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Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft 27 Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirt- schaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, des Deutschen Städtetages und der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt mit Beiträgen von Dietrich Budäus / Peter Eichhorn / Jens Harms / Peter Höflinger Hermann Janning / Rainer Klemmt-Nissen / Werner Klinger Otmar Lell / Thomas Lenk / Holger Mühlenkamp / Wolfgang Peiner Josef Rakel / Christoph Reichard / Rudolf X. Ruter / Ludger Sander Ute Schäfer / Ulrich Schröder / Frank Schulz-Nieswandt Gabriele Thöne / Axel v. Werder / Brigitte Zypries Herausgegeben von der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft Berlin 2008

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Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft 27

Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft

Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirt-schaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, des Deutschen Städtetages und der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt

mit Beiträgen von Dietrich Budäus / Peter Eichhorn / Jens Harms / Peter Höflinger Hermann Janning / Rainer Klemmt-Nissen / Werner Klinger Otmar Lell / Thomas Lenk / Holger Mühlenkamp / Wolfgang Peiner Josef Rakel / Christoph Reichard / Rudolf X. Ruter / Ludger Sander Ute Schäfer / Ulrich Schröder / Frank Schulz-Nieswandt Gabriele Thöne / Axel v. Werder / Brigitte Zypries

Herausgegeben von der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft Berlin 2008

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Herausgeber: Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft

Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft

Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirt- schaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, des Deutschen Städtetages und der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt am 23./24. November 2006 in Berlin

Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft Heft 27

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Die Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft dankt dem Finanz- und Wirt-schaftsrat beim Verband kommunaler Unternehmen e.V., Berlin, für die finanzielle Förderung dieser Publikation. ISBN 3-928615-22-X Die „Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft“ werden bisher herausgegeben von der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. (jetzt i.L.), Sponholzstraße 11, D-12159 Berlin, Telefon (030) 852 10 45, Telefax (030) 852 51 11, E-Mail [email protected], Internet www.goew.de Sie werden künftig herausgegeben vom Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP e.V. (Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail wie oben). Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Druckerei H. Schlesener KG, Berlin Berlin 2008

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Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffent-lichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, des Deutschen Städte-tages und der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt am 23./24. November 2006 in Berlin Inhalt Seite Zur Einführung: Ein Corporate Governance Kodex für das öffentliche Wirtschaften? Frank Schulz-Nieswandt 7

Referate im Plenum des Symposiums Ein Corporate Governance Kodex für öffentliche Unternehmen – Warum wir ihn brauchen und was er leisten kann Brigitte Zypries 19

Public Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft Probleme – Ziele – Strukturen Dietrich Budäus 26

Corporate Governance in Hamburgs öffentlichen Unternehmen Wolfgang Peiner 44

Der Stuttgarter Public Corporate Governance Kodex – seine Bedeutung für die betroffenen Unternehmen Peter Höflinger 51

Der Deutsche Corporate Governance Kodex und seine Bedeutung für öffentliche Unternehmen Axel v. Werder 61

Referate in den Workshops des Symposiums Workshop 1: Erste Konzepte eines Public Corporate

Governance Kodex in der Praxis

Die komparativen Besonderheiten des Leipziger Corporate Governance Kodex für eine zielführende und wirkungsvolle Beteiligungssteuerung und Unternehmensführung Ute Schäfer 83

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Public Corporate Governance im Land Berlin Gabriele Thöne 97

Public Corporate Governance Kodex – Der Weg ist das Ziel Rudolf X. Ruter 102

Erste Konzepte eines Public Corporate Governance Kodex in der Praxis Die Diskussion im Workshop Peter Eichhorn 108

Workshop 2: Public Corporate Governance im Spannungsfeld zwischen Eigentümern und Management öffent- licher Unternehmen

Gute Unternehmsführung und öffentliche Verantwortung Rainer Klemmt-Nissen 113

Public Corporate Governance im Spannungsfeld zwischen Eigentümern und Management öffentlicher Unternehmen Ludger Sander 120

Public Corporate Governance Kodex für kommunale öffentliche Unternehmen? Hermann Janning 128

Public Corporate Governance im Spannungsfeld zwischen Eigentümern und Management öffentlicher Unternehmen Die Diskussion im Workshop Christoph Reichard 135

Workshop 3: Public Corporate Governance Kodex aus Sicht von Stakeholdern kommunaler Unternehmen

Public Corporate Governance aus Sicht der Verbraucher Otmar Lell 141

Der Public Corporate Governance Kodex (PCGK) aus Sicht der Bürger Werner Klinger 146

Public Corporate Governance aus Sicht von Stakeholdern kommunaler Unternehmen Die Diskussion im Workshop Holger Mühlenkamp 153

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Podiumsdiskussion: Brauchen wir eine Cromme-Kommission für den öffentlichen Bereich?

PCGKs lassen nur begrenzten Nutzen erwarten Christoph Reichard 159

Musterkodex als Grundlage für PCGKs der Gebiets- körperschaften Jens Harms 161

Der Corporate Governance Kodes der NRW.BANK Ulrich Schröder 164

Zehn Thesen zum PCG-Kodex Rudolf X. Ruter 170

Erleichterung des Zusammenspiels zwischen Politik und öffentlicher Wirtschaft Josef Rakel 172

Public Corporate Governance (PCG) Zusammenfassung und Podiumsdiskussion Thomas Lenk 175 Die Teilnehmer des Symposiums 178

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Frank Schulz-Nieswandt* Zur Einführung: Ein Corporate Governance Kodex für das öffentliche Wirtschaften? Steuerungsfragen öffentlichen Wirtschaftens – Fragen des ökonomi-schen und rechtlichen Umfelds des öffentlichen Wirtschaftens wie auch Fragen der unternehmensinternen Steuerung (insbesondere auch im Spannungsfeld von öffentlicher Trägerschaft und dem Management aus-gelagerter Unternehmungen in privatrechtlicher Form) – sind den De-batten der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft nicht nur nicht fremd, sondern stellen einen der roten Fäden in der langjährigen Tätigkeit der GÖW im Schnittbereich von Wissenschaft, Politik und Praxis dar. Wie ordnet sich das vorliegende Thema ein? Tagungen zum Themenkreis von Corporate Governance und Corporate Goverance Kodex1 sind zahlreich geworden. Axel von Werder2:

„Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat im Jahr 2002 den deutschen Corporate Goverance Kodex (DCGK) vorgelegt. Der DCGK enthält in der heutigen Fassung – neben der Darstellung wesentlicher gesetzlicher Vorschriften zur Unternehmensführung – insgesamt 82 Empfeh-lungen sowie 19 Anregungen zur Leitung und Überwachung börsennotierter Gesellschaften. Die Befolgung der Empfehlungen und Anregungen ist den Unternehmen freigesellt. Börsennotierte deutsche Gesellschaften sind aller-dings nach § 161 AktG gesetzlich verpflichtet, in einer jährlichen Entsprechens-erklärung darzulegen, welche Empfehlungen sie nicht anwenden.“

Goverance ist ein neuer Zentralbegriff geworden. Betriebswirtschaftliche Lehrstühle werden umgetitelt in entsprechende Bezeichungen; einschlä-gige Lehrbücher sind im Buchmarkt zahlreich zu finden. Auch der For-schungs- und Praxisbereich des öffentlichen Wirtschaftens (abgesehen von der öffentlichen Verwaltungslehre3) ist von der Governance-For-schung längst erreicht worden, auch von der Kodex-Debatte.4 Wegen der Besonderheiten des öffentlichen Sektors hat die OECD im Mai 2005

* Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt ist Direktor des Seminars für Sozialpolitik und des Seminars für

Genossenschaftswesen sowie Fellow am Zentrum für empirische Wirtschafts- und Sozialforschung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Er ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP (BVÖD) – zuvor der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft.

1 Cromme (2006); ferner Schiller (2005). 2 Ausführungen anlässlich des Pressegesprächs am 21.04.2006 in Düsseldorf. 3 Kirk (2004); Edeling u.a. (2004); Grimmer (2004). 4 Ruter u.a. (2005).

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die „Guidelines on Corporate Governance of State-Owned Enterprises“ veröffentlicht. Das Institut für den öffentlichen Sektor e.V. schreibt5:

„Insbesondere die in den letzten Jahren stattgefunde Liberalisierung und De-regulierung auch in Bereichen der klassischen Daseinsvorsorge hat dazu ge-führt, dass Bund, Länder und Kommunen über zahlreiche Beteiligungen an privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen verfügen. Deren Gemeinwohl-orientierung und die Pflicht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bleiben jedoch bestehen. Dabei müssen sich öffentliche Unternehmen an denselben Grund-sätzen messen lassen wie private Unternehmen (Vorhersehbarkeit, Transpa-renz, Nachprüfbarkeit, Verantwortung). Darüber hinaus existiert jedoch ein ver-stärktes Interesse insbesondere in Bezug auf die Aufgabenerfüllung und die Mittelverwendung. Der zu beobachtende Vertrauensverlust vieler Bürger in die staatlichen Institutionen spricht weiterhin für eine intensive Auseinandersetzung mit Public Corporate Governance.“

Haben nun die Veranstalter nur ein modisches Thema gewählt? Governance-Probleme sind zumindest in vielen Diskursen präsent.6 Das Thema ist wohl Teil eines umfassenden sozialen Wandels7, in dem die Suche nach neuen Formen der Steuerung sozialer Systeme auf ver-schiedensten Ebenen eingelassen ist.8 Der Wissenschaftliche Beirat der GÖW hat hierzu mehrfach Position bezogen. 9 Ebenen, Kontexte, Traditionen Vermehrte und vertiefte Transparenzbedürfnisse hinsichtlich der privaten wie auch der öffentlichen Unternehmenswirtschaft resultieren aus ver-schiedenen Entwicklungstrends. Einerseits bewirken zivilgesellschaft-liche10 Kräfte im Kontext gesellschaftlicher Bedürfnisse über die soziale Einbettung des modernen Kapitalismus auch derartige Informations-bedürfnisse; damit sind in enger Weise verbraucherpolitische11 Bedeu-tungen verknüpft. Dieses zivilgesellschaftliche Interesse konvergiert zur Binnenmarktdynamik, die vermehrt ein politisches Interesse – europa-rechtlich gerahmt – an Verbraucherinteressen (wohlfahrtsoptimale Preise, hohe Produktqualität etc.) im Rahmen einer kompliziert verschlungenen Sozialmodell-Debatte erwirkt. Gerade das öffentliche Wirtschaften, die Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse (DA[W]I) insgesamt12, stehen zunehmend im Fokus der Neu-Adjustierungen der 5 http://www.publicgovernance.de/public_governance/794.htm (Zugriff am 04.01.2007). 6 Dazu auch Schuppert (2006). Vgl. ferner Dragos (2006). 7 Brinkmann u.a. (2006). Ferner Thurow (2006). 8 Priddat (2006). 9 GÖW (2003). 10 Zur Zivilgesellschaft vgl. Adloff (2005). 11 Zur Theorie des Verbraucherschutzes vgl. Seibig (2005). 12 Vgl. dazu auch Lippert (2005).

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Modalitäten der Verwirklichung öffentlicher Interessen13. Neben Fragen der Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen (Regelwerke) passt sich auch der moralisch-normative Diskurs in diesen Entwicklungs-kontext ein. Stellen diese EU-Rechts- und EU-Politikentwicklungen, getragen und an-getrieben durch die EU-Kommission und durch die Rechtsprechungen des EuGH, eine Praxis geteilter Kompetenz im Bereich der Daseins-vorsorge14 dar, indem nationale Praxis und EU-Recht auf Kompatibilität hin abgefragt werden müssen, und stellen sie insofern, als Praxis einer geteilten Kompetenz15, die Governance-Strukturen im europäischen Mehr-Ebenen-System (vertikaler und horizontaler Verschachtelungen) selbst in den Vordergrund16, so ist die Frage der unternehmensinternen Governance-Strukturen, die hier im Vordergrund stehen, von eben diesem Transparenztrend eines europäisierten Wirtschafts- und Sozial-raums mitgetragen. Es verschachteln sich also Goverance-Entwicklungen in der unter-nehmerischen Umwelt mit den unternehmensinternen Organisations-entwicklungen. Auf der Makroebene geht es um den Diskurs des Gewährleistungs-staats.17 Insbesondere das EU-Recht, hier – binnenmarktzentriert – das Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberecht der EU, aber auch endogene Modernisierungsprozesse treiben eine Neu-Ausrichtung der Art und Weise der Wahrnehmung/Erfüllung öffentlicher Aufgaben voran.18 Die Kontroversen drehen sich um die Fragen eines obligatorischen Ausschreibungswettbewerbs, alternativer Wettbewerbssurrogate sowie der verbleibenden Spielräume für ein Inhouse-Prinzip (insbesondere im Kontext der kommunalen Selbstverwaltungswirtschaft19).20 Auf der Mesoebene geht es, dazu gleich mehr, um Corporate Gover-nance.21

13 Wobei die Bestimmung des öffentlichen Interesses bzw. des Gemeinwohls ein kontroverses Thema

bleibt; es gibt diese Konstrukte, aber es sind eben sozio-politische Konstrukte. Aus der Literatur vgl. Häberle (2006) sowie Anderheiden (2006).

14 Dazu vgl. auch Jennert (2005). 15 Ritzer (2006). 16 Lemke u.a. (2006). 17 Reichard (2006). 18 Schulz-Nieswandt (2006a) u. (2005). 19 GÖW (2004). Vgl. ferner Segalla (2006) sowie Sandmann (2005). Schließlich auch Sommerfeld

(2005). 20 Vgl. auch GÖW (2005). 21 Zur Orientierung vgl. Hilb (2006).

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Auf der Mikroebene geht es um neue Modalitäten der Mikropolitik22, d.h. um das Konfliktmanagement und allgemein um die Ablaufsteuerung auf der Ebene der – von sozialer Nähe gekennzeichneten – inter-personel-len Interaktionen. Auf einer intra-personalen Ebene geht es um die Selbst-Steuerung der Handlungsakteure, also um die Gouvernementalität, wie sie Michel Foucault forschungslogisch und gesellschaftskritisch entfaltet hat.23 Greifen wir die hier entscheidende Mesoebene heraus. Was meint Corporate Governance? Bedeutet das Hantieren mit diesem Konzept-begriff nicht, altbekannte Zusammenhänge (alter Wein) in einem neuen Sprachspiel (neue Schläuche) zu präsentieren? Mit Blick auf den Gegen-standsbereich der öffentlichen Unternehmen bzw. des öffentlichen Wirt-schaftens24 wurden zentrale Fragen bereits in den 1970er und 1980er Jahren diskutiert, z.B.: Brauchen öffentliche Unternehmen Mitbestim-mung25? – eine Debatte, die etwa von Ehinger und Niopek 198626 oder von Streitferdt und Kruse 198827 geführt wurde. Brauchen öffentliche Unternehmen eine externe Kontrolle durch den Verbraucherschutz? Sind öffentliche Unternehmer immer die Vorbilder/Vorreiter betrieblicher Sozialpolitik? Managementprobleme (etwa im Sinne verstärkter Kontroll-bedürfnisse, wie sie Gerhard Himmelmann 1979 konstatierte28) – breit diskutiert im Kontext der Theorie der Instrumentalfunktion29 – sind klas-sische Problemthemen auch in der öffentlichen Wirtschaft bzw. in der Non-for-Profit-Wirtschaft30, in der sich heute das Thema der Corporate Governance intensiv entfaltet. Im Prinzip handelt es sich um klassische Fragen „stakeholder“-orientierter31 Unternehmenspolitik. Günter Püttner sprach 197732 von der „Kunst der Führung öffentlicher Unternehmen im marktwirtschaftlich geordneten Staat“. Die pädagogisch-ethische Dimension Mühlenkamp33 hat an die Position von Gerhard Weisser34 erinnert, der für das Funktionieren öffentlichen Wirtschaftens bzw. gemeinwirtschaft- 22 Mohr (1999). 23 Krasmann/Volkmer (2006). 24 Bremeier u.a. (2006); Dietrich/Struwe (2006). 25 Vgl. auch Nagel u.a. (2002); GÖW (1976). 26 Ehinger/Niopek (1986). 27 Streitferdt/Kruse (1988). 28 Himmelmann (1979). 29 Thiemeyer (1990) u. (1987). Ferner Budäus (1984). 30 Bachert (2006) sowie Siebart (2006). 31 Hahn (2005). 32 Püttner (1977). 33 Mühlenkamp (2006). 34 Zu Weisser vgl. Engelhardt (1998).

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lichen Handelns eine grundlegende Dienstgesinnung als funktional not-wendig erachtete.35 Weisser argumentierte36:

„Von demjenigen, der sich in freier Berufswahl in den Dienst öffentlicher Auf-gaben stellt, muß erwartet werden, daß er diese Aufgaben innerlich bejaht und in ihnen den Sinn seiner beruflichen Tätigkeit sieht.“

Eichhorn sprach 198437 von einer entsprechenden „Identitätskrise öffent-licher Manager“, und Katterle argumentierte 198838, das zur Erwerbswirt-schaftlichkeit konvergierende Verhalten des öffentlichen Managements erkläre sich aus einer neoklassischen Sozialisation. Ist das alles eine altmodische Theorieorientierung? Im Bereich der aktuellen Forschung zum Ethischen Management39 diskutiert man jeden-falls die Grundlagen eines werteorientierten Führungs-Kodex. Morphologisch hängt die normativ adäquate unternehmerische Zielver-folgung eben nicht nur von äußeren Strukturmerkmalen der Unter-nehmung ab (insbesondere von Fragen der Rechtsform40, auf die Potthoff 197241 als Problematik hinwies), sondern auch von der Sinn-bindung der verantwortlichen Akteure. Aus der Transformations-forschung (Konvergenz des Managementverhaltens gemeinwirtschaft-licher bzw. öffentlicher Unternehmen zum privat- und erwerbswirtschaft-lichen Verhaltenstypus als soziale Bezugsgruppe42) sind diese Diskus-sionen bekannt. Insofern wirft die neuere Corporative Governance-Debatte die traditions-reiche Frage nach dem Verhältnis extrinsischer und intrinsischer Moti-vationsbedingungen zieladäquaten Verhaltens des Managements in der Unternehmenspolitik auf.43 Aus der neueren Institutionenökonomik44 (insbesondere aus der Prinzipal-Agenten-Theorie45), überhaupt aus einer Fülle human- und verhaltenswissenschaftlicher Forschungen ist die Be-deutung anreiz-kompatibler Rahmenbedingungen für die Generierung, Stabilisierung und (korrigierende) Kanalisierung von (rationalem) Ver-halten bekannt und empirisch gesichert. Aber die Insistenz auf diese Rahmenbedingungen bleibt ein epistemisch unvollständiger Zugang zum 35 Vgl. auch Witt (1991). 36 Weisser (1964), S. 360. 37 Eichhorn (1984). 38 Katterle (1988). 39 Brink/Tiberius (2005). 40 Vgl. etwa auch Bauer (2003). 41 Potthoff (1972). 42 Vgl. dazu die Studien von Machura (1993a), (1993b) u. (1994). 43 Brink u.a. (2005). 44 Vgl. Göbel (2002); Voigt (2002). 45 Jost (2001). Ferner Alparslan (2006).

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Verständnis sozialen Handelns.46 Fragen der personalen Haltung, der Einstellungen und Orientierungen der Akteure, Fragen der allgemeinen und beruflich-professionspolitischen Sozialisation, also insgesamt die sozialcharakterologisch-persönlichkeitspsychologischen Grundlagen des Managementverhaltens spielen differenziell47 in die Erfassung der empirischen Zusammenhänge hinein. Gesellschaftspolitisch und gesellschaftspädagogisch kristallisiert sich die zentrale Frage nach der Rekrutierung sozial verantwortlicher Eliten. Im Lichte der empirischen Befunde zur Rekrutierung der Managementelite48 muss über die These nachgedacht werden, dass die Besten nicht unbedingt immer die Richtigen sind.49 Moralische Kodifizierung Brauchen wir in diesen Zusammenhängen einen Kodex? Brauchen wir eine moralische Kodifizierung der Standards der Corporate Governance? Oder reichen die rechtlichen Regime, die bestehen, eigentlich aus? Ist ein Moralismus überhaupt wirksam?50 Und wenn, dann auch für alle öffentlichen und Non-for-profit-Unternehmen? Oder gelten Wirkungs-zusammenhänge u.U. nur für börsennotierte51 Privatunternehmen52, bei denen sich eventuell Kapitalmarktreaktionen einstellen könnten? Damit ist im Kontext verhaltenswissenschaftlicher Diskurse über den funktionalen Wert von Wirtschaftsehtik53 überhaupt die Frage aufge-worfen, ob es sich bei der moralischen Kodifizierung nur um einen wir-kungslosen Symbolismus handelt? Oder liegt gerade hier eine bedeut-same Funktion verborgen? Kanalisiert eine solche symbolische Ordnung die öffentliche Kritik des Managerkapitalismus? Geht es nur um (folgen-lose) Transparenzbedürfnisse? Oder geht von der Transparenz vielmehr doch ein verhaltenslenkender, gar sozialisatorischer Effekt (mittel- bis längerfristig) aus? Geht es um die Glaubwürdigkeit des Kapitalismus54 in verteilungspolitisch restriktiven Zeiten, in denen Neid-Komplexe55 emer-gieren? Oder geht es gerade auch um die besondere gesellschaftliche Verantwortung, der sich öffentliche Träger des Wirtschaftens ausgesetzt

46 Vgl. am Beispiel der Gerechtigkeitsorientierung im sozialen Handeln auch Harbach (2006). 47 Hagemann u.a. (2006). 48 Hartmann (1996). 49 Rust (2005). 50 Vgl. u.a. Littger (2006). 51 Vgl. auch Raschig (2004). 52 Vgl. dazu auch Petersen (2006) sowie Knöringer-Fröhlich (2006). 53 Vgl. auch Wieland (2006). 54 Willke (2006); Berghahn/Vitols (2006). 55 Vgl. auch Brol (2006).

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sehen? Geht es im Kern um Korruption?56 Ist „public shaming“57 bei öffentlichen/gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen leichter generier-bar? Geht es um die Rückgewinnung von Vertrauen? Also um einen „Markt der Reputation“?58 Oder geht es – eventuell sowohl als auch – primär um Effizienzsteigerungen? Wie sind die Zusammenhänge zwischen Transparenz, Vertrauen, Effizienz und Kontrolle theoretisch und empirisch überhaupt begreifbar? Kann es sein, dass erst der öffent-liche Diskurs und die daraus resultierende Implementation einer mora-lischen Kodifizierung die bestehenden rechtlichen Regime verhaltens-wirksam in die kognitiven Apparate der Akteure transportieren, also nachhaltig relevant werden lassen? Die New Public Management-Lite-ratur59 hat die relativen ökonomischen Vorteile einer verstärkten Markt-öffnung und Wettbewerbsorientierung in der Erfüllung öffentlicher Auf-träge aufgedeckt; aber innerhalb des sozialen Systems der Unter-nehmung60 meint Governance eine Regimepraxis hierarchischer und/ oder netzwerkartiger Steuerung61. Bedeuten Netzwerke dann immer In-transparenz und somit „bad social capital“?62 Oder können die unter-nehmensinternen institutionellen Relationen (Geschäftsführung, Auf-sichtsrat63, Stakeholder etc.) nicht gerade durch das gezielte Zusammen-spiel rechtlicher und moralischer Regime geordnet werden? Fragen stellen und einer Diskussion zuführen Dies sind nur einige Fragen, die sich bereits bei einer schnellen Re-flexion des Themenkreises einstellen, wenn man einige wissenschaft-liche und gesellschaftliche Diskurse kontextuell einbezieht. Weitere Fragen wird das Symposium generieren und kontrovesen Antwort-findungen zuführen. Dann wäre der Sinn des Symposiums erfüllt. Literaturverzeichnis Adloff (2005): Frank Adloff, Zivilgesellschaft. Theorie und politische Praxis, Bielefeld

2005.

56 Jansen/Priddat (2005). Vgl. ferner Maravic/Reichard (2006) sowie Aufderheide u.a. (2005). 57 Eine Theorie des institutionellen Schamverhaltens fehlt aber noch. Zur Theorie der Scham

grundsätzlich: Lietzmann (2007). 58 Vgl. auch Herger (2006). 59 Budäus (1998); Schedler/Proeller (2006); Vogel (2006). 60 Frost (2005). 61 Edeling u.a. (2006). 62 Schulz-Nieswandt (2006b). 63 Vgl. hierzu auch Grothe (2006).

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Brigitte Zypries* Ein Corporate Governance Kodex für öffentliche Unter-nehmen – Warum wir ihn brauchen und was er leisten kann I. Ich freue mich sehr, dass die Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft ihr Symposium in diesem Jahr einem Thema widmet, dass mir besonders am Herzen liegt. Bereits im letzten Jahr hatte ich angeregt, auch für öffentliche Unternehmen einen Kodex für gute Unternehmensführung zu schaffen. Zusammen mit dem Bundesfinanzminister sind wir derzeit da-bei einen Entwurf für solch ein Regelwerk zu erarbeiten. Ich will hier aber weniger über die Details reden, sondern einige grundsätzliche Erwägun-gen anstellen, die deutlich machen, was für uns Grundlage des Entwurfs sein wird. Die Ausgangsfrage ist: Warum brauchen wir überhaupt einen Kodex für öffentliche Unternehmen? Ein wesentlicher Grund ist die Tatsache, dass die öffentliche Verwaltung heute immer häufiger in der privaten Rechts-form handelt. Das Motiv dafür ist klar: Dadurch soll das Verwaltungs-handeln wirtschaftlicher werden. Diese Entwicklung ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn sich denn die Ziele des staatlichen Handelns auf diese Weise besser und effizienter erreichen lassen. Allerdings stellt sich dann auch die Frage, welchen Regeln der Staat als Unternehmer unterliegt. Genau hier setzen wir mit der Schaffung eines Public Corporate Gover-nance Kodex – kurz: eines Public Kodex – an. Wir können dabei auf die guten Erfahrungen zurückgreifen, die wir mit dem Kodex für börsen-notierte Unternehmen gemacht haben. Gute Unternehmensführung brauchen wir nämlich nicht nur in der Privatwirtschaft. Sie ist vielleicht noch wichtiger im Bereich der öffentlichen Unternehmen, also bei jenen Betrieben, die ganz oder mehrheitlich dem Bund, den Ländern oder den Kommunen gehören. Hier wird letztlich mit Steuergeldern operiert, und deshalb haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf, dass auf Effizienz, Transparenz und Glaubwürdigkeit besonders großer Wert gelegt wird. Als es um gute Unternehmensführung in der Privatwirtschaft ging, standen wir vor der Frage: Wie erreichen wir unsere Ziele? Müssen wir dazu ein neues Gesetz machen oder gibt es auch andere Wege? Die Antwort war die sogenannte Cromme-Kommission, benannt nach ihrem

* Brigitte Zypries ist Bundesministerin der Justiz, Berlin

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Vorsitzenden Gerhard Cromme. Das Leitprinzip war die Selbstregulie-rung, und das Ergebnis der Arbeit war der Deutsche Corporate Gover-nance Kodex. An den Erfolg dieses Kodex wollen wir jetzt anknüpfen. II. Wie bei den börsennotierten Unternehmen geht es auch im öffentlichen Bereich darum, einen Ordnungsrahmen für die Leitung und Über-wachung eines Unternehmens zu schaffen, und zwar sowohl rechtlich als auch faktisch. Eines der wichtigsten Instrumente der Corporate Governance ist „Kontrolle durch Transparenz“. Was hat der Cromme-Kodex hier im Einzelnen gebracht? Inhaltlich enthält er zum einen das geltende Gesetzesrecht, aber er gibt darüber hinaus viele weitere Anre-gungen und Empfehlungen für eine gute Unternehmensführung. Damit erfüllt er zwei wichtige Funktionen: Erstens macht er unser System auch für die internationalen Finanzmärkte transparent und verständlich. Und zweitens gibt er über das zwingende Aktienrecht hinaus wichtige Hand-lungsempfehlungen an börsennotierte Gesellschaften. Dabei ist es ein großer Vorteil, dass diese Empfehlungen gerade in einem Kodex und nicht in einem Gesetz geregelt sind. Ein solcher Kodex ist sehr flexibel und kann neuen Entwicklungen viel schneller folgen, als dies mit einem Gesetz möglich wäre. Für öffentliche Unternehmen ist die Wiedergabe des geltenden Rechts allerdings weniger bedeutsam. Adressat des Pub-lic Kodex ist schließlich nicht die internationale financial community. Kontrolleur der öffentlichen Unternehmen ist nicht der Kapitalmarkt, son-dern sind die Bürgerinnen und Bürger. Für den Public Kodex mit seinen Empfehlungen ist deshalb vor allem der Best Practice-Gedanke wichtig. Auch dabei ist die Flexibilität eines Kodex von großem Vorteil, denn gute Ideen lassen sich so schneller aufnehmen, als dies bei einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren möglich wäre. Die Bindungswirkung bloßer Kodex-Empfehlungen sollte man nicht unterschätzen. Von den inzwischen 82 sogenannten Soll-Empfehlungen des Cromme-Kodex werden von den Unternehmen, die zum Deutschen Aktien-Index gehören, im Durchschnitt 79 befolgt. Insgesamt haben wir sogar einen Umsetzungsquote von mehr als 97 %. Wir sehen also: Die Idee der Selbstregulierung funktioniert exzellent. Sie funktioniert beim Kodex für börsennotierte Gesellschaften, weil darauf gesetzt wird, dass der Kapitalmarkt eine nachlässige Umsetzung des Kodex sanktionieren wird. Diesen Mechanismus hat man bei öffentlichen Unternehmen, die nicht an der Börse notiert sind, natürlich nicht. Hier kommt es darauf an, dass die Bürger, die politische Öffentlichkeit und die Politik ein wach-

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sames Auge darauf haben, wie ihre öffentlichen Unternehmen geführt werden. Aber auch hier müssen die Fakten klar zu sehen sein, deshalb gilt der Grundsatz „Kontrolle durch Transparenz“ auch bei der öffent-lichen Wirtschaft. III. Ganz gleich ob es um private oder öffentliche Unternehmen geht, ein Thema spielt bei beiden eine große Rolle, nämlich die Gehälter der Manager. Hier gab es – das muss man ganz offen sagen – bei der Um-setzung des Cromme-Kodex gewisse Probleme. Aber wir haben sie ge-löst, nämlich durch eine gesetzliche Regelung. Das Bedürfnis nach Transparenz bei den Vorstandsbezügen existiert bei den öffentlichen Unternehmen ganz genauso. Obwohl schon heute die Mehrzahl der be-troffenen Unternehmen freiwillig die Vergütungen offenlegt, haben wir in der Koalition verabredet, dies gesetzlich festzuschreiben. Der Bund sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen, und deshalb befasst sich der-zeit unter Federführung des Bundesfinanzministeriums eine Arbeits-gruppe mit dem Thema. Allerdings kann der künftige Public Kodex die gesetzlichen Regelungen weiter ergänzen. Wie bereits im Cromme-Kodex könnte es Empfehlungen geben, die Grundzüge des Vergütungs-systems offenzulegen, also klar zu sagen, aus welchen festen und variablen Bausteinen sich ein Gehalt zusammensetzt, Ich bin jedenfalls fest entschlossen, hier für Transparenz zu sorgen; denn ich denke, die Steuerzahler haben ein Recht darauf, zu wissen, wer mit ihrem Geld wie bezahlt wird. IV. Lassen Sie mich nun etwas Näher auf die Besonderheiten der öffent-lichen Verwaltung zu sprechen kommen. Da ist zunächst der Anwen-dungsbereich eines Public Kodex. Ich gehe davon aus, dass er sich nicht auf die traditionellen, besonderen Organisationsformen der Verwaltung erstrecken wird. Für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen gibt es ja bereits Rechtsregeln, und die haben sich auch bewährt. Das Grundgesetz, das Haushaltsgrundsätze-Gesetz und die Bundeshaushaltsordnung verpflichten die öffentliche Verwaltung zu einer geordneten und wirtschaftlichen Haushaltsführung. Alle finanzwirksamen Maßnahmen sind an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Spar-samkeit auszurichten, und in der Praxis werden diese Grundsätze vor allem durch sogenannte Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen – abgekürzt

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WiBe – umgesetzt: Vor allen wesentlichen Anschaffungen muss ein konkreter Kosten/Nutzen-Vergleich durchgeführt werden. Die Verwaltung ist außerdem verpflichtet, die öffentlichen Finanzen transparent zu ge-stalten. Hier gelten die Grundsätze der Haushaltswahrheit und der Haus-haltsklarheit. Alle Einnahmen und Ausgaben sind mit größtmöglicher Ge-nauigkeit anzugeben und in einer durchschaubaren Systematik darzu-stellen. Außerdem sorgen die Einheit und Vollständigkeit des Haushalts sowie seine jährliche Aufstellung dafür, dass die staatlichen Finanzen für den Bürger so transparent und nachvollziehbar aufbereitet werden, wie das eben geht. Dass die Lektüre eines Haushaltsplans trotzdem alles andere als leichte Kost ist, ist natürlich nicht zu bestreiten. Neben diese Transparenz tritt noch die externe Kontrolle. Das Grundgesetz schreibt vor, dass die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes durch den Bundesrechnungshof geprüft wird. Alle diese Vorschriften zeigen, dass für die öffentlichen Institutionen der Transparenz-Gedanke alles andere als neu ist. Trotzdem kann ein neuer Kodex gewiss auch Ausstrahlung auf diese besonderen öffentlichen Einrichtungen haben, aber seine primären Adressaten sind natürlich öffentliche Unternehmen. Öffentliche Unternehmen sind solche, die mehrheitlich oder vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand sind. Das sind die sogenannten „un-echten“ Privatisierungen, also Unternehmen, die als Ergebnis der Priva-tisierung eine Rechtsform des Privatrechts haben, aber bei denen die öffentliche Hand weiterhin den beherrschenden Einfluss hat. Soweit diese Unternehmen allerdings an der Börse notiert werden, gilt für sie bereits heute der Cromme-Kodex. Derzeit hat der Bund drei solcher Unternehmen: die Deutsche Post, die Telekom und den Betreiber des Frankfurter Flughafens, die Fraport AG. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Unternehmen, an denen der Bund mehrheitlich beteiligt ist und die nicht an der Börse gehandelt werden. Für sie brauchen wir einen Public Kodex, und weil in ihm alle nationalen und internationalen Erfah-rungen zusammenfließen sollen, gehen wir davon aus, dass seine Wir-kung über den Bund hinausreichen wird. Der Kodex kann auch zu einem Vorbild für die Länder und Kommunen werden. V. Bei der Aufstellung eines Kodex kann es jetzt allerdings nicht darum gehen, einfach die vorhandenen Regeln abzuschreiben. Aus dem „Cor-porate Governance Kodex“ lässt sich nicht kurzerhand ein „Public Corpo-rate Governance Kodex“ machen. Es ist durchaus ein Unterschied, ob ein Unternehmen tausenden von Kleinaktionären gehört oder ob der

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Bund eine GmbH gründet. Das Verhältnis zwischen Eigentümern und Managern ist in beiden Fällen ganz verschieden. Das hat auch etwas mit der Politik zu tun; denn zwischen Staatsbetrieben und der Politik besteht oft ein prekäres Näheverhältnis. Das gilt für Personalentscheidungen, aber das gilt manchmal auch für die Unternehmensführung. Wenn sich der Staat entschließt, in Form eines privaten Unternehmens zu handeln, dann muss er auch bereit sein, die spezifischen Spielregeln der Wirt-schaft zu akzeptieren. Das heißt auch: Die Vorstände und Geschäfts-führer brauchen die nötige Kompetenz und die erforderliche Autorität, um erfolgreich wirtschaften zu können. Nun wird allerdings manchmal gefordert, dass der öffentliche Eigentümer sich jedes Einflusses auf das Unternehmen enthalten solle. Ich halte das für falsch. Wer kontrolliert dann die Manager? Wer nimmt dann die Eigentümerverantwortung war? Die Frage nach der politischen Einfluss-nahme ist stets verbunden mit der Frage nach der Verantwortung. Scheitern öffentliche Unternehmen, dann hat das Gemeinwesen, das dahinter steht, die Zeche zu zahlen. Das Haftungs- und Insolvenzrisiko tragen letztlich wir alle als Steuerzahler. Andererseits sind öffentliche Beteiligungen oft so intransparent und verschachtelt, dass ein Volksver-treter kaum mehr überblicken kann, wie und woran der Bund, sein Land oder seine Kommune beteiligt ist. Ganz abgesehen davon, dass nicht jeder gute Volksvertreter auch ein guter Unternehmenskontrolleur ist. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass bei den öffentlichen Beteiligungen eine organisierte Verantwortungslosigkeit entsteht. Stattdessen muss sicher-gestellt werden, dass die öffentliche Hand ein informierter und aktiver Anteilseigner ist – und dafür brauchen wir den Public Kodex. Mit dieser Zielsetzung befinden wir uns völlig im Einklang mit der inter-nationalen Diskussion. Die OECD hat vor Kurzem ihre „Guidelines on Corporate Governance of state-owned Enterprises“ vorgelegt. Sie ent-halten Empfehlungen, wie staatseigene Unternehmen am besten geführt werden sollen. Auch die OECD empfiehlt nicht, dass die öffentliche Hand keinerlei Einfluss auf die Unternehmen ausüben soll, die ihr gehören. Die Einflussnahme muss aber in den Formen und auf der Ebene des Gesell-schaftsrechts erfolgen. Die öffentliche Hand soll dazu beitragen, dass ein Unternehmen professionell und effektiv agiert, und dazu muss sie ein gut informierter und aktiver Anteilseigner sein. Dies zu organisieren ist gar nicht einfach, denn es bestehen manche Spannungsfelder zwischen dem Gesellschafts- und insbesondere dem Kommunalrecht. Das betrifft zum Beispiel die Weisungsgebundenheit kommunaler Vertreter in den Aufsichtsräten oder die Berichtspflicht von Gremienmitgliedern. Denn es ist klar, dass Unternehmensgeheimnisse nicht auf dem politischen

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Marktplatz ausgebreitet werden können. Das Aktienrecht hat für diese Berichtspflichten Sonderregelungen geschaffen, aber wir können eben auch mit einem Kodex für mehr Transparenz und eine effizientere Unter-nehmensführung sorgen. Die wichtigsten Eckpunkte eines Public Kodex sind für mich folgende: Es geht darum, die Rolle des Bundes als Anteilseigner deutlich zu de-

finieren. Welches Selbstverständnis des Staates steckt eigentlich hinter solchen Beteiligungen?

Wir wollen die Arbeitsstrukturen der Unternehmensorgane verbes-sern. Das heißt zum Beispiel: Klare Regeln für den Informationsfluss zwischen Geschäftsleitung und Aufsichtsrat.

Wir wollen mehr Transparenz schaffen, auch bei den Manager-Gehäl-tern.

Und wir werden auch Regelungen zur Rechnungslegung treffen. Allerdings ist klar, dass die gesetzlich vorgesehenen Prüfrechte bei Unternehmen mit mehrheitlicher Staatsbeteiligung hier schon heute für einen außerordentlich hohen Standard sorgen.

Was die Wirkung des Public Kodex angeht, so setzen wir hier auf den Mechanismus, der auch beim Cromme-Kodex erfolgreich ist: „comply or explain“. Entweder ein Unternehmen erklärt, dass es den Empfehlungen folgt oder es legt dar, in welchen Punkten es davon abweicht. Mit dieser Bekenntnispflicht setzen wir diejenigen unter Begründungszwang, die der einen oder anderen Empfehlung – vielleicht durchaus aus guten Gründen – nicht folgen wollen. Mit dieser Transparenz wird zugleich die interessierte Öffentlichkeit sensibilisiert und besser in die Lage versetzt, ihre Kontrollfunktion wahrzunehmen. Dass dies bei den börsennotierten Unternehmen gut funktioniert, habe ich schon dargelegt, und ich bin zu-versichtlich, dass das auch bei den öffentlichen Unternehmen klappt. Den neuen Public Kodex werden wir verzahnen mit den Empfehlungen für die Führung öffentlicher Unternehmen, die bereits heute existieren. Ich denke insbesondere an die sogenannten Hinweise für die Verwaltung von Bundesbeteiligungen, die das Bundesfinanzministerium herausgibt. Diese Hinweise sind Grundlage der privatwirtschaftlich orientierten Be-teiligungsführung des Bundes. Ein Public Kodex unterscheidet sich von diesen Hinweisen aber ganz deutlich. Er hat eine andere Funktion. Er soll Wertmaßstäbe setzen, sie verdeutlichen und kommunizieren. Die Hinweise sind dagegen eine Behördenanweisung, die weniger weit-reichend ist, aber dafür im Detail viel tiefgehender. Der Kodex hat auch einen anderen Adressaten. Er richtet sich nach außen, nämlich an das Unternehmen selbst. Die Hinweise sind dagegen nur nach innen, an die

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Beteiligungsverwaltung des Bundes, gerichtet. Diese Unterschiede machen klar: Kodex und Hinweise sind keine Dopplung, sondern sie werden sich sinnvoll ergänzen. Über die ersten Grundzüge eines Public Corporate Governance Kodex haben sich die Fachleute bereits verständigt. Nun geht es darum, das Werk im Detail zu erarbeiten. Als es um die börsennotierten Unter-nehmen ging, haben wir mit der Cromme-Kommission auf die Selbst-regulierung der Wirtschaft gesetzt und eine völlig unabhängige Kommis-sion eingesetzt. Jetzt geht es um öffentliche Unternehmen, und da ver-steht es sich von selbst, dass die öffentliche Hand als Eigentümer nicht außen vor bleiben kann. Die Expertenkommission wird sich also jetzt aus den Fachleuten der zuständigen Ministerien des Bundes zusammen-setzen, und natürlich werden wir auch die Kompetenz des Bundes-rechungshofs nutzen. Wenn dann ein Entwurf vorliegt, wird er mit allen Stellen beraten, die in Bund und Ländern öffentliche Unternehmensbetei-ligungen führen. Dadurch werden wir weitere Erfahrungen der Praxis einbeziehen. Die Federführung für das Projekt liegt bei Peer Steinbrück im Finanzministerium, und wir sind entschlossen, im Laufe des nächsten Jahres gemeinsam einen ersten Entwurf vorlegen zu können. VI. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, soll ein russischer Politiker ge-sagt haben, und zwar einer mit etwas zu großer Begeisterung für die Staatswirtschaft. So falsch wie dessen Wirtschaftspolitik war, so falsch ist auch der Satz, der ihm zugeschrieben wird. Er blendet nämlich einen wichtigen Faktor völlig aus: Transparenz, man könnte auch sagen: Glas-nost. Nur wenn Transparenz herrscht, ist Kontrolle möglich, und nur dort, wo es transparent zugeht, kann ein Vertrauen entstehen, das auch durch die penibelste Kontrolle nicht zu ersetzen ist. Das Vertrauen der Kapi-talmärkte in unsere Unternehmen haben wir mit dem Deutschen Corpo-rate Governance Kodex erfolgreich gestärkt – und zwar durch ein Höchstmaß an Transparenz. Diesem Vorbild wollen wir folgen. Was dem Kapitalanleger recht ist, soll dem Steuerzahler billig sein. Wir wollen auch für die öffentlichen Unternehmen Standards für eine gute Unter-nehmensführung formulieren. Wir können dabei international aber auch national auf viele gute Anregungen zurückgreifen. Auch dieser Kongress wird der Debatte wichtige Impulse geben. Über das eine oder andere Details werden wir gewiss noch streiten, aber ich denke, im Ziel sind wir uns alle einig: Wir brauchen einen Public Corporate Governance Kodex; denn wir wollen die öffentlichen Unternehmen durch mehr Transparenz noch effizienter machen.

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Dietrich Budäus* Public Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft Probleme – Ziele – Strukturen

I. Einführung und inhaltliche Abgrenzung von Public Corporate Governance

Die hier zur Diskussion stehende Thematik soll im Folgenden nicht an-hand von Einzelaspekten des Verhältnisses und der Zusammenarbeit von Unternehmensführung und Kontrollorgan behandelt werden, etwa bezogen auf Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, die sich mehrheitlich oder vollständig als Eigengesellschaft im Eigentum einer öffentlichen Gebietskörperschaft befindet. Vielmehr geht es darum, einige Grundlinien der Diskussion und Entwicklung von Corporate Governance im öffentlichen Sektor und damit verbundene Problemfelder aufzuzeigen und zu thematisieren. Dies erscheint insofern besonders wichtig, da die Diskussion entgegen der herrschenden Meinung – zu-mindest bezogen auf den öffentlichen Sektor – erst am Anfang steht. Corporate Governance ist unter den geänderten Rahmenbedingungen des öffentlichen Sektors bisher wenig hinterfragt und analysiert. Es stellt sich von daher die Frage, was sich konkret hinter diesem Begriff und der damit erfassten Entwicklung verbirgt. Die Bundesministerin der Justiz hat in ihren Ausführungen Transparenz und Glaubwürdigkeit für die Steuerung öffentlicher Unternehmen ein-gefordert. Transparenz und Glaubwürdigkeit gelten nun aber nicht nur für öffentliche Unternehmen, sondern generell für alle Bereiche des öffent-lichen Sektors, und zwar unabhängig von der Rechtsform. Von daher ist vorab darauf zu verweisen, dass es in den folgenden Überlegungen nicht nur um öffentliche Unternehmen gehen kann. Gegenstand der Analyse von Public Corporate Governance ist generell der öffentliche Sektor, ein-schließlich öffentlicher Verwaltungen. So spricht auch die OECD von „Public Units“ und nicht von „Governmental Organization“, „Public Admi-nistration“ oder ähnlichen Teilbereichen des öffentlichen Sektors. * Prof. Dr. Dr. h.c. Dietrich Budäus war Ordinarius für Public Management an der Universität Ham-

burg. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleis-tungen – Deutsche Sektion des CEEP (BVÖD) – zuvor der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft.

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Die Bezeichnung „Public Units“ bezieht alle öffentlichen Einheiten ein. Damit verbunden ist die Auffassung, dass die Organisationsstruktur und damit spezifische Rechtsformen, etwa das Amt, der Regiebetrieb, der Eigenbetrieb, die GmbH oder die AG, unter dem Aspekt Corporate Governance kein für die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Auf-gaben spezifisches Ausgrenzungs- oder Einbindungsmerkmal auf-weisen. Dies bedeutet nicht, dass die Probleme von Corporate Gover-nance durchaus in den einzelnen Rechtsformen unterschiedlich sein können. Public Corporate Governance sollte zunächst einmal alle öffent-lichen Einheiten einbeziehen. Eine Ausgrenzung öffentlicher Verwaltungen, also beispielsweise die Ausklammerung der Beteiligungsverwaltung, aber auch aller übrigen Verwaltungseinheiten, aus der Analyse und Diskussion um Public Corpo-rate Governance führt an wesentlichen Kernproblemen vorbei. Hierzu gehört ohne Zweifel die Frage, wie die öffentliche Hand die Kontrolle von Beteiligungen einschließlich der öffentlichen Unternehmen wahrnimmt und welche Wechselwirkungen gerade auch unter Glaubwürdigkeits- und Transparenzgesichtspunkten zwischen öffentlichen Unternehmen und dem politisch-administrativen System stattfinden. An dieser Stelle sei eine kurze Anmerkung zu dem Hinweis der Bundes-ministerin der Justiz erlaubt, dass Ereignisse wie die wenig erfreulichen Vorkommnisse bei VW im öffentlichen Sektor undenkbar seien.1 Nun braucht man sich keineswegs der sehr kritischen Einschätzung des Wertsystems und der Handlungsorientierung des Politikbereichs durch Ralf Dahrendorf aus dem Jahr 1984 anzuschließen.2 Jedoch muss der Hinweis erlaubt sein, dass die öffentliche Hand maßgebender Miteigen-tümer von VW und entsprechend auch im Aufsichtsrat vertreten ist. Von daher stellt sich die Frage, wie die öffentliche Hand, hier konkret das Land Niedersachsen, diese Entwicklung bei VW zulassen konnte. Ohne Zweifel handelt es sich dabei ganz offensichtlich nicht nur um ein Problem der privaten Corporate Governance, sondern auch um ein Problem der Public Corporate Governance.3 1 Der Autor bezieht sich auf mündliche Ausführungen von Frau Ministerin Zypries in der Veranstal-

tung (die Redaktion). 2 „Die moralische Verrottung der deutschen Politik ist weit vorangeschritten. Patronage, Bereiche-

rung, die Verwechslung von Dienstlichem und Privatem, dann auch Unehrlichkeit, Scheinheiligkeit sind eher die Regel als Ausnahme. Dabei ist die Verrottung im kleinen so verbreitet, dass niemand sie mehr recht wahrnimmt… Nur die ganz großen Skandale dringen an die Öffentlichkeit, und auch sie bleiben zum Teil ohne Folgen. Es gibt in der freien Welt wenige politische Klassen, die mora-lisch so korrumpiert sind und zugleich eine solche Ölhaut haben wie die der Bundesrepublik Deutschland.“ Die ZEIT, Nr. 37 vom 07.09.1984, S.4.

