250 Jahre Jubiläums-Festschrift - Zur...

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1 1 1754 2004 250 Jahre Johannisloge Zur Eintracht i.O. Berlin im Bunde der Groen National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln gestiftet 9. Dezember 1754

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1754 2004

250 Jahre

Johannisloge �Zur Eintracht�

i.O. Berlin

im Bunde der Großen National-Mutterloge

�Zu den drei Weltkugeln�

gestiftet 9. Dezember 1754

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Inhalt

Grußworte 3

Michael Lüdtke: Vorwort 8

Stuhlmeister seit der Stiftung 10

�Wir, der Meister vom Stuhl, die Altmeister, Aufseher, Sekretär...� 11

Ralf Sotscheck: 250 Jahre �Zur Eintracht� 17

Ralf Sotscheck: Jacob Friedrich Bielfeld 28

Karlheinz Gerlach: Die Mitglieder der Berliner Freimaurerloge �Zur Eintracht� 1754-1815.Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Freimaurer 31

Klaus Eckelt: Aufklärer und Gegenaufklärer 51

Werner Schwartz: Der Königliche Bruder, Friedrich II. König von Preußen (1712 -1786) 64

Klaus Eckelt: Freimaurerei - gestern, heute, morgen 78

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Klaus Horneffer

GrußwortVereinigte Großlogen von Deutschland

Die Vertreter der Vereinigten Großlogen von Deutschland, in der Regelderen Großmeister, rangieren bei einem festlichen freimaurerischen Ereig-nis im Ausland. bei dem die Delegationen zumeist nach dem Alter ihrer Großloge geordnet werden, meist recht weit unten, da man ihrGründungsjahr 1958 zu Grunde legt. Manchmal weise ich darauf hin, dass das jugendliche Alter der gemeinsamen Repräsentanz aller in Deutschland arbeitenden Freimaurer nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass unterunserem Dach zahlreiche Logen arbeiten, die weit älter als zweieinhalbJahrhunderte sind. Es hat eben in Deutschland infolge der staatlichenZerrissenheit Jahrhunderte gedauert, bis die relative Einheit hergestelltwerden konnte. Erst Verbotszeit, Krieg und fremde Hilfe führten unszusammen.Ein Zeuge für das ehrenwürdige Alter der deutschen Freimaurerei ist die Johannis-Loge "Zur Eintracht" i.O. Berlin. Sie erhielt ein Gründungspatent am 9.12.1754. Sie ist damit die älteste noch heute arbeitende Tochterloge der Großen National-Mutterloge "Zu den drei Weltkugeln". Mitglieder der Loge haben im Laufe ihrer langen Geschichte viele wichtige Ämter in ihrer Großloge wahrgenommen. Bedeutende Persönlichkeiten zählten zu ihrerBruderschaft. Ich wünsche, dass es der Loge immer wieder gelingen möge, an ihre große Vergangenheit anzuknüpfen und ein für gebildete Männer attraktives geistiges Leben zu entfalten. Der erste Name der Loge soll �Lapetite concorde� gewesen sein. Hoffen wir, dass man in nicht zu ferner Zeit von der �Grande Concorde� sprechen kann. Namens der VereinigtenGroßlogen von Deutschland entbiete ich der Loge den Gruß der deutschenBruderschaft. Ich wünsche ihr vor allem das, was ihr Name bereitsbeschwört: "Eintracht". Dann folgt alles andere wie von selbst.

Klaus Horneffer Großmeister der Vereinigte Großlogen von Deutschland -Bruderschaft der Freimaurer Ritterhude, den 24.11.2004

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Bodo Raschke

GrußwortGroße Landesloge der Freimauerer von Deutschland

Die Freimaurerei verdankt den teils genialen Köpfen des 18. Jahrhunderts zahllose Impulse und Wegmarkierungen für ihre bis heute währende Arbeit.Im Jahr der Gründung der Johannistage "Zur Eintracht� schlossen Lessing und Mendelssohn ihre langjährige Freundschaft, der wir letztlich den leidenschaftlichen Appell zur Toleranz in "Nathan, der Weise" verdanken. J. Rousseau schuf seine "Abhandlung über die Ungleichheit".

Die Namensgebung durch die Stifter darf als Programm verstanden werden. Die Tatsache, dass die Bruderschaft dieser Loge aber in allen Höhen und Tiefen bewegter, politisch geprägter Perioden hinweg blühen und gedeihen konnte, rechtfertigt ihren stolzen Namen.Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland gratuliert der ältesten Johannisloge der Großen National-Mutterloge "Zu den drei Weltkugeln". Wir wünschen der Bruderschaft der jubilierenden Loge "Zur Eintracht" viel Glück und den Segen des Dreifach Großen Baumeisters für die kommenden 250 Jahre.

Bodo RaschkeLandesgroßmeisterDezember 2004

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GrußwortGroßloge A.F. & A.M. v. D.Distrikt Berlin-Brandenburg

Diese vollkommene und gerechte Johannisloge �Zur Eintracht� ist allen Brüdern ein Fundament freimaurerischer Tugend, heißt es doch bereits anlässlich eines Vortrages zum 50. Stiftungsfest, gehalten vom Bruder Rosenstiehl am 09. Dezember 1804, denn dieser war damals den Gründungsereignissen 200 Jahre, in Demut, näher als wir.

�...auch fragen wir ja hier im Heiligthume nicht nach dem Stande, oder nach den Würden eines Bruders in der profanen Welt, wir wollen nur den Menschen in unserem Kreise sehen...�

So ergibt es sich aus dieser Forderung, daß diese Loge wahrlich den Namen �Zur Eintracht� tragen darf, weil sie einträchtig und ununter-brochen seit 250 Jahren vorbildlich am rauhen Stein arbeitet.

Der Distrikt Berlin/Brandenburg der GL A.F. & A.M. v.D. wünscht dem Jubilar auch in den kommenden Jahren den Segen des G.B.A.W. und viel Freude und Erfolg beim Bemühen um den Tempelbau der Humanität.Mit brüderlichen Grüßeni.: d.: u.: h.: Z.:

Martin GüntherDistriktsmeisterBerlin, 29. November 2004

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Karl Hordenbach

GrußwortGroße National-Mutterloge�Zu den drei Weltkugeln�Gestiftet 13. September 1740

Herzlichen Glückwunsch den Brüdern der Johannisloge � Zur Eintracht� Nr.1(GNML3WK) im Orient Berlin zum 250. Stiftungsfest!

Ihre Loge hat in einem Vierteljahrtausend eine sehr wechselvolle Geschichte gehabt. Die Loge �Zur Eintracht� ist in ihrer langen Zugehörigkeit zur Großen National-Mutterloge � Zu den drei Weltkugeln � eine beständige und zuverlässige Tochterloge gewesen. Viele Brüder aus ihren Reihen haben die Geschicke der Großloge an exponierter Stelle mitgestaltet.

Große Namen schmücken ihre Analen, stellvertretend für die Vielen möchte ich nur Zwei nennen: Franz Liszt und Lorenz Adlon.Die Arbeit der Loge hat in aller Zeit nach außen gewirkt, was zu Logenneugründungen führte. Nach der Wende hat die Loge die von ihr gegründete Loge � Ferdinand zur Glückseligkeit � im Orient Magdeburg reaktiviert.Liebe Brüder, es macht Mut, zu belegen und nachlesen zu können, wie ihre Loge die vielfältigen Schwierigkeiten und entmutigende Rückschlägebewältigte. Aus der eigenen Geschichte lernen und verstehen, macht stark für die Herausforderungen von heute und morgen. Sehen Sie das alsVerpflichtung, aber auch als Bestätigung, im Geiste der Vorväter und der gemeinsamen guten Sache, weiter zu arbeiten und weiter zu wirken.

Die Große National-Mutterloge � Zu den drei Weltkugeln� wünscht Ihnen in Sinne des Wahlspruchs Ihrer Gründer

�Mit Gott, meine Brüder,,!

Karl HordenbachNational-GroßmeisterDezember 2004

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Alfred Rietdorf

GrußwortJohannisloge�Ferdinand zur Glückseligkeit" i.O. Magdeburg

Sehr ehrwürdiger Meister vom Stuhl, geliebte Brüder der uns treu verbundenen JL �Zur Eintracht",zum 250. Stiftungsfest Eurer guten Loge übermittle ich namens aller Magdeburger Brüder meiner Bauhütte brüderliche, herzliche Grüße und Glückwünsche. Zugleich übermittle ich Euch unseren besonderen Dank, denn ohne Eure brüderliche Hilfe würde es unsere bald 244-jährige Loge nicht geben! Ich erinnere an die Ausstellung des Patents vom 23. Februar 1791 durch die JL �Concorde", mit der unsere ursprüngliche Loge �de la felicite" in Arbeit gesetzt wurde, die Übernahme der Patenschaft über unsere noch dunkle Loge im Jahre 1971 sowie die Lichteinbringung durch die Doppelmitglieder Eurer Loge in unsere reaktivierte Loge am 3. November 1991 sowie die geleistete Aufbauarbeit über viele Jahre! Besonders engagiert haben sich dabei die Doppelmitglieder unserer beiden Logen, die Brüder Karl-Heinz Hauft, Jürgen-Peter Haleck, Hanns-Jürgen Funk, Ralf Sotscheck, Helmut Schmiel und Jörg Wenzel. Unsere Hirne und Herzen bleiben Euch treu und fest in Dankbarkeit und Bruderliebe verbunden.

Der �Allmächtige Baumeister aller Welten" möge seine schützende Hand weiter über Euch halten, damit die �Königliche Kunst" in Eurer Loge weiterhin eine gute und gesunde Heimstatt findet und erfolgreiche Arbeit am �Rauen Stein" stets einen zufriedenen Lohn für die Brüder Lehrlinge, Gesellen und Meister ermöglicht.

Johannisloge �Ferdinand zur Glückseligkeit" i.O. Magdeburg Niederndodeleben, 26.11.2004

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Michael Lüdtke

Vorwort

Die vorliegende Festschrift stellt den Versuch dar, an Hand von historischenEreignissen, prägenden Persönlichkeiten und individuellen Eindrücken ausder Gegenwart Marksteine auf den Pfad der altpreußischen Johannisloge �Zur Eintracht� zu setzen, um den Werdegang zu verdeutlichen, den sie auf ihrem 250 Jahre währenden freimaurerischen Weg zurücklegte und zu dem wurde, was sie heute ist. Dieser Weg wird zwar nie vollendet sein, diese Loge wird aber immer ein Spiegelbild der historischen Prozesse sein, in deren Kontext sie stand und steht.Gewiss ist der Blick auf die Dinge und Ereignisse immer subjektiv. Was das Wesen der Freimaurerei betrifft, so gibt es wenigstens zwei Perspektiven: die Innenansicht der Brüder Freimaurer und die Außenansicht der �Nicht�-Freimaurer. Da nun aber der Mensch seinem Wesen nach Erkenntnis an-strebt, hat er sich eine dritte, allgemeingültige Perspektive auf die Dinge ge-schaffen: die wissenschaftliche. Was er durch diese Betrachtungsweise misst, erkennt, interpretiert, gilt ihm als objektiv. Diese Perspektive hilft uns zuverdeutlichen, was freimaurerisches Logenwesen einmal war, nämlich Orte und Treffpunkte des persönlichen Kontaktes von Reformern, Literaten und Akteuren der französischen, italienischen und deutschen Aufklärung; Bör-senplätze für Ideen, Vorstufen und Transmissionsstellen von Literaturzirkeln, Verlags- und Gelehrtengesellschaften. Und was sie in der heutigen Zeit ist:ein niederschwelliger Bestandteil unserer modernen Verbändedemokratie, im günstigsten Sinne ein progressiver Hort, der über die Jahrhunderte hinweg zum selbstverständlichen Baustein der Gesellschaft wurde. Institutionellleistet die Freimaurerei zwar noch heute ihren gesellschaftlichen Beitrag,aber ihre ehemalige Bedeutung als Ort progressiver Impulse scheint der Ver-gangenheit anzugehören.Warum rufen dann aber, bei dieser Vorgeschichte und diesem bescheide-nen Stellenwert in der Gegenwart, Begriffe wie �Freimaurer�, �Loge�, �Ritua-le�, �Männerbund� etc. heute mehrheitlich eine derart diffuse Mischung aus amüsierter Neugierde, Desinteresse, ängstlicher Faszination bis hin zu ag-gressiver Ablehnung hervor? Eine plausible Antwort auf diese Frage zu

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finden, ist nicht einfach. Immer wieder wird zur Begründung dafür insbe-sondere auf die Stigmatisierung in der Zeit der nationalsozialistischenDiktatur, auf Verbot und Verfolgung, verwiesen. Diese Erklärungen sind historisch unstrittig, doch reichen sie heutzutage nicht mehr als Erklärungfür die Außenwahrnehmung der Freimaurerei als Institution hin. Welchen Grund oder welche Chance hat beispielsweise ein Mann, der in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts geboren wurde, mit differenziertem Blick auf uns aufmerksam zu werden, um dann den Weg zu uns zu finden und schließlich, im besten Falle, vom Bund zum Bruder aufgenommen zuwerden?Sicher, wir werben aus guten Gründen nicht für unseren Bund, aber wirkönnen durch nützliches Handeln auf uns aufmerksam machen. Wir müs-sen uns einbringen, weil wir etwas haben, das wir einzubringen haben. In Zeiten eines sich tief vollziehenden Wandels verfügen wir über Schätze für Menschen, die auf der Suche sind - Werte. Vielleicht handelt es sich dabei auch um das viel beschworene Geheimnis, über das wir verfügen sollen. Es sind die universellen Werte des Humanismus und der Emanzipation des Einzelnen. Lasst uns diese unsere Werte zur allgemeinen Verfügungstellen, dass sie im Spiegel der heutigen Zeit wiedererkannt und somitauch wiedergefunden werden können. Schärfen wir unseren Blick für die Gegenwart und für die Gestaltung unserer Zukunft und dafür, was wir dazu beitragen können und was wir im Rückblick auf 250 Jahre in der Lagewaren zu erkennen und was wir unseren vorangegangenen Brüdern unddenen, die noch nach uns kommen sollen, schuldig sind.Es werden wieder drängende Fragen gestellt. Tragen wir mit Selbstbe-wusstsein dazu bei, dass diese Fragen nicht unbeantwortet bleiben oder gar die falschen Antworten finden.

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Eintracht-Stuhlmeister seit Stiftung der Loge

1754-1760 Imberg, Arnold, Alexander1760-1761 Paturelle1761-1763 Dieu, Pierre1763-1764 Serre, Jean1764-1765 le Noble, Jeremias1765-1767 Dieu, Pierre1768-1785 Theden, Johann, Christian, Anton1785-1793 Decker, Georg Jaques1793-1816 Klaproth, Martin, Heinrich1816-1825 Rosenstiel, Friedrich, Philipp1825-1838 O´ Etzel (von Etzel), Franz, August1838-1843 Pelkmann, Friedrich, Samuel1843-1863 Appelius, Friedrich, August1863-1866 Zschiesche, Friedrich, Hieronymus1866-1871 Fränkel, Ludwig, Heinrich1871-1875 Wolff, Gustav, Theodor1875-1877 Schaper, Carl-Heinrich, Julius1877-1878 Frederichs, Friedrich Leonhardt1878-1880 Ramme, Adolf, Friedrich, Hermann1880-1904 Nessler, Carl, Wilhelm1904-1905 Schwengberg, Hermann1905-1925 Fricke, Gustav1925-21.07.1935 Lilienthal, Paul29.06.1946-1951 Sasse, Fritz1951-1961 Deimel, Walter1961-1967 Wagner, Kasimir1967-1970 Korengel, Willi1969-1970 Sotscheck, Ralf, Dieter als Verweser1970-1975 Sotscheck, Ralf, Dieter1975-1977 Frydrichowicz, Peter1977-1983 Reimann, Hans-Jürgen1983-1989 Hauft, Karl-Heinz1989-1992 Reimann, Hans-Jürgen1992-1993 Hauft, Karl-Heinz als Verweser 1993-1999 Wenzel, Jörg1999-2002 Funk, Hans-Jürgen2002-2003 Plötzer, Dietwalt als Verweser2003- Lüdtke, Michael

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� Wir, der Meister vom Stuhl,die Altmeister, Aufseher, Sekretär, Schatzmeister,

Redner, Steward und Mitglieder der Sehr Gerechten und VollkommenenLoge �Aux Trois Globes�, gestiftet in Berlin

mit der hohen Genehmigung, Ihrer Majestät des Königs von Preußen, unser sehr erlauchter

Großmeister: an alle achtbaren offenherzigen und freien Maurer verstreut über die Erdoberfläche,

unsere lieben und geliebten Brüder, Heil!

Bekannt geben wir, daß unsere lieben und würdigen Brüder Imbert, Gustine, Taillander, Fromery, Juncker, Deleuze, Beaudesion, Brestioud, Pascal undDieu uns sehr demütig ersucht haben, eine gerechte und vollkommene Loge von ungezwungenen und freien Maurern in dieser Stadt zu gründen:Folglich dient dieses Ersuchen der Betrachtung der Sitten und der gutenFührung unserer genannten Brüder und der wirklichen Zeichen ihres frei-maurischen Eifers, die sie seit ihrer Annahme in unseren sehr �Ehrwürdigen Orden� gezeigt haben:Haben wir Ihnen durch dieses vorliegende Schreiben und durch die Kuge-lung, die bei den Mitgliedern unserer sehr gerechten und vollkommenen Loge �Aux Trois Globes� stattfand, die Erlaubnis erteilt, in dieser Stadt eine gerechte und vollkommene Loge von ungezwungenen und freien Maurern unter dem Namen �La Concorde� zu gründen, indessen unter Berücksichti-gung der folgenden Artikel :

1° Daß die Anzahl ihrer Mitglieder auf 12 festgelegt wird.2° Daß sie keinen Besucher akzeptieren werden, außer wenn er sich unserer sehr gerechten und vollkommenen Loge �Aux Trois Globes� schon vorgestellt hat.

3° Daß sie die Gesetze und Statuten unserer Loge �Aux Trois Globes� an- nehmen werden, soweit sie in ihrer Loge anwendbar sind.4° Daß sie nie Lehrlinge, Gesellen oder Meister aufnehmen werden.5° Daß sie nie das Johannisfest privat feiern werden.6° Daß sie möglichst immer an allem, was dem allgemeinen Wohlbefinden unseres sehr Ehrwürdigen Orden dient, beitragen werden.

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7° Daß sie sich verpflichten, immer unsere Loge �Aux Trois Globes� zuinformieren, wenn irgendwelche neuen Vereinbarungen getroffen werden,die doch nicht gegen die Interessen unserer Loge gerichtet sind. Dagegen,aus dem gleichen Grund, den wir im ersten Artikel erwähnt haben, doch mit dieser Einschränkung, außer es ist ein Fremder, der nicht die Zeit hätte zu warten, bis sich die Großloge versammelt.

Der 4. Art.: Daß wir keine Aufnahme vornehmen werden.Hier ist der große Artikel, der uns sozusagen in die Funktion eines Spiel-zeuges bringt, was offener Weise dem Patent, das sie uns übergaben, wider-spricht und uns der besten Möglichkeiten, sich durch freimauerische Arbei-ten zu vervollkommnen, beraubt und zuletzt zeigt, daß wir nur ein Körper ohne Seele sind. Um Gottes willen, Sehr Ehrwürdige Meister und Sehr Würdi-ge Brüder, seien sie überzeugt, daß wir Brüder sind, die immer in Einklang agieren werden, um zu gewinnen, daß das Glück unseren Orden bereichern wird, so daß wir in die Freimaurerei nur würdige Personen aufnehmen wer-den, aber es ist nicht notwendig, Sie davon überzeugen zu wollen, daß sie sicher in uns diese Qualität erkannt haben, ohne diese hätten wir den Grad, in den Sie geruht haben, uns zu bringen, nicht erreichen können. Deswegen bitten wir Sie inständig, die Gnade zu haben, uns zu gewähren:

1° Die Aufnahme unserer dienenden Brüder, was mit Sicherheit der Mutter-loge keinen Schaden zufügen wird.2° Die Aufnahme der Personen, die in unserer Loge erscheinen könnten,nachdem es der Mutterloge bekannt gegeben wurde.3° Die Erlaubnis, einen Kandidaten der Johannis Großloge vorzuschlagen und ihn in unserer Loge aufnehmen zu dürfen, wenn die Mehrheit derStimmen dafür sich entscheidet.

Der 7. Art.: Die Großloge zu informieren, wenn wir irgendwelche neuenVereinbarungen treffen sollten.Wir glauben, daß es unnütz ist, die Großloge über Vereinbarungen, die unse-re eigene Loge betreffen, zu benachrichtigen; es ist selbstverständlich, daß das, was die Gesellschaft allgemein betrifft, durch die beidseitige Zustim-mung der zwei Logen bestimmt sei.

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Die sehr Achtbaren Brüder Beamten aus drei Berliner Logen, und zwar der sehr Ehrwürdigen Mutterloge �Aux Trois Globes�, der sehr Ehrwürdigenälteren Tochterloge �La Concorde� und der sehr Ehrwürdigen Tochterloge�L´Amitié�, haben sich am Mittwoch, den 20. Mai 1751, um 5 Uhr abends im Hause des Herrn von Boden am Werderdamm versammelt, bei dem BruderDorlet, um die Wahl dreier Großbeamter vorzunehmen, und zwar einenGroßmeister und zwei Großaufseher.Der sehr Ehrwürdige Bruder Paturel, Meister vom Stuhl der Loge derConcorde, öffnete in Abwesenheit des sehr Ehrwürdigen Barons von Printzen, Meister vom Stuhl der Mutterloge, eine Meisterloge und ließ die Brüder die Feierlichkeit des Tages, der uns versammelte, veranlasst durch die Ver-sammlung der drei Berliner Logen und die Wahldurchführung der drei Groß-beamten, fühlen.Der Bruder von Morgues, 1. Aufseher der Mutterloge, nicht bei dieser Loge anwesend, und der sich nicht entschuldigen ließ, ist verurteilt worden, die vorgesehene Geldstrafe, die ein Beamter bei Nichterfüllung seiner Pflicht,bezahlen zu müssen.Der sehr Ehrwürdige schlug vor, daß wir uns versammelt hatten, um einen Großmeister und zwei Großaufseher zu wählen.Der sehr Ehrwürdige Patrat, Meister vom Stuhl der Loge �L�Amitié� wendete ein, daß mehrere Brüder Mitglieder auszusetzen hatten, nicht zu dieser Wahl zugelassen zu werden. Der sehr Ehrwüdige Bruder Paturel beantwortete, daß es eine Beamten- und Meisterloge sei, so daß die Mitglieder nicht zugelassen sein dürften, seien sie nicht alle Meister, und daß es weiter den Regeln ent-sprach, die die drei Ehrwürdigen aufgestellt hatten und von den 3 Logen ak-zeptiert wurden.Der sehr Ehrwürdige Patrat fragte auch, ob es mit der Zustimmung des sehr Ehrwürdigen Barons von Printzen geschah; der Bruder Dieu antwortete, daß er dabei war, als der genannte sehr Ehrwürdige zustimmte; unter anderem ist dieser Artikel in dem benannten Statut und von dem sehr Ehrwürdigen Baron von Printzen unterzeichnet.Dann nahm man die Kugelung vor, und der sehr Ehrwürdige Baron vonPrintzen wurde einstimmig ohne Gegenstimme zum Großmeister gewählt.Der sehr Ehrwürdige Bruder Imbert, Altmeister der Loge �La Concorde�, wur-de mit 21 Stimmen gegen drei zum 1. Großaufseher gewählt und der Bruder Präsident Kircheisen mit 19 Stimmen gegen 5 zum 2. Aufseher.

