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1. Einführung in die Umsatzsteuer1. Einführung in die Umsatzsteuer

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1. Einführung in die Umsatzsteuer

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1.1. Welche Bedeutung hat die Umsatzsteuer?1.1. Welche Bedeutung hat die Umsatzsteuer?Die Umsatzsteuer ist nach der Einkommensteuer (inklusive Lohnsteuer) die wichtigsteEinnahmequelle von Bund und Ländern. Das geht aus folgender Übersicht hervor:

Neben der aufgezeigten finanzpolitischen Bedeutung dient die Umsatzsteuer auch wirt-schaftspolitischen und sozialpolitischen Zwecken. Dies erfolgt als indirekte Subventio-nierung der Land- und Forstwirtschaft (durch Pauschalierungen) oder für Güter des le-bensnotwendigen Bedarfes (durch den ermäßigten Steuersatz) oder für bestimmteDienstleistungen aus sozialen Erwägungen (z.B. Steuerbefreiungen für ärztliche Leistun-gen).

1.2. Wie ist die Umsatzsteuer in der Europäischen Union geregelt?

1.2. Wie ist die Umsatzsteuer in der Europäischen Union geregelt?Die Umsatzsteuer ist die erste und bisher einzige einheitliche Steuer innerhalb der Eu-ropäischen Union. Mit geringfügigen Abweichungen sind die Besteuerungsgrundlagenfür die Umsatzsteuer in allen EU-Ländern einheitlich gestaltet.

Unterschiedlich sind derzeit lediglich noch die Steuersätze, doch wird auch hier durcheine Richtlinie eine Harmonisierung angestrebt. Die EU-Staaten haben sich bereits dar-auf geeinigt, dass der Normalsteuersatz in allen EU-Ländern bei mindestens 15 % liegensoll.

Seit dem 1.1.1993 hätten innerhalb der Mitgliedstaaten grundsätzlich nur noch ein biszwei ermäßigte Steuersätze angewendet werden dürfen. Die ermäßigten Steuersätzedürften dabei nicht niedriger als 5 % sein. Die erhöhten USt-Sätze (Luxusumsatzsteuer)hätten mit dem 1.1.1993 EU-weit abgeschafft werden sollen.

Derzeit gibt es für viele Mitgliedstaaten noch Ausnahmeregelungen (stark ermäßigteSteuersätze, Nullsätze mit Vorsteuerabzug bzw. Zwischensätze). Eine Reduzierung derAusnahmen scheiterte bisher an den starken nationalen Interessen der Mitgliedstaatenbzw. an dem für Steuerangelegenheiten geltenden Einstimmigkeitsprinzip für diesbe-zügliche Änderungsbestrebungen.

Aufkommen Steuer 2010 2011 2012 2013Umsatzsteuer 21.999.401.072 23.055.589.653 4,6% ↑ 24.283.834.092 5,3% ↑ 24.597.188.342 1,3% ↑

Einkommensteuer 3.037.214.690 3.036.069.319 0,0% → 3.198.494.499 5,3% ↑ 3.466.238.356 8,4% ↑

Körperschaftsteuer 4.632.617.617 5.277.094.163 12,2% ↑ 5.326.628.616 0,9% ↑ 6.014.524.567 12,9% ↑

Lohnsteuer 21.567.257.382 22.996.822.416 6,2% ↑ 24.524.137.974 6,6% ↑ 25.659.374.931 4,6% ↑

Kapitalertragsteuer 2.554.789.231 2.710.865.565 5,8% ↑ 2.509.953.936 –7,4% ↓ 2.588.693.080 3,1% ↑

Gebühren und Verkehrsteuern 2.527.102.041 2.640.783.298 4,3% ↑ 2.741.881.652 3,8% ↑ 2.720.347.093 –0,8% ↓

Sonstige 264.637.975 826.214.090 68,0% ↑ 948.387.702 14,8% ↑ 1.684.062.303 77,6% ↑

Gesamt 56.583.020.008 60.543.438.503 6,5% ↑ 63.533.318.471 4,9% ↑ 66.730.428.672 5,0% ↑

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1.2. Wie ist die Umsatzsteuer in der Europäischen Union geregelt?