3 Man dürfte der derzeitigen gesellschaftlichen Problemlage wenig gerecht werden, wenn man ver-sucht, den Eindruck zu vermitteln, Missstände im privatwirtschaftlichen Bereich würden strukturell und systembedingt ablehnenswerter sein als solche im öffentlichen Sektor. Es geht vielmehr um

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Zu Beginn der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der vorliegenden Thematik sei zunächst einmal versucht, den Gegenstand und das zu be-handelnde Gebiet abzugrenzen und den Begriff Corporate Governance zu definieren. Hier seien drei Definitionen angeführt: Corporate Governance bezieht sich auf die „Wechselbeziehungen

zwischen allen unmittelbar und mittelbar an der unternehmerischen Entscheidungsfindung beteiligten Akteuren…(die) durch die institutio-nellen Rahmenbedingungen sowie durch das Regulierungsumfeld ge-prägt (sind)“ (OECD).

„Corporate governance is concerned with structures and processes for decision-making and accountability, controls and Behaviour at the top of organisations” (FEE).

Corporate Governance bedeutet „…die Gewährleistung effizienter Unternehmenskontrolle und Unternehmensführung…” (Bassen/Zöll-ner 2004).

Schon diese drei Definitionen bestätigen den durch die Literaturrecher-che vermittelten Eindruck. Der Begriff „Corporate Governance” wird sehr heterogen und teilweise auch sehr beliebig verwendet. So findet sich beispielsweise unter Gleichsetzung dieses Begriffs mit jenem der „Un-ternehmensverfassung“ die Diskussion eines recht alten Problems und entsprechender Diskussionen. Alte Probleme wie jene der Unterneh-mensverfassung und neue Entwicklungen wie jene, die aus der Intensi-vierung der Internationalisierung der Kapitalmärkte resultieren, werden unter ein und demselben Begriff subsumiert. Entsprechend hat Corpo-rate Governance als Begriff auch eine starke „Karriere“ in den letzten fünf bis sechs Jahren gemacht, ohne dass er hinreichend inhaltlich ge-klärt ist. Hier scheint sich einmal mehr die folgende Beobachtung zu bestätigen: Die Voraussetzung dafür, dass ein Begriff „Karriere“ macht, ist wahrscheinlich, dass die Vertreter in Wissenschaft und Praxis ihn für sehr wichtig halten, vor allem um modern und aktuell zu gelten, aller-dings weiß niemand genau, was trotz seiner Wichtigkeit mit diesem Begriff genau gemeint ist. Vor diesem Hintergrund sei für die weiteren Ausführungen lediglich eine einfache Arbeitsdefinition gewählt: Corporate Governance bezieht sich auf eine verantwortungsvolle Steuerung und Kontrolle von Unternehmen.

das gesellschaftliche Elitenproblem. In den vergangenen 30 Jahren haben sich in wachsendem Maße Einkommens- und Machteliten in Wirtschaft und Politik gebildet, während gleichzeitig die für ein demokratisches Gemeinwesen unabdingbaren besonnenen und couragierten Verantwortungs-eliten weitgehend verloren gegangen sind, und zwar völlig unabhängig von privatem und öffent-lichem Sektor.

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Damit geht es um die Ausgestaltung des Steuerungs- und Kontroll-systems von Organisationen (Units), das auch als Corporate Gover-nance System bezeichnet werden kann. Bezogen auf den öffentlichen Sektor handelt es sich somit um die verantwortliche Steuerung und Kontrolle öffentlicher Einheiten. Bezugsfeld von Public Corporate Gover-nance sind – wie erwähnt – nicht nur jene Einheiten, die klassischer-weise zu den öffentlichen Unternehmen gerechnet werden, sondern auch die öffentlichen Verwaltungen. Sie sind Teil des Public Corporate Governance Systems im öffentlichen Sektor. II. Einflussgrößen auf die aktuelle Diskussion und Entwicklung

von Public Corporate Governance und die Forderung nach einen Public Corporate Governance Kodex

1. Übersicht Die Diskussion um Public Corporate Governance ist durch eine Reihe von Einflussgrößen geprägt, die in der folgenden Abbildung 1 zusam-menfassend skizziert sind. Die in der Abbildung angegebenen Ziffern be-ziehen sich auf die Reihenfolge, nach der im Folgenden die einzelnen Einflussgrößen erörtert werden. Abbildung 1: Einflussgrößen auf die Diskussion und Entwicklung von

Public Corporate Governance (PCG) und Public Corporate Governance Kodex (PCG-Kodex)

Privatwirtschaftl.Bereich

Corporate Governance/Entwicklung d.DCG - Kodex

Public Corporate Governance

Public Corporate Governance Kodex

Öfftl. BereichGood Gover-ance/ Rolle d. NPM/ Verlust d.Bindungskraft von Recht

Internation.Empfehlungen/

Entwicklg. (OECD /PSC/ FEE)

Problemfelder öfftl. Untern. als

Teil d. Gebietsk.

Unterneh-mens-berater

Wissen-schaft

1 2

3

4

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Ohne Zweifel beeinflussen die Diskussion im privatwirtschaftlichen Be-reich und die daraus resultierende Entwicklung des deutschen Corporate Governance Kodex auch die Diskussion und Entwicklung im öffentlichen Sektor. Daneben gibt es aber einen aus der Diskussion um das Funktions- und Rollenverständnis von Staat und Verwaltung resultieren-den Einfluss. So wirkt sich das Konzept des Gewährleistungsstaats un-mittelbar auf die verselbständigten dezentralen Träger öffentlicher Auf-gaben aus. Weiterhin sind die Problemfelder öffentlicher Unternehmen als Teil der Organisation von Gebietskörperschaften für die Diskussion von Bedeutung; dies gilt auch für die internationalen Empfehlungen. Nicht ohne Einfluss sind schließlich die Aktivitäten der Unternehmens-berater, aber auch die Diskussionen, wissenschaftlichen Beiträge und Analysen in den einzelnen Fachdisziplinen. 2. Kennzeichnung des Corporate Governance Problems a) Theoretische Grundlagen Die generelle Ursache, aus der das Governance-Problem resultiert, liegt in der Trennung von Eigentum und Unternehmens- bzw. Organisations-führung. So ist die Realität von größeren Unternehmen weitgehend durch Abbildung 2: Grundstruktur des Agency-Problems

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Eigentümer/Aktionäre

delegieren

Ziele und RessourcenAnreiz- und

SanktionssystemSteuerungs- u. Kontrollsystem

an

Unternehmen (Vorstand /AR)

opportunistisches Verhalten

Informations-asymmetrie

Zieladäquates Verhalten von

Vorstand und AR

PRINZIPAL

AGENT

P R O B L E M

Generelles Corporate Governance Problem

Stakeholder ?

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die Manager-Unternehmung gekennzeichnet, eine Charakterisierung von Unternehmen die sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor gilt. Dieser Sachverhalt wird in der wissenschaftlichen Diskussion durch das Prinzipal-Agenten-Problem einschließlich dessen Kosten beschrieben und mit Hilfe der Prinzipal-Agenten-Theorie analysiert. Ausgangspunkt sind die Eigentümer – etwa die Aktionäre. Diese dele-gieren an einen Agenten, etwa in Form von Vorstand und Aufsichtsrat eines Unternehmens, die zu realisierenden Ziele und die dafür als erfor-derlich angesehenen Ressourcen. Der Agent soll die Ziele des Prinzipals realisieren. Das Problem liegt darin, zieladäquates Verhalten von Vorstand und Aufsichtsrat zu gewähr-leisten. Diese Grundstruktur und die damit verbundenen Probleme eines zieladäquaten Verhaltens des Agenten gelten nicht nur für eine Aktien-gesellschaft, sondern generell für dezentrale Organisationsstrukturen, somit beispielsweise auch für Universitäten, die etwa in der Rechtsform der Stiftung geführt werden und einen öffentlichen Auftrag wahrnehmen sollen. Die Steuerungs- und Kontrollprobleme resultieren daraus, dass der Agent sich nutzenorientiert und damit opportunistisch verhält. Dabei stimmt der Nutzen des Agenten in der Regel nicht mit dem Nutzen des Prinzipals überein. Zudem hat der Agent bessere Informationen über die operativen Auswirkungen seiner Tätigkeiten, über Marktentwicklungen etc. als der Prinzipal. Daraus resultiert die Notwendigkeit, ein möglichst zieladäquates Verhalten des Agenten über Anreize und Sanktions-systeme auf der Basis von Informationen als wesentliche Elemente des Corporate Governance Systems zu gewährleisten. Dieses Problem stellt sich im öffentlichen Bereich im Vergleich zum privaten Sektor noch wesentlich komplexer und schwieriger dar, da im öffentlichen Sektor in der Regel mehrschichtige Prinzipal-Agenten-Beziehungen vorliegen. So ist der Bürger Prinzipal gegenüber der Legislative; die Legislative ist Prinzipal gegenüber der Exekutive, und die Beteiligungsverwaltung beispielsweise ist wiederum Prinzipal gegenüber dem Agenten „öffent-liches Unternehmen“. Es existiert also ein sehr komplexes öffentliches Corporate Governance System, bei der die skizzierten Grundlagen, vor allem aber das Informationssystem und die Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal und Agent, eine ganz wesentliche Rolle spielen.

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b) Treiber der allgemeinen Diskussion um Corporate Governance Die derzeitige Situation und die Diskussion von Corporate Governance sind durch eine Reihe von als „Treibern“ zu bezeichnende Größen ge-kennzeichnet. Abbildung 3: Treiber der allgemeinen Diskussion um Corporate

Governance Hier hgerverduelle einwirkbundesondemärktegangezwisch

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Diskussion um

CorporateGovernance

Interessen/Ind. Nutzen-orientierung

WachsendeKomplexität

Intrans-parenz

Informations-asymmetrien

Unterneh-mens- / Bilanz-skandale

Internationa-lisierung/ Glo-balisierung

Wahrgenom-menes Mana-gerverhalten

andelt es sich zunächst einmal um das wahrgenommene Mana-halten. Weitere Treiber sind organisierte Interessen und indivi-Nutzenorientierung einzelner auf das Unternehmensgeschehen ender Akteure. Hinzu kommen die wachsende Komplexität, ver-

n mit Internationalisierung und Globalisierung und hier insbe-re die Einflüsse über die Anforderungen internationaler Kapital-. Intransparenz, Unternehmens- und Bilanzskandale in der Ver-nheit sowie die bereits erwähnten Informationsasymmetrien en Prinzipal und Agenten sind weitere Einflussgrößen.

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III. Corporate Governance Diskussion im öffentlichen Sektor 1. Bedeutung des sich wandelnden Staatsverständnisses für

die Diskussion von Good Governance und Public Corporate Governance

Nach dieser kurzen Kennzeichnung der allgemeinen Diskussion um Corporate Governance geht es nun um Überlegungen, die sich spezi-fisch auf Corporate Governance-Aspekte im öffentlichen Sektor be-ziehen. Hier bedarf es zunächst der Kennzeichnung des Wandels des Funktions- und Rollenverständnisses von Staat und Verwaltungen in seiner entwicklungshistorischen Dimension, um den Gesamtzusammen-hang und die Hintergründe der aktuellen Public Corporate Governance Diskussion zu erschließen. Dabei geht es vor allem auch um die Er-klärung der sich vollziehenden Neuorientierung im öffentlichen Sektor: Weg vom New Public Management hin zu Public Corporate Governance und/oder auch Good Governance. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte zunächst der Rechtsstaat vor, er-gänzt um den auf den Wohlfahrtsstaat der 60er und 70er Jahre ausge-richteten Planungsstaat. Ende der 80er Jahre etablierte sich dann das New Public Management (NPM), das eine starke Ökonomisierung des öffentlichen Sektors in den Mittelpunkt stellte. Abbildung 4: Entwicklung des Staatsverständnisses nach dem

Zweiten Weltkrieg

Zeitachse

1950 Rechtsstaat (1950er Jahre) Gerechter Staat 1970 Planungsstaat (1970er Jahre) Aktiv gestaltender Wohlfahrtsstaat (New) Public Management (1980er Jahre) 1980 (Neues Steuerungsmodell) wirtschaftlicher / effizienter Staat 1990 (Good) Governance (Ende 1990er Jahre) 2000 (Aktivierender Staat / Gewährleistungsstaat kooperierender / moderierender / verhandelnder Staat ????)

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Seit Anfang dieses Jahrtausends wird die Diskussion um New Public Management zunehmend abgelöst von dem Konzept „Good Gover-nance“ und damit in Verbindung stehend „Corporate Governance“. Be-griffe, die für dieses Konzept stehen, sind vor allem: aktivierender Staat, Gewährleistungsstaat, kooperierender Staat, verhandelnder Staat und moderierender Staat. Es handelt sich dabei um ein Staatsverständnis, das von der klassischen durch den Rechtsstaat geprägten Auffassung ganz erheblich abweicht. Versucht man nun einmal die Koordinationsmechanismen bzw. die damit verbundenen institutionellen Arrangements zur Koordination von Wirt-schaftssubjekten in einer Gesellschaft zugrunde zu legen und die skiz-zierte Entwicklung unterschiedlicher Staatsverständnisse einzuordnen, so ergeben sich folgende Anhaltspunkte: Ausgangspunkt ist die Koordi-nationstriade von Hierarchie, Markt und Netzwerk. Dass es sich bei den Netzwerken um ein eigenständiges institutionelles Arrangement mit einer entsprechenden Koordinationsfunktion handelt, zeigt sich in der Praxis inzwischen anschaulich darin, dass explizit von Netzwerken und Netz-werkgesellschaft gesprochen wird. In der Hierarchie werden die Wirt-schaftssubjekte durch Macht und Anweisungen koordiniert, auf dem Markt durch Verträge und Preise und in Netzwerken durch Vertrauen und Sozialkapital. Verknüpft man die skizzierten Entwicklungsschwerpunkte des Staats-verständnisses mit der Koordinationstriade, so zeigt sich folgender Zu-sammenhang: Der Rechtsstaat ist ohne Zweifel in den Hierarchiebereich einzuordnen. Dies gilt auch für den Planungsstaat der 60er und 70er Jahre. Das New Public Management oder auch Public Management geht sehr stark in Richtung der Koordination über Marktmechanismen und Markt-äquivalente. Konstituierende Merkmale wie Wettbewerb zwischen öffent-lichen Einheiten stehen für diese Grundorientierung. Das Informations-system, das aus dem privatwirtschaftlichen Bereich übernommen worden ist, dient dazu, Transparenz als Grundlage von Wettbewerbspro-zessen zu schaffen. Transparenz wird somit zu einem – normativen – Element des Public Management. Dies lässt sich sehr anschaulich an dem neuen reformierten öffentlichen Rechnungswesen als Teil des New Public Management erkennen.

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Abbildung 5: Staatsverständnis und Koordinationstriade

Markt(Vertrag)

Netzwerke(Vertrauen/soziales Kapital)

Hierarchie(Anweisungen)

Public Go-vernance

Puma

Gover.

Instrumente d.Bürgergesell-schaft ??Kooperations-Formen; PCG-Kodex; Aktivie-render Staat

Rechts-Staat (RS)

Planungs-staat (PS)

Public Manage-ment

RS/PS Aus-/Aufbau

d.RechtssystemsPlanungsinstru-mente (z.B.PPBS)Keynesianismus

Dezentral./Info.-System/Markt/Wettbewerb

Eine Vielzahl von Gebietskörperschaften, die dieses Rechnungswesen einführen, kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sie völlig überschuldet sind. Sie müssen in ihren Eröffnungsbilanzen ein negatives Eigenkapital ausweisen. Dies war aufgrund des kameralen Informationssystems im öffentlichen Sektor bisher nicht transparent. Hierzu ein Beispiel: Hamburg ist als erster Staat in der Bundesrepublik Deutschland den Weg der Transparenz durch Einführung des reformierten öffentlichen Rechnungswesens gegangen. Ein wesentliches Ergebnis liegt darin, dass die bisher ausgewiesenen Schulden in Höhe von gut 24 Mrd. € aufgrund des neuen Informationssystems mit tatsächlich etwa 40 Mrd. € ausgewiesen werden müssen, also fast doppelt so hoch wie bei der bisherigen Kameralistik. Die Ursache hierfür liegt in dem Bemühen, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild über Vermögen und Schulden zu geben. Es geht also darum, im Rahmen des New Public Management mithilfe neuer Instrumente und Verfahren Trans-parenz zu schaffen, um stärker den auch im öffentlichen Bereich be-stehenden Knappheitsbedingungen Rechnung tragen zu können. Ein nicht unerheblicher Teil der Gebietskörperschaften in Deutschland verweigert sich bisher dieser notwendigen Transparenz, da hiermit un-

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verkennbar Notwendigkeiten einer Änderung des bisherigen Entschei-dungsverhaltens verbunden sind. Ein derartiges über die tatsächlichen Schulden und damit über die tatsächliche Situation einer Gebietskörper-schaft Auskunft gebendes Informationssystem wird nicht gewünscht; gleichzeitig wird aber ein Konzept „Good Governance“ eingefordert – ein offensichtlicher Widerspruch. Das Governance-Konzept ist schwerpunktmäßig in die Netzwerkgesell-schaft einzuordnen. So gibt es z.B. in der Stadt Leipzig eine Initiative, bei der vom Stadtparlament bzw. von der Stadtverwaltung renommierte Bürger benannt werden, denen Empfehlungen zur Wahrnehmung wich-tiger strategischer Aufgaben durch die Stadt obliegen. Governance als Einbindung der Bürger bedeutet Steuerung und Kontrolle über Netz-werke. Netzwerke werden von daher auch verbunden mit Bürgergesell-schaft, neuen Kooperationsformen, Public Corporate Governance, akti-vierender Staat u.a.m. Vor diesem Hintergrund lässt sich folgende, sicherlich provozierende These formulieren: Good Governance bzw. Public Governance richtet sich gegen die durch New Public Management angestrebte Transparenz und systemimma-nente Einbeziehung ökonomischer Knappheit in die Steuerung und Kontrolle des öffentlichen Sektors. Beispiele hierfür sind die Ablehnung jener auf Transparenz abzielenden Informationssysteme sowie – damit verbunden – die Verweigerung einer Transparenz über die tatsächliche Staatsverschuldung. Eine derartige Public Governance orientiert sich zunehmend an der Netzwerkgesellschaft. Sie führt nicht zur Transpa-renz, sondern in einem hohen Grad zur Intransparenz. So ist in Netz-werken i.d.R. nicht erkennbar, wer eigentlich der Entscheidungsträger ist, wie und auf welcher Grundlage die Entscheidungen zustande kom-men und wer gegebenenfalls für Fehlentscheidungen sanktioniert werden kann. Entscheidungen werden nicht mehr über die formalen Gre-mien getroffen, sondern durch eine Vielzahl informaler Verknüpfungen und Beziehungen innerhalb eines Netzwerks. Demgegenüber erfordert eine gute und öffentliche Governance und damit auch die Diskussion um Public Corporate Governance zunächst einmal und in erster Linie eine geordnete und transparente Staatswirtschaft, einschließlich der kommu-nalen Wirtschaft. Es lässt sich somit folgendes Zwischenfazit ziehen: Die neuere Dis-kussion um Corporate Governance privater Unternehmen folgt über-wiegend der Logik des Kapitalmarkts. Diese kann in öffentlichen Ein-heiten nicht gelten. Die Diskussion um Public Corporate Governance nährt sich eher aus einer „Gemengelage“ aus der Diskussion um Corpo-

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rate Governance im privatwirtschaftlichen Bereich und um Good Gover-nance im öffentlichen Bereich. Am Rande sei hier darauf verwiesen, dass der Begriff Good Governance aus der Entwicklung von Vorgaben der Weltbank Anfang der 80er Jahre gegenüber Entwicklungsländern resultiert. Heute wird dieser Begriff auch auf Industriestaaten bezogen und generell für die Kennzeichnung einer effizienten und verantwortungsvollen Steuerung eines Gemeinwesens herangezogen. Der Begriff Corporate Governance hingegen geht zurück auf Coase, Anfang der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Er wurde dann von den Institutionenökonomen wie etwa Williamson verwendet, allerdings nur bezogen auf den privatwirtschaftlichen Bereich. 2. Spezifische Corporate Governance Probleme öffentlicher

Einheiten Die spezifischen Corporate Governance Probleme öffentlicher Einheiten resultieren aus der wachsenden Dezentralisierung von Gebietskörper-schaften und damit verbunden aus der Gefahr einer hohen Intransparenz im gesamten öffentlichen Corporate Governance System. So entfernt sich eine Reihe öffentlicher Unternehmen zunehmend von der Mutter-gebietskörperschaft. Teilweise wird das ursprüngliche Kompetenzgefüge zwischen Muttergebietskörperschaft und dezentraler Einheit umgekehrt. Nicht mehr die Muttergebietskörperschaft steuert das öffentliche Unter-nehmen, sondern das öffentliche Unternehmen steuert die Mutter-gebietskörperschaft, ohne dass dies hinreichend transparent wird. Je höher der Dezentralisierungsgrad und die Zahl an Beteiligungen, umso schwieriger dürfte es sein, Transparenz über die Verflechtungen sowie formalen und informalen Beziehungen innerhalb des Corporate Gover-nance Systems zu erhalten. Auch dürfte mit zunehmender Einbeziehung von Privaten in gemischtwirtschaftliche Unternehmen die Abgrenzung von „privat“ und „öffentlich“ einschließlich der jeweiligen Verantwortlich-keiten immer schwieriger werden. Dies gilt besonders dann, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Muttergebietskörperschaften über ein leistungsfähiges Instrumentarium und ein entsprechendes Kom-petenzgefüge verfügen, um eine strategische Integration der dezentralen Einheiten in das Gemeinwesen zu gewährleisten – die Existenz einer strategischen Planung der Gebietskörperschaft einmal vorausgesetzt. Ein weiters Problem liegt in der Vielschichtigkeit rechtlicher Regelungen, denen öffentliche Einheiten unterworfen sind. Öffentliche Unternehmen,

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Abbildung 6: Inländische Beteiligungen von Kommunen (einschließlich Hamburg und Bremen)

insbesondere wenn sie in der privaten Rechtsform geführt werden, unter-liegen zunächst einmal der Vielzahl von Rechtsnormen, wie sie auch für private Unternehmen gelten. Zusätzlich kommen aus den unterschied-lichen Ebenen öffentliche Rechtsvorschriften hinzu. Hierbei geht es um EU-Recht sowie nationales Recht wie etwa Wettbewerbsrecht, Haus-haltsgrundsätzegesetz, Haushaltsordnung, Bundeshaushaltsordnung, Gemeindeordnung, Eigenbetriebsgesetz etc. Das dritte Problem bezieht sich darauf, dass dezentralen verselb-ständigten Einheiten nicht selten die Funktion von Schattenhaushalten zukommt. Hierbei wird nicht erkennbar, wie hoch die Verschuldung einer Gebietskörperschaft tatsächlich unter Einbeziehung der dezentralen selbständigen Einheiten ist. Zudem wird i.d.R. nicht transparent, welche Verschachtelungen zwischen den öffentlichen Einheiten untereinander sowie zwischen den öffentlichen Einheiten und der Kernverwaltung bzw. dem Haushalt bestehen. Schattenhaushalte dienen nicht selten ganz ge-zielt dazu, die nicht mehr zu erweiternde Verschuldung des Kernhaus-

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halts zu unterlaufen. Hierbei spielen öffentliche Unternehmen in privater Rechtsform, aber zunehmend auch Public Private Partnerships eine nicht unbedeutende Rolle. Das vierte Problem bezieht sich auf die Generationengerechtigkeit. Transparenz bedeutet vor allem aufzuzeigen, welche Lasten die heutige Generation auf die nächsten Generationen verlagert. Es geht faktisch um das Problem „Konsum versus Schuldenabbau und Investitionen“. Der Verzicht auf Transparenz bedeutet dabei weitgehend die Fortsetzung der organisierten Unverantwortlichkeit im politisch administrativen System, wie sie in der Vergangenheit praktiziert wurde. Die Intransparenz des Corporate Governance Systems öffentlicher Ein-heiten wird gestärkt durch informale Strukturen. Das formale System bezieht sich im Wesentlichen auf die jeweilige Zuständigkeit von Politik (z.B. über den Ausschuss für öffentliche Unternehmen), der Fach-behörde, der Finanzbehörde, des Aufsichtsrats und Vorstands bzw. der Geschäftsführung, des Rechnungshofs bzw. der Rechnungsprüfungs-ämter einschließlich der möglicherweise hinzuziehenden Wirtschafts-prüfer. Daneben gibt es ein ergänzendes informales System, bestehend etwa aus Arbeitnehmervertretern, Gewerkschaften, Verbänden, Interes-sengruppen etc. Hier greifen dann wieder Netzwerkstrukturen, die zu einem eng vermaschten Einflusssystem führen, das in der Regel sehr stark von jenem Steuerungs- und Kontrollsystem abweicht, das formal durch Rechtsnormen kodifiziert ist. IV. Zum Bedarf und zur Leistungsfähigkeit eines Public Corporate

Governance Kodex Vor dem Hintergrund der skizzierten Problemfelder und Entwicklungs-linien stellt sich die abschließende Frage, inwieweit ein Public Corporate Governance Kodex wesentliche Defizite öffentlicher Einheiten, speziell öffentlicher Unternehmen, abbauen kann. Bei diesen Defiziten – mit unterschiedlichen Ausprägungen – handelt es sich zusammenfassend im Wesentlichen um Kontroll- und Einflussdefizite der Muttergebietskörperschaften, Defizite des Steuerungsinstrumentariums, Defizite beim Gestaltungswillen zur Entwicklung und Anwendung ge-

eigneter Instrumentarien, unzureichendes Wissen der beteiligten Entscheidungs- und Kontroll-

träger über Aufgaben, Pflichten und Rechte,

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unzulängliche Fachkompetenzen bei politischer Anbindung bzw. Aus-richtung,

unzureichende Orientierung am Bedarf der Muttergebietskörper-schaft.

Bei börsennotierten öffentlichen Unternehmen stellt sich die Frage nach einem Corporate Governance Kodex nicht. Sie müssen nach § 161 AktG den deutschen Corporate Governance Kodex befolgen. Auch ist zu ver-muten, dass größere öffentliche Aktiengesellschaften, die nicht börsen-notiert sind, in ähnlicher Weise den Kodex anwenden werden. Allerdings trägt diese Auffassung nicht den Besonderheiten öffentlicher Zielsetzung Rechnung. Es bleibt nämlich folgendes Problem bestehen: Wenn öffent-liches Kapital und Vermögen eingesetzt werden, dann kann dies nur zu-lässig sein, wenn damit öffentliche und nicht privatwirtschaftliche markt-gesteuerte Aufgabenwahrnehmungen verbunden sind. Ist dies nicht der Fall, dann sind die öffentliche Beteiligung und das öffentliche Vermögen zu privatisieren. Aus dieser Denkweise heraus, kann und muss im Grunde genommen ein eigenständiger Kodex für den öffentlichen Sektor entwickelt werden. Dieser hat sich an den in internationalen Empfeh-lungen, wie bereits erwähnt, zu orientieren. Als generelle Prinzipien, auf die ein Public Corporate Kodex ausgerichtet sein muss, gelten Integrität, Verantwortung der einzelnen Personen – völlig unabhängig von ihrer fachlichen Qualifikation, für alle Handlun-gen und Informationsverpflichtungen –, Verantwortung für eine effiziente öffentliche Aufgabenwahrnehmung, interne und externe Steuerungs-kontrolle und entsprechende Gestaltung der Informationsprozesse. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der finanziellen Bericht-erstattung. Informationssystem und Verhaltenssteuerung sind damit die zentralen Elemente eines Public Corporate Governance Kodex bzw. müssen dazu gemacht werden. Das öffentliche Informationssystem (Haushalts- und Rechnungswesen) kann, bezogen auf einzelne Ein-heiten, aber auch auf die Gebietskörperschaft als Ganzes, heute nur in Anlehnung an das kaufmännische Rechnungswesen entwickelt und praktiziert werden. Der Forderung nach der notwendigen Transparenz kann nicht Rechnung getragen werden, wenn das alte kamerale Rech-nungswesen praktiziert wird. Die Kameralistik dient – bezogen auf Ver-mögen und Schulden, Aufwendungen und Erträge sowie Kosten und Leistungen – eher dazu, Intransparenz aufrechtzuerhalten. Hieraus folgt auch, dass die bisherigen institutionellen Regeln, etwa zur Begrenzung der Verschuldung, nicht hinreichend sind, um die notwen-dige Transparenz und effiziente Steuerung im öffentlichen Sektor zu ge-

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währleisten. So wissen wir aus der ökonomischen Theorie der Politik, dass sich öffentlich Beschäftigte in Politik, Verwaltungen und öffentlichen Unternehmen ebenfalls als Nutzenmaximierer verhalten. Der Politiker maximiert seinen individuellen Nutzen dadurch, dass er über die Maxi-mierung seiner anteiligen Stimmen des „Wählermarkts“ Macht und Amt erwirbt bzw. behält. Bei diesem Prozess ist er gegenüber dem Wähler in der Regel an einer hohen Intransparenz über die Konsequenzen seines Wahlprogramms zwecks Stimmenmaximierung interessiert. Dies ist mit ein wesentlicher Grund dafür, weshalb die Kameralistik so lange in Deutschland das maßgebende Informationssystem für die Ressourcen-steuerung geblieben ist. Sie gewährleistet Intransparenz über die Folgen einer kurzfristigen Orientierung politischer Entscheidungen an Wahl-zyklen, verbunden mit einem opportunistischen Verhalten auch und ge-rade gegenüber institutionellen Regeln. Dies lässt sich anschaulich an der Verschuldungssituation der Gebiets-körperschaften verdeutlichen. So erklären die Verfassungen der einzel-nen Bundesländer und das Grundgesetz, dass der jeweilige Haushalt nur dann verfassungsgemäß ist, wenn die Neuverschuldung nicht höher liegt als die Nettoinvestitionstätigkeit. Auf Staatsebene haben wir von 16 Länderhaushalten 11 Länderhaushalte, die nicht verfassungskonform Abbildung 7: Gesamtverschuldung der Gebietskörperschaften in

Deutschland

1253

1448

1503

1536

1395

1326

1200

1300

1400

1500

1600

2002 2003 2004 2005 2006 2007

In Milliarden €

Quelle: Gemeinschaftsgutachten vom 17.10.2006

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waren (2004/2005). Ebenso war der Bundeshaushalt bis 2006 nicht ver-fassungskonform, ein Sachverhalt, der öffentlich hinreichend bekannt war und ist. Die institutionellen Regeln der Verfassung greifen offen-sichtlich nicht gegenüber einem opportunistischen Politikverhalten. Jüngst wurde im Bundestag aufgrund einiger über die Prognose hinaus gehender Steuermehreinnahmen plötzlich der Eindruck „blühender Land-schaften“ erweckt, während noch vor wenigen Wochen Deutschland als ein „Sanierungsfall“ bezeichnet worden ist. Es sei an dieser Stelle in Er-innerung gebracht, dass allein die Geldschulden in den Gebietskörper-schaften insgesamt 1,5 Billionen € betragen. Betrachtet man allerdings die tatsächlichen Schulden, so liegt das Volumen bei einer Größenordnung von 6 Billionen €. Das Problem der in der Vergangenheit praktizierten Intransparenz verbunden mit opportu-nistischem Verhalten der Akteure lässt sich hinsichtlich der Folge-wirkungen für die Zinszahlungen in der folgenden Abbildung anschaulich verdeutlichen. Allein für Zinsaufwendungen musste beispielsweise das Land Bremen 24 % seiner gesamten Steuereinnahmen im Jahr 2005 aufwenden; wohl-gemerkt handelt es sich hierbei lediglich um die Zinsaufwendungen für Geldschulden. Auf kommunaler Ebene haben sich die Kassenkredite von etwa 2 Mrd. € im Jahr 1992 auf inzwischen 27 Mrd. € im Jahr 2006 ent- Abbildung 8: Zinsquote 2005 staatlicher Haushalte in Deutschland

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wickelt. Die bisherige Intransparenz und Informationsasymmetrie sowie das opportunistische Verhalten der Akteure im Public Corporate Gover-nance System haben für die Funktions- und Leistungsfähigkeit der ein-zelnen öffentlichen Gebietskörperschaften inzwischen ganz erhebliche Konsequenzen. Ein zweites Beispiel für opportunistisches Verhalten trotz institutioneller Regeln bezieht sich auf die Mehrwertsteuer. Wiederholt wurde vom Bundesrechnungshof angemahnt, dass mithilfe sogenannter Karussell-geschäfte in Deutschland Mehrwertsteuern in einer Größenordnung von mehreren Milliarden € jährlich hinterzogen werden. Ein notwendiger Wechsel des Mehrwertsteuersystems unter Einbeziehung aller EU-Länder ist politisch nicht durchsetzbar – eine eigenartige Situation bei gleichzeitiger Forderung nach Transparenz und nach guter öffentlicher Governance. Geboten scheint offensichtlich der Rückgriff auf die Er-kenntnisse von Motivationstheorien. Für die Entscheidungsträger, also Politiker und öffentliche Bedienstete, sind Anreize zu schaffen, um Ver-haltensänderungen über die persönliche Betroffenheit herbeizuführen. Da wir nun in einer die Verhaltensweisen stark prägenden Geldwirtschaft leben, bedarf es eines systemkonformen Vorgehens. Anreiz- bzw. Sanktionsmechanismen für die Verhaltensteuerung sollten somit an den persönlichen Einkommen der Entscheidungsträger ansetzen. Dies könnte konkret so aussehen, dass im Falle einer Situation, in der die Aufwendungen höher sind als die Erträge, die Entscheidungsträger mit einem prozentualen Abzug von ihrem Einkommen negativ sanktioniert werden. Man wird nicht, entgegen anderen Auffassungen, mit einer gesetzlichen Regelung die notwendige Verhaltenssteuerung gewähr-leisten können, auch nicht mit einem Kodex. Wenn nämlich nicht einmal institutionelle Regelungen in Form der Verfassung und schon gar nicht in Form „normaler“ Gesetze die Verhaltensweisen in die gewünschte Rich-tung lenken, woraus folgt dann der Optimismus, dass ein (freiwilliger) Kodex greifen soll? Als Fazit ist festzuhalten, dass die primäre Zielsetzung eines PCG-Kodex zunächst einmal in der Wiederherstellung einer staatswirt-schaftlichen Ordnung liegen muss. Es geht um den vorherrschenden Abbau der organisierten Unverantwortlichkeit, um die Einführung eines neuen öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens auf Basis der Doppik, um die Konsolidierung dezentral organisierter Gebietskörper-schaften sowie um eine transparente Berichterstattung. Nur dann und nur auf dieser Grundlage kann erwartet werden, dass auch ein Public Corporate Governance Kodex zu einer wesentlichen Verbesserung der derzeitigen Situation beiträgt.

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Wolfgang Peiner* Corporate Governance in Hamburgs öffentlichen Unternehmen Ich möchte einleitend auf die Aufgaben der öffentlichen Unternehmen zu sprechen kommen und Ihnen anschließend vorstellen, nach welchen Grundsätzen wir unsere öffentlichen Unternehmen kategorisiert haben. Schließlich werde ich auf das eigentliche Thema eingehen, um Ihnen zu schildern, wie wir Corporate Governance im Einzelnen organisieren – dies alles ohne wissenschaftlichen Anspruch, sondern eher aus der Praxis gewachsen, aber doch mit einigen grundsätzlichen Überlegungen. I. Aufgaben öffentlicher Unternehmen Wie sehen wir die Aufgabe des Staates? Der Begriff Daseinvorsorge ist hier schon einmal gefallen – es ist ein schillernder Begriff, den ich für eine Aufgabenbeschreibung für untauglich halte, und es gibt auch keine europäische Sprache, in die er überhaupt übersetzbar ist. Der ordnungs-politische Rahmen in den letzten Jahrzehnten hat sich deutlich ver-ändert. Es stellt sich grundsätzlich die Frage für den Staat: Soll er Auf-gaben selbst erfüllen oder soll er die Erfüllung nur gewährleisten? Das ist sicher durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst, etwa durch das An-spruchsdenken der Bürger, die sich heute stärker als Kunden verstehen und den Staat als Dienstleister wahrnehmen. Es ist auch ein verändertes Interesse des Staates selbst, der in den letzten Jahren in zunehmende haushaltspolitische Zwänge geraten ist und deswegen Unternehmen ver-kauft hat, für die man früher öffentliche Aufgaben gesehen hat. Hinzu kommt, dass sich der europäische Rahmen verändert hat und über die Definition von Freiheiten im Binnenmarkt überkommene nationale Struk-turen in Frage gestellt werden. Schließlich haben auch die Kapitalmärkte heute eine andere Leistungsfähigkeit. Dies alles hat natürlich zur Folge, dass sich der Finanzbedarf der öffent-lichen Unternehmen und auch der Managementbedarf gewandelt haben und insofern auch der Markt ein neues Denken verlangt. Expansive Unternehmen brauchen Geld zur Finanzierung, und schlechte Unter-nehmen brauchen Geld, um die Verluste zu stopfen. Beides ist in der Regel nicht vorhanden. Und deswegen ergibt sich daraus auch zwangs-läufig eine Änderung in der Einschätzung öffentlicher Unternehmen. * Dr. Wolfgang Peiner war Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg.

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Nach meiner Einschätzung können wir nicht Hüter des Wettbewerbs, Kontrolleur der Qualität und gleichzeitig Betreiber und Mitbewerber sein. Der Staat sollte sich entscheiden, wie er seine Rolle sieht. Meine grund-sätzliche Auffassung ist, dass wir uns mehr sehen sollten im Bereich der Gewährleistung, der Sicherung des Wettbewerbs und der Kontrolle der Qualität und dass wir nicht den Ehrgeiz entwickeln sollten, alles zu be-treiben. Mit dieser Prämisse haben wir versucht, die Beteiligungspolitik des Senats in Hamburg zu ordnen. Wir haben zunächst den Grundsatz formuliert, dass wir keine Unternehmen mehr verkaufen aus Finanznot. Ich denke, dass dies bislang der Haupttreiber vieler Kommunen und Länder und vor allem des Bundes war, öffentliche Unternehmen zu privatisieren. Ich komme heute zu dem Ergebnis, dass das der einzige Grund ist, warum man es nicht tun sollte. Man muss den Staat schon finanzpolitisch so im Griff haben, dass dies kein Argument sein darf. Ich bin froh, dass wir in Hamburg durch unsere Finanzpolitik diese Vor-aussetzungen – jedenfalls zur Zeit – erfüllt haben. II. Kategorisierung öffentlicher Unternehmen Aber wir wissen schon, dass wir auf die Infrastruktur in Hamburg achten müssen und wir eine gewisse Aufgabe zur Entwicklung des Standorts Hamburgs zu erfüllen haben. Deswegen haben wir gesagt, wir katego-risieren unsere öffentlichen Unternehmen nach einigen Grundkriterien. In einer ersten Gruppe finden sich Unternehmen, die wir auf Dauer für die Infrastruktur der Stadt für zwingend erforderlich halten. Man kann diesen Gesichtspunkt auch erweitern in „Netze“ und „natürliche Mono-pole“. Hier gehen wir davon aus, dass wir hierauf dauerhaft einen be-herrschenden, in der Regel sogar einen hundertprozentigen Einfluss haben müssen. Das ist z.B. im Bereich Wasser und Abwasser der Fall. Das gilt für die Infrastruktur des Hafens und schließlich auch für den öffentlichen Personen- und Nahverkehr, bei dem nicht nur die schienen-gebundene Infrastruktur im Vordergrund steht, sondern tendenziell auch das gesamte Verkehrsnetz. Wir haben zum Zweiten gesagt, einige Unternehmen sind zur langfris-tigen Sicherung des Wirtschaftsstandorts Hamburg von herausragender Bedeutung. Zur Unterlegung des Interesses, sie an den Standort zu binden, sollten wir hier einen kontinuierlichen Einfluss haben. Das sind z.B. unsere Messe und Congress GmbH, des Weiteren die HSH Nord-

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bank AG als gemeinsame Bank von Hamburg und Schleswig-Holstein. Dies gilt für die Hamburger Hafen- und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA), unseren Hafenumschlagsbetrieb – nicht zu verwechseln eben mit dem Hafen, dessen Belange von der Hamburg Port Authority wahr-genommen werden. Dies gilt für den Landesbetrieb Krankenhäuser, an dem wir noch 25,1 % halten. Und in diesen Zusammenhang gehört auch unsere Beteiligung an der Beiersdorf AG mit 10 %. Sie alle zusammen haben das Ziel, den Wirtschaftsstandort zu stärken durch Sicherung der Hauptverwaltung in Hamburg und einen gewissen Einfluss in den Unter-nehmen. Es gibt zum Dritten Unternehmen, auf die die bislang genannten Krite-rien nicht zutreffen, die aber für fachspezifische Ziele von strategischer Bedeutung sind. Hiezu gehören viele Unternehmen im Sozial- und Kul-turbereich, aber auch unsere Wohnungsbaugesellschaften, weil wir da-von ausgehen, dass sie aus heutiger Sicht zwingend erforderlich sind, um städtebaulichen Einfluss zu nehmen und aktiv die Entwicklung ein-zelner Stadtteile mit zu gestalten. Es verbleiben etliche Unternehmen, die nicht unter diese Kategorien fallen. Diese können ganz oder teilweise privatisiert werden, was wir in den letzten Jahren auch getan haben. Zu nennen ist zum einen der TÜV, nachdem wir das letzte Land waren, in dem der TÜV noch staatlich orga-nisiert war. Zu erwähnen sind die mehrheitliche Veräußerung der Anteile am Landesbetrieb Krankenhäuser und schließlich auch der Unter-nehmensbereich Altenpflege in unserer Anstalt „pflegen & wohnen“. Letz-teres ist das jüngste und überzeugende Beispiel, wie Aufgaben von Privaten besser erledigt werden können. Allerdings verbleiben bei der öffentlichen Hand über die Heimaufsicht die Funktionen der Sicherung von Wettbewerb und vor allem von Qualität. III. Corporate Governance Es verbleibt ein kleinerer, aber interessanter Kreis von Unternehmen, die es zu steuern gilt. Hierfür haben wir in Hamburg das sogenannte Verant-wortungsmodell entwickelt. Seine Grundidee ist, dass in Hamburg die Verantwortung für die fachliche und betriebswirtschaftliche Steuerung direkter Beteiligungen bei der zuständigen Fachbehörde liegt. Bei kleine-ren und mittleren Unternehmen gilt dies uneingeschränkt im Sinne von abschließender Zuständigkeit. Dem entspricht auch die Verantwortung des jeweiligen Fachsenators.

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Wir haben dann dieses Modell erweitert bei etlichen – ich will es ver-einfacht sagen – größeren Unternehmen, die von wirtschaftlicher und strategisch bedeutenderer Rolle sind. Das sind zurzeit 19 Unternehmen. In diesem erweiterten Verantwortungsmodell haben wir eine gemein-same Verantwortung zwischen der Fachbehörde und der Finanzbehör-de. Auch hier liegt die Beteiligungssteuerung zunächst bei der Fach-behörde, während der Finanzbehörde die haushaltswirtschaftliche Steuerung obliegt. Praktisch erfolgt dies über Abstimmungsempfeh-lungen für Aufsichtsratsitzungen, zu denen bei Relevanz für den Haus-halt der Stadt Einvernehmen zwischen den betroffenen Behörden her-gestellt werden muss. Wir steuern wie nun diese Beteiligungen? IV. Aufsichtsrat Neben Zielvorgaben der Freien und Hansestadt Hamburg als Gesell-schafterin steuern wir primär über den Aufsichtsrat, durch Beratung und Überwachung der Geschäftsleitung, insbesondere durch einen um-fassenden Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Mitglieder des Aufsichtsrats. Aufsichts-ratvorsitzender ist im Regelfall der politisch verantwortliche Präses der Behörde. Bei den eher kleineren Gesellschaften treten an seine Stelle Mitarbeiter seiner Behörde. Neben den Behördenvertretern haben wir die Zahl externer Aufsichtsräte deutlich erhöht. Hierunter verstehen wir Per-sönlichkeiten, die nicht aus der Politik kommen, sondern eigenen wirt-schaftlichen Sachverstand mitbringen, und zwar gezielt als Know How-Zuwachs für das betreffende Unternehmen. Daneben haben wir natürlich Arbeitnehmervertreter nach Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungs-recht. Hamburg hatte bis vor kurzem sogar noch eine erweiterte Mit-bestimmung, also freiwillig generell die paritätische Mitbestimmung ein-geführt. Dies ist mittlerweile auf die gesetzlich vorgeschriebenen Quoren reduziert worden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir in die Aufsichtsräte keine Vertreter aus der Politik, insbesondere also keine Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft entsenden. Wir wollen Personen, deren Erkenntnisse oder Erfahrungen geeignet sind, das Unternehmen zu fördern, und die auch von ihrer beruflichen Beanspruchung her in der Lage sind, diese Aufgaben wahrzunehmen. Klar ist, dass wir keine Per-sonen in den Aufsichtsrat berufen, die in persönlichen oder sachlichen Interessenkonflikten stehen.

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Hinzu kommt, dass wir den Aufsichtsratsmitgliedern keine Vergütung zahlen, auch nicht den externen Aufsichtsräten. Die einzige Ausnahme über ein Sitzungsgeld hinaus ist die HSH Nordbank, aber das liegt auch daran, dass wir dort keine Mehrheit haben. Unser Ziel muss es daher sein, auch finanziell unabhängige Persönlichkeiten zu finden. Als ideale Zielgruppe haben wir hier pensionierte Vorstände der großen privaten Hamburger Unternehmen ausgemacht. Wir haben festgestellt, dass dieser Personenkreis angesichts seiner bereits erworbenen guten Alters-versorgung durchaus bereit ist, einen Beitrag für die Stadt an diesen Stellen zu leisten. Und der ist angesichts der noch frischen Berufs-erfahrung dieser Aufsichtsratmitglieder für unsere Unternehmen viel wert. Wir schließen überwiegend eine D & O-Versicherung ab für unserer Organe, von der die Aufsichtsräte mit erfasst sind. Bei den Geschäfts-leitungen erfolgt diese Absicherung allerdings so, dass sie zumindest eine Eigenhaftung haben in Höhe der Hälfte ihrer Jahresvergütung, weil wir der Meinung sind, dass dies das Risikobewusstsein stärkt. V. Geschäftsleitungen Bei der Vergütung der Geschäftsleitungen orientieren wir uns im Prinzip am Markt, allerdings – und das versuchen wir jetzt sukzessive umzu-setzen – mit einem zunehmend größer werdenden variablen Anteil. Inso-fern spielen für uns Vergütungsniveau der Branche, Größe des Unter-nehmens oder Zahl der Mitglieder eines Vorstands die wesentliche Rolle – allerdings durchaus verbunden mit einem Quervergleich zu den ande-ren öffentlichen Unternehmen in Hamburg. Wir konnten feststellen, dass wir nicht jede Übertreibung des Marktes mitmachen müssen, weil vielen die Tatsache, dass sie bei einem Hamburger Unternehmen mit einer langen Tradition beschäftigt sind, auch ein Risikoabschlag wert ist. Die variablen Vergütungen orientieren sich in der Regel am Jahresergebnis oder auch an Plandaten, die mit dem Aufsichtsrat beschlossen sind – es kann auch die Erfüllung bestimmter qualitativer Ziele vereinbart werden. Wir haben auch klare Regeln für die Altersvorsorge erarbeitet, für die eine Unverfallbarkeit in der Regel erst nach acht Jahren vorgesehen wird. Dementsprechend stellen wir Geschäftsleitungen auch zunächst nur für drei Jahre ein, weitere Perioden laufen dann über fünf Jahre. Erst nach Ende der zweiten Periode ist eine betriebliche Altersversorgung zu-gesichert.

