2004, mit Fokus auf der Lehrbuch-sammlung, dem Bedarf und Ersatz von gedrucktenBüchern.

• Wissenschaftler: 5 Personen beschäftigen sich mitÄrzten undWissenschaftlern, ihrem Verschwinden ausder Bibliothek, ihren Informationsbedürfnissen, For-schungsdaten und virtuellen Konferenzräumen (Re-searchgate). 2004waren die Forscher bei 3en Thema.

• Ort: Die resultierende Umwidmung zu einer reinen Ar-beits- und Lernbibliothek trieb 8 Teilnehmer um –doppelt so viele wie 2004. Was wird bloß aus der Bi-bliothek? Eine nur noch virtuelle? Eine Study Land-scape? Ein – hoffentlich zukunftsfähiges – Kommuni-kationszentrum? Ein Living Room (Information Com-mons)?

• Strategie: 2004 noch kein Thema, gruppierten sichdiesmal alleine 8 Desiderate um dieses Thema (wennauch als Sammelbegriff für Randständiges). EinNachdenken über das „Kerngeschäft“, „NeueDienste“,„Überflüssige Aufgaben“, „Entwicklung von Aufgaben“sowie „Kooperationen“ wurde angemahnt.

• Informationskompetenz: Teaching Library und Infor-mationskompetenz wurden beim letztenMal noch von5 als wichtige Themen angeführt, diesmal tauchten E-Learning und Informationskompetenz lediglich alseinzelne Wünsche wieder auf.

Obwohl etliche Teilnehmer „E-Journals“ als Priorität anga-ben, wurde das ThemaOpen Access bei der Einführungs-runde im Gegensatz zu 2004 (3 Pers.) gar nicht erwähnt.Ist es im bibliothekarischen Alltag angekommen und/odergar nicht mehr so wichtig? Open Access ist nur ein weite-res Geschäftsmodell und stellt die Existenz des Zeitschrif-ten-Abo-Modell nicht in Frage. Das war 2004 noch nichtso klar.

StrategieEin Dienstleistungs-Kanon von Must-haves (und konse-quenterweise von Not-Must-haves) wurde gefordert. Wieschafft man es, mehr Innovationen bei weniger Geld

umzusetzen? Insbesonderemit den gleichenMitarbeiternmit den gleichen Fähigkeiten und Arbeitsstunden? Wer-den die Innovationen von den vorhandenen Mitarbeiternvorgeschrieben oder orientiert man sich bei der Neuein-stellung an dem Innovationsspektrum? Es wurde gefragt,welcheMedizinbibliothek ein schriftlich formuliertes Ziel,eine Mission hätte à la „Wir sind die zentrale Informati-onsstelle der Fakultät“. Es wurde im Weiteren keineStrategie vom „Scratch“ erstellt, aber einige zentralePunkte erarbeitet, aus denen sich eine Strategie zusam-mensetzten sollte:

1. Ziele ergeben sich aus Zielgruppen: Eine Strategieist durch Ziele charakterisiert, die sich wiederum ausden – jeweils unterschiedlichen – Organisationen undZielgruppen ergeben. Umfragen sind nötig, um Ziel-gruppen und deren Bedürfnisse der Zielgruppen zuerfahren.

2. Verbündete suchen: Verbündete suchen, z.B. bei derEinstellung neuer Fakultätsangehöriger sich als Biblio-thek vorstellen. Die kritische Diskussion über neueBenutzergruppen wie z.B. Krankenpfleger („Wir kön-nen die alten Gruppen schon nicht mehr adäquatbedienen“) bekam eine neue Wende durch den Ver-bündeten „Pflegedirektor“, der (immerhin!) im Vor-stand des Uniklinikums sitzt. Kontakt ist der SchlüsselzumErfolg, Roadshows undHausbesuche (z.B. http://www.un i -muenster.de/ZBMed/benutzung/schulungen/hausbesuche.html) sollen die Kundenbin-dung zumWissenschaftler weiterhin aufrechterhaltenbzw. intensivieren (früher nannte man das lapidar„aufsuchende Bibliotheksarbeit“). Verbündete findensich insbesondere durch Leadership: Wenn ein Biblio-thekar in bestimmten Bereichen als Innovations- undMeinungsführer innerhalb der Fakultät angesehenwird. „Sie haben doch Ahnung von Weblogs, Sie sinddoch der Technikaffinste hier in der Fakultät. KönnenSie mir helfen?“

3. Marketing:Marketing ist Werbung für die Bibliotheks-dienstleistungen aber auch andauerndes Verbesse-rungsmanagement [4], [5]. Marketing könnte für denoben angemahnten Kontakt sorgen. Marketing nutztalle möglichen Kommunikationskanäle, nicht nur dieelektronischen. Branding von E-Journals könnte aufdie Bibliothek hinweisen (in PubMed ist das möglich,aber auch in GoogleScholar). Das allgemein geringeWissen über praktische Marketing-Instrumentekönnte durch einen Marketing-Workshop in Zusam-menhang mit einer AGMB-Tagung erweitert werden.

4. Workflow: Es gibt nicht „den einen“ Kanal, mit demman alle Nutzer bedienen könnte, stattdessen gilt es,viele Kanäle (oder Web 2.0-Tools) zu nutzen (Diversi-täts-Prinzip, http://de.wikipedia.org/wiki/Diversity_Management). Nicht den Nutzern den einen Kanal(oder das eine Portal, den einen Katalog) aufzwängen,den die Bibliothek zufällig gerade beherrscht, sondernden favorisierten Kanal des jeweiligen Nutzer bedie-nen, ja noch mehr: Sich in den Workflow des Nutzerseinbinden, Bibliothekstools zu entwickeln, die vom

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Nutzern in sein spezifisches Virtual Research Environ-ment (VRE) eingebettet werden kann. Aber nicht nurAnne Christensen ist skeptisch, was Bibliothekarewirklich zu VREs beitragen könnten.„At the course, I have seen terrific examples andoverviews of VREs and learned of projects that try tointernationally aggregate research data. But whatcan we as librarians contribute to that? Of course:We provide metadata on printed material and asmuch full text as our funding stretches to. We havesome expertise in the organisation of knowledge(though mainly in form of printed material) and careabout archiving. But does that mean we should takethe lead on the building of the actual tools thatresearchers require in order to collaborate and share?Carole Goble from Manchester gave a demo of aplatform in systems biology that allows researchersnot only to share data, but also to rate research andthus help to build enough trust to foster even moresharing. But Goble, despite all her brilliant ideas forfeatures of e-research frameworks, seemed hard-pushed when she was asked to come up with ideasfor the role that libraries might play here.“ [6]

5. Informationsinfrastruktur: Sich als Teil der Informati-onsinfrastruktur verstehen und entsprechend han-deln. Gucken, wo man reinpasst (auch von der Größeund Machbarkeit her, Beispiel: Literaturversorgung,interner Informationsfluss) und wo nicht (Beispiel:Krankenhausinformationssystem).

