1 Erziehung in islamischen Familien – Werteauffassungen im interkulturellen Vergleich PD Dr....
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Erziehung in islamischen Familien – Erziehung in islamischen Familien – Werteauffassungen im interkulturellen VergleichWerteauffassungen im interkulturellen Vergleich
PD Dr. Haci-Halil UslucanPD Dr. Haci-Halil Uslucan
Allgemeine Psychologie Allgemeine Psychologie
Universität PotsdamUniversität Potsdam
Kontakt: [email protected]: [email protected]
Vortrag beim Paritätischem Bildungswerk am 28.11.2007 in Berlin
2
Werteerziehung in islamischen Familien
1. Theoretische Einführung in die Erziehungspsychologie
2. Studie: Erziehung in interkulturellen Kontexten
3. Werteerziehung und Religion: Familie als Ort der religiösen Wertevermittlung
4. Welche Implikationen sind bei einer islamischen Erziehung für die kindliche Entwicklung von Jungen und Mädchen zu erwarten?
3
Unsere Wahrnehmung des Fremden/der Fremden
Bitte lesen Sie den folgenden Text zeilenweise von links nach rechts. Lesen Sie so schnell wie möglich und ohne Notizen zu machen.
Gmeäss eienr Stduie von eienr elgnihscen Unveirtsiät mahct es nihcts aus, in weclher Rihenefgole die Bhcusbaten in eniem Wrot agnoerdent snid, das enizig wigitche ist, dass der estre und lztete Bhcusbate am rchitiegn Paltz snid.
Der Rset knan ein vllöiegs Druhecniadenr sein, man knan es imemr ncoh perlolmobs leesn.
Deis pasesirt, weil wir nchit jeedn Bchutsaben ezinlenn, sndoren das gnzae Wort lseen.
Nciht sheclhct, oedr?
44
Erziehungsziele
in den 1950er bis 1970er Jahren
• Gehorsam• Ehrlichkeit• Ordnung• Hilfsbereitschaft• Reinlichkeit• Verträglichkeit• gute Manieren• Fehlen von Opposition
ab den 1980er Jahren
• Selbständigkeit• Selbstbewusstsein• Selbstverantwortlichkeit• Kritikfähigkeit• Zuverlässigkeit• Hilfsbereitschaft
Quelle: Sturzbecher, D. & Waltz, C. (1998). Erziehungsziele und Erwartungen in der Kinderbetreuung. In D. Sturzbecher (Hrsg.), Kinderbetreuung in Deutschland(S. 86-104). Freiburg i.Br.: Lambertus.
55
Veränderte Rahmenbedingungen familiärer Erziehung
(für Einheimische sowie für Migrantenfamilien)
• Struktureller Wandel
der Haushaltsformen
• Veränderte Wert- und
Erziehungsmuster
• Prekäre Bedingungen
der innerfamiliären Beziehungsgestaltung
66
Elterliche ErziehungsmusterElterliche Erziehungsmuster(Typologie vom Maccoby & Martin, 1983; in Anlehnung an (Typologie vom Maccoby & Martin, 1983; in Anlehnung an
Baumrind, 1983)Baumrind, 1983)
• Autoritativer Erziehungsstil
• Autoritärer Erziehungsstil
• Nachgiebiger Erziehungsstil Erziehungsstil „Laisser-faire“„Laisser-faire“
• Ablehnend-vernachlässigender Erziehungsstil
Emotionale Unterstützung/Wärme
++
_
_
Anf
orde
rung
/Kon
trol
le
7
Konvergenzder Forschungsbefunde
Erziehungskompetente
Eltern haben
kompetente Kinder!
88
Entwicklungsfolgen für Kinder
Kinder ... zeigen Kognitive Selbstwirk- Prosoziales Problem- Kompetenz samkeit verhalten verhalten
vernachlässigender Eltern
nachgiebiger Eltern
autoritärer Eltern
autoritativer Eltern
höchstes
dritthöchste
zweithöchste
niedrigstes
niedrigste
mittlere
mittlere
höchste
niedrigste
mittlere
mittlere
höchste
niedrigstes
mittleres
mittleres
höchstes
Quelle: Baumrind, D. (1989). Rearing competent children. In W. Damon (Ed.), Child development today and tommorrow (pp. 349-378). San Francisco: Jossey-Bass.