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Soweit sich Beamte als Geschäftsführer für öffentliche Unternehmen be-werben, haben wir als Grundsatz vorgesehen, dass man sich nach der ersten Vertragsperiode – also nach drei Jahren – entscheiden muss: Entweder man geht in den Staatsdienst zurück und bleibt dann Beamter, oder man verlässt den Staatsdienst und wird Geschäftsführer und Unter-nehmer. In diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Offenlegung der Bezüge. Wir praktizieren das zwar nicht – ich persönlich hätte aber gerade im politischen Bereich damit kein Problem. Im öffentlichen Bereich gelten nun einmal andere Anforderungen an Transparenz. Aus meiner Sicht muss jeder wissen können, was unsere Geschäftsführer der öffentlichen Unternehmen verdienen. Das ist aus meiner Sicht ein viel kleineres Problem, als es vielfach dargestellt wurde. Ich war einige Jahre im Board einer englischen Lebensversicherungsgesellschaft und kenne daher die Praxis. Englische Kapitalgesellschaften veröffentlichen einen kompletten Anhang, aus dem hervorgeht, was das Unternehmen für seinen eigenen Vorstand und Aufsichtsrat, also den Board, aufwendet, einschließlich Altersversorgung, Barbezügen und variablen Bezügen. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem das zu Problemen geführt hat. Und ich glaube, in der Politik sind wir hier noch stärker gefordert als Unternehmen in England von der Börse. VI. Politische Verantwortung Lassen Sie mich abschließend noch auf Besonderheiten der politischen Verantwortung für öffentliche Unternehmen eingehen. Die Grundsätze, die ich Ihnen referiert habe, werden in Hamburg von der Senatskommis-sion für öffentliche Unternehmen beschlossen. In diesem Ausschuss des Senats arbeiten unter dem Vorsitz des Finanzsenators alle Mitglieder des Senats zusammen, die selbst ein öffentliches Unternehmen politisch zu verantworten haben. Die Bürgerschaft – also unser Parlament – hat keinen direkten Einfluss auf diese Unternehmen. Als Abgeordneter kann man weder Geschäfts-führer noch Aufsichtsrat eines öffentlichen Unternehmens sein. Ersteres haben wir klar gesetzlich ausgeschlossen, zweites entspricht der ständi-gen Verfassungspraxis unabhängig von der politischen Zusammen-setzung des jeweiligen Senats. Das Parlament hat natürlich Mitwirkungsrechte, insbesondere bei Unter-nehmensgründungen und Veräußerungen, die nach der Landeshaus-

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haltsordnung die Zustimmung der Abgeordneten erfordern. Es hat ferner Informationsrechte. Es erhält die Geschäftsberichte der größeren Unter-nehmen und darüber hinaus auch einen umfassenden Beteiligungs-bericht des Senats. Erörterungen erfolgen meist im Haushaltsausschuss, der sich gege-benenfalls auch in Selbstbefassung mit speziellem Befragen beschäf-tigen kann. Ferner gibt es einen Unterausschuss für öffentliche Unter-nehmen, der sich in unregelmäßigen Abständen mit einzelnen Unter-nehmen im Detail beschäftigt. Hierzu lädt er auch die jeweiligen Ge-schäftsleitungen ein, die dort im Einzelnen vortragen. Aber vom Grund-satz her gilt auch insofern, dass die Berichtsinstanz der Senat ist, also der jeweils zuständige Präses einer Fachbehörde und seine Mitarbeiter. Zusammenfassend kann man also feststellen, dass öffentliche Unter-nehmen durchaus Gegenstand öffentlicher Diskussionen und Entschei-dungen sind, dass es aber andererseits keine direkte Mitwirkung des Parlaments bei der Steuerung öffentlicher Unternehmen gibt. Damit wird vom System erreicht, dass wir die Tagespolitik aus der Ein-flussnahme auf Geschäftsleitungen heraushalten, aber in grundsätz-lichen Fragen der Steuerung öffentlicher Unternehmen die politische Verantwortung sicherstellen. Das Ganze wird dargestellt und formuliert in „Hinweisen für die Verwaltung von Beteiligungen der Freien und Hanse-stadt Hamburg“, soweit es die Beteiligungsverwaltung selbst betrifft. Diese Hinweise gibt es seit den 80er Jahren, sie wurden 1997 und noch einmal 2005 überarbeitet. Sie enthalten auch Mustersatzungen, Ge-schäftsanweisungen und Entscheidungshilfen für Grundsatzfragen. Dieses Regelwerk wird natürlich auch unter Corporate Governance-Ge-sichtspunkten ständig erweitert und aktualisiert. Insofern stellt es einen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung der öffentlichen Unternehmen dar. Damit gibt es praktisch gesehen bereits für die meisten Steuerungsfragen einen Kodex, auch wenn er sich nicht mit dieser Begrifflichkeit schmückt. Wichtiger als Fragen der Nomenklatur scheint mir aber das Verständnis zu sein, dass wir diese Regeln nicht als stehendes Gesetz begreifen. Weil Unternehmen sich in der Praxis immer anders entwickeln, ist das eben eher ein Prozess, der sich regelmäßig fortentwickeln muss. Unsere Beteiligungssteuerung zu optimieren und den jeweiligen Forderungen der Zeit anzupassen, ist unser Ziel und unser Ergeiz. Dazu brauchen wir auch die Kenntnis, wie sich Wissenschaft und Praxis andernorts entwickeln, und insofern begrüße ich die Gelegenheit zum fachlichen Austausch im Rahmen dieser Tagung sehr.

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Peter Höflinger* Der Stuttgarter Public Corporate Governance Kodex – seine Bedeutung für die betroffenen Unternehmen I. Einleitung Stuttgart gehört zu den Pionieranwendern des Corporate Governance Kodex im öffentlichen Sektor. Am 29. Juni 2006 erfolgte im Gemeinderat der Stadt Stuttgart die Zustimmung zur Einführung des Public Corporate Governance Kodex. Davor lag ein intensiver Diskussionsprozess zwi-schen Beteiligungsreferat und den Tochterunternehmen der Stadt Stutt-gart. Auf Basis eines ersten Entwurf, der im Februar 2006 in einer öffent-lichen Veranstaltung mit Ernst & Young vorgestellt wurde, waren die Beteiligungsunternehmen zu Stellungnahmen aufgefordert. Diese gingen wiederum in eine Abstimmungsrunde mit der Stadtkämmererei im Früh-sommer 2006 ein. Die Ergebnisse bildeten die Basis für eine erste In-formation der Kontrollgremien der Beteiligungsunternehmen und für eine anschließende Verabschiedung des Kodex im Gemeinderat. Für Anfang 2007 ist eine Beschlussfassung über den Kodex im Aufsichtsrat der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) vorgesehen. Der Prozess war sehr konstruktiv und professionell. Die betroffenen Unternehmen wurden inhaltlich gut einbezogen. Vor dem Hintergrund der Tragweite des Kodex und der Tatsache, dass der städtische Konzern Stuttgart immerhin eine Bilanzsumme von rund 3,7 Mrd. € aufweist, war dieser intensive Ab-stimmungsprozess durchaus sinnvoll und gerechtfertigt. Der Vortrag geht in einem ersten Schritt auf die Ziele und die Struktur des Stuttgarter Public Corporate Governance (PCG) Kodex ein. Die zentralen Inhalte werden vorgestellt. Im Anschluss erfolgt eine Bewer-tung des Kodex aus Sicht des Beteiligungsunternehmens SSB AG. Auf die wichtigsten Problemfelder wird eingegangen. Da die Mehrheit der städtischen Beteiligungsunternehmen als GmbH geführt wird, ist der Kodex der Stadt Stuttgart an dieser Rechtsform ausgerichtet. Für Be-teiligungen in anderen Rechtsformen sollen die Kodex-Regelungen ent-sprechend gelten. Aus Sicht der SSB erfordert die Übertragung einzelner Regelungen auf die Situation der SSB als Aktiengesellschaft jedoch weitere Abstimmungen und Annäherungen. Die resultieren Problem-

* Dr. Peter Höflinger ist Vorstandssprecher der Stuttgarter Straßenbahnen AG, Stuttgart.

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felder werden diskutiert. Der Beitrag schließt mit einem Fazit aus Sicht des Beteiligungsunternehmens SSB. 2. Zielsetzungen des Stuttgarter Public Corporate Governance

Kodex Der wesentliche Kern des Stuttgarter PCG-Kodex kommt bereits in des-sen Untertitel zum Ausdruck. Er ist ein auf den Bedarf der städtischen Beteiligungen abgestimmtes Regelwerk, das die Transparenz und Effi-zienz bei Beteiligungsunternehmen und Verwaltung nachhaltig verbes-sern soll. Als Maßstab guter Unternehmensführung und -kontrolle in öffentlichen Unternehmen soll er einen Standard für das Zusammenspiel aller Beteiligten (Gemeinde-

rat, Stadtverwaltung, Beteiligungsgesellschaften) festlegen, eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsräten und Unter-

nehmensführung gewährleisten, eine zeitnahe und wirkungsvolle Arbeit der Beteiligungsverwaltung

durch eine bessere Informationsversorgung sichern, das öffentliche Interesse durch Steigerung von Transparenz und Kon-

trolle absichern, ein Nachschlagewerk für Stadträte mit Aufsichtsratsmandaten darstel-

len, neuen Akteuren in Führungspositionen der Beteiligungsunternehmen

und der Verwaltungsebene einen Überblick geben und Informationen für interessierte Bürgerinnen und Bürger bereitstellen.

Neben der Vertrauensbildung in Stadtverwaltung und Politik sowie der Sicherstellung der notwendigen Instrumentarien für das städtische Betei-ligungscontrolling ist die zentrale Zielsetzung des Kodex die Ausrichtung am Gemeinwohl gemäß Gemeindeordnung. Die Beteiligungsunter-nehmen haben somit letztlich gleichzeitig zwei Ziele im Fokus zu halten: zum einen den wirtschaftlichen Erfolg und zum anderen das Gemeinwohl bzw. das öffentliche Interesse. Diese duale Ausrichtung spiegelt sich bereits in der Präambel wider und zieht sich als roter Faden durch das gesamte Regelwerk. Entsprechend betont der Stuttgarter PCG-Kodex die besonderen Anforderungen an die Führungsgremien öffentlich finanzierter Unternehmen. Die Standards sind darauf angelegt, als ein-heitliche Grundlage für die Beteiligungsunternehmen der Stadt Stuttgart zu dienen.

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III. Aufbau des Stuttgarter Public Corporate Governance Kodex Der Stuttgarter Kodex umfasst wie auch die allgemeinen Regelungen des Deutschen Corporate Governance (DCG) Kodex sowohl Empfehlungen als auch Anregungen. Von den Empfehlungen („Soll“-Regelungen) kann zur Berücksichtigung branchen- oder unternehmensspezifischer Be- dürfnisse abgewichen werden. Die Führung einer Beteiligung als Aktien-gesellschaft etwa – im Vergleich zum zugrundegelegten GmbH-Refe-renzmodell – kann bereits solche Abweichungen erforderlich machen und entsprechende Begründungen nach sich ziehen. Die Ausnutzung der Ge-staltungsspielräume deutet nicht per se auf einen „Mangel“ in der Unter-nehmensführung oder -überwachung hin. Allerdings sind die Gesell-schaften dazu verpflichtet, Abweichungen im jährlichen Corporate Gover-nance Bericht offen zu legen und zu begründen (Grundsatz: „comply or explain“). Ferner enthält der Kodex Anregungen („Sollte“-/„Kann“-Rege-lungen), die ohne Offenlegung und Begründung anders ausgelegt werden können. Zu den Anregungen kann im jährlichen Corporate Go-vernance Bericht der Beteiligungsunternehmen Stellung bezogen wer-den. Das Konstrukt der Empfehlungen und Anregungen ermöglicht eine flexible Handhabung des Kodex bei Beteiligungsunternehmen, die sich bezüglich ihrer Rechtsform, der Anteilshöhe der Stadt, der Gesellschaf-terstrukturen sowie bezüglich ihres Unternehmenszwecks unterscheiden. Der PCG-Kodex der Landeshauptstadt Stuttgart gliedert sich in zwei Teile. Im Teil A – dem Kodex im engeren Sinne – sind die grundsätz-lichen Aufgaben, Rechte und Pflichten der gesellschaftsrechtlichen Organe der Beteiligungsunternehmen beschrieben. Der Teil B dient der praktischen Umsetzung. Er enthält konkrete Vorgaben und Instrumente, um die geforderte Transparenz im Zusammenwirken von Beteiligungs-unternehmen und der Gesellschafterin Stadt Stuttgart zu ermöglichen. Nachfolgend werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige zentrale Punkte herausgegriffen, um einen Eindruck vom Aufbau des Stuttgarter Kodex zu geben. 1. Teil A: Der Corporate Governance Kodex im engeren Sinne Der erste Anwendungsbereich bezieht sich auf die Rechte und Pflichten der Gesellschafter. Die Gesellschafterversammlung ist entsprechend GmbH-Gesetzgebung als oberstes Organ mit Weisungsbefugnis gegen-über der Geschäftsführung verankert. Verwaltung und Gemeinderat haben die Aufgabe, die grundsätzlichen strategischen Zielvorgaben zu definieren. Die Geschäftspolitik der Mehrheitsbeteiligungen hat die Ziel-

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setzungen der Landeshauptstadt mit zu berücksichtigen. Des Weiteren sind Verwaltung und Gemeinderat für die Überwachung der Gesellschaft auf Basis des Unternehmensgegenstands im Gesellschaftervertrag ver-antwortlich. Neubeteiligungen der Landeshauptstadt kommen nur bei einer verbindlichen Verankerung der Bindung an den PCG-Kodex im Gesellschaftervertrag in Betracht. Darüber hinaus sind Maßnahmen zur Transparenzsteigerung verankert, wie z.B. die Feststellung des Jahres-abschlusses und der Vergütung der Aufsichträte in einer öffentlicher Sit-zung. Die Botschaft dieses Anwendungsbereichs ist – zumindest für Beteiligungs-GmbHs – klar. Das Referenzmodell GmbH dient als verlän-gerte Werkbank der Beteiligungsverwaltung. Die Geschäftsführungen der Beteiligungen haben sich im Wesentlichen auf das operative Ge-schäft zu konzentrieren und unterliegen der Weisungsbefugnis des Ge-sellschafters. Im zweiten Anwendungsbereich werden die Zuständigen des Aufsichts-rats geregelt. Primäre Aufgaben bilden die Überwachung und Beratung der Geschäftsleitung. In diesem Zusammenhang gibt der Aufsichtsrat die Wertgrenzen für zustimmungspflichtige Geschäfte vor und überwacht die Übereinstimmung der operativen Ziele mit den strategischen Vorgaben. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind für ihre Fort- und Weiterbildung eigenverantwortlich. Gemäß Kodex unterliegt der Aufsichtrat einer Effi-zienzprüfung. Der Schwerpunkt des Aufsichtsratsvorsitzenden liegt bei der Koordination und Leitung der Aufsichtsratsitzungen. Ferner berät er in Strategiefragen, erteilt den Prüfungsauftrag und ist verantwortlich für die Geschäftsführerverträge. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats soll interessenkonfliktfrei sein. Ehemalige Mitglieder der Geschäftsfüh-rung dürfen dem Gremium nicht angehören. Die Vergütung der Auf-sichtsratsmitglieder wird in der Gesellschafterversammlung festgelegt. Die Gesamtbezüge sind im Beteiligungsbericht und im Anhang des Jahresabschlusses auszuweisen. Die Aufsichtsratsmitglieder sind grundsätzlich auf das Unternehmensinteresse verpflichtet. Die Vertreter der Landeshauptstadt sollen darüber hinaus gleichzeitig die besonderen Interessen der Stadt Stuttgart berücksichtigen. Interessenkonflikte sind offen zu legen. Sofern diese andauern, muss ein Mandat niedergelegt werden. Grundsätzlich weist der zweite Anwendungsbereich keine großen Besonderheiten auf. Ein Großteil entspricht bei der SSB bereits heute der gelebten Praxis. Dennoch kommt indirekt auch hier die bereits bei den Gesellschafteraufgaben definierte Zielhierarchie zum Ausdruck. Die Verwaltungsebene ist primär für die strategischen Vorgaben verant-wortlich, während sich die Unternehmensebene auf die Umsetzung der operativen Ziele konzentrieren soll.

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Zum dritten Anwendungsbereich gehören die Aufgaben, die Vergütung, die Offenlegung von Interessenkonflikten, die Bestellung und die Alters-grenze der Geschäftsführung. Primäre Aufgabe der Geschäftsführung ist die Definition operativ messbarer Ziele, wobei den städtischen Zielen Rechnung getragen werden soll. Darüber hinaus soll die Geschäftsfüh-rung den Gesellschafter bei der Entwicklung strategischer Ziele unter-stützen. Sie hat ferner den Jahresabschluss gemäß Handelsgesetzbuch (HGB) und Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) aufzustellen und muss sich hierbei an börsenorientierten Gesellschaften orientieren. Darüber hinaus ist die Geschäftsführung für den jährlichen Corporate Gover-nance-Bericht an die Beteiligungsverwaltung verantwortlich. Im Unter-schied zu den Aufsichtsratsmitgliedern muss die Vergütung der Ge-schäftsführung im Anhang des Jahresabschlusses individualisiert aus-gewiesen werden. Die Geschäftsführung ist auf das Unternehmens-interesse verpflichtet. Interessenkonflikte sind dem Aufsichtsrat unver-züglich offen zu legen. Ferner besteht ein umfassendes Wettbewerbs-verbot. Die Bestellung der Geschäftsführer erfolgt i.d.R. für fünf Jahre. Wiederholte Bestellungen sind möglich. Die Altersgrenze liegt bei 65 Jahren. 2. Teil B: Beteiligungsmanagement und Beteiligungscontrolling Teil B definiert Inhalte und Termine der Erstellung des Wirtschaftsplans, des Berichtswesens, des Jahresabschlusses und des Beteiligungsbe-richts. Der Wirtschaftsplan soll u.a. eine Stellenübersicht, Wirtschaftlich-keitsberechnungen für größere Projekte sowie Stärken/Schwächen- und Chancen/Risiken-Analysen umfassen. Er soll spätestens vier Wochen vor der Aufsichtsratssitzung mit dem Beteiligungsreferat erörtert werden. Quartalsberichte sind verpflichtend für alle Beteiligungsgesellschaften mit einem Anteil der Landeshauptstadt größer 25 %. Zentrale Inhalte sind der GuV-Soll/Ist-Vergleich, der Liquiditätsstatus und die Vorschau auf das Jahresende. Wesentliche Abweichungen sind zu erläutern. Die Berichte sind spätestens vier Wochen nach dem Ende des Berichts-zeitraums vorzulegen. Der Jahresabschluss soll über die Regelungen des HGB und des HGrG hinausgehend u.a. eine Spartenrechnung und eine Prüfung des Corporate Governance Berichts umfassen. Für die Ab-schlussprüfung verpflichtend ist eine Erklärung des Abschlussprüfers zu dessen Unabhängigkeit. An Wirtschaftsprüfer dürfen keine Beratungs-aufträge in größerem Umfang erteilt werden. Der Beteiligungsbericht um-fasst neben grundsätzlichen Angaben zu Beteiligungen, der Besetzung der Organe und der Geschäftsführung sowie zum Geschäftsverlauf auch Angaben zum Rechnungswesen. Letztere Angaben umfassen eine Über-

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sicht über die finanzielle Situation sowie die Ertrags- und Vermögens-lage. Darüber hinaus sollen die Kapitalströme transparent gemacht werden. Ergänzt werden die Angaben im Beteiligungsbericht um finanz-wirtschaftliche Kennzahlen und maßgebliche betriebliche Leistungs-daten. Die oben genannten inhaltlichen Punkte des Teil B haben allesamt auch ohne Public Corporate Governance Kodex ihre Berechtigung als Stan-dard moderner, ordnungsgemäßer Unternehmensführung. Aus diesem Grund ist es richtig, dass der Teil B nur im weiteren Sinne zum Regel-werk des Stuttgarter PCG-Kodex zu zählen ist. Die vorgenommene Kodi-fizierung macht vor dem Hintergrund einer terminlichen Vereinheitlichung des Beteiligungscontrollings dennoch Sinn. IV. Zentrale Diskussionsfelder aus Sicht der Stuttgarter Straßen-

bahnen AG Für die SSB AG als Beteiligungsunternehmen der Landeshauptstadt Stuttgart ergibt sich im Zusammenhang mit dem Corporate Governance Kodex in ein einigen Punkten noch Diskussionsbedarf mit der Verwal-tungsspitze. Im Wesentlichen im Zusammenhang mit der Übertragung von GmbH-Regelungen auf die Situation der SSB als Aktiengesellschaft sowie dem Abgleich mit der SSB-Satzung und der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats. 1. Anwendungsbereich Gesellschafter Wie oben ausgeführt wurde, ist vorgesehen, dass die Verwaltungsspitze und der Gemeinderat gemeinsam die strategischen Zielvorgaben für die Beteiligungsgesellschaft festlegen. Aus Sicht der SSB besteht hier ein Widerspruch zu den Regelungen der §§ 76 Abs. 1 und 93 Aktiengesetz, wonach der Vorstand die Aktiengesellschaft eigenverantwortlich leitet. Eine Übertragung auf die SSB als Aktiengesellschaft ist deshalb nur ein-geschränkt möglich. Was nicht heißt, dass größere strategische Ent-scheidungen – wie etwa Stadtbahnausbauvorhaben – nicht bereits heute sehr eng mit der Verwaltungsspitze und dem Gemeinderat der Landes-hauptstadt abgestimmt werden. Dies gilt beispielsweise auch für das seit 1998 laufende Restrukturierungsprogramm der SSB. Ein ähnlich ge-lagertes Problemfeld besteht im Zusammenhang mit der im Kodex nie-dergelegten Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung gegen-über der Geschäftsführung. Abstimmungsbedürftig ist ferner die Berück-

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sichtigung städtischer Zielsetzungen. Hier ist die Frage zu klären, wie mit Zielkonflikten zwischen wirtschaftlichen und öffentlichen Zielen umzu-gehen ist. Ein Prinzipal-Agenten-Problem (nach dem Motto: „Ziele setzen, Mittel verweigern“) kann nur umgangen werden, wenn geklärt ist, welcher Akteur bezahlt, wenn das öffentliche Ziel Vorrang haben soll. Darüber hinaus ist zu prüfen, was mit der SSB-Satzung (insb. „Leis-tungsverkehr zwischen Gesellschaft und Aktionären“) und dem Steuer-recht („verdeckte Gewinnausschüttungen“) zu vereinbaren ist. Schließ-lich besteht die Gefahr, dass die Effektivität des internen Führungs- und Steuerungssystems in Mitleidenschaft gezogen wird. Einflussnahmen könnten interne Zielvereinbarungen und darauf aufsetzende Planungs-prozesse beeinträchtigen. 2. Anwendungsbereich Aufsichtsrat Hier ergibt sich Diskussionsbedarf im Hinblick auf die Aufgabenspezifi-kation sowie bei der Vergütung und bei Interessenkonflikten. Im Zu-sammenhang mit der vorgesehenen regelmäßigen Effizienzprüfung des Aufsichtsrats ist etwa zu klären, wer den Gremienmitgliedern die fach-liche Eignung bescheinigt. Und was wäre zu tun, wenn im Ergebnis tat-sächlich Ineffizienz testiert würde? Schließlich sieht der PCG-Kodex der Stadt Stuttgart vor, dass sowohl im Beteiligungsbericht als auch im An-hang des Jahresabschlusses für den Aufsichtsrat lediglich die Gesamt-bezüge ausgewiesen werden, während bei den Geschäftsführerbezügen eine Individualisierung gefordert wird. Eine weitere Abweichung zeigt sich bezüglich der Regelung von Interessenkonflikten bei Aufsichtsrats-mitgliedern. Hiernach sollen die Vertreter der Landeshauptstadt neben dem Unternehmensinteresse gleichzeitig die besonderen Interessen der Stadt berücksichtigen. Diese Regelung steht in einem gewissen Wider-spruch zum DCG-Kodex, in dem entsprechend dem Primat des Gesell-schaftsrechts eindeutig das Unternehmensinteresse Vorrang hat. Dar-über hinaus gilt zu berücksichtigen, dass das Aktienrecht keinen Unter-schied in der Verantwortungswahrnehmung von Arbeitnehmervertretern und Vertretern der Anteilseignerseite kennt. Hieraus resultieren u.U. Konflikte mit dem Mitbestimmungsgesetz. 3. Anwendungsbereich Geschäftsführung Hinsichtlich der Geschäftsführungsregelungen gilt es, insbesondere zwei Fragestellungen näher zu betrachten: zum einen in Bezug auf den Punkt, dass sich die Geschäftsführung gleichzeitig auf die Umsetzung

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des Unternehmensgegenstands wie auch auf die Realisierung des öffentlichen Auftrags konzentrieren soll. Woran soll sich der Vorstand ausrichten, der nach § 76 Aktiengesetz die Gesellschaft in eigener Ver-antwortung leitet? Wer definiert den öffentlichen Auftrag? Im Gegensatz zu städtischen Mehrheitsbeteiligungen – im Falle der SSB AG praktisch einer 100 % Beteiligung der Stadt Stuttgart – zeichnen sich privatwirt-schaftliche Aktiengesellschaften durch heterogenere Anteilseignerstruk-turen aus. Die langfristige Renditeoptimierung steht dort im Mittelpunkt. Potenzielle Konflikte zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlorien-tierung – wie sie für Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge typisch sind – bestehen nicht und spiegeln sich folglich auch nicht im all-gemeineren DCG-Kodex wider. Dieses Problemfeld kann jedoch auch ein Public Corporate Governance Kodex nicht befriedigend lösen. Am Ende steht ein starker Vorstand, wie er bei Aktiengesellschaften vorge-sehen ist. Eine zweite offene Frage besteht im Zusammenhang mit der Aufgabe, einen Geschäftspartnerkodex aufzustellen. Eine Auftragsvergabe soll ausschließlich an Lieferanten erfolgen, die diese Richtlinien anerkennen. Hier gilt es, zwei Punkte zu klären. Zum einen muss die Durchsetzbarkeit gegenüber im Markt dominanten Zulieferern, wie etwa Siemens oder DaimlerChrysler, geprüft werden. Zum anderen muss rechtlich geklärt werden, ob eine exklusive Belieferung an den Kodex anerkennende Unternehmen kein Diskriminierungstatbestand gemäß Vergaberecht dar-stellt. 4. Anwendungsbereich Wirtschaftsplan und Jahresabschluss Innerhalb des Corporate Governance Kodex im weiteren Sinne (Teil B) sind vier Problemfelder zu diskutieren, die sich stärker auf instrumentelle und methodische Fragen konzentrieren. Für die Wirtschaftsplanung wer-den Wirtschaftlichkeitsberechnungen für größere Investitionen gefordert. Für Investitionen, die die in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats defi-nierten Wertgrenzen überschreiten, wird dies ohnehin bereits heute prak-tiziert. Für alle anderen, kleineren Investitionen ist nicht nur die Praktika-bilität in Frage zu stellen. Darüber hinaus ergäbe sich ein unmittelbarer Eingriff in die Zuständigkeit des Vorstands, die durch die Wertgrenzen in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats definiert ist. Weiterer Abstim-mungsbedarf ergibt sich im Zusammenhang mit der geforderten Einbin-dung von Stärken/Schwächen- bzw. Chancen/Risiken-Analysen. Diese gehören i.d.R. zum Strategieentwicklungsprozess, der dem eigentlichen Wirtschaftsplanungsprozess vorgelagert ist. Schließlich wird im Teil B für

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den Wirtschaftsplan außerdem die Einbindung einer Stellenübersicht, untergliedert nach Unternehmensbereichen, gefordert. Eine reine Stellen-übersicht bringt dem Aufsichtsrat und dem Beteiligungsreferat jedoch – gerade bei großen Gesellschaften – nur einen geringen Transparenz-gewinn. Auch vor dem Hintergrund, dass derartige Stellenübersichten im Wirtschaftsplan eher unüblich sind, sollte darüber nachgedacht werden, ob zumindest für große Gesellschaften darauf verzichtet werden könnte. Für den Jahresabschluss wird unter anderem die Einbindung einer Spartenrechnung, d.h. eine Darstellung der Unternehmenssegmente im Sinne einer Ergebnisrechnung, gefordert. Unter Wettbewerbsgesichts-punkten ist dies absolut bedenklich. Die Spartenrechnung und die vor-ausgehende Linienleistungs- und -ergebnisrechnung sind bei der SSB Instrumente des internen Rechnungswesens zur Unterstützung unter-nehmerischer Entscheidungen. Eine Veröffentlichung der Erlös- und Kostensätze käme gerade im Bussektor – in dem der Wettbewerb am stärksten ausgeprägt ist – einer Einladung an potenzielle Wettbewerber gleich. Kein privatwirtschaftliches Unternehmen würde derart sensible Kalkulationsdaten offen legen. 5. Fazit Corporate Governance Richtlinien sind eine sinnvolle Ergänzung zum allgemeinen Wirtschafts- und Strafrecht. Als Grundsätze guter und ver-antwortungsvoller Unternehmensführung tragen sie über die Schaffung von Transparenz und Kontrolle zur Vertrauensbildung bei den Stake-holdern bei. Es resultiert eine Versachlichung unternehmensethischer Grundsätze wie „Rechtschaffenheit“, „Anstand“, „Objektivität“, „Integrität“, „Ehrlichkeit“ und „Verantwortungsübernahme“. Trotz des nach wie vor bestehenden Diskussionsbedarfs bewerten die betroffenen Unternehmen den Kodex positiv. Der Grundsatz, dass sich öffentliche Unternehmen an denselben Maßstäben messen lassen wie private Unternehmen, ist sinnvoll. Problematisch wird ein Kodex nur dann, wenn er de facto neue Rechnungslegungsvorschriften schafft. Ein solcher Bürokratieraufbau ist im Stuttgarter Kodex nicht angelegt. Viel-mehr soll die Vergleichbarkeit und Transparenz der Beteiligungsunter-nehmen sichergestellt werden, ohne gleichzeitig die unternehmerische Flexibilität einzuschränken. Die SSB AG erfüllt bereits heute über 90 % der Regelungen des Kodex. Viele Punkte gehören seit vielen Jahren zur betrieblichen Praxis und sind damit schon fast eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem besteht aus Sicht

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der SSB noch Diskussions- und Annäherungsbedarf. Zum einen müssen Regelungen, die auf GmbHs ohne Aufsichtsrat zugeschnitten sind, auf die Situation der SSB als Aktiengesellschaft übertragen werden. Erfolgen muss außerdem ein Abgleich mit der Satzung und der Aufsichtsrats-geschäftsordnung der SSB. Der Kodex der Stadt Stuttgart ist von seiner Struktur her jedoch so flexibel gestaltet, dass auch die spezifische Situa-tion der SSB als Aktiengesellschaft und Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge abgebildet werden kann. Durch „Begründungen“ und „Anregungen“ im Corporate Governance Bericht wird letztlich eine gra-duelle Weiterentwicklung und Individualisierung des Public Corporate Governance Kodex ermöglicht.

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Axel v. Werder* Der Deutsche Corporate Governance Kodex und seine Bedeutung für öffentliche Unternehmen+ I. Begriff und aktuelle Bedeutung der Corporate Governance Die Diskussion über effiziente Formen der Leitung und Überwachung börsennotierter Gesellschaften hat in den letzten Jahren unter dem Stichwort Corporate Governance sowohl national als auch international einen bemerkenswerten Aufschwung genommen. Dabei lässt sich unter Corporate Governance in einer Kurzformel der rechtliche und faktische Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens verstehen.1 Treiber der „Corporate Governance-Bewegung“2 sind zum einen die bekannten Schieflagen großer Unternehmen im In- und Ausland. Schubkraft erhält die Debatte zum anderen insbesondere auch durch die Globalisierung der Kapitalmärkte, auf denen international einflussreiche Akteure wie namentlich institutionelle Investoren und Analysten den Governancemodalitäten der Unternehmen zunehmend Beachtung schenken. Im Gefolge der Governancediskussion hat eine von der Bundes-ministerin der Justiz berufene Regierungskommission unter Leitung des Aufsichtsratsvorsitzenden der ThyssenKrupp AG, Gerhard Cromme, den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) erarbeitet.3 Der DCGK, der am 26. Februar 2002 erstmalig publiziert wurde und seither insgesamt vier Anpassungen erfahren hat4, richtet sich an alle deutschen börsennotierten Gesellschaften. Die Vorstände und Aufsichtsräte dieser Gesellschaften sind nach § 161 AktG verpflichtet, jährlich zu erklären, dass den Verhaltensregeln des Kodex entsprochen wurde und wird oder welche Verhaltensregeln nicht angewendet werden. Im Folgenden sollen die Zwecksetzung und die Grundkonzeption des Kodex dargelegt und ein Überblick über den Inhalt seiner Verhaltens- * Prof. Dr. Axel v. Werder ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre – Organisation und

Unternehmensführung der Technischen Universität Berlin. + Überarbeitete Fassung des Vortrags auf dem Symposium. 1 Vgl. v. Werder (2001), S. 2. 2 So für Deutschland Hommelhoff (2001), S. 238. 3 Eine Liste der Kommissionsmitglieder findet sich im Internet unter http://www.corporate-

governance-code.de. 4 Die neueste Fassung des DCGK stammt vom 14.06.2007.

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regeln und ihrer Akzeptanz gegeben werden. Die Darstellungen münden jeweils in eine Erörterung der Frage ein, inwieweit sich der DCGK auch für Unternehmen des öffentlichen Sektors eignet. II. Grundlagen des Kodex 1. Funktionen des Kodex Mit dem Kodex wird letztlich das Ziel verfolgt, den Standort Deutschland für internationale und nationale Investoren attraktiver zu machen5. Zu diesem Zweck soll der Kodex im Kern zwei Aufgaben erfüllen, die als Kommunikationsfunktion und als Ordnungsfunktion bezeichnet werden können. Der Kodex soll danach zum einen die Grundzüge des deut-schen Corporate Governance -Modells in kompakter Form darstellen und so – vor allem für ausländische Interessenten – verständlich machen. Diese Kommunikationsfunktion ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil das deutsche Governancesystem mit dem Two-Tier-Modell der institutionellen Trennung von Leitung (Vorstand) und Überwachung (Auf-sichtsrat), dem Kollegialprinzip für den Vorstand und der unternehme-rischen Mitbestimmung im internationalen Vergleich Besonderheiten auf-weist. Zudem sind die einschlägigen Vorschriften des Governancerechts in Deutschland über zahlreiche Gesetze verstreut und daher nur schwer zugänglich. Infolgedessen erscheint die deutsche Unternehmensverfas-sung im Ausland häufig nicht ausreichend transparent6, was gelegentlich zu erstaunlichen Missverständnissen führt. Solche Vermittlungsschwie-rigkeiten der hiesigen Corporate Governance sind durchaus ernst zu nehmen, da sie die Attraktivität finanzieller Engagements in Deutschland senken und damit letztlich die Kapitalkosten deutscher Unternehmen er-höhen können. 5 So der Kommissionsvorsitzende Cromme bei der öffentlichen Vorstellung des ersten Kodex-

entwurfs am 18.12.2001. In der Präambel des Kodex liest sich seine Zwecksetzung wie folgt: „Der Kodex soll das deutsche Corporate Governance System transparent und nachvollziehbar machen. Er will das Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften fördern.“

6 In diesem Sinne fordert etwa der gewichtige kalifornische Pensionsfonds Calpers im Internet: „A Code Of Best Corporate Governance Practice Should Be Developed For The German Market With The Participation Of Investors From Outside Germany.“ Zur Begründung führt Calpers u.a. an: „A Code would place Germany in the company of most other European markets. A Code would make the German policy easily comparable to systems in other countries and would assist investors and German companies in striving toward a common goal.“ Siehe http://www.calpers-governance.org/principles/international/germany/page01.asp, Stand: 31.01.2007, und http://www.calpers-governance.org/principles/international/germany/page04.asp, Stand: 31.01.2007.

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Neben seiner Kommunikationsfunktion hat der Kodex ferner die nicht weniger wichtige Aufgabe, in Ergänzung des (jeweils) geltenden Rechts Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung zu setzen. Ein Beispiel bildet etwa die Empfehlung, auch dann einen mehrköpfigen Vorstand zu bilden, wenn rechtlich der Einpersonen-Vor-stand zulässig wäre (Tz. 4.2.1). Die Ordnungsfunktion des Kodex zielt darauf ab, durch Aufnahme national und international bewährter Best Practices in das Regelwerk die Qualität der Corporate Governance deut-scher Unternehmen (weiter) zu verbessern. Für diese „Qualitätssiche-rung“ ist ein Kodex in besonderem Maße geeignet, da er (Detail-)Rege-lungen unterhalb der Ebene gesetzlicher Normen enthalten kann und sich – im Vergleich mit Gesetzesänderungen – ungleich flexibler an neue Erkenntnisse über Formen guter Unternehmensführung anpassen lässt. 2. Geltungsbereich, Regelungsarten und Verbindlichkeit des

Kodex Der Kodex richtet sich in erster Linie an börsennotierte Gesellschaften. Da er in weiten Passagen allgemeingültige Standards guter Unterneh-mensführung enthält, wird allerdings auch nicht börsennotierten Gesell-schaften die Beachtung des Kodex empfohlen, sofern seine Bestimmun-gen für den jeweiligen Gesellschaftstyp geeignet sind.7 Mit Blick auf die Verbindlichkeit des Kodex ist zwischen drei unter-schiedlichen Kategorien von Regelungen zu differenzieren, die sich kurz als Muss-Vorschriften, als Soll-Empfehlungen und als Sollte- bzw. Kann-Anregungen umschreiben lassen. Die Muss-Vorschriften spiegeln gesetzlich zwingende Regelungen wider, die im Kodex „lediglich“ (aus Kommunikationsgründen) kompakt wiedergegeben werden. Sie sind daher (auch ohne Kodex) obligatorischer Natur und für alle Unternehmen verbindlich, die den betreffenden Vorschriften unterliegen. Ein Beispiel für eine Muss-Vorschrift des Kodex ist die nach § 84 AktG geltende Regelung, dass der Aufsichtsrat die Mitglieder des Vorstands bestellt und entlässt (Tz. 5.1.2 Satz 1). Den obligatorischen (Muss-)Vorschriften des Kodex steht die Gruppe der optionalen Bestimmungen gegenüber, die über das Gesetz hinausgehen und die Soll-Empfehlungen sowie die Sollte- bzw. Kann-Anregungen umfassen. Beispiele bilden etwa die Empfehlung, dass der Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolgeplanung 7 Vgl. hierzu und zum Folgenden die Präambel.

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sorgen soll (Tz. 5.1.2 Satz 2), sowie die Anregung, dass bei Erst-bestellungen von Vorstandsmitgliedern die gesetzlich maximal mögliche Bestelldauer von fünf Jahren nicht die Regel sein sollte (Tz. 5.1.2 Abs. 2 Satz 1). Die Soll-Empfehlungen des Kodex bilden diejenigen gesetzesergänzen-den Regelungen, für die das Prinzip des „Comply or Explain“ gilt. Danach steht den Unternehmen die Einhaltung der Empfehlungen des Kodex zwar grundsätzlich frei. Börsennotierte Gesellschaften sind jedoch nach § 161 AktG verpflichtet, einmal jährlich durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat zu erklären, inwieweit sie die entsprechenden Vorgaben des Kodex befolgen. Soweit sie von den Kodexempfehlungen abweichen, müssen sie dies in öffentlich zugänglicher Form erklären. Mit dieser Kombination aus Optionsrecht in der Sache und verbindlicher Informationspflicht eröffnet der Kodex den Unternehmen auf der einen Seite den notwendigen Spielraum, um (gesetzlich ungeregelte) Gover-nancemodalitäten auf ihre individuellen Gegebenheiten hin zuzu-schneiden. Die jeweilige Art der Ausschöpfung dieses Spielraums ist andererseits aber auch nicht in das freie Belieben der Unternehmen gestellt, da sie offen gelegt werden muss. Die Stakeholder und namentlich der Kapitalmarkt erhalten damit eine Grundlage, um die Governancegepflogenheiten der betreffenden Gesellschaft zu beurteilen und gegebenenfalls – sofern Abweichungen vom Kodex nicht über-zeugen – zu sanktionieren. Die Sollte- bzw. Kann-Anregungen des Kodex schließlich markieren Regelungen, die (nach Auffassung der Kodex-Kommission) ebenfalls Ausdruck guter Unternehmensführung sind, sich bislang allerdings noch nicht auf breiter Front in der Praxis durchgesetzt haben. Mit den Anregungen sollen proaktive Anstöße für die weitere Entwicklung der Corporate Governance in Deutschland gegeben werden, ohne die Unter-nehmen bereits heute zu sehr zu binden. Auch die dem Kodex unter-liegenden Gesellschaften dürfen daher von den Anregungen abweichen, ohne dies in der offiziellen Entsprechens-Erklärung nach § 161 AktG offen zu legen. 3. Aufbau des Kodex Der Kodex besteht aus insgesamt sieben Abschnitten, wobei der erste Abschnitt als Präambel im Wesentlichen die Zwecksetzung des Kodex darlegt, die Grundordnung der deutschen Aktiengesellschaft beschreibt

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und die Verbindlichkeitsstufen sowie den Geltungsbereich der Kodex-bestimmungen erläutert. Die materiellen Regelungen des Kodex be-ginnen mit den Bestimmungen für die Aktionäre und die Hauptversamm-lung (zweiter Abschnitt). Sie unterstreichen durch diese Platzierung die besondere Bedeutung der Anteilseigner für die AG. Als nächstes folgen Regelungen für das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat. Mit diesem (dritten) Abschnitt wird der Tatsache Rech-nung getragen, dass zahlreiche wichtige Governanceaufgaben unge-achtet der dualen AG-Verfassung nicht isoliert vom Leitungs- oder Über-wachungsorgan, sondern nur im konstruktiven Zusammenspiel von Vor-stand und Aufsichtsrat sachgerecht erfüllt werden können. Der vierte und der fünfte Abschnitt behandeln – getrennt für Vorstand und Aufsichtsrat – jeweils die speziellen Aufgaben und Zuständigkeiten dieser Organe sowie Fragen der Organzusammensetzung, Vergütung und Interessenkonflikte. Für den Aufsichtsrat finden sich darüber hinaus gesonderte Bestimmungen zu den Aufgaben und Befugnissen des Auf-sichtsratsvorsitzenden, zur Ausschussbildung und zur Effizienzprüfung der Aufsichtsratsarbeit. Der wichtige Governancekomplex der Unter-nehmenspublizität schließlich bildet den Gegenstand der beiden letzten Abschnitte, die Regelungen zur Transparenz (sechster Abschnitt) sowie zur Rechnungslegung und Abschlussprüfung (siebter Abschnitt) ent-halten. Im Folgenden werden wichtige Einzelbestimmungen aus den verschie-denen Kodexabschnitten vor dem Hintergrund einer möglichen An-wendung auf öffentliche Unternehmen dargestellt. Die Einzeldarstel-lungen werden um die Stichworte Informationsaustausch zwischen Vor-stand und Aufsichtsrat (III. 1.), Personalauswahl (III. 2.), Vergütungs-prinzipien (III. 3.) und Handlungsmaximen (III. 4) gruppiert, die wichtige Elemente einer verantwortungsvollen Corporate Governance markieren. III. Einzelbestimmungen des Kodex 1. Informationsaustausch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat Im Governancesystem der AG üben Vorstand und Aufsichtsrat im Auf-trag der Aktionäre arbeitsteilig die Unternehmensführung aus. Der Kodex fasst jeweils die gesetzlichen „Stellenbeschreibungen“ der beiden Organe zusammen und verdeutlicht damit ihre spezifischen Rollen. Danach bildet der Vorstand das unternehmerische Initiativzentrum der

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AG, während der Aufsichtsrat zum Zweck der Gewaltenteilung für die Besetzung (Bestellung und eventuelle Entlassung), Beratung und Überwachung des Vorstands zuständig ist. Eine gedeihliche organübergreifende Kooperation zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist entscheidende Voraussetzung guter Corporate Governance, wobei die Rollenunterschiede zwischen Leitungs- und Überwachungsorgan selbstredend nicht verwischt werden dürfen. Die Bestimmungen zum Zusammenwirken der beiden Organe nehmen daher zu Recht mit dem 3. Abschnitt einen wichtigen Platz ein und beginnen zutreffend mit dem programmatischen Satz: „Vorstand und Aufsichtsrat arbeiten zum Wohle des Unternehmens eng zusammen.“ (Tz. 3.1). In Hinblick auf den Informationsaustausch zwischen Vorstand und Auf-sichtsrat setzt der Kodex zwei bedeutsame Akzente. Zum einen wird klargestellt, dass die ausreichende Informationsversorgung des Auf-sichtsrats gemeinsame Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat ist (Tz. 3.4 Abs. 1). Dabei soll der Aufsichtsrat die Informations- und Be-richtspflichten des Vorstands (im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben) näher festlegen (Tz. 3.4 Abs. 3 Satz 1). Die Sicherstellung der not-wendigen Informationsgrundlage für alle Aufsichtsratstätigkeiten ist somit nicht allein „Bringschuld“ des Vorstands, sondern auch „Holschuld“ des Überwachungsorgans8. Der Aufsichtsrat kann sich folglich insbesondere nicht in Krisensituationen undifferenziert darauf berufen, dass der Vor-stand seiner Informationspflicht nicht nachgekommen sei und er daher von den Fehlentwicklungen nicht früher habe wissen können. Das Über-wachungsorgan ist vielmehr gehalten, auch von sich aus seinen ge-nerellen Informationsbedarf zu bestimmen und im Einzelfall weitere Zusatzinformationen vom Vorstand einzuholen, wenn dies für eine effi-ziente Wahrnehmung der Aufsicht nötig ist. Zur Konkretisierung der Informationsaufgaben sieht der Kodex in An-lehnung an § 90 AktG vor, dass der Vorstand den Aufsichtsrat regel-mäßig, zeitnah und umfassend über alle für das Unternehmen rele-vanten Fragen der Planung, der Geschäftsentwicklung, der Risikolage und des Risikomanagements informiert. Die Informationspflicht schließt auch ein, dass Abweichungen des Geschäftsverlaufs von den auf-gestellten Plänen und Zielen dargelegt und begründet werden (Tz. 3.4 Abs. 2). Um den Mitgliedern des Aufsichtsrats eine fundierte Ausein-andersetzung mit den Informationen zu ermöglichen, bedürfen Vor- 8 Siehe zur juristischen Diskussion um die Bring- und Holschuld bei der Informationsversorgung des

Aufsichtsrats Lutter (2006), S. 34; Theisen (2002), S. 148; Hoffmann-Becking (1999), S. 315 (323 f.); Semler (2004), S. 23; v. Schenck (2004), S. 318; Potthoff u.a. (2003), S. 169 ff.

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standsberichte in der Regel der Textform. Zudem sind entscheidungs-notwendige Unterlagen, insbesondere der Jahresabschluss, der Konzernabschluss und der Prüfungsbericht, den Aufsichtsratsmitgliedern möglichst rechtzeitig vor der Sitzung zuzuleiten (Tz. 3.4 Abs. 3 Satz 2 und 3). Die zweite wesentliche Stoßrichtung der Kodexbestimmungen zum Informationsaustausch zielt auf eine Verbesserung der Diskussionskultur in und zwischen den Organen.9 Der Kodex adressiert hiermit einen besonders zentralen Ansatzpunkt zur Gewährleistung guter Unter-nehmensführung. Die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat können nur dann wohl-fundiert erfüllt werden, wenn sich die Organmitglieder engagiert mit den jeweils anstehenden Leitungs- und Überwachungs-fragen auseinandersetzen. Die aktive Teilnahme aller Führungspersonen an den vorgesehenen Informations- und Entscheidungsprozessen in und zwischen den Organen ist daher essentiell für das Funktionieren der Corporate Governance. Nur durch offene und unvoreingenommene Sachdiskussionen, in denen die zu lösenden Managementprobleme aus-führlich und ausgewogen erörtert werden, kann die vorhandene Exper-tise der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder auch tatsächlich aus-geschöpft werden. Die Etablierung und Pflege einer offenen Diskussionskultur in Vorstand und Aufsichtsrat sowie zwischen diesen beiden Organen bedarf aller-dings aus vielerlei Gründen besonderer Anstrengungen. Zu den wesent-lichen Diskussionsbarrieren zählen – neben eher „technischen“ Faktoren wie der Gremiengröße – vor allem Vertraulichkeitsprobleme sowie gruppenpsychologische Mechanismen, die (u.a. aus Interessen- oder auch aus Loyalitätsgründen) das konstruktive Aufwerfen kritischer Fragen erschweren.10 Der Kodex trägt solchen Hemmnissen zum einen dadurch Rechnung, dass er den unauflöslichen Zusammenhang zwischen offener Sachdiskussion und Wahrung der Vertraulichkeit hervorhebt (Tz. 3.5). Zum anderen enthält er institutionelle Vorschläge. Hierzu zählt die Empfehlung, Aufsichtsratsausschüsse zu bilden, die vor allem der vertieften Diskussion komplexer Sachverhalte dienen. Zu nennen ist daneben die Anregung, dass in mitbestimmten Aufsichtsräten die Vertreter der Aktionäre und der Arbeitnehmer die Sitzungen des Aufsichtsrats jeweils gesondert (und gegebenenfalls mit Mitgliedern des

9 „Gute Unternehmensführung setzt eine offene Diskussion zwischen Vorstand und Aufsichtsrat

sowie in Vorstand und Aufsichtsrat voraus.“ (Tz. 3.5 Abs. 1 Satz 1). 10 Hingewiesen sei an dieser Stelle nur auf die bekannten Phänomene des „Groupthink“ (Janis (1972))

und der „Undiscussability“ (Argyris (1985); Lorsch (1996)) in Gremienentscheidungsprozessen.

