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Das Wiedereinbürgerungs- und Besatzprogramm des Ostseeschnäpels Coregonus lavaretus balticus (Thienemann) in der vorpommerschen Boddenlandschaft, Rückblick und Ausblick

N. Schulz

1. Einleitung Mit Beginn der 90er Jahre, bedingt durch die Umstrukturierung des Fischereisektors, erlangten die Süßwasserfischen wie Zander Stizostedion lucioperca (L.), Flussbarsch Perca fluviatilis L., Aal Anguilla anguilla (L.), und Hecht Esox lucius L. einen noch größeren Stellenwert für die Erlössituation der Fischereien der inneren Küstengewässer in Mecklenburg-Vorpommern. Der Ostseeschnäpel Coregonus lavaretus balticus (Thienemann 1934) erreichte mit Maximalfängen von 39 t im Jahre 1970 und 32 t im Jahre 1980 gleichfalls eine gewisse ökonomische Bedeutung für die ortsansässigen Fischereien. Schon 1988 sanken die Fänge jedoch auf 6 t ab. Diese Tendenz setzte sich in den 90er Jahren fort, so dass die Gefahr des Aussterbens der Art nicht von der Hand zu weisen war. Im Jahre 1995 war der negative Höhepunkt mit nur noch 2,7 t Fang zu verzeichnen. Daher wurde in den Jahre 1992 und 1993 im Rahmen eines ABM Projektes mit dem Titel „ Erhaltung einer vom Aussterben bedrohten Nutzfischart in den Küstengewässern von Mecklenburg-Vorpommern -Ostseeschnäpel- durch Erzeugung von geeigneten Jungfischen und Aussetzen derselben in bestandsgefährdeten Boddengewässern“ durch Fisch und Umwelt M-V e.V. der Versuch unternommen, durch künstlichen Besatz zur Stabilisierung des Bestandes beizutragen. In den Jahren 1994 bis 1996 wurden im Rahmen einer Leistungsvereinbarung mit der Landesanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern, Institut für Fischerei Rostock diese Arbeiten kontinuierlich fortgesetzt. Eine erneute Fortsetzung fanden diese Arbeiten in den Jahren 1997 bis 1999 in einem durch die Fischereiabgabe des Landes Mecklenburg-Vorpommern geförderten Projektes. Im Jahre 2000 wurden im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung des Landes vorerst letztmalig Ostseeschnäpellarven und -jungfische künstlich aufgezogen und in die vorpommersche Boddenlandschaft ausgesetzt. Somit wurde an dieser Thematik über einen Zeitraum von neun Jahren kontinuierlich gearbeitet. Der Ostseeschnäpel ist ein anadromer Wanderfisch, der im November / Dezember zum Laichen aus den äußeren Küstengewässern der Pommerschen Bucht in die ausgesüßten Brackwassergebiete des Peenestroms, Achterwassers und des Stettiner Haffs einwandert. Die abgelaichten Tiere ziehen im Frühjahr wieder in die äußeren Küstengewässer ab. Ihnen folgen die Jungfische wahrscheinlich erst ein Jahr später, also als einjährige Fische. Besatzmaßnahmen mit Schnäpel fanden in der Vergangenheit nur sporadisch statt. Der Deutsche Fischerei-Verein informierte in der Zeitschrift für Fischerei und deren Hilfswissenschaften, III Jahrgang von 1895, Druck und Verlag von Adolf Gertz, Charlottenburg über die Aufzucht von 150.000 Schnäpel. Diese wurden in die oberen Flussläufe und die Haffe der mecklenburgisch - vorpommerschen Küstenregion ausgesetzt. Etwa 1887 sind in den Dassower Binnensee 30.000 Schnäpel ausgesetzt worden, wovon nach 2 Jahren auch einige wieder gefangen wurden. Nach dem Geschäftsbericht des Mecklenburger Fischereivereins von 1906 sind im Zeitraum 1889-1896 an der Mecklenburger Küste vom Saaler Bodden über den Breitling bis zum Dassower Binnensee 1,5 Mio. angebrütete Eier und Larven des Ostseeschnäpels (Coregonus lavaretus balticus) und des Nordseeschnäpels (C. oxyrhynchus) ausgebracht worden. Die Wiederfänge waren gering, es wurden nur Einzelexemplare gefangen. Nach Ansicht der damalig Verantwortlichen war der Salzgehalt zu hoch, um eine Eigenreproduktion zu ermöglichen. Dies sind bis in die 70er Jahre die einzigen auffindbaren Hinweise auf Besatzmaßnahmen mit Coregoniden an der mecklenburgisch-vorpommerschen Küste. In der Darss-Zingster- Boddenkette sind nach uns zugänglichen Informationen 1968: 430 kg Schn1 (ca. 90.000 Stück einsömmrige Schnäpel von etwa 5g Gewicht) sowie 1974 und 1975 je 95.000 Stück Schn1 ausgesetzt worden. Danach erfolgte kein Besatz mehr, da die Schnäpelerbrütung 1978 in Rankwitz eingestellt wurde. 2. Biologie und Taxonomie Die taxonomische Einordnung des Ostseeschnäpels ist je nach Autor unterschiedlich. Nach Ladiges und Voigt, 1979 gehört der Ostseeschnäpel zur Familie der Coregonidae (Renken). In dieser Familie gibt es 2 Gattungen, 8 Arten sowie zahllose Unterarten und Modifikationen. Die beiden Gattungen sind Coregonus und Stenodus. Es gibt sowohl Wanderfische als auch stationäre Formen, wobei der Ostseeschnäpel zu den Wanderfischen zu rechnen ist. Während Müller,1983 in der Ordnung der Clupeiformes Heringsartige sowohl eine Familie der Salmonidae -Lachse- als auch eine Familie der Coregonidae -Maränen- unterscheidet sind bei L.S.Berg, 1958 die Maränen eine Gattung der Familie Salmonidae. In der vorpommerschen Boddenlandschaft lassen sich zwei Phänotypen unterscheiden, die sog. Normalform und die Buckelform.

In Abhängigkeit von der Wassertemperatur erstreckt sich die Laichzeit über die Monate November und Dezember. Die Abgabe der Laichprodukte (Rogen und Milch) wird jedoch erst bei Wassertemperaturen um 5 bis 6 Grad Celsius eingeleitet. Das Laichen findet über hartem Grund, d.h. im Peenestrom und im Stettiner Haff auf und an den Dreissena-Bänken statt. Die Larven schlüpfen etwa 250 Tagesgrade nach der Befruchtung, Anfang bis Mitte März, wobei die Temperaturen an der Sediment-Wassergrenze von entscheidender Bedeutung sind. Etwa 30 Parasiten sind bei Coregoniden und Salmoniden bekannt u.a. Myxosporidia, Monogena, Cestoda, Trematoda, Nematoda, Acanthocephala, Copepoda und weitere Protozoenparasiten, wie Apiosoma sp. Trichodina sp. und Myxidium rhodei. 2. Geographische Verbreitung In der vorpommerschen Boddenlandschaft beschränkt sich das natürliche Verbreitungsgebiet der Art auf den Peenestrom, das Achterwasser, das Stettiner Haff, den Greifswalder Bodden und die Pommersche Bucht. Durch die Ansiedlungsprogramme in den 90er Jahren ist die Art auch in der Darß-Zingster Boddenkette heimisch geworden.

