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PRAXIS Mini-Review Praxis 2009; 98: 271283 271 © 2009 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern DOI 10.1024/1661-8157.98.5.271 Kompetenzbereich für Psychosomatische Medizin, Inselspital, Universität Bern 1 , Psychosomatische Fachklinik Kinzigtal, Gengenbach, Deutschland 2 1 N. Egloff, 2 U.T. Egle, 1 R. von Känel Therapie zentralisierter Schmerzstörungen Therapy of Disorders With Central Pain Sensitization Zusammenfassung Schmerz ist ein Signal, das in der Regel durch eine periphere, körperliche Schädigung ausgelöst wird. Die schmerzperzeptierenden Strukturen des Nervensystems sind aber ihrerseits nicht inert sondern unterliegen – v.a. bei chronischer Einwirkung – einer Modulierbarkeit, welche ein eigenes Krankheitspotenzial in sich birgt und zu Schmerzkrankheiten beiträgt. Somatische Schmerzvorerfahrung (Pri- ming, Wind-up), psychobiographische Prägung (Pain proneness) und Stress- belastung (Action proneness) sind die Hauptfaktoren, welche zu einer ver- änderten Schmerzverarbeitung des ZNS führen. Klinisch zeigt sich diese Entwicklung durch Schmerzsensibi- lisierung und Schmerzkonservierung. Bei vielen chronischen Schmerzpa- tienten liegt eine Mischung dieser sen- sibilisierenden Einflüsse vor. Im Gegensatz zur Therapie des akuten, peripher begründeten Schmerzes ist die Therapie chronisch-zentralisierter Schmerzstörungen stets nur in einem multimodalen Vorgehen realisierbar. Letztlich zielen alle Therapiemass- nahmen darauf ab, die «anti-nozi- zeptiven» Anteile der zerebralen Schmerzmatrix zu stärken. Die Medi- kamentenlisten für neuropathische Schmerzen und somatoforme Schmer- zen weisen verständlicherweise grosse Überlappungen auf. Psychotherapeu- tische Massnahmen dienen der ver- besserten Schmerzkontrolle, emotio- nalen Entlastung und Verhaltens- optimierung. Dieser Artikel gilt als Fortsetzung und Vertiefung unseres Aufsatzes «Weder Descartes noch Freud», in dem wir uns bereits von einem allzu dichotomen Schmerzverständnis (organisch versus psychogen) verabschiedet haben [1]. Schlüsselwörter: funktionelle soma- tische Syndrome – Schmerz, zentrali- sierter – Schmerzstörung, somatofor- me – Schmerztherapie, multimodale Einleitung Schmerz ist stets ein Phänomen zentral- nervöser Perzeption und damit ein psychophysischer Vorgang. Bei einem akut-nozizeptiven Schmerzproblem liegt in der Regel eine Gewebeschädigung als Schmerzursache vor. Bei peripher-neuro- pathischen Schmerzen, erwarten wir eine Läsion innerhalb der Nervenüberlei- tung. Bei zentralisierten Schmerzen ist die Symptomgenese in den höheren Strukturen der Schmerzwahrnehmung begründet. Zwei Gruppen zentraler Schmerzen lassen sich unterscheiden: Zentral-neu- ropathische Beschwerden und zentral- somatoforme Beschwerden. Bei zentral- neuropathischen Schmerzen erwarten wir eine fassbare Läsion neuronaler Strukturen im ZNS, welche direkt oder indirekt den Schmerz auslösen. Bei ca. 8% der Insult-Patienten und bei ca. 40% der Patienten mit Rückenmarksverlet- zungen kommt es zu solchen zentral- neuropathischen Beschwerden [2,3]. Bei zentral-somatoformen Schmerzen sind neurohistopathologisch keine strukturellen Läsionen fassbar; indessen lassen sich mit funktioneller Bildgebung Veränderungen objektivieren, welche auf eine gesteigerte Schmerzwahrnehmung hinweisen [4–6]. Dieser zweiten Gruppe zentralisierter Schmerzstörungen gilt der Hauptfokus dieses Artikels. Sie zeichnet sich aus durch klassische anamnestische und klinische Charakteristika (s. Kasten 1 im Anhang). Im klinischen Alltag präsentie- ren sich diese Krankheiten häufig als chronische Schmerzen mehrerer Körper- regionen (chronic widespread pain) oder als sogenannte funktionelle somatische Syndrome, beispielsweise in Form einer Fibromyalgie (s. Kasten 2 im Anhang). Sowohl somatosensorische Vorerfah- rungen als auch psychobiographische Aspekte sind bei der Entstehung dieser zentralisierten Schmerzstörungen ent- scheidend. Pathophysiologisch steht in den meisten Fällen die gesteigerte Schmerzempfind- lichkeit infolge Schmerzsensibilisierung des Nervensystems (Hyperalgesie) im Vordergrund. Mentale, emotionale und mnestische Faktoren fliessen mit in die Schmerzempfindung ein. Diese Be-

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© 2009 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern DOI 10.1024/1661-8157.98.5.271

Kompetenzbereich für Psychosomatische Medizin, Inselspital, UniversitätBern1, Psychosomatische Fachklinik Kinzigtal, Gengenbach, Deutschland2

1N. Egloff, 2U.T. Egle, 1R. von Känel

Therapie zentralisierterSchmerzstörungenTherapy of DisordersWith Central Pain Sensitization

ZusammenfassungSchmerz ist ein Signal, das in der Regeldurch eine periphere, körperlicheSchädigung ausgelöst wird. Dieschmerzperzeptierenden Strukturendes Nervensystems sind aber ihrerseitsnicht inert sondern unterliegen – v.a.bei chronischer Einwirkung – einerModulierbarkeit, welche ein eigenesKrankheitspotenzial in sich birgt undzu Schmerzkrankheiten beiträgt.Somatische Schmerzvorerfahrung (Pri-ming, Wind-up), psychobiographischePrägung (Pain proneness) und Stress-belastung (Action proneness) sind dieHauptfaktoren, welche zu einer ver-änderten Schmerzverarbeitung desZNS führen. Klinisch zeigt sich dieseEntwicklung durch Schmerzsensibi-lisierung und Schmerzkonservierung.Bei vielen chronischen Schmerzpa-tienten liegt eine Mischung dieser sen-sibilisierenden Einflüsse vor.ImGegensatz zur Therapie des akuten,peripher begründeten Schmerzes istdie Therapie chronisch-zentralisierterSchmerzstörungen stets nur in einemmultimodalen Vorgehen realisierbar.Letztlich zielen alle Therapiemass-nahmen darauf ab, die «anti-nozi-zeptiven» Anteile der zerebralenSchmerzmatrix zu stärken. Die Medi-kamentenlisten für neuropathischeSchmerzen und somatoforme Schmer-zen weisen verständlicherweise grosseÜberlappungen auf. Psychotherapeu-tische Massnahmen dienen der ver-

besserten Schmerzkontrolle, emotio-nalen Entlastung und Verhaltens-optimierung.Dieser Artikel gilt als Fortsetzung undVertiefung unseres Aufsatzes «WederDescartes noch Freud», in demwir unsbereits von einem allzu dichotomenSchmerzverständnis (organisch versuspsychogen) verabschiedet haben [1].Schlüsselwörter: funktionelle soma-tische Syndrome – Schmerz, zentrali-sierter – Schmerzstörung, somatofor-me – Schmerztherapie, multimodale

EinleitungSchmerz ist stets ein Phänomen zentral-nervöser Perzeption und damit einpsychophysischer Vorgang. Bei einemakut-nozizeptiven Schmerzproblem liegtin der Regel eine Gewebeschädigung alsSchmerzursache vor. Bei peripher-neuro-pathischen Schmerzen, erwarten wir eineLäsion innerhalb der Nervenüberlei-tung. Bei zentralisierten Schmerzen istdie Symptomgenese in den höherenStrukturen der Schmerzwahrnehmungbegründet.Zwei Gruppen zentraler Schmerzenlassen sich unterscheiden: Zentral-neu-ropathische Beschwerden und zentral-somatoforme Beschwerden. Bei zentral-neuropathischen Schmerzen erwartenwir eine fassbare Läsion neuronalerStrukturen im ZNS, welche direkt oder

indirekt den Schmerz auslösen. Bei ca.8% der Insult-Patienten und bei ca. 40%der Patienten mit Rückenmarksverlet-zungen kommt es zu solchen zentral-neuropathischen Beschwerden [2,3].