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Vorstands) vorbereiten (Tz. 3.6 Abs. 1). Ferner sollte der Aufsichtsrat bei Bedarf ohne den Vorstand tagen (Tz. 3.6 Abs. 2). Stellt man die Frage, ob diese Regelungen ausschließlich für börsen-notierte Aktiengesellschaften geeignet sind oder sich auch auf öffentliche Unternehmen übertragen lassen, selbst wenn sie in der Rechtsform einer GmbH geführt sind, so liegt die Antwort letztlich auf der Hand. Es ist kein überzeugender Grund ersichtlich, warum nicht auch und gerade in öffentlichen Unternehmen Informationsaustausch und offene Diskus-sion im dargelegten Sinne des Kodex wichtig und richtig sein sollten. 2. Personalauswahl Die Personalauswahl der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat weist mit dem Auswahlverfahren und der Qualifikation der auszuwählenden Personen zwei verschiedene Aspekte auf. Während der Kodex für den Vorstand insoweit eher Verfahrensfragen regelt, liegt der Schwerpunkt der diesbezüglichen Bestimmungen für den Aufsichtsrat bei der Quali-fikationssicherung. Nach der gesetzlichen Kompetenzverteilung bestellt und entlässt der Aufsichtsrat die Mitglieder des Vorstands.11 Diese Personalentschei-dungen gehören zu den wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrats. Sie erfordern eine fundierte Entscheidungsgrundlage und haben zugleich einen besonders sensiblen Charakter. Der Kodex empfiehlt aus diesen Gründen zum einen, im Vorfeld der Entscheidungen den Sachverstand des Vorstands einzubinden, zu dessen Kernaufgaben die Entwicklung des Führungsnachwuchses des Unternehmens zählt. Der Aufsichtsrat soll daher gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolge-planung sorgen (Tz. 5.1.2 Abs. 1 Satz 2).12 Zum anderen wird angeregt, die Vorbereitung der Bestellung von Vorstandsmitgliedern einem Auf-sichtsratsausschuss zu übertragen, der auch die Bedingungen des An-stellungsvertrags einschließlich der Vergütung festlegt (Tz. 5.1.2 Abs. 1 Satz 3). Zur Begrenzung des auch bei sorgfältiger Entscheidungsvorbereitung nicht auszuschließenden Risikos unzureichender Qualifikation neu be-rufener Vorstandsmitglieder sollte die gesetzlich maximal mögliche Be- 11 Siehe § 84 AktG sowie Tz. 5.1.2 Abs. 1 Satz 1. 12 Das Überwachungsorgan muss allerdings Herr des Verfahrens bleiben und darf die Personal-

entscheidungen nicht faktisch auf den Vorstand oder gar nur seinen Vorsitzenden übertragen. Vgl. hierzu Bernhardt/v. Werder (2000), S. 1274; Peltzer/v. Werder (2001) S. 2 f.

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stelldauer von fünf Jahren nicht regelmäßig ausgeschöpft werden (Tz. 5.1.2 Abs. 2 Satz 1). Ferner empfiehlt der Kodex, nur bei Vorliegen be-sonderer Umstände vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Be-stelldauer eine Wiederbestellung bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung vorzunehmen13 und eine Altersgrenze für Vor-standsmitglieder festzulegen (5.1.2 Abs. 2 Satz 3). Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden nach der gesetzlichen Zustän-digkeitsordnung von den Aktionären in der Hauptversammlung gewählt und sind in mitbestimmten Gesellschaften – je nach Mitbestimmungs-konstellation – zu einem Drittel oder zur Hälfte Vertreter der Arbeit-nehmer. Der Kodex regt die Wahl bzw. Neuwahl von Aufsichtsrats-mitgliedern zu unterschiedlichen Terminen und für unterschiedliche Amtsperioden an, um Veränderungserfordernissen (flexibler) Rechnung tragen zu können (Tz. 5.4.6). Im Übrigen konzentrieren sich die Kodex-bestimmungen auf Empfehlungen und Anregungen, welche die erfor-derliche Qualifikation der Organmitglieder für die Aufsichtstätigkeit ge-währleisten sollen. Im Mittelpunkt stehen dabei die fachliche Eignung, die innere Unabhängigkeit und die zeitliche Verfügbarkeit. Dass der Tenor auch dieser Kodexregelungen prinzipiell in öffentlichen Unternehmen anwendbar ist und auch tatsächlich angewendet werden sollte, kann im Grunde ebenfalls nicht zweifelhaft sein. Organmitglieder müssen auch dort die notwendigen Qualifikationsanforderungen erfüllen und sollten in einem systematischen Verfahren nominiert werden, das Kompetenzen wichtiger als sachfremde Erwägungen bis hin zu partei-politischen „Zwängen“ nimmt. 3. Vergütungsprinzipien Die Kodexstandards zur Vergütung der Vorstands- und der Aufsichts-ratsmitglieder lassen sich durch die drei Stichworte Angemessenheit, Leistungsabhängigkeit und Transparenz charakterisieren. Die Angemessenheit der Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder wird sowohl allgemein14 als auch speziell im Zusammenhang mit Aktien-optionsplänen oder vergleichbaren Gestaltungen15 eingefordert. Dabei

13 Siehe Tz. 5.1.2 Abs. 2 Satz 2 sowie auch § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG. 14 „Die Vergütung der Vorstandsmitglieder wird vom Aufsichtsrat unter Einbeziehung von etwaigen

Konzernbezügen in angemessener Höhe [...] festgelegt.“ (Tz. 4.2.2 Abs. 2 Satz 1). 15 „Aktienoptionen und vergleichbare Gestaltungen sollen auf anspruchsvolle, relevante Vergleichs-

parameter bezogen sein.“ (Tz. 4.2.3 Abs. 3 Satz 2).

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werden als Angemessenheitskriterien exemplarisch die Aufgaben des Vorstandsmitglieds, seine persönliche Leistung, die Leistung des Vor-stands sowie die wirtschaftliche Lage, der Erfolg und die Zukunfts-aussichten des Unternehmens unter Berücksichtigung seines Ver-gleichsumfelds genannt (Tz. 4.2.2 Abs. 2 Satz 2). Die Vorstandsvergütung ist vom Aufsichtsrat nicht nur in angemessener Höhe, sondern auch „auf der Grundlage einer Leistungsbeurteilung“ (Tz. 4.2.2 Abs. 2 Satz 1) festzulegen. Erforderlich ist damit ein mehr oder weniger systematisches Verfahren, um den Leistungsbeitrag der einzel-nen Vorstandsmitglieder zu bemessen. Das Prinzip der Leistungsab-hängigkeit führt folgerichtig zu der weiteren Empfehlung, dass die Ver-gütung der Vorstandsmitglieder neben einem Fixum auch variable Be-standteile umfassen soll (Tz. 4.2.3 Abs. 2 Satz 1). Die Gesamtvergütung jedes Vorstandsmitglieds wird, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen, erfolgsbezogenen und Komponenten mit lang-fristiger Anreizwirkung, unter Namensnennung offen gelegt, soweit nicht die Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit anderweitig beschlossen hat (Tz. 4.2.4). Dabei soll die Offenlegung in einem Vergütungsbericht erfolgen, der als Teil des Corporate Governance Berichts auch das Ver-gütungssystem für die Vorstandsmitglieder in allgemein verständlicher Form erläutert (Tz. 4.2.5 Abs. 1). Neben diesen prinzipiellen Vorgaben enthält der DCGK weitere Detailregelungen zur Vergütungstransparenz, die sich u.a. auf die Ausgestaltung von Aktienoptionsplänen und ver-gleichbaren Gestaltungen, Versorgungszusagen und Change of Control-Klauseln sowie Nebenleistungen erstrecken (siehe im Einzelnen Tz. 4.2.5 Abs. 2 und 3). Weniger explizit und teils etwas zurückgenommen finden sich die drei genannten Prinzipien auch in den Kodexregeln zur Vergütung der Mit-glieder des Aufsichtsrats wieder. Der Kodex führt zunächst aus, dass die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder durch Beschluss der Hauptver-sammlung oder in der Satzung festgelegt „wird“ (Tz. 5.4.7 Abs. 1 Satz 1), und macht damit die Ausübung der diesbezüglichen gesetzlichen Option16 zum Standard guter Corporate Governance. Bemessungs-grundlage der Vergütung bilden die Verantwortung und der Tätigkeits-umfang der Aufsichtsratsmitglieder sowie die wirtschaftliche Lage und der Erfolg des Unternehmens (Tz. 5.4.7 Abs. 1 Satz 2). Dabei sollen – zur wenigstens groben Abschätzung der individuellen Leistung der ein-

16 Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 AktG „kann“ den Aufsichtsratsmitgliedern für ihre Tätigkeit eine Ver-

gütung gewährt werden.

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zelnen Organmitglieder – der Vorsitz und der stellvertretende Vorsitz im Aufsichtsrat sowie der Vorsitz und die Mitgliedschaft in den Ausschüssen berücksichtigt werden (Tz. 5.4.7 Abs. 1 Satz 3). Auch die Mitglieder des Aufsichtsrats sollen neben einer festen eine er-folgsorientierte Vergütung erhalten, die ebenfalls auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezogene Bestandteile enthalten sollte (Tz. 5.4.7 Abs. 2). Ferner schlägt der Kodex vor, dass die Vergütung der Auf-sichtsratsmitglieder im Corporate Governance Bericht individualisiert und nach Bestandteilen aufgegliedert ausgewiesen werden soll (Tz. 5.4.7 Abs. 3 Satz 1). Gesondert sollen dort auch die vom Unternehmen an die Mitglieder des Aufsichtsrats gezahlten Vergütungen oder gewährten Vor-teile für persönlich erbrachte Leistungen, insbesondere Beratungs- und Vermittlungsleistungen, individualisiert angegeben werden (Tz. 5.4.7 Abs. 3 Satz 2). Bei der Diskussion der Übertragbarkeit dieser Regelungen auf öffentliche Unternehmen ist in Rechnung zu stellen, dass bestimmte Details der Vergütung wie etwa die Gewährung von Aktienoptionen durchaus aus Gründen der Rechtsform oder aufgrund sonstiger Besonderheiten diffe-renziert zu sehen sein können und unter Umständen den Gegebenheiten öffentlicher Unternehmen angepasst werden müssen. Die Grund-prinzipien der Angemessenheit, der Leistungsabhängigkeit und der Transparenz der Vergütung der Organmitglieder sollten allerdings ge-rade in öffentlichen Unternehmen nicht in Frage stehen. 4. Handlungsmaximen Die im Kodex statuierten Handlungsmaximen umfassen allgemeine Ver-haltensrichtlinien, die zum einen – in Ergänzung der übrigen Kodex-bestimmungen – die Professionalität der Unternehmensführung sicher-stellen sollen. Zum anderen zielen sie auf die Gewährleistung der Loyalität der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat gegenüber dem Unternehmen. Zur Sicherung einer professionellen Erfüllung der Leitungs- und Über-wachungsaufgaben sieht der Kodex vor, dass Vorstand und Aufsichtsrat die Regeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung beachten (Tz. 3.8 Abs. 1 Satz 1). Er schafft so die Schnittstelle zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensleitung (GoU) und Unternehmens-überwachung (GoÜ), die in der Betriebswirtschaftslehre seit langem dis-

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kutiert17 und mittlerweile näher konkretisiert werden18. Mit dem Verweis auf solche Regeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung stellt der Kodex auf der einen Seite klar, dass seine Standards guter Corporate Governance nicht abschließender Natur sind. Die Kodexbestimmungen bilden vielmehr nur – aber auch immerhin – einen Katalog besonders akzentuierter Leitlinien für die Unternehmensführung, deren Beachtung erst im Verein mit den (übrigen) allgemein anerkannten Leitungs- und Überwachungsprinzipien insgesamt eine Unternehmensführung nach dem jeweiligen „Stand der Technik“ ergibt. Auf der anderen Seite kann der Kodex durch die Erwähnung der Regeln ordnungsgemäßer Unter-nehmensführung zur Wahrung der gebotenen Kürze darauf verzichten, selbstverständlich (auch) geltende Anforderungen an die Leitung und Überwachung zu normieren, die ohnehin – gewissermaßen als Ausdruck des „gesunden betriebswirtschaftlichen Menschenverstandes“ – Beach-tung finden sollen.19 Die Bedeutung allgemeiner Standards guter Unternehmensführung (wie im Übrigen auch die der expliziten Kodexregelungen) wird durch den Hinweis unterstrichen, dass die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft gegenüber auf Schadensersatz haften, wenn sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bzw. Aufsichtsratsmitglieds schuldhaft verletzen.20 Damit diese persönliche Haftung der Organmitglieder mit ihrer Motivationswirkung nicht (voll-ständig) ins Leere läuft, empfiehlt der Kodex in diesem Zusammenhang die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts für den Fall, dass die Gesellschaft eine D&O-Versicherung für Vorstand und Aufsichtsrat abschließt (Tz. 3.8 Abs. 2). Die Kodexbestimmungen zur Sicherung der Loyalität der Organ-mitglieder gegenüber dem Unternehmen sind für Vorstand und Auf-sichtsrat im Prinzip ähnlich ausgestaltet, weisen allerdings in Nuancen auch gewisse, durch die unterschiedlichen Organrollen bedingte, Unter-schiede auf. Sie sollen insgesamt zur Vermeidung von Interessen-konflikten beitragen und umfassen im Einzelnen eine übergeordnete

17 In diesem Sinne erstmals Potthoff (1956), S. 413; Potthoff (1961), S. 566 f. Siehe zum Folgenden

eingehender v. Werder (1996a); v. Werder (1996b); Theisen/v. Werder (2004). 18 v. Werder (1996b); Theisen (1987); Theisen (1996); v. Werder u.a. (1998); Theisen/v. Werder

(2004). 19 Hiermit ist natürlich keineswegs gesagt, dass solche Regeln oder Grundsätze ordnungsmäßiger

Unternehmensführung obsolet sind, da auch Selbstverständlichkeiten – wie die Erfahrung zeigt – nicht immer auch selbstverständlich praktiziert werden.

20 Siehe Tz. 3.8 Abs. 1 Satz 2 und hierzu §§ 93, 116 AktG. Zum Verhältnis zwischen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensführung und dem Haftungsmaßstab nach § 93 AktG Hommel-hoff/Schwab (1996).

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Verhaltensrichtlinie, konkrete(re) Verhaltensstandards sowie Transpa-renz- und Zustimmungsvorbehalts-Empfehlungen. Die Vorstandsmitglieder sind danach generell dem Unternehmens-interesse verpflichtet und dürfen keine persönlichen Interessen ver-folgen, die im Gegensatz zum Unternehmensinteresse stehen (Tz. 4.3.3 Satz 1 und 2 1. Halbsatz). Sie unterliegen während ihrer Tätigkeit für das Unternehmen einem umfassenden Wettbewerbsverbot (Tz. 4.3.1) und dürfen Geschäftschancen, die dem Unternehmen zustehen, nicht für sich nutzen (Tz. 4.3.3 Satz 2 2. Halbsatz). Darüber hinaus haben alle Ge-schäfte zwischen dem Unternehmen einerseits und den Vorstands-mitgliedern sowie ihnen nahe stehenden Personen oder ihnen persönlich nahe stehenden Unternehmungen andererseits branchenüblichen Stan-dards zu entsprechen (Tz. 4.3.4 Satz 2). Schließlich dürfen Vorstands-mitglieder – und Mitarbeiter – im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit weder für sich noch für andere Personen von Dritten Zuwendungen oder sonstige Vorteile fordern oder annehmen oder Dritten ungerechtfertigte Vorteile gewähren (Tz. 4.3.2). Zur Herstellung von Transparenz in Zweifelsfällen empfiehlt der Kodex, dass jedes Vorstandsmitglied Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat gegenüber unverzüglich offen legt und die anderen Mitglieder des Vor-stands über diesen Schritt informiert (Tz. 4.3.4 Satz 1). Der Aufsichtsrat muss dann die Konfliktträchtigkeit der Situation bewerten und gege-benenfalls für Abhilfe sorgen. Für besonders typische potenzielle Kon-fliktlagen spricht der Kodex die Empfehlung aus, vorab die Genehmigung des Überwachungsorgans einzuholen. Vorstandsmitglieder sollen da-nach nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats wesentliche Geschäfte mit dem Unternehmen durchführen (Tz. 4.3.4 Satz 3) und Nebentätigkeiten, insbesondere Aufsichtsratsmandate außerhalb des Unternehmens über-nehmen (Tz. 4.3.5). Analog zum Vorstand gilt für die Mitglieder des Aufsichtsrats ebenfalls die übergeordnete Loyalitätsregel der Verpflichtung auf das Unterneh-mensinteresse (Tz. 5.5.1 Satz 1). Auch Aufsichtsratsmitglieder dürfen weder widerstreitende persönliche Interessen verfolgen noch Geschäfts-chancen des Unternehmens für sich nutzen (Tz. 5.5.1 Satz 2). Ferner kommt wiederum der Schaffung von Transparenz ein wichtiger Stellen-wert für die Vermeidung von Konfliktsituationen zu. Jedes Aufsichtsrats-mitglied soll mögliche Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat gegenüber offen legen. Hierzu zählen insbesondere solche Konflikte, die aufgrund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kredit-gebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können (Tz. 5.5.2).

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Der Aufsichtsrat soll seinerseits sodann in seinem Bericht an die Haupt-versammlung über eventuell aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informieren (Tz. 5.5.3 Satz 1). Sofern Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds wesentlich und nicht nur vor-übergehender Natur sind, wird die Beendigung des Mandats empfohlen (Tz. 5.5.3 Satz 2). Verhaltensregulierend soll schließlich auch der Zu-stimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats für Berater- sowie sonstige Dienstleistungs- und Werkverträge seiner Mitglieder mit der Gesellschaft wirken (Tz. 5.5.4). Er gilt schon kraft Gesetz21 und zielt insbesondere darauf ab, die überwachungsnotwendige Distanz der Aufsichtsrats-mitglieder zur Gesellschaft und ihrem Leitungsorgan zu wahren. Auch und gerade für die Handlungsmaximen gilt, dass nur schwerlich gute Gründe erkennbar sind, die gegen eine Übertragung auf öffentliche Unternehmen sprechen. So kann kaum ernsthaft in Frage gestellt werden, dass auch in öffentlichen Unternehmen keine persönlichen Interessen zu Lasten des Unternehmensinteresses verfolgt und Ge-schäftschancen des Unternehmens durch Organmitglieder selbst genutzt werden dürfen. Gerade die unter den Handlungsmaximen aufgelisteten Wohlverhaltensregeln bringen in hohem Maße Selbstverständlichkeiten zum Ausdruck, die allerdings in Unternehmen – und auch in öffentlichen Unternehmen – nicht immer auch selbstverständlich praktiziert werden. IV. Akzeptanz der Kodexbestimmungen in der Praxis Das Berlin Center of Corporate Governance (BCCG) führt im Auftrag der Regierungskommission jährliche Erhebungen zur Akzeptanz der Kodex-regelungen in der Praxis durch, die als Kodex Report veröffentlicht werden.22 Zu diesem Zweck werden jeweils sämtliche an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Gesellschaften danach befragt, welche Empfehlungen und Anregungen des Kodex sie bereits befolgen, welche Regelungen sie in Zukunft umsetzen werden und welche Bestimmungen sie ablehnen. Die bisher publizierten Reports weisen insgesamt eine beachtlich positive Resonanz des DCGK in der Praxis aus. Nach den Befunden des Kodex Report 2006 entsprechen die Unternehmen heute durchschnittlich rund 67 der insgesamt 82 Empfehlungen. Wie zu erwarten, hängt die Akzeptanz tendenziell von der Unternehmensgröße ab. So stimmen die

21 Siehe § 114 Abs. 1 AktG. 22 Siehe v. Werder u.a. (2003) u. (2004); v. Werder/Talaulicar (2005) u. (2006).

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DAX-Gesellschaften bereits heute mit durchschnittlich 78,2 Empfeh-lungen überein und erreichen damit eine Quote von rund 95 %, während die Unternehmen im General Standard im Durchschnitt mit 56,7 Empfehlungen 69 % aller Soll-Bestimmungen anwenden. Die Zustimmung zu den einzelnen Empfehlungen und Anregungen des DCGK wird im Kodex Report danach abgestuft, ob die ganz über-wiegende Mehrheit der Gesellschaften, konkret mindestens 90 % der Unternehmen, die betreffende Kodexbestimmung anwenden oder nicht. Im zweiten Fall liegen „neuralgische“ Empfehlungen (bzw. Anregungen) vor, die von mehr als 10 % der Gesellschaften (heute oder in Zukunft) abgelehnt werden. Die neuralgischen Bestimmungen lassen sich weiter danach unterteilen, ob sie zumindest von der einfachen Mehrheit (über 50 %) der Unternehmen befolgt, oder aber mehrheitlich abgelehnt werden. Nach den Ergebnissen des Kodex Report 2006 erweisen sich – über alle Unternehmen und Börsensegmente betrachtet – heute 48 (59 %) und zukünftig noch 37 (45 %) der 82 Empfehlungen als neuralgisch.23 Aller-dings werden lediglich zwei Soll-Bestimmungen von der Mehrheit abge-lehnt. Hierzu zählt zum einen die Empfehlung, einen angemessenen Selbstbehalt zu vereinbaren, sofern die Gesellschaft für Vorstand und Aufsichtsrat eine D&O-Versicherung abschließt (Tz. 3.8 Abs. 2). Bei der zweiten mehrheitlich abgelehnten Empfehlung handelt es sich um die In-dividualisierung der Angaben zur Vergütung für den Vorstand (Tz. 4.2.4 Satz 2). Bei dieser Regelung sind allerdings im Zeitablauf weiterhin merkliche Akzeptanzzuwächse zu verzeichnen.24 Bei den (Sollte- bzw. Kann-)Anregungen fällt das Akzeptanzniveau im Vergleich zu den Kodexempfehlungen niedriger aus. Dieser Befund ist insoweit wenig überraschend, als die Sollte- bzw. Kann-Bestimmungen nach Auffassung der Kodexkommission zwar ebenfalls Ausdruck guter Unternehmensführung sind, sich in der Praxis aber – anders als die erklärungspflichtigen Soll-Empfehlungen – noch nicht auf breiter Front durchgesetzt haben und daher entsprechende Anstöße zur Weiter-entwicklung der Corporate Governance geben sollen. Im Durchschnitt befolgt ein Unternehmen 11,6 der insgesamt 19 Anregungen.25 Über die Gesamtheit der erhobenen Unternehmen sind heute und in Zukunft 18 Anregungen als neuralgisch zu kennzeichnen, da sie von weniger als

23 Siehe v. Werder/Talaulicar (2006), S. 850. 24 Siehe im Einzelnen ebenda, S. 854. 25 Siehe ebenda, S. 850.

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90 % der Gesellschaften aufgegriffen werden.26 Die Anzahl der neural-gischen Anregungen erscheint zwar insgesamt hoch. Zu berücksichtigen ist aber, dass wiederum nur eine geringe Zahl von Anregungen mehr-heitlich abgelehnt wird. Es handelt sich dabei über sämtliche Unter-nehmen hinweg betrachtet um die Anregungen zur Flexibilisierung der Bestellperioden des Aufsichtsrats (Ziffer 5.4.6), zur Ermöglichung der Verfolgung der Hauptversammlung über moderne Kommunikations-medien (Ziffer 2.3.4), zur Stellungnahme zu den Kodexanregungen im Bericht zur Corporate Governance (Ziffer 3.10 Satz 3) und zur Ein-führung auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezogener Bestand-teile der Aufsichtsratsvergütung (Ziffer 5.4.7 Abs. 2 Satz 2).27 Insgesamt erlauben die Befunde des Kodex Report die Feststellung, dass die börsennotierten Unternehmen in Deutschland den DCGK weit-gehend als Ausdruck von Standards guter Corporate Governance akzeptiert haben. Diese positive Resonanz in der Unternehmenspraxis spricht damit im Grundsatz eher für als gegen eine Anwendung der Kodexbestimmungen auch in öffentlichen Unternehmen. V. Anregungen für öffentliche Unternehmen Unternehmen sollten die Modalitäten ihrer Corporate Governance nicht unbedacht „von der Stange kaufen“, sondern möglichst auf ihre beson-dere Situation hin „maßschneidern“. Insofern ist es notwendig und richtig, die Frage nach der Bedeutung der Corporate Governance wie auch nach der Übertragbarkeit vorliegender Regelwerke wie etwa des DCGK sorgfältig zu prüfen. Handelt es sich auf der einen Seite um eine kleine Theater-GmbH, so werden manche Regeln, die eher für den inter-nationalen Kapitalmarkt gedacht sind, fehl am Platz wirken. Dass z.B. auch börsennotierte kleinere Unternehmen an der einen oder anderen Stelle vom DCGK mit guten Gründen abweichen, ist vor diesem Hinter-grund geradezu Ausdruck guter Corporate Governance. Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass auch öffentliche Unternehmen mitunter eine enorme wirtschaftliche Bedeutung und Relevanz für das Gemeinwesen haben, wie nicht zuletzt die Vorfälle um die Berliner Bankgesellschaft nachdrücklich vor Augen geführt haben. Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung guter Corporate Governance auch für öffentliche Unternehmen offensichtlich und kaum zu überschätzen.

26 Hierzu und zum Folgenden im Einzelnen ebenda, S. 854. 27 Siehe im Einzelnen ebenda, S. 854 f.

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Hinsichtlich der Übertragbarkeit von Kodexnormen sind selbstredend die Besonderheiten öffentlicher Unternehmen zu berücksichtigen. Neben der Rechtsform, die häufig nicht die AG ist, sondern z.B. die anders struktu-rierte GmbH, sind vor allem die spezifischen Unternehmensziele zu nennen, die nicht nur auf Unternehmenswertsteigerung angelegt sind, sondern auch nicht-ökonomische Zielsetzungen bis hin zur „Daseins-vorsorge“ im klassischen Sinne umfassen. Bei gegebenen, wie auch immer letztlich politisch festgelegten Zielen kommt es dann aber auch und gerade in öffentlichen Unternehmen darauf an, durch gute Corporate Governance unterstützt diese Ziele wirksam und effizient zu erreichen. Um der Notwendigkeit zu einer in diesem Sinne exzellenten Führung öffentlicher Unternehmen nicht vorschnell mit dem Hinweis auf die Be-sonderheiten dieses Unternehmenstyps zu begegnen, sollte sich die weitere Diskussion über passende Governanceregeln für öffentliche Unternehmen vom Prinzip der Beweislastumkehr leiten lassen. Danach sollte der Grundsatz gelten, dass diejenigen Governancemodalitäten, die sich in (börsennotierten) Unternehmen bewährt haben, die im inter-nationalen Wettbewerb um Kapital, Mitarbeiter und Kunden stehen, grundsätzlich auch zur Qualität der Leitung und Überwachung öffent-licher Unternehmen beitragen können.28 Abgesehen von den Vor-schriften des DCGK, die nur bei einer Börsennotierung relevant sind, sollten nach diesem Prinzip der Beweislastumkehr Abweichungen eines Public Corporate Governance Kodex vom DCGK dann im Einzelfall jeweils einer guten Begründung bedürfen. Literaturverzeichnis Argyris (1985): Chris Argyris, Strategy, Change and Defensive Routines, Boston

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28 Ganz in diesem Sinne orientieren sich auch die „OECD Guidelines on Corporate Governance of

State-Owned Enterprises“ (OECD (2004)) an den OECD-Prinzipien für die Privatwirtschaft, siehe hierzu die vergleichende Studie OECD (2005).

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Hommelhoff (2001): Peter Hommelhoff, Die OECD-Principles on Corporate Gover-nance – ihre Chancen und Risiken aus dem Blickwinkel der deutschen Corporate Governance-Bewegung, in: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, 30. Jg. (2001), S. 238-267.

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v. Werder u.a (2004): Axel v. Werder, Till Talaulicar, u. Geord L. Kolat, Kodex Report 2004 – Die Akzeptanz der Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, in: Der Betrieb, 57. Jg. (2004), S. 1377-1382.

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v. Werder/Talaulicar (2006): Axel v. Werder u. Till Talaulicar, Kodex Report 2006: Die Akzeptanz der Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, in: Der Betrieb, 59. Jg. (2006), S. 849-855.

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Workshop 1:

Erste Konzepte eines Public Corporate Governance Kodex in der Praxis

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Ute Schäfer* Die komparativen Besonderheiten des Leipziger Corporate Governance Kodex für eine zielführende und wirkungsvolle Beteiligungssteuerung und Unternehmensführung I. Einführung Wie die Veranstaltung „Corporate Governance in der öffentlichen Wirt-schaft“ der GÖW zeigt, ist Governance auch im öffentlichen Bereich „en vogue“. Mit der Einführung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) sowie seiner rechtlichen Flankierung im Aktiengesetz wurde der Versuch unternommen, einen Verhaltenskodex zu etablieren, der die Grundvorstellungen einer verantwortungsvollen Unternehmensführung zu reinstitutionalisieren sucht. Nach kurzem Zeitverzug wird die dem DCGK zugrunde liegende Idee auch auf kommunaler Ebene diskutiert, wo sich Verwaltungen und Gemeindeparlamente mit der begrenzten Reichweite ihres Steuerungshandelns konfrontiert sehen. Im Folgenden möchten wir die Besonderheiten des Leipziger Corporate Governance Kodex (LCGK) vorstellen und einen Beitrag zur Diskussion kommunaler Corporate Governance Kodizes leisten. Kern der Aus-führungen bildet die Grundvorstellung, dass zielführende und wirkungs-volle Beteiligungssteuerung und Unternehmensführung zumindest in Großstädten nur dann zu gewährleisten sind, wenn zumindest ein örtlicher Public Corporate Governance Kodex geschaffen wird, der nicht nur den „Agenten“ als Steuerungsobjekt, sondern gleichsam den „Prinzi-pal“ als Steuerungssubjekt, d.h. den bestehenden Reglungsbedarf auf Seiten der Kommunen als Eigentümerin, adressiert. Dabei wird das dem Governance-Gedanken zugrunde liegende Steuerungsparadigma opera-tionalisiert. Wie zu zeigen sein wird, werden Aspekte einer Steuerung über Zielvorgaben eine exponierte Stellung einnehmen, um den kom-plexen Prinzipal-Agenten-Beziehungen auf kommunaler Ebene begeg-nen zu können. Hierin besteht auch der wesentliche Unterschied zu bereits bestehenden Konzepten örtlicher Public Corporate Governance Kodizes, gegenüber denen der Leipziger Corporate Governance Kodex komparative Vorteile * Ute Schäfer war Geschäftsführerin der Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig

mbH und ist jetzt Geschäftsführerin der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH, Leipzig.

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aufweist, indem Aussagen zur Ziel- und Strategiefindung genauso adres-siert werden, wie Rechte und Pflichten aller Beteiligten (insbesondere der Kommune als Gesellschafterin im Binnen- und Außenverhältnis) definiert werden. II. Problemstellung - Woraus resultiert die Notwendigkeit nach

einem neuen Steuerungsinstrument? Der Schaffung kommunaler Public Corporate Governance Kodizes liegt der Bedarf zugrunde, die Steuerung der ausgegliederten kommunalen Aufgaben zu verbessern, um der Autonomisierung der privatrechtlich organisierten Unternehmen zu begegnen. Wie an anderer Stelle kompetent ausgeführt, befindet sich mittlerweile mehr als die Hälfte aller Beschäftigten, kommunalen Verbindlichkeiten sowie Ausgaben und Einnahmen nicht mehr in öffentlichen Strukturen, sondern innerhalb der kommunalen Beteiligungen.1 Empirisch lässt sich dieser Sachverhalt auch am Beispiel der Stadt Leipzig untermauern, die über ein Beteiligungsportfolio von ca. 180 direkten und indirekten Beteili-gungen in unterschiedlichen Branchen verfügt. Problematisch an dieser Entwicklung ist, dass mit der Ausgliederung eine fortschreitende Verselbstständigung der in Privatrechtsform ge-führten öffentlichen Einrichtungen von der Muttergebietskörperschaft zu verzeichnen ist.2 Dieser Eindruck wird von praktischer wie wissenschaftlicher Seite be-stätigt und kumuliert in der Feststellung, dass die Entwicklung zum „Konzern Stadt“ Steuerungsdefizite mit sich gebracht hat, sodass Kom-munen ihre Beteiligungen eher unter Haushaltsgesichtspunkten ver-walten, als diese zu steuern. Insofern lässt sich sagen, dass von einem zielgerichteten Einwirken der politischen und administrativen Akteu-re/Organe im Rahmen der Beteiligungssteuerung nicht immer die Rede sein kann. Ein solches Fazit verwundert vor allem die Betrachter bzw. Betroffenen der Verwaltungsreform der letzten Jahre, bei der die Ausgliederung

1 Vgl. Bremeier u.a. (2005). 2 Diese Problematik spitzt sich nochmals zu, betrachtet man die Einfluss- und Steuerungs-

möglichkeiten bei mittelbaren Beteiligungen insbesondere ab der 3. Ebene. Ähnliche Problemlagen lassen sich unabhängig von der Beteiligungsebene bei der Rechtsform des Zweckverbands im Rahmen von Interkommunalen Kooperationen feststellen.

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kommunaler Aufgaben der konsequenten Umsetzung des Leitbilds „Neues Steuerungsmodell“ entsprach, in dessen Mittelpunkt Konzepte wie „de-zentrale Ressourcenverantwortung“, „Outputorientierung“ etc. stehen, die sich nun als suboptimal für eine Steuerung der Beteiligungsunternehmen erweisen.3 Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass ein Verbesserungsbedarf in der Steuerung der externalisierten kommunalen Aufgaben besteht, der die Notwendigkeit neuer interner und externer Steuerungsmechanismen begründet. III. Die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Steuerungs-

vorstellungen Politische Steuerungsdefizite von so grundlegender Art, wie sie sich exemplarisch im Rahmen der Beteiligungssteuerung beobachten lassen, sind meist Ausdruck eines tiefergehenden strukturellen Wandels. Be-schreibt man Steuerungshandeln mittels des klassischen Begriffs der Herrschaft, wird deutlich, was mit strukturellen Veränderungen im poli-tischen System gemeint ist. In der Definition nach Weber bedeutet „Herrschaft die Chance für einen Befehl bestimmten Inhalts bei einer angebbaren Anzahl von Personen Gehorsam zu finden“.4 Dieser Vorstellung liegt ein Paradigma zugrunde, das Steuerung als zielgerichtetes Handeln auffasst, wobei ein Steue-rungssubjekt (Organe der Kommune) auf ein Steuerungsobjekt (kommu-nale Unternehmen) einwirkt, um dieses in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das Grundproblem dieser Steuerungsvorstellung besteht darin, dass durch die relative Autonomie der Akteure, z.B. als das Ergebnis der Ausgliederung kommunaler Aufgaben in privatrechtliche Unternehmen, Informations- und Interessenasymmetrien auftreten, die als „Gefangen-dilemma“ bzw. „Prinzipal-Agenten Beziehung“ beschreibbar sind.5 Das heißt, die Steuerungsfähigkeit der kommunalen Organe wird einer-seits dadurch eingeschränkt, dass ihnen für ein zielgerichtetes Handeln grundlegende Informationen fehlen, die die Beteiligungen strategisch zurückhalten oder aus politischen Erwägungen zwischen den Vertretern der Verwaltungsspitze nicht adäquat kommuniziert werden. Andererseits wird die Steuerbarkeit des Agenten dann nicht sichergestellt, wenn die 3 Vgl. KGSt (1993). 4 Vgl. Weber (1980), S. 28. 5 Vgl. Mayntz (2005), S. 12 ff.; Schuppert (2006), S. 54.

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Kommune selbst keine eigenen Zielvorstellungen für die Unternehmen hat. Des Weiteren können die kommunalen Gremien und Organe sich wechselseitig ausschließende Erwartungen an die Beteiligungen richten, die den Agenten – infolge ihrer Widersprüchlichkeit – paralysieren. Dieses vielfach zitierte Modell hilft als Heuristik weiter, um zu verstehen, dass Steuerungshandeln sich nicht auf die Grundkonstellation reduzie-ren lässt, die in einer Gegenüberstellung zwei klar definierbarer Akteure, wie Kommune (Prinzipal) und Beteiligungsunternehmen (Agent), hinaus-laufen. In der kommunalen Realität finden wir eine wesentlich komple-xere Gemengenlage, die sich als Prinzipal-Agenten-Beziehung erster, zweiter und dritter Ordnung beschreiben lässt. Abbildung 2: Ordnungsebenen der Prinzipal-Agenten-Beziehung

in Kommunen6

Wir haben es also mit einem Mehrebenensystem zu tun, wo die Unter-scheidung von Steuerungssubjekt und -objekt je nach Betrachtungs-ebene wechselt und die klare Unterscheidbarkeit zwischen „Herrscher“ und „Beherrschtem“ verschwimmt. Bestehende Steuerungsvorstellungen werden also mit sich wandelnden Anforderungen konfrontiert und durch eine neue Steuerungsidee ersetzt, die in der paradigmatischen Formu-lierung der „Governance without Government“ ihre begriffliche Aus-formung findet.

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6 Adaptiert nach Ruter (2005), S. 448; Bremeier u.a. (2006), S. 872.

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Ein solches Ergebnis bestätigt die Ansichten von Steuerungsskeptikern wie Niklas Luhmann, der die Auffassung vertritt, dass für das Überleben Evolution ausreicht und jegliche Steuerungsversuche an der Komplexität funktional ausdifferenzierter moderner Gesellschaften scheitern müs-sen.7 Der desillusionierte Pragmatiker pflichtet ihm bei und findet seine Erfahrung bestätigt, dass der beste Führungsstil immer noch jener des „management by muddeling through“ ist. Angesicht der dringlichen Aufgaben, die sich auf kommunaler Ebene stellen und der verfassungsmäßigen Verpflichtung (Art. 28 GG), nach der die Städte und Gemeinden das Recht haben, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, und sie in ihrem Gebiet Träger der öffentlichen Aufgaben sind sowie im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die für das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Wohl ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen haben, sind steuerungsskeptische Antworten nur wenig zielführend, die im Zufall respektive in der „unsichtbaren Hand“ den Königsweg zur Schaffung des Gemeindewohls bzw. sozialen Zusammenhalts sehen. Vielmehr provoziert das Fazit, dass die Probleme der politischen Steuerung (Beteiligungssteuerung) struktureller Art sind und sich die Frage stellt, welche neuen Steuerungsformen (Regelungsstrukturen) ent-wickelt werden müssen. Dabei muss eine entsprechende Konzeption über die Schaffung eines Verhaltensstandards auf der Ebene von Unter-nehmen hinausgehen, der „lediglich“, wie dies beim DCGK geschieht, die Unternehmensorgane mittels der Zusammenfassung und Neuformu-lierung von Regeln diszipliniert. Vielmehr muss es um eine neue „Steue-rungsphilosophie“ auf Ebene des „Konzerns Stadt“ gehen, was in der Idee einer kommunalen Public Corporate Governance kulminiert und an verschiedenen Stellen partiell vorgedacht wurde.8 IV. Leipziger Corporate Governance Kodex – Operationalisierung

des neuen Steuerungsparadigmas Konfrontiert mit den Verselbstständigungstendenzen seiner Beteiligun-gen hat sich die Stadt Leipzig im Frühjahr 2006 dazu entschlossen, eine Richtlinie unter dem Titel „Leipziger Corporate Governance Kodex“ zu entwickeln. Dabei verfolgt sie hinsichtlich der Steuerung ihrer ausge-lagerten Aufgaben ein doppeltes Ziel: 7 Vgl. Luhmann (2005). 8 Wolf/Ziche (2006), S. 58 ff.

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Zum einen muss eine gute Beteiligungssteuerung sichergestellt werden, d.h. die Stadt muss sich intern so organisieren, dass eine optimale Steuerung der Unternehmen erfolgen kann. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der Doppelfunktion der Stadt als Eigentümerin und als Ver-antwortliche der Aufgaben im öffentlichen Interesse: Als Eigentümerin ist die Stadt primär an Werterhalt und Wirtschaftlichkeit interessiert, als Aufgabenverantwortliche an einer wirkungsvollen Umsetzung der öffent-lichen Aufgabe im Interesse der Stadt und ihrer Bürger. Mit den Instru-menten der Beteiligungssteuerung soll erreicht werden, dass alle Unter-nehmen die von der Stadt Leipzig mit der Beteiligung verbundenen Ziele sowohl in inhaltlich-fachlicher als auch in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht umsetzen. Zum anderen muss der Rahmen für eine gute Unternehmensführung abgesteckt werden. Dies zielt auf die Organisation innerhalb des Unter-nehmens: Seine Organe – bei der GmbH Gesellschafterversammlung, i.d.R. Aufsichtsrat und Geschäftsführung – müssen klar aufeinander abgestimmte Aufgaben, Rechte und Pflichten haben, die Zusammen-arbeit der Organe muss transparent und eindeutig geregelt sein. Eine gute Unternehmensführung soll gewährleisten, dass das Unternehmen seine Aufgaben bzw. die Ziele der Stadt optimal umsetzt und dabei Werterhalt und wirtschaftlicher Erfolg sichergestellt werden. Ausgehend von diesen Prämissen wurde ein speziell auf die Verhält-nisse der Stadt Leipzig zugeschnittener Kodex entwickelt, der sich in vier Abschnitte gliedert: In der Präambel erfolgt die Darstellung der grundlegenden Motive und Absichten, die den Basiskonsens wiedergeben, der handlungsleitend für die Schaffung des LCGK ist. Im Geltungsbereich wird die Reichweite de-finiert, indem die Rechtsformen sowie Beteiligungsgrad und -höhe fest-gelegt werden, für die der Kodex gelten soll. Im Teil I werden die Grundlagen der Beteiligungssteuerung dargestellt. Dazu gehören die Voraussetzungen für eine Beteiligung an kommunalen Unternehmen sowie die Ausführung des grundsätzlichen Steuerungs-verständnisses (Steuerungsphilosophie) der Stadt Leipzig. Im Teil II wird die Stadt Leipzig als Eigentümerin behandelt. Dazu werden die grundsätzlichen Aufgaben, Rechte und Pflichten der Gesell-schaftervertreter, des Stadtrats, des Verwaltungsausschusses in seiner Funktion als Beteiligungsausschuss sowie des Beteiligungsmanage-ments dargestellt.

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Abbildung 3: Inhalt des LCGK Präambel und Geltungsbereich

Teil I – Grundlagen Grundlagen für Beteiligungen Grundlagen für Beteiligungssteuerung Beteiligungssteuerung durch Zielvorgaben

Teil II – Die Stadt Leipzig als Eigentümerin Gesellschafterin/Gesellschaftervertreter Stadtrat „Dienstberatung des Oberbürgermeisters“ (als „Konzernvorstand“) Verwaltungsausschuss als Beteiligungsausschuss Beteiligungsmanagement Standards der Beteiligungssteuerung

Teil III – Organe und Aufgaben der Gesellschaft Gesellschafterversammlung Aufsichtsrat Geschäftsführung Zusammenwirken der Organe Wirtschaftsplanung, Beteiligungscontrolling und Jahresabschluss einschließlich

Abschlussprüfung Im Teil III sind die Organe der Beteiligungsunternehmen Gegenstand der Betrachtung. Es werden die grundsätzlichen Aufgaben, Rechte und Pflichten der Gesellschafterversammlung, des Aufsichtsrats und der Ge-schäftsführung sowie das Zusammenwirken der Organe behandelt. Die Darstellung der Verfahren zur Wirtschaftsplanung, zum Beteiligungs-controlling sowie zum Jahresabschluss einschließlich der Abschluss-prüfung bildet den Abschluss des dritten Teils. Zusammengefasst beziehen sich die Teile I und II auf die städtische Ver-waltung und die Art und Weise, wie diese die Beteiligungssteuerung ge-währleisten soll. Teil III bezieht sich auf die Beteiligungsunternehmen und ist zukünftig von diesen zu beachten. V. Besonderheiten des Leipziger Corporate Governance Kodex Die Besonderheiten des LCGK lassen sich wie folgt zusammenfassen: (a) Beteiligungssteuerung durch Zielvorgaben (b) Definition von Aufgaben und Pflichten der Organe/Gremien der Kom-

mune (c) Festlegung von Verfahren zur Umsetzung des LCGK

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Steuerung durch Zielvorgaben Schuppert schreibt in einem Aufsatz von 1989: „Es ist eine inzwischen weit verbreitete und richtige Einsicht, daß klar formulierte Zielvorgaben für die effektive Steuerung und Kontrolle öffentlicher Unternehmen von zentraler Bedeutung sind.“9 Wie der Praxistest zeigt, sind die Kommunen (als Gesellschafter) weit davon erfernt, ihren Beteiligungen strategische Setzungen in Form von Zielvorgaben zu machen, mit weitreichenden Konsequenzen. Zu nennen wären diesbezüglich: unterschiedliche Zielverständnisse unter den Akteuren, Nichtauflösung von Zielkonflikten infolge widersprüchlicher Erwar-

tungshaltungen (Zielparadoxa), fehlende Konstitution eines mittel- und langfristigen Orientierungs-

rahmens, der Planungssicherheit für alle Beteiligten nach sich zieht, fehlende Kompatibilität zwischen der Gesellschaftervorstellung und

der Unternehmensstrategie. Die koordinierende und kontrollierende Funktion von Zielen kann sich somit nicht entfalten, wodurch Kommunen die Chance vergeben, ihre Steuerungsfähigkeit über Zielvorgaben zu verbessern, und damit auch die Möglichkeit einer effizienteren und wirtschaftlicheren Aufgabenwahr-nehmung durch die Beteiligungsunternehmen. Als Konsequenz dieser Ausgangssituation wurden im ersten Teil des LCGK als Besonderheit beispielsweise gegenüber dem Stuttgarter und Potsdamer Kodex Anforderungen zum grundsätzlichen Steuerungs-verständnis (Steuerungsphilosophie) der Stadt Leipzig als Eigentümerin definiert, bezeichnet als Beteiligungssteuerung durch Zielvorgaben. Unter Zielvorgaben sind Fach- und Finanzziele zu verstehen, die die Stadt Leipzig, aufbauend auf dem Gesellschaftszweck sowie unter Be-rücksichtigung der gesamtstädtischen Ziele und Fachkonzepte, für ihre Beteiligungsunternehmen in inhaltlich-fachlicher und finanzieller Hinsicht klar und messbar formuliert und damit eine Eigentümerstrategie festlegt, die für die Geschäftsführungen und den Aufsichtsrat eine Handlungs-grundlage darstellen. Die Umsetzung der Zielvorgaben liegt in der Ver-antwortung der Geschäftsführungen der Beteiligungsunternehmen, die diese in Form strategischer Unternehmenskonzepte konkretisieren. Dar-auf aufbauend erstellt die Geschäftsführung für jedes Wirtschaftsjahr einen Wirtschaftsplan, der eine fünfjährige Finanzplanung beinhaltet.10 9 Schuppert (1989), S. 141 f. 10 Vgl. LCGK (2006), S. 8 ff.