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Nach jeder Wahl wurde auf die Gesundheit der benannten und gewähltenGroßbeamten ein Feuer geschossen.Und die Brüder Redner wurden gleichzeitig beauftragt, die Wahl, die durch-geführt wurde, an den Großbeamten zu verkünden und Sie zu bitten, die genannte Position anzunehmen.Der Tag dieser Abordnung wurde für den 21. Mai nachmittags um 3 Uhr festgelegt.Der sehr Ehrwürdige Patrat schlug vor, daß es heilsam wäre, diese Vereinba-rung für das Johannisfest vorzunehmen und dafür einen Bruder zu bestim-men, um die gesamte Kostenleitung zu übernehmen, geholfen durch dieBrüder Verwalter der Logen .Die Brüder von K�hler, 2. Aufseher der Mutterloge �Aux Trois Globes�,schlug für diese Aufgabe als Großverwalter den sehr Ehrwürdigen Patrat vor; und er hatte die Güte, es anzunehmen.Die Loge schoss ein Feuer zum Wohl, und der Preis für die Feier wurde auf 4 Thaler pro Kopf festgesetzt, und der Bruder Großverwalter bat jede Loge um Auskunft über ihre finanzielle Lage, um entsprechend disponieren zu kön-nen.Man kam überein, daß jede Loge eine Liste der eingeladenen Brüder über-geben wird; die Einladung ergehend im Namen der Mutterloge und der zwei Tochterlogen der Eintracht und der Freundschaft. Der Bruder Dieu schlugvor, daß es notwendig wäre, die Anzahl der dienenden Brüder zu erhöhen; jede Loge versprach, soweit es möglich wäre, dafür zu sorgen.Der Bruder Der Adlige, Sekretär der Mutterloge, wurde beauftragt, dem sehr Ehrwürdigen Baron von Printzen, abwesend von Berlin, seine Wahl bekannt zu geben.Es wurde fest beschlossen, sich 15 Tage vor dem Johannisfest, am 10. Juni, zu versammeln, um die letzten Vorbereitungen zu treffen.Die Brüder schießen ein Feuer zum Wohl des sehr Ehrwürdigen MeistersPaturel, ebenso wie für die Mutterloge, die Loge �La Concorde� und �L�Amitié�. Der Bruder Der Adlige, Sekretär der Mutterloge, übergab dem Bruder F�sch, Sekretär der Eintracht, die Erneuerung der Patentbriefe und die Zustimmung der �La Félicité� in Magdeburg.Danach schloss der sehr Ehrwürdige die Loge.

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Sehr Ehrwürdige Meister, Sehr Achtbare Brüder Beamte und Mitglieder der Sehr Ehrwürdigen Loge �Aux Trois Globes�.

Mit der tiefstempfundenen Freude, daß wir uns immer an die Ehre, die Sie uns erwiesen haben, uns in die Zahl Ihre Tochterlogen aufgenommen zuhaben, werden wir uns erinnern. Ein sicheres Zeichen des Vertrauens, das Sie in uns gesetzt haben, und das nur, nachdem Sie uns als Freimaurer erkannt haben, die niemals anders agieren werden, als das zu tun, was der Gesellschaft zu Gute kommen kann. Es schmeichelt uns, daß Sie durchdiese Grundwahrheit Ihrer Tochterloge dieses Vertauenszeichen, indem Sie die Privilegien, an denen eine gerechte und vollkommene Loge selbstver-ständlich teilhaben darf, nicht abschlagen können. Bisher wir tragen nur den Namen, genießend nur die gleichen Freiheiten, die wir schon genießenkonnten vor der Erteilung dieser Urkunde. Die Einschränkungen, die unser Patent beinhaltet, lassen uns kein Vorrecht, wodurch wir in der Lage wären hinzudeuten, daß wir diese Loge bilden, die Sie für gerechte und vollkom-mene erkennen.

Der 1. Art.: Der Inhalt lautet: daß die Anzahl unsere Mitglieder auf zwölffestgesetzt wird.Sie haben, aus dieser Begrenzung, die wir uns selbst vorgeschlagen hatten, um zuerst eine zu große �Mitbewerbung� zu vermeiden, ein Gesetz ge-macht. Wir glauben dann, wenn sich die Gelegenheit bittet, werden wir diese Anzahl durch würdige Personen erhöhen können.

Der 2. Art.: Daß wir keinen Besucher annehmen werden, wenn er sich der Großloge nicht vorgestellt hätte.Es handelt sich um die Vereinbarung, die wir zuerst miteinander getroffenhatten. Es geschieht mit einer sehr tiefen Ehrfurcht, Sehr Ehrwürdige Meister und sehr würdige Brüder, daß wir unsere Bitte wiederholen. Würdigen Sie die

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Wünsche ihre Tochterloge, geruhen Sie diese Artikel zu genehmigen, dieIhnen sehr demütig ehrenvoll überreicht werden, in dem wir gleichzeitig ver-sprechen, immer aufmerksam zu sein, immer mehr Ihr Wohlwollen zuverdienen und Ihre Güte nicht zu missbrauchen.

Sehr Ehrwürdige Meister und Sehr Würdige Brüder.

Berlin den 1. Februar 1755.Eure sehr demütige Tochterloge �La Concorde�

ImbertSimondHuuverlmarchDieuDeleuzeTaillandierGustineBaudet ( ?)PrestiotFromeryde Pascale.

Juncker, Sekretär �

- Aus dem Französischen von Jean-Pierre Bouteau und Peter Schulz-Stendel -

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Ralf Sotscheck

250 Jahre �Zur Eintracht�

Das 200. Stiftungsfest der Johannis-Loge �Zur Eintracht� haben die Brüder unter das Motto gestellt: �Eine junge Generation erinnert sich in Ehrfurcht gern der Bedeutung und Würde ihrer Vorfahren�. Es war eine Zeit respekt-vollen Rückblicks auf Jahre freimaurerischen Todesschlafs und wieder er-wachender Logenarbeit. Fünfzig Jahre später wollen wir uns der WorteLessings erinnern, der seinen Protagonisten Falk sagen lässt: �Freimaure-rei war immer�.Heute, am 250. Stiftungstag, 49 Jahre in Frieden und Freiheit, sollen uns drei Begebenheiten vergegenwärtigen, dass unsere Bauhütte in ihrer Ge-schichte, unter äußeren Zwängen stehend, der Aussage Lessings gerechtwurde, ja diese zu erweitern wusste: Freimaurerei wird immer sein.Jene Brüder, die im Jahr 1754 um Gründung einer deutsch sprechendenLoge nachsuchten, erhielten von der Mutterloge am 9. Dezember ein Pa-tent, welches ihnen einmal den Namen �La Petite Concorde� zuwies, also auch die französische Sprache aufgab, sie zudem mit sieben Beschrän-kungen belegte, von denen die gravierenden aufzeigen sollen, wie umfas-send eine Autonomie der Loge versagt blieb (siehe Anlage 1 und 2):

1. Die Zahl der Mitglieder wird auf 12 festgesetzt;2. es wird kein besuchender Bruder zugelassen, der sich nicht vorher bei der Mutterloge hat vorstellen lassen;3. die Tochterloge macht sich anheischig, nie eine Aufnahme oder Beför- derung vorzunehmen, weil die Mutterloge sich dieses Recht allein vorbe- halte; 4. auch nie das Johannisfest allein zu feiern.

Der Meister vom Stuhl der Großloge, Bruder v. Bielfeld, ein aufgeschlos-sener und weitsichtiger Mann, hatte bereits am 28. März 1742 die soge-nannte französisch geprägte Loge �Aux Trois Globes� in eine deutscheumgewandelt. Zu dieser Zeit hielt er auch die erste deutsche Ansprache und ließ den auswärtigen Logen mitteilen, dass in Berlin auch in deutscher

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Sprache gearbeitet werde, ein Wunsch, welcher unserer Bauhütte versagt war und erst viele Jahre später realisiert wurde.Im September 1754 wollte Bruder v. Bielfeld die Statuten dahingehendverändern, die Wahlen zu Michaelis (29.9.) durchzuführen, damit zuJohannis, bei sommerlicher Abwesenheit wesentlicher Brüder Meister, kei-ne Abstimmung zum Nachteil der Loge erfolge. Entgegen dieser Anord-nung wählte man trotzdem am 28. Mai 1755, was eine Spaltung der Mut-terloge zur Folge hatte.Die Loge �Concorde� stellte sich an die Seite Bruder v. Bielfelds, demokra-tischen Ausgleich zu suchen; sie löste sich von den Stiftungszwängen der Mutterloge mit der Aussage, zukünftig das Johannisfest allein zu feiern.Dieses wurde am 24. Juni 1755 zunächst in Charlottenburg abgehalten. Von 1756 bis 1759 heißt es in den Akten: �Loge Tenue au chattaux de Tegel le jour de St. Jean�. Hausherr hier war der Major und KammerherrAlexander Georg v. Humboldt, der im Siebenjährigen Krieg als Adjutantdes Herzogs Ferdinand von Braunschweig diente. Ferdinand war 1740 in die Loge seines Schwagers, Friedrichs II., aufgenommen worden. Alexan-der Georg v. Humboldt wird eine Logenzugehörigkeit zugeschrieben,deren Nachweis ausschließlich aus im Familienarchiv befindlichen privaten Schriftwechseln ersichtlich wird. Alle regelmäßig abgehaltenen Arbeitensind in den Logenakten von 1755 bis Mai 1761 akribisch aufgezeichnet. Sie fanden abwechselnd in Tegel, Berlin oder den Privaträumen der Brüder statt.

Schloss Tegel um 1700

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Dem wiederholten Versuch der Mutterloge, die Loge �Concorde� zurück zu gewinnen, hat man, selbst als der Stadtkommandant General v. Forcade seinen Befehl, sie als gesetzwidrig arbeitend zu bezeichnen, zurücknahm, über die Jahre standhaft widerstanden. Am 4. Mai 1761 versammelte sich die Mutterloge. Die brüderlichen Gespräche, welche hier geführt wurden,haben im Vorfeld ergeben, man werde der Loge �Concorde� eine neue Stif-tungsurkunde erteilen und sie fortan als ihre erste Tochterloge mit unein-geschränkten Rechten anerkennen. Ihre in Magdeburg gestiftete Loge soll in den Verband der Mutterloge aufgenommen und die Schottenloge �DeL�Harmonie� mit der von der Mutterloge errichteten Schottenloge �L�Union� vereinigt werden. Mit der Wahl am 1. Juni 1761 wurde die Einigung vol-lzogen, was durch ein gemeinsames Johannisfest endlich auch dokumen-tiert ist.Die zweite Prüfung, das Kapitel der dunklen Zeit in unserem Vaterland, istgeprägt von dem Versuch, eine über 150 Jahre bestehende Bruderschaft, eine gesellschaftlich und ethisch fest geformte Gemeinschaft zu zerschla-gen. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1935 des zum Liquidator der �soge-nannten Loge Zur Eintracht� bestellten Bruder Dr. jur. Karl Manecke und der Bestätigung durch den Reichs- und Preußischen Minister des Innernwird festgestellt: �Die in der Mitgliederversammlung vom 9. Juli 1935 be-schlossene Auflösung der Johannesloge �Zur Eintracht� wird hiermit ge-nehmigt� (siehe Anlage 3, 4 und 5). Als Liquidationssumme wurden einBankbestand von 456,20 RM und Bargeld von 513,00 RM festgestellt.Personell hatte es zur Folge, dass durch die zunehmende Verfolgung von Freimaurern im Staatsdienst oder ähnlich gelagerten Funktionsbereichendie Mitgliederzahl erheblich sank. Standen 1927/28 295 Brüder in derKette, konnten 1931/32 noch 200 gezählt werden, so ist 1932/33 durch Deckung von 102 Brüdern nur noch ein Mitgliederbestand von 98 zu ver-zeichnen. Welch Druck auf Familien lastete, welch persönliche Verzweif-lung und Enttäuschung sich im Einzelfall hinter den Entscheidungen ver-barg, kann nur der sich vorstellen, welcher unter einer Diktatur lebenmusste (siehe Anlage 6).Selbst bei immateriellen Werten hat der Staatsapparat seine Macht aus-gespielt. In einem Schriftwechsel vom Mai bis Juli 1936, da Anträge auf Freigabe von Stuhlmeisterbildern durch Familienangehörige gestellt wur-den, wobei man sich verpflichten sollte, jegliche maurerischen Zeichenübermalen zu lassen, wurde dem Br. Fricke lapidar ablehnend geantwor-

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tet: �Ich gebe Herrn W. Fricke anheim, seine Bitte zu gegebener Zeit noch-mals vorzutragen�. So glaubte man, wie überall in Deutschland, die Frei-maurerei und ihre wertvollen Erinnerungswerte, ein über 150 Jahregepflegtes Kulturgut, gleich der Bücherverbrennung, aus dem Gedächtnis einer Volksgemeinschaft zu streichen. Krieg, Völkermord mit allen be-kannten Folgen haben die wenigen Überlebenden unserer Bauhütte dahin-gehend genutzt, mit der Gesellschaft der Pankgrafen Eisbeinessen zu ver-anstalten, so dass eine dort entzündete Kerze den Gedanken an den Bund aufrecht erhalten konnte. Endlich ging das Grauen zu Ende, das Regime des Terrors hat unsagbares Leid hinterlassen. So musste auch die �Eintracht� 68 Brüder betrauern,welche in der Zeit der Finsternis in den e. O. eingegangen waren. Ihrer konnte man erst spät in einer Trauerloge gedenken.Am 18. Mai 1946 hat die amerikanische Besatzungsbehörde in ihrem Sek-tor Berlins den Freimaurern die Wiederaufnahme ihrer Arbeiten geneh-migt. Jetzt beginnt das dritte Kapitel in unserer 250-jährigen Geschichte, das Kapitel der hoffentlich letzten Prüfung: �Freimaurerei wird immersein�.Am 2. Juni konstituierte sich die Große National-Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln� mit der Einsetzung des Bundesdirektoriums aufgrund der al-ten Grundverfassung. Die verbliebenen Brüder der Logen �Zur Eintracht�, ihrer Tochter �Zur Gralsburg� und der Loge �Zur siegenden Sonne� wurden unter der Leitung des Bruders Lilienthal zur konstituierenden Versamm-lung am Sonnabend, den 29. Juni 1946, einberufen (siehe Anlage 7), die Beamten zu wählen. Am 9. Juli fand man sich zu einem zwanglosenBeisammensein zusammen und am 23. Juli zu einer ersten Arbeit. Diese leitete der Mstr. v. St. und Zug. Nationalgroßmeister Br. Sasse. Am 13. August fand die erste Beamtenberatung statt, bei der über die Aufnahme dreier Suchender beraten wurde. So gerüstet konnte man mit 80 Brüdern das 192. Stiftungsfest feiern und in das Jahr 1947 mit dem Blick auf eine traditionsbewahrende Zukunft gehen.Heute wollen wir jener Brüder des Neubeginns gedenken, denen wir am250. Stiftungstag für ihren ungebrochenen Optimismus danken.

[Alle Daten und Begebenheiten sind den Akten unserer Bauhütte im Geheimen Staats-archiv entnommen.]

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Ralf Sotscheck

Jacob Friedrich Bielfeld

Jacob Friedrich Bielfeld wurde am 31. März 1716 als Sohn begüterter El-tern in Hamburg geboren. Er erhielt eine vorzügliche Erziehung, die ihn zu einem offenbar gewandten jungen Mann heranwachsen ließ, wie StefanKékule von Stradonitz zu berichten weiß. Dem sprachkundigen JacobFriedrich wurde durch familiär finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht, um-fangreiche Reisen ins In- und Ausland vorzunehmen, die seinem Bil-dungsgrad zugute kamen und seinem kosmopolitischen Denken förderlich waren.

Er übte, gleich dem Vater, zunächst eine kaufmännische Tätigkeit aus.Kronprinz Friedrich rief 1738 den 22-jährigen gebildeten jungen Mann,der fortan seine Gesprächsrunden befruchten sollte, an seinen Hof inRheinsberg, wo zwischen beiden ein freundschaftliches Verhältnis heran-wuchs. Als 1740 Friedrich die Staatsgeschäfte übernahm, trat der jungeBielfeld in königliche Dienste. Er bekleidete das Amt eines Legationsrates bei dem Departement der auswärtigen Angelegenheiten. 1745 wurde erzweiter Hofmeister des Prinzen Ferdinand, dem jüngsten Bruder des Kö-nigs; als dessen Erzieher fungierte er für mehrere Jahre. 1747 wurde er zum Oberaufseher aller Universitäten in Preußen und zum Direktor desHospitals in Berlin ernannt. Er erhielt gleichzeitig den Titel eines Gehei-men Rates und wurde in den Freiherrenstand erhoben. Das Gehalt eines, wenn auch hochgestellten Beamten war bei Bielfeld bezüglich einer stan-

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desgemäßen Haushaltsführung zu dieser Zeit überfordert. 1750 wuchsihm durch Heirat das Eigentum der Güter Treben und Haselbach im Her-zogtum Sachsen-Altenberg zu, so dass er fortan finanziell unabhängigwurde.Im Februar 1755 schied Bielfeld auf Antrag aus allen seinen Ämtern aus, was jedoch nicht die korrespondierende Tätigkeit mit der Berliner Akademie der Wissenschaften betraf, die ihn bereits 1744 zu ihrem Ehrenmitglied ernannt hatte. Zunächst in Treben, lebte er von 1757 bis 1763 in Hamburg. Er zog sich dann endgültig auf seine Güter in Thüringen zurück, wo er als Landwirt, als rationalistischer, staatsphilosophischer, pädagogischer und Populär-schriftsteller tätig war. Unter seinen Schriften sind hervorzuheben: �Lettres familières et autre�, die in Haag 1763 und 1767 in französisch und in Danzig 1765 und 1767 in deutsch erschienen. In diesen findet sich auf Seite 38 auch eine Nachricht über die Aufnahme des Kronprinzen Friedrich in den Bund der Freimaurer. Jacob Friedrich Bielfeld wurde am 14. Dezember 1737,einundzwanzigjährig, von der ersten Hamburger Loge in den Freimaurer-bund aufgenommen und, wie es zur damaligen Zeit üblich war, erst am 4. Januar 1738 deren Mitglied und zugleich zum Sekretär ernannt. Er wurde neben dem Mstr. v. St. Georg Ludwig von Oberg zur Abordnung ausgewählt, die man nach Braunschweig zur Aufnahme des Kronprinzen Friedrichentsandte. Br. Bielfeld war am 14. August 1738 bei der festlichen Arbeit als Sekretär und Redner tätig. Nachdem der Kronprinz ihn nach Rheinsbergberufen hatte, deckte er am 10. September des gleichen Jahres die Hambur-ger Loge, um sich als Mitglied der Loge �Première� anzuschließen. Gleichzei-tig ging auch Bruder v. Oberg nach Rheinsberg, da er Auseinandersetzungenmit seiner Mutterloge hatte. Dieser leitete für etwa ein Jahr als Mstr. v. St. die Loge, wonach der Kronprinz selbst den Hammer übernahm. Am 15. oder 16. Juni l740, kurz nach dem Tode seines Vaters, hielt der König hammerfüh-rend eine seiner letzten Logenarbeiten ab, in der die Brüder Bielfeld undJordan als Aufseher amtierten. Seit Rheinsberg hat Br. Bielfeld die Ämter des Schriftführers und Aufsehers der �Loge du Roi� bekleidet.Bruder Bielfeld und Bruder Jordan griffen die Bitte der sich in Berlin auf-haltender Freimaurer auf, maurerisch arbeiten zu können. Sie entwickelten den Plan für eine Stadtloge, welche Br. Jordan dem König vortrug. Dieser stimmte ihm zu, so dass am 9. September 1740 die Loge �Aux trois Glo-bes� gestiftet werden konnte. Nach ihrer Gründung weilte Br. Bielfeld am 2.

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November 1740 zum ersten Mal in der Loge, an ihren Versammlungennahm er regelmäßig teil, soweit er nicht amtlich von Berlin abwesend war.Die Große Loge von London lud am 19. März 1741 zum großen Maurerfest den Br. Baron v. Anré, den Preußischen Gesandten, sowie den Br. Lega-tionsrat v. Bielfeld, letzteren als Vertreter der Loge �Aux trois Globes�, ein. Sie wurden mit allen Ehrenbezeugungen eingeführt. Br. v. Bielfeld über-brachte nach seiner Rückkehr der Loge, laut Niederschrift vom 21. Juli1741, von Seiten der Großen Loge von London brüderliche Grüße nachMaurersitte. Gleichzeitig wurde erklärt, durch Einladung dieser Brüderwolle man dem Königlichen Bruder von Preußen und seine Loge ehren, ihn als natürlichen Großmeister anerkennen, der berechtigt sei, in seinenStaaten Logen zu errichten. Am 29. Juli 1741 hielt Br. v. Bielfeld in der Loge einen Vortrag über den Ursprung und die Entwicklung der Freimaurerei, der vielen Brüdern zum ersten Mal die Zusammenhänge maurerischer Ideen seit 1717 näherbrachte. Am 13. März 1742 wurde er zum vorsitzenden Meister der Loge �Aux trois Globes� gewählt. Am 15. März hielt er eine zum ersten Mal nie-dergeschriebene Rede. Am 28. März wandelte Br. v. Bielfeld, der demdeutschen Schrifttum und seiner Dichtkunst zugetan war, die französisch geprägte Loge in eine deutsche um und hielt die erste deutsche An-sprache. Sein Wunsch, dass in Berlin in deutscher Sprache gearbeitet wer-de, ist erst viele Jahre später realisiert worden. Für die Jahre 1754-1755wurde er zum Mstr. v. St. der nunmehr in �Große Königliche Mutterloge Zu den drei Weltkugeln� wieder gewählt. Als groß-meisterliche Amtsaus-übung hat er am 4. Januar 1755 die älteste Tochterloge �La Petite Con-corde� feierlich in Tätigkeit gesetzt.1755, als er seine öffentlichen Ämter abgab, hat sich Br. v. Bielfeld auch aus dem aktiven Logenleben zurückgezogen. Auch in seiner späterenHamburger Zeit, wo sein Bruder, der Kaufmann Johannes Bielfeld, den 1. Hammer der Loge �St. Georg� führte, ist von freimaurerischer Tätigkeitseinerseits nichts überliefert. So kann man feststellen, dass sich ein Br. Freimaurer nach überaus aktiven und für unsere Großloge befruchtenden Jahren bescheiden zurückgezogen, die Zukunft in die Hände nachfolgen-der Generationen gelegt hat.Am 5. April 1770 ist Jacob Friedrich, Freiherr von Bielfeld in Treben im Al-ter von 54 Jahren verstorben.