Bei zentral-somatoformen Schmerzensind neurohistopathologisch keinestrukturellen Läsionen fassbar; indessenlassen sich mit funktioneller BildgebungVeränderungen objektivieren,welche aufeine gesteigerte Schmerzwahrnehmunghinweisen [4–6].Dieser zweiten Gruppe zentralisierterSchmerzstörungen gilt der Hauptfokusdieses Artikels. Sie zeichnet sich ausdurch klassische anamnestische undklinische Charakteristika (s. Kasten 1 imAnhang). Im klinischenAlltag präsentie-ren sich diese Krankheiten häufig alschronische Schmerzen mehrerer Körper-regionen (chronic widespread pain) oderals sogenannte funktionelle somatischeSyndrome, beispielsweise in Form einerFibromyalgie (s. Kasten 2 im Anhang).

Sowohl somatosensorische Vorerfah-rungen als auch psychobiographischeAspekte sind bei der Entstehung dieserzentralisierten Schmerzstörungen ent-scheidend.Pathophysiologisch steht in den meistenFällen die gesteigerte Schmerzempfind-lichkeit infolge Schmerzsensibilisierungdes Nervensystems (Hyperalgesie) imVordergrund. Mentale, emotionale undmnestische Faktoren fliessen mit in dieSchmerzempfindung ein. Diese Be-

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schwerden einseitig als «psychogen» zubeurteilen, greift zu kurz und führt inder Regel in eine therapeutische Sack-gasse [1].

depressive Affektlage auf, welche diesomatogene Schmerzwahrnehmung zu-sätzlich emotional-limbisch verstärkt.

Fallbeispiel 2: Action proneness –Schmerzsensibilisierung im Rah-men von Dauerstress48-jähriger Instruktor mit seit drei Jahrenbestehenden Gliederschmerzen und Fati-gue. Der Patient arbeitete über Jahre hin-weg bis zu 80 Stunden pro Woche.Seine Freizeit verbrachte der Patient mitHochleistungssport. Die Beschwerden exa-zerbierten anlässlich eines grippalen In-fekts.

Eine internistisch-rheumatologische oderneurologische Grunderkrankung sindbei diesem Patienten mehrmals aus-geschlossen worden. Die geklagteSchmerzproblematik und der Dauer-erschöpfungszustand entbehren einer«peripheren Ursache».Klinisch zeigt sich eine fibromyalgie-forme Störung und ein Chronic FatigueSyndrome, einhergehend mit generell er-höhter Reizempfindlichkeit (Phonopho-bie, Photophobie und Arousalsympto-men).Der Hauptakzent der zentralnervösenSchmerzsensibilisierung liegt bei diesemPatienten in der übermässigen psychi-schen und physischen Stresserfahrung[12,13].Tendenz zu Perfektionismus undSelbstüberforderung sind klassischeZüge des Action prone-Profils [14,15].Schmerz führt umgekehrt zu einer ver-änderten Stressphysiologie [16].Zusätzlich ist ein somatosensorischesPriming (Gliederschmerzen) denkbardurch die jahrelange körperlicheVeraus-gabungstendenz im Rahmen des Hoch-leistungssports.

Fallbeispiel 3: Pain proneness –Schmerzdisponierende Kindheits-umstände

21jähriger Mann mit seit Jahren beste-hendem Halbseitenschmerz links. Dieleiblichen Eltern waren beide drogenab-hängig. Nach dem ersten Lebensjahrwurde er ihnen durch die Behördenweggenommen. Es folgen mehrere Um-platzierungen. Die Schmerzproblematikhabe begonnen, als er als Elfjähriger vomMotorrad seines Stiefvaters gestürzt sei.Neben Prellungen konnten damals keinestrukturellen Schädigungen festgestelltwerden. Zwischenzeitlich wurde derSchmerz zum täglichen Begleiter. Canna-biskonsum helfe den Schmerz etwas zureduzieren.

Die Triggerung der Schmerzkrankheiterfolgte anamnestisch akut durcheinen Unfall. Orthopädische oderneurologische Erklärungen für dieSchmerzpersistenz mit Halbseitenaus-dehnung sind aus damaliger undheutiger Sicht nicht möglich. Die halb-seitige Schmerzsymptomatik ist indes-sen klassisch für einen zentralisiertenVorgang [11,17,18]. Die vermindertezerebrale Schmerzkontrolle geht imkonkreten Fall einher mit vermin-derter Stress- und Impulskontrolle.Erhöhte Schmerzdisposition im Kon-text ungünstiger Kindheitsumstände istwissenschaftlich breit untersucht wor-den [19–23].

Fallbeispiel 4: Traumatisierung –Schmerzprägung durch lebens-bedrohliche Extremerfahrung37-jähriger Patient aus Südostasien mitFolteranamnese. Der Patient leidet seit

Folgende Fallbeispiele illustrieren vierKonstellationen, welche zu zentralisiert-somatoformen Schmerzstörungen füh-ren können. Dabei stehen je exem-plarisch somatosensorisches Priming,

Action proneness, Pain proneness oderTraumatisierung im Vordergrund (Abb.1). In vielen Fällen kommen gleich meh-rere der aufgeführten Sensibilisierungs-risiken zum Zuge.

Beispiele zentralisierterSchmerzstörungenFallbeispiel 1: SomatosensorischesPriming – Schmerzchronifizierungprimär durch somatogene Sensi-bilisierung

69-jährige ehemalige Köchin mitRückenschmerzen. Die Patientin hatteüber Jahre hinweg Schmerzmittel gemie-den und «auf die Zähne gebissen». Trotzinzwischen ausgebauter Analgetikathe-rapie ist die Patientin zunehmend auchin Ruhe nicht mehr schmerzfrei. Eine vorJahren durchgeführte Diskushernienope-ration führte zu keiner Symptombesse-rung. In der klinischen Untersuchungfällt eine Tendenz zur «Schmerzauswei-tung» auf. Das aktuelle Schmerzausmasslässt sich nicht mit einer Zunahme vondegenerativen Veränderungen erklären.Sekundär hat sich eine reaktive depres-sive Entwicklung eingestellt. Die Patien-tin ist verunsichert und fragt sich, ob siesich denn das alles nur einbilde.

Die Schmerzsensibilisierung dieserPatientin erfolgte primär auf somato-sensorischem Weg. Ständiger nozizep-tiver Schmerzinput aus «überreizten»Gelenken, zentral-spinale Reizverstär-kung (Gating- und Wind-up-Mecha-nismen) [7–9] sowie jahrelange Sen-sibilisierung des somatosensorischenKortex führten zu einer neuroplasti-schen Fixierung der Rückenschmerzen[10]. Subtile nicht DermatombezogeneSensiblitätsstörungen weisen ebenfallsauf eine zentralisierte Schmerzkompo-nente hin [11].Aufgrund der anhaltenden Schmerzenund zunehmenden Einschränkungenim Alltag baute sich sekundär eine

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Jahren an einer schweren Schlafstörung.Neben anhaltenden Spannungsschmer-zen im Nackenbereich kommt es zwei-bis dreimal pro Monat zu nächtlichenSchmerzexazerbationen v.a. im Lenden-und Beckenbereich. In dieser Körper-region habe er während der Gefangen-schaft «Fusstritte» erhalten. Die Hautdes ganzen Körpers ist übersät vonNarben durch Zigaretten-Brandmale.Der Patient hat sich bereits wiederholtwegen exazerbierten Lendenschmerzenbeim Hausarzt vorgestellt. Differential-diagnostisch wurde zunächst an eineDiskopathie mit Wurzelkompressions-syndrom gedacht. Die schliesslichdurchgeführte CT zeigte keine struktu-rellen Auffälligkeiten der LWS.