99
Eigene StudieEigene Studie
• Elterlicher Erziehungsstil stellt einen bedeutsamen Elterlicher Erziehungsstil stellt einen bedeutsamen Prädiktor für die Persönlichkeitsentwicklung von Prädiktor für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen dar.Kindern und Jugendlichen dar.
• Kultureller Kontext eine der wesentlichen Kultureller Kontext eine der wesentlichen Determinanten erzieherischer Erwartungen und Determinanten erzieherischer Erwartungen und Haltungen (Haltungen (Darling & Steinberg, 1993)Darling & Steinberg, 1993)..
• Hohe Anomieerfahrungen türkischer Migranten: Die Hohe Anomieerfahrungen türkischer Migranten: Die deutsche Gesellschaft wird vielfach als ungeordnet, deutsche Gesellschaft wird vielfach als ungeordnet, und das soziale Leben als diffus und undurchsichtig und das soziale Leben als diffus und undurchsichtig erlebt (Uslucan, 2005.) erlebt (Uslucan, 2005.)
• Diese Verunsicherungen haben Auswirkungen auf die Diese Verunsicherungen haben Auswirkungen auf die Erziehung und Sozialisation von Migrantenkinder und Erziehung und Sozialisation von Migrantenkinder und -jugendliche.-jugendliche.
1010
• Familien türkischer Herkunft in der Familien türkischer Herkunft in der Aufnahmegesellschaft vielfach einen stärker Aufnahmegesellschaft vielfach einen stärker behütenden und kontrollierenden Erziehungsstil als behütenden und kontrollierenden Erziehungsstil als deutsche Familien und auch Familien in der Türkei deutsche Familien und auch Familien in der Türkei (Nauck, 1990).(Nauck, 1990).
• Mit zunehmender Aufenthaltsdauer eine eher an Mit zunehmender Aufenthaltsdauer eine eher an Deutschen orientierte Autonomiebestrebung Deutschen orientierte Autonomiebestrebung JugendlicherJugendlicher
• Konflikte gegenüber den stärker kollektivistischen Konflikte gegenüber den stärker kollektivistischen Orientierungen der Familie.Orientierungen der Familie.
Eigene StudieEigene Studie
1111
Eigene StudieEigene Studie
• Intensivere Akkulturation der Kinder Intensivere Akkulturation der Kinder
• Wahrgenommene Entfernung von den Werten der Wahrgenommene Entfernung von den Werten der HerkunftskulturHerkunftskultur
• Spannungen im erzieherischen Kontext.Spannungen im erzieherischen Kontext.
• Verstärkte Disziplinierung der Kinder und der Erinnerung Verstärkte Disziplinierung der Kinder und der Erinnerung an eigenkulturelle Verhaltensweisen.an eigenkulturelle Verhaltensweisen.
1212
FragestellungenFragestellungen
• Welche Unterschiede lassen sich im konkreten Welche Unterschiede lassen sich im konkreten Erziehungsverhalten türkischer und deutscher Eltern Erziehungsverhalten türkischer und deutscher Eltern identifizieren?identifizieren?
• Welche Unterschiede zeigen sich bei türkischen und Welche Unterschiede zeigen sich bei türkischen und deutschen Jugendlichen in der Erfahrung des deutschen Jugendlichen in der Erfahrung des elterlichen Erziehungsverhaltens?elterlichen Erziehungsverhaltens?
• Inwiefern gibt es eine Übereinstimmung zwischen Inwiefern gibt es eine Übereinstimmung zwischen elterlichen Erziehungsstilen und den Perzeptionen elterlichen Erziehungsstilen und den Perzeptionen Jugendlicher im ethnischen Vergleich?Jugendlicher im ethnischen Vergleich?
• Welche erzieherischen Allianzen zwischen den Eltern Welche erzieherischen Allianzen zwischen den Eltern lassen sich im ethnischen Vergleich identifizieren?lassen sich im ethnischen Vergleich identifizieren?
1313
StichprobenkennzeichnungStichprobenkennzeichnung
304
214
Deutsche
Türken
• Rekrutierungskontext:
Berliner Oberschulen in den Bezirken Neukölln, Kreuzberg, Charlottenburg und Steglitz-Zehlendorf
1414
Stichprobenkennzeichnung: SchülerStichprobenkennzeichnung: Schüler
Deutsche Türken
Altersdurchschnitt 13.6 (SD .67) 13.94 (SD .63)
Geschlechtsspezifische Zusammensetzung
53 % männl. 47 % weibl.
