11 · sowie Rangierschränke, in denen die Sig-naleingänge aus dem Feld zu den Trenn-stufen...
Transcript of 11 · sowie Rangierschränke, in denen die Sig-naleingänge aus dem Feld zu den Trenn-stufen...
19098
11november
2011
Wärmetauscher:Dichtigkeit vorbeugend messen
Pumpen:Schonende Förderung in der Lebensmittelindustrie
Instandhaltung:Industrielle Großanlagen auf dem Prüfstand
Top-Thema:Automatisierung/Prozessleittechnik
echte Teamarbeit:Fuzzy engineering – mit System gegen das Chaos
www.industrie-service.de
Autor: Dr. Thomas Schmidt, Redaktionsbüro für Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, Mülheim an der Ruhr
Echte Team-ArbeitFuzzy Engineering – mit System gegen das Chaos
Thomas Schmidt
Die World-scale-Düngemittelpro-
duktion der Sorfert Algérie in
Arzew, etwa 350 km westlich der
algerischen Hauptstadt Algier,
steht kurz vor der Inbetriebnahme.
Der riesige Komplex umfasst
zahlreiche Hilfs- und Nebenanla-
gen, darunter Lager- und Versand-
einrichtungen. Welche Herausfor-
derungen speziell die Automatisie-
rung einer solchen Großanlage an
die Ingenieure stellt, beschreibt
dieser Beitrag.
Bei rund 1,1 Mrd. Euro liegt das Gesamt-In-vestitionsvolumen für das Sorfert-Projekt in Algerien. Ein aufgrund des Volumens histo-rischer Auftrag auch für den Anlagenbauer Thyssen Krupp Uhde. Der Dortmunder An-lagenbauer verantwortet Engineering, Be-schaffung, Montageüberwachung und In-betriebnahme für die Anlage, die bald jähr-lich bis zu 1,1 Mio. t Harnstoff und zusätz-lich 750 000 t Ammoniak produzieren soll.
„Ein solches Großprojekt ist eine globale Aufgabe. Es lässt sich nicht mehr linear pla-nen und umsetzen. Wir können nicht war-ten, bis alle Anforderungen eindeutig defi-niert sind, bis alle Pläne gezeichnet und ge-nehmigt sind“, erklärt Thomas Martin, Head of Automation Systems Group Engineering bei Thyssen Krupp Uhde. Vielmehr werden das Engineering und damit auch die Auto-matisierung zu einem iterativen Prozess. Die Planungsphase beginnt – erfahrungsge-stützt – mit einer ungefähren Vorstellung von der Anlagenstruktur und wird nach und nach immer konkreter.
Auch während der Umsetzung sind Än-derungen oder Anpassungen an der Tages-ordnung. „Fuzzy Engineering“ nennt Tho-mas Martin das, also das Arbeiten mit un-
scharfen Randbedingungen: Nicht in erster Linie die Hardware, sondern ein integrierter Workflow und die unterstützenden Engi-neering-Leistungen der Partner entschei-den über Erfolg oder Misserfolg.
„Hoch dynamische Großprojekte zuver-lässig und zügig abzuwickeln, erfordert ein eingespieltes Netzwerk von flexiblen, kom-petenten Partnern“, betont Martin. Für die Automatisierung in Arzew sind dies die Yo-kogawa Deutschland GmbH und ihre Zu-lieferer, zu denen der Schaltschrankbauer und Trennstufenhersteller R. Stahl Schalt-geräte GmbH gehört. Sowohl Thyssen Krupp Uhde als auch Yokogawa und R. Stahl arbeiten ihrerseits mit weiteren Partnern und Lieferanten zusammen.