Traumatisierungserfahrungen erzeu-gen im ZNS einen «schockartigen»Prägungsprozess. Die unter GefahrerlebtenUmwelteindrücke werdenmiteiner enormen Schärfe und Nachhal-tigkeit abgespeichert (Hypermnesie).Auch die erlittenen somatosensori-schen Körperempfindungen werdenkonserviert und können u.U. alsDauerschmerzen bestehen bleiben oderspäter «flashbackartig» reaktiviertwerden (sog. «Offline»-Schmerzen).Die Extremerfahrung der Folter pro-voziert eine psychophysische Reak-tion, welche Schmerzwahrnehmungund Erleben nachhaltig verändern.Die Komorbiditätsrate von posttrau-matischen Belastungsstörungen undfibromyalgiformen Beschwerden liegtje nach Studie zwischen 30–60% [24].

TherapieZentralisierte Schmerzstörungen sindchronische Krankheiten. Das zentraleSchmerzperzeptionssystem ist oft nach-haltig verändert. Die Erwartung einerschnellen Schmerzreduktion oderSchmerzfreiheit ist nicht realistisch. DieTherapie zentralisierter Schmerzstörun-gen ist vergleichbar mit der Therapiechronischer neurologischer Krankheiten,bei welchen ebenfalls primär die Symp-

kontrolle, zunehmende Gefährdung derTeilhabe am Erwerbsleben, starker sozia-ler Rückzug sowie diagnostische Unklar-heiten, welche einer stationären Explo-ration und Beobachtung bedürfen.Ziel sämtlicher Massnahmen ist1.) die Verbesserung der Schmerzkon-trolle durch Ausschöpfen aller mögli-chen positiven Schmerzmodulatoren,2.) Verhinderung von kontraprodukti-vem schmerzassoziierten Verhalten und3.) Förderung der Selbstkompetenz unddes allgemeinen Wohlbefindens der Be-troffenen.

Grundsätzlich lässt sich das ZNS-Befin-den physikalisch, chemisch, sensorisch,emotional und mental modulieren.Entsprechend breit gefächert sindauch die Ansätze zur Schmerztherapie.Viele nichtmedikamentöse Ansätze derSchmerztherapie stellen denVersuch dar,positive «Gegenerfahrungen» im ZNS zukonsolidieren, mit welchen der negativeSchmerzzustand aufgebrochen, modu-liert, eingegrenzt und relativiert werdenkann. Aus neurobiologischer Sicht be-absichtigt die multimodale Schmerz-therapie, die pro-nozizeptiven Einflüsseinnerhalb der zerebralen Schmerzmatrixabzumildern und die anti-nozizeptivenWirkgrössen zu stärken [26]. Aus psy-chologischer Sicht, sollte eine Schmerz-therapie sowohl Körperempfindungs-,

tomkontrolle und die Verbesserung derLebensqualität im Zentrum stehen.

Zu unterscheiden sind folgende Thera-piestadien (Abb. 2):– 1. Basisbetreuung: Aufarbeiten derProblemlage, Diagnostik, Patienten-information, Einleitung und Organi-sation von Therapien

– 2. Weiterführende Behandlung: z.B.Einzelpsychotherapie, Schmerzmana-gementkurse, Patientenschulung inGruppe, Physiotherapie

– 3. Langzeitbetreuung: Verlaufskon-trolle, medikamentöse Optimierungenund Anpassungen, Therapieevaluatio-nen, therapeutisches «Auffrischen»

Viele ambulante und stationäre Angebotein Schmerzkliniken fokussieren im Sinneder Basisbetreuung auf eine genaue Dia-gnostik und das Einleiten therapeutischerMassnahmen. Die Diagnostik erfolgtnach algorithmischen Mustern (Abb. 3).Einzelne Kliniken und Spezialisten bietenzudem für dieweiterführende Behandlungmehrmonatige ambulante «Schmerz-kurse» an, welche von den Betroffenensehr geschätzt werden [25]. Die fach-gerechte Langzeitbetreuung wird in derRegel durch Hausärzte gewährleistet.

Indikationsgründe für eine Hospitalisa-tion sind u.a. ungenügende Symptom-

Psychobiographische Prägung

Spinale Sensibilisierung

Stress (Trauma)Action prone

Zentrale Schmerzsensibilisierung

SomatosensorischesPriming

Periphere Sensibilisierung

KindheitsprägungPain prone

GenetischeVulnerabilität

Abb. 1:Ursachen der zentralen Hyperalgesie.

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Verhaltens-, Gefühls- und Denkprozessewie auch biographisch-mnestische As-pekte des Schmerzerlebens einbeziehen.Neben passiver pharmakologischer Un-terstützung ist daher Schmerztherapieim Hauptteil ein aktiver Prozess des per-sönlichen (Um-)Lernens und Reifens.

Die Komplexizität des Leidens erfordertimmer einen multimodalen Ansatz [27–30]. Das heisst, es kommen in der Regelgleichzeitig medikamentöse, körperliche(u.a. Physiotherapie) wie auch verhal-tens- respektive psychotherapeutischeStrategien zum Einsatz.Es folgt ein Überblick über die Palettemöglicher Massnahmen, wie sie beiPatienten mit zentralisierter Schmerz-störung eingesetzt werden.

PatienteninformationUntersuchungen haben gezeigt, dass fürPatienten, die eine Schmerzklinik auf-suchen, die Erklärung ihrer Schmerz-probleme genau so wichtig ist, wie dieBehandlung der Schmerzen selber [31].Die Kommunikation eines zentralisier-ten Schmerzproblems (bei welchemeben kein erklärender Schaden aufzeigbarist!) ist besonders anspruchsvoll. Hat derbehandelndeArzt selber ein differenzier-tes Verständnis zwischen körperlicherSchädigung (= Objekt) und dem neuro-perzeptiven Phänomen Schmerz (=Wahr-nehmungsvorgang des Objekts), spürtder Patient, dass man seine Beschwerdenernst nimmt. Häufig hilft auch für dieprimäre Verständnisbildung das Beizie-hen von Metaphern, z.B. das Bild der«Alarmanlage»:Erlebt der Patient Schmerz (= «Alarm»),weil tatsächlich eine ursächliche körper-liche Schädigung (= «Gefahr») da istoder weil die Alarmanlage durch gewisseUmstände sensibilisiert («zu fein einge-stellt») ist?Ein kompetentes Verständnis fürSchmerz reduziert das Gefühl vonUnsicherheit und Ausgeliefertsein, ver-mindert die Angst vor etwas Verpasstemund erhöht die Therapiemotivation.

Interesse zeigen und sich diese bio-logischen Modelle als Einstieg auchgut dafür eignen, später ein weiterdifferenziertes «bio-psycho-soziales» Ver-ständnis, z.B. das Diathese-Stressmodell,aufzubauen [16,32].

Um ein solides therapeutisches Bündniszu erlangen, ist das Erarbeiten eines ge-meinsamen Schmerzverständnisses Aus-gangsbedingung. Die Erfahrung zeigt,dass die Patienten durchaus für neuro-biologische Erklärungsmodelle (z.B. be-züglich des Sensibilisierungsvorgangs)

I Basisbetreuung (erste Konsultationen)

Anamnesegespräch:Patientenzentrierte Exploration

des HauptleidensFachanamnese (vgl. Hinweis-

kriterien Kasten 1 im Anhang)Erfassen von KomorbiditätenHerstellen einer Beziehungsbasis

Diagnostische Abklärungen:KörperstatusMed.-technische Ergänzungs-diagnostik

Verhaltensmedizinische DiagnostikPsychometrische Diagnostik

Konsensbildung:Therapeutisches BündnisPatienteninformation über Diagnose und TherapieoptionenEinleiten therapeutischer MassnahmenInformation, Rücksprache mit involvierten KollegInnen

II Weiterführende Behandlung (Therapiephase über Monate)

Multimodale Schmerztherapie

Einzeln:Pharmakologische UnterstützungPsychotherapeutische

EinzeltherapieBehandlung komorbider LeidenIndividuelle Verlaufsbestimmung

Einzeln oder in der Gruppe:SchmerzmanagementkursePatientenschulungAnleitung und Trainieren einer

RelaxationstechnikStützende und aktivierendePhysiotherapie

Verhaltensmedizinische Therapie

III Langzeitbetreuung (Nachkontrollen über Jahre)

Regelmässige, im voraus vereinbarte Kontrolltermine (nicht «on demand»)Reevaluation des Schmerzverhaltens, Erfassung von Symptom-verschiebungen!