45 % männl. 55 % weibl.
Bildungshintergrund
Hauptschule 17.8 % 23.8 %
Realschule 10.8 % 41.6 %
Gesamtschule 22.4 % 3.7 %
Gymnasium 49.0 % 30.8 %
1515
Stichprobenkennzeichnung: ElternStichprobenkennzeichnung: Eltern
Deutsche Türken
Gesamt 412 239
Zusammensetzung der Eltern
225 Mütter (M) 187 Väter (V).
131 Mütter (M) 108 Väter (V).
Altersdurchschnitt der Eltern
43.18 (SD 5.35) M 46.0 (SD 6.94) V
38.23 (SD 4.88) M 41.86 (SD 5.90) V
Durchschnittliche Kinderzahl
2.21 (SD 1.04)
3.26 (SD 1.22)
1616
Stichprobenkennzeichnung: Stichprobenkennzeichnung: Bildungshintergrund der ElternBildungshintergrund der Eltern
0
10
20
30
40
50
60
An
ga
be
n in
Pro
ze
nte
Deutsche Mütter
Deutsche Väter
Türk. Mütter
Türk. Väter
1717
Aufenthaltsdauer türkischer Eltern in Aufenthaltsdauer türkischer Eltern in Deutschland Deutschland (Angaben in Jahren bis zum Zeitpunkt der (Angaben in Jahren bis zum Zeitpunkt der
Befragung im Sommer 2003)Befragung im Sommer 2003)
Mütter Väter
N 129 103
Minimum 4 7
Maximum 39 38
Mittelwert 21.48 24.93
Standardabweichung 6.91 6.17
1818
Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), Signifikanzen (p) und Effektstärken (d) im ethnischen Vergleich:
Elternsicht
Türken Deutsche
(N = 129) (N = 226)
Variablen M SD M SD p d
Aggressive Strenge (M) 1.74 .61 1.58 .44 .00 .30
Unterstützung (M) 4.17 .67 4.25 .44 .19 -.14
Verhaltensdisziplin (M) 3.71 .77 2.68 .62 .00 1.48
Inkonsistenz (M) 2.04 .62 1.75 .49 .00 .52
Aggressive Strenge (V) 1.75 .63 1.57 .50 .01 .32
Unterstützung (V) 3.90 .66 4.01 .53 .13 -.17
Verhaltensdisziplin (V) 3.59 .75 2.69 .64 .00 1.51
Inkonsistenz (V) 2.06 .63 1.83 .58 .00 .38
Ergebnisse
1919
Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), Signifikanzen (p) und Effektstärken (d) im ethnischen Vergleich:
Jugendlichensicht
Türken Deutsche
(N = 207) (N = 298)
Variablen M SD M SD p d
Aggressive Strenge (M) 1.76 .62 1.63 .61 .02 .21
Unterstützung (M) 3.77 .80 3.68 .79 .23 .11
Verhaltensdisziplin (M) 3.52 .76 2.72 .73 .00 1.07
Inkonsistenz (M) 1.89 .64 1.80 .62 .12 .14
Aggressive Strenge (V) 1.69 .60 1.59 .66 .10 .16
Unterstützung (V) 3.47 .84 3.39 .93 .32 .09
Verhaltensdisziplin (V) 3.39 .87 2.52 .82 .00 1.58
Inkonsistenz (V) 1.82 .63 1.66 .65 .01 .25
Ergebnisse
2020
Elterliche Erziehungsstile in Abhängigkeit des Bildungshintergrundes
(Hauptschule als höchster Bildungsabschluß)
Mittelwerte und Standardabweichungen
Türkische Eltern Deutsche Eltern
Variablen N M SD N M SD F p
Aggressive Strenge (M) 33 1.67 .54 46 1.86 .54 2.44 .12
Unterstützung (M) 35 4.22 .70 47 4.11 .47 .82 .36
Verhaltensdisziplin (M) 36 3.51 .83 46 3.00 .52 11.74 .00
Inkonsistenz (M) 32 1.94 .48 44 2.03 .55 .60 .43
Aggressive Strenge (V) 32 1.77 .73 36 1.80 .69 .32 .86
Unterstützung (V) 30 3.97 .63 38 3.95 .60 .00 .92
Verhaltensdisziplin (V) 36 3.83 .68 38 3.09 .66 22.0 .00