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Karlheinz Gerlach

Die Mitglieder der Berliner Freimaurerloge �Zur Eintracht� 1754-1815. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Freimaurer

Was Helmut Reinalter 1989 allgemein über wünschenswerte sozialstrukturel-le Forschungen zur deutschen und österreichischen Freimaurerei schrieb und Winfried Dotzauer ähnlich wiederholte1, gilt im besonderen für die branden-burgisch-preußischen Logen des 18. Jahrhunderts.2 Derartige Forschungen sind ein Desiderat. Hier soll die sozialgeschichtliche Untersuchung der Berli-ner Johannisloge �Zur Eintracht�, einer Tochterloge der Großen National-Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln�, einsetzen. Die Geschichte der �Ein-tracht� ist noch nicht geschrieben. Keine der schmalen Festschriften (zuletzt 1954)3 gelangte hinsichtlich des 18. Jahrhunderts über das hinaus, wasFriedrich Wilhelm Rosenstiel, Logenredner und Direktor der Königlichen Por-zellanmanufaktur, 1804 in seiner Festrede der 50-Jahrfeier der �Eintracht�sagte.4Die Geschichte der �Eintracht� von der Stiftung 1754 bis zu dem Wiener Kon-gress und dem Beginn der Restauration 1815 ist schnell erzählt.5 Um die Jahrhundertmitte gründeten in Berlin Intellektuelle, gebildete Beamte undUnternehmer drei Sozietäten: 1748 eine gelehrt literarische Gesellschaft, den aufklärerischen Montagsklub, und als Töchter der Königlichen Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln� (1740) die beiden französischen Freimaurerlogen �De 1� Amitié� (1752 ?, die spätere �Große Loge von Preußen genannt Royal York zur Freundschaft�) und die �La petite loge de la concorde�, die spätere �Eintracht�. All diese Sozietäten waren Gründungen des neuen, unzünftigen Bürgertums, einer �Aufsteigerschicht, die außerhalb der altständischen Sozialordnungemporkam�6. Sie entwickelten sich wie die Berliner Aufklärung neben undunabhängig vom königlichen Hof, auch wenn die meisten Mitglieder inköniglichen Diensten standen. Die kurze Logenmitgliedschaft Friedrichs II.war in seiner geistigen und politischen Biographie lediglich eine Episode, die dennoch der brandenburgisch-preußischen Freimaurerei die Bahn brach.7Weil die Königliche Mutterloge die Konkurrenz der �Concorde� fürchtete, ver-weigerte sie ihr in dem Stiftungspatent vom 9. Dezember 1754 nahezu alle Eigenständigkeit. Die �Concorde� trennte sich daher von ihr, feierte die Jo-hannisfeste allein im Tegeler Landhaus ihres Bruders Alexander Georg

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v. Humboldt und eignete sich die Rechte einer logenstiftenden Mutterloge an. Der Protest der Weltkugelloge hatte Erfolg. Die drei Berliner Logen legten ihren Streit bei. Die �Concorde� erhielt 1761 eine neue, ihr weitgehendeRechte zubilligende Stiftungsurkunde. Die nunmehrige erste Tochterloge�Zur Eintracht� �blieb nun ungetrennt bei der Mutter und teilte mit ihr Freu-den und Leiden ... Die Leiden deckt der Mantel der Liebe; sie sind hinüber-geschwommen in das Meer der Vergangenheit.�8 Rosenstiel spielte auf die Irrungen und Wirrungen in der deutschen Freimaurerei an. Gemeinsam mit der Mutterloge unterwarf sich die �Eintracht� 1764 der rigorosen, die Verfas-sung der englischen Freimaurerei leugnenden Gehorsamspflicht der Strikten Observanz, glaubte an die kreuzritterliche Ursprungslegende des Templeror-dens und tauschte um 1780 dessen Herrschaft mit der des antiaufkläre-rischen Ordens der Gold- und Rosenkreuzer ein, bis dann eine Logenreform die inneren Krisen überwand. Schließlich regelte der Staat 1748 in dem Edikt wegen der geheimen Gesellschaften seine Beziehungen auch zu den preußi-schen Großlogen.Die �Leiden�, von denen Rosenstiel sprach, haben der �Eintracht� keinen allzu großen äußeren Schaden zugefügt, denn wie die Berliner Freimaurerei nahm sie einen stetigen Aufstieg. Dies erweisen die Quellen. Eine erste, nochoberflächliche Durchsicht der �Eintracht�-Akten im Geheimen StaatsarchivPreußischer Kulturbesitz, Abteilung Merseburg9, ergab, dass die bis 1933vorhandenen Protokollbücher des 18. Jahrhunderts wahrscheinlich verloren-gegangen sind. Damit fehlt die wohl wertvollste Quelle. Dennoch ist diesozialgeschichtliche Quellenlage gut, weil die ab 1775 unregelmäßig, ab1801 alljährlich gedruckten Mitgliederverzeichnisse überliefert sind.10 Alssozialgeschichtlich noch ergiebiger erwies sich die in der �Eintracht� aufbe-wahrte zweibändige Stammliste11, deren erster Band auf der Logenmatrikel12

fußt. Ihr Verfasser erweiterte, ergänzte und korrigierte die alte Matrikel und sammelte Daten zur Biographie einschließlich der beruflichen und maure-rischen Laufbahn. Die zeitgenössischen gedruckten Verzeichnisse nennenden Namen, den Beruf bzw. die Dienststellung, das Alter, das Logenamt und den Wohnort. Beide Quellen enthalten eine Fülle sozial-geschichtlicher und biographischer Daten, deren Auswertung lediglich begonnen werden kannund von denen diese Untersuchung lediglich einen Ausschnitt erfasst. Die Matrikel, die Verzeichnisse und die Stammliste stimmen nicht völlig überein; die Stammliste verzeichnet mehr Mitglieder als die gedruckten Listen, derenNamen wiederum nicht alle in der Stammliste stehen.

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Für diese Diskrepanz stehen zwei Namen: Friedrich Nicolai und FriedrichGedike, beide namhafte Berliner Aufklärer. Friedrich Gedike (1754-1803)13,ein bedeutender Pädagoge und Journalist - er gab mit Johann Erich Biester die streitbare und weitverbreitete �Berlinische Monatsschrift� heraus -, wurde am 1. September 1778 vierundzwanzigjährig auf Vorschlag des Verlags-buchhändlers Christian Ludwig Stahlbaum mit einer Gegenstimme in die�Eintracht� gewählt. Gedike bekleidete die wichtigen Ämter eines Redners und neun Jahre lang (1786-1795) des stellvertretenden Logenmeisters. In derLoge trat er als Verfasser von Gedichten und Reden hervor, deren zwei er in der Monatsschrift veröffentlichte. Die gedruckten Mitgliederlisten und dieStammliste führen ihn bis 1791 übereinstimmend als Mitglied; ab 1796 fehlt sein Name in den gedruckten Verzeichnissen, während Kühne offenbar an-hand der Protokollbücher eine Mitgliedschaft bis 1803, das Todesjahr Gedi-kes, annimmt.14

Warum ist eine Klärung der Diskrepanz von Belang? Friedrich Gedike hatte in den gesellschaftskritischen Briefen �Über Berlin�, welche er 1753-1785 für die �Berlinische Monatsschrift� schrieb, die Rosenkreuzer, Goldmacher undGeisterseher und den in Berlin �stockfinstern dicken Aberglauben unter dem gemeinen, dem wohlhabenden, dem bebänderten und dem durchlauchtigen Pöbel�15 attackiert. Die ungenannten, aber tatsächlich gemeinten Angegriffe-nen waren der Kronprinz Friedrich Wilhelm und seine rosenkreuzerischenGünstlinge Wöllner, Bischoffwerder und Prinz Friedrich August von Braun-schweig-Lüneburg. Nachdem Wöllner als Minister sein Vorgesetzter gewor-den war, hatte Gedike berufliche und öffentliche Verfolgung zu befürchten. Darum legte er 1791 die �Berlinische Monatsschrift� nieder.Sein freimaurerischer Vorgesetzter hieß gleichfalls Wöllner. Zog er sich da-rum von seinem Logenamt und womöglich aus der Loge zurück? Die Klärung dieser und ähnlicher Fragen könnte über die Spannungen innerhalb derWeltkugellogen im späten 18. Jahrhundert Auskunft geben. Bei FriedrichNicolai bleiben noch mehr offene Fragen als bei Gedike. Freimaurerlexikahelfen da auch nicht weiter.16 Die gedruckten Mitgliederlisten führen Nicolai nur 1814 als Ehrenmitglied auf. Die somit als sicher anzunehmende Mit-gliedschaft wird in der Stammliste bestätigt. Nicolai wurde wahrscheinlich1782 aufgenommen und 1783 in den zweiten und 1784 auf Vorschlag des Logenmeisters, des Chirurgen Johann Christian Anton Theden, in den dritten Grad befördert.17 Deckte er nun oder ließ er seine Mitgliedschaft ruhen? So könnte sich das Fehlen seines Namens in den zeitgenössischen Listen

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erklären - 1781 war er noch nicht Mitglied und 1784 nicht mehr. Sovielscheint sicher: Nicolai gehörte von 1782 bis 1784 und von 1808 bis zuseinem Tod 1811 der Loge �Zur Eintracht� an. Das Quittungsbuch der Loge weist aus, dass er 1810 die monatlichen Mitgliedsbeiträge von 12 Groschen entrichtet hatte. Zudem betrieb Nicolai historische Forschungen zu den Ur-sprüngen der Freimaurer, der Rosenkreuzer und der Tempelherren und ver-legte Freimaurertitel.18 Vielen Zeitgenossen galt er als Freimaurer. AlsFriedrich Ludwig Schröder im Juli 1800 Berlin besuchte, um die Weltkugel-loge und die Royal York für seine Freimaurerreform zu gewinnen, bezog er ganz selbstverständlich Nicolai in die Gespräche ein.19

Die Mitgliederlisten liefern nicht nur biographische Einzeldaten, sondern vor allem sozialgeschichtliche und prosopographische Massendaten. In den ge-druckten Mitgliederlisten und in der aus den Quellen ergänzten Stammliste der Loge �Zur Eintracht� im Untersuchungszeitraum 1754-1815 stehen 453 Namen. Die Loge gehörte damit zu den mitgliederstärksten deutschen So-zietäten.20 In Berlin arbeiteten im letzten Viertel des 18. Jahrhundertsdreizehn und nach der Vierteilung der �Royal York de 1� Amitié� (1798) sech-zehn Logen, und rechnet man die beiden Hochgradlogen �Friedrich zumgoldenen Löwen� und �Indissolubilis� hinzu, sogar achtzehn. Die �Eintracht�war nur eine unter mehreren, allerdings nächst der �Royal York� wahrschein-lich die größte. Neben den Freimaurerlogen entstanden weitere Sozietäten -der bereits genannte Montagsklub (1748), die �Gesellschaft Naturforschender Freunde� (1773), die Geheimgesellschaften des Ordens der Gold- und Ro-senkreuzer (Ende der siebziger Jahre) und die �Gesellschaft von Freunden der Aufklärung� (Mittwochsgesellschaft; 1783), Klubs und Kränzchen. Sie allewaren durch ihre Mitglieder miteinander verzahnt. Berlin war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts e ine �gesellige� Stadt.Zu der Logengründung der �Concorde� 1754 versammelten sich sieben Brü-der der �Drei Weltkugeln�. Zu dem erstmals wieder 1761 gemeinsam began-genen Johannisfest, berichtete Rosenstiel in seinem Festvortrag (S. 22), ka-men 31 Brüder der �Eintracht�, 24 der Mutterloge und 27 der �1� Amitié�.Genauere und regelmäßige Jahresmitgliederzahlen stehen erst ab 1775 zur Verfügung. Die tatsächliche, realistische Mitgliederzahl der �Eintracht� im je-weiligen Freimaurerjahr machte zwei Drittel der nominellen Mitgliederzahlaus. Von den durchschnittlich 65 (65,2) Brüdern der Jahre 1775-I813 waren 45 (44,8) anwesend, also Berliner, und 20 (19,6) abwesend, also Nichtberli-ner, die kaum je an den Arbeiten teilzunehmen in der Lage waren.21 Der Ma-

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ler Heinrich Wilhelm Tischbein, der �Goethe-Tischbein�, zum Beispiel wurde am 17. Dezember 1778 in die �Eintracht� aufgenommen, innerhalb eines hal-ben Jahres zum Meister befördert, ging kurz darauf (1779) nach Italien und wurde trotzdem weiter als (abwesendes) Mitglied geführt.Bis zur Jahrhundertwende lagen die Mitgliederzahlen der �Eintracht� weit un-ter dem Durchschnitt bei 32 (31,7) Anwesenden und 19 (18,9) Abwesenden, die Loge war also erheblich kleiner als nach 1800. Eine Mitgliederzahl um dreißig hielt man damals in den Berliner Logen für passabel, in anderen So-zietäten hingegen für etwas hoch. Sie alle teilten jedoch offenbar die Auffas-sung der �Gesellschaft Naturforschender Freunde�, die in ihrer Grundverfas-sung von 1789 die Zahl der ordentlichen Mitglieder (gegenüber den außer-ordentlichen und den Ehrenmitgliedern, also den Abwesenden) auf höch-stens zwölf festlegte mit der Begründung, so �den intimen Charakter� der Sozietät wahren zu können22. Die Freimaurer sündigten dauernd gegen diese Erkenntnis, klagten dann über die vielen nicht arbeitenden und nicht zahlen-den Brüder, versuchten, dem Missstand entgegenzusteuern, verfielen aber bald wieder in den alten Fehler.Der von Mieden 1794 eingeleiteten Reform der Weltkugellogen, die den Fi-liallogen unter anderem das unter der Strikten Observanz verlorene Beam-tenwahlrecht zurückgab23, ging eine Bereinigung der Mitgliederlisten voraus. So könnte sich der Mitgliedersturz Mitte der neunziger Jahre erklären. Die �Eintracht� halbierte sich auf die ideale Größe von 33 Brüdern (1791). Ledig-lich in der �Verschwiegenheit� fiel die Streichung der Auswärtigen nicht wie-ter auf, weil sie nur zwei Brüder traf, einen Militärjuristen in Potsdam und einen Major in St. Petersburg.Die Mitgliederlisten führen, wenn möglich, den Wohnort auf. Wer in der Stadt oder im Staat ein Amt bekleidete, stand im Adresskalender, so dass man die Behörde, Dienststellung und Adresse nachschlagen und den Wechsel überJahre verfolgen kann. So ins einzelne können die folgenden Darlegungen je-doch nicht gehen. Von 382 (84,3 Prozent) Mitgliedern kennen wir den Wohn-ort. Drei von vier wohnten in Berlin (279, 73 Prozent). Aus den anderenpreußischen Landesteilen kamen 65 Brüder, von denen wiederum die meis-ten � 43 - im preußischen Kerngebiet (Brandenburg, Neumark, Altmark,Magdeburg und Halberstadt) lebten, von ihnen je sieben in den Berlin be-nachbarten Städten Potsdam und dem logenfreien Spandau und vier in Mag-deburg mit der mitgliederstärksten Filiale der Großen National-Mutterloge.Die restlichen zehn Prozent verteilten sich auf andere Reichs-(14) und euro-

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päische Territorien (24), von ihnen allein neun Mitglieder aus dem Zaren-reich. Die �Eintracht� war eine Loge der Berliner, was nicht überraschen kann. Sie war jedoch durch ihre Mitglieder, die in mehr als siebzig verschiedenen Städten wohnten, mit dem ganzen Reich und dessen Nachbarstaatenverbunden.Berlin wies im 18. Jahrhundert unter den großen europäischen Städten nächst St. Petersburg die höchsten jährlichen Wachstumsraten auf. Im Verlauf von fünf Menschenaltern, schreibt Helga Schultz, wuchs es �von einerunscheinbaren Residenz mittlerer Größe zu einer der volkreichsten ... Städte Europas empor�. Um die Jahrhundertwende hatte Berlin 170 000 Einwoh-ner.24 Die enorme Zuwanderung lässt sich an der Herkunft der �Eintracht�-Brüder ablesen. Von jedem zweiten - 222 - konnte der Geburtsort oder das Geburtsland ermittelt werden. Nur jeder dritte (62, also 28,2 Prozent) war ein geborener Berliner.160 Brüder kamen in 145 Orten zur Welt, fünf in Magdeburg, je vier in Ham-burg und Potsdam, drei in Halberstadt und je zwei in Leipzig und in Königs-berg. Die Geburtsorte lagen überwiegend in den mittleren GebietenBrandenburg-Preußens; es folgten mit Abstand Schlesien, Vor- und Hinter-pommern, Preußen und die niederrheinischen Besitzungen. Beachtlich war mit zwanzig Brüdern (9,1 Prozent) die Zahl der Sachsen und Thüringer. Elf Mitglieder wurden im russischen Zarenreich geboren, von ihnen sechs imKurland, einer in Litauen und vier in Russland.Wie Berlin bewies die �Eintracht� eine große Integrationskraft für Menschen aus fast ganz Europa und besonders für Zuwanderer aus dem brandenbur-gisch-preußischen Kerngebiet. Mitglieder der �Eintracht� wurden hauptsäch-lich die Zwanzig- bis Dreißigjährigen.25 Im ersten Jahrzehnt nach der Grün-dung (1756-1764; einschließlich der vorher Aufgenommenen) hatten dieNeuaufgenommen mit bekanntem Aufnahmealter ein Durchschnittsalter von 25 Jahren, in der Zeit der Strikten Observanz (1765-1780) von 30 Jahren, während der Dominanz des Rosenkreuzerordens (Ende der siebziger Jahre bis zu den neunziger Jahren) von 27 Jahren und in der Zeit der Napoleoni-schen Kriege von 35 Jahren.Eine der Ursachen des Alterssprungs in den letzten zwanzig Jahren kann man in dem �Edikt wegen der geheimen Gesellschaften� (1798) nachlesen, das ein Mindestalter von 25 Jahren festlegte.26 Die Zunahme des durchschnittlichen Mitgliederalters der Loge hatte jedoch schon früher begonnen. Im Jahre 1780 waren deren Mitglieder durchschnittlich achteinhalb Jahre jünger als 1804

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(35,8 und 43,9 Jahre). Die Überalterung traf die �Eintracht� - und die�Verschwiegenheit� mit ähnlicher Sozialstruktur (8) - weniger als den�Flammenden Stern� (12) und die �Drei Seraphim� (11; alle vier Tochterlogen 1780 32,6 und 1804 42,3 Jahre). War der 1787 jüngste Bruder - der gleich-namige Sohn des Stuhlmeisters Johann Georg Decker - 19 Jahre alt, so war 1804 der Jüngste, ein Domdechant, 25 Jahre alt. In den Jahren 1780-1804verringerte sich die Gruppe der 21- bis 30-jährigen Brüder auf ein Viertel (von 27 auf 7), die der 31- bis 40-Jährigen blieb etwa gleich groß, während sich die Gruppe der 41- bis 50-Jährigen verdreifachte (von 7 auf 21).Ähnlich verlief die Entwicklung in den anderen Berliner Tochterlogen der�Drei Weltkugeln�. Die Loge verlor für junge Leute an Attraktivität zugunsten der Arrivierten, die wiederum der Loge die Treue hielten und mit ihr alt wur-den; sie erhöhten ganz natürlich das durchschnittliche Mitgliederalter der Loge. Die Sozialstruktur der �Eintracht� wich kaum von der in der deutschen Freimaurerei üblichen ab. Sie war abhängig von der sich wandelnden Sozial-struktur Berlins und der Organisationsstruktur der Großloge, die eine Militär-loge, den �Flammenden Stern�, für die Offiziere - unter ihnen viele Adlige -,die Militärärzte und Militärjuristen, die Feldprediger und die MilitärIiefe-ranten der Berliner Garnisonsregimenter stiftete. Die Charakteristika Berlins -die Regierung des Königreichs und der Kurmark, die Garnison, dieManufakturen und Verlage, Kunst, Wissenschaft und Bildung - prägten die Sozialstruktur der Sozietäten. Sozietätenfähig war jedoch lediglich eine dün-ne Schicht der männlichen Bevölkerung, hauptsächlich die �königlichenBediensteten�, also die hohen und mittleren Beamten, und die Garnisonsoffi-ziere, die Unternehmer und die Gelehrten. Eine gelehrte Gesellschaft wie der �Montagsklub� erwartete von seinem Mitglied, gebildet zu sein, nicht jedoch die Freimaurerloge, die zudem freie, also unzünftige und unabhängige Män-ner mit geringem Einkommen aufnahm. Natürlich waren die Aufnahme und die Mitgliedschaft mit dauernden hohen Kosten verbunden, die manch einem Sorgen bereiteten.Nur 73 der 453 Brüder der �Eintracht� 1754-1815 gehörten dem Adel an(16,1 Prozent). Die Zahl der Adligen blieb klein und bewegte sich 1775-1805je Jahr zwischen einer (1796, 1799, 1801) und sechs Personen. Anders als die absolute Zahl schmolz der relative Anteil auf die Hälfte (von 1775 14 auf 1805 7 Prozent). Die Entwicklung in den anderen Weltkugellogen verlief ten-denziell gleich und beschleunigte sich noch im folgenden Jahrhundert.27 Der stetige Rückzug des Adels aus den Weltkugellogen zeigte sich auch in deren