Teamleistung Automatisierung
Einen Eindruck von der Komplexität der Ge-samtanlage gibt bereits ein schematischer Übersichtsplan der Automatisierungstech-nik. Insgesamt mehr als 7000 E/A-Signale verarbeitet das Prozess- und Produktions-leitsystem vom Typ Centum VP R4.01, fast 3000 Signale die integrierte sicherheitsge-richtete Steuerung Prosafe-RS R2.02. Das
34 VERFAHRENSTECHNIK 11/2011
Bil
dqu
elle
: Kia
m S
oon
Jon
g, F
otol
ia
Wie wichtig optimierte Arbeitsabläufe sind, wird am Beispiel des „Loop Check“ klar. Dieser läuft zweistufig ab, erfordert daher ein koordiniertes Vorgehen verschiedener Teams, verteilt aber die Aufgaben dafür auf ein größeres Zeitfenster. Schon bei der Montage wird geprüft, ob Signale korrekt zum Leitsystem übertragen werden. Mon-tagefehler werden so frühzeitig erkannt und direkt behoben. Bei der Inbetriebnahme folgt dann nur noch die Funktionsprüfung, bei der die logische Verarbeitung der Si-gnale im Mittelpunkt steht.
Relativ zeitaufwändig ist auch eine opti-male Gestaltung der Prozessgrafiken. Die Bedienmannschaft von Sorfert verbrachte mehrere Wochen in der Zentrale von Yoko-
Gesamtsystem verfügt über 16 PNKs (pro-zessnahe Komponenten) und 13 S-SPS-Ein-heiten sowie insgesamt 35 Anzeige-, Bedien- sowie Engineering-Konsolen (ABK). Für das Plant Asset Management wird der Plant Res-source Manager R3.03 eingesetzt.
„Auch diese Konfiguration hat sich end-gültig erst im Laufe des Projekts entwickelt“, erläutert Nanjappan Elango, Head of Integ-ration Engineering bei Yokogawa und Pro-jektleiter Automatisierung für das alge-rische Großprojekt. Dabei hat sich zwar das grundsätzliche Layout der Automatisierung nicht wesentlich verändert. „Dennoch verging kaum ein Tag, ohne dass wir an ir-gendeiner Stelle nacharbeiten mussten – Flexibilität war der entscheidende Erfolgs-faktor“, erzählt Elango. Das betraf zum Bei-spiel die Aggregate der Pumpstation zur Versorgung des Produktionskomplexes mit Meerwasser. Diese sollten zunächst eine ei-gene Steuerung erhalten und wurden erst später in das Gesamt-Automatisierungs-konzept eingebunden.
„Auch wenn die damit verbundenen Vor-teile – einheitliche und integrierte Überwa-chung und Bedienung – auf der Hand liegen, müssen wir in solchen Fällen stets zunächst den Betreiber überzeugen“, berichtet Martin. „Natürlich muss es dann auch genügend Re-serven im Automatisierungssystem geben, um solche Änderungen schnell und im Kos-tenrahmen umsetzen zu können. In dieser Beziehung haben wir im Verlauf der Projekte in den vergangenen 20 Jahren ein gemein-sames Verständnis mit Yokogawa entwickelt, das die Zusammenarbeit sehr erleichtert“, unterstreicht er. Martin erwartet, dass seine Partner einen realistischen Änderungsauf-wand von Anfang an mit einkalkulieren: „Wir wissen ja, dass fast nichts exakt so gebaut wird, wie es anfangs einmal geplant war“.
VERFAHRENSTECHNIK 11/2011 35
TITEl I top-thema
Uhde – Yokogawa – Stahl: partner in einem komplexen, internationalen projektnetzwerk
gawa Deutschland in Ratingen, um dort ge-meinsam mit den Yokogawa-Experten diese Grafiken auf die Anforderungen vor Ort ab-zustimmen. „Das ist ein wesentlicher Schritt, damit der Kunde später optimal ar-beiten kann“, erklärt Elango. Dabei setzt Yo-kogawa spezifische Kundenwünsche um, hinterfragt aber auch kritisch den individu-ellen Nutzen der Änderungen und bietet gegebenenfalls Alternativen an.
„Hier geht es um mehr als nur Farben oder Symbolgrößen auf dem Bildschirm“, sagt Elan-go. Schnelle Auffassungsgabe, Prozessver-ständnis und Kompromissfähigkeit sind we-sentliche Erfolgsfaktoren, gerade dann, wenn Menschen unterschiedlicher Kulturkreise oder Muttersprachen zusammenarbeiten.