Inkonsistenz (V) 34 2.11 .61 37 2.08 .74 .02 .88
2121
Geschlechtsspezifische Ausrichtung elterlicher Erziehungsstile
(Türkische Eltern)
Mittelwerte und Standardabweichungen
Mädchen Jungen
Variablen M SD M SD F p
Aggressive Strenge (M) 1.67 .60 1.87 .60 3.45 .06
Unterstützung (M) 4.29 .57 3.97 .79 7.21 .00
Verhaltensdisziplin (M) 3.68 .75 3.76 .79 .37 .54
Inkonsistenz (M) 2.04 .61 2.06 .64 .01 .91
Aggressive Strenge (V) 1.63 .60 1.93 .64 6.11 .01
Unterstützung (V) 4.07 .64 3.65 .63 11.22 .00
Verhaltensdisziplin (V) 3.71 .66 3.43 .85 3.98 .04
Inkonsistenz (V) 2.05 .63 2.06 .65 .01 .90
2222
Geschlechtsspezifische Ausrichtung elterlicher Erziehungsstile
(Deutsche Eltern)
Mittelwerte und Standardabweichungen
Mädchen Jungen
Variablen M SD M SD F p
Aggressive Strenge (M) 1.54 .45 1.61 .43 1.38 .24
Unterstützung (M) 4.30 .40 4.20 .47 2.61 .10
Verhaltensdisziplin (M) 2.52 .61 2.79 .59 11.20 .00
Inkonsistenz (M) 1.73 .53 1.77 .47 .42 .51
Aggressive Strenge (V) 1.48 .41 1.66 .57 5.85 .01
Unterstützung (V) 4.04 .48 3.97 .56 .89 .34
Verhaltensdisziplin (V) 2.62 .64 2.73 .62 1.39 .23
Inkonsistenz (V) 1.80 .57 1.85 .60 .33 .56
2323
Geschlechtsspezifische Wahrnehmung der elterlichen Erziehungsstile
(Türkische Jugendliche)
Mittelwerte und Standardabweichungen
Mädchen Jungen
Variablen M SD M SD F p
Aggressive Strenge (M) 1.77 .63 1.74 .60 .15 .69
Unterstützung (M) 3.86 .79 3.65 .81 3.50 .06
Verhaltensdisziplin (M) 3.41 .75 3.65 .77 5.00 .02
Inkonsistenz (M) 1.90 .66 1.87 .60 .11 .73
Aggressive Strenge (V) 1.63 .62 1.75 .58 1.94 .16
Unterstützung (V) 3.47 .89 3.48 .78 .00 .93
Verhaltensdisziplin (V) 3.22 .89 3.60 .81 9.49 .00
Inkonsistenz (V) 1.76 .62 1.89 .63 2.06 .15
2424
Geschlechtsspezifische Wahrnehmung der elterlichen Erziehungsstile
(Deutsche Jugendliche)
Mittelwerte und Standardabweichungen
Mädchen Jungen
Variablen M SD M SD F p
Aggressive Strenge (M) 1.59 .60 1.67 .62 1.20 .27
Unterstützung (M) 3.77 .84 3.60 .73 3.57 .06
Verhaltensdisziplin (M) 2.57 .70 2.83 .72 9.23 .00
Inkonsistenz (M) 1.77 .63 1.83 .61 .48 .48
Aggressive Strenge (V) 1.53 .67 1.63 .66 1.36 .24
Unterstützung (V) 3.40 .96 3.37 .90 .05 .81
Verhaltensdisziplin (V) 2.41 .81 2.59 .80 3.29 .07
Inkonsistenz (V) 1.62 .62 1.69 .67 .65 .41
25
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
religiöse Sozialisation in den islamischen Ländern:
vom Kontext unterstützt und zum Teil unreflektiert als eine Alltagsgewissheit übernommen
Koedukation durch das soziale Umfeld
In der Migrationssituation fehlt der bestätigende und unterstützende Kontext: gezielte islamische Erziehung erforderlich
Schiffauer (1991): „Islamisierung des Selbst“,
Reflexivierung des Islam
26
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
In der Migration: eigene religiöse Gemeinde nicht vorgegeben, sondern kann gewählt werden.