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Unserer Auffassung nach liegt die komparative Besonderheit des LCGK in der Formulierung einer solchen Zielhierarchie. Nur mittels einer der-artigen Operationalisierungskaskade (Zielsystem) lässt sich das mit den Beteiligungsunternehmen verfolgte kommunale Interesse konkretisieren. Erst dann sind die Unternehmen im Sinne eines Soll-Ist-Abgleichs durch die einzelnen Instrumente des Beteiligungscontrollings steuerbar11. Abbildung 4: Beteiligung durch Zielvorgaben

Strate-gische

Ziele derKommune

Strategisches Unternehmenskonzept

(auf Basis der Zielvorgabe der Eigentümerin)

Zielvereinbarung mit der Geschäftsführungeines kommunalen Unternehmens

Kommune

Unter-nehmenWirtschaftsplanung

jährlich

langfristig

3-5 Jahre

Eigentümerstrategie für das kommunale

Unternehmen (Zielvorgaben der Kommune)

Definition Aufgaben und Pflichten der Organe/Gremien der Kommmune Ein wesentlicher Unterschied von Public Corporate Governance zum DCGK besteht darin, dass diese auch die Rechte und Pflichten der Organe und Gremien der Kommune definieren muss. Hintergrund dieser Anforderung bildet der Umstand, dass sich Beteiligungssteuerung zwischen den Sphären von öffentlichem Recht (Kommunalverfassung) und Privatrecht (Gesellschaftsrecht) bewegt. Problematisch daran ist, dass das Gemeindewirtschaftsrecht, als jener Teil der Kommunal-verfassung zur wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden, nur wenige Aussagen zur Leitung und Kontrolle von kommunalen Aufgaben trifft, die durch Gesellschaften in privater Rechtsform erbracht werden. Zwar de-

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11 Vergleichbare Beteiligungssteuerungsvorstellungen lassen sich auf „Landesebene“ in Hamburg,

Brandenburg oder Berlin finden.

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finieren die Gemeindeordnungen Regelungen für den Gesellschafter (z.B. Erstellung Beteiligungsbericht) und die Beteiligungsgesellschaft (z.B. Vorlage Wirtschaftsplan), jedoch werden in der Regel nur marginale Aussagen zu den Aufgaben (Rechte und Pflichten) der einzelnen Ge-meindeorgane bzw. -gremien im Rahmen einer Beteiligungssteuerung gemacht. Dieses Defizit wird auch nicht im Rahmen des Gesellschafts-rechts kompensiert, da in diesem nur Aussagen zu den Rechten und Pflichten der Gesellschaftsorgane getroffen werden, jedoch keine Rege-lungen für die Gemeindeorgane erfolgen. Um dieses Reglungsdefizit aufzuheben, muss ein kommunaler Cor-porate Governance Kodex neben den Organen der Beteiligungsgesell-schaft auch die Organe/Gremien der Kommune adressieren. Nur so ist eine transparente Zusammenarbeit zwischen den Akteuren und Gremien der Gesellschaft und der Kommune zu gewährleisten, sodass sich alle Beteiligten über ihre Aufgaben und ihr Zusammenwirken im Klaren sind. Zudem ist es dringend geboten, dass die kommunalen Akteure der Gemeinde ihre Zusammenarbeit im Binnenverhältnis regeln und so zu klaren Verabredungen im Umgang miteinander kommen. Genau dieses Regelungsvakuum behandelt der zweite Teil des LCGK, wo unter der Überschrift „Stadt Leipzig als Eigentümerin“ die Rechte und Pflichten folgender Organe bzw. Gremien definiert werden: Gesellschaf-terin/Gesellschaftervertreter, Stadtrat, Dienstberatung des Oberbürger-meisters, Beteiligungsausschuss sowie Beteiligungsmanagement.12 Her-vorhebenswert ist, dass diese Aufgabendefinition hinsichtlich der Funktion der einzelnen Akteure für die Beteiligungssteuerung und Unternehmensführung ein Novum unter den deutschen PCGKs darstellt. Die darüber hinaus – im zweiten Teil des LCGK – gemachten Aus-führungen zu Standards, derer sich die Eigentümerin Stadt Leipzig zur Beteiligungssteuerung bedient, verweisen bereits auf die dritte Beson-derheit, wobei es sich um die Definition von Verfahren(sweisen) handelt, wie die gesetzten Regeln des Kodex umgesetzt werden sollen, sodass deren Realisierung gewährleistet wird. Festlegung von Verfahren zur Umsetzung des LCGK Der LCGK, wie generell alle (kommunalen) PCGKs bzw. der DCGK, stellt ein Konglomerat aus gesetzlichen Verpflichtungen, verpflichtenden Regeln und Handlungsempfehlungen dar. Bei den gesetzlichen Ver-

12 Vgl. LCGK (2006), S. 10 ff.

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pflichtungen handelt es sich um geltendes Kommunal- bzw. Gesell-schaftsrecht, für welches definierte Sanktionsmechanismen und Proze-duren bestehen. Bei den verpflichtenden Regeln und Handlungsempfeh-lungen haben wir es mit Bestimmungen (normativen Forderungen) zu tun, die „weiches Recht“ repräsentieren und für die keine juristisch abge-sicherten Verfahrenswege definiert sind. Soll also ein kommunaler Public Corporate Governance Kodex als Rahmenwerk einer zielführenden und wirkungsvollen Beteiligungssteuerung und Unternehmensführung eta-bliert und umgesetzt werden, muss dessen Verbindlichkeit durch die De-finition entsprechender Verfahrensweisen abgesichert werden. Im Rahmen des LCGK geschieht dies auf folgendem Weg: Einerseits zieht ein Beschluss des Stadtrats zur Einrichtung des Leipzi-ger Corporate Governance Kodex die Selbstverpflichtung der Stadt Leip-zig nach sich, die Vorgaben und Standards des Kodex umzusetzen. Anderseits werden die Geschäftsführungen verpflichtet, einmal jährlich im Lagebericht des Jahresabschlusses über die Einhaltung des Kodex zu berichten. Darüber hinaus fungiert der Kodex als Basis für alle weiteren Instru-mente der Beteiligungssteuerung und bildet somit ein übergeordnetes Regelungswerk, das im Einzelnen durch einen Mustergesellschafts-vertrag sowie eine Mustergeschäftsordnung für den Aufsichtsrat und eine Mustergeschäftsordnung für die Geschäftsführung konkretisiert wird. V. Abschluss Der LCGK stellt im Vergleich zu den existierenden kommunalen PCGKs die weitreichendste Operationalsierung der praktischen und normativen Forderung nach einem neuen Steuerungsverständnis dar, ohne dabei zu operativ im Sinne einer Beteiligungsrichtlinie zu sein. Der LCGK trägt diesen Anforderungen an die Kommunen in der Form Rechnung, dass er Beteiligungssteuerung durch Zielvorgaben definiert und damit eine Steuerungsphilosophie etabliert, die den Ansprüchen der komplexen Prinzipal-Agenten-Beziehungen auf kommunaler Ebene ge-recht wird. Darüber hinaus werden die Gremien und Organe der Eigen-tümerin Stadt Leipzig und der Unternehmen adressiert, indem deren Aufgaben sowohl für eine zielführende und wirkungsvolle Beteiligungs-steuerung als auch Unternehmensführung definiert werden.

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Genau in diesen beiden Punkten weist der LCGK komparative Vorteile bzw. Besonderheiten gegenüber bestehenden kommunalen PCGKs auf, die gar nicht oder nur marginal den Bedarf nach neuen Steuerungs-anforderungen betrachten und somit kein governance-orientiertes Steue-rungsverständnis ihren Bemühungen zugrunde legen. Dies ist insofern problematisch, als es im Rahmen des Diskussionsprozesses weniger um eine zeitnahe Verabschiedung der jeweiligen kommunalen PCGKs geht, als vielmehr um eine generelle Meinungsbildung und die Schärfung des Bewusstseins aller beteiligten Akteure für die Grundlagen und Belange einer guten Beteiligungssteuerung und Unternehmensführung. Denn der LCGK, wie auch alle anderen kommunalen PCGKs, kann seine Wirkung nur auf Basis eines breiten Konsens entfalten, bei welchem alle Beteilig-ten die Erfordernisse nach dem neuen Steuerungsinstrument PCGK verstanden haben. Literaturverzeichnis Bremeier u.a. (2005): W. Bremeier u.a., Die Bedeutung des Corporate Governance

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Schuppert (2006): G. F. Schuppert, Zauberwort Governance – Weiterführendes For-schungskonzept oder alter Wein in neuen Schläuchen?, WZB-Mitteilungen, H. 14, 2006.

Weber (1980): M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 1980.

Wolf/Ziche (2006): A. Wolf u. C. Ziche, Corporate Governance Kodex – Gütesiegel auch für kommunale Unternehmen, in: R. X. Ruter (Hrsg.), Public Corporate Governance: Ein Kodex für öffentliche Unternehmen, Wiesbaden 2006.

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Gabriele Thöne* Public Corporate Governance im Land Berlin Im Rahmen des Workshops „Erste Konzepte eines Public Corporate Governance Kodex in der Praxis“ kann ich Ihnen von den Erfahrungen des Landes Berlin mit unserem System einer Public Corporate Gover-nance berichten. Berlin verfügt über 63 direkte Beteiligungsunternehmen und benötigt da-her ein umfangreiches System des Beteiligungsmanagements. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Landesbeteiligungen, die im Saldo seit 1998 Verluste erwirtschaftet haben und erstmals 2005 wieder einen Überschuss ausweisen konnten, wurde, beginnend im Jahr 2004, ein neues System des Beteiligungsmangements und des Beteiligungs-controllings eingeführt, dessen Elemente vorher mit dem Berliner Abge-ordnetenhaus abgestimmt worden sind. Das Land Berlin hat sich nach Abwägung der in Frage kommenden Alternativen entschieden, das Be-teiligungsmanagement nicht auszulagern, sondern im Hause der Senats-verwaltung für Finanzen durchführen zu lassen. Da wichtige Entschei-dungen im Hause des Gesellschafters getroffen werden müssen und dieser die Verantwortung trägt, ist es vorteilhaft, wenn die zuständigen Fachleute auch im eigenen Hause tätig sind. Auf Basis dieser Ent-scheidung wurden von der Senatsverwaltung für Finanzen die Beteili-gungshinweise herausgegeben. Sie beinhalten die Grundsätze und Handlungsanleitungen sowie ein Kompendium für alle Fragen, insbe-sondere aber Rechte und Pflichten, die landeseigene Unternehmen und ihre Organe betreffen. Die Beteiligungshinweise bilden sozusagen das Dach oder den Rahmen für alle Regelungen, die im Beteiligungs-management des Landes Berlin einzuhalten sind. Sie umfassen folgende Elemente: die Festlegung einer klaren Eigentümerstrategie durch Beschluss von

Zielbildern im Senat, die Abgabe und Auswertung der Erklärungen zum DCGK, das betriebswirtschaftliche Beteiligungscontrolling mit permanentem

Soll/Ist-Vergleich wichtiger Unternehmenszahlen und die geschaffene Transparenz für Parlament und Öffentlichkeit.

* Gabriele Thöne war Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen.

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Die Beteiligungshinweise sind somit das Grundgerüst des eingeführten Systems der Public Corporate Governance; um die eben genannten Elemente umsetzen zu können, enthalten die Hinweise neben den all-gemeinen Grundsätzen der Beteiligungsführung, welche u.a. die Vor-aussetzung der Beteiligung an Unternehmen, die Mitwirkung des Abge-ordnetenhauses und der Verwaltung, die Bestellung von Aufsichtsrats-mitgliedern und die Prüfung der Unternehmen regeln, diverse Muster, so: Muster für eine Gesellschaftssatzung Muster für Zielbilder Muster für die von Gesellschaften zu erstattenden Quartalsberichte Hinweise für die Berufung (Qualitätsanforderungen) von Aufsichts-

ratsmitgliedern nebst Muster für die Bestellung (Das Land Berlin be-stellt meistens den Fachsenator oder Fach-Staatssekretär und einen Gesellschaftervertreter. Externe Mitglieder sollen über fachliche Er-fahrungen und Branchenkenntnisse verfügen.)

ein Merkblatt für Aufsichtsratsmitglieder, die das Land in den Auf-sichtsorganen von Beteiligungsunternehmen vertreten

Muster zur Abfrage nach dem Berliner CGK Muster einer Geschäftsordnung für die Aufsichtsräte und einer Ge-

schäftsanweisung für die Geschäftsleitung. Die Beteiligungshinweise sollen dazu beitragen, dass die landeseigenen Unternehmen nach einheitlichen Kriterien gemanagt bzw. verwaltet werden, die Interessen Berlins ordnungsgemäß wahrgenommen und die Führung sowie Kontrolle der Beteiligungen durch die zuständigen Unter-nehmensorgane erleichtert werden. Ein wichtiger Bestandteil der Beteiligungshinweise ist der Berliner CGK, der heute Schwerpunkt der Ausführungen sein soll: Vom Senat wurde im Februar 2004 die Einführung eines auf die Landes-beteiligungen des Landes Berlin angepassten CGK (nicht alle Regeln des für börsennotierte Unternehmen auf Bundesebene geschaffenen DCGK passen z.B. für die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts) für die Gesellschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts beschlossen, an denen das Land Berlin die Mehrheit der Anteile hält oder Gewährträger ist und an denen hinsichtlich ihrer Größe, Aufgabe und wirtschaftlichen Bedeutung ein besonderes Interesse besteht.

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Es wurde ein Katalog erarbeitet, der sich in acht Bereiche aufteilt. Er enthält Regelungen zum Gesellschafter, zur Geschäftsleitung, zum Auf-sichtsrat, zum Zusammenwirken beider (Aufsichtsrat und Geschäfts-leitung), zu Interessenkonflikten, zur Transparenz, zur Rechnungslegung und zur Abschlussprüfung. Die Regelungen orientieren sich eng am DCGK, sind jedoch nicht wortidentisch, teilweise gehen sie über die Empfehlungen des DCGK hinaus. Der Berliner CGK trifft ebenso wie der DCGK des Bundes die Unterscheidung zwischen Empfehlungen, Anre-gungen und Wiedergabe von Gesetzestext. Der Berliner CGK wird regelmäßig auf seine Aktualität überprüft und gegebenenfalls angepasst. Besonderheiten des Berliner CGK gegenüber dem DCGK des Bundes: Der Berliner CGK hat einen erweiterten Geltungsbereich, er richtet

sich nämlich nicht nur an Aktiengesellschaften, sondern gilt für alle Unternehmensformen, d.h. auch für die GmbH oder die Anstalt öffent-lichen Rechts. (Die 63 direkten Beteiligungsunternehmen Berlins teilen sich wie folgt auf: − 6 Aktiengesellschaften − 45 GmbHs − 4 KGs und − 8 Anstalten des öffentlichen Rechts.)

Er enthält Ergänzungen in Bezug auf immobilienwirtschaftliche Be-sonderheiten, so z.B. einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats bei der Änderung von Bewertungsverfahren von Immobilienvermögen (Berlin ist Gesellschafter von sechs Wohnungsunternehmen mit einem Wohnungsbestand von rund 280.000 Wohnungen).

Es wurde festgelegt, dass der Gesellschafter durch Quartalsberichte zu informieren ist. Abgefragt werden u.a. Basisdaten wie der Gesamt-erlös, der Personal- und Sachaufwand, der Stand der Verbindlich-keiten und Forderungen, aber auch Soll-/Ist-Abweichungen, wichtige Ereignisse und die Risikolage. Nach den Regelungen des DCGK des Bundes sollen lediglich Quartalsberichte erstellt werden.

Der Aufsichtsrat hat den Gesellschafter nicht nur über aufgetretene Interessenkonflikte im Aufsichtsrat selber, sondern auch im Bereich der Geschäftsleitung zu informieren.

Es werden strengere Anforderungen an die Berichtspflicht des Ab-schlussprüfers an den Aufsichtsrat über

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− Befangenheitsgründe des Abschlussprüfers (anderweitige berufliche, finanzielle oder sonstige Beziehungen zum Auftrag-geber oder seinen Organen) und

− die Feststellung von Unplausibilitäten bei der Durchsicht der Berliner CGK-Erklärungen gestellt.

Während im DCGK Bundesfassung der Aufsichtsrat mit dem Ab-schlussprüfer bezüglich dessen Befangenheitsgründen, die während einer Prüfung auftreten, lediglich eine Vereinbarung zur unverzüg-lichen Unterrichtung abschließen soll, verpflichtet der Berliner CGK den Aufsichtsrat, dies zu tun. Ebenso ist zu vereinbaren, dass der Aufsichtsrat über alle wesentlichen Feststellungen und Vorkommnis-se, die während der Abschlussprüfung auftreten, und über Unrichtig-keiten im Zusammenhang mit der Erklärung zum Berliner CGK un-verzüglich unterrichtet wird. Nach den Regelungen des Bundes soll dies lediglich geschehen.

Sowohl in der Einführung des Berliner CGK als auch in den Erklärungs-inhalten ist Berlin konsequent: Während der DCGK der Regierungskommission von den börsennotier-ten Unternehmen lediglich in einer Erklärung nach § 116 AktG verlangt, dass sie den Kodex anwenden (Comply) – oder, dass sie erklären wo sie von den Empfehlungen abweichen (Explain) –, fordert Berlin mehr als nur eine „Entsprechensklausel“. So werden Erklärungen zu den einzel-nen Punkten des Berliner CGK in dem entsprechenden Muster aus den Beteiligungshinweisen explizit abgefragt, d.h. es ist eine ausführliche Er-klärung abzugeben, in der zu jedem einzelnen Punkt des Berliner CGK Stellung zu nehmen ist. Die Prüfung der Konformität des eigenen Han-delns mit den Regelungen des Berliner CGK wird bei einer „im Detail zu formulierenden Erklärung“ wesentlich nachhaltiger im Bewusstsein der Unternehmensorgane verankert. Der Abschlussprüfer hat mitzuteilen, ob er anlässlich seiner Prüfungen Unplausibilitäten bei der Beantwortung der Berliner CGK-Erklärungen durch Geschäftsleitung und Aufsichtsrat festgestellt hat. Selbstverständ-lich werden die Erklärungen von der Senatsverwaltung für Finanzen als Gesellschafter, der ja schließlich Adressat der Erklärungen ist, aus-gewertet. Die Erklärungen zum Berliner CGK sind (als Anlage) dem Lagebericht zum Jahresabschluss der Gesellschaften beizufügen und werden im

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Band 2 des jährlich erscheinenden Beteiligungsberichts des Landes Berlin veröffentlicht. Erste Erfahrungen zum Berliner CGK liegen vor: 2004: Im Jahr 2004 sollten 39 Unternehmen (von damals 62 direkten Beteiligungen) eine Erklärung zum Berliner CGK abgeben, elf Unter-nehmen haben keine bzw. eine unzureichende Erklärung (u.a. nur Entsprechensklausel) abgegeben. Die Auswertung der abgegeben Erklärungen zum Jahresabschluss 2004 hat ergeben, dass nur 4 % der Erklärungen eine bedeutende Ab-weichung zu den Formulierungen des Berliner CGK enthielten. Die meisten Schwierigkeiten bestanden im Bereich der Erklärung zu den Punkten Vorstandsvergütungen, im Bereich der Ausschussbildung des Aufsichtsrats (insb. Prüfungsausschuss), der fristgerechten Vorlage der Jahresabschlüsse und der Bearbeitung der Berliner CGK-Erklärung durch den Abschlussprüfer. 2005: Für 2005 haben von 40 betroffenen Unternehmen (von gesamt 60 direkten Beteiligungen) lediglich drei die Erklärung nicht abgegeben. In zwei von diesen Fällen ist der Berliner CGK aber eingeführt worden, und die Erklärungen sind für 2006 zu erwarten; in einem Fall hat das Land Berlin keine Mehrheitsbeteiligung, wird aber weiterhin auf die Einführung des Berliner CGK drängen. In diesem Zusammenhang ist auch auf das am 23. September 2005 vom Abgeordnetenhaus beschlossene Vergütungs- und Transparenzgesetz hinzuweisen. Dies soll zu einer regelmäßigen Veröffentlichung der Vor-standsvergütungen, aufgeteilt in alle Einzelkomponenten, in den Jahres-abschlüssen – erstmals für 2006 – führen. Im Bereich der Anstalten nach dem Berliner Betriebe-Gesetz gilt eine noch strengere Regelung; denn für diese gilt die Veröffentlichungspflicht sowohl für den Vorstand als auch für den Aufsichtsrat. Insgesamt betrachtet ist die Einführung des Berliner CGK gelungen; Berlin hat hier bundesweit eine Vorreiterrolle übernommen. Wie die Aus-wertungen gezeigt haben, muss an einigen Feinheiten bei manchen Ge-sellschaften noch gearbeitet werden, aber nach der Anlaufphase der Jahre 2004 und 2005 gehe ich davon aus, dass die Erklärungen für das Geschäftsjahr 2006 weitgehend zufriedenstellend ausfallen werden. Die Einführung des Berliner CGK trägt aus meiner Sicht nachhaltig zu einer verantwortungsbewussten Mentalität der Unternehmensorgane bei.

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Rudolf X. Ruter * Public Corporate Governance Kodex – Der Weg ist das Ziel Bereits im Jahr 2003 hat Ernst & Young in seinem ersten Handbuch zum Deutschen Corporate Governance Kodex1 die Frage nach der Notwen-digkeit eigener Grundsätze verantwortungsvoller Unternehmensführung für öffentliche Unternehmen gestellt. Im Rahmen eines Ernst & Young-Arbeitskreises „Public Corporate Governance“2 wurden seitdem bundes-weit regelmäßig Vertreter aus Politik und Verwaltung aus Kommunen und Kreisen eingeladen, um über Corporate Governance-Aspekte in der öffentlichen Hand zu diskutieren. 2005 wurde mit der Veröffentlichung „Public Corporate Governance – Ein Kodex für öffentliche Unter-nehmen“3 und in einer Veranstaltung gleichen Namens am 18. Novem-ber 2005 in Berlin diese Frage mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Verbänden und öffentlichen Unternehmen vertiefend erörtert. Ernst & Young hat bereits sehr früh empfohlen, in Anlehnung an den Deutschen Corporate Governance Kodex auch für den öffentlichen Be-reich ein Selbstregulativ von Vorschriften, Empfehlungen und Anregun-gen für die öffentliche Hand zu initiieren. Ein Kodex für öffentliche Unter-nehmen wäre ein Beitrag zur Qualitätssicherung der Unternehmens-führung, eine Leitlinie für die adäquate Wahrnehmung der Aufgaben in den Gremien sowie zur Vertrauensbildung und Transparenz sowohl gegenüber den Mitarbeitern der Verwaltung als auch gegenüber der Öffentlichkeit als Eigentümer. I. Funktion und Ziele eines Public Corporate Governance Kodex Ein Corporate Governance Kodex ist ein Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens. Übertragen auf den öffentlichen Bereich ist er ein Instrument zur Lösung eines wachsenden Steuerungs- und Kontrollproblems, das sich für die betroffenen Gebiets-körperschaften mit der Abkopplung öffentlicher Beteiligungen, der De-zentralisierung sowie der Verselbständigung ergeben hat. Er ist zudem

* Rudolf X. Ruter ist Partner der Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungs-

gesellschaft, Stuttgart. 1 Pfitzer u.a. (2005). 2 www.ey.com/Arbeitskreispcg 3 Ruter u.a. (2005).

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Bestandteil einer notwendigen Strategie, um Akzeptanz und Glaub-würdigkeit von Politik und Verwaltungen in Deutschland zurück zu ge-winnen. Er zielt deshalb nicht nur auf die öffentlichen Unternehmen, sondern auch auf die Kernverwaltung und hilft, Verantwortung sowie Accountability (Rechenschaftslegung) der beteiligten Politiker, Verwal-tungsexperten und Manager der öffentlichen Unternehmen zu stärken und transparent zu gestalten. In diesem Sinn erleichtert ein Kodex die Kommunikation zwischen Managern und Eigentümern/Stake-

holdern; die Qualitätssicherung und Vertrauensbildung; die Erhöhung der Standortqualität und die Wettbewerbsfähigkeit

sowie die Senkung der Transaktionskosten.

II. Prinzipien und Wirkungsweise eines Public Corporate

Governance Kodex Maßgeblich für die Entwicklung eines Corporate Governance Kodex im öffentlichen Bereich sollten die Erfahrungen aus dem Deutschen Corporate Governance Kodex sein. Die hohe Akzeptanz in der Privat-wirtschaft lässt erwarten, dass eine entsprechende Regelung für den öffentlichen Bereich ebenfalls zu einer hohen Umsetzungsgeschwindig-keit führen wird. Eine enge Anlehnung des möglichen Kodex für öffent-liche Unternehmen an den Deutschen Corporate Governance Kodex wird deshalb empfohlen. Aufgrund der Besonderheiten in der Anteilseignerstruktur und der unter-schiedlichen Ausgestaltungen, Ziele, Tätigkeitsfelder sowie rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene ist eine vollständige Übernahme des Deutschen Corpo-rate Governance Kodex jedoch nicht zielführend. Es sollte vielmehr ein Muster-Kodex entwickelt werden, den die Gebietskörperschaften als Grundlage nehmen, um anhand festgelegter Fragestellungen die für sie jeweils maßgeblichen Prozesse zu verbessern und entsprechende Ver-einbarungen zu dokumentieren. Wie der Deutsche Corporate Governance Kodex wäre der PCG-Kodex auf dem Prinzip der „Soll“-Empfehlungen und „Sollte“-Anregungen auf-

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zubauen sowie seine Befolgung in einer jährlichen Entsprechens-erklärung nach dem Prinzip „comply or explain“ zu dokumentieren. Das heißt, das Prinzip der Beweislastumkehr für die Nichtanwendbarkeit der Empfehlungen und Anregungen, wie es der Deutsche Corporate Gover-nance Kodex vorsieht, sollte auch für öffentliche Unternehmen gelten. III. Eskalations- und Sanktionsmechanismus Da der Kapitalmarkt als Sanktionsmechanismus für öffentliche Unter-nehmen nahezu ausfällt, kommt dem Prinzip „comply or explain“ eine be-sondere Bedeutung zu. Es wird jedoch als alleiniger Regulierungs-mechanismus nicht ausreichen. Deshalb geht das Land Berlin in seinem eigens entwickelten Public Corporate Governance Kodex darüber hinaus und fragt ausdrücklich Verhaltens- und Anwendungsklauseln im Einzel-nen ab. Diese Erklärungen fließen in den Lagebericht als Teil des Be-teiligungsberichts ein.4 Die Öffentlichkeit ist in ihrer Doppelfunktion Bürger und Eigentümer nicht mit den Sanktionsmechanismen ausge-stattet, die eine angemessene Kontrollfunktion gewährleisten. Einen wichtigen Transmissionsriemen bilden die Medien. Doch selbst wenn diese eine ausgewogene Balance von wirtschaftlicher, unternehmeri-scher und politischer Berichterstattung finden, bleiben die Wirkungen indirekt. Es wird deshalb im Vorfeld der Kodexformulierungen darauf an-kommen, die Sanktionsmechanismen im Falle der Nicht-Einhaltung des Kodex zu diskutieren und festzulegen. 1. Inhalte Ein Vorschlag für ein Muster eines Public Corporate Governance Kodex5 sollte beinhalten: Definition der Zielsetzung der öffentlichen Einheit, abgeleitet aus

einer Gesamtkonzeption der Gebietskörperschaft; Festlegung, in welcher Form Interessenträger, Organe und Personen

an Führung und Kontrolle beteiligt sind; Grundsätze über die Verhaltensweisen und die Zusammenarbeit der

Gremien/Organe bzw. deren Mitglieder; notwendig durchzuführende Maßnahmen und Prozesse; Zuständigkeiten;

4 http://www.berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/beteiligungen/bmc.html 5 Ruter u.a.(2005), S. 167 ff.

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Fachkompetenz; Vergütungssystem; Transparenz von Rollenkonflikten und politischen Bindungen; Konzeption eines Risikomanagements und Frühwarnsystems; interne und externe Informationspflichten; einheitliches und leistungsfähiges Rechnungs- und Berichtswesen; Verpflichtung zu wirtschaftlichem Handeln.

2. Zielgruppe Es wird empfohlen, den Kodex nicht auf private Rechtsformen zu be-schränken, sondern auch Anstalten des öffentlichen Rechts, Vereine und Stiftungen einzubeziehen. Im Bereich der Wohlfahrtspflege wurden hier bereits erste Schritte unternommen, um die sinnvolle Verwendung der Steuergelder zu dokumentieren. Diakonie und Caritas haben seitens des Verbandes für ihre Einrichtungen einen Corporate Governance Kodex entwickelt, deren Umsetzung nun intensiviert werden sollte.6 Mit diesem Schritt wären entsprechende Regelungen für den gesamtem Non-Profit-Bereich anzudenken. 3. Der Erstellungsprozess Die wesentlichen Beteiligten und Entscheidungsträger des öffentlichen Unternehmens aus den Bereichen Politik und Gemeinderat (z.B in Per-son der Fraktionsvorsitzenden), Verwaltungsspitze (z.B. in Person des Finanzbürgermeisters und des Kämmerers), Verwaltung (z.B. aus dem Bereich des Beteiligungsmanagements und der betreffenden Fach-ressorts), Aufsichtsrat der öGmbH (z.B. in Person des Aufsichtsratsvor-sitzenden und des AR-Ausschussvorsitzenden) und Geschäftsleitung der öGmbH (z.B. in Person des Sprechers der Geschäftsleitung und des kaufmännischen Leiters) sollten in gemeinsamen Sitzungen, basierend auf den für das Trägergemeinwesen gültigen Public-Governance-Regeln und den schriftlichen Zielvereinbarungen einen PCG-Kodex-Erstellungs-prozess einleiten und zur gegebenen Zeit die Ergebnisse rechtzeitig mit den für das öffentliche Unternehmen zuständigen Prüfungsgremien (z.B. Rechnungshof oder Gemeindeprüfungsanstalt, kommunales Rechnungs-prüfungsamt, bestellter gesetzlicher Wirtschaftsprüfer etc.) abstimmen.

6 Positionen und Konzepte aus EKD (2005).

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Als Ergebnis sollte ein schriftlicher PCG-Kodex in den zuständigen Gremiensitzungen verabschiedet und veröffentlicht werden – bei gleich-zeitiger Aktualisierung der entsprechenden Verfassungsregelungen. Hierbei ist insbesondere darauf zu achten, dass der PCG-Kodex nicht die Vorschriften des zwingenden Gesetzesrechts zur Unternehmens-verfassung wiederholt, sondern diese ausschließlich in überarbeiteten und aktuellen Verfassungsregelungen einbindet, wie zum Beispiel Ge-sellschaftsvertrag, Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, Geschäftsord-nung für die Geschäftsführung, Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat, Merkblatt für die Mitglieder von Aufsichtsgremien des öffentlichen Unter-nehmens, Hinweise für die Verwaltung von kommunalen Unternehmen des Trägergemeinwesens (i.e. umfangreiches Beteiligungshandbuch – beispielhaft sei hier das Bremer Beteiligungshandbuch genannt7). Weiterhin ist darauf zu achten, dass der PCG-Kodex nur die Regelungen enthält, die über das Gesetz hinausgehen oder das Gesetz in be-stimmter Weise ausfüllen (Empfehlungen). Somit wird der PCG-Kodex deutlich verkürzt und erleichtert die umfangreiche politische, verwal-tungsinterne und unternehmensinterne Gremienarbeit erheblich. Der PCG-Kodex sollte sich auf Vorschläge/Anregungen für gemeinwohl-orientiertes und unternehmenförderndes abgestimmtes Verhalten kon-zentrieren, das insbesondere von den zahlreichen (partei-)politischen, verwaltungs- und unternehmensorientierten Beteiligten eingefordert werden sollte. Hier ist insbesondere persönliches Verhalten zu nennen wie Verschwiegenheit und Unabhängigkeit (keine eigenen Interes-senskonflikte), und Kompetenz wie persönliche Fort- und Weiterbildung und Branchenwissen. IV. Die nächsten Schritte Wie auf diesem Symposium verkündet, hat das Bundesministerium der Justiz zusammen mit dem Bundesfinanzministerium in der laufenden Legislaturperiode einen gemeinsamem Arbeitskreis zur Entwicklung eines Public Corporate Governance Kodex eingerichtet. Die Ergebnisse der OECD Steering Group zur Erstellung von Corporate Governance Principles mit ihrer Working Group on Privatisation und Corporate Governance of State-Owned Enterprises sollen hierbei berücksichtigt werden.8

7 Vgl. www.bremen.de 8 www.oecd.org/document/42/0,2340,en_2649_34813_2048554_1_1_1_1,00.html

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Literaturverzeichnis EKD (2005): Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V.,

Diakonischer Corporate Governance Kodex (DGK) – mit Erläuterungen, 2005. Pfitzer u.a. (2005): Norbert Pfitzer, Peter Oser u. Christian Orth (Hrsg.), Deutscher

Corporate Governance Kodex – Ein Handbuch für Entscheidungsträger, 2. Aufl., Stuttgart 2005.

Ruter u.a. (2005): Rudolf X. Ruter, Karin Sahr u. Georg Graf Waldersee (Hrsg.), Public Corporate Governance – Ein Kodex für öffentliche Unternehmen, 1. Aufl., Wiesbaden 2005.

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Peter Eichhorn * Erste Konzepte eines Public Corporate Governance Kodex in der Praxis Die Diskussion im Workshop Die Referate mit der darauf folgenden Diskussion machten deutlich, dass die Thematik der Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft aktuell ist und der Workshop dazu bemerkenswerte Beiträge beizusteu-ern vermochte. Die drei Vortragenden sind in ihrer alltäglichen Praxis mit diesen und verwandten Fragestellungen konfrontiert und bewiesen ihre Kompetenz. Alle am gut besuchten Workshop Beteiligten interessierten sich für die spezifischen Probleme der Public Corporate Governance. Nach dem Referat von Ute Schäfer kamen die von ihr formulierten Erfah-rungen und Aussagen zur Sprache. Es wurde bestätigt, dass erhebliche Regelungsdefizite auf der strategischen Ebene kommunaler Unterneh-men existieren. Die Gründe dafür lägen in der komplexen Situation von Sach- und Formalzielen respektive von politischen Einflüssen und unter-nehmerischen Handlungsweisen. Private Unternehmen hätten es mit ihrem eindimensionalen Gewinnstreben, das weniger Zielkonflikten Raum gebe, leichter. Für einen Public Corporate Governance Kodex be-deutet dies, Regeln zu finden, die Ausgleiche – eine Art Balance – zwi-schen den unterschiedlichen Anforderungen herbeiführen. Als Orientie-rung könne der Principal-Agent-Ansatz helfen, wonach die Allgemeinheit als oberster Prinzipal, die Gemeindevertretung als Agent und zugleich oberer Prinzipal gegenüber dem Unternehmensmanagement als Agent auf der zweiten Stufe wirken sollten. Die Hierarchie ließe sich fortsetzen von den Managern zu den Mitarbeitern. Damit verbunden wären aber bislang ungeklärte Überschneidungen des Kommunalrechts mit dem Gesellschaftsrecht. Keine Antworten fand man auch auf folgende Fra-gen: Wie können die Bürger besser – und das heißt: verständlicher, also nicht abstrakt, sondern konkret – über die Zielsetzungen und die Zieler-reichung informiert werden? Können trotz großer regionaler – im Klar-text: kommunalpolitischer – Unterschiede einheitliche Regeln und Kenn-zahlen entworfen werden, um substanzielle Dialoge zwischen Politikern * Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn war Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschafts-

lehre, Public & Nonprofit Management der Universität Mannheim. Er ist Mitglied des Wissen-schaftlichen Beirats des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP (BVÖD) – zuvor der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft.

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im Stadtrat und in den Aufsichtsräten und den für die Beteiligungen bzw. Unternehmen verantwortlichen Geschäftsführern respektive Vorständen zu führen? Wie qualifiziert man Politiker und welches betriebs- und volkswirtschaftliche Rüstzeug müssen sie für ihre Ingerenz besitzen? Welche Informationspflichten sollten den Leitungsorganen gegenüber den Aufsichtsorganen der Eigengesellschaften und gemischtwirtschaft-lichen Unternehmen auferlegt werden? Den Schwerpunkt des Referats von Gabriele Thöne bildete das seit 2004 praktizierte Beteiligungsmanagement der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen. Thematisiert wurden die dadurch gestifteten Nutzen, in erster Linie der Bewusstseinswandel bei den beteiligten Abgeordneten, Mitglie-dern und Mitarbeitern des Senats und der Unternehmen. Er trüge zur Ausrichtung auf die Sache bei. Die profundere Argumentation dränge ideologische Standpunkte zurück. Berlin spiele bei dem Verhältnis zwi-schen Leitung und Überwachung eine Vorreiterrolle. Reibungen entstün-den durch die Vielzahl von einflusssuchenden bzw. einflussnehmenden Institutionen. Noch nicht optimal – so die Diskussion – seien die Zusam-menarbeit zwischen öffentlichen und privaten Partnern nach Teilprivati-sierungen, die Zielkonzepte auf kurze und weite Sicht sowie die Bericht-erstattung mit der Angabe von Soll-Ist-Abweichungen. Künftige Aufgabe eines Public Corporate Governance Kodex wäre es, verbindliche Leit-sätze für Interessenausgleiche festzulegen. Ein solches Regelwerk könnte als vertrauensbildende Maßnahme bei den Betroffenen wirken und der Effizienzsteigerung in der öffentlichen Wirtschaft dienen. Ange-sprochen wurden noch die Jahresabschlussprüfungen; dabei betonte man deren unerlässliche Unabhängigkeit und die Notwendigkeit einer erweiterten Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung. Bei dem Referat von Rudolf X. Ruter stand die Aussage im Vordergrund, dass letztlich nicht ein fertiger Kodex, sondern der Weg dorthin wesent-lich sei. Durch die Beratung der strukturellen und strategischen Unter-schiede zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen und ihren je-weiligen zuständigen Organen und Gremien lerne man Verantwortung (Responsibility) zu übernehmen und Rechenschaft (Accountability) zu legen. Unternehmensberater erfüllten hier eine wichtige Funktion als Initiatoren und Moderatoren. Die Diskussion verlief konsensual. Begrüßt wurde vor allem, dass der Beratungsprozess mit der Verpflichtung der Politik zur Zielsetzung beginnen muss, unmittelbar und mittelbar betei-ligte Institutionen und Personen einbeziehen und öffentlich, das heißt transparent, verlaufen soll. Auf Kritik stieß das mangelnde öffentliche Interesse für solche wegweisenden, die Allgemeinheit essenziell berüh-renden Aktivitäten bei manchen Behörden und Verbänden, die an sich

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an der Public Corporate Governance (unausgesprochen) und nicht evi-dent teilhaben. Als gemeinsames Ergebnis der Diskussionsbeiträge lässt sich resümie-ren, dass die Praxis in puncto Public Corporate Governance in einigen wenigen Regionen fortgeschritten ist, aber weite Bereiche der öffent-lichen Wirtschaft in Deutschland sich damit noch nicht genügend aus-einandersetzen. Zahlreiche grundlegende Fragen erfordern den wissen-schaftlichen Diskurs. Dabei geht es in erster Linie um plausible und stringente Argumente und nicht um die Durchsetzung von Partikularinter-essen.

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Workshop 2:

Public Corporate Governance im Spannungs- feld zwischen Eigentümern und Management öffentlicher Unternehmen

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Rainer Klemmt-Nissen* Gute Unternehmensführung und öffentliche Verantwortung In Ergänzung zu den Ausführungen von Senator Dr. Peiner möchte ich zunächst auf einzelne unserer Hamburger Erfahrungen eingehen, bevor ich auf das Tagungsthema mit einigen Thesen zu sprechen komme. I. Öffentliche Unternehmen in Hamburg Das Portfolio öffentlicher Unternehmen in Hamburg umfasst 72 unmittel-bare und 206 mittelbare Beteiligungen. In der Eröffnungsbilanz der Freien und Hansestadt Hamburg zum 1. Januar 2006 sind sie bei einer Bilanzsumme von insgesamt rd. 50 Mrd. € mit rd. 9,5 Mrd. € aktiviert – sie machen hiernach rd. 20 % des öffentlichen Vermögens aus. Ohne Kreditinstitute addiert sich die Bilanzsumme der Unternehmen selbst auf rd. 15 Mrd. €. In den Unternehmen arbeiten rd. 50.000 Beschäftigte – zum Vergleich sind 64.000 Mitarbeiter in der Kernverwaltung selbst beschäftigt. Neben Unternehmen, die auch in anderen Großstädten anzutreffen sind, stehen Beteiligungen wie HSH Nordbank AG, Hamburgische Wohnungs-baukreditanstalt, Hamburg Port Authority und Hamburger Hafen- und Logistik Aktiengesellschaft oder die Flughafen Hamburg GmbH. Indu-striepolitische Engagements wie Anteile an DCLRH (Daimler Chrysler Luft- und Raumfahrt Holding) bzw. zukünftig mittelbar an EADS oder der Beiersdorf AG sind die Ausnahme und eher auf begrenzte Zeit einge-gangen. Zahlreiche der wirtschaftlich bedeutenden Beteiligungen sind in die Konzernholding HGV Hamburgische Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsverwaltung mbH eingebracht, über die ein steuerlicher Querverbund realisiert werden kann. II. Beteiligungsberichterstattung und Rechnungslegung Was mich im Vortrag von Herrn Professor Budäus etwas überrascht hat, war seine These, „New Public Management“ habe zu intransparenten Strukturen geführt. Es gebe ein Spannungsverhältnis zwischen Verselb- * Dr. Rainer Klemmt-Nissen ist Leiter der Vermögens- und Beteiligungsverwaltung in der

Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg.

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ständigung und Dezentralisierung auf der einen und unserem Thema der Corporate Governance auf der anderen Seite. Mit Blick auf die vorge-legte Bilanz der FHH vermag ich dies für Hamburg nicht nachzuvollzie-hen. Im dortigen Anlagenspiegel und den Anhangsangaben findet sich eine umfassende Aufschlüsselung der Vermögenswerte. Wir werden dies in zwei Richtungen fortentwickeln: Zum einen soll die bisherige Beteiligungsberichterstattung auf eine Internet-Plattform übertragen und über Verknüpfungsmöglichkeiten mit den Geschäftsberichten und Inter-netauftritten der Unternehmen aussagekräftiger und aktueller gemacht werden. Zum anderen wird die FHH-Rechnungslegung fortentwickelt zu einer Konzernbilanz und auch Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung. Wir gehen davon aus, dass wir insofern das Zeitziel 2008 einhalten kön-nen. 1. Sinn und Zweck öffentlicher Unternehmen Mit der Angleichung von Organisationsstrukturen, insbesondere auch durch eine Gewinn- und Verlustrechnung in der Kernverwaltung, wird eine in der Vergangenheit oft zu beobachtende Motivation für Ausgliede-rungen aus der öffentlichen Verwaltung entfallen: die „Flucht aus der Kameralistik“. Dies dürfte dann auch den Blick schärfen für die Frage, welche positiven Gründe es für die unternehmensförmige Organisation von Dienstleistungen gibt, die von der öffentlichen Hand im weiteren Sinne erbracht werden. Im Kern dürfte es dabei um die Identifikation derjenigen öffentlichen Aufgaben gehen, die geringerer rechtsförmlicher Regulierung und parlamentarischer Kontrolle bedürfen und umgekehrt von unternehmerischer Flexibilität in besonderem Maß profitieren. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl von öffentlichen Unternehmen ihre Leistungen in Wettbewerbsmärkten erbringt, die sich nicht nur im nationalen und europäischen Rahmen zwischen Standorten, sondern vielfach auch vor Ort durch andere Anbieter ergeben, wie beispielsweise im Personennah-verkehr. Es verwundert daher nicht, dass etliche Zielsetzungen öffentlicher und privater Unternehmen sich entsprechen – beispielsweise die Sicherung und Steigerung des im Unternehmen gebundenen Kapitals. Mithin liegt es nahe, sie im öffentlichen Bereich an denselben Standards zu messen, wie sie für die Führung privater Unternehmen formuliert wurden. Hierzu gehören so selbstverständliche Stichworte wie professionelle Auswahl von Geschäftsleitungen

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Orientierung an hohen Maßstäben bei Rechnungswesen, Planung/Con- trolling, Risikomanagement und externer Kontrolle.

Eine Besonderheit in der Hamburger Erfahrung – darauf hat der Herr Senator Dr. Peiner schon hingewiesen – ist unsere Ausrichtung auf die Steuerung öffentlicher Unternehmen über Aufsichtsräte. Das ist nicht selbstverständlich. Ich kenne einige Kollegen aus Finanzressorts, die großen Wert auch auf die Gesellschafterrolle und die Möglichkeiten der Einflussnahme über die Gesellschafterversammlungen legen. In Anbe-tracht dieser Besonderheit in Hamburg an dieser Stelle noch einige Be-merkungen, weswegen wir dies für richtig halten: Das deutsche System der Trennung zwischen einer Geschäftsleitung auf der einen Seite und einem davon abgesetzten Aufsichtsorgan auf der anderen Seite erscheint uns eine gute Basis dafür zu sein, einerseits die Kompetenz und die Führung eines öffentlichen Unternehmens durch Geschäftsleitungen zu respektieren und andererseits aber in angemes-sener Weise Kontrolle auszuüben. Hierbei kann das Erfahrungswissen Externer neben der Sichtweise der Behörden eingebracht werden, die ihrerseits neben den jeweiligen politischen Leitungen auch Verwaltungs-mitarbeiter entsenden. Dies ermöglicht eine offene Diskussionskultur, auch mit Blick auf die Arbeitnehmerseite, die in den Aufsichtsräten zu-mindest drittelparitätisch vertreten ist. Aber bei aller Betonung der Rolle von Aufsichtsräten ist an dieser Stelle auch ein Blick auf die Hamburger politischen Strukturen zu werfen und darauf aufmerksam zu machen, dass letztendlich die Verantwortung des Senats gegenüber der Bürgerschaft zu wahren ist. Es ist für mich nicht vorstellbar, dass ein für ein Ressort zuständiges Senatsmitglied sich zu Fehlentwicklungen in einem öffentlichen Unternehmen damit entlasten könnte, dass er auf den Aufsichtsrat verweist. Deswegen legen wir auch entscheidenden Wert auf die klare Formulierung der Interessenlage des Gesellschafters gegenüber seinen Mandatsträgern im Vorfeld von Auf-sichtsratsitzungen. Derartige Hinweise vor Aufsichtsratsitzungen nehmen nichts weg von der Wichtigkeit von Debatten und Entscheidungen in die-sem Unternehmensorgan. Was vernünftigerweise verlagert worden ist an Verantwortung in ein öffentliches Unternehmen im betriebswirtschaft-lichen Sinne, wird auch am besten im Aufsichtsrat entschieden. Aber man muss auf der anderen Seite die politische Verantwortung für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben sehen, die dahinter steht und die Besonderheit bei öffentlichen Unternehmen ausmacht.