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Ostsee

Abbildung 1. Hauptverbreitungsgebiete des Ostseeschnäpels 3. Fangentwicklung Die Fangentwicklung des Ostseeschnäpels wird in hohem Maße durch die Marktsituation und durch Schonmaßnahmen wie Schonzeiten und Mindestmaße bestimmt. Da es nach wie vor Absatzschwierigkeiten gibt, widerspiegeln die gemeldeten Fänge nicht in jedem Falle auch die Bestandssituation. Die Fangentwicklung der letzten zwanzig Jahre ist durch unterschiedliche Rahmenbedingungen gekennzeichnet. Während es bis 1993 keine Beschränkungen der Fangmöglichkeiten gab, ist ab 1994 durch die Einführung einer Laichschonzeit vom 1. Oktober bis 30. November der Fang in diesen Monaten nicht möglich. Da aber die Fangmöglichkeiten in dieser Zeit aufgrund der Vorlaich- und Laichkonzentrationen besonders gut sind, lassen sich die Erfolge der Besatzmaßnahmen erst ab diesem Zeitpunkt bewerten. Der Gesamtfang an Ostseeschnäpel entwickelte sich von 1974 bis 2000 wie nachfolgend dargestellt.

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1974 1978 1982 1986 1990 1994 1998

Jahr

Gesamtfang Ostseeschnäpel M V

Abbildung 2. Gesamtfang Ostseeschnäpel Innere Küstengewässer und Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommern 1974 bis 2000 Nach Einführung der Laichschonzeit gingen die Fänge in den Jahren 1994 und 1995 stark zurück. Die ersten Besatzaktivitäten begannen 1993 und in deren Folge stiegen die Fänge ab 1996 kontinuierlich an und erreichten im Jahre 2000 mit über 46 t Gesamtfang den höchsten Wert in der jüngeren Geschichte. Der Zusammenhang zwischen Besatz und Erträge ist aus unserer Sicht eindeutig. Das die Laichschonzeit nicht den prioritären Effekt bei der Fangsteigerung bedeutet kann aus der Tatsache gefolgert werden, dass ab dem Jahre 1994 für das Besatzprogramm gleichfalls Ostseeschnäpel in der Laichzeit gefangen wurden.

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1990

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2000

Jahr

Gesamtfang und Anteil Laichfischfang

Gesamtfang���Laichfischfang

Abbildung 3. Gesamtfang und Anteil der in der Laichschonzeit für Laich-gewinnung zu Besatzzwecken gefangenen Ostseeschnäpel, 1990 bis 2000 Die monatliche Verteilung der Ostseeschnäpelfänge im Hauptfangebiet Peenestrom/Achterwasser belegt diese These. In der Periode 1990 bis 1993, vor Einführung der Schonzeit, waren die Fänge in den Monaten November und Dezember am höchsten. Ab Einführung der Laichschonzeit im Jahre 1994 gingen die Fänge der kommerziellen Fischerei in den Monaten Oktober und November (Schonzeit) drastisch zurück. Im Rahmen des Besatzprojektes wurden im November 1994 bis 2000 im Peenestrom/Achterwasser aber auch Fänge von einigen ausgewählten Fischern in Höhe von durchschnittlich 2,3 t entnommen. Demgegenüber stehen für die Periode 1990 bis 1993 im November Durchschnittsfänge von allen kommerziellen Fischern von durchschnittlich 3,3 t. Es wurden also in der Schonzeit durch die Forschungsfänge kaum weniger Fische dem Bestand entnommen als im Zeitraum 1990 bis 1993, trotzdem stieg der Durchschnittsfang danach kontinuierlich an. Daraus lässt sich der Besatzeinfluss auf die Steigerung der Fänge aus unserer Sicht eindeutig belegen.

Durchschnittsfang Ostseeschnäpel

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0,5

1

1,5

2

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3

3,5

4

I II III IV V VI VII VIII IX X XI XIIMonate

t

D 90-93

D 94-00

DL 94-00

Abbildung 4. Peenestrom/ Achterwasser, Durchschnittsfang 1990 bis 1993 (D 90-93), 1994 bis 2000 (D 94-00) und durchschnittlicher Laichfischfang (DL 94-00) Ostseeschnäpel 4. Aufzucht Bei der Aufzucht von Fischlarven in beleuchteten Netzgehegen nutzt man das Verhalten vieler Zooplanktonorganismen, bei Dunkelheit auf eine Lichtquelle zuzuschwimmen. Dieses Zooplankton bildet die Nahrungsgrundlage für die aufzuziehenden Fischlarven. Der unschätzbare Vorteil der Methode ist , dass ein zusätzlicher Eintrag von Nährstoffen ins Gewässer in Form von künstlichem Futter vermieden wird, dass ganz im Gegenteil die überschüssige Planktonbiomasse eutropher Seen in wertvolle Fischbiomasse verwandelt wird. Neben Großen und Kleinen Maränen, Ostseeschnäpeln , Hechten und Zandern können auch einige Cyprinidenarten wie z.B. Barben und Aland sowie Bachforellen aufgezogen werden. Die Freiwasseraufzucht von Maränen und Ostseeschnäpeln in beleuchteten Netzkäfigen ist die favorisierte Methode um Larven zu einer Größe heranzuziehen, die ihnen eine gute Überlebenschance im Freiwasser bietet. Im nachfolgenden sind die wichtigsten Abschnitte des Aufbaus der Gehegeträgerkonstruktion beschrieben. Der Versuchsträger in der Demonstrations- und Forschungsanlage Damerow am Jabeler See besteht aus 3 Aluminium- Schwimmpontons mit einer Gesamtlänge von insgesamt 30 m. Mit einer eingebauten Rahmenkonstruktion werden die Netzgehege an einem Galgen aufgehängt und können mit Hilfe eines Flaschenzuges und Seilwinden auf- und abbewegt werden. Die Gehege bestehen aus einem rundumvernähten Gazewürfel, der zwischen zwei Metallrahmen aufgehängt ist. Die Gazekäfige haben eine Kantenlänge von 2 x 2 x 2 m, also 8 m³ Rauminhalt und bestehen aus Polyestergaze mit eingebauten Reissverschlüssen. Von einem Schaltkasten für Unterwasserbeleuchtung werden je eine 100 W Glühlampe durch eine 40 cm große, verschließbare Öffnung in der Oberkante eines jeden Geheges eingehängt und die Kabel an die Querstangen des Oberrahmens gebunden. Die Unterwasserlampen sollten genau in der Mitte der Gehege hängen. Durch eine Trafostation wurde die Spannung unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften (VDI) von 220 V auf 24 V transformiert. Die Anlage ist prinzipiell unbegrenzt erweiterbar.