6. Alert sein: Man sollte immer neugierig und aufge-schlossen sein für neue Entwicklungen und die Mitar-beitern ermutigen (oder sie sogar dazu antreiben)auszuprobieren, zu experimentieren, zu spielen undzu entdecken. Es gilt aber auch „alert“ und „aware“zu sein, was in der eigenen Organisation passiert undwas sich regional, national und international tut. Inder Zukunft werden Zusammenarbeit und Koopera-tionenmit anderen Partnern noch wichtiger sein, z.B.um steigende Kosten aufzufangen. Man sollte nichtauf Kooperationen warten, sondern diese aktiv su-chen, um den Service zu verbessern.

7. Prioritäten setzen: Ständig kommen neue Arbei-ten/Aufgaben dazu, aber noch nie haben Bibliothekenauf (die traditionellen?) Arbeiten verzichten können.Welche Arbeiten sind überflüssig? Welche könnenweggelassen werden, damit genügend Kapazität freiwerden für neue Aufgaben? Prioritäten müssen auchgesetzt werden, um den Burnout bei Mitarbeitendenzu verhindern. Dazu braucht es ein veritables ChangeManagement.

StudierendeDer allgemeine Tenor war, dass die Bibliothek als Ort inabsehbarer Zukunft (10 Jahre) bestehen bleibt: „Die Bi-bliothek bleibt ein Renner (natürlich nur unter bestimmtenVoraussetzungen)“ und zwar als Meeting Place für Stu-denten, nicht für Wissenschaftler oder Ärzte (Ausnahmen

von Bibliotheken, die somitten drin im Krankenhaus sind,dass der Arzt mal eben rübergeht, um die dortigen „fire-wall-freien“ Computer zu nutzen, bestätigen die Regel).Es wurde auch moniert, dass Standards fehlen, wie vielStudierende wie viele Arbeitsplätze oder Quadratmeterbenötigen, um die Bibliothek entsprechend aufstellen zukönnen. (Als Ansprechpartner wurde hier Dr. Klaus UlrichWerner, FU Berlin, genannt: http://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/bibliotheken/mitarbeiter/werner/index.html, [7], [8].) Es stellte sich die Frage: Wiesieht dieser Ort aus, wie bauen wir diesen Ort?

• 24/7-Öffnung rund um die Uhr• Für den Erfolg ist die Lage wichtig. Sowohl die geogra-phische als auch die gefühlte Lage im Zentrum desstudentischen Lebens/Lernens ist ein enormes Pfund,mit dem man wuchern sollte. Vielerorts entstehenLernräume, Skillslabs direkt in Bibliotheken oder inunmittelbarer Nachbarschaft, da dort auch die Studen-ten sind (und das eigentliche Hörsaalgebäude nichtso zentral liegt).

• Insbesondere die Lehrbuchsammlung, sei es mit P-oder E-Books, stellt ein überaus erfolgreiches Ge-schäftsmodell dar.

• Berücksichtigung von unterschiedlichen Lernformensowie Ruhe/Arbeitsbedürfnissen (still – kommunikativ– sozial). Ruhezonen werden von vorne nach hintenoder von unten nach oben (OASE Düsseldorf) immermehr, immer stärker geschützt. Lounges.

• PC-Angebote sind weiterhin wichtig und zukünftig dieAusleihe von iPadsmit medizinischen Lern-Anwendun-gen.

• Die Studierenden mit ins Boot holen, in Form einergemeinsamen Task Force studentische Verbesserungs-vorschläge sammeln und diskutieren. Nicht nur alsEinbahnstraße: AuchBedürfnisse oder Entscheidungender Bibliothek werden angesprochen und vermittelt(Beispiel Münster: http://medbib.klinikum.uni-muenster.de/wiki/TaskForce).

• Ein Helpdesk, das auch IT-Fragen abdecken sollte.• Muss dieser „ideale“ Raum überhaupt etwas mit derBibliothek/den Bibliothekaren zu tun haben („Störenwir da schon?“). Wenn jeder mit einer Smartcard reinkann, muss das nicht die Bibliothek sein. Auf die fol-gende Frage wusste keiner wirklich eine Antwort:„Wenn die Auskunft oder die Ausleihe wegfällt oderautomatisiert wird, was definiert dann noch diesenRaumals Bibliothek?“ In diesen Zusammenhang denktman an die Extinction Timeline, die für 2020 die Aus-löschung bzw. das Unwichtigwerden von Bibliothekenvorsieht und für 2040 diejenige von kostenfreien öf-fentlichen Orten (http://www.nowandnext.com/PDF/extinction_timeline.pdf).

• Dazu ist eine Umbau nötig: „Regale raus, Tische rein“.Diese Umwidmung ist in der Hälfte der TeilnehmendenBibliotheken bereits vollzogen worden. Der Umbau derBibliothek muss kein Millionenprojekt sein, das durchsämtliche Instanzen von Uni undKlinikumgehenmuss,sondern kann von der Bibliothek auch „Schritt für

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Schritt“ autonom durchgeführt werden, wie anhandvon Derek Halling’s Vortrag [1] veranschaulicht wurde.Es verschlingt erstaunlich wenig Personal und Finan-zen, einfach einen Raumnach dem anderen umzuwid-men.

• Ein typischer Umbau lief wie folgt ab: „Zuerst habenwir die Zeitschriftenbände ausgelagert oder entsorgt.So entstand Platz für den Monographien- und Lehr-buchbestand (und sogar noch einige Arbeitsplätze). Inden ehemaligen Monobestand kamen Computerar-beitstische, einst für elektronische Prüfungen ange-schafft. Die ehemalige Lehrbuchsammlung wurdemitein paar Raumteilern zum Gruppenarbeitsraum. Wirhaben dann noch ein Büro geopfert und eine Mauerdurchbrochen, damit dort ein Bistro eingerichtet wer-den konnte.“

Vereinzelt (insb. von den „Experten“) wurde die Überzeu-gung geäußert, dass es nicht mehr ausreichen würde,den Studenten alleine die notwendigen Lernmaterialien„dahinzustellen“ und sie dann damit alleine zu lassen.Den Studenten muss darüber hinaus etwas gebotenwerden, etwas, dasmit Spaß in Verbindung steht (Games& Libraries) oder „dem selbst aktiv Werden“ (Being apublisher). Beides zugleich kann z.B. bei der Multimedia-Produktion, beim Erstellen von Youtube-Videos erfahrenwerden, wie es auch in der Yonsei Samsung Library ange-boten wird (http://www.youtube.com/watch?v=xfMJYpf5MG0). Diese orientiert sich ganz klar an den „Dreamsand Imaginations“ der Studenten – nicht mehr und nichtweniger.Zudem stellte sich die Frage nach der Zukunft des Busi-ness-Modells „Lehrbücher kaufen und verleihen“.Machensich die Bibliotheken hier nicht zu abhängig von diesemModell? Es war zwar bisher überaus erfolgreich, wird aberzur Zeit durch zwei Entwicklungen bedroht:

1. Die Digitalisierung von Lehrbüchern und im Gefolgeneue Geschäftsmodelle der Verlage (Individualisie-rung, DRM, Umgehung von Zwischenhändlern)mischen den Markt auf; die traditionellen Akteuremüssen ihre Rollen neu definieren.

