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Die Expansion unseres Universums - 83 - 13. Die Expansion unseres Universums 13.1 Einsteins "größte Eselei", oder auch nicht? Die allgemeine Relativitätstheorie ist eine der größten Leistungen menschlichen Geistes. Einstein ging von der alltäglichen Erfahrung aus, dass alle Körper unabhängig von ihrer Masse, chemischen Zusammensetzung und Form gleich schnell fallen, exakt allerdings nur im Vakuum, wo es keine Luftreibung gibt. Dieses Faktum, das wohl schon von Galilei untersucht und später immer genauer bestätigt worden ist, kann leicht in einem Freihandversuch demonstriert werden. Versuch 1: Alle Körper fallen gleich schnell Zwei Körper verschiedener Größe und Dichte, eine schwere Stahlkugel und ein leichter Tischtennisball, werden aus gleicher Höhe gleichzeitig fallen gelassen. Sie kommen – unab- hängig von ihrer Masse – gleichzeitig auf dem Boden an, was man über das Aufschlag- geräusch gut wahrnehmen kann. In der Fachsprache sagt man, dass träge und schwere Masse gleich groß seien. "Warum ist das so?", fragte Einstein. Ein langer Weg führte ihn dann zu dem Vorschlag, dass die Gravitation keine gewöhnliche Kraft sei, sondern dass ihre Effekte eine Konsequenz der "Krümmung von Raum und Zeit" seien. Eine Masse, z.B. die Erde, krümmt die Raum- Zeit in ihrer Umgebung, gerade Bahnen werden gekrümmt, und jeder Körper muss sich auf diesen Bahnen bewegen, unabhängig von seiner Masse. Diese neuartige Vorstellung wurde in verschiedenen Experimenten getestet und quantitativ bestätigt. Einstein wandte seine Theorie auch auf das von Materie erfüllte Universum an und untersuchte dessen zeitliche Entwicklung. Dabei erkannte er, dass es keine Lösung gibt, in der die Größe des Universum unverändert bleibt. Einfach gesprochen führen die Anziehungskräfte zwischen der Materie in der Welt dazu, dass sich die Welt verkleinern will. Das Ergebnis widersprach seiner Anschauung von einem unveränderlichen Universum, die jedoch eher durch Erziehung als durch physikalische Fakten geprägt war. In seinem Kopf steckte wohl noch die "geschaffene Welt" (auch wenn Darwin schon diesen Schöpfungsgedanken relativiert hatte, wenn auch nur für das Lebendige). Jedenfalls fügte Einstein in seine Gleichungen eine kosmologische Konstante ein, die - richtig gewählt - ein statisches Universum ermöglichte. Er war zufrieden, bis Hubble entdeckte, dass sich das Universum ausdehnt. Da nannte Einstein seine kosmologische Konstante die "größte Eselei" seines Lebens, und die Konstante verschwand. Ganz neue Messungen zeigen, allerdings noch mit großen Fehlern, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt. Eine Erklärung dafür wäre eine kosmologische Konstante, womit man wieder zu Einstein zurückgekommen wäre, allerdings aus anderen Gründen. 13.2 Doppler-Effekt Wie kann man die Ausdehnung des Universums erkennen und auch quantitativ erfassen? Hierzu braucht man als erstes eine Methode, um Geschwindigkeiten von kosmischen Objekten zu bestimmen. Bei Bewegungen auf uns zu oder von uns weg

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Die Expansion unseres Universums

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13. Die Expansion unseres Universums

13.1 Einsteins "größte Eselei", oder auch nicht? Die allgemeine Relativitätstheorie ist eine der größten Leistungen menschlichen Geistes. Einstein ging von der alltäglichen Erfahrung aus, dass alle Körper unabhängig von ihrer Masse, chemischen Zusammensetzung und Form gleich schnell fallen, exakt allerdings nur im Vakuum, wo es keine Luftreibung gibt. Dieses Faktum, das wohl schon von Galilei untersucht und später immer genauer bestätigt worden ist, kann leicht in einem Freihandversuch demonstriert werden.