Abbildung 5. Ansicht der Käfiganlage Damerow Für die Aufzucht geeignet sind eutrophe nährstoffreiche Seen, in denen reichlich Zooplankton vorhanden ist. Die Größe und Tiefe des Gewässers beeinflussen den Aufzuchterfolg in starkem Maße. Kleine und relativ flache Seen eignen sich besonders, da sie sich im Frühjahr schneller erwärmen und somit die für die erste Aufzuchtphase entscheidende Zooplanktonbiomasse eher bereitsteht, als in großen und sehr tiefen Gewässern. Die Wassertemperaturen sollten nicht mehr als maximal 25 ° C betragen, der Sauerstoffgehalt mindestens 6 ml/l und der ph Wert nicht über 9 liegen. An der Netzkäfiganlage sollte eine Wassertiefe von mindestens 7 m vorhanden sein. Für die Aufzucht von Coregonen, wie Ostseeschnäpel und Kleinen und Großen Maränen ist entsprechend der klimatischen und ernährungsbedingten Gegebenheiten in Seen des Landes Mecklenburg-Vorpommern ein zwei- oder dreigliedriges Verfahren am geeignetsten, das durch die Verwendung von Gazekäfigen mit 2 bzw. 3 verschiedenen Maschenweiten und unterschiedlichen Besatzdichten gekennzeichnet ist. Die Aufhängetiefe der Käfige hängt von der Sichttiefe am Standort der Anlage ab. 1.Phase: Maschenweite 0,9 mm, Besatzdichte 50.000 Larven unmittelbar nach Schlupf der Larven, Mitte bis Ende März, Dauer ca. 6 Wochen. Die Reinigung der Käfige von Algenbewuchs erfolgt entsprechend den örtlichen Gegebenheiten (Stärke der Algenblüten). Auf alle Fälle muß eine übermäßige Beanspruchung der Fische vermieden werden. Die Käfige können mit einer Hochdruchreinigungsanlage von innen nach außen gereinigt werden. Unmittelbar nach dem Besatz müssen die Käfige für ca.3-4 Tage zu ¼ an der Oberfläche bleiben, damit die Larven zur Füllung ihrer Schwimmblase eine Gasblase an der Oberfläche schlucken können. Nach 4 Tagen können die Käfige ca. 1-2 m unter die Wasseroberfläche gehängt werden. In jedem Fall müssen sie ca. 1 m über dem Gewässerboden bleiben, damit keine Kiemenschwellungen durch Sedimentaufwirbelungen entstehen. Je tiefer die Netze hängen, um so geringer ist der Reinigungsaufwand, da die Algenproduktion mit verminderter Lichtintensität nachläßt. Auf keinen Fall sollen die Netze tiefer als die 2-fache Secchitiefe hängen, da das Nahrungsangebot und möglicherweise auch der Sauerstoffgehalt des Wassers dort zu gering sind. Die Secchitiefe ist die Tiefe, in der eine, im Durchmesser 30 cm große, weiße Scheibe mit bloßem Auge gerade noch gesehen werden kann. Die Gehege müssen immer oberhalb der Temperatur-und Sauerstoffsprungschicht aufgehängt werden. Die Sprungschicht liegt in der Tiefe, wo die Temperatur im 1 m Abstand um mehrere Grad Celsius, bzw. der gelöste Sauerstoff um mehrere mg/l abfällt. 2.Phase: Maschenweite: 2,0 mm, Besatzstärke: 25.000 Larven mit einer Länge von 2,5-3,0 cm, Besatzbeginn: Anfang Mai. Da die Sterblichkeit in der ersten Aufzuchtphase weniger als 30 % beträgt müssen bei gleicher Anzahl vorhandener Netzkäfige überzählige Jungfische in die Gewässer ausgesetzt werden. Nach weiteren 6 bis 8 Wochen (Mitte bis Ende Juni) haben die Jungfische eine Länge von 5-6 cm, und entsprechend der Besatzstrategien können für den sog. Sommerbesatz bereits Jungfische in geeignete Küstengewässer und Seen ausgesetzt werden.

3.Phase: Diese sollte nur bei Vorhandensein optimaler Bedingungen und Nachfrage nach einsömmrigen Maränen angewendet werden. Maschenweite: 3-4 cm, Besatzstärke: 5.000 bis 10.000 Jungfische (entspr. Nahrungsangebot), die Mitte bis Ende Juni umgesetzten Fische wachsen bis September auf eine Länge von 12 bis 14 cm heran und finden für den sog. "Herbstbesatz" Verwendung. Bei der Aufzucht können bei nicht optimalen Bedingungen Krankheiten auftreten. Sollte dies der Fall sein sind die Fische umgehend zu therapieren. Bei den Maränen muß in den ersten Lebenswochen auf Hautparasiten wie Trichodina geachtet werden. Ab Juni können auch bakterielle Erkrankungen auftreten, deren Behandlung in einer Freiwasseranlage schwierig ist, da Chemotherapeutika wie Oxytetracyclin (OTC) immer oral mit dem Futter verabreicht werden sollten. Vor einer Behandlung sollte immer ein Verträglichkeitstest der Therapeutikakonzentration und der Dauer der Behandlung mit wenigen erkrankten Tieren durchgeführt werden. Gegen den Ektoparasit Trichodina kann ein Formaldehydbad (250 ml 35 % Formalin pro m3 Wasser für 30 min) genutzt werden. Gegen andere Hautparasiten, wie die Karpfenlaus Argulus spec. kann mit Masoten 5g/ m3 Wasser, 30 min behandelt werden. Gegen Kiemenkrebse Ergasilus spec. kann in gleicher Weise vorgegangen werden. Bei bakteriellen Kiemenschwellungen, abgespreizte Kiemendeckel, erhöhte Atemfrequenz, haben sich Bäder mit Chloramin T, 5 g/m3 bis zu 60 min zweimal im Abstand von einer Woche bewährt. Das Baden der Fische sollte in einem Plastebehälter erfolgen, der um die zu 2/3 aus dem Wasser gezogenen Käfige gelegt wird. Bei unbekannten, unklaren Krankheitserscheinungen müssen einige erkrankte, aber noch lebende Fische an die Gesundheitsbehörden geschickt werden. 5. Besatz Die Erzeugung einer für eine Bestandsstützung oder Bestandsvergrößerung bzw. im Falle der Darss-Zingster Boddenkette für die Einführung bzw. Wiedereinbürgerung der Art adäquaten Anzahl Larven und Jungfische war das Primärziel der verschiedenen Projekphasen. Der Besatz mit Larven fand im Monat März statt. Sommerjuvenile wurden im Mai/Juni besetzt und Herbstjuvenile im September/Oktober. In der nachfolgenden Tabelle sind alle Besatzaktionen von 1993 bis 2000 mit den Besatzorten sowie den Längen und Gewichten der Larven und Juvenilen aufgelistet. Tabelle 1. Besatz der inneren Küstengewässer mit autochthonem Ostseeschnäpel (Coregonus lavaretus balticus) seit 1992 A: Darß-Zingster Boddenkette

Jahr Gebiet Anzahl Entw.-stadium

Länge (cm)

Mittl. Gewicht (g)

1992 Saaler Bodden 41.000 Sommerjuv. 6-7 1,5-2,0

Saaler Bodden 2.000 Herbstjuv. 13-14 14,0-16,0

1995 Grabow 73.000 Juvenile 2-3 0,2

1996 Bodstedt. Bodd. 700.000 Larven 1,3 0,01

1997 Saaler Bodden 2.400.000 Larven 1,1 0,01

1998 Saaler Bodden 700.000 Larven 1,1-1,3 0,01

1999 Saaler Bodden / Koppelstrom

800.000 Larven 1,1-1,3 0,01

2000 Saaler Bodden / Koppelstrom

1.200.000 Larven 1,1-1,2 0,01

B: Peenstrom/Achterwasser

Jahr Gebiet Anzahl Entw.-stadium

Länge (cm)