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Welche unterschiedlichen Steuersätze innerhalb der EU gelten, soll die nachfolgendeÜbersicht (Stand 1.1.2014) zeigen:

N.B.: Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzugsrecht (Nullsatz) sind hier nicht aufgeführt.

Mitgliedstaaten Abk.stark

ermäßigter Satz

ermäßigter Satz

Normal-satz

Zwischen-satz

Belgien BE – 6,0/12,0 21,0 12,0Bulgarien BG – 9,0 20,0 –Tschechische Republik CZ – 15,0 21,0 –Dänemark DK – – 25,0 –Deutschland DE – 7,0 19,0 –Estland EE – 9,0 20,0 –Griechenland EL – 6,5/13,0 23,0 –Spanien ES 4,0 10,0 21,0 –Frankreich FR 2,1 5,5/10,0 20,0 –Kroatien HR – 5,0/13,0 25,0 –Irland IE 4,8 9,0/13,5 23,0 13,5Italien IT 4,0 10,0 22,0 –Zypern CY – 5,0/9,0 19,0 –Lettland LV – 12,0 21,0 –Litauen LT – 5,0/9,0 21,0 –Luxemburg LU 3,0 6,0/12,0 15,0 12,0Ungarn HU – 5,0/18,0 27,0 –Malta MT – 5,0/7,0 18,0 –Niederlande NL – 6,0 21,0 –Österreich AT – 10,0 20,0 12,0Polen PL – 5,0/8,0 23,0 –Portugal PT – 6,0/13,0 23,0 13,0Rumänien RO – 5,0/9,0 24,0 –Slowenien SI – 9,5 22,0 –Slowakische Republik SK – 10,0 20,0 –Finnland FI – 10,0/14,0 24,0 –Schweden SE – 6,0/12,0 25,0 –Vereinigtes Königreich UK – 5,0 20,0 –

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1. Einführung in die Umsatzsteuer

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1.3. Wo wird die Umsatzsteuer geregelt?1.3. Wo wird die Umsatzsteuer geregelt?Die gesetzliche Regelung der Umsatzsteuer erfolgt in den europäischen Richtlinien so-wie in österreichischen Bundesgesetzen und Verordnungen. Eine Vereinheitlichung dergesetzlichen Anwendung soll darüber hinaus durch die Umsatzsteuerrichtlinien erlangtwerden.

1.3.1. EU-Richtlinien und GesetzeRechtsquellen sind primär die Mehrwertsteuerrichtlinien, insbesondere die RL 2006/112/EG, das UStG 1994 in der jeweils geltenden Fassung, das Umgründungssteuerge-setz, das Gesundheits- und Sozialbeihilfengesetz und das Internationale Steuervergü-tungsgesetz.

1.3.2. VerordnungenVerordnungen werden wie Gesetze im Bundesgesetzblatt verlautbart, ergehen aufgrundvon Verordnungsermächtigungen im Gesetz und sind allgemein verbindliche Normen.

1.3.3. Umsatzsteuerrichtlinien 2000Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen dienen der einheitlichen Rechtsanwen-dung und Auslegung des Umsatzsteuergesetzes und der Verordnungen. Grundsätzlichsind sie keine allgemein verbindlichen Rechtsquellen, die Behörden haben sich aber andiese Erlässe zu halten.

Die Rechtsprechung der Höchstgerichte sowie die Rechtsansicht des Bundesministeri-ums für Finanzen zu Fragen des Umsatzsteuergesetzes sind zentral in den Umsatzsteuer-richtlinien 2000 und damit auch in der FINDOK zu finden (abrufbar unter: https://findok.bmf.gv.at/findok/show GesPDFakt.do). Diese Richtlinien werden laufend er-gänzt und auf den letzten Stand gebracht. Daneben gibt es noch zu kleineren Bereicheneinige Einzelerlässe.