2. Ein kommerzieller Buchverleih (wie von http://www.chegg.com/) kann viel wirtschaftlicher organisiertwerden als der Verleih über Bibliotheken, zudem wä-ren die öffentlichen Haushalte entlastet. „Mit derKosteneffizienz eines zentral organisierten Buchver-leihs ohne Niederlassungen dürften die Buchhand-lungen letztlich aber kaum mithalten können“ [9].

Gruppenarbeit Studenten

Zwei Gruppenmit je 4Mitgliedern hatten eine besondereAufgabe zu bewältigen. Das Szenario war die Gründungeiner Medizinfakultät in Bielefeld. In einer Kommission,die nur aus Studenten zusammengesetzt war, sollte eineMedizinbibliothek geplant werden. Dazu standenNeubau-mittel in Höhe von 20 Mio. Euro zur Verfügung und einSachetat von 2 Mio. Euro p.a. Ein geringer Teil des

Sachetats (<10%) konnte in Personalmittel umgewidmetwerden.

Gruppe 1: „Wir sind das Zentrum“

Diese Gruppe wollte als Erstes einen Architekturwettbe-werb für die Bibliothek ausschreiben und dabei auf einebesonders zentrale Lage (mitten in der Stadt) setzen, ander jeder vorbeikommt. Die Aussage „Wir sind das Zen-trum“ wurde so verstanden, dass an dieser Stelle alles,aber auch wirklich alles zusammenfließen sollte, was derStudent benötigt (selbstverständlich unabhängig davon,ob es zu den bisherigen bibliothekarischen Dienstleistun-gen gehörte oder nicht): Arbeitsplätze, Treffpunkt, LivingRoom,Medien, Ressourcen, Schreibmaterialien, Technik,Internet, Auskünfte, Vorlesungssäle, Labors, Studienhos-pital. Die Arbeitsplätze sollten sehr flexibel sein, das Mo-biliar veränder- und verstellbar, um den unterschiedlichenAnsprüchen zu genügen. „Ambesten ist es, die Studentenselber ausprobieren zu lassen, welche Möbel ihren Be-dürfnissen entsprechen.“Die „Bibliothek“ wird durch einen hauptamtlichen Ge-schäftsführer (gerne auch Bibliothekar) geleitet, der ei-nem studentischen „Aufsichtsrat“ gegenüber berichtenmuss. Der Aufsichtsrat gibt die grundlegende Zielausrich-tung des Hauses vor (wie z.B. Erwerbungspolitik), derGeschäftsführer ist ausführendes Organ. Die Bibliothekbesitzt eine optimale technische Ausstattung, ähnlich derYonsei Library, und eine ebenso optimaleMedienausstat-tung. Jeder Student hat Anrecht auf ein Lehrbuch jedesFachgebietes, dazu gibt es sämtliche E-Lehrbücher allerAnbieter. Die neuesten Anschaffungen werden visuell soauffällig und ansprechend präsentiert (imWeb aber auchvor Ort), dass jeder sofort weiß, was es Neues gibt.Sonstige Dienstleistungen werden outgesourct, z.B. diekomplette Medienbearbeitung wird von Lehmanns über-nommen, ebenso wie die Katalogisierung (braucht mandie überhaupt noch?) und Einarbeitung. Ausleihe undRückgabe funktionieren rund umdie Uhr an Buchautoma-ten. Das IT-Geschäft hat ebenfalls ein externer Dienstleis-ter übernommen. Dafür stehen immer die neuestenComputer, Pads und Smartphones zum Ausprobieren zurVerfügung. Eine weitere durch einen Mediendidaktikeroder einen professionellen Bibliothekar besetzte Stellewürde speziell auf die Bielefelder Professoren zurechtgeschnittene Lehrbücher herstellen, die nur noch dasenthalten, was hier abgefragt und verlangt wird. Dazuwerden die jeweiligen Vorlesungen überwacht und diebenötigten Inhalte in den lizenzierten E-Books annotiert,da die Profs keine Zeit dazu haben.

Gruppe 2: „Medizinbibliothek neu“

Es werden große Mengen an Büchern und E-Books fürdie Lehrbuchsammlungangeschafft, sowie diewichtigstenPubMed-Zeitschriften und Prüfungssoftware. 3 Personal-stellen werden für die Bewachung, die IT und die Erwer-bung noch benötigt. Der 20 Mio. Bau wird 5.000 m2 großsein (darunter ein 50 m2 großes Büro für die Bibliotheka-

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re). Es wird stille und laute Arbeitszonen geben, Gruppen-arbeitsräume sowie abzuschließende Arbeitsräume,Spinde und Rollcontainer und einen Hörsaal. Eine Cafe-teria auf dem Dach, ein Medical Skills Center und einCopy Shop ergänzen das Lernzentrum. Die IT-Ausstattungwird „voll-umfänglich“ sein, d.h. mit genügend PCs undWLAN. Ein Laden wird medizinischen Bedarf anbieten,und ein Raum (oder mehrere) werden für die Fachschaftzur Verfügung stehen. Die Öffnungszeiten sind rund umdie Uhr: 24/7.

Gruppenarbeit Wissenschaftler

Zwei Gruppen mit je 4 Mitgliedern bekamen das gleicheSzenario präsentiert, nur hatte die Kommission der Wis-senschaftler die Aufgabe, bibliothekarischen Service ohneNeubaumittel undmit 2Mio. Euro pro Jahr Personalmittelzu planen. Auch hier galt die Erweiterung, <10% desBudgets zu Erwerbungsmitteln umwidmen zu können.

Gruppe 1: „Fahrdienst für Dokumente“

Hier galt der Grundsatz „Abos sind Schrott, brauchen wirüberhaupt nicht“. Demzufolge kreiste das Bestrebendieser Gruppe umdie Fragestellung, wieman die dringendbenötigten Einzelartikel besorgen könnte. Schließlichpräsentierte man eine clevere Kooperationmit denMedi-zinbibliotheken in Münster, Düsseldorf und Köln, um das„Erwerbungsetatverbot“ zu umgehen: 1Mio. Euro solltenhier investiert werden, um im Gegenzug die Dokumenteper Kurierdienst von dort herholen zu können. Alternativwurde auch an eine Art Flatrate für Einzelartikel gedacht.Open Access sollte als Drohung gegenüber den Verlageneingesetzt werden.Des Weiteren wurde ein Personaletat von 300.000 Euroangesetzt und 500.000 Euro für lokale Bedürfnisse. Da-neben hatte man auch ein Einsehen mit den Studentenund wollten 10% ihres Etats für Lehrbücher zur Verfügungstellen: Da es in diesem Szenario keine physische Biblio-thek gibt, sollten natürlich nur elektronische Lehrbüchergekauft werden.