Therapieanpassungen, ev. «Auffrischkurse» z.B. PhysiotherapieMedikamentöse Kontrollen (auch Abbau von unwirksamen Medikamenten!)Früherfassung von RückfallskonstellationenUnterstützung bei sozialmedizinischen FolgeproblemenVernetzung und Rücksprache mit involvierten KollegInnen

Abb. 2: Flussdiagramm der Therapie zentralisierter Schmerzstörungen.

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Für den Erfolg einer Therapie ist letzt-lich eine verständige, identifizierte undpartizipative Haltung des PatientenVoraussetzung. Die Wirksamkeit einerPatientenschulung konnte (u.a. am Bei-spiel der Fibromyalgie) aufgezeigt wer-den [30,33]. Für die Aufklärungsarbeitund Therapiemotivation können ver-schiedene didaktische Hilfsmittel zumEinsatz kommen. Erklärungsschemenauf dem PC werden bei der Vermittlungder komplexen Inhalte eingesetzt [34].Abbildung 4 zeigt einen Ausschnitt auseinem Patientenschulungs-Clip, wie wirsie zu diesem Zwecke verwenden.

Individualisierte PsychotherapieBei somatoformen Schmerzstörungenging man früher landläufig davon aus,dass ein hintergründiger psychischerKonflikt «die Ursache» des Schmerzes sei(s. Kasten 3 im Anhang). Therapeutischbedeutete dies, dassman primär anstreb-te, «den verborgenenKonflikt» zu erfassenum ihn idealerweise durch Psychothera-pie aufzulösen. Dieses Konzept greiftnach heutigem Verständnis eindeutig zukurz. Es besteht auch die Gefahr, den Pa-tienten damit gleich zweifach zu stigma-tisieren: Einerseits wird suggeriert, dasssich der Patient eigentlich in seinerSchmerzwahrnehmung täusche («Ver-wechslung» von etwas Psychischem mitetwas Somatischem) anderseits wird ihmunterstellt, in seinem psychischen Haus-halt offensichtlich etwas falsch anzugehen.Sicher spielen bei der Schmerzbewälti-gung psychodynamische Vorgänge eineRolle (z.B. Sekundärgewinn, Problem-verlagerung, Abwehr, Zeugnisfunktiondes Schmerzes etc.). Tatsächlich lei-den Schmerzpatienten im Vergleich zuGesunden häufiger an gravierendenpsychischen Problemen. Auch ist dieRate bezüglich psychiatrischer Komor-biditäten, insbesondere Depressions-und Angststörungen, erhöht [35,36].Schliesslich sind auch Schmerz- und De-pressionsphysiologie eng miteinanderverflochten [37,38]. Doch bezüglichdes Kausalitätsbezuges zwischen dem

Schmerzproblem und der psychischenLeiden ist dringend eine differenzierteBetrachtung anzustreben:Zu unterscheiden ist, ob der psychischeAspekt eine losgelöste, ursächliche, mit-unterhaltende oder eher nur konsekutiveRolle spielt. Eine differenziertes Sach-verständnis führt automatisch auch zueiner vorsichtigeren Verwendung vonBegriffen wie «psychogen», «nicht-orga-

nisch», «aggravatorisch» etc. (s. Kasten 4im Anhang).

Ein spezielles Augenmerk gilt der Angst:Stellt Schmerzerleben das «Alarmsys-tem» bezogen auf körperliche Gefahrendar, hat die Angst dieselbe «Alarmfunk-tion» bezogen auf situative Gefahren.Grundsätzlich haben Schmerz undAngst also protektiven Zweck! Bei vielen

Diagnose einer zentralisierten Schmerzstörung

Falsche Methodik?Könnte es sich um eine Störunghandeln, welche ich nicht zudiagnostizieren gewohnt bin?Somatische Zusatzabklärungen?Spezialisten beiziehen?

Falscher Fokus?Liegt die Störung weniger in einempathologisch veränderten orga-nischen System, sondern in derveränderten Perzeption desSystems?Bsp. Funktionelle SomatischeSyndrome (s. Kasten 2 im Anhang)

Subjektives Befinden des Patienten diskrepant zu den erwartetenobjektiven peripheren Befunden(Erwägung, resp. Ausschluss der Differentialdiagnose einer Symptomvortäuschung erst nachDurchlaufen untenstehender Algorithmusschritte)

1. Ausgangslage

2. Objektivierungsmethode

Mit stattgehabter neurologisch-struktureller Schädigung («neuro-pathisch»).

Ohne stattgehabte neurologisch-strukturelle Schädigung («somato-form»).

3. Differentialdiagnose der zentralisierten Schmerzstörung

– Hinweise bezüglich Krankheitsverlauf (s. Kasten 1 im Anhang)– Hinweise bezüglich Symptomatik (s. Kasten 1 im Anhang)– Hinweise bezüglich biographischem Hintergrund

(s. Kasten 1 im Anhang und Abb. 1)

4. Exploration bezüglich Hinweisen einer somatoformen Schmerz-sensibilisierung

Beiziehen von neurofunktionellen Bildgebungsverfahren zur Klärungspezieller Fragestellungen

5. In Forschungssettings (und als Zukunftsperspektive)

Abb. 3:Algorithmus zur Diagnose zentralisierter Schmerzstörungen.

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Schmerzpatienten löst Schmerz auchAngst aus. In der Folge wird das Indivi-duum gleich durch zwei Alarmsystemegebeutelt, welche sich gegenseitig nochaufschaukeln können, klassischerweisein Form von Panikattacken.

Das Spektrum der angewandten Psycho-therapieformen ist vielfältig. Die Metho-de richtet sich primär nach der zu-grunde liegenden Problematik. Nebenden klassischen, Psychotherapierich-tungen (verhaltenstherapeutisch undpsychoanalytisch) haben Mischformen(z.B. Gesprächstherapie, Traumathera-pie etc.) stark an Bedeutung gewonnen.Ziel jeder psychotherapeutischen Be-gleitung soll sein, einerseits den vor-handenen intrapsychischen Druckabzubauen, biologisch gesprochen denemotional-limbischen Schmerzeinflusszu vermindern. Andererseits soll jedeTherapie zu einem Kompetenzausbauder Persönlichkeit beitragen.

Psychologische und therapeuti-sche Aspekte illustriert anhandder FallbeispieleFallbeispiel 1: Die ehemalige Köchinleidet aufgrund der Schmerzen undder aufgezwungenen Immobilisierungheute unter einer depressiven Ent-wicklung. Die Depression, welche esparallel zu behandeln gilt, drohtzum mitunterhaltenden Faktor derSchmerzstörung zu werden. Die be-gleitende Physiotherapie (Badegruppe)wird von der Patientin sehr geschätzt.Frühzeitige Interventionen im Akutsta-dium (medikamentöse und physiothe-rapeutische) hätten die zentrale Sensi-bilisierung möglicherweise verlang-samen oder verhindern können [39].

Fallbeispiel 2:Beim Instruktor steht dieunmittelbare Kausalität der Schmerz-erkrankung im Zusammenhang mitdem hohen Ausmass der jahrelangenpsychophysischen Stresserfahrung. DieNeigung zu «Überleistungen» hat wie-derum auch ihre biographischen

Hintergründe. Gesprächstherapeuti-sche Methoden im Sinne eines Stress-managements standen imVordergrund,auch durchlief der Patient ein sorgfältigstrukturiertes körperliches Rekonditio-nierungsprogramm.