Versuch 1: Alle Körper fallen gleich schnell Zwei Körper verschiedener Größe und Dichte, eine schwere Stahlkugel und ein leichter Tischtennisball, werden aus gleicher Höhe gleichzeitig fallen gelassen. Sie kommen – unab-hängig von ihrer Masse – gleichzeitig auf dem Boden an, was man über das Aufschlag-geräusch gut wahrnehmen kann.

In der Fachsprache sagt man, dass träge und schwere Masse gleich groß seien. "Warum ist das so?", fragte Einstein. Ein langer Weg führte ihn dann zu dem Vorschlag, dass die Gravitation keine gewöhnliche Kraft sei, sondern dass ihre Effekte eine Konsequenz der "Krümmung von Raum und Zeit" seien. Eine Masse, z.B. die Erde, krümmt die Raum-Zeit in ihrer Umgebung, gerade Bahnen werden gekrümmt, und jeder Körper muss sich auf diesen Bahnen bewegen, unabhängig von seiner Masse. Diese neuartige Vorstellung wurde in verschiedenen Experimenten getestet und quantitativ bestätigt. Einstein wandte seine Theorie auch auf das von Materie erfüllte Universum an und untersuchte dessen zeitliche Entwicklung. Dabei erkannte er, dass es keine Lösung gibt, in der die Größe des Universum unverändert bleibt. Einfach gesprochen führen die Anziehungskräfte zwischen der Materie in der Welt dazu, dass sich die Welt verkleinern will. Das Ergebnis widersprach seiner Anschauung von einem unveränderlichen Universum, die jedoch eher durch Erziehung als durch physikalische Fakten geprägt war. In seinem Kopf steckte wohl noch die "geschaffene Welt" (auch wenn Darwin schon diesen Schöpfungsgedanken relativiert hatte, wenn auch nur für das Lebendige). Jedenfalls fügte Einstein in seine Gleichungen eine kosmologische Konstante ein, die - richtig gewählt - ein statisches Universum ermöglichte. Er war zufrieden, bis Hubble entdeckte, dass sich das Universum ausdehnt. Da nannte Einstein seine kosmologische Konstante die "größte Eselei" seines Lebens, und die Konstante verschwand. Ganz neue Messungen zeigen, allerdings noch mit großen Fehlern, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt. Eine Erklärung dafür wäre eine kosmologische Konstante, womit man wieder zu Einstein zurückgekommen wäre, allerdings aus anderen Gründen.

13.2 Doppler-Effekt

Wie kann man die Ausdehnung des Universums erkennen und auch quantitativ erfassen? Hierzu braucht man als erstes eine Methode, um Geschwindigkeiten von kosmischen Objekten zu bestimmen. Bei Bewegungen auf uns zu oder von uns weg

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eignet sich hierzu der Dopplereffekt, der 1842 von Christian Doppler an Schallwellen entdeckt wurde. Diesen Effekt erleben wir des öfteren im täglichen Leben, nämlich immer dann, wenn ein Fahrzeug mit eingeschaltetem Signalton an uns vorbeifährt. Solange es sich auf uns zu bewegt, hören wir einen bestimmten Ton, dessen Höhe sich im Moment des Vorbeifahrens zu verändern scheint. Während sich das Fahrzeug entfernt, hören wir einen deutlich tieferen Ton. Da sicherlich der Signalton nicht seine Höhe verändert, wenn das Fahrzeug an uns vorbeifährt, muss die Veränderung der Tonhöhe ein Effekt der Bewegung der Schallquelle relativ zum Hörenden sein. Dieser Effekt soll nun mit Hilfe von Ultraschallwellen demonstriert werden, wobei als quantitatives Maß für die Tonhöhe die Frequenz f benutzt wird Ist die Geschwindigkeit des Empfängers v klein gegen die Schallgeschwindigkeit c*, so ergibt sich für die relative Frequenzänderung

Δf/f = v/c*. Eine Annäherung des Senders an den Empfänger hat eine Frequenzerhöhung zur Folge, während die Frequenz sich erniedrigt, wenn der Sender sich entfernt. Dies wird im folgenden Experiment gezeigt.