Stärker individuelle Beschäftigung mit der Religion:
Suche nach „religiöser Wahrheit“ im Vordergrund; in Folge wird die Zugehörigkeit zum Islam eher spiritualisiert, die Bildung von religiösen „Intensivgruppen“ eher gefördert;
Gründe der Religiosität in der Migrationssituation andere bzw. zeigen ein deutlich stärker bewusstes Moment (als in den Herkunftsorten), da sie eine scharfe Differenz zur sozialen Mitwelt markieren.
Tabelle : Religiosität der Befragten (Angaben in Prozente)
Deutsche TürkischstämmigeMigranten inDeutschland
Türken in der Türkei
Ja 38.9 83.4 91.1Bezeichnen Siesich als religiös? Nein 60.7 16.1 8.0
Ja 5.1 33.7 34.6Gehen Sieregelmäßig in dieMoschee (Kirche)? Nein 80.3 60.5 59.6
0,00
1,00
2,00
3,00
4,00
5,00
6,00
7,00
Höflichkeit Achtung v.Tradition
NationaleSicherheit
Autorität FamiliäreSicherheit
Deutsche
TürkischeMigranten
Türken
Werteausprägung
0,00
1,00
2,00
3,00
4,00
5,00
6,00
7,00
Freiheit AnregendesLeben
Reichtum Spiritualität Freundschaft
Deutsche
TürkischeMigranten
Türken
Werteausprägung
Tabelle: Herkunftsspezifische Ausprägung der Wertvorstellungen: Mittelwerte und Standardabweichungen (in Klammern) Deutsche Türkische Migranten Türken
M (SD) M (SD) M (SD)
Höflichkeit 4.80 (1.40) 5.45 (1.48) 5.17 (1.55) Achtung vor Tradition 2.76 (1.66) 4.65 (2.10)) 4.50 (2.13) Nationale Sicherheit 4.26 (1.96) 5.23 (2.21) 5.64 (1.77) Autorität 1.73 (1.78) 1.65 (2.30) 2.26 (2.37) Familiäre Sicherheit 6.32 (1.04) 6.39 (1.11) 6.24 (1.25) Freiheit 5.79 (1.30) 5.95 (1.37) 5.89 (1.40) Anregendes Leben 5.28 (1.31) 3.43 (2.33) 4.20 (2.09) Reichtum 3.00 (1.53)) 3.48 (2.09) 4.01 (1.90) Spiritualität 1.36 (2.17) 4.19 (2.45) 4.45 (2.30) Freundschaft 5.87 (1.41) 5.97 (1.24) 6.16 (1.11)
Tabelle: Wertehierarchien (Rangreihen) im Kulturvergleich
Deutsche Türkische Migranten TürkenReihenfolge
1. Familiäre Sicherheit 1. Familiäre Sicherheit 1. Familiäre Sicherheit2. Freundschaft 2. Freundschaft 2. Freiheit3. Freiheit 3. Freiheit 3. Freundschaft4. Anregendes Leben 4. Höflichkeit 4. Nationale Sicherheit5. Höflichkeit 5. Nationale Sicherheit 5. Höflichkeit6. Nationale Sicherheit 6. Achtung vor Traditionen 6. Achtung vor Traditionen7. Reichtum 7. Spiritualität 7. Spiritualität8. Achtung vor Traditionen 8. Reichtum 8. Anregendes Leben9. Autorität 9. Anregendes Leben 9. Reichtum10. Spiritualität 10. Autorität 10. Autorität
Keine signifikanten Unterschiede bei familialer Sicherheit und Freiheit; alle anderen Werte signifikant unterschiedlich
32
Werteerziehung in islamischen Familien Werteauffassungen: Differenziert nach der selbstberichteten Religiosität (Mittelwerte): Non-Relig: nicht religiös; Relig: religiös
Kulturelle Zugehörigkeit
Deutsche TürkischeMigranten
Türken
Non-Relig. Relig. Non-Relig.
Relig. Non-Relig.
Relig.