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Führung, als 1799 die Mutterloge anstelle des zurückgetretenen National-Großmeisters Herzog Friedrich August von Braunschweig-Öls einen Bürgerli-chen wählte, nämlich den Theologen Johann Friedrich Zöllner, Mitglied der �Eintracht�.28

Die Mitgliederverzeichnisse weisen etwa 65 Berufe aus. Es fehlt wohl kaum ein von den neuen Bürgerlichen ausgeübter Beruf. Fasst man die Berufe zu Gruppen zusammen, dann bildeten die Behördenbeamten29 des Generaldi-rektoriums und des Geheimen Staatsrats (der späteren Ministerien), der Kur-märkischen Kriegs- und Domänenkammer, des Magistrats, des Kammerge-richts, der Seehandlung und anderer mit 146 Mitgliedern oder 35 Prozent die größte Abteilung, gefolgt vom Gewerbebürgertum - den Finanz- und Manu-fakturunternehmern, den Fabrikanten und Kaufleuten einschließlich der Ver-lagsbuchhändler, mit 96 Personen oder 21,2 Prozent, den Medizinern - denÄrzten, Chirurgen und Apothekern - mit 59 Personen oder 13 Prozent, den Militärs - den Offizieren, Feldpredigern, Militärärzten und Militärjuristen30 -mit 50 Personen oder 11 Prozent, den Theologen und Pädagogen mit 35Personen oder 7,7 Prozent, den Künstlern - den Malern, Kupferstechern,Musikern und Schauspielern - mit 19 Personen oder 4,2 Prozent sowie den adligen und bürgerlichen Grundbesitzern (7 Personen) und schließlich denkleinen Gewerbetreibenden31 Dienern und Soldaten (11 Personen), meist die-nende Brüder.Ähnlich den Größenveränderungen verlief die sozialstrukturelle Entwicklung der �Eintracht� undramatisch. Absolut und prozentual lagen die Entwick-lungslinien der Unternehmer, Mediziner und Theologen/Pädagogen dichtbeieinander auf annähernd gleicher Höhe. Ein Auf und Ab gab es lediglich bei den dominierenden Behördenbeamten. Ihre Zahl nahm bis 1788 zu, fiel dann steil ab und stieg von 1801 bis 1814 auf nahezu die alte Höhe. Die Beamten waren unter den Auswärtigen zahlreicher als die anderen Berufsgruppenvertreten und daher von der Listenbereinigung besonders schwer betroffen. Für den prozentualen Anteil hatte das keine Folgen, er blieb annäherndgleich. In den anderen drei Berliner Tochterlogen ging es weit lebhafter zu, ablesbar etwa an der großen prozentualen Zunahme der Behördenbeamten, die schließlich (1805) überall ein Drittel bis zur Hälfte aller Logenmitglieder ausmachten.Ausgenommen die ersten Jahre, teilte ein Bruder seiner Loge den Beruf und die Dienststellung mit. Von ihr kann man auf die Behörde schließen. Sind in einer Behörde mehrere Freimaurer einer Lage oder eines Logenbundes nach-

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weisbar, lässt sich ein zumindest indirekter politischer Einfluss, soweit dieser in einem absolutistischen Staat möglich war, vermuten. An dem Kammerge-richt, dem obersten preußischen Appellations- und Kriminalgericht, zumBeispiel waren im Untersuchungszeitraum 16 Brüder der �Eintracht� tätig,unter ihnen dessen Präsident und spätere Großkanzler Heinrich Julius v.Goldbeck.32 Richter am Kammergericht lassen sich auch in den anderenWeltkugellogen nachweisen33, nur einzelne in der �Royal York zur Freund-schaft� und bisher gar keiner in der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland. War das Kammergericht eine Domäne der Weltkugellogen? An-dererseits spricht die zahlreiche Mitgliedschaft von Kammergerichtsjuristen in den Logen, im Montagsklub, in der �Gesellschaft von Freunden der Aufklä-rung� für ihr gesellschaftliches Engagement, das auf ihrer Kollegialität unter-einander, ihrem Selbstbewusstsein, gehoben durch die wirtschaftliche Unab-hängigkeit, beruhte.34

Die den Beamten folgende soziale Mitgliedergruppe bildeten die Gewerbe-bürger - die Kaufleute oder Krämer, die Fabrikanten, die Manufakturunter-nehmer und Verleger, die Groß- und Speditionskaufleute und Bankiers. Die soziale Spannweite vom unzünftigen Krämer zum Großunternehmer wargroß. In den Mitgliederlisten stehen nur allgemeine Berufsbezeichnungen wie Kaufmann, Fabrikant usw., was die eindeutige Zuordnung zu einer Firmaerschwert oder unmöglich macht. Neben den vielen vergessenen Namenstehen solche großer Unternehmerfamilien. Die Anfang des Jahrhunderts aus der Schweiz zugewanderten Wegeljs, Baumwollmanufakturiers und Groß-kaufleute, waren durch drei ihrer Angehörigen in der �Eintracht� vertreten:durch Karl Jakob, Mitbesitzer der Wegeljschen Wollmanufaktur auf derFischerinsel im Berliner Stadtteil Kölln, Ernst Wilhelm, 1779 Alleinbesitzer der Firma Wegelj & Söhne, und Karl Wilhelm.35 Insgesamt bot die �Eintracht� einen Querschnitt durch das Berliner Gewerbebürgertum. Man fand in der Frei-maurerloge wie sonst in keiner anderen Berliner Sozietät einen Kreis vonUnternehmern, Behördenbeamten und Intellektuellen vor. Hier ließen sichGeselligkeit und Geschäftsinteresse bestens miteinander vereinen.Die Verlagsbuchhändler und Verlagsdrucker waren Kaufleute, Unternehmer, die mit den Autoren und den Käufern im Strom der geistigen Kämpfe und Moden schwammen. In der Verlagsstadt Berlin, einem Hauptort der Aufklä-rung, aber auch ihrer Gegner, mussten sie den Geist und das Geld lieben, wie Siegfried Unseld von dem Goethe-Verleger Johann Friedrich Cotta sagte, um sich behaupten zu können. Ihr Geschäftsinteresse gebot Geselligkeit.

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Verlagsbuchhändler fanden sich in allen Berliner Sozietäten. Der �Eintracht�gehörten im Untersuchungszeitraum zehn Verleger an. Von den von PaulRaabe aufgelisteten vierzehn größten Berliner Verlegern zwischen 1764 und 178836 waren dies allein sieben: die Hofbuchdrucker Georg Jakob Decker Vater und Sohn (2.), die mit Lessing befreundeten Friedrich Nicolai (1.) und Christian Friedrich Voß (5.) sowie Christian Friedrich Himburg (7.), Friedrich Maurer (11.) und Johann Daniel Friedrich, Kompagnon Friedrich de la Gardes (13.); Nicolai und Decker standen in den achtziger Jahren in der Gruppe der führenden deutschen Verleger.Die auffällige Mitgliedschaft von Verlagsbuchhändlern der Aufklärung in der �Eintracht� stellt die Frage nach dem Verhältnis dieser Freimaurerloge zur Aufklärung. Für die Nähe zu ihr spricht die Mitgliedschaft führender Köpfe der Berliner Aufklärung: Nicolai und Friedrich Gedike. Dagegen spricht, dass sie 1783 es angesichts der politischen Entwicklung in Preußen für notwendig hielten, eine Geheimgesellschaft zu gründen, die �Gesellschaft von Freunden der Aufklärung�. Über die Ursachen schrieb Nicolai, dass die �Zirkeldirekto-ren gewisser Zirkel der Gold- und Rosenkreuzer in Berlin� sich seit 1783, als man den baldigen Tod Friedrichs II. zu gewärtigen hatte, �sich in vertrauter Gesellschaft ziemlich deutlich verlauten (ließen), welchen Einfluss ihr Orden unter der neuen Regierung, nicht nur durch Vertilgung aller Freymaurerey die nicht von ihnen abhinge, sondern in Absicht auf viele andere Gegenstände im Staate haben würde. Von denjenigen, welche die Lage der Sache kannten, war die Möglichkeit eines solchen Erfolgs sehr wohl einzusehen, und dieFolgezeit hat auch etwas von der Wirklichkeit, sonderlich auch den weitaus-sehenden Absichten der Unbekannten Obern gezeigt.�37 Diese Absichtenkonnten Nicolai und seine Freunde auch in der �Eintracht� entdecken, Gedike ganz unmittelbar in der rosenkreuzerischen und alchemistischen Schottenlo-ge �Friedrich zum goldenen Löwen�, in der Großen National-Mutterloge,deren Mitglied er 1782 geworden war, und als deputierter Meister vom Stuhl(1786-1795). Er saß zwischen zwei Stühlen, dem seiner aufklärerischenÜberzeugung und Schulpraxis und dem seiner antiaufklärerischen Vorge-setzten in der Großloge und in Staat und Schule, nämlich des Deputierten Nationalgroßmeisters und Ministers Wöllner. Ließ Nicolai wegen dieser ro-senkreuzerischen Absichten seine Logenmitgliedschaft ruhen oder verließsogar deswegen die �Eintracht�?Die orthodoxen Gegner der rationalistischen Aufklärung sammelten sich ab den siebziger Jahren in Berlin in dem höchst geheimen Orden der Gold- und

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Rosenkreuzer38. Er trat in den Weltkugellogen die Nachfolge des unterge-henden Templerordens der Strikten Observanz an. Um 1780 ging die Leitung des im ganzen Reich verbreiteten Ordens an das Berliner Direktorium über. Am 8. August 1781 nahmen Prinz Friedrich August von Braunschweig-Lüne-burg, Wöllner und Bischoffwerder den preußischen Thronfolger FriedrichWillhelm in den Rosenkreuzerorden auf. Es bildete sich in den letztenLebensjahren Friedrichs II. in Berlin eine antiaufklärerische Opposition, die nach der bald zu erwartenden Thronbesteigung Friedrich Wilhelms in der preußischen Politik mitzureden gedachte.Die von den Rosenkreuzern beherrschten Weltkugellogen dienten dem Orden als personelle, organisatorische und finanzielle Basis. Jedes zweite Mitglied der Großen National-Mutterloge war zugleich Ordensmitglied.39 Der Günst-ling König Friedrich Wilhelms II., Wöllner, regierte die Weltkugellogen undden Rosenkreuzerorden; er wahrscheinlich verbarg sich hinter dem Magus, dem im Verborgenen wirkenden Ordensoberhaupt.40 Die Rosenkreuzer orga-nisierten sich in Zirkeln mit jeweils etwa neun Mitgliedern, an deren Spitze ein Zirkeldirektor stand. In Berlin errichtete der Orden sechs Zirkel41: Heli-conus (der Minister Johann Christoph v. Wöllner42), Rufus (der preußische General von Lüneburg43), Farferus (der Generaladjutant Johann Rudolf v.Bischoffwerder44), Neastes (der Generalstabschirurg Johann Christian Anton Theden45), Banderesius (der Offizier Christian Adam Marschall von Bieber-stein46) und Hilarius (der Kammergerichtsrat Johann Wilhelm Bernhard Hym-men47). Vier der sechs Zirkeldirektoren waren gleichzeitig Mitglieder derGroßen National-Mutterloge, Theden Meister vom Stuhl der �Eintracht�, ausder auch Wöllner und Marschall v. Bieberstein hervorgegangen sind.Bischoffwerder gehörte keiner der Berliner Logen an. Von den bisher be-kannten 74 Berliner Rosenkreuzern waren 15 zugleich Mitglieder der�Eintracht�: sechs Beamte, drei Theologen bzw. Pädagogen, drei Unternehmer und drei Mediziner. Jeder zweite der im Jahre 1786 31 anwesenden, alsoBerliner �Eintracht�-Brüder war Rosenkreuzer. Die meisten von ihnen, zehn, gehörten dem Zirkel ihres Stuhlmeisters Theden an, drei dem Zirkel desSchottischen Obermeisters Wöllner und zwei dem offensichtlich nur kurzle-bigen Zirkel des Kammergerichtsrats Hymmen, hier der später bankrott-gegangene Sohn des BaumwoIlmanufakturiers Sieburg. In dem Zirkel desChirurgen Theden versammelte sich eine illustre Gesellschaft: aus der �Ein-tracht� der Stadtchirurg und öffentliche ordentliche Hebammenlehrer Johann Philipp Hagen (1734-1791?), der spätere preußische Geschäftsträger in

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Warschau Karl Heinrich Friedrich Axt, der Lehrer Johann Christian Nathanael Hecker, Sohn des Gründers der Berliner Realschule, und der Oberkonsisto-rialrat und Propst Johann Friedrich Zöllner, 1791 ordentliches Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Dem Wöllnerschen Zirkel gehörten als einziger rosenkreuzerischer Buchverleger Georg Jakob Decker sowie derPharmazeut und Chemiker Martin Heinrich Klaproth an.Die Stuhlmeister der �Eintracht� waren von 1768 bis 1816 durchweg Rosen-kreuzer: Theden (1768-1785), Decker (1785-1793) und Klaproth (1793-18I6). Von den neun Logenbeamten des Jahres 1786 waren sechs Rosen-kreuzer: außer Decker unter anderen noch Hagen (Schatzmeister), Hecker (2. Vorsteher) und Klaproth (Mitglied des Stewardskollegiums, also der Logen-verwaltung). Bei einer solchen rosenkreuzerischen Dominanz in der Logen-leitung überrascht es, dass ein Mann wie Friedrich Gedike, der sich 1783unmissverständlich feindlich gegen die Rosenkreuzerei erklärt hatte, jahre-lang ihr deputierter Meister sein konnte.Ging der Riss, der Aufklärer und Gegenaufklärer nicht nur in Berlin trennte, mitten durch die �Eintracht�? Ließ sich jeder Rosenkreuzer eindeutig aufAntiaufklärung festlegen? War Wöllner, ökonomischer Autor der aufkläreri-schen �Allgemeinen Deutschen Bibliothek� seines Widersachers Nicolai undReformer auf seinem Gut, immer und nur ein Gegner der Aufklärung? Die Französische Revolution war ein Ereignis, an dem sich die Geister schieden. Friedrich Gentz, der aus Breslau gekommene Geheime Sekretär im General-direktorium, wandelte sich von einem Freund der Französischen Revolution zu ihrem strikten Gegner und zum Konservativen. Gentz wurde 1787 drei-undzwanzigjährig in die �Eintracht� aufgenommen und bis 1791 in den 3. Grad befördert. Könnte es sein, dass der Rosenkreuzer Martin Heinrich Klap-roth, einer der großen Chemiker des 18. Jahrhunderts, dass Theden, Hagen bei einer politisch und religiös konservativen Grundhaltung sich hauptsäch-lich wegen der Möglichkeit chemischer Experimente für den Orden gewinnen ließen, was Gerhard Steiner für den Naturwissenschaftler und Weltumsegler Georg Forster nachgewiesen hat? Forster habe sich �geradezu inbrünstig und schonungslos� innerhalb des Gold- und Rosenkreuzerordens engagiert, mit dessen Hilfe er die Geheimnisse der Natur tiefer ergründen und in der Frei-maurerei fortschreiten wollte. Schließlich aber wandte er sich enttäuscht vonder alchemistischen Rosenkreuzerei ab48. Ähnlich erging es manchem Berli-ner Rosenkreuzer. Der neologische Prediger Zöllner, seit 1799 National-Großmeister, bekannte dem freimaurerischen Reformer Schröder bei dessen

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schon erwähnten Berliner Besuch, wohl Rosenkreuzer gewesen zu sein, �sich aber sehr leidend (also passiv) verhalten� zu haben. Er habe �sogar Chemie studiert, aber weder in dieser Wissenschaft, noch in der theologischen, noch Naturlehre pp. Kenntniß & Wahrheit bei seinen Oberen gefunden�. Schon bei Lebzeiten Friedrich Wilhelms II. hätten sie angefangen, �sich von HerzogFriedrich (August) und Wöllner loszumachen und der Rosenkreuzerei zu ent-sagen�. Aber auch Friedrich August, erfuhr Schröder von anderen, sah sich betrogen und habe das Laboratorium einreißen und alle Gläser, Retortenusw. vernichten lassen.49

Fragt man nach den Verbindungen der �Eintracht� zum Gegenpol der Rosen-kreuzer, den aufklärerischen Gesellschaften, macht man ähnlich über-raschende Entdeckungen wie bei jenen. Der gelehrte, exklusive Montags-klub51, in dessen kleinen Kreis (1787 24 Mitglieder) man wie in die Freimau-rerlogen nur auf den Vorschlag eines Mitglieds und durch Auskugelngelangte, stand nach dem Tode Karl Wilhelm Ramlers 1798 unter der Leitung seines ältesten Mitglieds, Friedrich Nicolais. Seine Glanzzeit hatte der Klub in den fünfziger und frühen sechziger Jahren erlebt, als Lessing ihm angehörte. Der Klub erwarb sich den Ruf eines �Generalquartiers� der Berliner Aufklä-rung (Ludwig Geiger). Diesen Ruf gab er in den achtziger Jahren an die�Gesellschaft von Freunden der Aufklärung�, die Mittwochsgesellschaft, ab.Mindestens elf Montagsklubler gehörten auch der �Eintracht� an. Vier vonihnen - der Hof- und Kammergerichtsrat Georg Wilhelm Jakob Friese, der Chirurg Theden, der Pharmazeut Klaproth und der Staatsminister Wöllner -waren zugleich Rosenkreuzer, die beiden letzteren Zirkeldirektoren. Diegesellschaftsreformerische Geheim-� Gesellschaft von Freunden der Aufklä-rung� und die �Eintracht� hatten drei gemeinsame Mitglieder: die Aufklärer Gedike und Nicolai, der eine eher kompromissbereit, der andere unversöhn-lich streitbar, sowie den, wie Gedike, Gegensätze ausgleichenden Oberkon-sistorialrat und Propst Zöllner, Mitglied des Rosenkreuzerordens. Aber auch Zöllner war nach dem Zeugnis Biesters von den Drohungen des Wöllnerschen Religionsedikts betroffen, weil �er gegen unprotestantische Machtsprüche die Stimme der begründeten Überzeugung männlich und bescheiden erho-benhatte�51. Zöllner hatte keine Bedenken, sich ganz gegensätzlichen Sozie-täten anzuschließen. Niemand, offenbar auch nicht seine aufklärerischenFreunde, stieß sich daran. Selbst Wöllner vereinbarte sich scheinbar aus-schließende Mitgliedschaften in der Weltkugelloge, dem Rosenkreuzerorden, dem Montagsklub und in der �Gesellschaft Naturforschender Freunde�. Er und

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Nicoiai markierten in Berlin die ideologischen Pole. Zwischen beiden lag ein weites Feld gleitender Übergänge im Denken und Handeln der Sozietäten und der einzelnen Personen.Diese Situation kennzeichnete die noch nicht allseitig dem neuen Bürgertum zum Bewusstsein gelangte gesellschaftliche Krise in Deutschland im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts, im Unterschied zu den Vertretern der beste-henden Ordnung.52 Die Freimaurerlogen boten für eine solche Zeit langdau-ernder gesellschaftlicher Umformung den rechten Ort. Sie vereinigten alszwischenständische Organisation Adlige, allerdings kaum den Erbadel, son-dern den verstädterten, in königlichen Diensten stehenden, materiell abhän-gigen Adel, und das sich herausbildende neue Bürgertum, die künftige Bour-geoisie. Die zwischen-ständische Sozialstruktur der Logen, der Widerstreitzwischen ursprünglich demokratisch-republikanischen und dominierendenhierarchisch-monarchischen Prinzipien, die über alle Krisen mehr oder min-der bewahrte Verbindung mit der Aufklärung ermöglichten die Akzeptanzeiner mit den neuen sozialen Schichten wachsenden Zahl von Männern. Sie suchten nicht die elitäre Exklusivität des gelehrt-literarischen Klubs, sondern die sozial und regional weitgreifende vermittelnde Organisation und eine ge-hobene Geselligkeit. All diese Bedingungen erfüllte die Berliner Freimaurer-loge �Zur Eintracht�. Darin besteht ihre soziale, geistige und politischeBedeutung im 18. und frühen 19. Jahrhundert.