Versuch 2: Akustischer Dopplereffekt Die benutzte Apparatur (siehe Abb. 13.1) besteht aus zwei Schwingquarzen, dem Sender S und dem Empfänger E. Schwingquarze eignen sich zur Erzeugung und zum Nachweis von Ultraschall, wenn man sie bei ihrer Eigenfrequenz anregt. Zur Anregung wird ein Sinusgenerator variabler Frequenz benutzt, die empfangenen Signale werden verstärkt und auf einen Frequenzzähler gegeben. Einer der beiden Schwingquarze ist auf einem kleinen Elektrowagen montiert, dessen Geschwindigkeit variiert werden kann. Man misst zunächst die Frequenz f, wenn Sender und Empfänger ruhen, und kann dann demonstrieren, dass sich die Frequenz bei Annäherung von S und E erhöht und dass sie kleiner wird, wenn sich S von E entfernt.

Abb. 13.1: Apparatur zur Demonstration des akustischen Dopplereffekts. Links der

Sender S auf einem Wagen, rechts der Empfänger E vor dem Frequenz-zähler

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Beispiel: Die Schallgeschwindigkeit c* ist etwa 350 m/s = 35.000 cm/s, der Sender wird etwa bei 35.000 Hz betrieben. Bewegt sich der Wagen mit 3,5 cm/s, dann erhält man eine Frequenzverschiebung von 3,5 Hz.

Misst man nun Δf, so kann man bei bekanntem f und c* die Geschwindigkeit des Emp-fängers v bestimmen. Da der Dopplereffekt ein allgemeines Wellenphänomenen ist, tritt er auch bei Lichtwellen auf. Die verschiedenen Farben des Lichts werden jedoch meist durch die zugehörigen Wellenlängen λ und nicht durch die entsprechenden Frequenzen f beschrieben. Da zwischen λ und f die Beziehung λ f = c gilt, gehören zu hohen Fre-quenzen kleine Wellenlängen und umgekehrt. Bewegen sich nun Lichtquelle und Empfänger voneinander fort, so wird die empfangene Frequenz kleiner, d.h. die Wellenlänge größer: In einem Linienspektrum sind alle Linien zu größeren Wellen-längen, d.h. zum Roten hin verschoben. Nähern sich umgekehrt Quelle und Empfänger einander an, so ergibt sich eine Violettverschiebung. In Sternspektren findet man Linien, die zu bestimmten Elementen der Sternatmosphäre gehören. Die Wellenlängen der zu den einzelnen Elementen gehörenden Spektren kann man im Labor sehr genau vermessen. Vergleicht man nun diese Laborspektren mit den Sternspektren, so kann man aus der Verschiebung der Wellenlängen die Radial-geschwindigkeiten ermitteln, mit der sich die kosmischen Objekte von uns entfernen. Für Geschwindigkeiten v, die klein gegen die Lichtgeschwindigkeit c sind, gilt analog wie oben

z = Δλ/λ = v/c. Für den Fall größerer Geschwindigkeiten muss z relativistisch berechnet werden, wobei sich ergibt:

Aus der Messung von z kann man hiermit bei bekanntem λ und c die Radial-geschwindigkeit der Quelle - einschließlich ihrer Richtung - bestimmen.

13.3 Hubblesches Gesetz

Diese Gesetzmäßigkeiten machten sich die Astronomen in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zunutze, um die Radialgeschwindigkeiten von Nebeln zu bestimmen. Durch Vergleich der Linien in den Nebelspektren mit entsprechenden in den Laborspektren fand man heraus, dass die einzelnen Nebelspektren Rotverschiebungen verschiedener Größe zeigen (siehe Abb. 13.2). Nahezu alle Spiral-nebel bewegen sich von uns weg, allerdings mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Diese Ergebnisse gehen insbesondere auf Messungen von Vesto Slipher zurück. Sie waren bereits 1924 bekannt, als Edwin Hubble die Entfernung des Andromedanebels bestimmte und eindeutig zeigen konnte, dass es sich bei diesem Nebel um ein extragalaktisches System handelt. In den folgenden Jahren untersuchte Hubble dann am leistungsstärksten Teleskop der damaligen Zeit, ob es einen Zusammenhang zwischen der Radialgeschwindigkeit und der Entfernung von Sternsystemen gibt.