Mittl. Gewicht (g)

1993 Peenestrom 46.000 Sommerjuv. 5 1,0

1994 wegen Eis im November/Dezember 1993 keine Laichgewinnung möglich, daher kein Besatz

1995 Peenestrom 330.000 Juvenile 2-4 0,3

weiter Peenstrom/Achterwasser

Jahr Gebiet Anzahl Entw.-stadium

Länge (cm)

Mittl. Gewicht (g)

1996 Peenestrom 1.150.000 Larven 1,3 0,01

Peenestrom 250.000 Juvenile 3-6 0,3

1997 Peenestrom 1.020.000 Larven 1,2 0,01

Peenestrom 260.000 Juvenile 3-5 0,3-1,0

1998 Peenestrom 1.300.000 Larven 1,2 0,01

Peenestrom 400.000 Juvenile 2-6 0,2-1,5

1999 Peenestrom (Rankwitz, Krienke,

Warthe)

1.000.000 Larven 1,0 -1,2 0,01

Peenestrom (Krienke)

400.000 Juvenile 2-6 0,2-1,5

2000 Peenestrom/Achter-wasser (Krienke,

Warthe)

1.400.000 Larven 1,0 -1,2 0,01

Peenestrom (Rankwitz)

300.000 Juvenile 3-5 0,2- 1,0

C: Stettiner Haff

Jahr Gebiet Anzahl Entw.-stadium

Länge

(cm)

Mittl. Gewicht (g)

1993 Kleines Haff 23.000 Sommerjuv. 5 1,0

Kleines Haff 10.600 Herbstjuv. 9,9 6,5

weiter Stettiner Haff

Jahr Gebiet Anzahl Entw.-stadium

Länge (cm)

Mittl. Gewicht (g)

1997 Kleines Haff 50.000 Juvenile 4,5-5,5 1,0-1,2

1998 Kleines Haff 250.000 Larven 1,6 0,02

Kleines Haff 100.000 Juvenile 3-5 0,3-1,0

1999 Kleines Haff 100.000 Larven 1,0 -1,2 0,01

Kleines Haff 100.000 Juvenile 2-4 0,2-0,5

2000 Kleines Haff (Uekermünde)

300.000 Juvenile 2-4 0,2-0,4

6. Wertung des Besatzes Der Erfolg der Besatzmaßnahmen ist in erster Linie an der Steigerung der Fangmengen abzulesen. In der nachfolgenden Abbildung sind die Besatzzahlen sowie die Entwicklung der Fänge im Kleinen Haff (Stettiner Haff) seit 1993 dargestellt.

Fang und Besatz Kl. Haff

0

2000

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12000

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1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

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Stück (´000)

Fang (kg)

Besatz (´000)

Abbildung 6. Fangergebnisse (kg) und Besatz (´000 Stück), Ostseeschnäpel, Kleines Haff, 1993 bis 2000 Etwa drei Jahre nach dem intensiveren Besatz im Jahre 1997 begannen die Fänge deutlich zu steigen. Dies trifft mit dem Alter des Eintritts in den Fang überein. Im Alter von drei Jahren erreichen die Ostseeschnäpel ein Länge von ca. 40 cm und können somit angelandet werden (Mindestanlandegröße laut KÜFI Ordnung: 40 cm). Vergleichbare Resultate sind auch im Großen Haff erzielt worden. Durch polnische Kollegen wurden seit 1995 Ostseeschnäpellarven besetzt (pers. Mitteilung Dr. Kuzminski). Auch in diesem Fall wurden drei Jahre später die ersten Fänge erzielt.

Polnische Fänge Gr.Haff

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1000

2000

3000

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5000

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1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

kg

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1600Stück (´000)

Fang (kg)

Besatz (´000)

Abbildung 7. Fangergebnisse (kg) und Besatz (´000 Stück), Ostseeschnäpel, Großes Haff, (Polen), 1990 bis 2000 Das Gebiet Peenestrom/Achterwasser wurde seit 1996 intensiv besetzt. Daher traten die erhöhten Fänge bereits im Jahre 1999 ein. Die im Vergleich zu den polnischen Besatzzahlen höheren Fangzahlen sind auf den verstärkten Besatz mit Ostseeschnäpel Sommerjuvenilen zurückzuführen. Diese Jungfische mit einer Länge von 2 bis 6 cm haben gegenüber den Larven (Körperlänge 1 bis 1,2 cm) eine deutlich höhere Überlebensrate. Daher ist ein Besatz sowohl mit Larven als auch mit vorgestreckten Ostseeschnäpeln (Sommerjuvenilen) einem ausschließlichen Besatz mit Larven in jedem Fall vorzuziehen. Die Netzkäfiganlage in Damerow am Jabler See bietet hierfür ideale Voraussetzungen. Die Aufzucht und der Besatz mit Herbstjuvenilen ist aufgrund der hohen Verluste in den Sommermonaten nicht sinnvoll. Wenn diese Zusammenhänge sich weiter bestätigen ist in den kommenden Jahren gleichfalls mit hohen Erträgen an Ostseeschnäpel im Peenestrom /Achterwasser und im Stettiner Haff zu rechnen.

Fang und Besatz Peenestrom/Achterwasser

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5000

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1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

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Stück (`000)

Fang (kg)

Besatz (´000)

Abbildung 8. Fangergebnisse (kg) und Besatz (´000 Stück), Ostseeschnäpel, Peenestrom/Achterwasser, 1993 bis 2000 Voraussetzung hierfür ist jedoch ein weiterer kontinuierlicher Besatz, zumindest in den nächsten drei Jahren. Danach ist eine Reduzierung der Dauer der Laichschonzeit möglich. Die jetzige Laichschonzeit vom 1. Oktober bis 30. November sollte danach auf den Zeitraum 01. bis 30. November verlegt werden, um eine optimale Bewirtschaftung der Bestände zu ermöglichen.

Literatur Anon. 1994. European Inland Fisheries Advisory Committee (EIFAC) 1994. a. Report of the third session of the Working Party on Stocking, Thonon, France, 15-19 November, 1993. EIFAC Occassional Paper 28, 47 pp. Anon. 1994. European Inland Fisheries Advisory Committee (EIFAC) 1994. b. Guidelines for stocking coregonids. EIFAC Occassional Paper 31, 18 pp. Berg L.S. 1958. System der rezenten und fossilen Fischarten und Fische. Berlin: VEB deutscher Verlag der Wissenschaften. Fricke R., Berghahn R., Rechlin O., Neudecker Th., Winkler H., Bast H.D. und

E. Hahlbeck 1998. Rote Liste der in Küstengewässern lebenden Rundmäuler und Fische (Cyclostomata & Pisces). Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg 1998, H. 55, S. 060-064.