Gruppe 2: „Mädchen für Alles“

Hier fand man unabhängig von Gruppe 1 eine ähnlicheLösung der Literaturproblematik: Ein rund um die Uhrarbeitender Fahrdienst beschaffte aus der ZB Med inKöln die nötigen Artikel. Spezialliteratur wurde aus derNLM in den USA besorgt. 20 Mitarbeiter wurden in dieKliniken und Institute vor Ort geschickt, um dort „Mäd-chen für alles“ zu sein. Sowohl die Artikelbestellungensollten durchgeführt werden als auch die Unterstützungvon Open Access und Forschungsdatenbanken, des E-Learnings, die Durchführung von Auftragsrecherchen,sowie Beratungstätigkeiten. Zu Marketingzwecken wardie Bibliotheksleitung, die PR-Abteilung, ein Jurist undein weitere Abteilung für Bibliometrie und Forschungsför-derung direkt beim Rektorat angesiedelt. Eine Abteilungzu Open Access, Repositories, Forschungsdaten und E-

Learning arbeitete eng mit dem Rechenzentrum zusam-men.Es überrascht, wie sehr die beiden Wissenschaftlergrup-pen sich um die Zeitschriftenartikel kümmern, die ganzePlanung scheint um die Literaturversorgung herum ge-strickt, bei der einen Gruppe sehr viel stärker als bei deranderen. Die Vorgaben sollten dies eigentlich unmöglichmachen. Der Fokus sollte ja gerade weg von der Beschaf-fung auf neue, innovative Dienstleistungen gerichtetwerden. Beschaffung läuft vielerorts erfolgreich ohne Bi-bliothek (via Open Access und Preprints, Doyo oder Re-searchGate), Bibliotheksmonopole geraten ins Wanken(Google Scholar, Nationallizenzen und Repositories seiDank [4]), Budgeteinschnitte verstärken diese Entwick-lung. Es wurde die Formel bedient: „Bibliothek = Litera-turbeschaffung“ und nichtmit neuen Formeln experimen-tiert wie z.B. „Bibliothek = Informationsspezialist für dieVisite“ oder „Bibliothek = Scientific Publishing SupportAgent“.

Web 2.0 – Emerging TechnologiesDieser Tagungspunkt, von Guus van den Brekel, vorgetra-gen, war mit Spannung erwartet worden. Zum einen si-cherlich, da die meisten Anwesenden wenig bis keineAhnung von der Tiefe und Durchdringung von Web 2.0-Tools unter Nutzern hatten, zum anderen sicherlich auch,weil diesen Anwendungen generell (und instinktiv) eingroßes Potenzial zugesprochen wurde. Letzteres kollidier-te mit der Aufopferungsbereitschaft vieler Teilnehmer,sich – nach E-Journals, E-Books, E-Sonstwas – auch nochZeit und Muße und Hingabe für diese sozialen Medienaufbringen zu müssen. „Ich habe mich mit so vielen Sa-chen beschäftigt und eingearbeitet, die nicht Teil meinerAusbildung waren, aber bei Web 2.0 ist nun Schluss: Dasmache ich nicht auch noch mit!“

Web 2.0

„Web 2.0 ist ein Schlagwort, das für eine Reihe interak-tiver und kollaborativer Elemente des Internets, spezielldes World WideWebs, verwendet wird. Der Begriff postu-liert in Anlehnung an die Versionsnummern von Software-produkten eine neue Generation des Webs und grenztdiese von früheren Nutzungsarten ab. Die Bedeutung desBegriffs nimmt jedoch zu Gunsten des Begriffs SocialMedia ab“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Web_2.0). Ge-bräuchlicheWeb 2.0-Tools (mit jeweils Beispielanbietern)sind das Teilen und Kommentieren von …

• kurzen Webbeiträgen, tagebuchartig = Blog (Word-press, Blogger)

• kurzen Webbeiträgen, lexikonartig = Wiki (Mediawiki,Twiki)

• sehr kurzen Webbeiträgen, SMS-Style (Twitter)• Favoriten, Bookmarks (del.icio.us, digg)• Bildern (Flickr)• Powerpoint-Vorträgen (SlideShare)• Videos (YouTube, GoogleVideo)

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• Musik (last.fm, Blip)• Titelaufnahmen (LibraryThing, Connotea, CiteSeer)• PDFs (ResearchGate)• Forschungsergebnisse (Nature Network)

In sozialen Netzwerken wie Facebook, StudiVZ und – imwissenschaftlichen Bereich – Nature Network, Research-Gate usw. werden typischerweise eine Vielzahl dieserMedien benutzt und geteilt.

Wichtige Sharing-Tools sind:

• API-Codes und Open Source Scripting, um interneProgrammfunktionen für Mashups (Verknüpfungen)von Diensten nutzen zu können (Beispiel: Anzeige desStandortes von Institutsbibliotheken in Google Maps;Kooperative Spamfilter in Blogs mit Akismet; Anzeigeder Zitierungsdaten von Google Scholar in PubMed).

• URL-Shortener, Kürzungsdienste für – lange – Web-adressen (Snipurl.com, Bit.ly, Ju.mp)

• Instant Messaging (GoogleChat, Skype)• RSS für Nachrichten Feeds (GoogleReader, Feed-Burner)

• Cloud Computing: Daten und Dienste werden nicht aufeigenen Servern gehostet, sondern „irgendwo“ (‚aufeinerWolke‘) im Internet. EinWissen um den Speicher-ort ist nicht notwendig, ja überflüssig wie ein Kropf.(alle Web 2.0-Dienste, Dropbox, Sugarsync, Apple’sMobileMe)

• GPS, Kompass und Kamera für Location-based Ser-vices & Augmented Reality (LBS& AR) (GoogleLatitude,Layar)

• SmartPhones (QR Codes, LBS, Mobile Bibliothek)

V.d. Brekel hatte kurz zuvor einen Continuing EducationCourse „Emerging Technologies in Libraries“ auf derEAHIL-Tagung in Lissabon gehalten. Der Kursus ist aufNetvibes zugänglich (http://www.netvibes.com/emergingtechnologiesinlibraries).

Emerging Technologies

Emerging Technologies (ET) oder Konvergierende Tech-nologien bezeichnet lautWikipedia die „interdisziplinäre,also fachübergreifende, Zusammenarbeit im Bereich derNanotechnologie, der Biotechnologie wie der Informati-onstechnologie und der Neurowissenschaften“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Converging_Technologies). Konver-genz vereint bisher getrennte Technologien wie Sprach-funktionen, Datenanwendungen und Video: Ressourcenwerden geteilt und interagieren untereinander. Wie sichaus obigem ergibt, überlappen sich ET und Web 2.0deutlich: Für viele Web 2.0-Dienste wird ET eingesetzt.

The Digital Divide

Anhand des Helen Blowers-Vortrag „Reality check 2010– 5 Trends shaping libraries“ (http://www.slideshare.net/hblowers/reality-check-2010-5-trands-shaping-libraries)erklärte v.d. Brekel, welche Entwicklungen in den nächs-

ten Jahren bevorstehen und wie diese die Informations-bedürfnisse ändern werden.

1. „You are what you share“: Aus dem einstigen, reinenLeser („You are what you own“) wird ein komplexes,gemischtes Wesen, das sowohl konsumiert, mitteiltals auch produziert. Der Leser/Produzent vonWissen(„Prosumer“) orientiert sich schon beim Lesen anFormaten/Tools, die ihm dasMit(teilen) ermöglichen.