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2. Einbeziehung öffentlicher Interessen als Zielvorgaben Das führt uns zum eigentlich interessanten Thema: Wie werden diese öffentlichen Interessen als Zielvorgabe einbezogen? Es ist ja schon angeklungen, dass man sich zunächst über die primären Leistungsziele im Klaren sein muss, die ein öffentliches Unternehmen erfüllt. Diese unterliegen im Lauf der Zeit wechselnden Beurteilungen. Hieran knüpft Aufgabenkritik an, die letztendlich auch dazu führen kann, dass einzelne Unternehmen dann privatisiert werden. Es entspricht mittlerweile guter Praxis bei allen öffentlichen Händen, dass diese Ziele über Unternehmenskonzepte und mittelfristige Planun-gen letztlich im Wirtschaftsplan jährlich konkretisiert und dann einem Controlling unterworfen werden – auch im Sinne einer Outcome-Steue-rung. Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass bei öffentlichen Unternehmen die Schwierigkeiten weniger in der Verständigung auf die Unternehmens-ziele, sondern in der Vorgabe von Nebenzielen liegen. Beispielsweise liegt es bei einer beschäftigungspolitischen Initiative nahe, die öffent-lichen Unternehmen mit einzubeziehen und von ihnen besondere Bei-träge zu erwarten. Gleichermaßen werden im Rahmen der Mittelstands-förderung häufig Vorgaben formuliert, die bei Auftragsvergaben über die gesetzlichen Erfordernisse hinausgehen. In der Praxis entscheidet sich am Augenmaß in der Vorgabe derartiger Nebenziele, ob ein öffentliches Unternehmen erfolgreich wirtschaften kann. 3. Umgang mit Zieldualismen in der Praxis Wie gehen wir mit diesem Zieldualismus zwischen Betriebswirtschaft auf der einen Seite und politischen Vorgaben auf der anderen Seite prak-tisch um? Ein wesentlicher Punkt ist meines Erachtens, dass es eine Aufgabe der Exekutive – und nur der Exekutive – ist, öffentliche Ziele gegenüber Unternehmensleitungen zu konkretisieren. In der Konsequenz einer klaren Trennung der Funktionen „Regieren“ und „Kontrollieren“ in einem parlamentarischen Regierungssystem liegt es, demnach keine Abgeord-neten in Aufsichtsräte zu entsenden. Eine entsprechende Übung gibt es in Hamburg bereits seit Jahrzehnten. Über diesen klaren Trennstrich

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wird zwar zuweilen diskutiert – aber bislang haben alle Senate unabhän-gig von ihrer politischen Farbe an dieser Differenzierung festgehalten. Innerhalb der Verwaltung gibt es gleichermaßen einige Strukturen, die für eine good governance öffentlicher Unternehmen wesentlich sind. Die erste Selbstverständlichkeit ist, dass die spezifisch öffentlich-rechtlichen Themen auch wirklich von den Beteiligungsthemen durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen in der Verwaltung ferngehalten werden müssen. Es kann beispielsweise nicht sein, dass derjenige, der mit der Krankenhausfinanzierung über das KHG als öffentliche Mittelvergabe zu tun hat, gleichzeitig befasst ist mit der Beteiligungssteuerung eines öffentlichen Krankenhauses. Ferner: Wie tarieren sich Fach- und Finanzinteressen aus? Hier muss ein Abstimmungsmechanismus gefunden werden, wie auftretende Inter-essengegensätze vor Aufsichtsratsitzungen geklärt werden. Es kann nicht angehen, dass ein Vertreter des Finanzressorts in einer ihm wichti-gen Frage von einer Mehrheit überstimmt wird, die fachlich etwas ande-res will. In Hamburg haben wir die Regelung gefunden, dass dann eher ein Tagesordnungspunkt vertagt und der Konflikt senatsintern ausgetra-gen wird. Bei unterschiedlicher Artikulation öffentlicher Interessen sind andernfalls Geschäftsleitungen frei, sich diejenigen als maßgeblich her-auszusuchen, die für sie in ihre eigene Geschäftspolitik passen. 4. Öffentliche Verantwortung Wenn man sich dem Thema Public Corporate Governance nähert, ist nicht zu übersehen, dass sich anders als bei privatwirtschaftlichen Unter-nehmen die Unternehmensaufsicht nicht beschränkt auf Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Der Shareholder öffentlicher Unternehmen fordert Rechenschaft in Räten und Parlamenten – und er hat zugleich die Rolle eines Stakeholders, der andere als Kapitalinteressen verfolgt. Dieser Unterschied zu privaten Unternehmen macht es zum einen schwierig, Funktionen klar zu trennen, um Corporate Governance zu ermöglichen. Andererseits relativiert er etwas die Bedeutung dieser Regeln, über die hinaus es bei privaten Unternehmen keine weiteren Kontrollmechanis-men mehr gibt. Aus der Hamburger Erfahrung ist die Geltendmachung parlamentari-scher Verantwortung nicht gering zu schätzen. Kontrolle wird von Abge-ordneten durchaus wahrgenommen – sei es in Kleinen Anfragen, in Aktenvorlagen, in Erörterungen insbesondere im Haushaltsausschuss

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oder in einem von ihm eingesetzten Unterausschuss für Vermögen und öffentliche Unternehmen. In der Öffentlichkeit handelnde Abgeordnete stoßen hierbei zwar des Öfteren auf die Schwierigkeit, Unternehmens-interna wegen der zu wahrenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht ohne weiteres in der Öffentlichkeit diskutieren zu können. Die Ge-schäftsordnung erlaubt aber vertrauliche Erörterungen, wo im Detail einem Aufklärungsbedürfnis Rechnung zu tragen ist. 5. Public Corporate Governance Kodex Abschließend noch ein paar Worte direkt zum Thema der Tagung: Man könnte ja den Versuch machen, einen Public Corporate Governance Kodex recht einfach zu definieren. Man nimmt den existierenden der Cromme-Kommission, streicht sämtliche Passagen, die mit der Börsen-notierung eines Unternehmens zu tun haben und addiert die Spezifika des öffentlichen Bereichs. Dann müsste man doch zu einem tragfähigen Ergebnis kommen? Aus meiner Sicht ist hier ein Fragezeichen zu setzen. Ich glaube, dass in der Diskussion häufig die unterschiedliche Struktur der jeweiligen öffent-lichen Hand in Deutschland übersehen wird. Dies beginnt schon mit wesentlichen Unterschieden zwischen öffentlichen Unternehmen im Eigentum von Bund oder Ländern auf der einen Seite und denjenigen, die von den Kommunen gehalten werden, auf der anderen Seite. Die Gemeindeverfassungen sprechen da teilweise eine völlig andere Spra-che als etwa die verfassungsrechtlichen Vorgaben in Hamburg. Wie man an den einzelnen Stichworten gesehen hat, hat dies einen ganz wesent-lichen Ausfluss auf die Möglichkeit politisch Verantwortlicher, Vorgaben klar zu definieren und dafür auch einzustehen. Ich fand folgenden Bei-trag vom Podium bemerkenswert: Wenn es denn so sei, dass die Ge-meindeordnungen teilweise einer guten Corporate Governance entgegen-stünden, müssten sie konsequenterweise insofern geändert werden. Das ist genau der Punkt. Man tut sich meines Erachtens keinen Gefallen da-mit, Grundsätze aufzuschreiben auf einem Abstraktionsniveau von OECD-Guidelines, zu denen jeder nur Zustimmung signalisieren kann, wenn dabei übersehen wird, dass die Umsetzbarkeit für die jeweilige öffentliche Verwaltung für die politisch Verantwortlichen auf den ver-schiedenen Stufen unseres föderalen Aufbaus sehr unterschiedlich ist. Und deswegen möchte ich meine Kommentierung mit der provokanten These schließen: Es ist sicher sinnvoll, die jeweiligen Regelwerke an den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex zu messen

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und gegebenenfalls zu ändern. Zur Erhöhung der Transparenz mag es auch sinnvoll sein, die bisher verwaltungsinternen Richtlinien zu veröf-fentlichen. Aber es wird schwer werden, an den für Corporate Gover-nance in der Praxis wesentlichen Stellen zu übereinstimmenden Formu-lierungen zu kommen, die übergreifende Gültigkeit für alle Gebietskör-perschaften in Deutschland haben können.

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Ludger Sander * Public Corporate Governance im Spannungsfeld zwischen Eigentümern und Management öffentlicher Unternehmen bei dem Thema Public Corporate Governance geht es um mehr als die Offenlegung der Bezüge der Geschäftsführer. Im Mittelpunkt steht die verantwortungsvolle Steuerung und Kontrolle von Unternehmen und vor allem das Transparentmachen von Unternehmensentscheidungen. I. Ausgangssituation für die Kommunen heute Mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex in der aktualisierten Fassung vom 12. Juni 2006 steht für börsennotierte Aktiengesellschaften ein umfassendes Kompendium von Regeln und international anerkann-ten Standards zur guten und verantwortungsvollen Unternehmens-führung zur Verfügung. Dieses Regelwerk strahlt auf alle privatwirt-schaftlichen Unternehmen aus, soweit die Regelungen übertragbar sind. Für die öffentlichen Unternehmen stellen sich nun mindestens zwei Fragen, nämlich ob ein solcher Kodex auf die Staatswirtschaft über-tragen werden sollte und kann und, wenn diese Frage positiv beantwor-tet wird, in welcher Form dies geschehen kann, also ob der Corporate Governance Kodex das Vorbild oder nur eine Vorlage für die kommuna-len Unternehmen darstellt. Lassen Sie mich diese zwei Fragestellungen zunächst getrennt behandeln, auch wenn im weiteren Verlauf deutlich werden wird, dass die Antworten sich nur zusammen geben lassen. Dies liegt daran, dass die Diskussion um die Schaffung eines spezifischen Public Corporate Governance Kodex (PCGK) aus unterschiedlichen Motiven von Akteuren mit unterschiedlichen Ausgangspositionen und Interessenlagen geführt wird. Daher müssen die Urteile über die Sinn-haftigkeit oder sogar Notwendigkeit eines solchen PCG unterschiedlich ausfallen. Damit sind wir mitten in der Thematik unseres Workshops, nämlich das Spannungsfeld zwischen den Eigentümern und dem Management öffentlicher Unternehmen auszuloten. Es geht bei der Einführung von Corporate Governance letztlich um den Interessenausgleich von Eigen-tümern und Unternehmensführung, der sich nicht zulasten des Eigen-

* Prof. Dr. Ludger Sander ist Kämmerer der Bundesstadt Bonn.

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tümers verschieben darf. Und hier zeigt sich auch der grundlegende Unterschied zur Diskussion um den Corporate Governance Kodex für Aktiengesellschaften in privater Hand. Während dort die Akteure – Vor-stand und Aufsichtsrat auf der einen Seite, die Aktionäre in der Haupt-versammlung auf der andere Seite – sowie die Rechnungslegungs-vorschriften und die Verfahren zur Entscheidungsfindung relativ ein-deutig beschreibbar sind, ist dies bei den öffentlichen Unternehmen nicht ohne weiteres leistbar. Hier sind das Rollenverständnis und auch das Anforderungsprofil bei den Akteuren anders als in der Privatwirtschaft, auch wenn die Abläufe – oberflächlich betrachtet – identisch sind. Dies hat zur Konsequenz, dass eine einfache Übertragung von Regeln und Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex auf kommunale Unternehmen ohne Berücksichtigung der spezifischen rechtlichen und insbesondere politischen Rahmenbedingungen nicht möglich sein wird. Dies gilt auch für die Adaption internationaler oder europäischer Vor-gaben, die an unser Rechtssystem, noch mehr aber an die spezifisch deutschen Formen der Erledigung öffentlicher Aufgaben angepasst wer-den müssen. II. Worin besteht nun die spezifische kommunale Heraus-

forderung? Die kommunalen Beteiligungsunternehmen wollen wirtschaftlich frei agieren und sich primär den wirtschaftlichen Spielregeln unterwerfen. Dabei nutzen sie aber sehr gerne die Vorteile, die ihnen die öffentliche Eigentümerstruktur und die spezifischen Betätigungsfelder bieten. Hier-bei stellt sich die häufig genutzte Begründung für formale Privatisierun-gen im Nachhinein oft als problematisch heraus, nämlich dass ein „poli-tikfreies Agieren“ zu höherer Effizienz der Aufgabenerledigung führt. Da-bei wird die eigentliche Aufgabenstellung, die Erfüllung eines öffentlichen Zwecks, sehr oft in den Hintergrund gedrängt. Die städtischen Gremien erwarten hingegen eine Einbindung und sogar Unterordnung der Beteili-gungen in die gesamtstädtischen Interessen und beklagen oft das zu starke Eigenleben der Unternehmen. Kurz gefasst lässt sich dieser Gegensatz so beschreiben: Position der Unternehmer: Das Unternehmen ist gegründet worden,

um frei agieren zu können und damit ein wirtschaftlicheres Verhalten möglich ist. Außerdem sind die Beteiligten in den Gremien zur Ver-schwiegenheit verpflichtet.

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Position der Gesellschafter: Die Beteiligungen führen ein zu starkes Eigenleben, es fehlt die notwendige Information über ihre Tätigkeit, obwohl die Öffentlichkeit einen Anspruch hat, das dortige Tun zu kennen. Wenn Informationen kommen, werden sie häufig zu spät ge-geben. Es gibt oft keine hinreichend koordinierten Entscheidungen zwischen Gesellschafter und Beteiligungen.

Weiterhin ist zu beachten, dass es im öffentlichen Bereich i.d.R. komple-xere Zielsetzungen als im privaten Bereich gibt, wo man sich an wenigen Indikatoren (z.B. Gewinnmaximierung, Umsatzmaximierung) orientieren kann. Wenn man dieses Spannungsfeld auflösen will, ist die Definition eines PCGK im Sinne der Schaffung von „anerkannten Spielregeln“ ein ver-nünftiger Weg. Genauso wie die Vereinbarung von Spielregeln erst einen geordneten Spielverlauf ermöglicht, ist die Grundanforderung an die PCG, dass sie von allen Akteuren anerkannt und natürlich eingehalten wird. Wer sind nun diese Akteure und wie ist ihr Verhältnis zu den Spiel-regeln? Auf der Unternehmensseite sind dies wie in der Privatwirtschaft zunächst einmal die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat. Diese „duale Füh-rung“ ist aber in kommunalen Unternehmen oft dadurch gekennzeichnet, dass die Aufsichtsräte in ihrer Zusammensetzung (ohne Berücksichti-gung der Arbeitnehmervertreter) ein getreues Abbild der Mehrheits-verhältnisse des jeweiligen Stadtrats darstellen, mit jeweiligen Verände-rungen bei politischen Mehrheitswechseln. Darüber hinaus finden oft zahlreiche weitere mehr oder weniger politische Einflussnahmen über Beiräte und/oder Kuratorien statt. Auf der Eigentümerseite ist das Bild noch bunter. Hinter den institutiona-lisierten Entscheidungsgremien Hauptversammlung und Gesellschafter-versammlung steht der Rat mit seinen Ausschüssen (also Politik), der seine Vertreter (Politik und Verwaltung) in diesen Gremien anweist, be-stimmte Entscheidungen herbeizuführen. Mit der Verwaltung als ausfüh-rendem Organ politischer Beschlüsse tritt ein neuer Akteur auf den Plan, der in den privatwirtschaftlichen Unternehmen keine Rolle spielt. Ein nicht zu unterschätzender Einfluss kommt weiteren Beteiligten zu, die sozusagen „auf der Zuschauertribüne“ sitzen, weil sie ohne Mandat agie-ren: Das sind Bürger, Presse, Verbände, Vereine, also insbesondere or-ganisierte Interessen verschiedener Art.

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Anhand dieser Darstellung wird deutlich, dass bei öffentlichen Unter-nehmen der Willensbildungsprozess eben nicht nur in Unternehmens-gremien abläuft, sondern von einer politischen Diskussion begleitet wird und m.E. auch begleitet werden muss. Die Begründung hierfür liegt in der Aufgabenstellung und der Finanzierung öffentlicher Unternehmen, wobei mit öffentlichen Unternehmen solche gemeint sind, die in öffent-lich-rechtlicher oder privatwirtschaftlicher Rechtsform organisiert sind, mit einer Kapitalmehrheit in öffentlicher Hand. Für diese Unternehmen wird nach der Gemeindeordnung die Erfüllung eines öffentlichen Zwecks als Hauptziel des Unternehmens vorgegeben, wobei der öffentliche Zweck nur politisch begründbar und kontrollierbar ist. Finanziert werden öffentliche Unternehmen, wenn sie nicht ohnehin auf-grund besonderer Umstände privilegiert sind, oft durch Zuwendungen ihrer Träger. Diese Bezuschussung ist notwendig, weil die Produkte die-ser Unternehmen am Markt meist nicht kostendeckend abgesetzt wer-den können. Anders als bei der Aktiengesellschaft in Privathand, wo der Eigentümer jederzeit seinen Anteil verkaufen kann und mit dem Markt bei fehlender Rentierlichkeit ein überaus scharfer Sanktionsmechanis-mus vorhanden ist, ist der kommunale Eigentümer i.d.R. an seine Unter-nehmen bzw. an die damit verbundene Zwecksetzung gebunden. Dar-über hinaus erzielt er mit Ausnahme von Ver- und Entsorgungsdienst-leistungen i.d.R. keine Gewinne, sondern Verluste, wenn der spezifisch öffentliche Zweck ernst genommen wird. Der Ausgleich durch Steuer-mittel ist nur durch diese Zweckerfüllung begründbar und erfordert ebenfalls die politische Überwachung und Steuerung der Unternehmen. Die öffentlichen Unternehmen haben im Wesentlichen den Auftrag zur Daseinsvorsorge im kommunalen Raum. Sie betreiben damit nicht in erster Linie Gewinnmaximierung, sondern sichern die Ver- und Entsor-gung mit lebensnotwendigen Gütern wie Strom, Gas, Wasser und den öffentlichen Personennahverkehr. Im öffentlichen Bereich steht deshalb der öffentliche Zweck im Vorder-grund, und es ist nicht möglich, wenn bestimmte Geschäftsfelder wirt-schaftlich notleidend werden, diese einfach aufzugeben. Im privaten Be-reich verlangt der Aktionär oder Gesellschafter eine bestimmte Rendite, wobei es ihm relativ egal ist, wie diese Rendite erzielt wird. Er wird sich grundsätzlich nicht dagegen wehren, wenn andere Geschäftsfelder als bisher, die eine höhere Rendite versprechen, erschlossen werden. Dem-gegenüber steht bei der öffentlichen Hand für die Vertreter der Kom-mune die Erfüllung öffentliche Aufgaben im Vordergrund.

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Darüber hinaus sind die Kommunalpolitiker „ihren“ Unternehmen auch deshalb besonders verbunden, weil diese historisch oft Teil der Verwal-tung waren. Hierin liegt auch die überaus starke Berücksichtigung von Mitarbeiterinteressen begründet, bis hin zur wirtschaftlichen Bestands-garantie (Kündigungsschutz etc.) bei Unternehmensveränderungen. III. Wie wird die politische und wirtschaftliche Unternehmens-

steuerung gewährleistet? Für die Unternehmenssteuerung ist es notwendig, die demokratisch ge-wählten Vertreter (bzw. die zugeordneten Verwaltungsstellen) in die Lage zu versetzen, die städtischen Beteiligungen zu steuern. Diese Steuerung kann nicht im Rahmen der politischen Haushaltsplanberatun-gen erfolgen, sondern bedarf anderer Instrumente. Das Mittel zur Steuerung öffentlicher Unternehmen ist das Beteiligungs-controlling der Kommune. Das Beteiligungscontrolling unterstützt die Verwaltungsführung und die Politik bei der Steuerung von Beteiligungen und kontrolliert und informiert, ob und wie die Gesellschaften die ge-setzten Ziele erreichen. Ich möchte deshalb im Folgenden einmal darstellen, wie dieses Beteili-gungscontrolling in Bonn angelegt ist. Dabei dürfte deutlich werden, dass eine Vielzahl von Regelungen und Grundsätzen eines spezifischen kommunalen Public Corporate Governance Kodex bereits vorgedacht ist, aber noch geordnet und allgemein gültig ausformuliert und anerkannt werden müsste. 1. Instrumente des Beteiligungscontrollings bei der Bundesstadt

Bonn Das Beteiligungsmanagement ist bei der Bundesstadt Bonn der Kämme-rei zugeordnet. Für die Ausgestaltung des Beteiligungscontrollings wurde ein Ratsbeschluss eingeholt, der folgendes Instrumentarium beinhaltet: a) Quartalsberichterstattung Zur Einführung eines einheitlichen Berichtswesens wurden standar-disierte Berichtsformulare entwickelt, die unterjährig Auskunft geben sollen zu:

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der aktuellen wirtschaftlichen Lage im Vergleich zum Wirtschaftsplan und zum Vorjahr (Gewinn- und Verlustrechnung)

der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung mit ihren voraussichtlichen Auswirkungen auf das Gesamtjahr (Erwartungsrechnung)

den Ursachen von Abweichungen und möglichen Steuerungsalterna-tiven

Chancen und Risiken und deren Eintrittswahrscheinlichkeit dem Stand der Investitionstätigkeit mit Begründung evtl. Abweichun-

gen zum Plan (Investitionsplan) Leistungskennzahlen.

Ein besonderer Augenmerk wird bei der Berichterstattung auf die er-gebnisorientierte Analyse gelegt, d.h. dass Planabweichungen erläutert werden und darüber hinaus auch deren Wirkung auf das voraussichtliche Jahresergebnis kommentiert wird. Zusätzlich müssen durch die Gesellschaften Chancen und Risiken herausgearbeitet werden, damit Signale für zukünftige Entwicklungen rechtzeitig erkannt werden können. b) Wirtschaftsplan als zentrales Element zielgerichteter Steuerung Durch die Verlagerung von kommunalen Aufgaben auf Beteiligungs-gesellschaften muss gewährleistet sein, dass eine Steuerung sowie Kontrolle durch die Kommune systemisch implementiert ist (§§ 107 f. Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen). In diesem Zusammenhang stellt der Planungsprozess ein bedeutendes Instrument der inhaltlichen Einflussnahme durch die Kommune dar. Der Planungsprozess beginnt auf der Ebene der Beteiligungsgesell-schaft. Als Planungsinstrument wird durch die Beteiligungsgesellschaft eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine Finanzbedarfs-rechung erstellt (mehrjährig). Darüber hinaus ist eine mehrjährige Dar-stellung der Investitionen sowie von Finanz- und Leistungskennzahlen notwendig. c) Mandatsbetreuung und Information der Kommunalpolitik/

Vorbereitung von Gremiensitzungen Im Rahmen der Mandatsbetreuung werden die von der Bundesstadt Bonn entsandten Mitglieder in Aufsichtsgremien fachlich unterstützt.

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Das Beteiligungsmanagement bereitet Stellungnahmen zu Beschluss-vorlagen für Aufsichtsratssitzungen und Gesellschafterversammlungen für die Gremienmitglieder vor. Diese jetzt noch sehr stark betriebswirt-schaftlich ausgerichteten Stellungnahmen sind als zusätzliche Infor-mation für die Gremienmitglieder zu sehen, damit sie sich so ergänzend zur Beschlussvorlage der Unternehmensführung informieren und auf die Sitzung vorbereiten können sowie die gesamtstädtische Sicht stärker im Blickfeld haben. Daneben hat der Kämmerer und/oder die Beteiligungs-verwaltung das Recht, an allen Aufsichtsratssitzungen mit beratender Stimme teilzunehmen. Außerdem wird dem Rat und seinen Aus-schüssen jährlich ein Beteiligungsbericht vorgelegt. Diese drei Komponenten bilden zunächst die Basis für die Steuerung von Beteiligungen. Zurzeit werden weitere konzeptionelle Maßnahmen innerhalb der Verwaltung entwickelt, die im Anschluss mit der Politik diskutiert werden sollen. Dabei stehen folgende Eckpunkte im Zentrum der Diskussion: (1) Ein stark diversifizierter „Konzern Stadt“ bedingt eine differenzierte strategische Ausrichtung, in deren Rahmen strategische Zielvorgaben formuliert und jährlich aktualisiert werden müssen. Dies kann durch die Einrichtung von Workshops zur Festlegung von strategischen Zielen für die Beteiligungen erfolgen. (2) Da die städtischen Gesellschaften vorrangig nicht gewinnorientiert agieren, ist es notwendig, alternative Leistungskennzahlen zu ent-wickeln. Entsprechend sollen im Rahmen der Wirtschaftsplanung indi-viduelle Zielvereinbarungen mit den Gesellschaften getroffen werden, die sich an den strategischen Gesamtzielen der Stadt ausrichten. (3) Einrichtung eines Beteiligungsausschusses als Informationszentrum für die Politik und zur Vorbereitung der Beschlussfassung der Wirt-schaftspläne und Jahresabschlüsse, aber auch zur Dokumentation der Performance der Beteiligungsgesellschaften. (4) Einführung von Geschäftsordnungen für die Beteiligungsgesellschaf-ten als Ergänzung zum Gesellschaftsvertrag zur Erhöhung der Einfluss-nahme auf bestimmte Geschäftsvorfälle. (5) Die Gremienmitglieder der öffentlichen Unternehmen sind im Allge-meinen Vertreter aus der kommunalen Politik. Diese stehen naturgemäß in einem Spannungsverhältnis, da sie einerseits gemäß GmbH- und Aktiengesetz bestimmten Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflichten

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gegenüber dem Unternehmen unterliegen und vornehmlich seinen Inte-ressen verpflichtet sind, andererseits vertreten sie aber auch die gesamt-städtischen Interessen. Neben fachlichen Anforderungen soll auch diesem Konflikt durch bedarfsorientierte Schulung von städtischen Ver-tretern in Aufsichtsräten und anderen Gremien Rechung getragen werden. (6) Wie auch in der freien Wirtschaft schon längst eine Selbstverständ-lichkeit, könnten künftig zur Verbesserung der Steuerung auch leistungs-orientierte Komponenten in die Verträge für die Geschäftsführer/Vor-stände der Beteiligungsgesellschaften aufgenommen werden. (7) Teilnahme der Beteiligungsverwaltung an Jahresabschluss-Gesprä-chen. (8) Perspektive 2010: Vorbereitung des konsolidierten Konzernab-schlusses für die Bundesstadt Bonn im Rahmen des Neuen Kommu-nalen Finanzmanagements. Diese Aufzählung macht deutlich, dass es bereits eine Fülle von An-sätzen in der Praxis für einen kommunalen PCG-Kodex gibt und dass diese Regelungen und Anforderungen für die kommunale Politik und Verwaltung auch dringend notwendig sind. Damit sind die zwei Aus-gangsfragen m.E. beantwortet. Ja zum PCG, aber in Umfang und Form ein den kommunalen Erfordernissen entsprechender Kodex. Das heißt, ein solcher Kodex – und dies möchte ich besonders betonen – darf nicht durch den Gesetzgeber festgelegt, sondern muss durch die Kommunen im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung aufgestellt und ausge-staltet werden. Wichtig ist, dass man die jeweiligen Regelungen niederschreibt und von Verwaltungsvorstand und Rat beschließen lässt, damit sie die notwen-dige Verbindlichkeit erhalten. Beim Vorhandensein solcher Regelungen findet die Steuerung auch nicht derart statt, dass sie von Zufälligkeiten (z.B. Verhältnis zwischen Geschäftsführung, Aufsichtsratsmitgliedern, Beteiligungsverwaltung) abhängen.

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Hermann Janning * Public Corporate Governance Kodex für kommunale öffentliche Unternehmen? I. Der Deutsche Corporate Governance Kodex 1. Historie und Inhalte Am 26. Februar 2002 wurde der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) für börsennotierte Gesellschaften durch die von der Bundes-ministerin für Justiz im September 2001 eingesetzte Regierungskommis-sion verabschiedet. Die weiterentwickelte Fassung vom 12. Juni 2006 stellt die dritte inhaltliche Anpassung des Ursprungstextes im fünften Praxisjahr dar. Der Kodex besitzt über die Entsprechenserklärung gemäß § 161 Aktiengesetz, die durch das am 26. Juli 2002 in Kraft getretene Transparenz- und Publizitätsgesetz eingefügt wurde, eine gesetzliche Grundlage. Gute Corporate Governance gewährleistet verantwortliche, qualifizierte, transparente und auf den langfristigen Erfolg ausgerichtete Unterneh-mensführung und soll das Vertrauen von Aktionären und Investoren in den Kapitalmarkt stärken. Kennzeichen guter Corporate Governance sind:

effiziente Unternehmensleitung

Wahrnehmung der Interessen der Aktionäre/Anteilseigner

zielgerichtete Zusammenarbeit von Unternehmensleitung und -über-wachung

Transparenz in der Unternehmenskommunikation

angemessener Umgang mit Risiken

Ausrichtung der Managemententscheidungen auf langfristige Wert-schöpfung.

* Dr. Hermann Janning ist Vorsitzender des Vorstandes der Stadtwerke Duisburg AG, Duisburg.

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2. Akzeptanz und Umsetzung: Kodex-Report des Berliner Center of Corporate Governance

Auskunft über Akzeptanz und Umsetzung des DCGK gibt der Kodex-Report des Berlin Center of Corporate Governance. Der Bericht für das Jahr 2006 basiert auf der Befragung sämtlicher 671 im Jahr 2006 an der Frankfurter Wertpapierbörse notierter Gesellschaften. Die Auswertung der verwertbaren 200 Fragebögen ergab eine durchschnittliche Befol-gungsquote der Kodex-Empfehlungen von 81,9 %; das sind 67,2 der derzeit gültigen 82 Empfehlungen. Die Befolgsquoten von Empfehlungen steigen mit der Unternehmensgröße und variieren zwischen den Börsen-indizes und -segmenten. Während im DAX eine durchschnittliche An-wendungsquote von 95,3 % der Kodex-Empfehlungen festgestellt wer-den konnte, liegt diese im General Standard lediglich bei 69,1 %. Von den insgesamt 19 Kodex-Anregungen werden durchschnittlich ca. 11,6 Anregungen beachtet; das sind 60,8 %. Drei DAX-, ein MDAX- und ein weiteres Unternehmen des Prime Standard entsprechen bereits heute allen 19 Anregungen. Generell weisen die Befolgungsquoten bei den Empfehlungen und Anregungen aus den alten Kodex-Fassungen von 2002 und 2003 noch nennenswerte Zuwachsraten auf. Die Akzep-tanz der Empfehlungen und Anregungen des Kodex hat sich auch im Jahr 2006 weiter verbessert. II. Besonderheiten kommunaler Unternehmen Bei den öffentlichen Unternehmen ist zu unterscheiden zwischen den staatlichen Unternehmen, also den Unternehmen der Länder und des Bundes, und den kommunalen Unternehmen. Die strategische Ausrich-tung öffentlicher Unternehmen weist gegenüber privaten Unternehmen eine höhere Komplexität auf: Die Zielstruktur ist vielfältiger; die Zielorien-tierung kann in einer Renditeorientierung oder in der Orientierung an Bürgernutzen bzw. Daseinsvorsorge bestehen. Besonderheiten können bestehen im steuerlichen Querverbund, im Nebeneinander von Mono-polbereichen und Wettbewerbsbereichen sowie in Gemengelagen bei Beteiligung Privater in Form von Public Private Partnership (PPP). Eine Besonderheit besteht auch darin, dass aufgrund heterogener Anteilseig-nerstruktur und der Struktur der Willensbildung der Anteilseigner häufig kein homogener Anteilseignerwille deutlich wird. Eine weitere Besonder-heit speziell kommunaler öffentlicher Unternehmen ist die zusätzliche Regelungsdichte, und zwar allgemein durch Regulierung, Preisaufsicht, Vergaberecht, Kommunalrecht, EU-Verordnung usw. sowie speziell

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– kommunalrechtlich – durch Gemeindeordnung, Haushaltsgrundsätze-gesetz usw. Die spezielle zusätzliche Regelungsdichte soll an zwei Beispielen illu-striert werden: Beispiel 1: Gemeindeordnung NRW Gehören einer Gemeinde mehrheitlich, also zu mehr als 50 %, die An-teile eines Unternehmens, muss sie nach § 108 Abs. 2 der Gemeinde-ordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) darauf hinwirken, dass für jedes Wirtschaftsjahr ein Wirtschaftsplan aufgestellt wird, eine fünfjährige Finanzplanung zugrunde gelegt und der Gemeinde

zur Kenntnis gebracht wird, der Jahresabschluss und der Lagebericht ausgelegt werden und in

der Bekanntmachung auf die Auslegung hingewiesen wird, zur Einhaltung der öffentlichen Zwecksetzung und zur Zweckerrei-

chung Stellung genommen wird, nach den Wirtschaftsgrundsätzen verfahren wird.

Wirtschaftsgrundsätze nach § 109 GL NRW sind die nachhaltige Erfül-lung des öffentlichen Zwecks, die Erzielung eines Beitrags für den Haus-halt der Gemeinde sowie mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals. Beispiel 2: Haushaltsgrundsätzegesetz Das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) enthält einen tiefen und detail-lierten Katalog für Prüfungen durch den Abschlussprüfer, dessen Ergeb-nisberichte der Gemeinde und ihrem Rechnungsprüfungsamt sowie den Kontrollorganen (Aufsichts- oder Verwaltungsrat der Gesellschaft) zur Verfügung gestellt werden. Es handelt sich dabei um insgesamt 21 Fragenkreise mit ca. 100 Fragen. Dazu gehören: Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführungsorganisation

(Überwachungsorgan und Geschäftsleitung: Zusammensetzung, Tätig-keit und Regelungen)

Ordnungsmäßigkeit des Geschäftsführungsinstrumentariums (Organisation, Planungswesen, Rechnungswesen, IT und Controlling, Risikofrüherkennungssystem, Interne Revision)

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Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführungstätigkeit (zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, Bericht-erstattung, Investitionen, Auftragsvergabe)

Vermögens- und Finanzlage (Finanzierung, ungewöhnliche Bilanzposten und stille Reserven, EK-Ausstattung)

Ertragslage (Rentabilität, Wirtschaftlichkeit, verlustbringende Geschäfte, Jahres-fehlbetrag, Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage).

Schließlich stellt das Grundrecht kommunaler Selbstverwaltung eine Besonderheit kommunaler öffentlicher Unternehmen dar, die sowohl verfassungsrechtliche als auch verfassungspolitische Aspekte aufweist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass privatwirtschaftliche Regelungen nach HGB, AktG und GmbHG als

geltendes Recht auch von privatwirtschaftlich organisierten öffent-lichen Unternehmen zu befolgen sind,

für kommunale öffentliche Unternehmen geltende besondere Vor-schriften darüber hinaus explizit in den Gemeindeordnungen und Sat-zungen enthalten sind und

Erleichterungen des HGB für kommunale Unternehmen nicht zugäng-lich sind.

Die Zielrichtung des Corporate Governance Kodex für die kommunalen öffentlichen Unternehmen ist also bereits kodifiziert und in der Praxis erfüllt. III. Public Corporate Governance und kommunale öffentliche

Unternehmen Im privaten Unternehmensbereich ergibt sich aus dem Schutzzweck des Gesetzes, nämlich dem Schutz des (eher anonymen) Aktionärs durch Publizität eine Beschränkung auf die börsennotierte Aktiengesellschaft. Dies ist der Grund, warum es keinen Corporate Governance Kodex für GmbHs und Personengesellschaften gibt. Es stellt sich die Frage, ob ein Public Corporate Governance Kodex für kommunale öffentliche Unternehmen mit über bereits vorhandene Rege-

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lungen hinausgehenden Inhalten sinnvoll ist und welchen Inhalt er haben sollte. Hierzu ist Folgendes festzustellen: Die wirtschaftliche Steuerung kommunaler öffentlicher Unternehmen

ist durch die vorhandenen Regelungen (HGB, Gemeinde- und Haus-haltsrecht) bereits mehr als ausreichend ausgeprägt.

Die Eigentümerstruktur der kommunalen öffentlichen Unternehmen unterscheidet sich grundlegend von (börsennotierten) Publikums-gesellschaften, da die Kommune entweder alleiniger Anteilseigner ist oder zusätzlich wenige Dritte Minderheitsbeteiligungen besitzen.

Die Gemeinde soll durch den demokratisch legitimierten Rat aus-schließlich einen kommunalpolitischen Rahmen (politische Grund-sätze und Regelungen) für die wirtschaftliche Betätigung des kommu-nalen öffentlichen Unternehmens vorgeben.

In diesem Zusammenhang gilt es, ein Missverständnis auszuräumen: Die Vorstellung, jeder einzelne Bürger habe einen Anspruch auf ein Höchstmaß an Transparenz, weil öffentliche Unternehmen für die Bürger da sind, stellt eine grundlegende Fehlinterpretation des verfassungs-gemäßen politischen Systems dar und steht im Widerspruch zu diesem. Unsere Kommunalverfassung basiert weder auf einer plebiszitären Demokratie noch auf einer (von der Boulevard-Presse ausgehenden) Mediendemokratie, sondern auf repräsentativer Demokratie. Das be-deutet, dass außer bei Bürgerentscheiden die Bürgerschaft durch den Rat sowie seine Ausschüsse vertreten wird und dass es auf die Sicher-stellung einer umfassenden Information eines repräsentativ gewählten demokratischen Organs ankommt. Der Rat ist die Repräsentanz der Bürger. Er übernimmt die Kontrolle und Steuerung des kommunalen öffentlichen Unternehmens und sichert die Transparenz. Der Rat ist demnach das Gremium, dem gegenüber Rechenschaft abzulegen ist. Der Unternehmenseigentümer unterliegt selbst weitgehender öffentlicher Kontrolle. Es gibt Hinweise darauf, dass die Bestimmungen des zu erwartenden Public Corporate Governance Kodex hinsichtlich der Transparenz weiter-gehend sein werden als jene des Deutschen Corporate Governance Kodex. So jedenfalls muss man die Ankündigung von Bundesjustiz-ministerin Zypries verstehen, dass die Bestimmungen des Public Corpo-rate Governance Kodex „... über die allgemeinen Prinzipien einer guten Unternehmensführung hinausgehende Anforderungen ...“ erfüllen sol-

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len.1 Dieser Ansatzpunkt für einen Public Corporate Governance Kodex ist zumindest für die Kommunalwirtschaft nicht geeignet. IV. Fünf Thesen zur Corporate Governance kommunaler

öffentlicher Unternehmen Als Fazit aus den vorangegangenen Überlegungen sollen im Folgenden fünf Thesen zur Corporate Governance kommunaler öffentlicher Unter-nehmen zur Diskussion gestellt werden: These 1: (Kommunale) Öffentliche Unternehmen unterliegen zu Recht ebenso wie privatwirtschaftliche Unternehmen den Regelungen der Corporate Gover-nance, soweit sie unter die Bestimmungen des Aktiengesetzes fallen. These 2: Für eine besondere Corporate Governance für (kommunale) öffentliche Unternehmen, die über die Anforderungen des Aktiengesetzes hinaus-geht, gibt es keinerlei Rechtfertigung. Dies gilt schon deswegen, weil (kommunale) öffentliche Unternehmen bereits nach geltendem Recht einer Vielzahl erhöhter gesetzlicher Anforderungen unterliegen (hinsicht-lich Aufsicht, Transparenz, Prüfung usw.). These 3: Für kommunale öffentliche Unternehmen und deren Anteilseigner gilt darüber hinaus das verfassungsrechtlich gesicherte Institut der kommu-nalen Selbstverwaltung. Wer kommunale Selbstverwaltung verfassungs-politisch ernst nimmt, sollte der ohnehin schon viel zu umfassenden Regelungsintensität nicht noch weitere besondere Vorgaben hinzufügen. These 4: Bedeutsamer als weitere Vorgaben für die Binnenstruktur kommunaler öffentlicher Unternehmen wäre es, wenn der föderale Gesetzgeber end-lich zu einem Gleichklang in den kommunalen Zulassungsvoraussetzun- 1 Brigitte Zypries, Public Corporate Governance – ein Kodex für öffentliche Unternehmen, Vortrag am

18.11.2005, http://www.bmj.bund.de.

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gen über die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen gelangen könnte. These 5: Es ist zu begrüßen, wenn Eigentümer (kommunaler) öffentlicher Unter-nehmen auf Basis eigener Entscheidung selbst Spielregeln im Sinne einer Corporate Governance für das eigene Unternehmen entwickeln.

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Christoph Reichard * Public Corporate Governance im Spannungsfeld zwischen Eigentümern und Management öffentlicher Unternehmen Die Diskussion im Workshop Der Workshop wurde durch den Moderator mit einigen Begriffsklärungen eröffnet. Im Hinblick auf den zentralen Arbeitsbegriff „Public Corporate Governance“ wurde auf die am Vortag von Dietrich Budäus gelieferte Definition verwiesen: Public Corporate Governance = verantwortungs-volle Steuerung und Kontrolle öffentlicher Einrichtungen. Des Weiteren wurde auf die dem Workshop zugrunde liegende zentrale Fragestellung verwiesen: Man kann vermuten, dass es auch in öffentlichen Unterneh-men Interessengegensätze und Zielkonflikte zwischen den Eigentümer-vertretern einerseits und dem Management der Unternehmen anderer-seits gibt. Zwar ist anzunehmen, dass auch ein öffentlicher Eigentümer an einer angemessenen Verzinsung seines eingesetzten Kapitals inter-essiert ist und dass insofern Eigentümer wie Manager prinzipiell in Richtung Unternehmensrentabilität motiviert sein werden. Dennoch sind graduelle Interessengegensätze zu vermuten: Während das Manage-ment an starken Freiräumen sowie an allenfalls begrenzter Ertragsaus-schüttung interessiert sein wird, hat der öffentliche Eigentümer einerseits ein klares Ausschüttungsinteresse, andererseits ein aus dem öffentlichen Zweck und Auftrag resultierendes Gemeinwohlinteresse. Letztere Ziel-setzung dürfte allerdings beim öffentlichen Gewährleister und Auftrag-geber noch ausgeprägter sein. Insofern ist das im Workshopthema arti-kulierte Spannungsfeld zu erweitern: Es geht nicht allein um die Eigen-tümerinteressen, sondern auch um die Gewährleistungs- und Auftrag-geberinteressen, die den Interessen des Managements potenziell ent-gegenstehen. Hieraus ergibt sich nun die eigentliche Frage dieses Workshops: Was kann eine gute Public Corporate Governance dazu beitragen, das bestehende Spannungsfeld zwischen den geschilderten Interessengruppen zu mindern oder zumindest auszubalancieren? Wie sollten die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen den Grup-pen verteilt werden, um die Funktionsweise eines öffentlichen Unter-

* Prof. Dr. Christoph Reichard war Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre (Public Manage-

ment) an der Universität Potsdam. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesver-bandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP (BVÖD) – zuvor der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft.

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nehmens zu sichern? Welche Strukturen und Instrumente können in die-sem Zusammenhang empfohlen werden? Um das somit skizzierte Spannungsfeld und die Auswirkungen unter-schiedlicher Ansätze der Public Corporate Governance auf die Stake-holder auszuleuchten, wurden den Workshopteilnehmern drei Vorträge geboten, die das Problemfeld aus dem Blickwinkel des staatlichen resp. kommunalen Eigentümers sowie aus der Perspektive des Top Managers einer öffentlichen Unternehmung betrachteten. Die Aussprache um das Referat von Herrn Klemmt-Nissen kreiste zu-nächst um die Hamburger Praxis, keine Vertreter der Hamburger Bür-gerschaft als Vertreter in den Aufsichtsräten der landeseigenen Unter-nehmen vorzusehen. Diese Praxis wurde von den anwesenden Kommu-nalvertretern als positiv bewertet, weil sie mit Ratsmitgliedern als Auf-sichtsratsmitgliedern in vielen Fällen schlechte Erfahrungen gemacht haben (unzureichende Wahrnehmung von Interessen der Gesamt-kommune, begrenzte fachliche Qualifikation, Einspeisung (partei-)politi-scher Interessen, häufiger personeller Wechsel). Im Diskussionsverlauf wurde angemerkt, dass diese Praxis auch für den Bund gelte: In den Aufsichtsräten von Bundesbeteiligungen seien weder Abgeordnete noch Minister zu finden. Man betone vielmehr die fachliche Qualifikation von Aufsichtsräten. Ein weiteres Thema des Workshops war sodann die zentrale Workshopfrage nach den Spannungen und Zielkonflikten zwi-schen den Stakeholdergruppen Eigentümer und Manager. Auf entspre-chende Nachfrage merkte der Referent an, dass solche Interessenkon-flikte im öffentlichen Unternehmen unvermeidlich seien, weil die Stake-holder unterschiedliche Ziele hätten, die meist nicht zu harmonisieren seien. Es könne also nicht darum gehen, solche Konflikte einzuebnen. Vielmehr müsse es das Ziel beider Seiten sein, zu einem angemessenen Umgang mit diesen unvermeidbaren Konflikten zu finden. Hierzu könne dann ein Public Corporate Governance Kodex (PCGK) einen positiven Beitrag leisten, weil klare Spielregeln konfliktmindernd wirken könnten. Die Stadt Hamburg habe deshalb schon vor einiger Zeit Hinweise zur Beteiligungsverwaltung verabschiedet, die sich am DCGK orientieren. Der Referent stellte in diesem Zusammenhang klar, dass er einen ge-meinsamen PCGK für alle staatlichen Ebenen für nicht empfehlenswert halte, da die Unterschiede zwischen den Ebenen zu groß seien, auch in rechtlicher Hinsicht. Die Aussprache zum Referat von Herrn Sander konzentrierte sich zunächst auf einige Fragen der Beteiligungssteuerung. Auf Nachfrage erläuterte der Referent, dass sich die Kontrolle der städtischen Beteili-

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gungen in Bonn bisher recht stark und einseitig auf Wirtschaftlichkeits-ziele beziehe, dass aber zukünftig geplant sei, auch die Erreichung von Leistungszielen stärker zu kontrollieren. Im weiteren Verlauf der Debatte befassten sich die Diskutanten sodann mit Fragen der Sinnhaftigkeit und Machbarkeit eines spezifischen Public Corporate Governance Kodex. Dabei wurde ausführlich erörtert, inwieweit erwartet werden könne, dass der Bund demnächst mit einem Muster-PCGK kommen werde. Hierzu wurde einerseits angemerkt, dass vom Bund hier in der gegenwärtigen Lage keine Impulse zu erwarten seien. Man könne vielmehr davon aus-gehen, dass es vom Bund keine Rahmenvorgaben zur Public Corporate Governance geben werde. Dies wurde von anderen Diskutanten auch nicht als Problem empfunden. Die Anforderungen an einen kommunalen PCGK seien so spezifisch, dass eine zentrale Vorgabe von Standards durch den Bund kaum weiterführen würde. Die Diskussion zum Referat von Herrn Janning ging vor allem auf des-sen zentrale These ein, dass ein spezifischer PCGK für den öffentlichen Sektor – oder noch spezieller für die kommunale Ebene – nicht empfeh-lenswert sei. Der Referent begründete nochmals seine Ansicht, dass es in den verschiedenen Rechtsmaterien – vom Grundgesetz über das Ge-meinderecht bis hin zum Gesellschaftsrecht – hinreichend konkrete Regelungen gebe, dass diese Regelungen allerdings auch befolgt wer-den müssten. Freiwillige Vereinbarungen könnten demgegenüber durch-aus nützlich sein. Im Übrigen verdeutlichte der Referent noch einmal seine Einschätzung, dass sich die Eigentümerinteressen in einer Stadt selten auf einen gemeinsamen Nenner zusammenführen ließen, sondern dass man es als Manager eines öffentlichen Unternehmens in aller Regel mit recht heterogenen Bekundungen von Anteileigner-Vertretern zu tun habe. Infolgedessen komme es auch eher selten zu klaren strate-gischen Orientierungen für einzelne öffentliche Unternehmen. Der Tenor der Debatten im Workshop 2 lässt sich wie folgt zusammen-fassen: Die Notwendigkeit eines spezifischen PCGK wird kontrovers ein-geschätzt. Abgesehen von einer möglichen Erhöhung der Regelungsflut könne ein solcher Kodex zwar wenig Schaden anrichten. Andererseits sei fraglich, welchen konkreten Nutzen er haben könne. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Akteure auf den verschiedenen staatlichen Ebenen könnten eher nützlich sein, weil man sich davon eine stärkere Befolgung der entsprechenden Regeln erwarten könne. Dabei sollte auf jeden Fall auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen von öffent-lichen Beteiligungen auf staatlicher und auf kommunaler Ebene geachtet werden. Da die tradierten Leitungs- und Kontrollstrukturen von öffent-lichen Unternehmen heutzutage als nicht mehr allzu wirksam ein-

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geschätzt werden müssten, sollten im Übrigen Länder und Kommunen zu verstärkten Experimenten mit neuartigen Ansätzen der Public Corpo-rate Governance ermuntert werden. Hierzu könnten Experimentierklau-seln, wie wir sie schon aus den 90er Jahren im Umfeld der Verwaltungs-modernisierung und Haushaltsreformen kennen, eine gute Hilfe sein.