Fallbeispiel 3: Der junge Patient zeigtZeichen frühkindlicher Deprivation.Langfristige und zuverlässige psycho-therapeutische Begleitung durch einen«elterlichen» Kinder- und Jugend-psychiater im Sinne eines Alltags-Coa-chings trug zur Persönlichkeitssta-bilisierung bei. Hinzu kam später, alsÜbung zur verbesserten Selbstregula-tion, das Erlernen einer entspannen-den asiatischen Bewegungstherapie.

Fallbeispiel 4:Der Patient aus Südost-asien war vor dem Traumatisierungs-ereignis eine psychisch unbelastetePersönlichkeit. Heute zeigt der PatientSymptome einer komplexen posttrau-matischen Belastungsstörung. Nur einTeil seiner Beschwerden liess sichdurch eine spezifische Traumatherapielindern. Hinzu kommen sekundärestress- und schmerzmitunterhaltendeFolgebelastungen wegen migrations-spezifischen Problemen (Trennungvon der Familie), Arbeitslosigkeit undVersicherungsproblemen.

Schmerzmanagementkurse inGruppenIm Gegensatz zur Einzelpsychotherapie,welche individuelle psychische Belas-tungen bei Schmerzpatienten ansteuert,richtet der Schmerzmanagementkurs denFokus pragmatisch auf den Ausbau all-gemeingültiger Schmerz-Copingsstrate-gien. Spezialisierte Kliniken bieten zudiesem Zweck ambulante oder stationä-re Gruppenangebote an. Ein offensicht-licher Vorteil solcher Gruppenangeboteist, dass automatisch ein soziales Refra-ming durch Gleichbetroffene geschieht(«Ich bin nicht die einzige Person,welchean einer solchen Störung leidet»). Aus-serdem ist auch für die Betreuerseite derZusammenzug zur Gruppenschulungressourcensparender. Die Schmerzma-nagementkurse lassen sich idealerweisezeitlich verknüpfen mit dem Gruppen-angebot einer Relaxationstechnik odereinem Gruppenphysiotherapieangebot(z.B. gemeinsamesNordicWalking).Auchfür die Schmerzmanagementkurse gilt,was für die individualisierte Psychothe-rapie gilt: die Indikation muss indivi-duell gestellt werden, nicht jeder chroni-sche Schmerzpatient kann gleichermas-sen von diesem Angebot profitieren.

Mögliche Themeninhalte solcherSchmerzmanagementkurse sind:

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Abb. 4:Ausschnitt aus einem Patientenschulungs-Clip.

Schmerz-kontrollzentren

Schmerz-gedächtnis

Patienteninformation:Massnahmen zur

� Stärkung derSchmerzkontrolle

� Beruhigung derSchmerzleitung

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– Entwicklung eines multikausalen undkonstruktiven Schmerzverständnisses

– Entwicklung und Information überwirksamkeitsgesicherte Behandlungs-perspektiven

– Erarbeitung der individuellenSchmerz-Modulationsfaktoren

– Erfahren und Üben von Selbstwirk-samkeitsmethoden (z.B. Aufmerk-samkeitslenkung, Wärmeapplikation,Selbstrelaxationstechniken)

– Positive Körperwahrnehmungsschu-lung (z.B. Atemübungen, Achtsam-keitstrainig, Genussübungen)

– Einübung von Techniken zurSchmerz-Emotionsentflechtung undSchmerzdistanzierung

– Bewusstwerdung mentaler Einfluss-grössen auf Schmerzerleben, Erken-nen und Auflösung so genannter dys-funktionaler Kognitionen

– Stressmanagement im Alltag (Erfas-sung der Stressoren, Ausbau vonProblemlösungskompetenzen, Priori-tätensetzung, Erkennen von körperli-chen oder psychischen Warnsignalen,Einübung bewusster Belastungsdosie-rung, Pausensetzung, Schlafhygiene-massnahmen)

– Ressourceninventar, Ressourcen(re-)-aktivierung, Ressourcenpflege

– Methoden der Selbstwertfindung, Sen-sibilisierung für Vertrauen, Verbünde-te, Eigenverantwortung, Kohärenz

– Training sozialer Fertigkeiten, z.B.fremde und eigene Bedürfniswahr-nehmung und Bedürfniskommunika-tion

– Einübung von therapeutischen Tage-buchtechniken, Entlastung durchNarration

– Sozialmedizinische Aspekte (z.B. Rol-lenverlust, sekundärer Krankheitsge-winn, familiendynamische Prozesse,Versorgungs- und Autarkiekonflikte,berufliche Desintegrations- und Re-integrationsprobleme, versicherungs-rechtliche Konsequenzen, Kenntnis-vermittlung bezüglich dem Angebotfachlicher Hilfestellungen)

Entspannungstraining

Stress- und Schmerzphysiologie sindzerebral untrennbar miteinander ver-flochten. Die Stressempfindlichkeit beiSchmerzpatienten ist subjektiv und ob-jektiv erhöht [40].Viele Schmerzpatienten zeigen im Rah-men von Stress eine Schmerzzunahme.Stressbedingt leiden viele Patienten zu-sätzlich auch an autonom-vegetativenSymptomen wie Verdauungsstörungen,Schlafstörungen, Hypertonie, Tachy-kardie, Myogelosen etc. Die funktio-nellen somatischen Syndrome (s. Kasten2 im Anhang) wurden bezeichnender-weise früher auch «stress-related syndro-mes» genannt [41,42].Das Erlernen und regelmässige Durch-führen einer Relaxationstechnik zurDrosselung des erhöhten Sympathi-kotonus, respektive zur Stärkung desParasympathikus ist eine wichtigeGegenmassnahme. Am meisten Erfah-rungen liegen für die Muskelrelaxationnach Jakobson vor.WeitereMethodenmitvergleichbarem Effekt sindAchtsamkeits-traingsmethoden, Yoga, Hypnosethera-pie, geleitete Imagination, regelmässigerWaldspaziergang sowie Entspannungdurch Einsatz von Relaxations-Musik.Biofeedbacktrainer am PC oder mittelskleiner Taschengeräte erfreuen sich beijüngeren Patienten grosser Beliebtheit.Entscheidender als die Art der Entspan-nungsmethode ist es, dass jeder Patienteine Technik findet, die zu ihm passt,und die er gerne und regelmässig ausübt.Vorzuziehen sind grundsätzlich Metho-den, welche der Patient auch selbständigweiterführen kann.

PhysiotherapieDie Körperwahrnehmung von Betrof-fenen ist oft einseitig vom Schmerzer-leben geprägt. Analog zum Verhaltenbei akutem Schmerz führt dies spontanzu Schonverhalten und damit länger-fristig zur allgemeinen physischen De-konditionierung mit Immobilisations-erscheinungen.