2. Handys haben weltweit eine wesentlich größereMarktdurchdringung als Computer. Sie sind dasKommunikationsmittel der Wahl, vor allem in Ent-wicklungsländern. Smartphones übertreffen inWachstum und Verbreitung ab 2015 ebenfalls dieComputer und werden zum primären Tool, auf Wissenund Informationen (nicht nur im Internet) zuzugreifen.

3. Die „Augmented Reality“ (AR) öffnet ein neuesFenster zur Realität. V.d. Brekel brachte die Teilneh-mer zum Staunen, als er mit seinem iPhone 3Gs unddem (niederländischen) Programm Layar geogra-phisch benachbarte Wikipedia-Einträge anzeigte.

4. Seine/Ihre Kernaussage war aber, dass es zuneh-mend zu „digitalen Spaltungen“ in der Gesellschaftkommen werde, „digitale Experten“ stehen „digitalenDummies“ gegenüber. Dieser „Digital Divide“ wirdsich auf folgenden Ebenen auswirken:

Suche: Ist man fähig, zu verstehen, was bei derSuche passiert, oder nicht?

Validierung: Ist man fähig, die Richtigkeit von Infor-mation zu bewerten oder nicht?

Angesagte, moderne Informationskanäle: Ist manfähig, dort Informationen zu fin-den oder nicht?

Kulturbedingte Sprache: Ist man fähig, „no1 b4me.srsly“ (1. Gebot) zu verstehen oder nicht?

Pushdienste: Ist man fähig, Informationen magne-tisch anzuziehen oder muss man ihnen hinterherrennen?

Multimedia: Ist man fähig, digitaleMedien zu erzeu-gen und zu remixen oder nicht?

Lernen: Ist man fähig, Lernen als lebenslangenProzess zu nützen oder denkt man, Lernen gehörtin den Klassenraum?Alvin Toffler: „The illiterate of the 21st century willnot be those who cannot read and write, but thosewho cannot learn, unlearn, and relearn.“ [10]

Diskussion/Fazit

Im Anschluss an v.d. Brekel’s Präsentation entspann sicheine lebhafte Diskussion über Sinn und Unsinn von sozia-lenMedien, die im Folgenden nur kursorisch wiedergege-ben werden kann. Siehe im Folgenden dazu auch dieEbsco-Umfrage Juli 2010 (http://www.slideshare.net/jhoussiere/social-media-usage-in-libraries-in-europe-survey-teaser, vor allem Slide 17).

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1. Personal: Zwischen Scylla und Charybdis

Bibliothekare sind neugierige Menschen, bieten gerneneue Dienste an, wissen aber nicht, wie sie das bei glei-chem Personalstamm schaffen sollen. Auf die nahe lie-gende Frage „Was lassen wir weg?“ konnte keine (einfa-che) Antwort gefunden werden. Brauchtman Katalogisie-rung und Katalog? Soll man „weniger vonmehr“machen,d.h. mehr Dienste anbieten, die aber nicht in so einer bi-bliothekartypischen perfektionistischenGüte? („I will takean experimental approach to change and be willing tomake mistakes. I will not wait until something is perfectbefore I release it, and I'll modify it based on user feed-back.“ [3]). In diesem Zusammenhang wurden auch un-terschiedliche Vorgehensweisen bei neuen Dienstleistun-gen diskutiert, wie z.B. Trust-based vs. Fear-based Deci-sion-Making.

Duringmy conversation with Bill Mayer one word keptcoming up over and over again: trust. “Trust is themost important aspect of the work we do – withoutit, there can be no change, nomovement, no growth,”he said. I asked him how one goes about buildingtrust and his response was simple: listening. “You askquestions and then you listen to what others say andsuggest, and then you build up together from there.That’s a key part. If an administrator doesn’t ask, oreven worse, asks but doesn’t include aspects thatstaff suggest, then you lose trust.” In addition tomaximizing trust, Mayer calls for us to reduce fear.“One of the most depressing things I see in librariesis when they use fear-based decision-making,” Mayerexpressed, “this is when they are afraid to do some-thing because patrons might steal, destroy, abuse,not use, or not understand something.” (http://americanlibrariesmagazine.org/columns/next-steps-change-american-university)

2. Digital Divide zwischen Bibliothekaren undNutzern

Gibt es auch einen Digital Divide zwischen Bibliothekarenund Nutzern? Ja, und das in beide Richtungen: Es gibtsowohl Nutzer, die der Bibliothek meilenweit voraus sindund von denen die Bibliothek viel lernen kann (Stichwort„Verbündete“). Es gibt aber auch Nutzer (und die mögenin der Mehrzahl sein), die z.B. mit RSS oder Web 2.0nichts anfangen können (http://www.youtube.com/watch?v=9uGLt1tSOrE).Dieses Unwissen steht der massiven Nutzung aber nichtimWege. Bibliothekare sind (meist) keine Digital Natives,sondern Digital Immigrants (http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Native). Sie haben sich erst in diese Räume ein-gewöhnen, einlernen und eindenkenmüssen. Dies bedeu-tet, dass die Studenten den Bibliothekaren vielleichtnichts in technischer oder intellektueller Hinsicht vorma-chen können, aber in der Selbstverständlichkeit undUbiquität, mit der sie diese Tools nutzen: Ja, die sozialenMedien sind sogar ein untrennbarer Teil von ihnen – et-was, dass Digital Immigrants nie erreichen werden.

3. Disintermediation: Bibliothek als Gatekeeper

Die Fakultät hat so ihre eigeneMeinung, was Bibliothekenmachen. Die Rolle als intellektueller Partner scheint zuverschwinden. Nach einer kürzlichenUmfrage unter 3.000Wissenschaftlern in den Staaten benutzt nur noch einBruchteil die Bibliothek vor Ort. Trotzdem werden Biblio-theken als „Gateways to Knowledge“ immerhin noch von60% als wichtig erachtet. Aber 2003waren es noch 70%.Stattdessen stieg der Anteil der Antwortenden, die dieBibliothek hauptsächlich als Einkaufszentrale ansehenvon 80% in 2003 auf 90% in 2009 [11]. Auch die DigitalNatives sind immer weniger auf die Bibliothek angewie-sen. Stefan Niggemeier, Medienjournalist und Blogger,weist in 2007 darauf hin: „Ich glaube, dass die Leutelernen, sich nicht auf Gatekeeper zu verlassen, sondernsich ihre Medien (=Bibliotheken) selbst zusammenbas-teln.“

4. Zwischen Trotz und Realitätssinn

An der Frage, ob man als Bibliothek Web 2.0-Diensteanbieten solle, schieden sich die Geister. Übereinstim-mend wurde zwar festgestellt, dass es der beruflicheEhrenkodex verlangen würde, zumindest eine gesundeAhnung von dem zu haben „was da so draußen rum-schwirrt“; aber bis auf v.d. Brekel gaben alle an, schlichtund einfach keine Zeit zu haben, diese Dienste regelmä-ßig zu benutzen – und sei es auch nur passiv. Vielmehrwar ein gewisser Trotz zu spüren, diesen „Hype“ jetztauch noch mitmachen zu müssen. Man wird von zweiSeiten in die Zange genommen: Zum einen fühlt mansich überfordert, zum anderen ist man verunsichert, daman mit seinen „alten Fähigkeiten“ offensichtlich nichtmehr gefragt ist. Als erster Schritt zu einem Change Ma-nagement in Richtung einer modernen Bibliothek (diesich auch aus Web 2.0-Ideen speist) wurde demzufolgepostuliert, unbedingt diese Zwiespältigkeit zwischenKönnen und Anspruch anzuerkennen, bei einem selbst,aber insbesondere auch bei den Kollegen und Mitarbei-tern. In diesem Zusammenhang tauchen zwei Begriffeauf, die vielleicht nicht explizit genannt wurden, aber imHintergrund eine große Rolle bei der Adaptation von So-cial Media spielen: Privatsphäre und Ablenkung.