Anmerkungen

1 Helmut Reinalter, Einleitung: Was ist Freimaurerei und masonische Forschung, in: Aufklärung und Geheimgesellschaften. Zur politischen Funktion und Sozialstruktur der Freimaurerlogen im 18. Jahrhundert. Hg. Helmut Reinalter (= Ancien Regime, Aufklärung und Revolution, Bd. 16, Hg. Rolf Reichardt/Eberhand Schmitt), München 1989, S. 28; Winfried Dotzauer, Zur Sozialstruktur der Freimaurer in Deutschland im 18. Jahrhundert, ebenda, S. 109; vgl. Reinhart Koselleck, Freimaurerei im 18. Jahr-hundert zwischen Politik und Moral, in: Tau. Zeitschrift der Forschungsloge Quatuor Coronati, Bayreuth, 1982, I, S. 5ff., bes. S. 13-18.2 Eine Sozialstatistik der Weltkugellogen des 19. Jh. legte das Bundesblatt 1896, S. 16ff., vor (Die Mitglieder der Logen nach Berufsarten); vgl. Karlheinz Gerlach, Neue Forschungen zur Großen National-Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln� 1775-1805in Berlin, ebenda 1991, H. 5, S. 3ff.; ders., Die Johannisloge �Ferdinand zur Glück-seligkeit� in Magdeburg. 1778-1814, ebenda 1992, H. 1, S. 12ff.; ders., Zur Sozial-

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struktur der Großen National-Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln� 1775-I805 inBerlin, in: Quatuor Caronati Jahrbuch 28/1991, S. 105f.3 Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Loge �Zur Eintracht� im Orient Berlin,Berlin am 4. Dezember 1904 (Berlin 1904); Walter Deimel, Zur Erinnerung an das 200jährige Bestehen der Johannis-Loge �Zur Eintracht� im Verbande der Großen Na-tional-Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln� im Orient Berlin. Rückblick auf die Lo-genjahre von 1929-1954 (Berlin 1954); 250 Jahre Große National-Mutterloge �Zuden drei Weltkugeln� 1740-1990. Hg. Große National-Mutterloge �Zu den drei Welt-kugeln�, Schriftleitung und Zusammenstellung Werner Schwartz/Reinhold Dosch,Berlin 1990, S. 111-115.4 (Friedrich Wilhelm) Rosenstiel, Vortrag am Jubelfeste der Loge zur Eintracht, in: Reden und Gesänge bei der Feier der Loge zur Eintracht an ihrem fünfzigsten Stif-tungstage, den 9 ten December 1804, Berlin (1804).5 Vgl. (Franz August O �Etzel), Geschichte der Großen National-Mutterloge in denPreußischen Staaten genannt zu den drei Weltkugeln, 6. Ausg., Berlin 1903, S. 3ff.; 250 Jahre Große National-Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln� 1740-1990, S. 32ff. ; Ferdinand Runkel, Geschichte der Freimaurerei in Deutschland, Bd. 1, Berlin 1931, S. 113ff.6 Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700-1815,München 1987, S. 204; vgl. Lothar Gall, Bürgertum in Deutschland, Berlin 1989, S. 21f.7 Friedrich II. wurde am 15.8.1738 in den Freimaurerbund aufgenommen und nahm zwischen dem 29.10. und 24.11.1740 zum letzten Mal an einer Arbeit teil. Der Kö-nig galt formal als deren Großmeister, weswegen sie sich 1744 Große KöniglicheMutterloge zu den drei Weltkugeln nannte. Friedrichs Haltung zur Freimaurereiwurde nunmehr von den politischen und ideologischen Bedingungen des aufgeklär-ten Absolutismus bestimmt. Aus heutiger freimaurerischer Sicht vgl. WernerSchwartz, Friedrich der Große und sein Verhältnis zur Freimaurerei. Versuch einer Deutung. Hg. Große National-Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln�, 2. Aufl., Berlin 1988.8 Rosenstiel, Vortrag am Jubelfeste, S. 22 .9 Vgl. die Ausführungen von Renate Endler in dem Bericht: Aufbruch, in: Tau 1990, S. 33-51.10 (O� Etzel), Geschichte der Großen National-Mutterloge, S. 67. Die Mitgliederlisten erschienen in den Jahren 1775/1777, 1778, 1780, 1784, 1786, 1788, 1791, 1796, 1799, 1801ff. (1775, 1780, 1796 in: Uniwersytecka Biblioteka Poznán, Masonische Abteilung Ciazen, 50 20 4 II. 1778, 1784, 1785, 3799 in: Geheimes Staatsarchiv

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Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Merseburg, 3W 7661; 1786, I802 ff. in: Große National-Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln�, Berlin, Archiv; 1801ff. in: Große Lan-desloge der Freimaurer von Deutschland, Berlin, Bibliothek).11 Stammliste von sämmtlichen Mitgliedern der nach und unter der Constitution der Großen National-Mutter-Loge in den Preußischen Staaten genannt: zu den dreiWeltkugeln am 9ten December 1754 gestifteten im Oriente zu Berlin arbeitenden St. Johannis-Freimaurer-Loge: zur Eintracht. Unter Hammerführung des hochw. Bru-ders F.A.H. Appelius angefertigt im Jahre 1852 von Br. C. Kühne I, Mitglied der (Lo-ge) 3 Seraphim, u. fortgeführt bis z. 9. Dec.ber 1852. Für den Hinweis und die Mög-lichkeit, die Stammliste auszuwerten, danke ich Herrn Dr. Rupprecht Hoffmann,Berlin.12 Mitglieder der St. Johannis-Loge zur Eintracht im Oriente zu Berlin, in: GStAMerseburg 5.2 B 26 Eintracht Nr. 57 Ü.13 Autobiographie in: Friedrich Gedike, Gesammelte Schulschriften, Bd. 1/2, Berlin 1789-1795, S. 240ff.; (Johann Erich Biester), Friedrich Gedike, in: Neue Berlinische Monatsschrift 1804, S. 3ff.; Heidemann, Friedrich Gedike, in: ADB 8/1878; F.Borinski, Gedike, in: NDB 6/1964; Harald Scholtz, Friedrich Gedike (1754-1803). Ein Wegbereiter der preußischen Reform des Bildungswesens, in: Jahrbuch für dieGeschichte Mittel- und Ostdeutschlands 13/14, 1965; Friedrich Gedike: Über Berlin. Briefe �Von einem Fremden� in der Berlinischen Monatsschrift I783-I785. Kulturpä-dagogische Reflexionen aus der Sicht der �Berliner Aufklärung�. Hg. Harald Scholtz unter Mitwirkung von Ernst Kröger (= Wissenschaft und Stadt, Bd. 4), Berlin 1987; Für Vernunft und Aufklärung. Die Berlinische Monatsschrift (1783-1796). Eineberlinische Auswahl. Hg. Karlheinz Gerlach, Berlin 1987. 14 Gedike hat in der Stammliste die Nr. 212.15 4. Brief, in: Friedrich Gedike: Über Berlin, S. 24.16 Z. B. Eugen Lennhoff/Oskar Posner, Internationales Freimaurerlexikon. Unverän-derter Nachdruck der Ausgabe 1932, Wien/München 1980, Sp. 1113: Nicolai �war Mitglied der �Drei Weltkugeln��.17 �238. Friedrich Nicolai, Buchhändler u. Schriftsteller. I 1782, II Eintracht 8.3.1783 Theden, III 27.3.1784 Marchand, P(rop.) Theden. Austritt, gestr(ichen)? Trauerloge 16.5.1811 Rosenstiel. Zu dem Protokoll v. 1782 sind häufige Lücken, daher derVorschlag d. Br. Nicol. u. seine Aufnahme nicht zu ermitteln.� �370. Nicolai, wird zum Ehrenmitglied vorgeschlagen, aber durch Stimmeneinhelligkeit zum Zeichender Anerkennung der ausgezeichneten Verdienste, welche derselbe durch seine ge-lehrten Forschungen im Fache der (Maurerei) längst erworben hat u. die aufrichtig-ste Hochschätzung zum wirklichen Mitglied� ernannt. Dies wurde ihm am23.12.1808 in einem Schreiben mitgeteilt. (Mitglieder der St. Johannis-Loge zur

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Eintracht, GStA Merseburg 5.2 B 26 Eintracht Nr. 57 Ü). Kühne übernahm dieseDaten. In dem Quittungsbuch der �Eintracht� 1808 steht Nicolais Namen ohne den Nachweis gezahlter Mitgliedsbeiträge, in dem folgenden der Jahre 1810-1810 mit dem Nachweis gezahlter Beiträge 1810 (GStA Merseburg 5.2. B 26 Nr. 81 Quit-tungsbuch 1810-1816. Eintracht).18 Vgl. Horst Möller, Aufklärung in Preußen. Der Verleger, Publizist und Geschichts-schreiber Friedrich Nicolai, Berlin 1974, S. 32ff.; Rudolf Vierhaus, Friedrich Nicolai und die Berliner Gesellschaft, in: Friedrich Nicolai. 1733-1811. Essays zum 250. Geburtstag. Hg. Bernhard Fabian, Berlin 1983, S. 87ff.; Friedrich Nicolai. Leben und Werk. Ausstellung zum 250. Geburtstag 7. Dezember 1983 bis 4. Februar 1984, Berlin 1983, S. 91ff.19 Friedrich Ludwig Schröder, Tagebuch die Maurerei betreffend, auf einer Reise vom 31. May bis 29. Juli 1800, in: Cirkelkorrespondenz (Hamburg), Nr. 140 (1859/60), S. 46f.20 Vgl. Richard van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichenEmanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland, Frankfurt/Main 1986, S. 58, 68 u.a.; zu den Mitgliederzahlen der Weltkugellogen ab 1988 vgl. Bundes-Matrikel nebst tabellarischer Nachweisung der von 1788-1901unter der Verfassung der Großen National-Mutterloge in den Preußischen Staaten genannt zu den dreiWeltkugeln errichteten Johannislogen und altschottischen Delegationen, in:(O�Etzel), Geschichte der Großen National-Mutterloge, S. 512f.21 Vgl. zu den großen Schwierigkeiten des Reisens im 18. Jh. Klaus Gerteis, Das�Postkutschenzeitalter�. Bedingungen der Kommunikation im 18. Jahrhundert, in: Entwicklungsschwellen im 18. Jahrhundert. Hg. Karl Eibl (= Aufklärung. Interdiszip-linäre Halbjahreszeitschrift zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wir-kungsgeschichte, Jg. 4, H. 1, 1990), S. 55ff.22 Konrad Herter, Die Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Sonderdruck der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Sonderdruck der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin (N.F.) 1, H. 1-3, S. 6.23 Vgl. (O�Etzel), Geschichte der Großen National-Mutterloge, S. 99.24 Vgl. Helga Schultz, Berlin 1650-1800. Sozialgeschichte einer Residenz, Berlin1987, S. 321, 323.25 Zu diesem Gegenstand schreibt die Festschrift zur Feier des 150-jährigen Beste-hens der Loge �Zum aufrichtigen Herzen� im Orient zu Frankfurt a.0. , Frankfurt a. d. Oder 1926, S. 22, dass z.B. in den siebziger Jahren des 18. Jh. das Alter der Neu-aufgenommenen sehr verschieden war und zwischen 25 und 40 Jahren schwankte. Es gab auch Jüngere und Ältere, einen Kaufmann mit 56 und einen Erbprinzen mit

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18 Jahren. �Ja, später wurden mehrere Studenten im Alter von 17 Jahren aufgenom-men!�26 Edict wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der all-gemeinen Sicherheit nachtheilig werden könnten. De Dato Berlin, den 20sten Octo-ber 1798, Berlin bei Georg Decker 1798. § 11 lautet: �Es soll auch gedachten tole-rirten Freymaurer-Logen nicht gestattet werden, jemand vor erfülltem 25sten Jahre seines Alters zum Mitgliede aufzunehmen, und jede Loge, welche diesem zuwider handelt, hat im ersten Übertretungs-Falle, außer der Verbindlichkeit zur Ausschlie-ßung des gedachten Mitgliedes, eine Geldbuße von Ein Hundert Reichsthalern, im fernern Übertretungs- oder Weigerungs-Fall aber Verlust des Protectorii und derDuldung zu gewärtigen.� (Abgedruckt bei O�Etzel, Geschichte der Großen National-Mutterloge, S. 120.)27 Die Mitglieder der Logen nach Berufsarten, in: Bundesblatt 1896, S. 16ff. DieGroße National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln hatte 1809/10 57 Tochterlogen mit 4413 ordentlichen Mitgliedern, davon 831 Adlige und 3582 Bürgerliche.1894/95 124 Tochterlogen mit 13572 Mitgliedern, davon 192 Adlige und 13380 Bürgerliche. Der Adel hat �sich fast ganz aus unserem Bunde zurückgezogen�, sein Mitgliederanteil sank von 19 Prozent 1809/10 auf 1,4 Prozent 1894/95 (S. 19).28 Vgl. (O�Etzel), Geschichte der Großen National-Mutterloge, S.121; vgl. die Biogra-phien Friedrich Augusts von Braunschweig-Lüneburg und Zöllners ebenda, S. 469f. und 508f.29 Vgl. Henning v. Bonin, Adel und Bürgertum in der höheren Beamtenschaft derpreußischen Monarchie 1794-1806, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- undOstdeutschlands 15/1466.30 Zwei der Offiziere wurden im Untersuchungszeitraum Regimentschefs: B. E. v.Bonin, Infanterieregiment 54, und A. L. v. Schierstedt, Infanterieregiment 33, und einer Bataillonschef: A. v. Sobbe, Bataillon 18 (vgl. Curt Jany, Geschichte der preußi-schen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914, Bd. 3, 2. Aufl., Nachdruck Osnabrück 1967.)31 Nach Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 203, kennzeichnete den kleinenGewerbetreibenden �Unbeweglichkeit innerhalb seines engbegrenzten Horizonts�,sein �Ideal bestand überwiegend in der auskömmlichen �Nahrung� statt in der uner-sättlichen riskanten Erwerbswirtschaft�. Dieser soziale Konservatismus hielt ihn im 18. Jh. von den geistig beweglichen Gesellschaften der regional und beruflich mobi-len, risikobereiten neuen Bürgerlichen ab. Viele der Beamten und besonders derMigranten wohnten in Mietwohnungen, auch bei Handwerkern mit Hausbesitz, z.B. G. J. F. Müller, ein Zugereister (1743 Sauer-1743 Berlin), Stadt- und Kriminalrichter bei den Stadtgerichten und 1799-I802 deputierter Meister der �Eintracht�, in den

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80er Jahren (AdreßkaIender 1782, 1784) in dem Haus des Bäckermeisters Heyde(vgl. zu Heyde Helga Schultz, Der Roggenpreis und die Kriege des großen Königs. Chronik und Rezeptsammlung des Berliner Bäckermeisters Johann Friedrich Heyde 1740 bis 1786, Berlin 1988).32 Martin Philippson, Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrichs des Großen bis zu den Freiheitskriegen. Bd. 1, Leipzig 1880, S. 83, erklärt Gold-becks �nachherige hohe Laufbahn� mit seiner Mitgliedschaft im Orden der Gold-und Rosenkreuzer. �Sollten nicht Bischoffswerder, Wöllner, Goldbeck, Haugwitz die eigentlichen Machthaber unter ihrem Bruder Ormesus Magnus (Friedrich Wilhelm II.) werden?� Siehe unten.33 Vgl. Gerlach, Zur Sozialstruktur der Großen National-Mutterloge, S. 111.35 Friedrich Holtze, 500 Jahre Geschichte des Kammergerichts. Zum 500jährigenJubelfest des Gerichtshofes und zur Feier seines Einzuges in das neue Heim amKIeistpark, Berlin 1913, S. 151, 179.35 Vgl. Hugo Rachel/Paul Paul Wallich, Berliner Großkaufleute und Kapitalisten. Bd. 2: Die Zeit des Merkantilismus 1648-1806. Neu hrsg. v. J. Schultze/H.C. Wallich/G.Heinrich, Berlin 1967.36 Vgl. Paul Raabe, Die Aufklärung und das gedruckte Wort. Die Entfaltung neuer Ideen mit Hilfe Berliner Verleger, in: Digressionen. Wege zur Aufklärung. Festgabe für Peter Michelsen. Hg. Gotthardt Frühsorge/Klaus Manger/Friedrich Strack. Hei-delberg 1984, S. 47-60, bes. 53f.; ders., Zum Bild des Verlagswesens in der Spät-aufklärung. Dargestellt an Hand von Friedrich Nicolais Lagerkatalog von 1787, in: ders., Bücherlust und Lesefreuden. Beiträge zur Geschichte des Buchwesens im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Stuttgart 1984, S. 66-88.37 Friedrich Nicolai, Einige Bemerkungen über den Ursprung und die Geschichte der Rosenkreuzer und Freymaurer, Veranlaßt durch die sogenannte historisch-kritischeUntersuchung des Herrn Hofraths Buhle über diesen Gegenstand, Berlin/Stettin1806, S. 12. 38 VgI. Horst Möller, Die Bruderschaft der Gold- und Rosenkreuzer. Struktur, Ziel-setzung und Wirkung einer anti-aufklärerischen Geheimgesellschaft, in: Freimaurer und Geheimgesellschaften im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa. Hg. Helmut Reinalter, Frankfurt/Main 1983, S. 199ff., Karl R. H. Frick, Die Erleuchteten. Gnostisch-theo-sophische alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Graz 1973, S. 303ff., bes. 354; Alexander Scharff, Die Rosen-kreuzer, in: Zirkelkorrespondenz 1956, S. 338-341.39 Vgl. Gerlach, Zur Sozialstruktur der Großen National-Mutterloge, S. 107-109.40 Dafür sprechen die in Wöllners Nachlaß befindlichen rosenkreuzerischen Interna -Briefe, Eidesformeln, der Organisationsplan, Mitgliederlisten der Ordenszirkel u.a.

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41 GStA Merseburg Rep. 92 Wöllner II Nr. 3.42 Vgl. (O�Etzel), Geschichte der Großen National-Mutterloge, S. 506f.; Die Stellung des Ministers Br. v. Wöllner in der Gr. National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln vor hundert Jahren, in: Bundesblatt 1897, S. 75-82; Frick, Die Erleuchteten, S. 354-356; Paul Bailleu, Johann Christoph Wöllner, in: ADB 44, S. I46-I58; J.D.E. Preuß, Zur Beurteilung des Staatsministers von Wöllner, in: Zeitschrift für Preußische Geschich-te und Landeskunde 1865, S. 577-604, 1866, S. 65-95.43 (O�Etzel), Geschichte der Großen National-Mutterloge, S. 464 f.; Hans Riegel-mann, Die europäischen Dynastien in ihrem Verhältnis zur Freimaurerei (= Quellen und Darstellungen zur Freimaurerfrage, Bd. 4), Berlin (1943), S. 240.44 Frick, Die Erleuchteten, S. 356; Johannes Schultze, Hans Rudolf von Bischoff-werder (=Mitteldeutsche Lebensbilder 3/1927); Theodor Fontane, Wanderungendurch die Mark Brandenburg, Hg. Gotthard Erler/Rudolf Mingau, T.3: Havelland.Berlin/Weimar 1977, S. 300-318.45 Neumann, Chr.A. Theden als Mensch und Maurer. Eine historische Studie, in: Bundesblatt 1906, S. 526-531.46 (O�Etzel), Geschichte der Großen National-Mutterloge, S. 465; Paul Gehrke, Der flammende Stern im Orient Berlin. Eine Logengründung zur Zeit der Strikten Obser-vanz. Festschrift zum 150jährigen Bestehen im Auftrage der feiernden Loge, Berlin 1920, S. 56. 47 Vgl. Gerlach, Zur Sozialstruktur der Großen-National-Mutterloge, S. 111f.48 Vgl. Gerhard Steiner, Freimaurer und Rosenkreuzer - Georg Forsters Weg durch Geheimbünde. Neue Forschungsergebnisse auf Grund bisher unbekannter Archiva-lien, Berlin 1985, S.58ff. Zitate S. 58 und 64.49 Friedrich Ludwig Schröder, Tagebuch die Maurerei betreffend, auf einer Reise vom 31. May bis 29. Juli 1800, in: Cirkelkorrespondenz (Hamburg), Nr. 140 (1859/60), S. 37.50 Vgl. Der Montagsklub in Berlin 1749-1899. Fest- und Gedenkschrift zu seiner 150sten Jahresfeier, Berlin 1899. Die Matrikel S. 111ff.51 Johann Erich Biester, Ehrendenkmal des Herrn J. F. Zöllner. Vorgelesen 24.1.1805, in: Abhandlungen der K. Akademie. Biester, Berlin (1805).52 Vgl. hierzu Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt/Main 1973, S. 115.

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Klaus Eckelt

Aufklärer und Gegenaufklärer

Friedrich Gedike

Bereits der Soldatenkönig hatte die Absicht, die Justiz in seinem Lande zu reformieren. Erste Anfänge wurden auch gemacht und sein Sohn führte das Werk fort. Aber erst nach seinem Tod erschien dann das �AllgemeineLandrecht für die preußischen Staaten, 1794�. Wichtige Beiträge zu diesem Werk kommen von Aufklärern, die sich seit 1783 in der Mittwochsgesell-schaft trafen und die außerdem Logen zugehörten - so die Pfarrer Spal-ding, Teller und Zöllner, die Philosophen Engel und Suarez, Mendelssohn, der Bibliothekar Biester, der Verleger Nicolai und nicht zuletzt der Pädag-oge Gedike, dem �heller und fester Sinn für die Rechte der Menschheitzugunsten unterdrückter Volksklassen� nachgesagt wird.

Fredrich Gedike wurde am 15. Januar 1754 in Boberow in der Prignitzgeboren. Sein Vater war Feldpostpropst. Sich selbst überlassen, wuchs er ohne Schule unter den Bauernkindern auf. Als er erst neun Jahre alt war, starb sein Vater. Er kam nach Seehausen in die Schule, dann für siebenJahre ins Waisenhaus nach Züllichau. 1768 nahm ihn Gotthold SamuelSteinbart in sein Paedagogium auf und wurde ihm ein wahrer Vater. Mitsiebzehn bezog er die Universität in Frankfurt (Oder) und studierte Theo-logie. Hier schloss er auch eine lebenslange Freundschaft mit Friedrich Zöllner, dem späteren Nationalgroßmeister. Bei dem Berliner Propst Jo-hann Joachim Spalding, dem Haupt der preußischen theologischen Aufklä-rung, bekam er eine Hauslehrerstelle. Er wurde Lehrer am Fried-richwerderschen Gymnasium, mit 25 Jahren Direktor, mit 30 Oberkon-

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sistorialrat, mit 32 Oberschulrat, mit 41 Direktor des Vereinigten ber-linisch-köllnischen Gymnasiums zum grauen Kloster. 1790 ernannte ihn der König zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften.Gedike verfaßte pädagogische Schriften. In einem Nachruf heißt es, dass �seine Vorschläge ... immer Zweckmäßigkeit, wahren Vorteil des Ganzen und wohlüberdachte Ausführbarkeit vereinigten�. Beeinflusst war er vonJohann Bernhard Basedow. Er übersetzte aus dem Altgriechischen, schrieb Gedichte und war publizistisch tätig. 1778 wurde er in der Loge �Zur Ein-tracht� aufgenommen. Er war jahrelang zugeordneter Meister vom Stuhl, trug Reden und Gedichte vor. Die Mutterloge nahm ihn als Mitglied auf. Irgendwann wird er nicht mehr in der Mitgliederliste geführt.Gedike und Johann Christoph Wöllner gehörten ein- und derselben Loge an. Wöllner war sein Ordensoberer und als Minister sein Dienstvorgesetz-ter. Gedike war Aufklärer durch und durch und attackierte den �stockfins-teren dicken Aberglauben unter dem gemeinen, dem wohlhabenden, dem bebänderten und dem durchlauchtigen Pöbel� - womit er u.a. Wöllner und Friedrich-Wilhelm II. meinte. Mit dem Freund Johann Erich Biester gab er die �Berlinische Monatsschrift� heraus, die �bedeutendste Zeitschrift derdeutschen Spätaufklärung�. In der Mittwochsgesellschaft debattierte manauch darüber, was Aufklärung sei. Die Vorträge wurden in der Monats-schrift veröffentlicht. Der bekannteste Beitrag dazu ist der von Immanuel Kant, der allerdings nicht Mitglied war. Bemerkenswert ist in dieserZeitschrift übrigens ein Beitrag mit dem Titel �Ist auch ein Jude unserNächster?� Allerdings hält Gedike allmählich den Druck der antiaufkläre-rischen Maßregelungen und Verbote nicht aus und trat 1791 aus derRedaktion aus. Er war, wie sein Freund Biester schrieb, jedoch nie der�großen Sache der Vernunft und Aufklärung untreu geworden�. Bereits1803 starb er, erst neunundvierzigjährig.