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1.4. Überblick über die Lieferungen und sonstigen Leistungen

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1.4. Überblick über die Lieferungen und sonstigen Leistungen im österreichischen Umsatzsteuergesetz (Grundbegriffe)

1.4. Überblick über die Lieferungen und sonstigen Leistungen

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1. Einführung in die Umsatzsteuer

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1.4.1. Wo kommen Sie mit der Umsatzsteuer in Berührung?

Die Umsatzsteuer (USt) ist die Steuer, mit der Sie tagtäglich konfrontiert werden. Siekommen mit der USt in Berührung, wenn Sie

Waren einkaufen oder Werkleistungen bzw. Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Beispiele:Man kauft einen Fernseher; man lässt sich beim Friseur die Haare schneiden; man geht insRestaurant essen; man lässt sich von einem Rechtsanwalt beraten; man vermietet ein Zinshaus.

Mit dem Preis für diese Leistungen muss im Regelfall auch die USt bezahlt werden.

USt fällt also bei der Ausführung derartiger Leistungen an.

Diese Leistungen werden vom UStG unter dem Sammelbegriff

Lieferungen und sonstige Leistungen

zusammengefasst.

Nun umfasst der Begriff Umsatz allerdings außer den oben beschriebenen Leistungenauch noch andere Umsätze

wie den Eigenverbrauch, die Einfuhr sowie den innergemeinschaftlichen Erwerb.

Jedoch genügt es für Sie zunächst, zu wissen, dass Lieferungen und sonstige Leistungenunter den Oberbegriff Umsatz fallen. Daher stammt davon auch der Name Umsatzsteuer-

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1.4. Überblick über die Lieferungen und sonstigen Leistungen

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gesetz oder anders das „Bundesgesetz über die Besteuerung der Umsätze“, wie es offizi-ell im Bundesgesetzblatt heißt.

Allerdings muss man beachten, dass nicht jeder Umsatz eine USt auslöst. Beispielsweisefällt keine USt an, wenn Sie als Privatperson Ihren gebrauchten Pkw verkaufen. DennUSt fällt grundsätzlich nur dann an, wenn die Warenverkäufe bzw. sonstigen Leistungenvon einem Unternehmer getätigt werden.

1.4.2. Wer ist nun ein typischer Unternehmer im Sinne des UStG?Typische Unternehmer i.S.d. UStG sind u.a.:

Gewerbetreibende (z.B. der Kaufmann, der Fabrikant, der Bauunternehmer, derHändler),

Freiberufler (wie z.B. der Rechtsanwalt, der Steuerberater, der Architekt, der Arzt),aber auch

Vermieter.

Neben dem Begriff des Umsatzes kommt auch dem Begriff des Unternehmers im Um-satzsteuerrecht eine Schlüsselfunktion zu.

Erstens fällt nur dann USt an, wenn Unternehmer Umsätze tätigen. Zweitens ist der Unternehmer Schuldner der USt.

Umsatzsteuerschuldner zu sein heißt, dass der Unternehmer die aufgrund eines vonihm ausgeführten Umsatzes entstandene USt an das Finanzamt abführen muss.

1.4.3. Muss der Unternehmer auch die USt wirtschaftlich tragen?Nein, das bedeutet nicht, dass der Unternehmer die USt (z.B. aus der Veräußerung einerWare) aus der eigenen Tasche bezahlen muss, denn er fordert i.d.R. die USt mit demKaufpreis vom Käufer. Das UStG gibt dem Unternehmer das Recht, die entstandene UStmit dem Verkaufspreis auf den Umsatzempfänger zu überwälzen. Der Unternehmer istsogar berechtigt – und manchmal auch verpflichtet –, die USt offen zusätzlich zumKaufpreis gesondert in Rechnung zu stellen.