Privatsphäre

Die so genannte „Work-Life-Balance“ (Wikipedia: „DerBegriff Work-Life-Balance steht für einen Zustand, in demArbeit und Privatleben miteinander in Einklang stehen.“)gebietet eine gewisse Vorsicht bei der Vermischung vonBerufs- und Privatsphäre in Handlungen (wie z.B. Newslesen, Twittern, ständige Erreichbarkeit in der Freizeit)und Äußerungen (in Sozialen Medien, z.B. Twittern vonprivaten Dingen unter dem beruflichen Account) – auchwenn es zur Zeit bei Digitale Natives, Bloggern und Life-stream-Anhängern „in“ zu sein scheint, keinen Deut aufsolche Unterschiede zu geben, und Privates und Beruf-liches zu verbinden [12].

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Zum anderen ist der Schutz der Privatsphäre (es gibtauch eine Privatsphäre im Beruf) im wahrsten Sinn desWortes „existenziell“, wird aber zu oft vernachlässigt bzw.(u.a. vom Vorgesetzten) bagatellisiert. Auch hier gilt eseine Balance zu erarbeiten: Aus Marketing-Gründen isteine bebilderte Liste der Bibliotheksmitarbeiter im Netzgewünscht, der Privatsphäre tut es aber nicht unbedingtgut. Der Bibliothek tut eine Präsenz im Web gut – je per-sönlicher, desto besser („Give your Library a HumanVoice“ (Jenny Levine)) –, aber welcher Mitarbeiter magschon seine persönlichen Dinge einbringen? Hier schei-nen Nordamerikaner wohl viel relaxter zu sein, siehe z.B.den Blog von Krankenhaus-CEO Paul Levy [13].

Ablenkung

Die schöne neue Social Media Welt bringt eine gehörigePortion Distraction mit sich [14], [15]. Noch nie war esso einfach, sich ablenken zu lassen. Man verzettelt sichschnell, gerät vom Hölzchen aufs Stöckchen und weißnach kurzer Zeit nicht mehr, was man eigentlich wollte.Das gesamte Arbeitenwird ziemlich ineffizient, wie Kaeseranschaulich beschreibt:

„Ich tat, was zig Millionen von Desktop-Arbeiternheute tun. Ich googelte nach einem kleinen Artikelzum ThemaMultitasking, entdeckte dabei drei weitereeinschlägige Artikel, diemich interessierten. Währenddes Ausdruckens checkte ich en passant meine E-Mails, schaute kurz in dieWebsite der «New York BookReviews» und blieb an einem Essay von Amartya Senhängen, über ein völlig anderes Thema. Die laufendeJazzsendung auf DRS 2 stellte gleichzeitig einen inter-essanten italienischen Pianisten vor, der mir so gutgefiel, dass ich bei i-Tunes nachschaute, diverseStücke von ihm fand, sie sofort kaufte und herunterludund auf eine CD brannte. Statt am Text weiterzuarbei-ten, begann ich die Musik zu hören, nicht ohne michzugleich auf der Homepage des Pianisten über dessenBiografie und Diskografie zu informieren. Ehe ichmichs versah, war meine Hauptaufmerksamkeit aufzwei oder drei Nebenspuren verzettelt.“ [16]

Bei Bibliothekaren dürfte es nicht viel anders aussehen.Dabei sollten gerade diese spezielle Kaste der Informati-onsvermittler wissen, wie man so etwas vermeidet, sicheben nicht verzettelt, sondern zielgerichtet die Informa-tionen aus dem Web zusammensucht, zielgerichtet dieKontakte im Social Web knüpft, zielgerichtet einen Blog-beitrag schreibt, aber rechtzeitig abbricht, bevor es aus-ufert. Generell sollteman Laura Cohen’s Vorschlag beher-zigen („I will not wait until something is perfect before Irelease it, and I’ll modify it based on user feedback.“ [2])undmanchmal auchmit weniger als 100% zufrieden sein.

5. Aus der Bibliothek rausgehen

Hausbesuche und Roadshows, aufsuchende Bibliotheks-arbeit: Man geht aus der Bibliothek heraus, verlässt dengeschützten und gewohnten Rahmen und sucht die Wis-senschaftler und Ärzte aktiv in deren eigenen Arbeitsplät-

zen und Umgebungen auf. Die Nutzer können zwar diedigitale Bibliothek benutzen, aber die Bibliothekaremüssen sich wieder ein „Gesicht“ zulegen, müssensichtbar werden, um eine schnelle Kommunikation ohneBarrieren zu ermöglichen. Viele Teilnehmer stimmtendem zu und hatten bereits selber Pläne, „hinaus zu ge-hen“. Aus der Bibliothek raus zu gehen, impliziert auchDiversifizierung von Bibliotheksdienstleistungen auf demWeb, in Sozialen Netzen, wo man versucht die Nutzer inder bevorzugten Netzwerken anzutreffen oder mithilft,ein Forschernetzwerk aufzubauen, um die wissenschaft-lichen Benutzer zu unterstützen.

6. 80/20-Regel

ZumSchluss konzentrierte sich alles auf die 80/20-Regelund es schien das Allheilmittel für die oben aufgeführteZwiespältigkeit zu sein. Die Regel kommt von Google, wo80% der Arbeitszeit dem Konzern gehören und die restli-chen 20% hat derMitarbeiter zur eigenen Verfügung, undkannmit Ideen experimentieren. Es wird kolportiert, dasseinige der wichtigsten und ertragreichsten Google-Toolsin diesen 20% entstanden sind. Auf die Bibliothek ge-münzt heißt das: 80% der Arbeitszeit dient demBusiness-as-usual, der Routinebetrieb der Bibliothek muss laufenund braucht dafür einen großen Teil der Aufmerksamkeitder Mitarbeiter. 20% sollten aber top-down (also von derFührung vorgegeben) zum Experimentieren mit neuenAnwendungen und Diensten zur Verfügung gestellt wer-den. Hier sollte man auch mal ruhig das Risiko in Kaufnehmen, dass nichts „Produktives“ entsteht. Es genügt,wenn der Mitarbeiter über die Auseinandersetzung mitneuen Dingen wach bleibt, einen vorher vielleicht unbe-kannten Kosmos an Tools, Informationen oder Nutzernkennen lernt, sich dabei eine offene Denkart bewahrtund lebenslang lernfähig bleibt.