� Ist auch ein Jude unser Nächster?

Das scheinen nicht alle Christen zu glauben, obgleich einst ein Samariter es glaubte. Ein Jude bekam auf der Straße nahe am Hause eines wohl-habenden Christen einen Anfall von Steckfluß. Solchen Anfällen war eröfter ausgesetzt gewesen, aber noch immer durch Hülfe, die ihm zurrechten Zeit geleistet worden, gerettet worden.

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Auch diesmal hätte er wahrscheinlich können gerettet werden. Und waszerstörte diese Wahrscheinlichkeit? Er ward von herbeieilenden Menschen in das Haus gebracht vor dem er niedergesunken war. Als er hier nun auf dem kalten finstern Flur lag, itzt noch finsterer durch die umherstehendeMenge des hinzugelaufenen Volks gemacht, als ein Arzt und später einWundarzt kamen und alle Hülfe versprachen und Hoffnung zur aberma-ligen Rettung machten, wenn dem Kranken nur ein lichtvolles warmesZimmer verstattet würde, als alle Anwesende die gegenwärtige Hausherr-schaft um ein Zimmer im Hause für den Kranken baten, als die herzuge-eilte Gattin - Mutter mehrerer Kinder- über ihren sterbenden Mann voll Verzweiflung schluchzte und laut um Hülfe und Menschlichkeit aufschrie, als er, mitten in diesem Getümmel und ohne Pflege, ohne Bequemlichkeit mit dem Tode rang - da waren die christlichen Besitzer des Hauses hart-herzig genug, durchaus das Hereinbringen des sterbenden Juden in eines ihrer Wohnzimmer abzuschlagen.Und nur, weil es ein Jude war! Nicht aus Unmenschlichkeit überhaupt, denn sicherlich hätten sie jedemanderen Bürger der Stadt diese kleine Hülfe, bei der sie selbst nichts tun durften, bewilligt. Auch erklärten sie sich nur immer gegen den Juden. Und dennoch auch sicherlich nicht aus übertriebener Liebe zum Heiland oder fanatischer Religionswut. Sie leben sonst ganz bürgerlich vertragsam mit jedem Unbeschnittenen und werden nie zu raschen Handlungen gegeneinen Unchristen entflammt.Es geschah aus reiner Geschöpfsverachtung gegen einen Menschen da-rum, weil er ein Jude ist, aus dem noch immer erhaltenen angeborenenHaß, aus der mit der Muttermilch eingesogenen, keineswegs sich auf Reli-gion gründenden Leidenschaften gegen alles, was Jude heißt. -Manche Anwesenden sowohl Christen als Juden redeten zu ihnen laut und stark von Menschen- und Bürger- und Christenpflicht, einige erboten sichzur Ersetzung jeder etwa möglichen Beschädigung, manche ließen auchden allgemein verbreiteten Unwillen laut genug ertönen. Alles ohne Wir-kung bei der Hausherrschaft! Der Mann und die Frau standen auf derTreppe, sahen und hörten alles, und blieben hartnäckig bei ihrer Weige-rung und riefen ihr Nein über den sterbenden Menschen zu dem lautrau-schenden Volke herunter. - und er starb.Dies geschah leider mitten in Berlin im Aprilmonat des Jahre, 1753. �

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Johann Friedrich Zöllner

Die Mittwochsgesellschaft spielte in der zweiten Hälfte des achtzehntenJahrhunderts in Berlin eine außerordentliche Rolle. Viele Freimaurer gehörten ihr an, wie Friedrich Nicolai, Friedrich Gedike und u.a. der evangelische Pfar-rer Johann Friedrich Zöllner (1753-1805). Er stammte aus Neudamm in der Neumark. Nach dem Studium in Frankfurt/Oder und Reisen in Deutschlandwar er Prediger an der Charité in Berlin und gleichzeitig Diakonus an der Marienkirche. 1788 wurde er Propst an der Nicolaikirche, Oberkonsistorialratund versah eine Anzahl von Ämtern mit sozialem Charakter. Er machte sich einen Namen als Verfasser von Schriften zur Volksbildung. Im Auftrag Fried-rich Wilhelms II. reiste er, um dem König über das Schulwesen außerhalbPreußens zu berichten. Er übernahm Gedikes Stelle im Oberschulkollegium nach dessen Tod. Sein �Lesebuch für alle Stände� erlebte zahlreiche Auflagen. Die �Wöchentlichen Unterhaltungen über die Erde und ihre Bewohner� er-schienen 1784 bis 1787 in acht Bänden. Kleinere Beiträge erschienen in der �Berlinischen Monatsschrift�.Mit seinen Reisebeschreibungen vermittelte Zöllner Kenntnisse über ferne Landschaften und ihre Bewohner; dabei bediente er sich gerne der Briefform und ergänzte die Erzählungen durch Statistiken und sachliche Beschrei-bungen geologischer und meteorologischer Besonderheiten. Da die Mitt-wochsgesellschaft maßgeblich an der Formulierung des Preußischen Land-rechts beteiligt war, dürfte auch Zöllner entsprechende Beiträge geleistethaben. Der pädagogisch Interessierte hatte natürlich auch Kontakt mit Fried-rich Eberhard von Rochow auf Reckahn, den er häufig besuchte . Man nannte diesen den preußischen Pestalozzi, was schon chronologisch nicht stimmt, da er als dessen Vorläufer angesehen werden muss. Eher sollte man Pesta-lozzi den Schweizer Rochow nennen.Zöllner wurde in der Loge �Zum aufrichtigen Herzen� in Frankfurt a. d. Oder aufgenommen, war Meister vom Stuhl in der �Eintracht� in Berlin, 1799National-Großmeister der �Drei Weltkugeln� und arbeitete die Grundverfas-sung von 1798 aus, verfasste die Instruktionen für die Johannisgrade sowie die Rituale und Instruktionen für den IV. und V. Grad.

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Johann Christoph (von) Wöllner

Sein Name ist gleichsam ein Synonym für Zensur und Intoleranz. Erwurde 1788 Staats- und Justizminister und Chef des geistlichen De -partements - war also verantwortlich für Kultus-, d.h. Kirchen- undBildungspolitik. Damit war er der wichtigste Innenpolitiker des schwa-chen Friedrich Wilhelm ll. Schon 1788 erließ er das berüchtigte Reli-gionsedikt, das vom Geist der Intoleranz geprägt war und jede Abwei-chung von den Lehren der �symbolischen Bücher� mit Strafen undAmtsentzug bedrohte.

So reglementierte er in diesem Zusammenhang den populären Pfarrer Heinrich Schulze aus Gielsdorf auf dem Barnim - Zopf-Schulze ge-nannt, weil er sich weigerte, eine Amtsperücke zu tragen. Dieser hatte eine �Sittenlehre für alle Menschen ohne Unterschied der Religion� ver-fasst. Ein aufgeklärter Frankfurter Universitätstheologe, der ihn unter-stützte, wurde, wie auch andere Professoren, von Wöllner reglemen-tiert. 1793 allerdings musste das Religionsedikt wieder aufgehobenwerden. Mit Recht hat man ihn einen Totengräber des alten Preußengenannt. Er wusste fast alles wieder zu zerstören, was unter Friedrich dem Großen an Aufklärung und tolerantem Geist ins Land gekommen war. Auch der Freimaurerei fügte er erheblichen Schaden zu. Theodor Fontane fällt ein milderes Urteil, wenn in seinen �Wanderun-gen durch die Mark Brandenburg� schreibt: �Beurteilen wir die Dinge aus der Zeit heraus. Auch das sittliche Empfinden stellt sich in ver-schiedenen Jahrhunderten verschieden ... Der Hokuspokus bleibt ein

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Fleck an jener interessanten geheimen Vergesellschaftung, die durcheine seltsame Verkettung von Umständen in die Lage kam, Preußen auf zwölf Jahre hin zu regieren, aber ein billiges Urteil über den morali-schen Wert derjenigen, die damals an der Spitze dieses Ordens (der Rosenkreuzer) standen, wird doch nur derjenige haben, der sich die Frage nach dem �guten Glauben� der Betreffenden vorlegt und gewis-senhaft beantwortet.� Fontane kommentiert eine abfällige BemerkungNicolais: �Die Verurteilung der Richtung Wöllners wird hier, unbeab-sichtigt, zur Anerkennung seiner persönlichen Aufrichtigkeit.�Wöllner wurde am 19. Mai 1732 im osthavelländischen Döberitz alsSohn eines lutherischen Landpfarrers geboren. Er besuchte die Schule in Spandau und studierte Theologie in Halle, das neben Frankfurt a. d. Oder damals Zentrum der preußischen Aufklärungstheologie und zu-gleich des Pietismus war. Nach dem Examen wurde er Erzieher in der Familie von Itzenplitz auf Groß Behnitz im Westhavelland. Später wurde er hier noch Prediger. Legte aber bald - es heißt aus gesundheitlichen Gründen - das Pfarramt nieder und pachtete die Itzenplitzschen Güter. Er heiratete auch die einzige Tochter dieser Familie, wobei ihm Fried-rich der Große einige Knüppel in den Weg legte, da er eine Verbindung von Bürgerlichen und Adligen nicht mochte. Für Friedrich war Wöllner �ein betrügerischer und intriganter Pfaffe, weiter nichts�. Erst Fried-richs Nachfolger genehmigte die Ehe. Wöllner veröffentlichte zuerstvierzehn seiner Behnitzer Predigten, darunter patriotische Heldenge -sänge auf Friedrichs Schlachten. Seine eigentlichen Interessen galten allerdings der Landwirtschaft. So schrieb er 1766 über �Die Aufhebung der Gemeinheiten in der MarkBrandenburg�. 1774 folgte eine bahnbrechende Arbeit über die Boden-mergelung. Wöllner gehört in eine Reihe mit landwirtschaftlichen Pio-nieren. Es war ihre große Zeit - dazu gehörten die Kamekes aufPrötzel, Frau von Friedland auf Alt-Friedland und nicht zuletzt Albrecht Thaer auf Möglin. Zunächst Pächter, später Rittergutsbesitzer, verband Wöllner wie die anderen Theorie und Praxis.Prinz Heinrich ernannte Wöllner 1770 zum Kammerrat und Rentmeister bei der prinzlichen Domänenkammer. Den Thronfolger und späterenKönig Friedrich Wilhelm führte Wöllner an die Freimaurerei heran. 1786 wurde er Finanz-, Kriegs- und Domänenrat sowie Oberhofbau-Intendant und in den Adelsstand erhoben.

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1768 wurde er Mitglied der �Eintracht�. Er stieg schnell in die Strikte Observanz auf, wurde Präfekt und auch Alt-Schottischer Obermeister. Als Rosenkreuzer bekämpfte er die preußischen Illuminaten, die ihmsuspekt waren. Mit dem General von Bischoffswerder auf Marquardt,der ein besonders schwärmerischer Gold- und Rosenkreuzer war, übte er einen unguten Einfluss auf den König aus. In spiritistischen Sitzun-gen erschienen diesem die Geister Verstorbener und vermittelten ihm Einsichten und Erkenntnisse. Der berühmte Chemiker Martin HeinrichKlaproth konnte entscheidende Leute vom Unsinn und der Gefährlich-keit solcher Praktiken überzeugen, so dass der ganze Spuk langsamzum Abklingen kam; Reformen wurden durchgeführt.Wöllner erwarb einige Rittergüter im Beeskowschen Kreis. Er trennte die Gutsäcker von den Bauernfeldern und richtete die ertragreichereMecklenburgische Koppelwirtschaft ein. Seine Güter wurden bald zuanerkannten Musterwirtschaften. Er hob 1791 die Erbuntertänigkeitgegen einen Zins auf, gab jedem Bauern und Kossäten zwei Hufen Land und ließ Wohnungen und Ställe für Landarbeiter bauen. Seine Frau und er unterhielten auf Groß Rietz einen ländlichen Salon. Hier starb er am 10. September 1800, seine Frau ein Jahr später. Die Ehe war kinderlos. Einerseits reaktionär, erzkonservativ, war er auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet seiner Zeit voraus, noch vor dem großen Reformwerk Steins und Hardenbergs.

Martin Heinrich Klaproth

Martin Heinrich Klaproth war zunächst Apotheker. 1787 wurde er Professor an der Artillerieschule in Berlin, dann 1810 an der dortigen neugegründetenUniversität. Er untersuchte die meisten damals bekannten Minerale und fand u.a. das nur aus dem Pflanzenreich bekannte Kalium im Leucit. Er entdecktemehrere neue Elemente, meist in Oxidform (als ihre �Erden�), u.a. 1789Zirkonium und Uran, 1795 Titan, 1797 Chrom (unabhängig von anderenEntdeckern) und hatte entscheidenden Anteil daran, dass die Phlogiston-theorie in Deutschland von der antiphlogistischen Lehre Lavoisiers abgelöst werden konnte. Außerdem untersuchte er die Bestandteile der Meteorsteine.Er schrieb Beiträge zur chemischen Kenntnis der Mineralkörper (6 Bände), ein �Chemisches Wörterbuch� (5 Bände) und �Chemische Untersuchungen der

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Mineralquellen zu Karlsbad�. Er wurde zum Obermedicinal- und Sanitätsrat ernannt, war Ritter des roten Adlerordens und gehörte dreißig gelehrtenGesellschaften an.

Geboren wurde er 1743 in Wernigerode, verheiratet war er mit einer Nichte von Andreas Sigismund Marggraf, dem Entdecker des einheimischenZuckers. Als Amtsnachfolger von Franz Karl Achard, einem Schüler Marg-grafs, wurde er Hausherr des zuckerhistorisch berühmten Gebäudes Letzte Straße 7 (später Dorotheenstraße, nach 1945 Clara-Zetkin-Straße 10), das die Societät der Wissenschaften 1707 erworben und dort für Marggraf 1757 ein Laboratoriumsgebäude mit Hörsaal und kleiner Dienstwohnung errichtet hatte. Da Achards Runkelrüben-Rohrzucker-Fabrikationsversuche einenkatastrophalen Zustand des Gebäudes herbeigeführt hatten, wurden Umbau-maßnahmen nach den Vorstellungen von Klaproth bewilligt, der dort 1803das erste vollgültige Chemische Institut Berlins in Betrieb nahm - im Ge-burtsjahr Justus von Liebigs, dessen weltberühmt gewordenes späteresLaboratorium somit eine vollwertige Vorgänger-Institution in Berlin hatte.Klaproth war seit 1776 Mitglied der �Eintracht� in Berlin und später zugeord-neter National-Großmeister der �Drei Weltkugeln�. Als aufgeklärter Menschkämpfte er gegen Aberglauben, Astrologie und Mysterienvorstellungen.Übrigens war er auch häufiger Gast bei der Tochter der Frau von Friedland auf Schloss Cunersdorf, wo Gelehrte und Künstler ein- und ausgingen. Sein Sohn Julius Heinrich war ein berühmter Orientalist und Forschungsreisender, dessen Berichte und Übersetzungen noch heute von Bedeutung sind.Klaproth starb 1817 in Berlin.

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Christoph Friedrich Nicolai

Christoph Friedrich Nicolai war nicht nur eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten unserer �Eintracht� - Buchhändler, Verleger, Schrift-steller und Mäzen -, sondern einer der streitbarsten Vertreter der �Berliner Aufklärung�. Die sonst so erhabenen Klassiker ließen keine Gelegenheit aus, ihn in Versen oder Prosa lächerlich zu machen, ihn zu verspotten, ihn anzugreifen. Wobei sie sich selbst vor schlechtem Ge -schmack nicht scheuten, etwa wenn Goethe und Schiller in bezug auf Nicolais Schlaganfall bedauern, dass nicht auch seine Zunge gelähmt wurde.Die Eltern waren aus der sächsischen Provinz zugewandert. Friedrichwurde 1733 als jüngster von vier Brüdern geboren. Sein älterer Bruder, Philosophie -Student in Halle, besorgte ihm Bücher, um seine geistige Entwicklung in entsprechende, philosophische Bahnen zu lenken. Der Vater schickte den Vierzehnjährigen in die von Johann Julius Hecker gegründete Realschule in der Kochstraße, die sich praktischen Zielenverpflichtet fühlte. Nicolai bekannte später, er habe hier in einem Jahr mehr gelernt als vorher auf allen gelehrten Schulen. Hier wurden Expe -rimente und Exkursionen durchgeführt; einer der Lehrer, ein späterer Dorfpfarrer, erkannte die große geistige Ansprechbarkeit des Jungenund förderte seine sprachliche Ausdrucksweise. Ihm verdankte er auch die Begeisterung für englische Dichtung.

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Wichtig wurden drei Jahre, die Nicolai als Buchhändlerlehrling inFrankfurt an der Oder zubrachte. Die knappe freie Zeit füllte er mitLesen aus, vor allem englischer und griechischer Bücher. Zwar fertigte er auch Gedichte an, hat diese aber nie, auch später nicht, veröffent-licht - ein schon früher Hinweis auf seine immer wieder deutlich wer-dende Selbstkritik. Mit Mendelssohn und Lessing zusammen gründeteer die �Allgemeine deutsche Bibliothek�. 268 Nummern erschienen, in denen von mehr als 150 Mitarbeitern - anonym - ungefähr 80 000Neuerscheinungen besprochen wurden. Weder vorher noch nachherkam ein solches kritisches Forum zustande. Der erste Baedeker Berlins, angeregt von seinem Freund Justus Möser, war seine Erfindung - insechsjähriger Arbeit mit einigen Mitarbeitern entstanden mit demumständlichen Titel �Beschreibung der Königlichen ResidenzstädteBerlin und Potsdam und aller daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten, nebst Anzeigen der jetzt lebenden Gelehrten, Künstler und Musikerund einer historischen Nachricht von allen Künstlern, welche vom 13. Jahrhundert bis jetzt in Berlin gelebt haben und deren Kunstwerkedaselbst befindlich sind�. Nicolai durfte für seine Arbeit das Königliche Archiv benutzen, und da er ein sehr gründlicher und penibler Forscher war, wurde dieses Werk zu einer der wichtigsten Quellen aller kom-menden Berlin-Forscher.Nicolai bestimmte die Entwicklung der aufklärerischen Geschichtsfor-schung im 18. Jahrhundert. Er entwickelte ein eigenständiges, zum Teil bahnbrechendes Konzept geschichtlichen Arbeitens (Studium derQuellen sowie Trennung zwischen Beweisführung und Hypothesenbil-dung).Neben seiner notorischen Arbeitssucht war ein hemmungsloses Kritik-bedürfnis Nicolai zu eigen, eine Respektlosigkeit im guten Sinne, die sich � �typisch berlinisch� - durch nichts und niemanden beeindrucken ließ. Diese Kritik machte auch vor seiner eigenen Person und der seiner engsten Freunde - Mendelssohn und Lessing - nicht halt. Auch zu die -ser Zeit gab es einen Literaturpapst, Johann Christoph Gottsched, esgab den Erfolgsautor Johann Jakob Bodmer - beide ausgesprocheneLieblingsziele des jungen Nicolai. Er zerpflückte sie in seinen �Briefenüber den itzigen Zustand der schönen Wissenschaften in Deutschland�. Nicolai huldigte der Maxime: �Was mir die Vernunft als richtig eingibt, das muß unter allen Umständen auch vernünftig sein.�

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Gleichsam nebenher entstand der Roman �Das Leben und die Meinun-gen des Herrn Magisters Sebaldus Nothanker�, der rasch ein Bestseller wurde, erfolgreicher als Goethes �Wilhelm Meister� - eine glänzendeSatire auf die damaligen gesellschaftlichen und literarischen Verhält-nisse. Nicolai legt darin Missstände bloß, die er begründeterweise für Hindernisse bei der erstrebten Humanisierung des menschlichenZusammenlebens ansah. Nicht zuletzt schrieb er damit eine wirkungs-volle Parodie auf den �Werther�, wobei er sich weniger gegen Goethes Buch als Kunstwerk wandte, als gegen seine Wirkung, das �Werther-Fieber�.Eine weitere Eigenschaft Nicolais war ein hervorragender und wohlaus-gebildeter Geschäftssinn. Auch darüber ärgerte man sich in Weimarund Jena. Die �Allgemeine deutsche Bibliothek� war ein Erfolg, weitaus mehr als etwa Schillers �Horen�. Nach Kräften förderte er die Künste und Wissenschaften, schrieb selbst, beherrschte darüber hinaus dieenglische Sprache und wäre beinahe ins Inselreich ausgewandert. InAufsätzen, Artikeln und Briefen wies er unermüdlich darauf hin, dass Texte lesbar sein müssten, sie in klarem, allgemeinverständlichemDeutsch zu schreiben seien. Dass er sich selbst daran hielt, trug mit dazu bei, dass sich seine Bücher gut verkauften und er gleichzeitigzum �Sprach-Erzieher seiner Generation� w urde.Nicolai hatte von seinem Vater eine völlig überschuldete Buchhandlung übernommen. Sehr bald aber konnte er schon in Stettin eine Filiale er-öffnen und sein Sortiment vergrößern. Persönlich besuchte er Messen in Leipzig, Danzig und Frankfurt am Main. Katharina die Große erteilte ihm Aufträge. Es galt als chic, bei Nicolai in Berlin zu bestellen. Zudiesem Zweck gab er Sortimentskataloge heraus. Ein solches Verzeich-nis etwa umfasste im Jahr 1787 schon 92 Seiten. Auch Trivial- undUnterhaltungsliteratur wurde angeboten - �wenn diese nur der Ver-nunft das Wort redete�. In Preußen trug man damals einen Berlocken-kalender - winzig kleine Schriften in Leder gebunden mit Goldborte,die, sozusagen ein patriotisches Abzeichen, Verse auf den König und Kupferstiche enthielten. Sie sollen Nicolai ein Vermögen eingebrachthaben.Und er genoss sein Vermögen. In der Brüderstraße 13 bewohnte er ein palaisähnliches Haus, in dem die Besucher ein- und ausgingen. So wie man in Weimar Goethe aufsuchte, war ein Empfang im Nicolai-Haus