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Verband deutscher Sportfischer e.V., Siemensstraße 11-13, 63071 Offenbach. Ladiges W. und D. Vogt 1979. Die Süßwasserfische Europas, Paul Parey, Hamburg und Berlin, 1979, 2. Auflage. Müller H. 1983. Fische Europas (1. Auflage), Neumann Verlag, Leipzig, Radebeul, 1983. Schulz N. 1999. Abschlussbericht Projekt Ostseeschnäpel. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei M V. Thienemann A. 1937. Die Schlei und ihre Fischereiwirtschaft. Der Schleischnäpel Coregonus lavaretus balticus" Schr. Naturw. Ver. Schleswig-Holstein BD. XII:1, 189-208. Winkler H., Hamann, N. und A. Waterstraat 1991.Rote Liste der gefährdeten Rundmäuler, Süßwasser- und Wanderfischarten Mecklenburg- Vorpommerns. Umweltministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. (1. Fassung von 1991).

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Abbildung 1. Ansicht der gefahrenen Profile am Beispiel des Pütter Sees

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Abbildung 2. Ansicht des Kartenlayouts am Beispiel des Pütter Sees

Künstliche Unterwasserstrukturen in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns

T. Mohr und N. Schulz

Bisherige Arbeiten: 1995: Studie „Grenzen und Möglichkeiten künstlicher Riffe hinsichtlich

ihrer Auswirkungen auf die Fischerei in den Küstengewässern des Landes Mecklenburg-Vorpommerns.“

1996-1997: Projekt „Planung und vorbereitende Untersuchungen für die Errichtung eines künstlichen Riffs in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns.“

1997-1998: Erweiterung des Projektes „Künstliches Riff.“ 1998-2000: Einsatz eines Telemetriemastes. Einleitung: Grundlegendes Ziel der Arbeiten ist, unter Berücksichtigung des Küsten- und Artenschutzes, die fischereiliche Aufwertung von Gewässerabschnitten in Mecklenburg-Vorpommern. Mit der Errichtung von künstlichen Strukturen sollen sich selbst regulierende Ökosysteme geschaffen werden, die mit der Habitatverbesserung eine Erhöhung der Quantität und eine stärkere Konzentration ökonomisch relevanter Fischarten nach sich ziehen. Die fischereilichen Ressourcen der Ostsee zeigen trotz vieler fischereilicher Managementmaßnahmen eine abnehmende Tendenz. Die Projekte zur künstlichen Reproduktion der Dorschbestände, die insbesondere von Dänemark, Schweden aber auch der Bundesrepublik Deutschland in den 90ger Jahren durchgeführt wurden, sind wegen technologischer Unzulänglichkeiten aber auch aus Kostengründen eingestellt worden. Es ist daher angeraten nach alternativen Möglichkeiten zur Stabilisierung der wichtigsten Wirtschaftsfischbestände (z.B. Dorsch) zu suchen. Eine der in Frage kommenden Methoden besteht in der Schaffung künstlicher Unterwasserhabitate (AAHT = Artificial Aquatic Habitat Technology). Durch die in der Studie angedachten und im Projekt bis Anfang 1997 durchgeführten Aufbauarbeiten sowie den entsprechenden Untersuchungen und den letztendlich daraus gezogenen Schlussfolgerungen kam es zu einer Konzentration der Arbeiten in Nienhagen. Hier sollten, durch eine schrittweise Erweiterung der vorhandenen Strukturen in deren unmittelbarer Umgebung, die Auswirkungen auf das Ökosystem beobachtet werden, um nachfolgend eine Aussage über die fischereilichen Effekte in Abhängigkeit zur räumlichen Ausdehnung dieser künstlichen Habitate treffen zu können. Das Institut für Maritime Systeme und Strömungstechnik der Universität Rostock konnte für die Realisierung einiger Teilaufgaben als Partner gewonnen werden. Ein dort bearbeitetes Projekt befasste sich mit der Langzeit-Unterwasser-Videobeobachtung mittels Datenfernübertragung. Die Basisstation (Neigungsmast) mit Telemetrietechnik konnte einerseits ungestörte Langzeitaufnahmen von den künstlichen Strukturen liefern und andererseits als Träger der Energiequellen für einen Elektrolyseversuch dienen. Bewuchsuntersuchungen an den verschiedensten Substraten und Materialien sowie ein fischereiliches Monitoring (Einsatz von Reusen gleicher Größe und Maschenweite) an den künstlichen Strukturen, und in größerer Entfernung davon, dienten der Beurteilung der Effizienz derartiger Strukturen.

Durchgeführte Arbeiten: Das Fischereischutzgebiet vor Nienhagen wurde bereits ab 1987 für Untersuchungen zur Forellen- und Miesmuschelzucht durch das damalige Institut für Hochseefischerei und Fischverarbeitung Rostock genutzt. Für die Muschelzucht wurden unterschiedliche Konstruktionen und Verankerungssysteme eingesetzt. Durch die Verwendung von Grundgestellen (6 x 4 x 3,5m) mit eingebundenen Kollektoren sowie Langleinensystemen unter und an der Wasseroberfläche mit 3 und 8 m langen Kollektoren wurde unbewußt an Vorstufen künstlicher Riffe gearbeitet. Die exponierte Lage, starke Strömungen und ein sehr fester Meeresboden (Mergel mit Geröllfeldern) erzwangen den Einsatz von Totankern. Reste dieser Anlage konnten für das Versuchsriff genutzt werden. Am 04.09.1996 erfolgte die Errichtung der ersten Riffsektion aus Betonelementen im Fischereischutzgebiet vor Nienhagen. Die 20 Stück 1 m langen Betonröhren mit einem Durchmesser von 40 cm und einer Wandstärke von 3,5 cm wurden in Reihen von 6, 5, 4, 3 und 2 Röhren übereinander gestapelt. Die erste Riffsektion wurde am 12. und 14.08.1997 durch drei weitere Sektionen aus insgesamt 43 Röhren gleicher Größe und 3 Sektionen aus ca. 70 Tonröhren mit einem Durchmesser von 20 cm erweitert. Acht künstliche Seegraswiesen, die aus Polypropylenleine eingeknotet in einen mit Netztuch bespannten Stahlrohrring mit 2 m Durchmesser bestehen, ergänzen die Betonstrukturen. Die Polypropylenleinen (Schwimmleine) sind zum Teil aufgedreht, um größere Flächen zu schaffen. Der Stahlrohrring hat drei 60 cm lange Standbeine und bietet somit als Boden der Seegraswiese gleichzeitig einen großflächigen Unterstand. Nach Abschluß dieser Arbeiten nahm das künstliche Riff bereits eine Fläche von rund 400 m2 ein.