Die 10 wichtigsten Trends

Zeitgleich zum Zukunftsworkshop erschien in der Zeit-schrift College & Research Libraries: news eine Literatur-übersicht des Research, Planning and Review Committeeder US-amerikanischen Association of College andResearch Libraries (ACRL) über die aktuellen Trends inwissenschaftlichen Bibliotheken [17]. Dieses Committeeist verantwortlich für den „continuous and dynamic envir-onmental scan […], that encompasses trends in academiclibrarianship, higher education, and the broader environ-ment.“ Aus einer intensiven Artikelrecherchere und einerUmfrage unter 9.812 ACRL-Mitgliedern entstand so diefolgende Liste „of the top ten trends that are affectingacademic libraries now and in the near future“:

1. Academic library collection growth is driven by patrondemand and will include new resource types.- Erwerbungen „just-in-time“ statt „just-in-case“. Aufindividuelle Bedürfnisse zurechtgeschnittene Buch-käufe (patron-driven). Print-on-demand Lieferungenfür Monographien. Blitzfernleihe via RapidILL miteiner 24-Stunden Liefergarantie (in Deutschland

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durch subito oder RapiDoc (http://www.rapidoc.de)verwirklicht).- Weitere Themen sind hier die zunehmende Mono-polisierung auf der Angebotsseite (Verlagskonzerne),Google Books und die im Kolloquium auch themati-sierten Forschungsdaten/Virtual Research Environ-ments.

2. Budget challenges will continue and libraries willevolve as a result.- Zahlreiche US-Amerikanische Bibliotheken erlebenzurzeit Etatkürzungen im zweistelligen Bereich. DieseRezession schlägt jetzt auch auf deutsche Bibliothe-ken durch, wie das Beispiel der BSB zeigt.

3. Changes in higher education will require thatlibrarians possess diverse skill sets.- Das auch im Kolloquium thematisierte Fakt, dassdie bibliothekarische Ausbildung keine Vorbereitungdie aktuellen Anforderungen des Berufs (Web 2.0,Mobile Bibliothek, Bibliotheksmanager, …) darstellt.

4. Demands for accountability and assessment willincrease.- Der Unterhaltsträger, die Mutterorganisation willimmer öfter in harten Zahlen wissen, welchen Vorteilihre Bibliothekmit dem eingesetzten Budget „erwirt-schaftet“. Dieser „Return of Investment“ solltemessbar sein und nicht nur auf „weichen“ Angabenberuhen. Der Artikel zitiert in diesemZusammenhangzwei wichtige Studien ([18], [19], a three-year grant-funded study led by researchers at the University ofTennessee, the University of Illinois at Urbana-Champaign, and the Association of Research Libra-ries“).

5. Digitization of unique library collections will increaseand require a larger share of resources.

6. Explosive growth of mobile devices and applicationswill drive new services.„Smart phones, e-book readers, iPads, and otherhandheld devices will drive user demands and ex-pectations. […] 51.2 percent of undergraduate stu-dents owned an Internet-capable handheld deviceand another 11.8 percent planned to purchase onewithin the next 12 months. Students indicated thatthey most wanted to use their institution’s e-mailservice, administrative services, and coursemanagement system from their handheld devices.While only 14.8 percent of respondents indicatedthat they wanted to use library services, thispercentage is likely to grow quickly, as vendors offermobile interfaces to electronic resources, mobileapplications for OPACs increase, and more librariesoffer reference services via text messaging andmobile interfaces to their own digital collections. Li-brarians will need to think creatively about

developing services for users of mobile devices andtake into account both user needs and preferencesand the relationship of services to the academicprogram of their institution. Regardless of the ser-vices a library chooses to offer, there will be staffing,training, budgeting, marketing, and instruction impli-cations.“ ([17], S. 288)- Wie von v.d. Brekel vorgetragen, werden Studentenund Forscher mit mobilen Geräten (iPad, Smart-phone und noch kommende) auf Bibliotheksressour-cen zugreifen wollen. In Zukunft werden Smart-phones weiter verbreitet sein als Desktop-PCs. Esgibt aber kaum mitteleuropäische Bibliotheken mitErfahrungen und Angeboten auf diesemGebiet ([20],siehe auch [21]). Die Bibliothek der Zukunft wird(auch) eine mobile Bibliothek sein [22].

7. Increased collaboration will expand the role of thelibrary within the institution and beyond.„Collaboration epitomizes the service orientation oflibrarianship and will continue to help maximize theefficient use of resources. Librarians are makinguse of Google Docs, Doodle, wikis, and other toolsthat facilitate collaboration regardless of physicalproximity.“ ([17], S. 288)- Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen und wurdeauch immer wieder als Priorität benannt. Alleine, dieUmsetzung scheint die Kapazität aller Medizinbiblio-theken (außer den beiden Nationalen) zu überstei-gen – oder zumindest hat man das Gefühl und trautsich nicht. (Eine überaus positive Ausnahme ist der„Interne Leihverkehr“ der deutschen Medizinbiblio-theken, organisiert von Ulf Paepcke, Hauptbibliothekder Charité, Berlin.) Hier etwas anzugehen scheintgleichbedeutendmit: Die volle administrative Verant-wortung zu übernehmen. Wer mutet sich das schonzu – neben der ganzen Erwerbung, Verschlagwor-tung, demZeitschriftenmanagement, Budgetverhand-lungen, und – nicht zu vergessen – der Betreuungvon 3.000 Studenten, 1.200 Ärzten und Wissen-schaftlern, 2.000 Krankenpflegekräften und 120Professoren?

8. Libraries will continue to lead efforts to developscholarly communication and intellectual propertyservices.- Wie alle Umfragen zeigen, haben Forscher wenigbis keine Ahnung welche urheberrechtswirksamenVereinbarungen sie mit den Verlagen getroffen ha-ben undwelche Bedingungen sie bei der Übernahmevon Texten und Bildern aus (digitalen) Publikationenbeachten müssen. Dies gilt insbesondere für dieMöglichkeit, Artikel in Open Access Repositories zuarchivieren. Es ist eine große Herausforderung aberauch Chance für Bibliotheken, diese zentrale Funk-tion in der Universität oder Organisation zu überneh-men, undMehrwertdienste rund um Urheberrechts-fragen anzubieten.Medizinbibliothekenmögen auch

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hier als zu klein erscheinen und diese Aufgabe lieberderMutterbibliothek überlassen – aber was ist, wenndiese sich ziert? Die Fragen kommen so oder so.