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Workshop 3:

Public Corporate Governance Kodex aus Sicht von Stakeholdern kommunaler Unternehmen

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Otmar Lell * Public Corporate Governance aus Sicht der Verbraucher I. Was heißt Public Corporate Governance aus Verbrauchersicht? Gegenstand der Diskussion über Public Corporate Governance ist hauptsächlich die Frage, wie in Betrieben der öffentlichen Hand eine verantwortungsvolle Unternehmensführung durchgesetzt werden kann. Nach dem Vorbild des Deutschen Corporate Governance Kodex wird als Instrument hierfür ein Kodex für öffentliche Unternehmen vorgeschlagen. Dieser Kodex soll Transparenzpflichten enthalten soll, vor allem mit Blick auf die interne Organisation des Unternehmens und mögliche Interes-senkonflikte zwischen Funktionsträgern in Politik und Unternehmen. Wenn man fragt, was aus Verbrauchersicht unter Public Corporate Governance zu verstehen ist, so muss der Begriff indes weiter gefasst werden – vom Anwendungsbereich her wie auch vom Adressaten der Verpflichtung auf eine „guten Unternehmensführung“. Zunächst zum Anwendungsbereich: Aus Sicht der Verbraucher ist ent-scheidend, welche Leistung sie geboten bekommen und nicht, ob das Unternehmen, das ihnen gegenübertritt, öffentlich oder privat ist. So ver-standen, muss das „Öffentliche“ an der „Public“ Corporate Governance durch die Art der Leistung definiert sein – nämlich durch eine Leistung, die zumindest teilweise den Charakter eines öffentlichen Gutes hat, wie dies bei den klassischen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge der Fall ist, vor allem bei Wasser, Abwasser, Öffentlichem Verkehr und Abfallentsorgung. Der richtige Adressat der Verpflichtung auf eine „guten Unternehmens-führung“ muss ebenfalls vom Ergebnis her bestimmt werden, also aus-gehend von der Leistung, die beim Verbraucher ankommt. Primärer Adressat von Erwartungen an eine „gute Unternehmensführung“ mag das Unternehmen sein, das dem Verbraucher direkt gegenübertritt. Wenn die Kommune oder ein anderer öffentlicher Aufgabenträger die Aufgabe auf ein privates, gewinnorientiertes Unternehmen übertragen hat, kann die Verpflichtung auf eine gute Unternehmensführung aber nicht auf dieses Unternehmen beschränkt bleiben. * Dr. Otmar Lell ist Referent für Grundsatzfragen und Nachhaltigkeit beim Verbraucherzentrale Bundes-

verband, Berlin.

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Gerade soweit es um diejenigen Leistungsaspekte geht, die Eigen-schaften öffentlicher Güter haben, etwa Umweltschonung, langfristige Versorgungssicherheit oder sozial ausgewogene Leistungskonditionen, ist damit zu rechnen, dass diese Leistungsaspekte nach reinen Markt-regeln nicht erbracht werden. Die öffentliche Hand hat heute große Frei-heiten, wie sie ihre Aufgaben wahrnimmt, ob sie etwa Wasserversor-gung, öffentlichen Nahverkehr oder Abfallentsorgung selbst anbietet oder über einen privaten Auftragnehmer, oder ob sie die Aufgabe gänz-lich privatisiert. Sie trägt aber entsprechend dem Konzept des Gewähr-leistungsstaats die Letztverantwortung dafür, dass die Leistung dem Verbraucher gegenüber effizient und hochwertig erbracht wird, auch und gerade was die Eigenschaften der Leistungen als öffentliche Güter an-geht. Für die Diskussion um „Public Corporate Governance“ heißt das, dass sich die Erwartungen an eine gute Unternehmensführung im Sinne dieser Letztverantwortung auch an den öffentlichen Aufgabenträger richten. Ohne die Einbeziehung der öffentlichen Aufgabenträger ginge die Diskussion um „Public Corporate Governance“ am Wesentlichen der öffentlichen Wirtschaft vorbei, nämlich am Gemeinwohlcharakter der er-brachten Leistungen. II. Gewährleistungsverantwortung in liberalisierten Märkten Dass es in der öffentlichen Wirtschaft um mehr und anderes geht als in den Unternehmen der Privatwirtschaft, wird besonders dann deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wie sich die Letztverantwortung der öffentlichen Hand bei der Liberalisierung von Leistungen der Daseins-vorsorge äußert: Die Schaffung des Wettbewerbsmarkts geht in aller Regel einher mit der Einrichtung eines Regulierungsregimes. Die Regu-lierung sorgt dafür, dass der Druck des Wettbewerbs sich nicht zulasten des Gemeinwohls auswirkt. Statt eines einheitlichen öffentlichen Unter-nehmens gibt es dann rein marktwirtschaftlich Unternehmen auf der einen Seite und einen dem öffentlichen Interesse verpflichteten Regulie-rer auf der anderen Seite. In dieser Konstellation ist es evident, dass der Staat Verantwortung für die öffentlichen Ziele der Unternehmensführung trägt – der Regulierungsrahmen konkretisiert eben diese Verantwortung. Hier bedarf es daher keiner eigenen Diskussion um „Public Corporate Governance“ – die Verantwortung der Unternehmen für eine gute Unter-nehmensführung beschränkt sich auf das, was der Deutsche Corporate Governance Kodex allgemein für börsennotierte Unternehmen der Pri-vatwirtschaft vorsieht, und die Gewährleistungsverantwortung ist durch das Regulierungsregime hinreichend konkret geregelt.

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III. Public Corporate Governance und die Gewährleistungsverant-wortung der Kommunen

In den weiterhin von den Kommunen verantworteten Märkten für Was-ser, Abwasser, Öffentlichen Verkehr und Abfall gibt es keinen direkten Wettbewerb um die Endkunden. Wenn die Kommune Leistungen auf die Privatwirtschaft überträgt, wirken die Marktkräfte daher in abgeschwächter Form. Trotzdem ist die Situation im Prinzip der bei der Liberalisierung ver-gleichbar: Private Rechtsformen und Eigentumsverhältnisse können eine Dynamik in Gang setzen, die zu stärkerer Orientierung an den Kunden-interessen, aber auch zu Gewinnorientierung und Vernachlässigung von Gemeinwohlbelangen führt. Die Kommune trägt dann ähnlich dem Re-gulierer in liberalisierten Märkten die Verantwortung für das Gemein-wohlinteresse. Anders als in den liberalisierten Märkten ist diese Gewährleistungs-verantwortung aber nirgends konkretisiert. Wenn man das Konzept der kommunal verantworteten Daseinsvorsorge ernst nimmt, muss es auch Sache der Kommune sein, diese Gewährleistungsverantwortung auszu-füllen. Unverzichtbar bleibt allerdings, dass die Kommunen überhaupt Konzepte zur Wahrnehmung ihrer Gewährleistungsverantwortung ent-wickeln. Die Diskussion über Public Corporate Governance stellt eine wichtige Chance dar, dies zu befördern. IV. Public Corporate Governance im Vergleich zu den Publizitäts-

pflichten von Aktiengesellschaften Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass es bei Corporate Gover-nance im Kern um Transparenz geht. Welchen Inhalt haben nun die Transparenzanforderungen an die öffentliche Wirtschaft im Unterschied und in Erweiterung zu Corporate Governance im Allgemeinen? Um dies herzuleiten, sollen im Folgenden die handelsrechtlichen Publizitäts-pflichten einer Aktiengesellschaft verglichen werden mit der Situation eines Unternehmens, das im öffentlichen Auftrag handelt. Die Aktiengesellschaft ist in erster Linie definiert durch ihr Formalziel, Gewinn zu erwirtschaften. Dem entspricht die Publizitätspflicht der Aktiengesellschaft über ihre wirtschaftliche Situation: „Im Lagebericht sind der Geschäftsablauf (...) und die Lage der Kapitalgesellschaft (...) darzustellen. (...) In die Analyse sind die bedeutsamsten finanziellen

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Leistungsindikatoren einzubeziehen (...).“ (§ 289 Abs. 1 HGB). In neue-rer Zeit hat sich durchgesetzt, dass die Aktiengesellschaft auch an Sachzielen zu messen ist, d.h. an ihrer Wirkung auf die Gesellschaft und das Gemeinwohl. Dementsprechend gilt die Publizitätspflicht „bei einer großen Aktiengesellschaft (...) entsprechend für nichtfinanzielle Leis-tungsindikatoren, wie Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmer-belange“ (§ 289 Abs. 3 HGB). Das aus dem angloamerikanischen Raum kommende Konzept der Corporate Social Responsibility, das auch in Deutschland an Einfluss zunimmt, zieht den Kreis der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen noch erheblich weiter. Diesen zuneh-menden Ansprüchen kommen die Unternehmen mit Nachhaltigkeits-berichten und sonstigen Instrumenten zur Offenlegung ihres gesell-schaftlichen Engagements nach. Bei Unternehmen, die im öffentlichen Auftrag handeln, ist das wirtschaft-liche Formalziel in der Regel nicht die Gewinnerzielung. In wirtschaft-licher Hinsicht muss sich ein öffentliches Unternehmen daran messen, ob es die Erhaltung und Entwicklung der Infrastruktur zu sozial vertret-baren Kosten leistet. Daneben sind öffentliche Unternehmen seit jeher auf Sachziele im öffentlichen Interesse verpflichtet – sozialer Ausgleich, Umweltschutz, langfristige Versorgungssicherheit, um nur einige wichtige zu nennen. Die Konsequenz ist, dass es auch bei den Transparenz-anforderungen im Rahmen von Public Corporate Governance im Kern um die Frage gehen muss, wie die öffentliche Wirtschaft diese Sachziele erreicht. V. Transparenz in öffentlichen Märkten – das Beispiel der Wasser-

wirtschaft Am Beispiel der Wasserwirtschaft soll abschließend illustriert werden, wie Transparenz in öffentlichen Märkten konkret umgesetzt werden kann. Die Wasserwirtschaft ist ähnlich wie auch andere Bereiche der öffent-lichen Wirtschaft zunehmendem Druck von Seiten der EU ausgesetzt, sich dem Wettbewerb zu öffnen – sei es direkt im Wege der Liberalisise-rung, sei es indirekt über einen obligatorischen Ausschreibungswett-bewerb. Hintergrund dieser Wettbewerbsdoktrin ist einerseits das In-teresse großer multinationaler Unternehmen am kommunalen Geschäft, andererseits die berechtigte Forderung nach Effizienz und Transparenz.

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Effizienz und Transparenz können indes auch verwirklicht werden, ohne die kommunale Verantwortung für die Daseinsvorsorge zugunsten des Wettbewerbs aufzugeben. Vor diesem Hintergrund hat die deutsche Wasserwirtschaft mit Benchmarkingprojekten und mit der Veröffent-lichung des „Branchenbildes“ im Jahr 2006 die Initiative ergriffen, um ihre Leistungen transparent zu machen und weiter zu optimieren. Bisher wird Benchmarking allerdings als rein unternehmensinternes Instrument zur Optimierung von Betriebsabläufen verstanden. Dementsprechend lassen auch die einzelnen Benchmarking-Projekte der Wasserwirtschaft nichts über die Leistung einzelner Unternehmen erkennen. Oben wurde der Gedanke entwickelt, dass Public Corporate Governance Transparenz mit Blick auf die Effizienz, aber auch die Erreichung von Gemeinwohlzielen fordert. Dieser Gedanke gibt die Richtung für die Fortentwicklung der heutigen Benchmarkingprojekte an: Als nächster Schritt muss die Veröffentlichung von Kerndaten über die Leistung der Wasserwirtschaft im direkten Unternehmensvergleich kommen. Das bis-herige Benchmarking sollte hierdurch nicht ersetzt, sondern ergänzt werden. Benchmarking als unternehmensinterner Informationsaustausch soll durch detaillierte, freiwillige Auskünfte das „Lernen vom Besten“ vo-rantreiben. Die neu dazutretende Veröffentlichung von Kerndaten über die Leistung einzelner Unternehmen soll sich an die allgemeine Öffent-lichkeit richten und durch Schaffung von Transparenz Leistungsanreize setzen. Veröffentlicht werden sollen Informationen zu einzelnen, mög-lichst einfach definierten Indikatoren für Effizienz und Qualität. Die Indi-katoren sollen auch die ökologischen und sozialen Leistungen der Was-serwirtschaft erfassen wie etwa Wassergüte, Leistungen für Trinkwas-serschutz, Qualität des gereinigten Abwassers oder Qualität des Kun-dendienstes. VI. Ein verbraucherpolitisches Konzept von Public Corporate

Governance Aus Sicht der Verbraucher definiert sich eine „gute Unternehmens-führung“ der öffentlichen Wirtschaft durch die Effizienz und Qualität der gebotenen Leistungen, gerade mit Blick auf die Art und Weise der Erfül-lung des öffentlichen Auftrags. Ein Kernelement eines Public Corporate Governance Kodex sollte daher die Verpflichtung der öffentlichen Wirt-schaft sein, über ihre Leistungen gegenüber Verbrauchern und Allge-meinheit Rechenschaft abzulegen – und zwar in einer Weise, die zwi-schen verschiedenen Unternehmen einer Branche Vergleiche zulässt.

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Werner Klinger* Der Public Corporate Governance Kodex (PCGK) aus Sicht der Bürger Als Repräsentant der Nichtregierungsorganisation Transparency Inter-national Deutschland wurde ich zu dieser Veranstaltung eingeladen, um zum Thema „Der Public Corporate Governance Kodex aus Sicht der Bürger“ vorzutragen. Für die Einladung möchte ich mich herzlich bedan-ken. Mein Vortrag gliedert sich wie folgt: Zunächst werde ich einige Informationen zu meiner Person und zu

der Institution geben, die ich vertrete. Aus einem kurzen historischen Rückblick auf die Motive der Einfüh-

rung von Instrumentarien der Corporate Governance in den USA werde ich einige – durchaus provokative – Fragen hinsichtlich des Themas PCGK aus Sicht der Bürger ableiten.

Abschließend werde ich die Probleme bei privatwirtschaftlich organi-sierten Unternehmen der öffentlichen Hand sowie Lösungsmöglich-keiten aus Sicht von Transparency International Deutschland dar-stellen.

Zunächst zu meiner Person: Mein Name ist Werner Klinger, mein Aus-bildungshintergrund ist eine Ingenieurssausbildung im Bereich Umwelt-planung. Beruflich bin ich seit mehr als 15 Jahre in der Entwicklungs-zusammenarbeit tätig, dort überwiegend in der Beratung von Kommunen im Umweltsektor. Innerhalb von Transparency International Deutschland bin ich für die Leitung der Arbeitsgruppe Korruptionsprävention in Kom-munen verantwortlich. Zu Transparency International Deutschland: TI Deutschland ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich mit dem Thema Korruption und Korruptionsprävention beschäftigt. Die Eckpfeiler unserer Arbeitsweise sind: Wir beschäftigen uns nicht mit Einzelfällen von Korruption, sondern versuchen mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Koa-litionen gegen Korruption zu bilden. Solche Koalitionspartner können

* Werner Klinger ist Leiter der Arbeitsgruppe Korruptionsprävention in Kommunen von Transparency

International Deutschland, Berlin.

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auch Kommunen und privatwirtschaftlich organisierte kommunale Unter-nehmen sein. Unser Ziel ist es, über eine verstärkte Sensibilisierung im Bereich Korruption und Korruptionsprävention langfristig Werte und Ein-stellungen zu verändern. Unsere Zielgruppen, wenn man das so nennen will, sind Geber und Nehmer von Bestechungsgeldern. Wie ist diese Nichtregierungsorganisation Transparency International Deutschland organisiert? Wir haben derzeit mehr als 600 Einzelmitglie-der und 39 korporative Mitglieder. Dazu gehören auch öffentliche Unter-nehmen und derzeit 2 Kommunen. Die fachliche Arbeit wird im Wesent-lichen durch „ehrenamtliches Personal“ geleistet. Transparency Interna-tional Deutschland ist in Themenarbeitsgruppen und Regionalgruppen gegliedert. Die Themenarbeitsgruppe, die ich vertrete, beschäftigt sich mit Korruptionsprävention auf kommunaler Ebene. Andere Themen-arbeitsgruppen beschäftigen sich z.B. mit Korruption der Wirtschaft, im Gesundheitswesen, in Politik, Verwaltung, etc. Transparency International Deutschland verdankt seinen hohen Be-kanntheitsgrad vor allem verschiedenen Korruptions-Indizes. Stichworte sind hier der Corruption Perception Index (CPI), der Bribe Payers Index (BPI) und das Korruptionsbarometer. Am bekanntesten davon ist sicher-lich der jährlich veröffentlichte CPI, der Korruptions-Wahrnehmungs-Index, bei dem Deutschland in den letzten Jahren im westeuropäischen Vergleich jeweils im „hinteren Mittelfeld“ rangierte. Als nächstes möchte ich näher auf das Thema Public Corporate Gover-nance Kodex – kurz PCGK – aus Sicht der Bürger eingehen. Wer sich mit dem Thema PCGK beschäftigt, wird schnell gewahr, dass es sich dabei um ein relativ neues Thema handelt. Eine Google-Suche nach dem Stichwort PCGK ergibt zwar 798 Treffer, dies ist aber vor allem dem gleichnamigen Notebook eines namhaften Computerherstellers zu ver-danken. Lediglich zwei der Treffer führen zu der Zeitschrift „Der neue Kämmerer“, wo es um Public Corporate Governance geht. Dort wird das Beispiel der Stuttgarter Verkehrsbetriebe dargestellt, von dem wir bereits in dieser Veranstaltung gehört haben. An dieser Stelle möchte ich kurz auf die Historie des Begriffs „Corporate Governance“ eingehen und dann – aus dieser historischen Perspektive – einige durchaus provokante Fragestellungen für unsere heutige Diskus-sion ableiten. Der Begriff „Corporate Governance“ wurde in den 30er Jahren in den USA geprägt. Dort wurde bei großen Gesellschaften ein Auseinander-

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klaffen von Aktionärsinteressen und Interessen der Unternehmens-führung konstatiert. In seinem Grundlagenwerk „The Modern Corporation and Private Property“ aus dem Jahr 1932 vertritt Adolf August Berle die folgenden Grundthesen: Die Eigentümer von Großunternehmen, also die Aktionäre, verlieren

zunehmend die Kontrolle über das Unternehmen an die neu entste-hende Klasse der Manager.

Unternehmenslenker in der Leitung des Unternehmens verfolgen oft andere Interessen als die Eigentümer.

Auch das Ziel des Deutschen Corporate Government Kodex ist es ja, ich zitiere: „…das Vertrauen der Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung der deutschen bör-sennotierten Aktiengesellschaften zu fördern“. Bei all diesen Bestrebun-gen steht immer wieder das Anliegen von mehr Transparenz im Mittel-punkt. Auch wenn ich die Vorträge und Diskussionen dieser Veranstal-tung Revue passieren lasse, so glaube ich, nicht ganz falsch zu liegen mit der Annahme, dass neben dem Begriff PCGK sicherlich der Begriff Transparenz zu den am meisten gebrauchten zählt. Mehr Transparenz bei der Führung von öffentlichen Unternehmen ist grundsätzlich auch ein Anliegen von Transparency International Deutschland, schließlich spie-gelt sich der Anspruch auf Transparenz ja schon im Namen unserer Organisation wider. Wenn man nun die oben genannten Grundthesen von Adolf August Berle zum „Auseinanderklaffen von Besitzerinteressen und Managerinter-essen“ bei großen Unternehmen auf das Thema dieses Vortrags pro-jeziert, muss man die folgenden Fragen stellen, die durchaus ein wenig provokativ wirken sollen: Frage 1: Gibt es ein Auseinanderklaffen von Bürgerinteressen und den Interessen der Unternehmensführung öffentlicher Unternehmen? Frage 2: Haben die Bürger und auch die Politiker die Kontrolle über die öffentlichen Unternehmen und deren Manager verloren? Frage 3: Verfolgen die Lenker öffentlicher Unternehmen andere Interes-sen als Bürgerinteressen? Um die Praxisrelevanz dieser Fragen deutlich zu machen, habe ich ein ganz konkretes Beispiel mitgebracht, einen Artikel aus dem Kölner

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Stadtanzeiger vom 8. September 2006. Der Kölner Stadtanzeiger schreibt:

„KERPEN - Relativ belanglos verlief die Sitzung des Kerpener Stadtrates: Zwar wurde stundenlang über einzelne Themen, wie die Besetzung eines Bürger-beirates für die Umsiedlung Manheims oder Leistungsanreize für städtische Beamte und Angestellte diskutiert. Über das zur Zeit wichtigste Thema der Kerpener Politik, die Krise der städtischen Grundstücksentwicklungs- und -verwertungsgesellschaft, die über ihre Beteiligung an der Gesellschaft Gepa möglicherweise zu einem Millionenschaden für die Stadt führen könnte, war zumindest im öffentlichen Teil nichts zu hören. Auch eine Bürgeranfrage dazu wurde lediglich mit dem Verweis auf eine - eher nichtssagende – Pressemittei-lung der Verwaltung beantwortet. Da es sich bei GEV und Gepa um privatrecht-liche Gesellschaften handele, gebe es Spielregeln, an die man sich zu halten habe, hieß einen Tag später im Rathaus dazu. So sei man über deren Angele-genheiten weitgehend zur Verschwiegenheit verpflichtet.“ Dann fragt der Redakteur: „Der Stadtrat, ein Gremium also, an dem die wichtigen Angelegen-heiten der Stadt mittlerweile vorbeigehen?“

Dieses Beispiel zeigt aus unserer Sicht sehr gut das Grundproblem auf, dass nämlich in privatwirtschaftlichen Rechtsformen öffentlicher Unter-nehmen die erforderliche Transparenz für den Bürger und teilweise auch für den Politiker oft nicht mehr gegeben ist. Ein Großteil von Presse- und Bürgeranfragen, die wir erhalten, geht auf diese – für die Bürger sicher-lich unbefriedigende – Situation zurück. Aus Sicht von Transparency International Deutschland liegen die Pro-bleme bei der Privatisierung von öffentlichen Aufgaben in den folgenden Bereichen: Oft werden die grundlegenden Fragen, die einer Privatisie-rung zugrunde liegen, nämlich: ob überhaupt und – wenn ja – in welcher Form und mit welchen Zielvorstellungen öffentliche Aufgaben privatisiert werden sollen, nur unzureichend öffentlich und mit der erforderlichen Transparenz diskutiert werden. In den Vorträgen dieses Symposiums habe ich – zugestandenermaßen mit einem gewissen Entsetzen – gehört, dass es bei Privatisierungen offenbar oftmals vorrangig darum geht, die kommunale Haushaltslage zu verschleiern. Das war mir aus Einzelfällen zwar bekannt, aber die Einschätzung der Referenten, dass dies in der Mehrzahl der Fälle das Motiv für Privatisierungen sei, hat mich doch beeindruckt. Eine weitere Frage, die sich in diesem Bereich stellt, ist die nach dem Nutzen von Privatisierungen. Wer profitiert von Privatisierungen und wer kontrolliert, dass die aus kommunaler Sicht mit der Privatisierung verbundenen Zielvorstellungen auch erreicht werden? Diese Fragen werden leider im Vorfeld von Privatisierungen allzu selten gestellt. Im Nachgang ist dann in vielen Fällen zu vermerken, dass die mit der Privatisierung erwarteten Vorteile für die Kommunen und die Bürger, z.B. stabile Tarife und Kostensenkungen für die Verbraucher

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oder auch Investitionen in Infrastruktur durch private Akteure, nicht ein-treten und eventuelle Risiken durch die Allgemeinheit zu tragen sind. Ein weiteres Problem bei kommunalen Privatisierungen besteht aus Sicht der Bürger darin, dass möglicherweise wirtschaftliche Interessen der Unternehmen den Gemeinwohlinteressen übergeordnet werden. Gerade bei wenig transparent durchgeführten Privatisierungen besteht oftmals eine unklare „Gemengelage“ von Interessen. Dies umfasst auch die Interessen der direkt beteiligten Personen sowie mit ihnen direkt oder indirekt verbundenen Unternehmen. Hier kennen wir geradezu spekta-kuläre Fälle, wo öffentliche Aufgaben privatisiert und politische Mandats-träger, die an den Entscheidungen über Privatisierungen beteiligt waren, in gut dotierte Führungsposition bei den Privatunternehmen wechseln. Es gibt auch Fälle von Selbstbedienung, wo die Gehaltsstrukturen für Führungspositionen kommunaler Unternehmen massiv angehoben wur-den, und kurz darauf eben jene politischen Mandatsträger in die besser dotierten Positionen wechselten, die zuvor über die Anhebung des Gehaltsniveaus entschieden hatten. Aus Sicht der Öffentlichkeit sind solche Verhaltensweisen ethisch nicht in Ordnung, obwohl sie rechtlich meist nicht zu beanstanden sind. Diese vielschichtigen und komplexen Problemstrukturen bei der Priva-tisierung von öffentlichen Aufgaben, aber auch die vielen schlechten Beispiele, die bekannt wurden, lassen uns sogar fragen, ob Privatisie-rungen als „Einfallstore für Korruption“ angesehen werden müssen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir sprechen uns nicht grund-sätzlich gegen Privatisierungen aus. Sicherlich kann die Übertragung von öffentlichen Aufgaben in private Rechtsformen in vielen Fällen gut begründet werden und auch Vorteile bringen. Wir fordern allerdings, dass diese Prozesse transparent und zielgerichtet durchgeführt und auch ihre Ergebnisse dokumentiert, ausgewertet und der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Dies dient nicht zuletzt der Korruptionsprä-vention. Den genannten Problemen möchte ich aus der Sicht von Transparency International Deutschland auch mögliche Lösungsansätze gegenüber-stellen. Transparency International Deutschland fordert in diesem Zu-sammenhang:

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a) Transparenz bei der Entscheidung über Privatisierungen Offen gelegt und in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollten auf jeden Fall die Motive und Ziele von Privatisierungen sowie auch die Inhalte der den Entscheidungen ggf. zugrunde gelegten Gutachten. Gleichzeitig sollte auch öffentlich gemacht werden, wie die Erreichung der gesteckten Privatisierungsziele verfolgt und dokumentiert werden soll. b) Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten bei öffentlichen

Unternehmen in privatwirtschaftlichen Rechtsformen Hier gibt es z.B. Möglichkeiten, über die Gestaltung von Satzungen und Geschäftsordnungen mehr Informationsrechte der Öffentlichkeit zu ge-währleisten. Darüber hinaus sollten Regelungen zur Informationsfreiheit nicht nur für die öffentliche Verwaltung sondern auch für öffentliche Unternehmen Anwendung finden. c) Transparenz von persönlichen Interessen Wie bereits dargestellt, gibt es zahlreiche Fälle, wo – oft auch im Nach-hinein – deutlich wurde, dass politische Entscheidungsträger persönliche Vorteile aus Privatisierungen gezogen haben. Transparency International Deutschland fordert daher auch in diesem Bereich Transparenz ein. Dies ist auf kommunaler Ebene am besten durch die Einführung eines Ehren-kodex für politische Mandatsträger zu gewährleisten, der auch Veröffent-lichungspflichten hinsichtlich der persönlichen Interessenlagen (z.B. Be-teiligungen an Unternehmen) und Sanktionsmechanismen enthält, für den Fall, dass Mandatsträger dagegen verstoßen. Der letzte Punkt führt uns zurück zum Thema PCGK, bildet ein solcher Kodex doch auch Integritätsrichtlinien ab, die für öffentliche Unterneh-men und deren Führungskräfte gelten sollen. So fällt eine Gesamtbeur-teilung dieses Ansatzes durch Transparency International Deutschland zunächst sicherlich positiv aus. Ziele des PCGK sind – so ist dem Bei-spiel Stuttgart zu entnehmen – die verbesserte Transparenz und Kon-trolle von öffentlichen Unternehmen, die Schaffung von Vertrauen bei Gebietskörperschaften, Gesellschaftern und der Öffentlichkeit sowie eine besondere Gewichtung des Gemeinwohls als Unternehmensziel. Diese Ziele sind mit den o.g. generellen Forderungen von Transparency Inter-national Deutschland weitgehend deckungsgleich. Dabei bleibt jedoch zu bedenken, dass das „Projekt PCGK“ ein neues Instrument ist. Das bedeutet: Es gibt noch keine umfassenden Erfahrungen mit der Umset-zung des PCGK. Letztlich kann man deshalb auch noch nicht beurteilen,

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ob die Transparenzanforderungen, die man sich jetzt ins Stammbuch schreibt, in der Praxis auch gegeben sein werden. Last but not least möchte ich noch kurz auf das von uns veröffentlichte Korruptionsbarometer eingehen. Nach Wahrnehmung der Öffentlichkeit sind es in den 16 untersuchten Ländern Westeuropas durchaus nicht die Sektoren private oder öffentliche Wirtschaft, die als am meisten korrupt angesehen werden. Aus der Wahrnehmung der Bürger sind dies viel-mehr die politischen Parteien, das Parlament und die Gesetzgebung. Für den kommunalen Bereich bedeutet dies, dass aus Sicht von Transpa-rency International Deutschland vor allem Maßnahmen der Korruptions-prävention für politische Mandatsträger – sprich: die o.g. Einführung von Ehrenkodizes – von hoher Priorität wären. Dagegen gibt es aber bei den Betroffenen zumeist große Widerstände. Mit anderen Worten: Während die Politik schnell dabei ist, Ehrenkodizes für die Wirtschaft und – wie diese Veranstaltung zeigt – auch für öffentliche Unternehmen zu fordern, ist man bei der Einführung dieser Instrumentarien für sich selbst sehr langsam und zurückhaltend.

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Holger Mühlenkamp* Public Corporate Governance aus Sicht von Stakeholdern kommunaler Unternehmen Die Diskussion im Workshop Im o.g. Workshop referierten – in dieser Reihenfolge – Herr Otmar Lell (Referent für Nachhaltigkeit und verbraucherpolitische Grundsatzfragen beim Verbraucherzentrale Bundesverband), Herr Werner Klinger (The-menführer in der Arbeitsgruppe Kommunen von Transparency Inter-national Deutschland) und Herr Martin Lemcke (Bereichsleiter Mitbe-stimmung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di).1 Im An-schluss an die Referate stellten einige Zuhörer Fragen an die Referenten bzw. lieferten Diskussionsbeiträge. Herr Lell („Public Corporate Governance aus Verbrauchersicht“) stellte das Thema „Public Corporate Governance“ (PCG) in den Kontext der zunehmenden Privatisierung im Bereich der Daseinsvorsorge. Sowohl formelle Privatisierungen als auch Privatisierungen der Aufgabenwahr-nehmung (von ihm als „materielle Privatisierung“ bezeichnet) führten zu einer Aufgabenteilung zwischen öffentlichen Stellen als Aufgabenträger bzw. Regulierungsbehörde einerseits und privatrechtlich organisierten Unternehmen andererseits. Damit geriete die Bevölkerung in eine Dop-pelrolle als Bürger gegenüber Staat/Kommune und als Verbraucher gegenüber den Unternehmen. Auf den jetzt wettbewerblich organisierten Märkten für Energie- und Telekommunikation würde ein staatliches Regulierungsregime für die Einhaltung von Mindeststandards im Interesse der Verbraucher sorgen. Die (börsennotierten) Unternehmen würden unter den Deutschen Corpo-rate Governance Kodex (DCGK) fallen, sodass in diesem Bereich kein spezieller Kodex (für öffentliche Unternehmen) notwendig sei. Auf den Märkten mit Gewährleistungsverantwortung der Kommunen sieht Herr Lell die Kommunen in der Verantwortung, nur geeignete (prob-

* Prof. Dr. Holger Mühlenkamp ist Inhaber des Lehrstuhls für öffentliche Betriebswirtschaftslehre der

Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er ist Stellv. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP (BVÖD) – zuvor der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft.

1 Eine Schriftfassung des Referats von Herrn Lemcke liegt nicht vor.

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lematisch erscheint ihm vor allem die Netzinfrastruktur) Aufgaben Priva-ten zu übertragen. Im Falle einer Übertragung der Aufgaben auf Private seien klare vertragliche Vereinbarungen bezüglich der Wirtschaftlichkeit und Qualität sowie darüber hinaus bezüglich der Rechte der Kommunen sowie der Dokumentations- und Informationspflichten der Unternehmen zu treffen. Aus Verbrauchersicht müssten Rechte und Pflichten der Unternehmen unabhängig von den Eigentümerstrukturen gleich (gut) ge-regelt sein. Daher greife ein Public Corporate Governance Kodex (PCGK), der nur öffentliche Unternehmen umfasst, zu kurz. Im Falle der Beauftragung privater Unternehmen müssten die gleichen Regeln gelten. Als Anregung zur Verbesserung der Verbraucherinformation verwies er auf § 289 des Handelsgesetzbuches (HGB), welcher große Kapital-gesellschaften verpflichtet, im Lagebericht neben finanziellen Kennzah-len auch Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange bereit-zustellen. Im Bereich der Daseinsvorsorge sei es notwendig, den Ver-brauchern auch Informationen über Preise und Leistungen zu geben. Hierbei sei explizit an die Offenlegung von Vergleichsdaten („Bench-marks“) zu denken. In der anschließenden Diskussion wurde u. a. auf das inzwischen deut-lich gewandelte Selbstverständnis öffentlicher Unternehmen vom obig-keitsorientierten Amt zum kundenorientierten Anbieter und die Ambi-valenz von Benchmarks hingewiesen. Letztere würden nicht nur Ver-braucher, sondern auch Konkurrenten besser informieren. Darüber hinaus wurde die Frage aufgeworfen, wodurch sich Bürger- und Kundensicht unterscheiden. Ferner wurden durchaus positive Wirkungen des Eintritts Privater in den Bereich der Daseinsvorsorge geltend gemacht. Herr Klinger („Der Public Corporate Governance Kodex aus Sicht der Bürger“) ging zunächst auf die Wurzeln der (allgemeinen) Corporate Governance-Diskussion, nämlich das Auseinanderklaffen von Aktionärs- und Managerinteressen, ein. Diese Diskussion – ausgelöst durch eine als zu gering wahrgenommene Überwachung von Managern durch Klein-aktionäre und eine entsprechende Monographie von Adolph A. Berle und Gardiner C. Means – wurde spätestens 1932 angestoßen. Bezogen auf öffentliche Unternehmen bzw. die Notwendigkeit eines spe-ziellen PCG-Kodex warf Herr Klinger einige Fragen auf: Klaffen (auch) Bürgerinteressen und Interessen von Managern öffentlicher Unterneh-men auseinander? Ist die Kontrolle über öffentliche Unternehmen verlo-rengegangen? Etc.

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Transparency International (TI) Deutschland sehe laut Herrn Klinger Probleme bei („echten“) Privatisierungen in Form mangelnder Trans-parenz der Vergabeentscheidungen sowie bei privatrechtlichen Unter-nehmen in Form unzureichender Kontrolle des Managements. Es bestünde die Gefahr der Unterordnung von Gemeinwohlinteressen unter wirtschaftliche Interessen. Zudem seien die persönlichen Interessen von Entscheidungsträgern oftmals unklar. Materielle Privatisierungen und die Übertragung von Aufgaben an Private seien angesichts der in Aussicht stehenden Gewinnmöglichkeiten darüber hinaus wenigstens ein poten-zielles Einfallstor für Korruption. Dementsprechend fordere TI Deutschland eine verbesserte Transparenz bei Privatisierungsentscheidungen, eine Verbesserung der Kontrolle privatrechtlicher Unternehmen, die Offenlegung persönlicher Interessen sowie Integritätsrichtlinien für Führung und Mitarbeiter privater Gesell-schaften. Die bisher in der öffentlichen Diskussion benannten Ziele eines PCGK seien damit mit den Forderungen von TI Deutschland identisch. Abschließend wies Herr Klinger darauf hin, dass nach den Ergebnissen von Bürgerbefragungen in Westeuropa Parteien und Parlamente als am korruptesten gelten. Dies werfe wiederum die Frage auf, ob nicht ein Kodex für Mandatsträger dringlich sei. In der nachfolgenden Diskussion kamen insbesondere drei Aspekte zu Tage. Zum einen wurde auf die Gefahr der Überfrachtung des PCGK hingewiesen, falls dieser (zu) vielen Zielen dienen solle/müsse. Zweitens wurde auf die Bedeutung/Notwendigkeit von Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung von Regeln hingewiesen. Drittens wurde hinterfragt, ob die geforderten Informationen denn überhaupt ausreichend viele Ab-nehmer fänden (wohinter sich wieder die Problematik eventuell zu gerin-ger Kontrollinteressen respektive die Bearle-Means-Problematik ver-birgt – Anm. des Verf.). Herr Lemcke („Public Corporate Governance Kodex aus Sicht der Be-schäftigten“) verwies zunächst auf seine Erfahrung, wonach Kodizes allein wenig bewegen. Wie gut sie funktionieren, sei letztlich – insbeson-dere bei reiner Freiwilligkeit der Befolgung bzw. ohne ernsthafte Sank-tionen bei Verstößen – von den Beteiligten abhängig. Anschließend ging Herr Lemcke auf das Verhältnis zwischen Mitbestim-mung und guter Corporate Governance ein. Aus seiner Sicht bestünde überhaupt kein Widerspruch zwischen guter Unternehmensführung und Mitbestimmung – eher im Gegenteil. Nebenbei erwähnte er eine Studie,

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nach der der DCGK keinen nachweisbaren Einfluss auf die Performance bzw. den Börsenwert der Unternehmen hat. Die Beschäftigten haben nach seiner Auffassung aus naheliegenden Gründen ein großes Interesse an guter Governance und an Transparenz über die Geschehnisse in den Unternehmen. Unternehmen könnten im Gegenzug dadurch das Vertrauen der Beschäftigten gewinnen bzw. stärken. Herr Lemcke führte verschiedene Gründe für die Notwendigkeit eines PCGK an. Es sei dem Rückzug der Politik und der Verselbständi-gung/Abschottung öffentlicher Unternehmen entgegenzuwirken und eine Verbesserung von deren (politischer) Steuerung zu erwirken. Wün-schenswert sei auch, dass die „Governance“ öffentlicher Unternehmen eine einheitliche Interessenvertretung der Beschäftigten über Konzern-betriebsrat/-beschäftigtenvertretung (wieder-)herstelle. Angesichts komplexerer Steuerungsstrukturen sowie komplexerer und schneller wechselnder Zielsetzungen als in der Privatwirtschaft sei jedoch keine unveränderte Übernahme des DCGK in den öffentlichen Sektor angezeigt. Ein PCGK müsse dadurch gekennzeichnet sein, dass er eine Gesamtschau der gebietskörperschaftlichen Unternehmen bzw. Unternehmensbeteiligungen – insbesondere durch einen Konzernab-schluss – in den Vordergrund stelle und deren Zusammenhalt (ge-meinsame Standards, Nutzung von Synergien, Einrichtung eines kom-munalen Arbeitsmarkts etc.) stärke. Die Beteiligung der Mitarbeiter sei als ein Merkmal guter PCG zu werten. Es sei auch zu beachten, dass keine Gewinnmaximierung, sondern die (wirtschaftliche) Wahrnehmung des öffentlichen Auftrags im Vordergrund stehe. Abweichungen vom Kodex müssten einer Begründungspflicht unterworfen sein. Ferner seien Vorstands- und Aufsichtsratsvergütungen offenzulegen. In der anschließenden Frage- bzw. Diskussionsrunde wurde zunächst darauf hingewiesen, dass neben den Beschäftigten andere Anspruchs-gruppen nicht zu vergessen seien. Bestätigt wurde die Notwendigkeit der Beseitigung der „Zersplitterung“ gebietskörperschaftlicher Unterneh-men(sbeteiligungen) durch einen „Konzernblick“. Zum Abschluss wurde auf die weitgehende Nichtzurkenntnisnahme empirischer Befunde (z.B. zu den Wirkungen der Unternehmensmitbestimmung) in der öffentlichen Debatte aufmerksam gemacht.

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Podiumsdiskussion

Brauchen wir eine Cromme-Kommission für den öffentlichen Bereich?

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Christoph Reichard * PCGKs lassen nur begrenzten Nutzen erwarten (1) Die derzeitige Public Corporate Governance ist speziell im Hinblick auf deutsche kommunale Unternehmen und deren kommunale „Konzernmütter“ unzureichend. Dies wird durch folgende Befunde und Probleme belegt: Der deutsche öffentliche Sektor befindet sich in einem zunehmenden „Ausfransungs“- und Fragmentierungsprozess. Die deut-schen Kommunen unterhalten tausende Unternehmen, in denen bereits etwa 50% des Personals tätig sind und von denen 75% als GmbH orga-nisiert sind. Das Bild vom „Konzern Stadt“ wird zumindest von den fakti-schen Holdingstrukturen her Realität. Allerdings fehlt es den Kommunen derzeit an wirksamen Konzepten und Instrumenten eines Konzern- und Beteiligungsmanagements. Die Kommunen sind kaum in der Lage, die zentrifugalen Kräfte ihrer zahlreichen Unternehmen zu bündeln und zu beherrschen. Daher koppeln sich viele Unternehmen – vor allem deren Spitzenmanagement – zunehmend von den Eigner-Kommunen ab, gehen ihre eigenen marktlichen Wege und identifizieren sich kaum noch mit dem Gemeinwohlauftrag ihrer Gebietskörperschaft. Zumindest teil-weise ist das auf ungeeignete Corporate Governance-Strukturen der kommunalen Unternehmen zurückzuführen. Das Gesellschaftsrecht und vor allem die herrschende Praxis verhindern eine sachgerechte Auf-sichtsführung. Die verbreitete Übung, Aufsichtsräte kommunaler Unter-nehmen mit lokalen Politikern zu besetzen, führt zur Politisierung der Unternehmen und zu Interessenfilz. Im Übrigen ist zu befürchten, dass die zunehmende Fragmentierung der kommunalen Landschaft zu neuen Formen einer dezentralen Korruption beitragen kann. (2) Aus diesen Befunden folgt, dass es einer maßgeschneiderten Corpo-rate Governance für öffentliche (insbes. kommunale) Unternehmen be-darf. Das gesellschaftsrechtliche Standard-Strickmuster, das für kapital-marktorientierte Unternehmen durchaus passend sein mag, ist für öffent-liche Unternehmen nicht ohne weiteres geeignet. Während bei der Cor-porate Governance privater Unternehmen der Anlegerschutz eine be-rechtigte Rolle spielt, steht beim öffentlichen Unternehmen vor allem das Gemeinwohl- und Bürgerinteresse im Mittelpunkt. Insbesondere beim heute verstärkt diskutierten Gewährleistungsstaat ist auch zu bedenken, dass die Corporate Governance eine sinnvolle Rollentrennung zwischen dem Staat als Eigentümer und dem Staat als Auftraggeber öffentlicher * Angaben zur Person siehe S. 135.

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Leistungen abbilden sollte. Im ersten Falle geht es primär um die Sicher-stellung des wirtschaftlichen Überlebens einer öffentlichen Unterneh-mung sowie um Risikoabschätzung und letztlich Sicherung einer ange-messenen Kapitalverzinsung. Hier sind vor allem unternehmerische Fachleute gefragt und weniger Politiker. Im zweiten Falle spielt dem-gegenüber die „Gewährleistung“ des öffentlichen Auftrags und die nach-haltige Erbringung der öffentlichen Leistungen eine Rolle. Demzufolge sind hier Politiker eher aufgehoben, die die nötige demokratische Kon-trolle ausüben. Diesem Rollenmodell trägt die Corporate Governance der privatrechtlichen Kapitalgesellschaft nur sehr partiell Rechnung. Damit wird eine alte Forderung aus dem Bereich der öffentlichen Wirtschaft wieder lebendig: der Ruf nach einer spezifischen Rechtsform für öffent-liche Unternehmen. (3) Was kann man sich von einem Public Corporate Governance Kodex erwarten? Die bislang vorliegenden Empfehlungen – etwa von Ernst& Young – erscheinen einerseits durchaus plausibel, wenngleich es sich teilweise um Wiederholungen bereits bekannter Regelungen handelt. Andererseits sind die bisherigen Vorschläge auch durch einen hohen Gehalt an „Kodex-Lyrik“ geprägt, und es fragt sich, welche verhaltens-lenkenden Impulse davon faktisch ausgehen. Analysiert man nüchtern die Anreiz- und Sanktionseffekte solcher Kodizes, so kann man mit Srocke1 nüchtern zu dem Ergebnis kommen, dass die Wirkungen be-scheiden sein dürften: Weder kann man erwarten, dass der Kapitalmarkt ein angemessenes Anreiz-Potenzial entfaltet, da öffentliche Unterneh-men auf demselben kaum vorkommen. Noch darf man annehmen, dass es haftungsrechtliche Ansprüche bei Verstößen geben wird, da es an entsprechend strikten Reglungen mangelt. Auch von der Öffentlichkeit sollte man sich in diesem Falle kein entscheidendes Druckpotenzial erwarten. Insofern muss man bei nüchterner Analyse zur Kenntnis neh-men, dass die erörterten Kodizes nur begrenzten Nutzen stiften dürften und allenfalls durch gewissen moralischen Druck für eine begrenzte Ein-haltung der Regeln sorgen werden.

1 Isabell Srocke, Sanktionsmechanismen eines Public Corporate Governance Kodex, in: Dietrich

Budäus (Hrsg.), Governance von Profit- und Nonprofit-Organisationen in gesellschaftlicher Verant-wortung, Wiesbaden 2005, S. 311-324.

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Jens Harms* Musterkodex als Grundlage für PCGKs der Gebiets-körperschaften Die Diskussion um einen Public Corporate Governance Kodex für öffent-liche Unternehmen begann zu Anfang dieses Jahrzehnts. Sie hat sicher-lich ihren Ursprung in dem Bemühen der Cromme-Kommission, für bör-sennotierte Gesellschaften einen Corporate Governance Kodex zu ver-abschieden, was schließlich im Jahre 2002 geschah. Privatwirtschaftliche und öffentliche Unternehmen weisen eine hohe Strukturidentität auf. Insofern ist es – wie im Land Berlin praktiziert – empfehlenswert, den „Cromme-Kodex“ in überarbeiteter Fassung auch auf öffentliche Unternehmen – egal in welcher Rechtsform – anzuwen-den. Da das öffentliche Unternehmen aber nicht nur in einen wirtschaft-lichen, sondern auch in einen politischen Regelungskreis eingebunden ist, muss diesem Sachverhalt gesondert Rechnung getragen werden. I. Haushaltsrecht als öffentliche Governance Die rechtliche Einbindung des öffentlichen Unternehmens in das politi-sche Regelungssystem der Gebietskörperschaften erfolgt im wesent-lichen aufgrund des Haushaltsrechts (Haushaltsgrundsätzegesetz, Bun-deshaushaltsordnung/Landeshaushaltsordnungen, Gemeindeordnungen etc.). Haushaltsrechtlich geregelt sind u.a. die Voraussetzungen für unternehmerisches Engagement der Gebietskörperschaften (§ 65 BHO/ LHO), die Pflicht zur erweiterten Abschlussprüfung (§ 53 HGrG) und die Prüfung der öffentlichen Unternehmen durch Rechnungshöfe (§§ 92 und 111 BHO/LHO) bzw. kommunale Rechnungsprüfungsämter. Zunächst muss für jedes öffentliche Unternehmen sichergestellt sein, dass ein wichtiges öffentliches Interesse vorliegt und sich der ange-strebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise errei-chen lässt. Der öffentliche Zweck muss leistungswirtschaftlich bestimmt sein; ein ausschließlich fiskalisches Interesse reicht haushaltsrechtlich nicht aus. Um diesem öffentlichen Zweck nachhaltig Rechnung zu * Prof. Dr. Jens Harms ist Präsident des Rechnungshofs von Berlin. Er ist Mitglied des Wissenschaft-

lichen Beirats des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP (BVÖD) – zuvor der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft.