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äußerst begehrt. Hier fanden Leseabende, Soirees und Konzerte statt(Nicolai spielte vorzüglich Bratsche). Seine Bibliothek war seinerzeit die größte in privater Hand: 16000 Bände, daneben eine Sammlung von6800 Grafiken. Beide standen jedermann zur Verfügung.Seine Tage waren gefüllt. Er pflegte täglich an die zwölf Stunden zuarbeiten. Vom Schreiben eines Artikels erholte er sich durch die Arbeit an den Geschäftsbüchern. Er soll bis zu drei verschiedene Dingegleichzeitig getan haben. In den achtziger Jahren erschienen zwölfBände seiner �Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781, nebst Bemerkungen über Gelehrsamkeit, Industrie, Religion undSitten�.Sein besonderes Augenmerk galt dabei den religiösen und theologi-schen Problemen, denn er hielt Fortschritt ohne kirchliche Aufklärung für unmöglich. Über den Katholizismus spricht er fast ausschließlichnegativ. Für die Fußmärsche und Wagenfahrten benutzte er Schrittzäh-ler und einen neu erfundenen Füllfederhalter, bei dem aus einerMetallkapsel Tinte in den Gänsekiel floss.Natürlich gehörte dieser Mann mehreren Gesellschaften an, so dem�Gelehrten Kaffeehaus�, dem �Montagsclub�, der �Geheimen Mittwochs-gesellschaft� (eigentlich �Gesellschaft von Freunden der Aufklärung�),der �Akademie der Wissenschaften� und noch 1754 unserer guten�Eintracht�. Sein Eintritt in die Loge ist allerdings nicht mehr fest-stellbar.Nicolais Verhältnis zur Freimaurerei ist ambivalent. Einerseits ist sie ihm Ausfluss und Möglichkeit der Aufklärung. Andererseits bringt ihn sein Aufklärungseifer auch in Konflikt mit einigen Praktiken der Loge -vor allem deren Geheimnistuerei, dem Hochgradsystem und den �Un-bekannten Oberen�. So hielt er sich aus Gründen aufklärerischerTätigkeit nicht an die Geheimhaltung gewisser Regeln, so dass manihm in aller Freundschaft den Austritt nahelegte. Nicolai hatte, was zu seiner Zeit offensichtlich weit verbreitet war, eine panische Angst vor den Jesuiten, die er verdächtigte, die Freimaurerei zu unterwandern. Deshalb erscheint ihm das Hochgradsystem als Ana-logon zur katholischen Hierarchie. Ausdrücklich bejaht Nicolai diedemokratische Einstellung der Loge, ihre Intention, von der prinzipiel-len Gleichheit der Mitglieder auszugehen. Aber er sah auch deutlich die

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sich anbahnende Entwicklung, dass sich aufgeklärte Rationalität immer mehr vor Irrationalität und Sektenbildung zurückzog.Ich möchte behaupten, dass für einen Mann wie Nicolai die Freimaure -rei eine logische Folge und Notwendigkeit seiner Weltanschauung war - die Freimaurerei des 18. Jahrhunderts mit ihren Vorstellungen, Er-wartungen und Hoffnungen, zu einer Zeit, da Aufklärung, Erziehung,Bildung und die Gewissheit, dass die Welt zu verbessern ist, zur festen Überzeugung gehörte.Obwohl Nicolai ein tüchtiger Kaufmann war, hing er nicht am Ge1d. In der Franzosenzeit spendete er einen Großteil seines Vermögens �zur Linderung der Steuernöte seiner Mitbürger und seiner Stadt�. Als einer seiner Erzfeinde, Johann Hinrich Voß, der Homer-Übersetzer, auchFreimaurer, schwer erkrankte und sich eine verordnete Kur nicht leis-ten konnte, schickte ihm Nicolai anonym tausend Taler. Verschiedene wohltätige Anstalten bedachte er in seinem Testament mit 18000Talern. Noch dies: Der Philosoph Schlegel hatte eine Schrift gegenNicolai verfasst - dieser ließ sie nicht nur in seinem Verlag drucken, sondern bot sie auch in seiner Buchhandlung an.In Friedrich dem Großen stand Nicolai ein ebenso toleranter, aufge -klärter Monarch gegenüber. Beide haben das friderizianische Berlin ge -prägt. Es war vorübergehend die Hauptstadt eines vielgeteiltenDeutschland. Ein Bürgerlicher und Bürger stand kulturell gleichberech-tigt neben seinem König - den Nicolai sehr verehrte und dessen Maß-nahmen im wirtschaftlichen, sozialpolitischen und kulturellen Bereicher stets würdigte.Er überlebte seine Frau und seine Kinder. Die Enkel führten den Verlag weiter. Sie hießen Parthey. Nicolai starb 1811, 77 Jahre alt.Die einzige Nicolaistraße in Berlin (Lichterfelde) ist übrigens nicht nach dem Aufklärer, sondern nach dem Komponisten � �Die lustigen Weiber von Windsor� - benannt.

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Werner Schwartz

Der Königliche Bruder

Friedrich II. König von Preußen (1712 -1786)

Friedrichs Jugend

Friedrich II., der Große, wurde in eine Zeit hineingeboren, die bestimmt war vom Übergang des Absolutismus zur Aufklärung. Eine nach heutigen Maß-stäben unmenschliche Erziehung in einem streng religiösen Elternhaus imSinne einer unabdingbaren Staatsraison setzte bei dem sensiblen, hochgei-stig veranlagten Kronprinzen seelische Schäden und wirkte sich auf seine weitere Persönlichkeitsentwicklung aus.In frühester Kindheit oblag einer adligen Französin, Martha de Rocoulle, die, obwohl 30 Jahre lang in Preußen ansässig, der deutschen Sprache nichtmächtig war, nur französisch sprach und im übrigen bereits den Vater be-treut hatte, die Erziehung des Prinzen. Ihr zu Seite gestellt war ein zweiter Erzieher, Duhan de Landun, ein nach Berlin geflüchteter französischer Pro-testant. Sie waren es, die den Kronprinzen bis zum siebenten Lebensjahr, also in entscheidenden Phasen seiner Kindheit, prägten. Die weitere Erzie-hung übernahmen �Militärgouverneure�. Es war dies ein fast schon sechzig-jähriger General und Reichsgraf, Albrecht Konrad Finck von Finckenstein. Als �Untergouverneur� war ihm ein jesuitisch erzogener 36-jähriger Oberst bei-gesellt, der von sich selbst sagte, dass er auf den Kronprinzen keinen wirk-samen Einfluss habe ausüben können.1727 - der Prinz war 15 Jahre alt - übernahm der König selbst die Aufsicht und Erziehung seines Sohnes und Thronfolgers. Eingeengt durch ein minu-tiöses Reglement, mit gnadenloser Strenge behandelt, bleibt es nicht aus, dass der Prinz aufbegehrt. Im Winter 1729/30 entzieht sich der 17-Jährigedem abendlichen Gute-Nacht-Wunsch und wird vom Vater bei den Haaren

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gepackt, zu Boden geworfen. Nach dieser Misshandlung muss der Prinz dem Vater die Füße küssen und um Verzeihung bitten.1 Bereits 1725 schreibtFreiherr Christoph Ludwig von Seckendorff an den Prinzen Eugen: �Der Kron-prinz sieht von den Fatiguen, die er sich muss gefallen lassen, so ältlich und steif aus, als ob er schon vielerlei Campagnen gethan hätte, ohnerachtet er nur ein Herr von vierzehn Jahren ist.�2

Das Verhältnis vom Vater zum Sohn treibt einer Katastrophe entgegen. An-lässlich einer Reise von Vater und Sohn nach Frankfurt am Main am 15.Februar 1730 misslingt ein Fluchtversuch des Kronprinzen. Auf der Fahrtnach Wesel will der König seinen Sohn erwürgen; als man ihn daran hinderte, schlägt er den Sohn mit seinem Stock blutig. In Wesel will er ihn mit dem Degen erstechen. Der Vater drängt auf ein Kriegsgerichtsverfahren gegenden Sohn wegen Desertion - er bekleidete den Rang eines Oberstleutnants. Das Kriegsgericht verurteilte ihn zum Tode. Am 10. November 1730 wurde der Kronprinz unter der Bedingung begnadigt, einen Eid dahingehendabzulegen: �...strikte und gehorsamlich nachzuleben und in allen Stücken zu tun, was einem getreuen Diener, Untertan und Sohn gehöret und gebühret. Woferne er aber wieder umschlagen und auf die alten Sprünge kommenwürde, sollte er Kron und Kur bei der Sukzession verlustig sein.�3

Der Prinz legte diesen Eid ab - die völlige Unterwerfung unter die �Staatsrai-son� war vollzogen.

Friedrich und die Königliche Kunst

Bereits sehr frühzeitig beschäftigte sich der Kronprinz mit philosophischen Strömungen seines Zeitalters. Insbesondere war es Graf Ernst Christoph von Manteuffel, ehemaliger kursächsischer Gesandter in Berlin, der dem Prinzen in seiner Suche letzter Dinge auf die Studien der Metaphysik4 des späterhingeadelten Philosophen Christian Wolff aufmerksam machte. Graf von Man-teuffel war es auch, der 1736 - also zwei Jahre vor der Aufnahme des Kron-prinzen in den Freimaurerbund - die Société de Aléthophiles, die �Wahrheits-liebende Gesellschaft�, gründete und den Prinzen mit deren Zielen bekannt machte.Ein Brief an den Grafen von Manteuffel zeigt, dass der Kronprinz in dieser Phase seiner geistig-seelischen Entwicklung einen Standpunkt gewonnenhatte, der bereits freimaurerische Grundsätze und Auffassungen in sich trug.

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Er schrieb: �Es genügt mir, dass ich von der Unsterblichkeit meiner Seele überzeugt bin, daß ich an Gott glaube und an den, welchen er gesandt hat, die Welt aufzuklären und zu erlösen; daß ich mich tugendhaft zu machen bestrebe, soviel als ich durch meine Kräfte wirken kann; daß ich die Dienste der Anbetung verrichte, die das Geschöpf seinem Schöpfer schuldet, und die Pflicht erfülle, die ich als guter Bürger gegen meinesgleichen, die Menschen, habe. Dann kann ich sicher sein, daß die Zukunft mir nicht verderblich sein wird; nicht als ob ich glaubte, den Himmel durch meine guten Werke zu ver-dienen, was widersinnig und der Gipfel der Lächerlichkeit sein würde, son-dern in meiner festen Überzeugung, daß Gott ein Geschöpf nicht ewig un-glücklich machen wird, das ihn mit aller Erkenntlichkeit liebt, welches die Wohltat, von Gott geschaffen zu sein, verdient, ein Geschöpf voller Fehler und Sünden, deren Ursache aber in seinem Temperament und nicht in sei-nem Herzen liegt.�5 Dieses Bemühen Friedr ichs, sich mit letzen Erkenntnis-sen menschlichen Seins auseinanderzusetzen, und die Gründung von Frei-maurerlogen auf dem europäischen Kontinent führten im August 1738 zur Aufnahme des Thronfolgers in den Freimaurerbund.

Im Sommer 1738 wurde anlässlich einer Visitations- und Besuchsreise des Königs nach Wesel und in die Niederlande, an der der Kronprinz teilnahm, in Minden bei einer Hoftafel über die Freimaurerei gesprochen, die derKönig mit großer Heftigkeit ablehnte. Graf Albert Wolfgang von Schaum-burg-Lippe bekannte sich zur Freimaurerei, nahm sie in Schutz und vertei-digte sie mit großem Freimut. Er war in England als erster deutscher Fürst in den Freimaurerbund aufgenommen worden. Nach aufgehobener Tafelbat der Kronprinz den Grafen, �ihm die Aufnahme in eine Gesellschaft zu bewirken, welche wahrheitsliebende Männer zu Mitgliedern habe�.6 Unmit-

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telbar danach berichtete der Graf der Hamburger �Loge de Hambourg� vom Ersuchen des �noch unbekannten Herrn� und bat, ihm die Wege zu ebnen. Eine Abordnung von Hamburger Freimaurern reiste am 11. August nachBraunschweig, wo der König mit seinem Sohn auf dem Rückweg von ihrer Reise Quartier genommen hatten. Im Kornschen Gasthof, der den Namen�Zum Schloss Salzdahlum� führte, wurde der Prinz in der Nacht vom 14. auf den 15. August 1738 nach englischem Ritus7 unter großer Heimlichkeit in den Freimaurerbund aufgenommen.Auf Schloss Rheinsberg, dem Wohnsitz des preußischen Prinzen undThronfolgers, wurde im März 1739 eine Freimaurerloge, als �Hofloge� er-richtet, deren Leitung die Hamburger Brüder von Oberg und Bielfeldzunächst übernahmen, um freimaurerisch zu arbeiten sowie Beförderun-gen vorzunehmen. Nach der Abreise der Hamburger Brüder übernahm im November 1739 der Kronprinz die Hammerführung der Loge, die auch als �Loge première� oder als �Loge du Roi�, beziehungsweise als �Loge du Roi notre Grand Maître� bezeichnet wurde. Es war der engste Freundeskreis um den Kronprinzen, der der �Hofloge� angehörte. Soweit aus den spärlichen Unterlagen zu entnehmen ist, waren dies insgesamt 17, zumeist adlige,Persönlichkeiten:Kronprinz und König Friedrich II., König in Preußen (nach der 1. polnischen Teilung, 1792, König von Preußen),Prinz August Wilhelm, General der Infanterie,Oberst Freiherr Dietrich von Keyserlingh, Generaladjutant,Charles Etienne Jordan, Sekretär des Königs und Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften,Erb-Truchsess Graf Friedrich Sebastian Wunibald von Waldburg, General-leutnant,Herzog Friedrich Wilhelm von Holstein-Beck, Generalfeldmarschall und Gou-verneur von Berlin,Hans Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Baumeister, Hartwich Friedrich von Möllendorf, Offizier,Michael Gabriel Fredersdorff, Geheimer Kämmerer und Tresorier,Markgraf Karl Friedrich Albrecht von Brandenburg-Schwedt, General-Feldzeugmeister,Markgraf Friedrich von Brandenburg-Bayreuth, Schwager Friedrichs II., Ge-mahl der Prinzessin Wilhelmine,

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Markgraf Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt, Schwager Friedrichs II.,Gemahl der Prinzessin Sophie,Julius Dietrich von Queis, Generalmajor,Jakob Friedrich Freiherr von Bielfeld (1748 geadelt), Diplomat, Erzieher und Kurator,Graf Leopold Alexander von Wartensleben, Generalleutnant,Wichward Joachim Heinrich von Möllendorff, General-Feldmarschall undGouverneur von Berlin,John II. Carmichael, Earl of Hyndford, Vizeadmiral, Gesandter in Berlin,Gesandter in Petersburg.8Von seiner Aufnahme in den Freimaurerbund bis zum Ausbruch des ersten schlesischen Krieges am 16. Dezember 1740 hat der Kronprinz und KönigFriedrich II. freimaurerisch aktiv in Rheinsberg und im CharlottenburgerSchloss gearbeitet.Wenige Wochen nach seinem Regierungsantritt erklärte der König öffentlich seine Zugehörigkeit zum Freimaurerbund. Sein Weggefährte und engerFreund Jakob Friedrich Bielfeld schreibt unter dem 20. Juni 1740 hierzu: �Der König hat sich öffentlich für einen Freimaurer erklärt und vor einigen Tagen eine überaus herrliche Loge gehalten. Ich habe alle Veranstaltungen dazugemacht und dabei das Amt des Oberaufsehers verwaltet. Se. Majestät aberhaben den Meisterstuhl selbst eingenommen. Wir haben Se. Königl. Hoheit den Prinzen Wilhelm, den Herrn Markgrafen Carl und den Herzog von Hol-stein aufgenommen.�9

Mit dem Regierungsantritt ergab sich die Notwendigkeit, in Berlin ansässigen Freimaurern Gelegenheit zu regelmäßiger freimaurerischer Tätigkeit zugeben. Auf Geheiß des jungen Monarchen wurde am 13. September 1740 ei-ne �Stadtloge�, die Freimaurerloge �Aux trois Globes�, die spätere GroßeNational-Mutterloge �Zu den drei Weltkugeln�, gegründet. Die Gründungsur-kunde ist auf den 9. November 1740 datiert, wobei ausdrücklich auf die �Zustimmung des Hofes� verwiesen wurde. Der König war bei der Einweihung der Loge nicht anwesend, noch hat er dort jemals selbst den Hammergeführt. Einfluss auf das Logenleben nahm er dadurch, dass �die Loge zu den drei Weltkugeln in jedem zweifelhaften Falle bei ihm anfragen (musste), was immer durch Delegierte geschah�.10 Mit Ende des ersten Logenjahres am 13. September 1741 fanden 31 Brüder dort ihre freimaurerische Heimat. AmEnde des Kalenderjahres 1741 betrug die Mitgliederzahl der Stadtloge 92

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Brüder und 3 dienende Brüder. Das Leben in der Loge war außerordentlich rege. Im ersten Jahr des Bestehens der Loge fanden nicht weniger als 66Logenveranstaltungen statt. Fünf verbliebene Mitglieder der Hofloge affiliier-ten zur Stadtloge. Die Hofloge hatte sich aufgelöst.Im Gefüge der sich rasch entwickelnden europäischen Freimaurerei war für die maßgebliche Großloge von England der Königliche Bruder der �natürliche Großmeister� der preußischen Freimaurer.11 Die Regierungsgeschäfte und die durch drei schlesische Kriege bedingte, jahrelange Abwesenheit des Königs ließ es nicht mehr zu, sich weiterhin aktiv der Freimaurerei zu widmen.Logenversammlungen suchte er nicht auf. Doch zu keinem Zeitpunkt hat er die Freimaurerei in seinem Lande aus den Augen verloren.Die sich im 18. Jahrhundert entwickelnde Freimaurerei war in Deutschland von einer unübersehbaren Zahl von Systemen und Lehrformen geprägt, die sich bemühten, die wirkliche, �echte� Freimaurerei mit ihren hohen Zielen zu verwirklichen. Auch die �Große Königliche Mutterloge zu den drei Welt-kugeln� - unter ihrer Jurisdiktion standen bis zum 9. August 1766 nicht weniger als 38 Tochterlogen - schloss sich einer dieser Neubildungen an.Die sogenannte �Strikte Observanz� ( �unbedingter Gehorsam� gegenüber den sogenannten �geheimen Oberen�) - der Versuch, die Freimaurerei auf dieTempelritter des 14. Jahrhunderts und deren Legende zurückzuführen - war ein System, dem es gelang, den größten Teil der damaligen deutschen Logen an sich zu ziehen und in dieser Lehrform die deutsche Freimaurerei zu verei-nen. Die Strikte Observanz besaß ein vorgebliches Kunstgeheimnis, bei dem auch die Alchemie sowie kostspielige Ritterspiele eine Rolle spielten. Bis zum Zusammenbruch der Strikten Observanz im Jahre 1782 war die Große König-liche Mutterloge zu den drei Weltkugeln als völlig unbedeutende �Präfektur Templin� (Berlin) innerhalb der VII. Provinz der Strikten Observanz unter-stellt.12

Es konnte nicht ausbleiben, dass der nunmehrige Königliche Freimaurer und Königliche Bruder, zutiefst betroffen, diesen Versuch einer Umgestaltung der Freimaurerei mit Spott und Zynismus überzog, während er außerhalb der Strikten Observanz stehende Großlogen mit Wohlwollen und Protektion be-dachte.Die Ernennung des Prinzen Friedrichs August von Braunschweig, seinesNeffens aus einer Seitenlinie, der die Leitung der umgewandelten Großen Königlichen Mutterloge zu den drei Weltkugeln in eine �Präfektur Templin�

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der Strikten Observanz als �National-Großmeister� übernommen hatte, wur-de in der Nachschrift eines Briefes des Königs an seinen Neffen am 30.Januar 1777 anzüglich-spöttisch wie folgt angeredet: �Sie werden also, mein lieber Neffe, der Groß-Prior der Freimaurer in Berlin sein, wie es der Herzog Ferdinand im heiligen Römischen Reich ist.�13 (Die Strikte Observanz hatte in ihrer hierarchischen Gliederung �Kommenden�, �Comthureien�, �Präfekturen�, �Priorate� usw. gebildet.)Am 29. Januar 1777 bat eben derselbe Neffe den König um ein Bild desKönigs für die Präfektur Templin. In der Antwort des Königs heißt es dann, nach positiven Äußerungen über den Patriotismus der Brüder Freimauer und nach lobenden Bemerkungen über seinen Neffen und zugleich National-Großmeister, sollte das übersandte Bild des Königs nicht gefallen, weil den König in vorgerücktem Alter darstellend, könne es als Vogelscheucheverwendet werden.14

Hingegen wurden die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland (gegründet am 24. Juni 1770) und die Mutterloge �Royal York zur Freund-schaft� (gegründet am 11. Juni 1798) mit Lob und Anerkennung bedacht.Am 14. Februar 1777 entnehmen wir aus einem Schreiben des Königs an die Loge �Royal York de 1' Amitié� folgendes: �... Ihr Redner hat den Geist, deralle ihre Handlungen beseelt, sehr gut ausgedrückt, und eine Gesellschaft, die nur daran arbeitet, in meinen Staaten alle Arten von Tugenden keimen und Früchte tragen zu lassen, kann immer auf meinen Schutz und Schirm zählen. Dies ist eine rühmliche Aufgabe für jeden guten Herrscher, und ich werde nie aufhören, sie zu erfüllen. Hiermit bitte ich Gott, daß er Sie und Ihr Loge in seinen heiligen und würdigen Schutz nehme.�15

Aus dem am 16. Juli 1774 der Großen Landesloge der Freimaurer vonDeutschland erteilten Schutzbrief ist zu entnehmen: �... Unsere zugleichnachgesucht besondere Königliche Allergnädigste Protection Schutz undSchirm umsomehr huldreichst verwilligen und ihr hierdurch die ausdrück-liche Versicherung in Gnaden ertheilen wollen, als wir nicht zweifeln, Sie werde sich dieses Merkmahl Unserer Begünstigung und Gnade zu einemneuen Bewegungsgrund dienen lassen, ihre Kräfte zu verdoppeln für dasWohl und die Glückseligkeit der menschlichen Gesellschaft ohne Nachlaß zu arbeiten. In Rücksicht dieser Ihrer Uns zu einem allergnädigsten Wohlfallen gereichenden rühmlichen Absichten und Bestrebungen ertheilen Wir auchhiermit...�16

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Regent und Monarch

Bei seinem Regierungsantritt trug der junge König am 2. Juni 1740 seinennach Charlottenburg zur Eidesleistung erschienenen Ministern seine Regie-rungsgrundsätze vor, die am 6. Juni 1740 in den Zeitungen veröffentlichtwurden. Wir geben die von Humanität bestimmten Grundsätze im vollenWortlaut wieder:�Ob Wir euch gleich sehr danken wollen für die treuen Dienste, welche ihrUnseres Höchstgeliebtesten Herrn Vaters Majestät erwiesen habet; so istferner Unsere Meinung nicht, daß Ihr Uns inskünftige bereichern und Unsere armen Unterthanen unterdrücken solltet; sondern ihr solltet hingegen ver-bunden sein, möge gegenwärtigen Befehls, mit eben so vieler Sorgfalt für das Beste des Landes, als für Unser Bestes zu wachen, um so vielmehr, da Wir keinen Unterschied wissen wollen zwischen Unserem eigenen besonde-ren und des Landes Vortheil und ihr diesen sowohl, als jenen in allen Dingen vor Augen haben müsset; ja des Landes Vortheil muß den Vorzug vor unse-rem eigenen besonderen haben, wenn sich beide mit einander vertragen.�17