Die Physiotherapie stellt einen sehrwesentlichen Teil der multimodalenSchmerztherapie dar. Eine Autorengrup-pe aus Deutschland hat unter Einbezugvon nahezu 90 Arbeiten physiothera-peutische Verfahren bezogen auf dieFibromyalgie verglichen [43].Gelingt es, ein besseres Körpergefühlund eine Aktivitätssteigerung zu ver-mitteln, hat dies sowohl auf die Körper-wahrnehmung als auch auf die Stim-mung einen korrigierenden Einfluss.Wichtig ist, dass die Therapie lustvolldurchgeführt wird. Durch Vermittlungangenehmer Körpererfahrungen, spie-lerischen Zugang, Musikeinbezug, gar«Balneotherapie-Atmosphäre» wird dasKörperbefinden auf emotional-limbi-schemWeg positiv beeinflusst.GeschiehtPhysiotherapie in einer Atmosphäre vonmechanistischem Leistungsdruck, trittdas Gegenteil ein. Folgende Inhalte, auf-gelistet nach zunehmendem Aktivitäts-niveau, können zum Zug kommen:– Positive Körperwahrnehmungsver-mittlung z.B. durch Wärmelampe,haptisch-sensorische Erlebnisse, Fan-go, Einreibungen,Wasser

– Schmerzentlastung durch Haltungs-verbesserung, muskelrelaxierendeÜbungen, beruhigende Atemtechnik,manuelle Lösung schmerzassoziierterMyogelosen

– Bewegungsaktivierung z.B. mit Musikoder Spiel, bewusstes Auflösen vonkontraproduktivem Schonverhaltenund «blockierter» Bewegungsmuster

– Dosiertes aerobes Aktivieren unterErkennen und Respektierung von Be-lastungsgrenzen

– Sukzessiver Ausbau des Aktivierungs-niveaus unter Vermittlung von Er-folgserlebnissen und positivem Feed-back (Bsp. Gehtraining mit NordicWalking,Wandern, Schwimmen)

– Transfer des Aktivitätsverhaltens indenAlltagsrahmen («Treppe statt Lift»)

– Selbsthilfestrategien, Übernahme undFörderung jener physiotherapeuti-schen Methoden, welche als Heimpro-gramm eigenständig weiter geführtwerden können

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Medikamentöse Therapieansätze

Bei der zentralen Schmerzperzeption isteine derart grosse Zahl von Transmitter-,Rezeptor- und Neuromodulatorensys-teme involviert, dass nicht von einereinzelnen chemischen Substanz das«Ausschalten» der zerebralen Schmerz-perzeption erwartet werden kann! Ein-zige Ausnahme sind Narkose-Substan-zen, welche indessen nicht nur denSchmerz sondern auch gleich das Be-wusstsein unterbrechen. Die Tatsache,dass chronisches Schmerzerleben stetsauch mit abgespeicherter Lernerfah-rung («Schmerzgedächtnis») zu tunhat, lässt die Hoffnung auf eine einsei-tig pharmakologische Schmerztilgungschwinden.

AntidepressivaDie partielle Wirksamkeit von Antide-pressiva in der Behandlung von chroni-schen (somatogenen, neuropathischenund somatoformen) Schmerzen ist seitlangem bekannt und wird oft genutzt.Der Wirkungseffekt der alleinigen anti-depressiven Therapie ist eher alsmoderatdenn als durchschlagend zu bezeichnen.Die zentral-analgetische Wirkkompo-nente der Antidepressiva ist grund-sätzlich nicht vom Vorhandensein einerDepression abhängig. Auch wird dieanalgetische Wirkung beispielsweise beiTrizyklika bereits bei deutlich niedrigenDosierungen erreicht als der antidepres-sive Wirkungseffekt. Trizyklika werdennach wie vor als Mittel der Wahl be-trachtet bei fibromyalgiformen Stö-rungen, chronischen lumbalen Rücken-schmerzen und Kopfschmerzen vomSpannungstyp [44,45]. Den bis heutedurch Placebostudien am besten doku-mentierte Effekt hat bezogen auf dasFibromyalgiesyndrom niedrig dosiertesAmitriptylin, die Effektstärke ist alsmäs-sig zu bezeichnen [46]. Einen günstigenEffekt ist v.a. auf den Schlaf zu erwarten.Um die Compliance zu begünstigen, istmit relativ geringen abendlichen Dosie-rungen (10 mg) zu beginnen und späterauf Retard-Präparate (50–75 mg) um-

zustellen. In diesem Dosisbereich istdas Medikament auch für neuropathischbedingte Schmerzen wirksam. Der Pa-tient ist aufzuklären, dass ein Wirkungs-eintritt nicht unmittelbar zu erwartenist und initiale Nebenwirkungen (z.B.Benommenheit) in der Regel wieder ab-klingen.

Die Daten zum Wirkungsvergleich vonTrizyklika und SSRI sind uneinheitlich.Auch für viele der moderneren Anti-depressiva (Venlafaxin, Mirtazapin,Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin etc.)liegen aber zunehmend Studien zurpartiellen Wirksamkeit bei Schmerzzu-ständen vor [46,47]. Dual wirksame Prä-

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Key messages● Zentralisierte Schmerzstörungen sind reale chronische Schmerzkrankheitenohne notwendigerweise vorhandenes peripheres Korrelat.

● Neben eher generalisierten Schmerzsyndromen wie Fibromyalgie und Chronicwidespread pain sind eine ganze Reihe lokalisierter Schmerzsensibilisierungs-syndrome bekannt (= funktionelle somatische Syndrome)

● Somatische Schmerzvorerfahrung (Priming, Wind-up), psychobiographischePrägung (Pain proneness) und Stressbelastung (Action proneness) sind diewichtigsten Faktoren, welche zu einer Schmerzsensibilisierung des ZNSführen.

● Die Therapie solcher Erkrankungen erfordert einen multimodalen Ansatz.● Gruppentherapieangebote (Schmerzmanagementkurse) sind eine Option inder Behandlung dieser Erkrankungen.

Lernfragen1. Sie vermuten bei einem Patienten eine zentralisierte Schmerzstörung.Welcheder folgenden Aspekte weisen auf eine somatosensorische Reizamplifizierunghin?

Der Patient berichtet,a) dass er ständig die Position wechseln muss, weil ihm die angespanntenMuskeln oder die Körperauflageflächen schmerzen.

b) dass er lärmempfindlicher geworden ist und einen Tinnitus entdeckt hat.c) dass er nach körperlicher Beanspruchung, die Erschöpfung noch Tagespäter spüre.

d) dass er das Einkaufen in Kaufhäusern am Samstag meide, weil ihm sonstnach kurzer Zeit «der Kopf drehe».

2. Welcher Zweck hat die begleitende Psychotherapie bei Schmerzerkankungen?a) Schmerzassoziierte dysfunktionale Verhaltensmuster abzubauen (z.B.Rückzug, Schonen, Delegieren).

b) Schmerzassoziierte dysfunktionale Kognitionen abzubauen (z.B. Kata-strophisieren, Verallgemeinern, Grübeln)

c) Abbau emotionaler Stressoren (z.B. in Zusammenhang mit lebensbio-graphischen Belastungen, Alltagskonflikten, Spannungen, Ängsten, Sinn-fragen)

d) Verbesserung der allg. Lebensqualität (z.B. durch Ressourcenreaktivierung,Reframing, Selbstwirksamkeitserfahrung, Selbstwertverbesserung, Kom-petenzausbau)

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parate (serotoninerg und noradrenerg)scheinen gegenüber einseitig serotoni-nerg wirkenden Präparaten etwas über-legen zu sein [45].Grundsätzlich gilt es bei der Auswahl ei-nes Antidepressivums Begleitsymptome,Komorbiditäten und v.a. Präferenzen desPatienten zu berücksichtigen.

Konventionelle BasisanalgetikaDasWHO-Schema zur akuten Schmerz-therapie ist nicht für die Behandlungchronischer zentralisierter Schmerzenvorgesehen. Die gute Basisanalgetika-therapie, z.B. mit NSAR, ist v.a. wichtigin der Prävention von Schmerzkrank-heiten im Akutstadium! Bei etablierterSchmerzkrankheit zeigen diese Schmerz-mittel nur einen geringen bis keinenEffekt [46,48].Allenfalls helfen NSAR schmerzasso-ziierte sekundäre muskuläre Verspan-nungen zu lindern. Wie Myorelaxantiensollten NSAR dann aber nur kurzfristigund sporadisch zum Zug kommen. EineBasisanalgetikatherapie gegen schmerz-hafte muskuläre Verspannungen mitParacetamol und/oder Tramadol ist un-bedenklicher, kann individuell evaluiertwerden und soll aber bei Ineffizienz auchwieder sistiert werden.