1−−

+=

Δ=

vcvcz

λλ

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Abb. 13.2: Rotverschiebungen in verschiedenen Stern-spektren. Die rechte Spalte zeigt 5 Spektren, die zu den Objekten in der linken Spalte gehören. In jedem Spektrum ist in der Mitte die gemessene Intensitätsverteilung des Lichtes als Funktion der Wellenlänge dargestellt; die Linien ober- und unterhalb zeigen im Labor aufgenommene Referenz-spektren. Die Pfeile weisen jeweils auf zwei dunkle Linien hin, die sich mit wachsender Geschwindigkeit immer weiter nach rechts verschieben. Unter den Spektren sind die errechneten Geschwindigkeiten und in der mittleren senkrechten Spalte die Entfernun-gen der einzelnen Objekte angegeben. ( h ≅ 1,5 ) Während die Geschwindigkeiten von Sternsystemen relativ leicht gemessen werden konnten, war die Bestimmung der Entfernungen mit Problemen behaftet und ist es auch heute noch. Hubble setzte verschiedene Verfahren ein, die jedoch hier nicht im Einzelnen besprochen werden sollen; die Cepheiden-Methode wurde bereits in der vergangenen Vorlesung erwähnt. Das Beobachtungsmaterial, das Hubble 1929 zur Verfügung stand, umfasste 24 Nebel und war eigentlich noch relativ dünn. Doch Hubble wagte es, die spärlichen Daten durch eine Gerade anzupassen und das nach ihm benannte Gesetz zu formulieren:

v = H0 · r Die Geschwindigkeit v, mit der sich ein Sternsystem von uns weg bewegt, ist Abb. 13.3: Das Original-Hubble-Dia-gramm. Zu jedem Punkt gehört ein astronomi-sches Objekt, dessen Ge-schwindigkeit und Entfer-nung gegeneinander auf-getragen sind.

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proportional zum Abstand des Systems r. Die in der Gleichung auftauchende Konstante H0 ist die sog. Hubble-Konstante. Ob Hubble bei der Formulierung seines Gesetzes durch eine göttliche Eingebung inspiriert wurde oder nur teuflisches Glück gehabt hat, sei dahingestellt. Das Hubble-Gesetz wurde in der Abb. 13.4: Ein Hubble-Diagramm mit modernen Daten. Hierin sind extragalak-tische Objekte mit Ent-fernungen bis zu 400 Mpc eingetragen. ( In 13.3 geht die Skala nur bis 2 Mpc.) Folgezeit durch viele weitere Messungen glänzend bestätigt, wobei die Konstante H0 immer genauer bestimmt werden konnte. Ihr derzeitiger Wert liegt bei 70 km/(s Mpc). Was kann man nun aus diesem Gesetz lernen? Zunächst einmal, dass sich das Universum mit der Zeit verändert, dass es also nicht statisch ist. Alle Galaxien bewegen sich von uns weg und führen eine ganz geordnete Bewegung aus. Doch warum gerade von uns? Die zwangloseste Erklärung für das Hubble-Gesetz ist die Expansion des Universums. Eine solche Expansion kann man veranschaulichen, indem man die Bewegung von Punkten auf der Oberfläche eines Luftballons verfolgt, während man ihn aufbläst (siehe Abb. 13.5). Dabei sieht man: Alle Punkte entfernen sich von allen anderen, kein Punkt ist ausgezeichnet. Das heißt, auch wenn wir sehen, dass alle Sternsysteme sich von uns entfernen, so sind wir doch in keiner Weise ausgezeichnet. Ein Beobachter auf irgendeiner anderen Galaxie würde genauso beobachten, dass alle anderen sich von ihm erntfernen. Ferner kann man am Beispiel des Luftballons sehen, dass sich die Punkte von einem Beobachtungspunkt umso schneller fortbewegen, je weiter sie von diesem entfernt sind.

Abb. 13.5: Aufblasen eines Luftballons mit Punkten

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13.4 Das Alter des Universums Das Hubblesche Gesetz war der erste Hinweis darauf, dass sich das Universum verändert, expandiert. Da kommen natürlich gleich viele andere Fragen auf. Wann hat das Universum angefangen? Welche Kraft treibt das Universum zur Expansion? Hat es sich schon immer mit der heute beobachteten Geschwindigkeit bewegt? Wohin entwickelt sich unser Universum? Wir wollen heute nur einen Teil dieser Fragen beantworten. Zunächst wollen wir die Bedeutung der Hubble-Konstanten H0 untersuchen. Wir wollen annehmen, das obige Gesetz habe während der ganzen "Lebenszeit" des Universums gegolten. Dann liest man aus der Gleichung ab, dass vor einer Zeit to=1/ H0, auch Hubble Zeit genannt, die Abstände aller Sterne gleich Null gewesen sind. Das muss der Anfang des Universums gewesen sein. Dann hätte die Hubble Zeit die Bedeutung des Weltalters. Auch wenn das Argument etwas komplizierter ist, erhält man doch aus der Hubble Konstante einen recht guten Wert für das Alter unseres Universums:

Alter des Universums ≈ 14 Milliarden Jahre Es ist wichtig, dass man sich diese Zahl einprägt, genau wie das Alter von etwa 5 Mil-liarden Jahren für unseres Planetensystem.

13.5 Welche Kräfte stecken hinter der Expansion? Darüber wissen wir noch wenig. Am Anfang, Urknall oder Big Bang genannt, war das Universum auf ein kleines Volumen zusammengeballt. Was trieb es auseinander? Bei einer Explosion auf der Erde sind es Kräfte, die durch die Verbrennung chemischer Substanzen entstehen. Die Kräfte, die am Anfang des Urknalls standen, kennen wir noch nicht. Sie scheinen sehr, sehr groß gewesen zu sein, so dass das Universum am Anfang (im ersten Bruchteil einer Sekunde seiner Existenz) sehr viel schneller expandierte als heute. Man spricht von inflationärer Expansion. Sie wurde dann langsamer. Lange Zeit glaubte man, dass die Expansion auch durch die anziehenden Gravitationskräfte der Materie im Universum abgebremst würde, vielleicht so stark, dass das Universum wieder "umkehren" würde, also in sich zusammenfallen würde. Heutige Messungen deuten eher auf das Gegenteil hin, nämlich dass die Expansion schneller wird. Das ist nun aber gar nicht verständlich. Eine kosmologische Konstante, die damals Einstein eingeführt hatte, die aber jetzt einen anderen Wert hätte, weil sie ja nicht ein statisches, sondern ein beschleunigt expandierendes System beschreiben soll, könnte die Daten beschreiben. Aber die Physik ist damit noch nicht verstanden.

13.6 Biographie: Edwin P. Hubble (1889 – 1953)

Hubble wurde ebenso wie Shapley in Missouri geboren. Sein Vater war Versicherungsvertreter, der seine vielköpfige Familie gut ernähren und den Kindern eine solide Ausbildung zukommen lassen konnte. Da der Vater häufig unterwegs war, lebte die Familie in der Nähe der Großeltern. Der