Stichprobengröße: n= 141 n= 88 n= 33 n= 168 n= 26 N= 295
Mittelwerte
Werteauffassungen
Familiäre Sicherheit 6.25 6.42 5.88 6.49 4.77 6.39
Freundschaft 5.88 5.83 5.58 6.05 5.62 6.21
Freiheit 5.83 5.72 6.18 5.90 5.54 5.93
Anregendes Leben 5.36 5.14 3.82 3.34 4.50 4.15
Höflichkeit 4.83 4.74 4.94 5.55 4.23 5.28
Nationale Sicherheit 4.35 4.09 3.00 5.68 3.28 5.87
Reichtum 3.03 2.93 2.91 3.58 3.69 4.05
Achtung vor Tradition 2.56 3.11 3.24 5.74 1.73 4.76
Autorität 1.72 1.75 0.76 1.81 1.77 2.31
Spiritualität 0.93 2.00 1.88 4.65 1.04 4.79
33
Werteerziehung in islamischen Familien
Rangreihe der Erziehungsziele türkischer Eltern (Scherberger, 1999)
ErziehungszielRangplatz
I II III IV V
Selbstständigkeit/Verantwortung
12 5 7 14 12
Lernen/Leistungsstreben 9 8 14 11 8
Gehorsam/Ordnung 8 11 17 3 11
Rücksichtnahme/Ehrfurcht 11 10 11 12 6
Religiöse Pflichterfüllung 10 16 1 10 13
Insgesamt (n = 50) 50 50 50 50 50
34
Werteerziehung in islamischen Familien
Rangreihe der Erziehungsziele deutscher Eltern (Scherberger, 1999)
Erziehungsziel Rangplatz
I II III IV V
Selbstständigkeit/Verantwortung 25 14 4 6 1
Lernen/Leistungsstreben 16 21 8 3 2
Gehorsam/Ordnung - 7 10 25 8
Rücksichtnahme/Ehrfurcht 9 8 21 7 5
Erziehung zum christlichen Glauben
- - 7 9 34
Insgesamt (n = 50) 50 50 50 50 50
35
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Familienpolitisch: muslimische und christliche (christdemokratische) Positionen in ihrem Familienbild nicht weit voneinander entfernt:
Muslime unterstützen eine Politik, die die Stärkung eines (konservativen) Familienbildes zum Ziel hat (Vgl. Rüschoff, 2002).
Wechselseitige Pflichten in der Familie:
Pflichten der Ehefrau: Schaffung eines harmonische Haushaltes, Haushaltsführung, Früherziehung und Wohlbefinden der Kinder;
Pflicht des Mannes: Bestreiten des Lebensunterhaltes
36
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Im Selbstverständnis der Muslime:
Favorisiertes Modell nicht „Familie und Beruf“, sondern „Familie statt Beruf“ aus Sicht der Frauen.
38
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:Bildungshintergrund der Eltern nicht ausreichend:
religiöse Erziehung von Koranschulen übernommen
Weitere Funktion von Koranschulen: kostengünstiges Betreuungsangebot;
Neben dem Wunsch nach religiöser Erziehung ist das Motiv der Eltern, ihre Kinder und Jugendliche durch einen Besuch der Koranschule von „schädlichen Einflüssen der Straße“ fern zu halten (Vgl. Alacacioglu, 1998).
Untersuchung von Tosun (1993) in NRW:nur 27,3 % der Befragten türkischen Eltern sah sich in der Lage, ihr Kind auch selber islamisch zu unterweisen;rund 70 % sprach für sich selbst diese Qualifikation ab.
39
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Pädagogisch bedenklich: autoritärer Unterrichtsstil und die Fixierung auf Disziplin in diesen Einrichtungen (Vgl. Aslan, 1996),
keine „Pädagogik vom Kinde“ aus;
Personal verfügt kaum über pädagogische und didaktische Fähigkeiten (Vgl. auch Marschke, 2003).
40
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Funktion von Moscheen: eigene Identität unter seinesgleichen bewahren und bestärkten;
praktizierte Religiosität auch ein Schutz vor einer Identitätskrise
In der Untersuchung von Heitmeyer, Müller und Schröder (1997) berichteten bspw. zwischen 34 % und 39 % der befragten Jugendlichen von Diskriminierungserfahrungen in Deutschland; rund zwei Drittel der Befragten bekundeten, der Islam bzw. die Zugehörigkeit zum muslimischen Religionskreis stärke ihr Selbstvertrauen.