Einsatz von OpiatenIm Gegensatz z.B. zur Analgetikathera-pie bei chronischen Tumorschmerzenhaben Opiate in der Behandlung soma-toformer Erkrankungen keine Verwen-dung. Die Risiken einer Abhängigkeitübersteigen in der Regel den analgeti-schen Benefit. Es gibt Hinweise, dassOpiate bei somatoformen Schmerz-störungen längerfristig sogar zu einerSchmerzsensibilisierung beitragen kön-nen. Auch der Einsatz von Oxycodon istbei Fehlen eines anhaltend peripherenoder neuropathischen Schmerzkorrela-tes in der Regel enttäuschend.Die Evaluation von Opioiden bei indi-viduellen Patienten mit zentralisiertenStörungen und/oder psychiatrischenErkrankungen mit dem Leitsymptom«Schmerz» sollte demnach nur in doku-

mentierten Einzelfallstudien oder kon-trollierten Studien erfolgen, da derWirksamkeitsnachweis vonOpiaten aus-steht [49].

AntikonvulsivaAntikonvulsiva wie z.B. Gabapentin undCarbamazepin haben in der Therapievon neuropathisch bedingten Schmer-zen einen festen Platz. Auch Pregabalinhat die Zulassung für den Einsatz beizentral-neuropathischen Störungen. Inden USA ist Pregabalin inzwischen auchzur Therapie von zentral-somatoformenStörungen wie Fibromyalgie zugelassen.Die langfristige Wirksamkeit einer The-rapie mit Pregabalin ist bei fibromyalgi-formen Störungen aber noch nicht ge-sichert. Eine zeitlich befristete Therapiekann im Einzelfall unter Überprüfungder Wirksamkeit erwogen werden [46].

SchlafhygieneSchwere Schmerzerkrankungen gehen inder Regel mit einer gestörten Schlaf-physiologie einher. Ein wichtiger Aspektsowohl in der stationären als auch derambulanten Therapie sind Verbesserun-gen in diesem Bereich. Bei stark beein-trächtigterWach-Schlafperiodik kann einlimitierter, max. 2–3-wöchiger Einsatzvon Benzodiazepinen (z.B. Oxazepam)oder Benzodiazepinagonisten (z.B. Zolpi-dem, Zopiclon) gerechtfertigt sein. Er-wünschte schlafbegünstigende Effektesind bei der Auswahl eines Antidepressi-vums (z.B. Trizyklika, Trazodon, Mirta-zapin) mit zu berücksichtigen. FolgendeVerhaltensmassnahmen kommen hinzu:– Meidung von erregenden Aktivitäten(z.B. Sport) unmittelbar vor demSchlaf

– Einschlafrituale (z.B. Schlaftee, ruhigeMusik, Tagebuch, Lesen, Meditation,warmes Bad, Spaziergang)

– Umwertung der Schlaflosigkeit: an-statt «Versagergefühle hegen», die Zeitfür bewusstes Entspannen nutzen

– Mentale Techniken zum Verlassendes frühmorgendlichen «Sorgen- undGrübelkarussells» einüben

– Schlafbegünstigende Gestaltung desRuheplatzes (Reduktion akustischerImmissionen, Schlichtheit, Installa-tion von Geborgenheitsattributen,«Ruhebilder», Ruhesymbole etc.)

DanksagungDie Diagnosestellung einer zentralisier-ten Schmerzstörung geschieht in derRegel in Zusammenarbeit mit ärztlichenMitarbeitern aus verschiedenen Fach-richtungen und der Grundversorgung.Die multimodale Schmerztherapie istein Angebot, welches nur dank guterinterdisziplinärer Zusammenarbeit mitFachkräften aus Psychologie, Physio-therapie, Ergotherapie und Pflege funk-tioniert. An dieser Stelle speziellen Dankjenen Mitarbeitenden, welche mithelfen,die Therapie chronischer Schmerz-patienten mitzutragen, weiter zu ent-wickeln und zu evaluieren.

AbstractPrevious somatic pain experience(priming), psychobiographic imprint-ing (pain proneness), and stress (actionproneness) are key to an enhanced cen-tralised pain response. This centralisedpain response clinicallymanifests itselfin pain sensitization and chronifica-tion. The therapeutic approach tochronic centralised pain disorders ismultimodal. The overarching aim ofthe various interventions of a mul-timodal treatment program is toactivate anti-nociceptive areas of thecerebral matrix involved in pain pro-cessing. The lists of medications tar-geting neuropathic and somatoformpain disorder show considerable over-lap. Psychotherapy helps patients withcentral pain sensitization to improvepain control, emotional regulationand pain behaviour.Key words: central sensitization – cen-tral sensitivity syndromes – somato-form pain disorder – functional somat-ic syndromes – chronic widespreadpain – multimodal pain therapy

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RésuméL’expérience antérieure de douleurssomatiques (priming), l’empreinte psy-chobiographique (pain proneness) ain-si que le stress (action proneness) sontles principaux facteurs provoquantune réponse douloureuse accrue dusystème nerveux central. Clinique-ment, celle-ci se caractérise à la fois parune sensibilisation à et une chronifica-tion de la douleur. En fin de compte,toutes les mesures thérapeutiquesadoptées ont comme but de renforcerles composantes antinociceptives de lamatrice de la douleur au niveau céré-bral. Il existe bien sûr un chevauche-ment important entre les listes demédicaments contre les douleursneuropathiques et les douleurs soma-toformes. Les démarches psychothéra-peutiques visent à améliorer le contrô-le de la douleur ainsi qu’à apporter unsoutien émotionnel et comportemen-tal.Mots-clés: sensibilisation centrale –syndrome douloureux somatoforme –syndromes somatiques fonctionnels –traitement multimodal des douleurschroniques

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KorrespondenzadresseDr. med. Niklaus EgloffLehrbeauftragter Psychosoziale MedizinUniversität BernAbteilung für PsychosomatikC. L. Loryhaus, KAIMInselspital3010 Bern

[email protected]

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AntwortenzudenLernfragen

1.AlleAntwortensindrichtig.2.AlleAntwortensindrichtig.

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Kasten 1Hinweise für das Vorliegen einer zentralen SchmerzsensibilisierungDie folgende Liste gründet auf Erfahrungswerten. Einzelne erfüllte Kriterien erlauben nie eine Diagnosestellung.Hinweise bezüglich zeitlichem Krankheitsverlauf– Jahrelange Schmerzanamnese mit multiplen vorangegangenen Abklärungen und Eingriffen, oft ohne klare Befundlage– Sehr hohe Stressbelastung oder hohes Aktivitätsniveau zum Zeitpunkt des somatischen Auslöseereignisses– Beginn des Leidens nach lang anhaltender emotionaler Belastung– Jeweils temporäre Schmerzverstärkung parallel oder im Nachzug an «fight-flight-Affekte» (Anspannung, Schreck, Angst, Ärger)– Verstärkung der Symptomatik am Folgetag nach körperlicher Beanspruchung («Büssen müssen»)– Intensität der Beschwerden stark von Tagesform abhängig– Wechselhafter, unvorhersehbarer Schmerzpegel («Ich weiss nicht, wie es mir morgen geht»)Hinweise bezüglich Symptomatik– Keine relevante Verbesserung mit klassischen Analgetika– Beschwerden lassen sich ungenügend mit organischen Strukturgrenzen (z.B. Organ- oder Dermatomgrenzen) erklären– Oftmals «brennende» Schmerzqualität, Umschreibung der Beschwerdeart mit «nicht-sensorischen», eher affektiv-wertenden Adjektiven wie

z.B. «höllisch», «mörderisch», «unerhört», «wahnsinnig», «grausam»– Hyperalgesiezeichen bei Schmerzprovokationstests, z.B. empfindliche Fibromyalgie-Druckpunkte– Allgemein erhöhte Reizempfindlichlichkeit: Phonophobie, Photophobie, Arousal, inklusiv vermehrter emotionale Reizbarkeit– Subtile, nicht Dermatom-bezogene Berührungs- und Thermohypästhesien (sensible Quadranten-, Halbseitensyndrome)– Neuropsychische Begleitbeschwerden wie Kurzzeitgedächtnisstörung, Konzentrationsstörungen, chronisches Erschöpfungsgefühl, Schlaf-