9. Technology will continue to change services and re-quired skills.- Cloud computing, Augmented und Virtuelle Realität,Open Content, Open Source Software und neue so-ziale Netzwerktools gehören zu den wichtigstentechnologischen Änderungen, denen sich Bibliothe-kare ausgesetzt sehen. Genau wie bei den mobilenAnwendungen wird dies die Bibliothek als Ganzesbetreffen.- Web 2.0-Dienste helfen den Bibliothekaren dorthinzu gehen, wo die Nutzer sich aufhalten, aber – wieauch in diesem Workshop ausführlich diskutiertwurde – „many librarians see challenges in determin-ing which tools to use, how many resources todevote, and how to assess effectiveness“ ([17], S.289)

10. The definition of the library will change as physicalspace is repurposed and virtual space expands.- Im Kolloquiumwar die Umwidmung von Bibliotheks-räumen unter den Teilnehmern unstrittig. Und auchdieser US-amerikanische Ausblick kommt zu denbeiden Schlüssen: 1. Weg von Zeitschriftenregalenhin zu mehr und flexibleren Arbeitsplätzen. 2. Meh-rere akademische Aktivitäten an einem zentral gele-genen Ort zu bündeln: Arbeitsplätze, Schulungsräu-me und Hörsäle, Skills Labs und Medienzentren, IT-Helpdesk, Bistro, etc. pp.

Anmerkung

Interessenkonflikte

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte inZusammenhang mit diesem Artikel hat.

Literatur1. Halling D. Following the paths of library users in redesigning

library spaces. EAHIL Konferenz Estoril 16.6.2010. Verfügbarunter: http://www.eahil2010.org/en/images/stories/docs/presentations/c3_02_halling.pdf

2. Cohen L. A Librarian's 2.0Manifesto. 8.11.2006. Verfügbar unter:http://liblogs.albany.edu/library20/2006/11/a_librarians_20_manifesto.html

3. Obst O. Medizinbibliotheken: Optionen für Gegenwart undZukunft. Delphi-Studie undWorkshop der ZweigbibliothekMedizinMünster. Med Bibl Inf. 2005;5(1):37-50. Verfügbar unter: http://www.agmb.de/mbi/2005_1/0bst2.pdf

4. Obst O. Marketing 2.0 für Medizinbibliotheken. GMS Med BiblInf. 2007;7(1):Doc05. Verfügbar unter: http://www.egms.de/static/en/journals/mbi/2007-7/mbi000057.shtml

5. Obst O. Marketing und Kundenbindung in Medizinbibliotheken:Fünf Jahre med Information. Münster: Universitäts- undLandesbibliothek Münster; 2002.

6. Christensen A. Are libraries up for e-science? In: A growingorganism (Blog). 28. Juli 2010. Verfügbar unter: http://xenzen.wordpress.com/2010/07/28/are-libraries-up-for-e-science/

7. Hauke P, Werner KU, editors. Bibliotheken bauen und ausstatten.Ein Handbuch. Bad Honnef: Verlag Bock + Herchen; 2009.

8. Deutsches Institut für Normung. DIN-Fachbericht 13:2009-11:Bau- und Nutzungsplanung von wissenschaftlichen Bibliotheken,erarbeitet im NA Bibliotheks- und Dokumentationswesen unterMitwirkung einer Expertengruppe des DeutschenBibliotheksinstituts (DBI). 3. Auflage. Berlin: Beuth; 2009.Verfügbar unter: http://www.bibliotheksportal.de/hauptmenue/themen/architektur-und-technik/planungsgrundlagen/

9. Jungen O. Lernfutter ohne Ballaststoffe. FAZ. 25. Aug. 2010.Verfügbar unter: http://www.faz.net/s/Rub7F4BEE0E0C39429A8565089709B70C44/Doc~E168B8389AAD5441BACCC5F4461E587B9~ATpl~Ecommon~Scontent.html

10. Gibson R, editor. Rethinking the Future. London; 1997.

11. Anderson K. One Report, Two Findings: Library Roles Changing,Open Access Not Compelling. The Scholarly Kitchen. 2010.Verfügbar unter: http://scholarlykitchen.sspnet.org/2010/04/15/one-report-two-findings-library-roles-changing-open-access-not-compelling-on-its-own/

12. Scott Plutchak T. Trying To Be Complete [Blogbeitrag]. 2.2.2007.Verfügbar unter: http://tscott.typepad.com/tsp/2007/02/trying_to_be_co.html

13. Levy P. Running A Hospital: This is a blog started by a CEO of alarge Boston hospital to share thoughts about hospitals,medicine, and health care issues. 2010. Verfügbar unter: http://runningahospital.blogspot.com/

14. della Cava MR. Always-on technology: Are we adapting, or losingfocus?. USA Today. 4. Aug. 2010. Verfügbar unter: http://www.usatoday.com/tech/news/2010-08-04-netbrain04_cv_N.htm

15. McCandless D. The hierarchy of digital distractions. Informationis Beautiful. 8. Sept. 2009. Verfügbar unter: http://www.informationisbeautiful.net/2009/the-hierarchy-of-digital-distractions/

16. Kaeser E. Cogitus interruptus: Googeln, Bloggen und Twittern.NZZ Online. 5. Aug. 2010. Verfügbar unter: http://www.nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/cogitus_interruptus_1.2647562.html

17. ACRL Research Planning and Review Committee. 2010 top tentrends in academic libraries: A review of the current literature.Coll Res Library News. 2010;71(6):286-92. Verfügbar unter:http://crln.acrl.org/content/71/6/286.full

18. American Library Association. ACRL selects value of academiclibraries researcher. News For Immediate Release. January 5,2010. Verfügbar unter: http://0-www.ala.org.sapl.sat.lib.tx.us/ala/newspresscenter/news/pressreleases2010/january2010/researcher_acrl.cfm

19. Green D. ARL Partners in Grant to Study Value of AcademicLibraries. Association for Research Libraries. News. January 12,2010. Verfügbar unter: http://www.arl.org/news/pr/ROI-grant-12jan10.shtml

20. Dollfuß H. Ressourcen für den Personal Digital Assistant (PDA)an Bibliotheken. GMSMed Bibl Inf. 2008;8(2):Doc15. Verfügbarunter: http://www.egms.de/static/en/journals/mbi/2008-8/mbi000112.shtml

21. PDA-Projekt. Zweigbibliothek Medizin. WissensWiki. Last editedon 2010-09-25. Verfügbar unter: http://medbib.klinikum.uni-muenster.de/wiki/PDAProjekt

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22. Murphy J, Mairn C. Creating the future of mobile library services.27.7.2010. Verfügbar unter: http://www.slideshare.net/joseph.murphy/hhlibkeynote

Korrespondenzadresse:Oliver ObstZweigbibliothekMedizin, Universitäts- & Landesbibliothek,Domagkstrasse 9, 48149 Münster, Deutschland, Tel.:+49 (0) 251.83-58550, Fax: +49 (0) [email protected]

Bitte zitieren alsObst O. 2. Zukunftskolloquium der Zweigbibliothek Medizin derUniversität Münster, 28./29. Juni 2010. GMS Med Bibl Inf.2010;10(3):Doc31.DOI: 10.3205/mbi000214, URN: urn:nbn:de:0183-mbi0002142

Artikel online frei zugänglich unterhttp://www.egms.de/en/journals/mbi/2010-10/mbi000214.shtml

Veröffentlicht: 21.12.2010

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