41
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Ähnlich hohe Raten (55-61%) auch in der Studie von Boos-Nünning und Karakasoglu (2005):
Muslimische Migrantinnen: ihre Religion helfe ihnen, am Leben nicht zu verzweifeln bzw. ihr Selbstvertrauen zu stärken.
Studien zur Konversionserfahrungen zeigen: eine neue Religiosität vielfach als eine Copingstrategie, als ein Umgang mit einer Identitätskrise oder ihre Überwindung (Bucher, 2005).
42
Werteerziehung in islamischen Familien3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Gerade in der Diaspora:
Überhöhung des Islams bzw. der Religiosität angesichts migrationsbedingter erlittener Kränkungen
stärker identitätsrelevant als in der Herkunftskultur;
Religiosität wird bewusster erlebt.
Religion: bedeutsame Ordnungsfunktion.
Orientierung am Islam hilft mit Blick auf den Erziehungskontext, die in der Moderne – auch für deutsche Eltern - immer schwerer gewordene Frage nach angemessenen Erziehungsinhalten zu vermeiden bzw. zu umgehen oder sie individuell beantworten zu müssen.
Klare Regeln und Orientierung: Reduktion von Komplexität
43
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Antiintegrative Folgen dann: • strukturelle Barrieren und eine geringe Akzeptanz von
muslimische Migranten seitens der Mehrheitsbevölkerung,
andererseits:• Moscheen bzw. muslimische Vereine und Verbände - als
Reaktion darauf oder auch proaktiv-,islamzentrierte Überlegenheitsgefühle produzieren, Differenzen verstärken oder bewusst zur Kontaktmeidung mit „Heiden“ oder Christen aufrufen und eine Selbstgenügsamkeit der Muslime suggerieren.
Überzeugung, dass die eigene Gruppe im Besitz der unverrückbaren Wahrheit ist, also ein exklusiver Heilsanspruch vertreten wird, gestaltet die Ausgangssituation für einen Dialog denkbar ungünstig.
44
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Frage nach der Wirkung religiöser Sozialisation:
Angstbesetzte religiöse Sozialisation (Gott als strafende Instanz): bei sensiblen Personen auch zu einem Bruch mit der Religion (Oser, Di Loreto, & Reich, 1996), also keine Festigung der religiösen Identität, sondern eher kontraproduktive Effekte
Recht einheitlich: Belege gegen ein autoritär-strenges Erzieherverhalten:
überwiegend an Strafe orientiertes Erzieherverhalten führt nicht zur Bildung von disziplinierten Persönlichkeiten, sondern kann Kinder und Jugendliche zur Disziplinlosigkeit, Widerstand, Aggression und Gewalt sowie zu passiver Unterwerfung führen (Vgl. Hurrelmann, 1994).
45
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Frage nach der Wirkung religiöser Sozialisation:
Dagegen: Vermittlung eines Gottesbildes, bei dem Gott als eine schützende, bergende und bedingungslos liebende Macht wahrgenommen wird, selbstwertstabilisierend für Kinder sein (Grom, 1982).
46
Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Mensch eingefasst in eine umfassende Gehorsamsstruktur der Natur gegenüber Gott; wie alle Geschöpfe hat er auch im islamischen Selbstverständnis seinem Schöpfer dankbar und gehorsam zu sein.[1]
Gehorsam eine ethische Dimension, die vielen Kulturkreisen gemeinsam ist und ein essenzielles Erziehungsziel darstellt (Vgl. Uslucan & Fuhrer, 2003).
[1] Auch in der bayerischen Verfassung ist die „Ehrfurcht vor Gott“ als ein oberstes Bildungsziel formuliert (Art. 131).
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Werteerziehung in islamischen Familien
3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Inhalte islamischer Erziehung unterliegen großen Schwankungen:
einfache Frömmigkeit:
Ziel: Nachkommen in die elementaren Inhalte islamischen Lebens unterweisen (z.B. die fünf Säulen des Islam) und Rituale wie Gebetsuren, Waschungen lehren,
aber auch die Unterscheidungen zwischen dem, was „rein“ und „unrein“ ist, zu kennen.