R e e d e

WarnemündeStoltera

ElmenhorstNienhagen

Groß Klein

WerftBreitling

Überseehafen

LichtenhagenRethwischHeiligen-damm

ConventerSee

Fischereischutzgebiet

künstlichesRiff

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6

10

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Abbildung 1. Ortslage des Fischereischutzgebiet vor Nienhagen mit künstlichem Riff Im Februar 1998 waren die durch das Wasser- und Schiffahrtsamt Stralsund in Auftrag gegebenen Arbeiten zur Beräumung der Mittelmole Rostock/Warnemünde soweit vorangeschritten, daß die Zusage zum Ausbringen einer natürlichen Steinschüttung realisiert werden konnte. Vom 23. bis zum 25.02.1998 wurden 5 Einsätze mit dem Steinstürzer „Berghaus“ gefahren. Dabei wurden ca. 2000 t Baggergut bestehend aus einem geschätzten Anteil von 80% Gesteinsmaterial und 20% Aushub verklappt. Der Aushub wiederum setzte sich aus Sand, Mergel und einem verschwindend geringen Anteil an Bruchbeton mit Bewehrung zusammen. Dank der präzisen Arbeit der Besatzung der „Berghaus“ wurde eine

kompakte Schüttung mit einer Erhöhung von 1,5 m über dem Meeresboden ausgebracht, was bei einer späteren Vermessung bestätigt und kartiert wurde. Am 24.03.1998 wurde erstmals mit Hilfe des Tonnenlegers „Bug“ der Neigungsmast des Instituts für Maritime Systeme und Strömungstechnik südlich der natürlichen Steinschüttung und westlich der Strukturen aus Beton und Seegraswiesen, in unmittelbarer Nähe des künstlichen Riffes, gesetzt. Der GFK Mast ist ca. 16 m lang, hat einen Durchmesser von ca. 50 cm und ist über ein Kreuzgelenk mit einem 3 t Sauganker aus Stahlguß verbunden. Am etwa 4 m über der Wasseroberfläche liegenden Mastende befindet sich eine Arbeitsbühne mit den notwendigen Seezeichen und Beschriftungen. Zum Juli waren alle für dieses Projekt notwendigen Installationen am Mast abgeschlossen. Das heißt, neben der Richtantenne, der Unterwasserkamera und der dazugehörigen Energiequelle wurden vier Solarzellen mit einer maximalen Gesamtleistung von 120 W und ein Windgenerator mit einer Maximalleistung von 450 W montiert. Mit dem Ausbringen einer Großalgenimitation, bestehend aus ca. 3 bis 4 m über den Meeresboden aufragenden Kollektoren aus Leinenmaterial, wurde am 17.08. die Rifferweiterung für 1998 abgeschlossen. Alle diese Materialien bilden ein lockeres Ensemble künstlicher Unterwasserstrukturen von ca. 1 ha Größe. Die räumliche Anordnung ist in Abb. 2 dargestellt.

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Ankerstein

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künstlicheSeegraswiese

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Natürliche Gesteinsschüttung

Telemetriemast

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Abbildung 2. Schematische Darstellung der Anordnung der künstlichen Strukturen vor Nienhagen Mitte 1999 hat Fisch und Umwelt M-V e.V. beim Ministerium für Ernährung , Landwirtschaft, Forsten und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern ein Antrag zur Gewährung von Zuschüssen für das Großprojekt „Unterwasserhabitate Nienhagen“ mit einer 3jährigen Mindestlaufzeit gestellt. Da bis zum heutigen Zeitpunkt noch keine Entscheidung getroffen wurde, ist der Mast in den Jahren 1999 und 2000 auf Eigeninitiative des Instituts für Maritime Systeme und Strömungstechnik und des Vereins Fisch und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt worden. Monitoring und Bewuchsuntersuchungen: Mit den seit 1996 vorliegenden Videoaufnahmen des Fischereischutzgebietes vor Nienhagen und der dazugehörigen graphischen Schnittdarstellung war es bereits möglich sich einen Gesamtüberblick über die Unterwasserlandschaft des Gebietes zu verschaffen. Die

Installation der stationären Kamera an den künstlichen Strukturen erbrachte eine neue Qualität der Untersuchungen, vor allem in Hinsicht auf die Einschätzung der fischereilichen Wertigkeit der Habitate. Ohne die störenden Einflüsse durch Schiffsgeräusche und Tauchereinsätze wurden über längere Zeiträume am Riff patrouillierende Dorschschwärme bildlich festgehalten. Bei den Tauchgängen konnten bis dato nur vereinzelte kleinere Exemplare beobachtet werden. Alle Videobänder sind bei der Universität Rostock archiviert. Aus Gründen des Natur- und Küstenschutz sowie materiell-technischen Gegebenheiten ist bei der Auswahl der Materialien auf Hartsubstrate wie Beton, Kalkstrukturen (Elektrolyse), Naturstein (Granit), Stahl und Ton sowie Leinen und Netztuch aus Polyamid oder Polypropylen zurückgegriffen worden. Dabei mußte auch eine mögliche Beräumung des Gebietes mit Ende der Maßnahme bedacht werden. Ein gesondert laufendes Elektrolyse-Versuchprojekt unter der Leitung von Kooperationspartnern konnte nicht erfolgreich abgeschlossen werden. Das in dieses Projekt eingebundene Monitoringsprogramm beinhaltete die Untersuchung der Ansiedlung von Zoo- und Phytobenthos und von Großalgen an den o.g. Materialien. Bildlich festgehalten wurden die Resultate durch Video- und Photoaufnahmen. Der Versuch zur Ansiedlung von Algenkulturen war ebenfalls nicht erfolgreich. Dazu wurden aus anderen Gebieten stammende Rot- und Braunalgen mit Draht auf Hartstrukturen befestigt. Nach einem Monat fehlten die Rotalgen und die Gesamtzahl der Algen nahm bis zur Beendigung des Monitoring-Programmes langsam ab, wobei der Zustand der Verbliebenen mit „schlecht“ einzuschätzen war. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die am Standort Nienhagen/Ostsee zu erwartende Bewuchsgemeinschaft, mit der Miesmuschel als dominierende Art, einstellte. Die Abfolge der Besiedlung hängt wesentlich vom Larvenangebot und damit vom Zeitpunkt der Auslagerung der Vergleichssubstrate ab. Beton, Ton (glasiert oder unglasiert) und Stein werden offensichtlich schlechter und damit später als Siedlungsplatz angenommen als netz- bzw. gitterartige Strukturen. Fischereiliche Untersuchungen: Bei den fischereilichen Untersuchungen wurden Aalketten, Aalkörbe, Jungfischreusen, und Stellnetze eingesetzt. Die Jungfischreusen bestehen aus zwei 8 m langen sechskehligen Seitenkörben, die durch ein 6 m langes Leitwehr miteinander verbunden sind. Die Bügelhöhe und -breite der Seitenkorböffnungen beträgt 1 m. Für vergleichende Untersuchungen wurde eine Reuse in unmittelbarer Nähe der Betonröhren (Nah) und eine Reuse etwa 100 m entfernt (Fern) plaziert. Die Reusen wurden im Abstand von einer Woche besehen. Die Untersuchungen erstreckten sich über den Zeitraum vom 14.09.1998 bis zum 05.10.1998, in dessen Verlauf die Reusen drei mal kontrolliert wurden. Die fischereiliche Wertigkeit dieses Unterwasserhabitates kann nach dem Auftreten der Wirtschaftsfische eingeschätzt werden. Die geringe Anzahl der Fangtage, nur jeweils eine Reuse wurde eingesetzt, läßt keine statistisch abgesicherten Aussagen zu den Abundanzen zu. Es scheint jedoch so, dass der riffnahe Standort höhere Einheitsfänge aufweist, als der riffferne. Tabelle 1. Artenzusammensetzung bei den Reusenfängen Nah Fern Dorsch Gadus morhua Dorsch Gadus morhua Europäischer Aal Anguilla anguilla Europäischer Aal Anguilla anguilla Schwimmgrundel Gobius flavescens Schwimmgrundel Gobius flavescens Sandgrundel Pomatoschistus minutus Sandgrundel Pomatoschistus minutus