Stahl-mitarbeiter horst Wiwiorra verdrahtet
einen der Schaltschränke
36 VERFAHRENSTECHNIK 11/2011
Aus Plänen wird Realität
Sobald Konzepte und Pläne umgesetzt wer-den, sind der Unschärfe natürlich Grenzen gesetzt. Dennoch ist auch hier die Flexibili-tät nach wie vor gefordert. Das wird z. B. beim Bau der insgesamt 131 Schaltschrän-ke deutlich, die in vier verschiedenen Grundausführungen benötigt wurden. Ne-ben den Schränken für Leit- und Sicher-heitssystem sind dies solche für Netzwerk-komponenten und die Energieversorgung sowie Rangierschränke, in denen die Sig-naleingänge aus dem Feld zu den Trenn-stufen geführt werden. „Nachdem wir den Auftrag erhalten hatten, mussten innerhalb von nur zwei Wochen Prototypen zur Ab-nahme bereitstehen“, erklärt Reiner Otter-bach, Vertriebsleiter Automatisierung Eur-
opa bei R. Stahl. Im Rahmen dieser Abnah-me wurden die Abmessungen der Rangier-schränke nochmals angepasst. Sie sollten 20 cm tiefer werden, damit alle Komponen-ten leicht zugänglich sind.
Alle Schränke einschließlich der mit Trennstufen ausgerüsteten, optimierten
Rangierschränke wurden dann in einer Re-kordzeit von weniger als zehn Wochen ge-baut, bestückt, verdrahtet und geprüft. „Wir schätzen Stahl als zuverlässigen und erfah-
Schaltschränke für das Sorfert-projekt: ein Großauftrag für die R. Stahl Schaltgeräte Gmbh, Waldenburg
Bil
d: S
tahl
renen Partner, der bestens mit unseren An-forderungen vertraut ist und diese in hervor-ragender Qualität umsetzt“, beschreibt Elan-go das Verhältnis zu seinem Lieferanten. Dass Stahl nicht nur Schränke baut, sondern auch Trennstufen liefert und diese – wie auch die Netzteile und weitere Komponen-ten – fertig montiert, birgt weitere Vorteile: Die Komplexität der Fertigung sinkt, unnöti-ge Schnittstellen werden vermieden.
Wie sehr Initiative der Partner zum Pro-jekterfolg beiträgt, zeigt der Fall einer Trennstufe, die für den Betrieb eines spezi-ellen eigensicheren Magnetventils neu ent-wickelt werden musste. „Entwicklung, Fer-tigungseinführung und speziell die zeitauf-wändige Atex-Zertifizierung können durch-aus bis zu zwei Jahre beanspruchen. Dank unseres intensiven Engagements haben wir das jedoch in vier Monaten geschafft“, er-klärt Otterbach nicht ohne Stolz.
Fazit
Um Großprojekte wie das in Arzew abzuwi-ckeln, müssen alle Akteure an einem Strang ziehen. „Vertrauen und Fairness sind zent-rale Erfolgsfaktoren. Es hilft nicht, auf Ver-träge zu pochen oder sich ungerecht behan-delt zu fühlen. Am Schluss müssen wir alle gemeinsam etwas abliefern, das funktio-niert“, zeigt sich Martin überzeugt. Um kri-tische Fragen zu klären, bevorzugt er das persönliche Gespräch, auch wenn das bei einer globalen Zusammenarbeit nicht im-mer einfach ist. Elango betont: „Solch ein ‚Wir-Gefühl‘ entsteht nicht von heute auf morgen. Jahrelange Zusammenarbeit wie mit dem Auftraggeber Uhde oder dem Lie-feranten Stahl begründet eine Tradition, die sich auch auf neue Mitarbeiter überträgt und so Kontinuität schafft.“SPS, Halle 7, Stand 170
yokogawa 35415150 www.vfv1.de/35415150
top-thema I T ITEl
Weitere Informationen 36166770 www.vfv1.de/36166770
Vertrauen und Fairness sind zentrale Erfolgsfaktoren bei
solchen Großprojekten