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3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Inhalte islamischer Erziehung unterliegen großen Schwankungen:
Das andere Extrem:
fundamentalistische Positionen, die in den koranischen Inhalten sämtliches Wissen vorgeformt und kryptisch vorformuliert betrachten und sich ganz offen gegen eine (natur-)wissenschaftliche kognitive Bildung stellen.
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3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Inhalte islamischer Erziehung unterliegen großen Schwankungen:
Das andere Extrem:
Sollte sich das Kind aus einer affektiven Bindung zur religiösen Lehrperson und Identifikation mit ihr – die in frühen Jahren häufig gegeben ist - gerade diese Positionen zu eigen machen, sind aus psychologischer Sicht neben Motivationsverlusten von Kindern gegenüber schulischem, weltlichem Lernen auch mit ernsthaften Persönlichkeitsdeformationen und kognitiven Rückständen zu rechnen.
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3. Religiöse Werterziehung in islamischen Familien:
Orientierung ausschließlich an der koranischen Offenbarung:
in erster Linie an der Tradition fixiert; keine Anweisung für die Lösung moderner Alltagsprobleme, überlässt den Einzelnen hilflos der Gegenwart, die er dann nicht bewältigen kann.
rigide Fixierung auf klare erzieherische Leitsätze, die aus dem Koran abgeleitet werden: Ausdruck massiver Verunsicherung muslimischer Eltern;
Ziel: Klarheit und Orientierung, jedoch vielfach nicht zeitgemäß (bspw. Orientierung an Gehorsam).
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4. Implikationen einer islamischen Erziehung für die kindliche Entwicklung von Jungen und Mädchen
Gehorsam, elterliche Kontrolle und (Selbst)disziplinierung im islamischen Sinne zentrale Elemente in der islamischen Werteerziehung:
Erziehung eigener Kinder bei muslimischen Eltern vielfach angelehnt an ein Muster der eigenen Sozialisation.
Starke Inkonsistenzen im kindlichen Leben:
Besonders Schulkinder müssen enorme Syntheseleistungen vollbringen und eine äußerst flexible Persönlichkeit ausbilden, wenn sie in ihrem Alltag beständig mit Ideen, Regelsystemen und Weltdeutungen konfrontiert sind, die konträr zueinander sind, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben.
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4. Implikationen einer islamischen Erziehung für die kindliche Entwicklung von Jungen und Mädchen
Kritikfähigkeit und Eigenständigkeit relevante Werte, die sowohl mit Blick auf schulische Leistungen als auch Berufserfolg gegenwärtig zentrale Merkmale
Herrscht in der Familie keine Diskussions- und Streitkultur, wird der Gehorsam darüber hinaus religiös legitimiert und dadurch die Kritik an Autoritäten zu einem Denktabu erklärt:
Mangelnde Konfliktfähigkeit, die durch eine strikte Gehorsamsforderung herbeigeführt wird, kann im Alltagsleben zu permanenten sozialem Stress mit anderen führen bzw. die Person in eine Außenseiterposition drängen.
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4. Implikationen einer islamischen Erziehung für die kindliche Entwicklung von Jungen und Mädchen
Steht das religiös Gelernte inhaltlich nie zur Diskussion und darf nicht kritisiert werden:
Entwicklung selbstständiger und selbstgesteuerter Lerntechniken wird gehemmt;
Selbstgesteuertes und erworbene Inhalte durch eine semantische Durchdringung in eigene Schemata übersetzendes Lernen bildet eines der zentralen Schlüsselkompetenzen erfolgreicher Bildungsgeschichten
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4. Implikationen einer islamischen Erziehung für die kindliche Entwicklung von Jungen und Mädchen
unzweifelhaft entwicklungsschädigend: stark autokratischer bzw. autoritärer Erziehungsstil.
Gewalt in der Erziehung: Entwicklung einer differenzierten Persönlichkeit, kognitive Komplexität, Mündigkeit und Toleranz des Kindes wird kaum gefördert.
Gewaltförmige Erziehung: Aggressivität, Wut, Starrsinn, Rache aber auch zu Depressionen bei Kindern;
Gewalt hat sowohl emotionale (selbstwertbeeinträchtigende) als auch kognitive defizitäre Auswirkungen (geschlagene Kinder sind bspw. tendenziell schwächer in ihren Schulleistungen).