Schwarzgrundel Gobius niger Scholle Pleuronectes platessa Kliesche Limanda limanda Kliesche Limanda limanda Vierbärtelige Seequappe Onos cimbrius

Seeskorpion Myxocephalus scorpius Klippenbarsch Ctenolabrus rupestris Froschdorsch Raniceps raninus Ostseegarnele Palaemon squilla (L.) Strandkrabbe Carcinus maenas Strandkrabbe Carcinus maenas Idothea spec. (Isopoda, Asseln) Gemeiner Seestern Asterias rubens Gemeiner Seestern Asterias rubens Miesmuschel Mytilus edulis Gemeiner Horntang Ceramium rubrum

Gemeiner Horntang Ceramium rubrum

Von den Wirtschaftsfischen wurden gefangen: Dorsch Gadus morhua, Europäischer Aal Anguilla anguilla, Scholle Pleuronectes platessa und Kliesche Limanda limanda. Überraschend ist die hohe Zahl der Aale und der Gobiiden in den Reusen am Standort Riff Nienhagen. Die Schwimmgrundel ist die häufigste Grundelart am Riff. Gobiiden sind eine bevorzugte Nahrungsart der Dorsche. Bis zu 15 % der Nahrungsorganismen der Dorsche bis 34 cm sind Gobiiden (Schulz, 1989). Damit ist die Nahrungsgrundlage für Jungdorsche am Riff vorhanden. In den Tabellen 2 und 3 sind die Längenbereiche der beiden Hauptfischarten Dorsch und Aal dargestellt. Die zwei Fänge des Froschdorsches Raniceps raninus (L.), dessen östlichste Verbreitungsgrenze die Beltsee darstellt, weisen auf die hohe ökologische Akzeptanz der Habitate hin. Tabelle 2. Längenbereiche der Fischart Dorsch Fischart Dorsch Riff-Nah Riff-Fern Datum Länge (cm) Stückzahl

(n) Länge (cm) Stückzahl

(n) 21.09.98 19-60 13 7-45 10 28.09.98 11-44 3 11-47 8 05.10.98 16-40 11 11-49 7 Gesamt 11-60 27 7-49 25 Tabelle 3. Längenbereiche der Fischart Aal Fischart Aal Riff-Nah Riff-Fern Datum Länge (cm) Stückzahl

(n) Länge (cm) Stückzahl

(n) 21.09.98 33-58 10 33-63 12 28.09.98 26-55 6 - 0 05.10.98 36-50 5 32-34 2 Gesamt 26-58 21 32-63 14

Nutzungsmöglichkeiten künstlicher Unterwasserhabitate und ihre ökologi-schen Effekte auf die marine Umwelt:

1.Fischereiliche Nutzung und Wertigkeit

• Konzentration von Wirtschaftsfischen zum Zweck einer gezielten und effektiven Bewirtschaftung

• Schutz vor invasiven insbesondere die Benthostiergemeinschaften schädigenden Fischereitechniken

• Erhöhung der Artenvielfalt durch das Angebot eines attraktiven Habitats • Schaffung künstlicher Laich- und Nahrungsplätze für Wirtschaftsfische • Bereitstellung von Unterschlupfräumen für juvenile Fische als Schutz vor Räubern • Erprobung und Nutzung spezifischer auf Riffstandorte abgestimmte Fischereitechniken mit

der Möglichkeit des Einsatzes einer räumlich eingegrenzten kontrollierten Fischerei mit passiven Fangmethoden

• Untersuchung inter- und intraspezifischer Beziehungen der Fischbestände • Modifizierung von methodischen Ansätzen zum Bestandsassessment • Untersuchung bzw. Minderung des Einflusses von Aquakulturanlagen auf die marine

Umwelt 2. Touristische Nutzung und Wertigkeit

• Gezielte Entwicklung eines attraktiven aber kontrollierten Angeltourismus in diesem Gebiet

• Nutzung eines Teils solcher Riffe zur Entwicklung eines „Unterwassergartens“ für tauchtouristische Aktivitäten

3. Allgemeiner Nutzen und Kooperation mit anderen Wissenschaftsbereichen

• Reparatur einer defekten natürlichen Umwelt durch Bereitstellung künstlicher Substrate zur Wiederbesiedlung durch sessile Organismen wie Muscheln, Seepocken etc.

• Durchführung angewandter ökologischer Experimente zur Untersuchung inter- und intraspezifischer Beziehungen mariner Organismen in Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen

• Untersuchung von Bioerosionseffekten an Hartsubstraten (auch CaCO3) durch bohrende und faulende Organismen

• Verbesserung der Wasserqualität durch Ansiedlung von filtrierenden Organismen auf den Hartsubstraten eines „künstlichen Riffes“ (Stichworte: Biofiltration und Biosedimentation)

• Erhöhung der Artenvielfalt mariner Organismen durch Schaffung adäquater Lebensräume Erfordernisse für Konstruktion und Einbringung:

• Verwendung von inerten Materialien, die eine Verschmutzung des Wassers durch Abgabe von gefährlichen Inhaltsstoffen infolge physikalischer oder chemischer Verwitterung ausschließen lassen

• Keine Verwendung von Material, dessen Beseitigung im Meer verboten ist

• Alle Materialien müssen an Land gefertigt werden (kein Gießen von Betonteilen im Meer) • Das Material muss den zu erwartenden physikalischen Beanspruchungen standhalten • Eine Verdriftung der eingebrachten Materialien muss ausgeschlossen werden können • Eine spätere Entnahme der Strukturen muss im Bedarfsfall gewährleistet sein • Die räumliche Ausdehnung muss in vernünftiger Relation zu den erwarteten Vorteilen

stehen (keine unnötige Nutzung von Naturräumen) • Die Ortswahl hat so zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der Schifffahrt ausgeschlossen

werden können • Alle durch ein solches Projekt betroffenen Organisationen sollten vorab von den Zielen

und Zwecken eines solchen Bauwerkes unterrichtet werden • Gebiete von wissenschaftlicher oder biologischer Bedeutung, z. B. geschützte Gebiete

nach Council Directive 92/43/EEC und 79/409/EEC sollten nicht genutzt werden • Notwendig sind Kurz- Mittel- und Langzeit Monitoringprogramme, sowie begleitende

wissenschaftliche Untersuchungen Materialien und Strukturen:

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Telemetriemast

Großalgen

Seegraswiese

ReefballTetrapode 6t

Tetrapodenschüttung 2t

Tetrapodenatoll 6t

Netz (vertikal)

Netz (horizontal)

Abbildung 3. Darstellung der Strukturen eines künftigen Großriffes vor Nienhagen Tabelle 4. Übersicht über die verwendeten bzw. neue Riffbaumaterialien

Naturstein Bei der Errichtung der Steinschüttungen in Lohme wurden ausschließlich Granitsteine mit unterschiedlicher Größe verwendet. Dabei musste festgestellt werden, dass die Schüttung mit gröberem Granit eindeutig mehr Unterschupfmöglichkeiten für marine Organismen und auch Kleinfische bot. Die Schüttung mit feinerem Material war für unsere

Zwecke zu kompakt. Insgesamt wies der Granitstein am dortigen Standort einen geringen Bewuchs auf. Die Natursteinschüttung vor Nienhagen war nach einem Jahr bezüglich ihres Bewuchses nicht mehr von der Umgebung zu unterscheiden.