Deutlicher legte der junge König am 27. Juni 1740 in einem Brief an Voltaire seine Vorstellungen über die Stärkung der Staatsmacht dar. Die Förderungvon Wissenschaft und Gewerbefleiß sowie die Vermehrung des Heeres sollten die tragenden Säulen des Staates sein.�18

Am 2. Juli 1740 ließ der König die Kornmagazine öffnen, um der herrschen-den Teuerung zu begegnen. Bereits einen Tag später, am 3. Juli 1740, wurde durch Kabinettsorder die Folter mit Ausnahme des Landesverrates und des Massenmordes aufgehoben. Bis zur völligen Abschaffung der Folter im Jahre 1755 wendete man sie einmal an. Auch das übermäßige Prügeln und Schin-den von Rekruten wurde verboten. Am 5. Juni 1740 wurde durch königlichen Befehl die Zeitungszensur in Teilen aufgehoben. Am 30. Juli 1740 erschien das erste Exemplar der �Berlinischen Nachrichten� unter dem Wahlspruch�Wahrheit und Freiheit�. Dies währte nur allerdings bis zum Ende des Jahres 1742 - die gewährte Zensurfreiheit wurde eingeengt. Mit dem Januar 1743 wurde der Wahlspruch auf �Mit königlicher Freiheit� abgeändert.19

Am 22. Juni 1740 erging schließlich durch Marginalverordnung an denMinister des geistlichen Departements folgende Weisung: �Die ReligionenMüsen alle Tolleriret werden und mus der Fiscal nuhr das Auge darauf ha-ben, das keiner den anderen abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach sei-ner Fasson Selich werden.�20 (Der König pflegte, am Rande von Schriftstü-

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cken �Marginalien� - Randbemerkungen - zu schreiben. Seine Erziehungdurch Madame Martha de Rocoulle und Duhan de Landun erfolgte in fran-zösischer Sprache, so dass seine Kenntnisse der deutschen Sprache als ka-tastrophal zu bezeichnen sind.)Die im Vorstehenden dargestellten Ereignisse und Anordnungen der ersten Monate der Regentschaft des jungen Monarchen sind ohne Zweifel unter dem Aspekt freimaurerischer Ansätze und Haltungen zu sehen. Er hat in hektischer Weise aus innerster Überzeugung für die damalige Zeit fast un-vorstellbare Neuerungen eingeführt und damit eine Humanisierung seiner Regentschaft beabsichtigt. Selbst Sebastian Haffner, ein äußerst kritischer Kenner preußischer Geschichte, bescheinigt Friedrich II. in dieser Phaseseiner Regierungszeit, dass es der �eigentliche Friedrich�, sein �ursprüngli-ches Wesen� sei, das er der �preußischen Staatsraison� opferte, �die von ihm verlangte, Machtpolitik zu treiben, Kriege zu führen, Schlachten zuschlagen ...�21

Im preußischen Staat, insbesondere zwischen und nach den Kriegen, ge-stattete die unabdingbare �Staatsraison� dem König keine Ruhe oder Pau-sen. Eine Unzahl von Maßnahmen wurden eingeleitet, die dem Wieder-aufbau aus ausgebluteten Staates dienten. Bereits im März 1763 zahlte der Staat die aufgenommenen Kredite im Nennwert von vier Millionen in �altem Golde� in Höhe von 5.413.586 Talern zurück. Nicht verschwiegen sei, dass die hierzu geprägten Münzen von minderem Goldgehalt waren. Mit dem 29. März 1764 kehrte man jedoch zur alten Wertigkeit der Münzen zurück.Bei der Ausmusterung von Soldaten wurden Arbeitskräfte für die Landwirt-schaft freigemacht. Die Kriegsmagazine gaben Getreide und Mehl ab. 35.000 Militärpferde wurden der Landwirtschaft zugeführt. Während der Regie-rungszeit Friedrichs II. wurden nicht weniger als 300.000 Menschen in

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Preußen in 900 Dorfneugründungen und nahezu 60.000 Siedlerstellen an-gesiedelt.22

Nicht ohne Widerstreben der Bauern wurde der Anbau der bis dahin unbe-kannten Kartoffel angeordnet. Den Hungersnöten in den Jahren 1771, 1772 und 1774 konnte auf diese Weise segensreich begegnet werden.Im Jahre 1770 wurde angeordnet, dafür zu sorgen, dass bei der Besiedlung Schlesiens hier und da freie Bauern anzusiedeln seien, damit �die unfreien aus der Dummheit und Sklaverei gezogen würden�.23 Wenige Tage vor sei-nem Tode wurde eine Kabinettsorder vom König am 1. August 1786 erlas-sen, dass den Bauern, die in den Ämtern des Königs Moorkultivierungs-arbeiten ausführten, �... müssen ihre Güter alle eigentümlich haben, weil sie keine Sklaven sein sollen�. In der gleichen Kabinettsorder wirft der König die Frage auf, �... ob nicht alle Bauern in Meinen Ämtern aus der Leibeigenschaft gesetzt werden können. Ich erwarte darüber Eure Anzeige, was das fürDiffikulitäten haben könne, und ich bin Euer gnädiger König�.24 Hier schei-terte der Monarch. Diese Kabinettsorder wurde unterlaufen. Erst 1807 konn-te durch die Steinschen Reformen die Leibeigenschaft in Preußen aufgehoben werden.Die Rechtspflege in Preußen sollte bereits im Jahre 1737 - also noch vor der Regentschaft Friedrichs II. - innerhalb einer Justizreform verbessert werden. Doch kam man hiermit nicht sonderlich voran. 1750 schrieb Friedrich II. eine �Abhandlung über die Gründe, Gesetze einzuführen oder abzuschaffen�. Es waren dies allgemeine juristische Erfahrungen, die in der damaligen Rechts-pflege jedoch durchaus nicht gepflegt wurden.Wir nennen einige Grundsätze aus der Abhandlung:

Gesetze müssen mit dem Geist eines Volkes übereinstimmen.Nicht immer sind die Gesetze die besten, die der natürlichen Billigkeit

entsprechen. Es müssen auch nicht gute Gesetze zuweilen behalten werden, weil die Menschen sich nicht gern in ihren Gewohnheiten stören lassen wollen.

Gesetze sollen einfach und nicht zu zahlreich sein. Prozesse sollen nicht zu lange dauern und auch nicht durch zu viele Instanzen gehen. Verschleppte Prozesse nutzen den Reichen und schädigen die Armen.25

Hohe Erwartungen setzte der König in einen in Arbeit befindlichen �Corpus juris Fridriciani�, der leider nicht völlig beendet werden konnte, weil der verantwortliche Justizminister starb und sein Nachfolger sich im täglichen

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Einerlei verlor. Die jedoch bereits geschaffenen Teile dieses Gesetzwerkeserregten in ganz Europa wegen ihrer Fortschrittlichkeit Aufsehen. Mannahm sie für eigene Reformen zur Richtschnur.Dem preußischen Bildungswesen hat Friedrich II. besondere Aufmerksamkeitgewidmet. Hierbei war sicherlich die kronprinzliche Erziehung nicht ohne Einfluss. Es ist nicht auszuschließen, dass die negativen Erfahrungen desKronprinzen in seiner Jugend dem preußischen Bilddungswesen Impulse ge-geben haben. Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, dass das preußi-sche Erziehungswesen durch den preußischen Ständestaat bestimmt war.An die Eltern richtete er folgenden Appell: �Oh, ihr Familienväter, liebt eure Kinder, das sieht man Euch nach, aber mit einer vernünftigen Liebe, die sie zu ihrem Besten hinleitet. Seht diese jungen Leute, denen ihr das Daseingabt, als heiliges Gut an, das die Vorsehung euch anvertraut hat. Eure Ver-nunft soll ihnen in der Schwäche ihrer Jugend und in der Unerfahrenheit als Stütze dienen. Sie kennen die Welt nicht - ihr aber kennt sie. Es ist Eure Pflicht, sie so zu bilden, wie es ihr Vorteil, das Wohl eurer Familie und das der menschlichen Gesellschaft erheischt. Ich wiederhole es: Bildet ihre Sitten aus, prägt ihnen Tugenden ein, hebt ihr Gemüt, macht sie arbeitsam, bildet sorgfältig ihren Verstand, daß sie jeden ihrer Schritte bedenken, verständig und vorsichtig sind, Mäßigkeit und Einfachheit lieben.�26 Auch andereÄußerungen betonen immer wieder die Notwendigkeit einer fundierten Er-ziehung. So geißelt er die Ansicht mancher Staatsmänner, dass es leichtersei, ein �unwissendes und stumpfsinniges Volk als ein aufgeklärtes zu regie-ren.�27 Der unendliche Abstand zwischen einem �kultivierten und einem bar-barischen Volk� läge darin, �daß das eine aufgeklärt ist, während das andere in seiner tierischen Dummheit� fortlebe.28

Der physisch und psychisch ausgebrannte Monarch musste beim Wieder-aufbau seines im Siebenjährigen Krieg ausgebluteten Landes - von seinen engsten Vertrauten auf immer verlassen, einsam geworden - erleben, dass seine humanitären Absichten nicht verstanden und gedankt wurden. Dem �ersten Diener des Staates� wurde dieses Amt zur leidvollen Pflichterfül-lung. Verbitterung, Sarkasmus und Zynismus - teilweise altersbedingt �stellten sich ein.

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Sein Werk, sein Wirken

Mit Scharfsichtigkeit über den Nichtigkeiten freimaurerischer Unzulänglich-keiten und Irrwegen stehend, ging Friedrich der Große in differenzierte Dis-tanz zu den preußischen Großlogen. Trotz dieser teilweisen Ablehnung hat der König freimaurerische Grundsätze nie aufgegeben, auch wenn sie von dem Zwiespalt des Freimaurerbruders Friedrichs II. und des MonarchenFriedrichs des Großen überschattet wurden. An der Unvereinbarkeit aufge-klärten absoluten Herrschertums und dem Bemühen, Freimaurer zu sein,musste das freimaurerische Werk des Menschen Friedrich II. unvollkommen bleiben. Es blieb letztlich Stückwerk.

Friedrich der Große hat sich bis zu seinem Tode bemüht, �zum führnehmsten Zweck aller wahren Freimaurerei mitzuwirken, welcher nämlich ist: die Men-schen geselliger, tugendhafter und wohltätiger zu bilden�, auch wenn die von ihm angestrebte �humanitas� nur in Ansätzen möglich war und derStaatsraison entgegenstand. Friedrich der Große hat als �Großmeister� der preußischen Logen und späterhin als �Königlicher Freimaurer� den altpreußi-schen Großlogen den Weg bereitet und damit entscheidende Impulse für die Freimaurerei des 18. und 19. Jahrhunderts gegeben.

Alter und Tod

Der König lebte im Alter als ein Fremder in abseitiger Menschenverachtung. Bittere Selbstironie stellte alles Schaffen und Streben in Frage. Ein Jahr vor seinem Tode äußerte er: �Ich bin es müde, über Sklaven zu herrschen.�

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Dem Tod sah er mit Gleichmut entgegen. Den Tod fürchtete er nicht, wohl aber den Schmerz. Am 17. August 1786 um 2.20 Uhr schloss der wohl um-strittenste preußische König die Augen. Seine letzten Worte waren: �La mon-tagne est passée, nous irons mieux.�29 (In übertragenem Sinne: Die Schwie-rigkeiten sind überwunden, jetzt wird es uns besser gehen.)Jean Paul Friedrich Richter (1763-1825) sagt über Friedrich II. , den Großen, den die Nachwelt auch den �Einzigen� nannte: �Es ist leichter, ein großer als ein rechtschaffender König zu sein; er war beides. Es ist leichter, bewundert als gerechtfertiget zu werden; ihm ist beides zuteil geworden.�30

Bruder Johann Wolfgang von Goethe hat in einer Elegie dem großen König-lichen Bruder einen Nachruf gewidmet, der das wiedergibt, was über alle Vorbehalte hinweg allgemein galt: �.. ihm schauten alle Völker der Welt mit traurigem Blick nach.�31

Anmerkungen

1 Koser, Reinhold: Geschichte Friedrichs des Großen. Stuttgart und Berlin 1921, Bd. 1, S. 27.2 Ebenda, S. 10.3 Ebenda, S. 60f.4 Die Metaphysik geht auf Aristoteles zurück. In ihrer späteren Form ist sie die Leh-re von den ursprünglichen Prinzipien alles Seienden und von Gott als höchstem Sei-enden. (Formulierung nach Bd. 6 der Lokalredaktion des Bibliographischen Instituts, Mannheim 1981.)5 Koser, ebenda, S. 119f. 6 O' Etzel, Franz August von Etzel: Friedrichs des Großen, Königs von Preußen,Leben als Freimaurer. Berlin 1838.

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7Lennhoff, Eugen: Die Freimaurer. Zürich-Leipzig-Wien 1929, S. 115.8 Volz, Gustav Berthold: Der Königliche Freimaurer Friedrich der Große im Spiegel seiner Zeit. Freimaurerische Einführung von Stephan Kékule von Stradonitz. Bd. 1. Berlin 1932.9 Geschichte der Großen National-Mutterloge in den Preußischen Staaten, genannt zu den drei Weltkugeln. 6. Ausgabe. Berlin 1903, S. 3.10 O'Etzel , ebenda, S. 15.11 Geschichte der Großen National-Mutterloge, S. 10.12 Ebenda, S. 55.13 Koser, ebenda, S. 175.14 Koser, Bd. III (1925), S. 469.15 Volz, Gustav Berthold: Freimaurerische Einführung. In: Koser, Bd. II, S. 115.16 Ebenda, S. 1117 Vehse, Eduard: Der Hof Friedrichs des Großen (Reprint aus: Geschichte des preu-ßischen Hofs und Adels und der preußischen Diplomatie. Hamburg 1851), S. 75.18 Rödenbeck, Karl Heinrich Siegfried: Tagebuch oder Geschichtskalender ausFriedrich's des Großen Regentenleben. Berlin 1840, 1. Bd., S. 13.19 Gaxotte, Pierre: Friedrich der Große. Frankfurt/M.-Berlin-Wien 1972, S. 477.20 Vehse, ebenda, Bd. 1, S. 194.21 Haffner, Sebastian: Preußen ohne Legende. Hamburg 1979. S. 74.22 Zeitschrift �scala� Nr.1-2/1985, Zeitschrift aus der Bundesrepublik Deutschland, S. 62.23 Vehse, Bd. 1, S. 8.24 Ebenda, S. 243.25 Gaxotte, ebenda, S. 349.26 Friedrich der Große: Philosophische und staatswissenschaftliche Schriften.München o.J., S. 188.27 Koser, Bd. III, S. 468.28 Friedrich der Große, ebenda, S. 23.29 Koser, Bd. III, S. 547.30 Volz, ebenda, Bd. III, S. 80.31 Heinrich, Gerd: Geschichte Preußens. Staat und Dynastie. Frankfurt/M.-Berlin-Wien 1984, S. 254.

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Klaus Eckelt

Freimaurerei - gestern, heute, morgen

Für mich steht außer Zweifel, dass die Freimaurerei des 18. Jahrhun-derts, also in ihrer Entstehungszeit, so etwas wie eine Richtlinie ist, die ich als Freimaurer irgendwie erreichen möchte und von der her ich die Freimaurerei der Gegenwart beurteile. Die Freimaurerei ist ein typi-sches Kind des 18. Jahrhunderts - des Jahrhunderts der Aufklärung,einer Zeit des Aufbruchs, eines fast grenzenlosen Optimismus. Stefan Zweig schreibt in seinem Buch über Erasmus: �Diese frühen Idealisten hatten ein rührendes und fast religiöses Vertrauen in die Veredlungs-fähigkeit der menschlichen Natur durch beharrliche Pflege des Lernens und Lesens. Als büchergläubiger Gelehrter zweifelte Erasmus niemals an der vollkommenen Lehrbarkeit und Erlernbarkeit des Sittlichen.� Die Aufklärer des 18. bis hin zu den fortschrittlichen Pädagogen des 19.Jahrhunderts sind Geist von Erasmus� Geist. Er durchzieht die ganze Epoche: Selbst ein Friedrich Nicolai lobt ange -sichts einer frischen Wiese den Allmächtigen. Die Menschenrechte wer-den verkündet. Alle Geschöpfe sind gleichermaßen Reflektoren dereinen, neuen Transzendenz - bislang unüberbrückbare Unterschiedewerden eingeebnet, demokratisiert. Der Mensch des Naturvolkes wird als Brudergeschöpf angesehen. Eine Denationalisierung beginnt. Derjüdische Mensch wird befreit. Das Jahrhundert der Frau beginnt. Die Entdeckung des Kindes als Kind wird vollzogen, Jugendstrafrecht und Jugendpsychologie inauguriert. Sogar eine Beseelung der Tierwesenfast ins Menschliche wird betrieben - der Philosoph Georg FriedrichMeier treibt sie am weitesten. Und umgekehrt wird der Mensch als ver-nünftiges Tier in die Natur eingegliedert. Es ging um gewaltlose Veränderungen - der Begriff �Revolution" war in diesem Sinn gemeint. Aufklärung, italienisch �illuminismo�, französisch �siecle des lumières�, meint Erhellung, Anzünden eines klaren Lichtes, um Schäden zu beleuchten und Reformen durchführen zu können. Man organisierte sich in Gesellschaften, um so Utopien in Reformen umset-zen zu können. Ihre Mitglieder, sicher eine Minderheit innerhalb der

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Bevölkerung, empfanden sich als Elite, die sich einer Verbesserung der Menschheit verschrieben hatte. Die gemeinschaftsbildende Kraft der jungen Freimaurer-Logen mussgroß gewesen sein. Die Emanzipation des aufstrebenden Bürgertumsmit ihrer Aufklärungsmoral, ihren Reformtendenzen, mit ihrem neuen Bildungsbewusstsein und dem Glauben an die Kraft der Vernunft voll-zog sich hier. Hiervon fühlte sich u.a. Gotthold Ephraim Lessing ange-zogen, der mit neunzehn Jahren seine erste Bekanntschaft mit derFreimaurerei machte, die sein Leben und Wirken im wesentlichen Maße bestimmt hat. 32-jährig wurde er in der Nacht vom 14. zum 15. Okto-ber 1771 in der Hamburger Loge �Zu den drei (goldenen) Rosen� auf-genommen und sogleich in alle drei Grade befördert - unter seltsamen Umständen: in der Wohnung des derzeitigen Stuhlmeisters, ohneAufseher und Beamte und ohne Protokoll. Der Eindruck scheint nicht sehr überzeugend gewesen zu sein. Lessing nahm an keiner Logenarbeit mehr teil und brach jeden Kontakt ab.Aber der Gedanke ließ ihn nicht los, und so entwickelt er sich außer-halb der Loge als Freimaurer. Im vierten Gespräch von �Ernst und Falk� stellt er seine Enttäuschung durch das Logenwesen seiner Zeit dar -die Loge verhalte sich zur Freimaurerei wie die Kirche zum Glauben.Die �Gespräche für Freimaurer� sind keine Abhandlung über die Frei-maurerei. Sie sollen anregen, über das eigentliche Wesen des Bundes nachzudenken. Das Streben nach Wahrheit, das sich wie ein roter Fa-den durch sein ganzes Werk zieht, soll Sache des Bruderbundes sein.Das 19. und 20. Jahrhundert sind Zeiten der Konservierung - auf sehr hoem Niveau. Man pflegt die Überlieferung und sucht sie zu erhalten; man verwaltet sie praktisch. Es muss, bis zu den dunklen Zeiten der Dikaturen, ungefähr so gewesen sein, wie man das Logenlebe n z.B.heute noch in Dänemark erleben kann: exklusiv, herausgehoben,stilvoll.Als in Deutschland die Logen wieder auflebten, hielt man sich an das Überlieferte. Man versuchte, das Gewesene wieder zu beleben, mitneuem Leben zu erfüllen. Reformen und Änderungen wären bei einem Neuanfang wahrscheinlich tödlich gewesen.Aber heute? In seinem Buch �Die Freimaurer: Fiktion, Realität und Perspek-tiven� (1999) schreibt Horst Kischke, selbst Freimaurer: �Die Freimaurereiwar immer ein Kind des Bürgertums und ist es heute noch. Der Gedanke,

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dass sie traditionsgemäß stets die Interessen des Bürgertums anstatt die der Gesamtgesellschaft im Auge hatte und noch hat, ist deshalb nicht von der Hand zu weisen. Der Vorwurf, sie pflege eine Kultur des Eigennutzes, ist nicht ohne Berechtigung.� Er warnt, dass die Freimaurerei �zum blanken egoistischen Harmoniestreben, zum exklusiven Sich-besser-Fühlen hinter verschlossenen Türen� degeneriert. Seine These: �Die ethische Vervoll-kommnung des Freimaurers ist immer auf den Mitmenschen angelegt und sie hat damit neben dem Bruder vor allem die Gesellschaft zum Ziel, in der sich humanitäre Geisteshaltung zu bewähren hat, ja in der sie sogar An-spruch auf Führerschaft erheben könnte.�Daraus ergibt sich die Forderung nach größerer Offenheit der Logen. Vieles ist anachronistisch, für Außenstehende nicht nur unverständlich, sondern schlicht komisch. Ich meine, dass der National-Großmeister,nicht anders als ein Bischof, Imam oder Oberrabbiner, mit dem ethi-schen Anspruch der Freimaurerei im Hintergrund, nicht nur in derLage, sondern in der Pflicht wäre, zu Tagesthemen Stellung zu neh-men, auf Schwächen in der Gesellschaft hinzuweisen, fragwürdigeMachenschaften und Winkelzüge von Politik und Wirtschaftsleben zubenennen, Korruption anzuprangern. So erst würde der Gedanke der Freimaurerei nach innen und außen gleichermaßen verwirklicht. Miteinem Wort C.J. Burckhardts: �...mit dem Heute das Dauernde, dasWirkliche aller Zeiten zu umfassen und in diesem voll und stark ohne Furcht zu leben. Dies ist ewiger Humanismus.