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tragen, ist dafür zu sorgen, dass über den Aufsichtsrat oder ein anderes Überwachungsorgan ein angemessener Einfluss der jeweiligen Gebiets-körperschaft ausgeübt wird. Für alle öffentlichen Unternehmen ist neben der Prüfung des Jahresab-schlusses in entsprechender Anwendung der Vorschriften des 3. Buchs des HGB für große Kapitalgesellschaften die erweiterte Abschlussprü-fung nach § 53 HGrG vorzusehen. Bei dieser erweiterten Prüfung, die auf der Grundlage des Prüfungsstandards 720 des IDW stattfindet, geht es einerseits um die Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäfts-führung sowie um Feststellungen von Auffälligkeiten bei der wirtschaft-lichen Entwicklung (Vermögens-, Finanz- und Ertragslage). Neben der Jahrsabschlussprüfung sowie der erweiterten Prüfung ist eine Prüfung der öffentlichen Unternehmen durch Finanzkontrollorgane (Rech-nungshöfe bzw. kommunale Rechnungsprüfungsämter) vorgesehen. Diese Prüfung ist als Betätigungsprüfung verpflichtend, wobei hier über-prüft wird, ob bzw. inwieweit den spezifischen Interessen der jeweiligen Gebietskörperschaft durch ihre Vertreter in den Überwachungsorganen Rechnung getragen wird. Fakultativ ist darüber hinaus eine Prüfung der Wirtschaftsführung, die allerdings gesondert mit dem zu prüfenden Beteiligungsunternehmen vereinbart und in der Satzung aufgenommen werden muss. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts (z.B. Anstalten) erfolgt die Prüfung generell auf gesetzlicher Grundlage. II. Vollzugsdefizite Die haushaltsrechtlich normierte Governance weist teilweise – erheb-liche – Vollzugsdefizite auf. Das „öffentliche Interesse“ ist vielfach diffus gefasst und wird nicht mittels Leistungsindikatoren oparationalisiert. Dies führt vielfach dazu, dass im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs keine angemessene Sicherung der Interessen der jeweiligen Gebiets-körperschaft bewirkt werden kann. Oft auch als unbefriedigend muss die erweiterte Abschlussprüfung nach § 53 HGrG empfunden werden. Es geht hierbei vielfach nur um eine kursorische Überprüfung verlautbarter Gegebenheiten, während eine Analyse der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage nicht geleistet wird oder auch nicht geleistet werden kann. Zu be-klagen ist teilweise auch eine mangelhafte Mitwirkung von Unterneh-mensorganen bei Erhebungen der Finanzkontrollorgane, wobei sich dies insbesondere auf Prüfungsaktivitäten auf der Grundlage von § 54 HGrG bezieht, wodurch im Rahmen der Betätigungsprüfung auch Erhebungen bei den Gesellschaften selbst möglich sind. Schließlich ist ein eklatantes

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Vollzugsdefizit im Hinblick auf die Vereinbarung von Prüfungsrechten (z.B. § 104 Abs. 1 BHO/LHO) zu konstatieren. Dies wäre noch verständ-lich im Hinblick auf Beteiligungsunternehmen, die als Public Private Partnerships (PPP) mit privaten Kapitalgebern verbunden sind. Gänzlich unverständlich ist die Versagung einer solchen Prüfungsmöglichkeit jedoch bei öffentlichen Unternehmen, in denen die öffentliche Hand ein-ziger Gesellschafter ist. III. Public Corporate Governance Kodex So wie es vor allem Aufgabe des Deutschen Corporate Governance Kodex ist, die Kriterien einer guten Führung und Kontrolle von privatwirt-schaftlichen Unternehmen zu definieren, um Vollzugsdefizite von Good Governance zu vermeiden, wäre es Aufgabe eines Public Corporate Go-vernance Kodex, neben den allgemeinen unternehmerischen Gover-nance-Prinzipien auch die zusätzlichen Dimensionen der Leitung und Kontrolle öffentlicher Unternehmen festzuhalten. Dies würde bedeuten, einen für öffentliche Unternehmen überarbeitenden Deutschen Corpo-rate Governance Kodex um die bereits vorhandenen haushaltsrecht-lichen Governance Elemente zu ergänzen. Über die Anwendung eines solchen Public Corporate Governance Kodex sollte dann jedes öffent-liche Unternehmen eine Entsprechenserklärung abgeben und sich im Hinblick auf nicht umgesetzte Elemente erklären. IV. Brauchen wir eine zusätzliche Cromme-Kommission? Nun ist zu konstatieren, dass die Bundesrepublik Deutschland eine föde-rale Struktur hat und die kommunale Selbstverwaltung ein hohes Gut ist, das es zu respektieren gilt. Insofern wäre es kaum vertretbar, für alle öffentlichen Unternehmen, egal zu welcher Gebietskörperschaft sie ge-hören, einen einheitlichen Public Corporate Governance Kodex zu for-mulieren. Vielmehr wäre es vorstellbar und sinnvoll, dass eine hoch-rangig zusammengesetzte Kommission aus Bund, Ländern, kommuna-len Spitzenverbänden, Rechnungshöfen, IDW und Wissenschaft einen Musterkodex entwirft, der als „Blaupause“ Grundlage für die jeweils eigenen Kodices der Gebietskörperschaften sein könnte. Was wir brau-chen ist keine „Cromme-Kommission“, die ein verbindliches Regelwerk erarbeitet, sondern eine Kommission, die einen guten gemeinsamen Schritt voran tut auf dem Wege zu einer verbesserten Public Corporate Governance.

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Ulrich Schröder* Der Corporate Governance Kodex der NRW.Bank Für die NRW.BANK waren verschiedene Aspekte ausschlaggebend, um sich – als öffentliche Bank – dem Thema Corporate Governance zu widmen. Bevor ich darüber und über unsere ersten Erfahrungen berich-ten werde, möchte ich die NRW.BANK vorstellen. Die NRW.BANK ist die Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen. Wir sind eine öffentliche Bank, das heißt wir gehören zu etwa 65 % dem Land Nordrhein-Westfalen und zu 35 % den Landschaftsverbänden in Nordrhein-Westfalen – also den Kommunen, wenn man so will. Die Bank wurde 2002 errichtet, genauer gesagt abgespalten von der WestLB. Die WestLB stand ja – wie alle öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in dieser Zeit – vor der von der EU-Kommission gestellten Frage der Trennung der Geschäftsaktivitäten von den Förderaktivitäten, wenn denn die För-deraktivitäten weiterhin in den Genuss staatlicher Garantien kommen sollten. Denn bekanntlich haben die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute, die Landesbanken und die Sparkassen, im Sommer 2005 ihre Gewähr-trägerhaftung und Anstaltslast abschließend verloren. In Nordrhein-Westfalen haben das die Eigentümer der alten WestLB zum Anlass genommen, diese Bank aufzuteilen in eine Geschäftsbank, die WestLB, die dann auch ihre Rechtsform änderte in eine Aktiengesellschaft, und in eine neu zu gründende Förderbank, diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Das geschah am 1. August 2002. Es wurden aber nicht nur die Förderbankaktivitäten aus der WestLB über-tragen, sondern auch andere Aktivitäten, die mit dem neuen Geschäfts-modell der WestLB AG nicht mehr kompatibel waren; zu diesen anderen Aktivitäten gehörte u.a. das gesamte Pfandbriefgeschäft. Und das Pfandbriefgeschäft war zu 90 % Kommunalgeschäft, sodass wir auf einmal auch im Tätigkeitsfeld Kommunalgeschäft tätig wurden. Zudem wurden alle Beteiligungen, die die alte WestLB im Landesinteresse hielt, übertragen. Ein formelles Errichtungsgesetz für die Bank hat der nord-rhein-westfälische Landtag einstimmig im Jahr 2004 verabschiedet, und seit dem 31. März 2004 firmieren wir unter NRW.BANK. Was wir heute tun, sind zwei Dinge: Wir sind auf der einen Seite Förderbank für das Land Nordrhein-Westfalen, und zwar als eine der wenigen Förderbanken in der Bundesrepublik für das gesamte Förderspektrum – Wohnungsbau,

* Dr. Ulrich Schröder ist Vorsitzender des Vorstandes der NRW.BANK, Düsseldorf/Münster.

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Individualförderung (Studienfinanzierung), Wirtschaftsförderung – zu-ständig. Wir sind daneben Kommunalbank. Während im Fördergeschäft die klare Wettbewerbsneutralität gilt – dort können wir nur über Hausban-ken tätig sein, das tun wir auch strikt –, können wir im Kommunalgeschäft auch direkt mit den Kommunen Geschäfte eingehen. Auch das tun wir sehr intensiv. Da wir, wie beschrieben, das Pfandbriefgeschäft der WestLB übernommen haben, weist die Bank heute eine Bilanzsumme von 130 Mrd. € aus. Diese Größenordnung macht uns zur Nr. 3 in Europa, nach der KfW und der Europäischen Investitionsbank. Diese Größenordnung hat einen unmittelbaren Bezug zu Corporate Gover-nance; denn wegen dieser Größe müssen wir uns international an den Kapitalmärkten refinanzieren. Wir haben einen durchschnittlichen Re-finanzierungsbedarf von knapp 20 Mrd. € jährlich, der nicht allein im Inland zu decken ist. Daher sind wir an den internationalen Kapital-märkten präsent. Dabei kommt uns die explizite Garantie des Landes Nordrhein-Westfalen für die NRW.BANK zugute; denn im Ergebnis teilen wir das Rating mit dem Land und refinanzieren uns deshalb auch auf derselben Basis. Diese Faktoren – Tätigkeit als drittgrößte Förderbank in Europa mit einer hohen Visibilität, eine Bank, die auf die internationalen Kapitalmärkte angewiesen ist, und eine Bank, die im Kommunalgeschäft grundsätzlich auch im Wettbewerb tätig ist – haben uns dazu veranlasst, uns im Jahr 2005 intensiv mit dem Thema Corporate Governance zu beschäftigen. Damit komme ich zum zweiten Punkt: War und ist ein Corporate Gover-nance Kodex für unser Haus ein wichtiges und richtiges Instrument? Es waren drei Motive, die uns gemeinsam mit den Eigentümern veranlasst haben, einen Corporate Governance Kodex für unser Haus einzuführen: Das erste Motiv war Reputationsgewinn auf den internationalen Kapital-märkten; denn unsere Investoren – und dies sind in der Regel Zentral-banken, also die Chinesische Zentralbank, die Japanische Zentralbank, die Thailändische Zentralbank, die Indische Zentralbank, die Worldbank – haben ein ausgeprägtes Interesse daran, dass (a) das Geld in sicheren Händen liegt – da hilft das Rating des Landes – und (b) die Reputation untadelig ist. Lässt sich ein Reputationsgewinn durch Corporate Gover-nance messen? Schwer. Ist sie ein Faktor? Ohne Zweifel. Die zweite Überlegung, die uns dazu geführt hat, dem Thema Corporate Gover-nance näher zu treten, war das Thema Corporate Responsibility, also Nachhaltigkeit. Der Gesetzgeber hat uns den gesetzlichen Auftrag erteilt: „zur Nachhaltigkeit verpflichtet“. Nachhaltigkeit verstehen wir als Bank nicht nur als eine ökologische, also eine Politik, die schonend mit Ressourcen umgeht, sondern auch weitergehend als eine Bank, die sich in besonderer Weise dem Gemeinwesen verpflichtet fühlt. Und wenn wir

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eine Bank sind, die sich in besonderer Weise dem Gemeinwesen ver-pflichtet fühlt, also den Begriff der Corporate Responsibility ernst nimmt, dann gehört in den Kontext auch unweigerlich das Thema Corporate Governance als verantwortungsvolle und transparente Unternehmens-führung dazu. Und das Dritte ist die Überlegung der Transparenz. Wir gehen mit Steuergeldern um. Das Land steht mit seiner Garantie für das, was wir tun, gerade. Und von daher sind wir sicherlich ganz besonders verpflichtet, in Richtung Transparenz zu wirken, um die Glaubwürdigkeit und die Reputation unseres Hauses auch im Hinblick auf diesen öffent-lichen Auftrag, den wir wahrnehmen, auszuüben. Das waren die drei Motive, die uns veranlasst haben, uns mit dem Thema Corporate Gover-nance zu beschäftigen. Wir wissen sehr wohl, dass unser Beispiel eines der ersten, wenn nicht das erste, eines größeren öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunterneh-mens war, das einen Corporate Governance Kodex verwirklicht hat. Ich sehe uns aber nicht als Missionar, der sagt: Alle müssen das auch machen! Jedes Unternehmen, jede Kommune lebt in ganz spezifischen Umgebungen, unter ganz spezifischen Bedingungen, und – das ist ja eines der ganz starken Argumente gegen Corporate Governance im öffentlichen Umfeld – dieses Umfeld ist ein anderes als im privaten Sek-tor, weil durch eine ganze Reihe von schon vorgegebenen Strukturen besonders kontrolliert wird. Das fängt an mit der Strafrechtsbewährung: Nur als Amtsträger ist man der Vorteilsannahme oder der Bestechung strafbar – nicht als privater Unternehmer. Wir haben eine stärkere Kon-trolldichte im öffentlichen Bereich. Als Bank haben wir zumal noch eine höhere Prüfungsdichte, weil wir uns neben dem Wirtschaftsprüfer und dem Landesrechnungshof auch der BaFin als Regulator gegenüber sehen. Und es gibt eine Fülle von einschlägigen Bestimmungen in ver-schiedensten Gesetzen, unter anderem auch unserem Errichtungs-gesetz, das Elemente dessen enthält, was auch Corporate Governance zum Inhalt hat. Insofern also bin ich mir durchaus bewusst, dass der öffentliche Sektor unter anderen Bedingungen arbeitet als der private. Und deshalb möchte ich auch kein pauschales Urteil treffen. Ich finde es gut, wenn möglichst viele öffentliche Unternehmen sich dem Thema Corporate Governance widmen; ich bin überzeugt, ein Kodex hat eine Reihe von Vorteilen. Aber es gibt keinen Zwang, das zu tun. Die wichtigen Fragen im Einzelnen sind meines Erachtens die folgenden: Die erste Frage ist die auf der Eigentümerebene: Bin ich mir als Eigen-tümer eines öffentlichen Unternehmens eigentlich klar, was ich mit dem Unternehmen will? Habe ich mir die Frage gestellt, ob ich das öffentliche Unternehmen brauche? Ob es nicht andere Formen gibt, wie ich den

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Zweck, den ich mit diesem Unternehmen verfolge, erfüllen kann? Dies ist ein erster Teil von Corporate Governance: die Selbstverpflichtung des Eigentümers, sich klar zu werden, warum er dieses Unternehmen hat, und die Zwecke der Öffentlichkeit gegenüber transparent und messbar zu machen sowie sich der Prüfung zu stellen. Das Zweite ist die Frage der Aufsicht. Wie übe ich meine Eigentums-rechte aus? Übe ich sie direkt aus, gibt es eine Eigentümerversamm-lung, bin ich auch gleichzeitig das Aufsichtsorgan für meine Gesellschaft oder gibt es ein zusätzliches Aufsichtsorgan? Wie ist die Rollenverteilung zwischen mir und dem Vorstand? Es bedarf also einer Definition der Rechte zwischen Eigentümern, Aufsichtsorgan und Vorstand. Diese ist nach meiner Erfahrung im öffentlichen Bereich gelegentlich etwas unstrukturiert. Gerade im öffentlichen Bereich findet man häufig Eingriffs-rechte der Eigentümer in die Unternehmen. Die Rollenverteilung könnte ein Corporate Governance Kodex regeln. Der nächste Punkt betrifft die Frage der Qualifikation der Mitglieder des Aufsichtsorgans und die Qualifikation der Mitglieder des Vorstands. Es gilt, Rechenschaft darüber abzulegen, welche Kandidaten mit welchem Können Führungs- oder Aufsichtsfunktion wahrnehmen. Wurden be-stimmte Qualitätsmerkmale festgelegt? Das Qualifikationsproblem kön-nte ein Corporate Governance Kodex zwar nicht lösen, aber er könnte den Prozess festschreiben. Qualifikation ist eine Hol- und eine Bring-schuld. Derjenige, der in den Verwaltungsrat einer Sparkasse geht, muss zumindest willig sein, sich in kreditpolitische Fragen einzuarbeiten, und der Sparkassenvorstand muss natürlich Qualifizierungsangebote für die Mitglieder des Verwaltungsrats machen. Bezüglich des Vorstands stellt sich neben der Qualität auch die Frage der Integrität. Wir haben bei unserem Corporate Governance Kodex nicht nur auf die Vorlage der Cromme-Kommission – die ja in vielen Tei-len auf Aktiengesellschaften ausgerichtet ist – gesetzt, sondern weitere Themen identifiziert, nämlich die der „integren“ Amtsführung. Wir haben uns mit dem Ehrenkodex der Bundesbank auseinandergesetzt und die-sen in unseren Corporate Governance Kodex integriert. Es geht dabei z.B. um folgende Fragen: Wie gehe ich mit Einladungen um? Wie gehe ich mit Geschenken um? Wer muss eine Einladung genehmigen? Wann muss ich ein Geschenk zurückweisen? Wir empfinden die Regelung die-ser Fragen nicht als eine Belastung sondern als Erleichterung. Der mit den Eigentümern abgestimmte Kodex schafft Sicherheit bei den Mitglie-dern der Aufsichtsorgane und des Vorstands, wie man mit solchen Situa-tionen – Einladungen, Geschenke usw. – umgehen soll. Er schafft natür-

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lich auch eine Integritätsbindung, die wir aber aus den anfangs genann-ten Reputationsgründen für gut und richtig halten. In der Präambel unseres Kodex1 wird beschrieben, was der Sinn und Zweck der NRW.BANK ist, also die erwähnte Selbstverpflichtung des Eigentümers. Zweitens wird dargelegt, wie der Eigentümer seine Eigen-tümerrechte ausübt; dies geschieht bei uns über die Gewährträgerver-sammlung. Sodann wird der Verwaltungsrat – das ist unser Aufsichts- und Kontrollorgan – in seiner Zusammensetzung und Funktion beschrie-ben. Es folgen Ausführungen zum Vorstand und zu den Rechtsbezie-hungen zwischen den Mitgliedern des Aufsichtsorgans und des Vor-stands. Geregelt werden z.B. folgende Fragen: Wann darf ein Mitglied des Verwaltungsrats einen Beratungsauftrag für die Bank ausüben? Wann darf eine Firma, an der er beteiligt ist, einen Beratungsauftrag für die Bank ausüben? Auch dazu werden in unserem Corporate Gover-nance Kodex Aussagen getroffen. Beim Thema Transparenz interessiert natürlich immer, was zu den Vor-standsgehältern gesagt wird. Wir haben uns zu einer Lösung entschlos-sen, bei der zwei Dinge offen gelegt werden: (a) die Gesamt-Vorstands-gehälter und (b) das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden. Wir haben nicht eine Einzelaufschlüsselung auf alle Vorstandsmitglieder; denn in den Gesamtbezügen sind die variablen Anteile enthalten, welche eine Leis-tungsbeurteilung enthalten, und das geht nun die Öffentlichkeit wirklich nichts an: ob der Vorstand A besser abgeschnitten hat als der Vorstand B und deshalb eine etwas höhere Tantieme bekommen hat. Insgesamt glaube ich aber, dass man der Neid-Diskussion viel besser begegnen kann, wenn man offensiv darüber redet, als wenn wir versuchen würden, diese Dinge totzuschweigen. Schließlich haben wir uns insgesamt zur Transparenz verpflichtet, und dies in zwei Formen: erstens Transparenz unserem Aufsichtsorgan ge-genüber – dort berichten wir über die genannte integre Amtsführung, über Vertragsbeziehungen zwischen Verwaltungsrat und Vorstand, über Mandate und über die Gehaltsstruktur des Vorstands; ein solcher Bericht wird dem Präsidialausschuss in der ersten Frühjahrssitzung vorgelegt. Zweitens veröffentlichen wir einen Corporate Governance-Bericht im Geschäftsbericht. Darin werden wir auch berichten über die Qualifizie-rungsmaßnahmen für Aufsichtsratsmitglieder, die – wie ich bereits sagte – eine Holschuld trifft, und wir bereiten uns vor auf das neue Rechnungs-wesensystem IFRS. Für die Mitglieder unserer Aufsichtsgremien haben

1 Siehe www.nrwbank.de.

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wir eine Schulung angeboten, um sie mit dem Thema IFRS vertraut zu machen. Das werden wir sicher in ähnlicher Form wiederholen. Die Erfahrungsbreite ist noch kurz; denn es ist das erste Jahr, in dem wir den Public Corporate Governance Kodex bei uns verwirklicht haben. Bisherige Erfahrungen und bisherige Rückäußerungen sind allesamt positiv. Zum Schluss möchte ich daher eine Ermunterung aussprechen, diesen Weg ebenfalls zu gehen. Wenn unsere Anregungen oder Erfah-rungen dabei helfen können, stehen wir gern zur Verfügung.

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Rudolf X. Ruter* Zehn Thesen zum PCG-Kodex (1) Angesichts der Sonderstellung öffentlicher Unternehmen ist ein separater PCG-Kodex für eine gute und verantwortungsvolle Unterneh-mensführung und -kontrolle erforderlich. (2) Dieser PCG-Kodex sollte in enger Anlehnung an den DCG-Kodex erstellt werden und die Besonderheiten öffentlicher Unternehmen wider-spiegeln (z.B. Dokumentation der politischen Zielsetzung, das Rollenver-ständnis der öffentlichen Verwaltung etc.). (3) „Einen“ PCG-Kodex für „alle öffentlichen Unternehmen“ (für Bund, Land und Kommunen) kann es aufgrund der unterschiedlichen Aus-gestaltungen, ihrer Ziele und Tätigkeitsfelder, rechtlichen und wirtschaft-lichen Rahmenbedingungen nicht geben. (4) Es sollte vielmehr anhand eines „Muster-Kodex“ in den jeweiligen Gebietskörperschaften ein standardisierter Prozess zur Entwicklung eines jeweils spezifischen PCG-Kodex für jede Gebietskörperschaft durchgeführt werden. (5) In diesem Sinne versteht sich der vorgestellte Muster-Kodex als Vorschlag einer strukturierten Vorgehensweise zur Klärung des Selbst-verständnisses und Festlegung des Handlungsrahmens im jeweiligen öffentlichen Unternehmen. (6) Dadurch wird die Verantwortung und Accountability (Rechenschafts-legung) der beteiligten Politiker, Verwaltungsexperten und Manager des öffentlichen Unternehmens gestärkt und transparent. (7) Eskalations- und Sanktionsmechanismen für den Fall der Nichtein-haltung eines PCG-Kodex (in Ergänzung zu „comply or explain“ ) sind fast noch bedeutender als der maßgeschneiderte PCG-Kodex selbst und müssen daher im Vorhinein diskutiert und dokumentiert werden. (8) Die Fähigkeit der Gebietskörperschaft, einen wirksamen PCG-Kodex durchzusetzen und zu leben, ist wichtiger als der Kodex selbst. (9) Der PCG-Kodex unterstreicht die Rechte und Pflichten der Politik und der Verwaltung der Gebietskörperschaft und somit die Rechte und Pflichten des Bürgers, der letztendlich der öffentlichen Gesellschaft das

* Angaben zur Person siehe S. 102.

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erforderliche Eigenkapital zur Verfügung stellt und das unternehmerische Risiko trägt. (10) Der PCG-Kodex verdeutlicht die an dem Gemeinwohl orientierte Beteiligungs- und Privatisierungspolitik und sollte in der Regel einmal jährlich vor dem Hintergrund internationaler, nationaler und öffentlicher Entwicklungen überprüft und bei Bedarf weiter entwickelt werden.

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Josef Rakel* Erleichterung des Zusammenspiels zwischen Politik und öffentlicher Wirtschaft Ziel des Corporate Governance Kodex der Privatwirtschaft ist die Stär-kung des Vertrauens in die Leitung und Überwachung deutscher börsen-notierter Aktiengesellschaften durch Schaffung von mehr Transparenz und Stärkung der Aufsichtsgremien. Für die öffentliche Wirtschaft stellt sich hier die Frage, ob auch dort mehr Transparenz und eine Stärkung der Aufsichtsgremien wünschenswert ist und ob dies mit Hilfe eines Public Corporate Governance Kodex erreicht werden kann? Der erste Teil der Frage beantwortet sich von selbst. Denn den Wunsch nach mehr Transparenz und starken Aufsichtsgremien wird wohl kein Außenstehender ablehnen. Zudem geht es bei Beteiligungen der öffent-lichen Hand um öffentliche Mittel und Aufgaben für die Allgemeinheit. Der zweite Teil der Frage hingegen lässt sich nicht so einfach beant-worten; denn in der öffentlichen Wirtschaft gibt es bereits mehr Ansätze zu Transparenz und Stärkung der Aufsichtsgremien als in der Privatwirt-schaft – so zumindest die Meinung vieler von einem zukünftigen Public Corporate Governance Kodex Betroffener. Es wird teilweise bereits jetzt eine Überregulierung im öffentlichen Bereich gesehen. Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand müssen in der Regel weitgehende Veröffentlichungspflichten einhalten. Daneben muss bei der Jahresabschlussprüfung kommunal beherrschter Gesellschaften eine Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung und der wirt-schaftlichen Verhältnisse durchgeführt und darüber berichtet werden. Transparenz bei öffentlichen Unternehmen ist somit offensichtlich bereits stärker ausgeprägt als in der Privatwirtschaft. Auch eine Stärkung der Aufsicht scheint in Bezug auf öffentliche Unter-nehmen nicht notwendig. Die meisten öffentlichen Unternehmen haben, obwohl handelsrechtlich nicht vorgeschrieben, einen mit Vertretern der öffentlichen Hand besetzten Aufsichtsrat, der sich aus verschiedenen politischen Richtungen zusammensetzt. Allein aus dieser Konstellation sollte sich in der Praxis ein Aufsichtsrat ergeben, der seine Aufsichts-

* Josef Rakel ist Beauftragter für Integriertes öffentliches Rechnungswesen der Pricewaterhouse-

Coopers AG, Düsseldorf.

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funktion effektiv erfüllen kann. Die Überwachung der Gesellschaften durch den Eigentümer – die Kommune – scheint in der Praxis noch ent-wicklungsbedürftig und entspricht nicht dem Standard, der in der Privat-wirtschaft bei Konzernen anzutreffen ist. Der Konzerngedanke im Rahmen einer Stadt und der städtischen Gesellschaften beginnt erst langsam, bewusst zu werden. Dieses Ziel würde aber durch einen Public Corporate Governance Kodex wohl auch nicht nachhaltig gefördert. Eine unveränderte Übertragung des Deutschen Corporate Governance Kodex der Privatwirtschaft auf Unternehmen der öffentlichen Hand ist ebenfalls nicht direkt möglich, denn die Unternehmensziele aus Privat-wirtschaft und öffentlicher Wirtschaft sind nicht deckungsgleich. Während in der Privatwirtschaft die Gewinnerzielung eindeutig im Vordergrund steht, sind die Ziele öffentlicher Unternehmen wesentlich komplexer. Neben der allgemeinen Daseinsvorsorge werden mit diesen Unter-nehmen Ziele im Kultur- und Sozialbereich verfolgt. Als Zwischenergebnis kann man feststellen, dass mehr Transparenz und eine Stärkung des Aufsichtsrats nicht vorrangig Ziel eines Public Corpo-rate Governance Kodex sein kann. Hierfür gibt es andere Mittel, die vor-handen sind und nur genutzt werden müssen. Zu Denken ist hier an die Einführung der Doppik für den kommunalen Haushalt und den im End-stadium aufzustellenden Konzernabschluss Stadt – unterstützt durch ein Beteiligungsmanagement der Stadt, bei der diese sich ihrer Eigentümer-stellung bewusst ist. In der Diskussion wurde von Professor Eichhorn der Begriff "Hygiene-papier" in die Diskussion eingebracht. Wäre ein solches Papier nicht ge-rade bei öffentlichen Gesellschaften wünschenswert? Regelungen, die einen allgemein gültigen Kodex festlegen, was unter einer ordnungs-gemäßen Führung und Überwachung eines öffentlichen Unternehmens zu verstehen ist? Gerade im Grenzbereich zwischen Politik, öffentlicher Verwaltung und öffentlicher Wirtschaft gibt es Dinge, die in der Privat-wirtschaft üblich sind, aber bei öffentlichen Unternehmen auf heftige Kritik stoßen. Dieser Grenzbereich reicht von der Besetzung von Ge-schäftsführerpositionen bis hin zu Einladungen dieser Gesellschaften an den kommunal besetzten Aufsichtsrat. Ein solches Grundsatzpapier muss für die Betroffenen dabei nicht nur eine Belastung sein, sondern kann im Gegenteil zu einer Entlastung führen. Das Zusammenspiel zwischen Politik und öffentlicher Wirtschaft kann dadurch wesentlich erleichtert werden, wenn in einem allgemein anerkannten Grundsatzpapier festgelegt wird, was noch politisch korrekt

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ist und was nicht. Eine Cromme-Kommission zur Erarbeitung eines solchen Kodex wäre also zu begrüßen. Allerdings kann – wie darge-stellt – diese nicht einfach die Regelungen des Deutschen Corporate Governance Kodex der Privatwirtschaft übernehmen und sich auch nicht an dessen Ziel ausrichten. Hier müsste ein speziell auf die Anforde-rungen und Gegebenheiten öffentlicher Unternehmen ausgerichtetes Grundsatzpapier entwickelt werden.

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Thomas Lenk* Public Corporate Governance (PCG) Zusammenfassung der Podiumsdiskussion Das Symposium „Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft“ hat den Beteiligten die Möglichkeit gegeben, sich über die Dringlichkeit des Anliegens eines PCG in verschiedenen Bereichen der öffentlichen Wirtschaft und die Umsetzungsprobleme und -erfolge zu informieren und mögliche Handlungsnotwendigkeiten zu diskutieren. Konsens herrschte vor dem die Tagung abschließenden Podiumsgespräch grundsätzlich darüber, dass die Behandlung eines Public Corporate Governance Kodex ein sehr interessantes Tagungsthema darstellte. Die Spannbreite der Haltungen zu der Frage „Brauchen wir eine Cromme-Kommission für den öffentlichen Bereich?“ zeichnete sich dabei im Verlauf des Sympo-siums als durchaus nicht konform ab und spiegelte sich auch auf dem Podium wider. So bekräftigte Herr Reichard zum Auftakt die Ansicht, dass zwar eindeu-tig die Notwendigkeit zur Verbesserung der CG vorliegt, eine Umsetzung im Sinne einer Weiterentwicklung des Corporate Governance Kodex für private Unternehmen an der Diversität und den unterschiedlichen Ziel- und Aufgabenstellungen öffentlicher Unternehmen scheitern muss. Herr Harms indes bescheinigte den öffentlichen und privaten Unternehmen eine „Strukturidentität“ und sah die aktuelle Problematik vielmehr in der mangelnden Kontrollier- und Prüfbarkeit der verschiedenen kommunalen Unternehmen und Beteiligungen. In einer Blaupause, einer groben Vorlage, erarbeitet durch die Beteiligten und Prüfer, könnte – so Herr Harms – eine Lösung liegen. Herr Schröder votierte entschieden für einen PCG-Kodex und skizzierte auch sehr konkret, welche Antworten auf welche Fragen dieser für jedes Unternehmen darstellen sollte. Vor allem von der Erhöhung der Transparenz der öffentlichen Unternehmen und der öffentlichen Diskussion versprach sich Herr Schröder viel. Ganz entschieden plädierte Herr Ruter für einen PCG-Kodex und betonte, ganz im Einklang mit seinem Vorredner, dass der Prozess der Erstellung

* Prof. Dr. Thomas Lenk ist Direktor des Instituts für Finanzen der Universität Leipzig. Er ist Mitglied

des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP (BVÖD) – zuvor der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft.

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und die interne und öffentliche Wirkung dieses Prozesses den größten Gewinn für den PCG darstellen. Neben den vielen Divergenzen, die vor allem bei der Frage der konkre-ten Handlungsnotwendigkeiten und Inhalten eines PCG-Kodex zutage traten, wurden auch einige Übereinstimmungen deutlich, die als Konsens festgehalten werden können. So sprachen sich alle Teilnehmer in unter-schiedlicher Intensität dafür aus, die Transparenz des kommunalen Wirtschaftens zu erhöhen und Anreize zu setzen bzw. zu betonen, die „Good Governance“ innerhalb des öffentlichen Bereichs fördern. Sicher scheint, dass der Corporate Governance Kodex aus dem Privat-bereich nicht direkt auf den öffentlichen Bereich übertragbar ist, da sowohl die Zielstellung eines öffentlichen Unternehmens viel weiter gefasst werden muss als eine bloße Gewinnerzielungsabsicht im Privat-bereich, als auch die Zahl der Beteiligten ein breiteres Spektrum als jenes im Privatbereich impliziert. Auch sind im Privatbereich im Prinzip nur drei Beteiligte zu nennen – Aktionäre, Aufsichtsrat und Vorstand –, während bei öffentlichen Aufgaben neben den Bürgern die Politik, die Verwaltungsspitze, die Verwaltung im Allgemeinen, der Aufsichtsrat und die Geschäftsführer zu berücksichtigen sind. Konsens herrschte darüber, dass die Regelungen, die in einem PCG-Kodex erfasst werden würden, schon zum allergrößten Teil an anderer Stelle existieren und somit nur, „was schon vorhanden ist, zu Bewusst-sein (zu) bringen und klar pointiert (zu) verfassen“ (ist) (Harms). Dies provozierte sowohl im Podium, als auch im Auditorium die Frage nach der Wirkungsfähigkeit eines PCG-Kodex ohne Anreiz- und Sanktions-mechanismen. Es wurden Zweifel geäußert, was ein Public Corporate Governance Kodex erreichen kann, wenn dieser nicht an Anreiz- oder Sanktionsmechanismen geknüpft wird. So sei eine personalisierte Evaluation der wirtschaftlichen Entscheidungen des „Konzerns Stadt“ in Verbindung mit einer leistungsbezogenen Vergütung für die Angestellten der richtige Weg, die bereits vorhandenen Bestimmungen umzusetzen. Wenngleich dieser Einwand nicht geklärt werden konnte, stellten Herr Schröder und Herr Ruter glaubwürdig dar, dass von einer intensivierten Diskussion einer möglicherweise prominent besetzten „Kommission der Beteiligten“ eine Wirkung auf die Öffentlichkeit ausgehen könnte, die selbst eine Kontrollwirkung entfalten und die Wahrnehmung intensivieren würde. Allein die gemeinsame Erarbeitung eines PCG innerhalb eines öffentlichen Unternehmens oder innerhalb der Stadt selbst habe – so Herr Ruter – eine entscheidende Wirkung, und die kompakte, verständ-

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liche Zusammenstellung der die „Good Governance“ betreffenden Regu-larien liefere für die Handelnden bereits die notwendigen Impulse. Abschließend sei bemerkt, dass die von den Experten beschriebene Dringlichkeit eines PCG-Kodex weder von der Öffentlichkeit noch von den kommunalen Vertretern bisher als solche wahrgenommen zu wer-den scheint. Das Publikum und insbesondere die kommunalen Interes-senvertreter zeigten auch nach Aufforderung durch Herrn Ruter Zurück-haltung und wenig Optimismus. Dabei spielten sowohl die gegenwärtig drängenderen Probleme der kommunalen Ebene, wie die Einführung der Doppik, als auch das geringe Vertrauen in die schnelle Einigungsfähig-keit und zügige Umsetzung auf einem so komplexen und durch zahl-reiche Akteure und vorhandene Regelungen relativ unwegsamen Gebiet der kommunalen Belange eine Rolle. Aus der Erfahrung heraus ent-gegnete Herr Mühlenkamp Herrn Ruters Aufbruchsstimmung, dass „Deutschland (...) vielleicht keine Angst (hat), aber Deutschland hat den Föderalismus!“. Eine flächendeckende und übertragbare Entwicklung eines PCG-Kodex für die kommunalen Gebietskörperschaften oder Unternehmen in Deutsch-land wird wohl nur mit den Beteiligten auf allen Ebenen gemeinsam gelingen. Vielleicht ist daher vorab vor allem die Frage nach der Moti-vation bzw. des möglichen Benefit der (kommunalen) Entscheidungs-träger zu stellen, damit die Notwendigkeit erkannt und somit auch der Ergeiz einer Umsetzung generiert werden kann. Gleichzeitig muss dann auch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, wie auf dem Symposium beschrieben, vorangetrieben und genutzt werden, um das Ziel in einer Verhaltensänderung zu manifestieren. Dabei geht es in erster Linie um Vertrauensbildung und Transparenz, damit der spitz beschriebenen „orga-nisierten Unverantwortlichkeit“ entgegengewirkt werden kann.

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Die Teilnehmer des Symposiums* Frederik Aldag, DB Stadtverkehr GmbH, Frankfurt/M. Prof. Dr. Gerold Ambrosius, Universität Siegen Paul Arents, VVM de Lijn / Flemish Public Tansport Agency, Mechelen Klaus Arnold, Stadtwerke Hameln GmbH Erko Basmann, Hauptpersonalrat Land Berlin Dr. Thorsten Beckers, Technische Universität Berlin Dr. Eckhard Bloch, DAK Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Hamburg Dr. Achim-Rüdiger Börner, Kanzlei Börner, Köln Dr. Andreas Brakmann, Beteiligungsmanagement, Landeshauptstadt Magdeburg Dr. Petra Brangsch, kommunalpolitisches forum, Berlin Prof. Dr. Dietmar Bräunig, Universität Gießen Prof. Dr. Helmut Brede, Universität Göttingen Dr. Peter Breitenstein, Gästehaus Petersberg GmbH, Bonn Prof. Dr. Dr. h.c. Dietrich Budäus, Universität Hamburg Jörg Bünning, Deloitte Consulting GmbH, Berlin Olaf Buske, KPMG Deutsche Treuhandgesellschaft AG, Hamburg Prof. Dr. Giacomo Corneo, Freie Universität Berlin Thomas Delissen, Deutsche Elektronen-Synchrotron - DESY, Hamburg Willi Diedrich, Staatssekretär i.R., Berlin Dagmar Eberle, FernUniversität Hagen Klaus Ehmann, Justizministerium Baden-Württemberg, Stuttgart Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn, Universität Mannheim Wilfried Eisenberg, Rostocker Straßenbahn AG (RSAG) Klaus Evertz, BPG Beratungs- und Prüfungsgesellschaft mbH, Krefeld Burkhard Exner, Bürgermeister, Potsdam Christine Falken, Universität Leipzig Claudia von Fichte, Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), AöR Bettina Fiedler, Beteiligungsverwaltung, Stadt Saalfeld Dr. Horst Föhr, GESOBAU AG, Berlin Ulf-Birger Franz, Region Hannover, Hannover Jan Fries, Senatskanzlei Bremen Dr. Birgit Frischmuth, Deutscher Städtetag, Berlin Michaela Frost, Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG, Bochum Christian Gauffin, Network of European Elected Representatives for Local Services

of General Interest – NEELS, Stockholm Dr. Steffen Görlitz, PricewaterhouseCoopers AG, Schwerin Prof. Dr. Wolf Gottschalk, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Köln * Angegeben sind die Unternehmen, Organisationen und Institutionen, bei denen die Teilnehmer zum

Zeitpunkt des Symposiums tätig waren.

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Andreas Habicht, Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH Dr. Claus Jürgen Hachmann, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und

Immobilienunternehmen e.V., Berlin Martin Hanske, union-boden gmbH, Hannover Wilhelm Georg Hanss, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH Prof. Dr. Jens Harms, Rechnungshof von Berlin Diethelm Harwart, Institut für den öffentlichen Sektor e.V., Frankfurt/M. Peter Hecktor, Betriebsgesellschaft Stadtgüter Berlin mbH Prof. Dr. Dorothea Hegele, Rechtsanwältin, Leipzig Günter Herre, KPMG Deutsche Treuhandgesellschaft AG, Hamburg Dr. Peter Höflinger, Stuttgarter Straßenbahnen AG Barbara Hofmann, Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen,

Essen Dr. Hermann Janning, Stadtwerke Duisburg AG Bastian Jantz, KPMG Deutsche Treuhandgesellschaft AG, Berlin Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Jenkis, Universität Dortmund Holger Jönsson, Stadtreinigung Hamburg Dr. Tom Kirschbaum, NRW.Bank, Düsseldorf Dr. Rainer Klemmt-Nissen, Vermögens- u. Beteiligungsverwaltung, Finanzbehörde

der Freien und Hansestadt Hamburg Werner Klinger, Arbeitsgruppe Kommunen, Transparency International Deutschland

e.V., Berlin Christian Koch, Rechnungshof von Berlin Sabine Köhler, Beteiligungscontrolling, Region Hannover, Hannover Herbert König, Münchner Verkehrsgesellschaft mbH Helmut Kostka, Rechnungshof des Freistaates Sachsen, Leipzig Prof. Dr. Hiroko Kudo, Chuo Universität Tokyo Dr. Olaf Alexander Langner, Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV),

Berlin Jens Lattmann, Deutscher Städtetag, Berlin Wolf Leetz, Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V., Berlin Thomas Leier, Stabstelle Beteiligungen, Stadt Duisburg Dr. Otmar Lell, Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Berlin Martin Lemcke, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Berlin Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig Dr. Ludger Mansfeld, Wibera Wirtschaftsberatung AG, Düsseldorf Daniela Mattheus, KPMG's Audit Committee Institute, Frankfurt/M. Klaus Matthiesen, DAK Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Hamburg Konstanze Menken, Universität Hamburg Reiner Metz, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Köln Ulrike Möller, N24 - Gesellschaft für Nachrichten und Zeitgeschehen mbH, Berlin

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Prof. Dr. Holger Mühlenkamp, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Dr. Hans-Georg Napp, Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt/M. Prof. Dr. Werner Noll, Universität Würzburg Isabell Osann, Technische Universität Berlin Heinz Ossenkamp, dbb beamtenbund und tarifunion, Berlin Irina Pankow, Senatsverwaltung für Finanzen, Berlin Gabriele Pantring, NRW.Bank, Düsseldorf Dr. Wolfgang Peiner, Finanzsenator, Freie und Hansestadt Hamburg Klaus Pohle, Kämmerei, Stadt Bochum Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Universität Tübingen Josef Rakel, PricewaterhouseCoopers AG, Düsseldorf Wilfried Räpple, RheinEnergie AG, Köln Martina Reddersen, HEAG AG, Darmstadt Prof. Dr. Christoph Reichard, Universität Potsdam Inge Reichert, Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP),

Brüssel Heidrun Rhode-Mühlenhoff, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Berlin Dr. Reinhard Richter, Technische Werke Dresden GmbH Harald Rosemann, Stadtwerke Karlsruhe GmbH Oliver Rottmann, Universität Leipzig Rudolf X. Ruter, Ernst & Young AG, Stuttgart Dr. Stefan Ryll, Freie Universität Berlin Karin Sahr, Ernst & Young AG, Düsseldorf Prof. Dr. Ludger Sander, Stadtkämmerei, Bundesstadt Bonn Prof. Dr. Christina Schaefer, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Ute Schäfer, Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH Bernd Schenke, P.T.-Magazin für Politik und Wirtschaft, Berlin Dr. Andreas Schirmer, Kommunale Wasserwerke Leipzig GmbH Norbert Schmidt, Berliner Wasserbetriebe, AöR Dr. Wolfgang Schmitt-Wellbrock, Bundesministerium der Justiz, Berlin Ernst Schneider, Stadtkämmerei, Stadt Solingen Rainer Schneider, Hamburg-Consult, Hamburg Michael Schöneich, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Köln Edeltraud Schrabauer, Verband kommunaler Unternehmen Österreichs, Wien Dr. Ulrich Schröder, NRW.Bank, Düsseldorf Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Universität Köln Dr. Ferdinand Schuster, KPMG Deutsche Treuhandgesellschaft AG, Berlin Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin Dr. Patricia Siebart, Universität Potsdam Dr. Udo Siedle, Verband kommunaler Unternehmen Österreichs, Wien Thomas Singer, Mittelrheinische Treuhand GmbH, Koblenz

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Bernd Steinhauer, Verband kommunaler Unternehmen e.V., Köln Dr. Matthias Stoffregen, Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH, Berlin Dr. Alexandros Tassinopoulos, Bundesagentur für Arbeit, Berlin André Tegtmeier, Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH

(bbvl) Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, Universität Göttingen Gabriele Thöne, Staatssekretärin, Senatsverwaltung für Finanzen, Berlin Steffen Tippach, Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH / Europäischer

Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), Brüssel Andreas Trapp, Sachsen LB, Leipzig Barbara Treiber, Senatsverwaltung für Finanzen, Berlin Holger Tschense, ComNet GbR, Halle Cathérine Viehweger, Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW), Düsseldorf Hajo Graf Vitzthum, Rostocker Straßenbahn AG Manfred Vogel, Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin Dr. Gabriele Wanitschek-Klein, Hessischer Rechnungshof, Darmstadt Reinholf Weber, GWA - Gesellschaft für Werkstoff- und Abfallwirtschaft Kreis Unna

mbH, Unna Prof. Dr. Axel v. Werder, Technische Universität Berlin Daniel Wetzel, Die Welt, Berliner Morgenpost, Berlin Birgit Wiesenborn, N24 - Gesellschaft für Nachrichten und Zeitgeschehen mbH,

Berlin Dr. Wilhelm Wilting, Bundesministerium der Finanzen, Bonn Jan Wulfetange, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Berlin Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz, Berlin

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Beiträge zur öffentlichen Wirtschaft Bisher sind erschienen: Heft 27 Corporate Governance in der öffentlichen Wirtschaft. Referate eines Sympo-

siums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verban-des kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunterneh-men, des Deutschen Städtetages und der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt (2008)

Heft 26 Auswirkungen der Globalisierung auf die öffentlichen Banken – Trennung von Infrastruktur und Betrieb. Referate einer vom Wissenschaftlichen Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft veranstalteten Tagung (2008)

Heft 25 Ausschreibung oder Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungen – Plädoyer für ein Wahlrecht der Gebietskörperschaften. Zur Notwendigkeit einer gesetz-lichen Regelung des Inhouse-Begriffs in der Europäischen Union. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (2007)

Heft 24 Die Zukunft der öffentlichen Dienstleistungen. Referate einer vom Wissen-schaftlichen Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft veranstalteten Tagung (2007)

Heft 23 Öffentliche Dienstleistungen für die Bürger. Wege zu Effizienz, Qualität und günstigen Preisen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und des Deutschen Städtetages (2006)

Heft 22 Öffentliche Dienstleistungen zwischen Eigenerstellung und Wettbewerb. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deut-schen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt (2005)

Heft 21 Public Private Partnership: Formen – Risiken – Chancen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), des Verbandes kommunaler Unternehmen und des Deutschen Städtetages (2004)

Heft 20 Ausschreibungswettbewerb – obligatorisch für alle öffentlichen Dienstleis-tungen? Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, des Verbandes kommunaler Unternehmen und des Deutschen Städtetages (2003)

Heft 19 Rollenwechsel kommunaler Unternehmen. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft. (2002)

Heft 18 Die öffentliche Wirtschaft in Deutschland – Bestandsaufnahme zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Dokumentation der Deutschen Sektion des Europäischen Zentralverbandes der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) (2001)

Heft 17 Sparkassen und Landesbanken in der Wettbewerbs- und Privatisierungs-diskussion. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1998)

Heft 16 Öffentliche Unternehmen – eine Alternative zur Privatisierung. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und des Kommu-nalen Arbeitgeberverbandes Sachsen (1996)

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Heft 15 Europa, Wettbewerb und öffentliche Dienstleistungen. Bericht des CEEP und Vorschläge zur Änderung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft sowie für eine Europäische Charta der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (1996)

Heft 14 Kommunale Wirtschaft zwischen Wettbewerb und Gemeindewirtschafts-recht. Referate eines Symposiums der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1995)

Heft 13 Privatisierungsdogma widerspricht Sozialer Marktwirtschaft. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1994)

Heft 12 Eigenbetrieb, Kapitalgesellschaft, Anstalt des öffentlichen Rechts – Rechts-formänderung bei den Berliner Eigenbetrieben? Referate eines Workshops der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und des Senators für Verkehr und Betriebe von Berlin (1993)

Heft 11 Die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Referate einer Vortragsveranstaltung der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1992)

Heft 10 Die Auswirkungen der EG-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen auf die öffentlichen Unternehmen – Bestandsaufnahme und Verbesserungs-vorschläge. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Rudolf Eiermann (1992)

Heft 9 Die Unternehmen der Deutschen Bundespost als juristische Personen des öffentlichen Rechts – Alternativ-Vorschläge zur Postreform II. Stellung-nahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Helmut Cox (1992)

Heft 8 Die Unternehmen der öffentlichen Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland im europäischen Binnenmarkt. Stellungnahme des Wissen-schaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Paul Münch (1991)

Heft 7 Die öffentlichen Eisenbahnen in der Bundesrepublik Deutschland ange-sichts der Vollendung des EG-Binnenmarktes. Stellungnahme des Wissen-schaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Achim von Loesch (1991)

Heft 6 Öffentliche Kreditinstitute in der Bundesrepublik Deutschland und EG-Binnenmarkt. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Peter Eichhorn (1990)

Heft 5 Öffentliche Unternehmen und soziale Marktwirtschaft – Aktueller Hand-lungsbedarf im Umstrukturierungsprozeß der DDR. Gutachten des Wissen-schaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Federführung: Dietrich Budäus (1990)

Heft 4 Abfallentsorgung und ihre Finanzierung als Aufgaben öffentlicher Unter-nehmen. Referate und Diskussionsbericht einer Vortrags- und Diskussionsver-anstaltung der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1989)

Heft 3 Gemischtwirtschaftlichkeit und öffentliche Aufgabe. Referate und Diskus-sionsbeiträge einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft (1988)

Heft 2 Thesen zur künftigen Struktur der Deutschen Bundespost. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft zur Neuordnung der Deutschen Bundespost, Federführung: Helmut Cox (1988)

Heft 1 Peter Eichhorn: Forschung und Entwicklung und öffentliche Unternehmen (1986)