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Großvater war Arzt und Hobbyastronom, wodurch der junge Edwin schon früh mit der Astronomie in Berührung kam. Es war eine Liebe auf den ersten Blick, die ihn sein ganzes Leben lang nicht wieder losließ. Später zog die Familie in die Nähe von Chicago, wo Edwin die Highschool besuchte. Obwohl er sich nicht sonderlich am Unterricht beteiligte, war er ein sehr guter Schüler und ein hervorragender Sportler, so dass er mit dem Abschluss im Jahre 1906 ein Stipendium für die Universität Chicago erhielt. Mit 16 Jahren begann er dort seine Studien in Mathematik und Naturwissenschaften, aber auch in Englisch und Latein. Außerdem war er als Sportler in den verschiedensten Gebieten aktiv und sehr erfolgreich. Aber immer noch hatte er nur einen Gedanken im Kopf, nämlich Astronom zu werden. Er bewarb sich um ein Rhodes Stipendium, das an drei Punkte geknüpft war: eine wissenschaftliche Prüfung, große Sportlichkeit und untadeligen Charakter. Obwohl es beim 3. Punkt kleine Bedenken gab, erhielt er auf Fürsprache seine Lehrers Millikan das Stipendium und ging 1910 nach England. Dort begann er am Queens College in Oxford – wohl auf Wunsch seines Vaters Jura und internationales Recht zu studieren, obwohl seine ganze Liebe weiterhin der Astronomie galt. Er legte sich einen britischen Akzent zu und begann mit dem Pfeifenrauchen, was zeitlebens ein Markenzeichen für ihn wurde. In Jura machte er ein Zwischenexamen und beschäftigte sich danach mit Literatur und Spanisch. Außerdem reiste er gern, u.a. nach Deutschland. Dort gefielen ihn insbesondere die Stadt Berlin und die Frauen in Kiel. 1913 kehrte er zu seiner Familie in die USA zurück. Der Vater war inzwischen verstorben und der Rest der Familie nach Kentucky umgezogen. Dort unterrichtete Edwin für eine gewisse Zeit an einer Highschool Spanisch und Physik, bis die Astronomie ihn wieder einholte. Er bewarb sich 1914 um eine Doktorandenstelle in Chicago und erhielt eine Zusage am Yerkes Observatorium, wo er durch Stipendien seine Doktorarbeit finanzieren konnte. Schon bald traf er Vesto Slipher, der die ersten gelungenen Spektralfotos von Nebeln vorstellte. Er selbst fertigte eine Arbeit über die "fotographische Untersuchung lichtschwacher Nebel" an und schloss 1917 mit der Promotion ab. Schon ein Jahr zuvor war ihm für die Zeit nach seiner Promotion von George Ellery Hale eine Stelle am neuen 2,5 m Spiegelteleskop auf dem Mount Wilson angeboten worden. Doch Hubble sagte ab, da er zunächst dem Vaterland dienen und in den Krieg gegen die Deutschen ziehen wollte. Gott sei Dank war der erste Weltkrieg eher beendet als Hubble die Front erreicht hatte, so dass dieses Kapitel schnell vorüber war. Ein neues konnte dann 1919 auf dem Mount Wilson beginnen, wo ihm Hale die Stelle freigehalten hatte. Hubble begann seine Arbeiten am 2,5 m Hooker-Teleskop, er untersuchte weiterhin Nebel. Als erstes gelang ihm eine Unterscheidung zwischen galaktischen und extragalaktischen Nebeln, und 1924 konnte er die Entfernung des Andromedanebels bestimmen. Außerdem heiratete Hubble in diesem Jahr die schöne Grace Burk Leib, die ihren Mann über alles verehrte. Auch nach seinem Tod ließ sie keinerlei Kritik aufkommen. Sie war vielmehr allzeit bemüht, um den großen Mann ein Gebäude aus Mythen und Legenden zu erbauen, aus denen sich bis heute einige ebenso nette wie unwahre Anekdoten gehalten haben. 1928 waren für 24 Nebel die Entfernungen und Geschwindigkeiten bekannt. Hieran hatten Vesto Slipher, der 1917 schon 25 Nebelspektren gemessen hatte, und Milton Humason, der Nachtassistent Hubbles, großen Anteil. Ein Jahr später erschien Hubbles

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berühmte Arbeit: "Eine Beziehung zwischen Entfernung und Radialgeschwindigkeit von extragalaktischen Nebeln". Von besonderer Bedeutung ist hierin das Gesetz zwischen der Geschwindigkeit und dem Abstand von Galaxien, aus dem sich die Idee des expandierenden Universums ergab. Diese Arbeit ist wohl die bedeutendste astrono-mische Arbeit des 20. Jahrhunderts. Mitte der 30er Jahre waren die Grenzen des Hooker Teleskops erreicht, und ein größeres Teleskop auf dem Mount Palomar wurde geplant. Obwohl Hubble an der Planung beteiligt war, wurde er später nicht zum Direktor des "Astronomischen Zentrums der Welt" ernannt. Hierüber war er sehr enttäuscht, setzte jedoch ab 1948 seine Galaxienforschung am 425 t schweren 5 m Spiegel-Teleskop, das für ½ Jahrhundert das größte funktionstüchtige Teleskop der Welt war, fort. Doch schon 1949 erlitt er einen schweren Herzinfarkt, von dem er sich noch einmal erholte. 1953 starb er dann an einem Gehirnschlag. Es gab keine Begräbnisfeier; seine Frau Grace ließ den Leichnam ihres Mannes nach seinem Willen verbrennen und setzte die Urne an einem unbekannten Ort bei. Quellen: 1. Thomas Bührke: Sternstunden der Astronomie – Von Kopernikus bis Oppenheimer,

Verlag C.H. Beck, München 2. http.//home.t-online.de/home/m.holl/hubble.htm 3. http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/Mathematicians/Hubble.html