Stahl Stahl dient lediglich als Rahmenkonstruktion für die

künstlichen Seegraswiesen und ist mit Rostschutzfarbe behandelt. Die Erfahrungen mit Miesmuschelgrundgestellen aus den 80er Jahren lassen eine Einsatzdauer von ca. 3 Jahren zu, was auch nachgewiesen werden konnte.

Beton Die vor Nienhagen verwendeten Betonrohre sind unbehandelt ausgebracht worden. Es handelt sich hierbei um Rohre, die für Abwasser- und Meliorationsleitungen in der ehemaligen DDR verwendet wurden. Die Rohre kamen nie zu ihrem ursprünglichen Einsatz und sind somit mindestens 6 Jahre vor ihrer jetzigen Verwendung hergestellt und im Freien gelagert worden. Der Beton wurde seinerzeit nicht auf seine chemische Zusammensetzung untersucht. Um bestmögliche Voraussetzungen für den Bewuchs zu schaffen, sollten Hartsubstrate einen neutralen bis leicht basischen pH-Wert (7,0 bis 8,5) aufweisen. Die im Frühjahr 1996 ausgebrachten Rohre der ersten Riffsektion wiesen bis zum Jahresende ’96 einen bedeutend höheren Besiedlungsgrad als die im Sommer ’97 ausgebrachten Rohre auf. Über die gesamte Einsatzzeit konnte aber festgestellt werden, dass sich der Bewuchs mit seiner Intensität in einer jährlichen Folge wiederholt und nach längerem Einsatz keine Unterschiede zwischen den zu unterschiedlichen Jahreszeiten und Jahren ausgebrachten Elementen besteht.

Ton Die Tonrohre sind im Herbst 1997 ausgebracht worden. Sie waren ebenfalls für den Einsatz als Abwasser- und Meliorationsleitungen in der ehemaligen DDR bestimmt. Sie haben eine härtere und glattere Oberfläche als die Betonrohre und sind zum Teil mit einer Glasur überzogen. Es war eine geringere Besiedlung als bei den zur gleichen Zeit ausgebrachten Betonelementen zu verzeichnen, wobei die Tonröhren hauptsächlich von Seepocken besiedelt wurden.

Netztuch

und Leinen

Für den Bau der künstlichen Seegraswiesen wurde Netztuch aus Polyamid und Leinenmaterial aus Polypropylen verwendet. Beide Materialien wurden vor allem durch die Miesmuschel besiedelt. Die durch ihren Auftrieb ursprünglich stehenden Leinenenden legten sich durch die Muschelmasse auf das Netztuch oder hingen am Rahmen herunter und schufen somit größere Höhlen. Zum Teil richteten sich die Leinen, nachdem sie durch Seesterne von ihrer Miesmuschellast befreit worden waren, wieder auf.

Zusammenfassung: Die Errichtung künstlicher Habitate im Küstenabschnitt vor Nienhagen in Mecklenburg-Vorpommern brachte folgende Ergebnisse: 1. Die künstlichen Habitate haben eine deutliche Abundanzerhöhung an Organismen zur

Folge. 2. Für Fische ist die Materialwahl nicht unbedingt entscheidend. Wichtiger ist die Schaffung

von abrupt über den Meeresboden aufragenden Strukturen, die Strömungsschattenzonen, Unterstände und Schutzräume vor Räubern schaffen.

3. Für ein biologisches Gleichgewicht ist die Besiedlung entscheidend. Dabei wurde festgestellt, daß sich die Miesmuschel als dominierende Art bevorzugt auf Netztuch ansiedelt. Offensichtlich hat der Seestern als natürlicher Hauptfeind der Miesmuschel auf dem Netztuch oder Leinenmaterial schlechtere Angriffspunkte als auf großflächigem Untergrund wie z.B. auf den Betonröhren. Der Beton wiederum wird durch die rauhere Oberfläche besser besiedelt als Ton (glasiert oder unglasiert) und Naturstein.

4. Die Natursteinschüttung mit 20% Aushub gestaltet sich als sanfte Erhebung, die nur an großen Einzelexemplaren oder vereinzelten zufällig beieinander liegenden Steinen als Schutzräume durch Fische und Evertebraten angenommen wurde. Durch den schleppenden Oberflächenbewuchs auf Naturstein und der sich erst entwickelnden Benthostiergemeinschaft fehlt in der Anfangszeit die erhöhte Nahrungsgrundlage für Fische.

5. Mit der Absicht der Verbesserung der fischereilichen Wertigkeit eines Gewässerabschnittes ist die Erhöhung der Attraktivität dieses Gebietes für die touristische Nutzung (Angel- und Tauchsport) eng verbunden. Die künstlichen Strukturen locken bereits jetzt zu Tauch- und Fischgängen was eine Vielzahl von Angelgeschirr (Blinker) und Stellnetzen belegen. Es ist notwendig massive und stabile Strukturen mit einer möglichst hohen Lebensdauer zu errichten. Darum werden Betonstrukturen als Hauptgestaltungselemente gekoppelt mit flexiblen Strukturen aus Kunstfasern favorisiert.

6. Mittels Unterwasservideokameras und Auswerteprogrammen könnte eine Größenklassifizierung, Stückzahlermittlung und Alterstruktur der Bestände der Wirtschaftsfische, wie insbesondere des Dorsches, am Riff ermöglicht werden. Über Zeitreihen von mindestens fünf Jahren kann die Veränderung der Bestandszusammensetzung in Größe und Abundanz zur Ermittlung von Indizes für die tatsächliche Bestandszusammensetzung im Seegebiet herangezogen werden. Möglicherweise lassen sich so kosten- und zeitintensive Jungfischsurveys minimieren. Die fischereilichen Vergleiche mit den Jungfischreusen sollten durch Untersuchungen zur Fängigkeit von passiven Fanggeräten erweitert werden.

7. Mit Langzeituntersuchungen an künstlichen Strukturen können Aussagen für gezielte fischereiliche Ausgleichsmaßnahmen in der Ostsee (z.B. für die Wiederbesiedlung von Baggerschüttstellen) getätigt werden.

Literatur: Fisch und Umwelt M-V e.V. 1998. Abschlußbericht zum Thema: Planung und vorbereitende Untersuchungen für die Errichtung eines künstlichen Riffes in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns Bioplan GmbH und Fisch und Umwelt M-V e.V. 1998. Bericht zum technisch- biologischen Monitoring, Versuche zum elektrolytischen Aufbau künstlicher Riffstrukturen vor Nienhagen Schulz N. 1989. Untersuchungen zur täglichen Nahrungsaufnahme (Tagesration) des Dorsches der westlichen Ostsee. Fischerei-Forschung, Rostock 27 (1989) 2