störung, Leistungsintoleranz, Libidoverlust– Multiple stressassoziierte vegetativ-autonome Begleitbeschwerden wie Verdauungsbeschwerden, kalte Akren, Mundtrockenheit, Spannungs-

kopfschmerzen, nuchale Myogelosen– Assoziation mit Depression, Angststörungen, Panikattacken– Komorbidität mit anderen funktionellen somatischen Syndromen (siehe Kasten 2)Hinweise bezüglich biographischem Hintergrund– Erste Schmerzerfahrungen bereits in der Kindheit (z.B. Intensivpflegebehandlung als Säugling)– Elterliche Vernachlässigung in der Kindheit, Hinweise für frühe Bindungsstörung– Wiederholte Beziehungsabbrüche, «biographische Lücken»– Phasen langandauernder emotionaler Belastung (z.B. Angst um Angehörige während der Balkankriege)– Wiederholter unfreiwilliger Wohnortswechsel, Flucht, unfreiwillige Migration, Integrationsstress– Traumatisierung (Unfallereignis, Folterung,Verfolgung, Haft,Vergewaltigung, Missbrauch)– Anhaltende psychosoziale Belastungen und Sorgen (z.B. durch finanzielle Ängste, Arbeitsplatzverlust)– Tendenz zu beruflicher Verausgabung, Selbstüberforderung («Überleister», «Perfektionisten»)

Kasten 2Was sind funktionelle somatische Syndrome?Zentralisiert-somatoforme Schmerzstörungen lassen sich einteilen in Krankheitsbilder mit eher generalisiertem Schmerzcharakter (z.B. chronicwidespread pain) und Krankheitsbilder mit eher lokalisiertem Beschwerdebild, so genannte funktionelle somatische Syndrome. Es handelt sich umeine Gruppe von Störungsbildern mit grosser Symptomüberlappung [50,51]. Da zentrale Schmerzsensibilisierung ein entscheidender patho-physiologischer Faktor ist, sprechen gewisse Autoren zu Recht auch von den Central Sensitivity Syndromes [52].Als Hauptgenesefaktoren für die Schmerzsensibilisierung werden somatosensorisches Priming und psychobiographische Stressprägung diskutiert.Bei einzelnen Syndromen (z.B. Reizdarmsyndrom, Fibromyalgie,Chronic Fatigue Syndrome) sind zusätzlich auch genetische Vulnerabilitätsfaktorenvermutet worden.Charakteristisch für diese chronischen Störungen ist ein sehr hohes Komorbiditätsrisiko für eine Zweiterkrankung aus demselben Formenkreis[50,51]. Hinsichtlich der Therapieansätze zeichnen sich ebenfalls grosse Überlappungen auf. So kommen beispielsweise bei Fibromyalgie [53] undReizdarmsydrom [54] sehr analoge Therapiekonzepte zur Anwendung.

Fachgebiet Beispiele funktioneller somatischer Syndrome Zentrale Hypersensitivität

Rheumatologie Fibromyalgie nachgewiesen (>20 Studien)

Gastroenterologie Reizdarmsyndrom, funktionelle Dyspepsie nachgewiesen (>20 Studien)

Infektiologie (Postviral) Chronic Fatigue Syndrome wahrscheinlich (1 Studie)

HNO Temporomandibularschmerz,Burning mouth, Tinnitus, Globussyndrom nachgewiesen (7 Studien) wahrscheinlich

Allergologie Chemical Sensitivity Syndrome wahrscheinlich (1 Studie)

Urologie Male Chronic Pelvic Pain Syndrome, interstitielle Zystitis wahrscheinlich (1 Studie)

[modifiziert nach 51 und 52]

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PRAXIS Mini-Review Praxis 2009; 98: 271–283 283

Kasten 3Problemdiagnose: «Anhaltende somatoforme Schmerzstörung» (ICD-10 F 45.4)Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung ist eine Diagnosekategorie aus den 1980er Jahren. Im Raster des damals eher dichotomen Schmerz-verständnisses (Psyche versus Soma) wurden die zugrunde liegenden Beschwerden als primär «psychogen» gewertet. In der Alltagssemiotik v.a.von Nicht-Fachleuten, wird «psychogen» leider bis heute assoziiert mit «nicht-real», «ersponnen», «psychopathologisch» oder gar «vorge-täuscht». Auch taucht in versicherungsjuristischen Texten immer wieder die Fehlannahme der «willentlichen Überwindbarkeit» dieser Schmerz-kategorie auf. Für die dabei oft beigezogenen «Försterkriterien» gibt es bis heute keinen medizinischen Beleg [55]. Die Diagnose anhaltende so-matoforme Schmerzstörung ist zu einer versicherungsrechtlich unberechenbaren Hülse geworden. Aber auch aus rein nosologischer Sicht meldensind zunehmend Vorbehalte an, da die Diagnose zu wenig kohärent ist, die Ausschlusskriterien verschwommen sind, klar definierte diagnosti-sche Schwellen fehlen [56]. Auch ist die Diagnose schwierig zu kommunizieren, da der Arzt oft nicht in der Lage ist, nachzuweisen, wie es zu der«Verkörperlichung» von seelischen Leiden kommt. Missverständnisse kommen daher sehr häufig vor.Gemäss heutigem Schmerzverständnis sind dringend Differenzierungen nötig, welche neuere biologische Kenntnisse integrieren. Die Etikette«anhaltende somatoforme Schmerzstörung» stellt daher für die Autoren keine Enddiagnose dar, sondern eher eine Ausgangsbasis für weiter-führende differentialdiagnostische Überlegungen unter Einbezug der grossen Gruppe der funktionellen somatischen Syndrome und den anderenhier dargestellten Formen zentralisierter Schmerzstörungen.

Kasten 4Terminologisches: Alles dasselbe? – Ein Vorschlag

Funktionell: Der Begriff «funktionell» wurde früher häufig als verschleierndes Synonym für «psychogen» verwendet. Mit der Entwicklung funk-tioneller bildgebender Verfahren gewann der Begriff wieder eine neutralere Ausrichtung. «Funktionell» (als Gegensatz zu «strukturell») ist eindeskripitiver Begriff zum Beschrieb eines körperlichen Vorgangs, welches nicht auf einer histologischen Strukturläsion basiert sondern auf einerneurogenen Regulationsstörung beruht, z.B. vegetative Unteraktivität oder Überaktivität.

Psychogen: «Psychogen» impliziert die direkte Kausalität psychischer Ursachen. Die «Psychogenizität» vieler psychosomatischer Krankheiten be-steht darin, dass die betroffenen Personen unter erheblichem Stress stehen. Der Begriff «psychogen» wird von medizinischen Laien leider oft ineinem pejorartiven Sinn, wie «selbstverschuldet» «psychopathisch» oder «eingebildet» verstanden.

Somatoform: Unter somatoformen Beschwerden versteht man körperlich empfundene Beschwerden, welche nicht durch einen körperlichenSchaden erklärbar sind. In der Regel entstehen somatoforme Beschwerden in den Strukturen der Körperwahrnehmung (Bsp. Schmerzstörungen)oder in den Strukturen der Körperregulation (Bsp. Stressstörungen).

Hypochondrisch: Unter hypochondrischen Beschwerden versteht man das zwanghafte, angstbesetzte darüber Nachdenken-Müssen, an einerbedrohliche Krankheit zu leiden. Man könnte Hypochondrie den Krankheitsphobien zuordnen.

Nicht-organisch: «Nicht-organisch» (versus organisch) wurde vielfach als Synonym für funktionell verwendet. Der Begriff ist obsolet, da irrefüh-rend, denn auch die funktionellen Störungen beruhen letztlich auf organischen Grundlagen.

Simulation: Simulation bedeutet die bewusste, willentliche Vortäuschung eines Symptoms oder einer Krankheit.

Aggravation: Bedeutet die absichtliche, willentliche Überzeichnung von Beschwerden. Nicht selten werden Symptome bei zentraler Hyperalgesieals aggravatorisch fehlgedeutet!

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