1.4.4. Muss der Unternehmer die USt auch auf seinen Rechnungen immer ausweisen?

Sie kennen nun sicherlich sowohl Rechnungen, in denen die USt gesondert ausgewiesenist, als auch andere Rechnungen, die nur einen einheitlichen Gesamtpreis erkennen las-sen. Es wäre falsch, hieraus den Schluss zu ziehen, dass im zweiten Falle keine USt über-wälzt wird.

Der Unternehmer ist normalerweise nicht gezwungen, die USt in der Rechnung offen zulegen. Grundsätzlich muss er nur dann, wenn er den Umsatz an ein anderes Unterneh-men oder eine juristische Person ausführt, die USt gesondert ausweisen (§ 11 Abs. 1).Sollte sich im Übrigen ein Unternehmer weigern, nach erbrachter Leistung die Umsatz-steuer in der Rechnung auszuweisen, muss der Leistungsempfänger seinen Anspruchdarauf auf dem Zivilrechtsweg durchsetzen (§ 31 Abs. 2).

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1. Einführung in die Umsatzsteuer

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1.4.5. Warum wird die USt eine indirekte Steuer genannt?Aus dem eben Ausgeführten folgt, dass die USt über den Kaufpreis wirtschaftlich vomUmsatzempfänger getragen wird. Der Umsatzempfänger ist also der Steuerträger, wäh-rend der Unternehmer der Steuerschuldner ist. Da die Steuerschuldnerschaft und dieSteuerträgerschaft auseinander fallen, wird die USt als indirekte Steuer bezeichnet.

Hinweis:Es gibt auch Fälle, in denen der Leistungsempfänger die USt nicht an den leistungserbringen-den Unternehmer bezahlt, sondern sie selbst berechnet und bei Vorliegen der entsprechendenVoraussetzungen wieder als Vorsteuer abzieht. Man nennt dies die Überbindung der Steuer-schuld oder das „Reverse-Charge-System“.

1.4.6. Wie wird die Umsatzsteuer berechnet?Der Unternehmer berechnet die Umsatzsteuer grundsätzlich vom Nettokaufpreis, in-dem er diesen Betrag mit einem bestimmten Steuersatz multipliziert.Die beiden am häufigsten vorkommenden Steuersätze betragen in Österreich 20 %(Normalsteuersatz) und 10 % (ermäßigter Steuersatz). Die so errechnete Umsatzsteuermuss der Unternehmer nicht unbedingt in dieser Höhe an das Finanzamt abführen. DerBetrag kann sich unter Umständen durch den Vorsteuerabzug ermäßigen.

1.4.7. Was bedeutet Vorsteuerabzug?Der Unternehmer erhält bei einem Umsatz, der an sein Unternehmen von einem anderenUnternehmer erbracht worden ist (Vorumsatz) und bei dem ihm Umsatzsteuer gesondertberechnet wurde, diese Umsatzsteuer wiederum vom Finanzamt vergütet. Die Vergütungerfolgt regelmäßig dadurch, dass der Unternehmer die an den Vorunternehmer gezahlteUSt (Vorsteuer) von seiner bei ihm entstandenen USt (Ausgangsumsatzsteuer) abziehtund nur den Differenzbetrag an das Finanzamt abführt. Es gilt somit die Formel:Ausgangsumsatzsteuer minus Vorsteuer = Zahllast bzw. Gutschrift

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1.4. Überblick über die Lieferungen und sonstigen Leistungen

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Ist der Vorsteuerbetrag größer als die „Ausgangs-USt“, ergibt sich statt einer Zahllasteine Gutschrift, somit ein Vergütungsanspruch gegenüber dem Finanzamt.

Dieser Fall tritt dann ein, wenn ein Unternehmer hohe Investitionen tätigt und dadurchseine Vorumsätze zeitweilig größer sind als seine Ausgangsumsätze.

1.4.8. Wie nennt man die Umsatzsteuer noch?Dieses System des Abzugs der Vorsteuer von der Ausgangs-USt führt uns zu dem BegriffAllphasennetto-USt-System mit Vorsteuerabzug, für das auch die Bezeichnung Mehr-wertsteuersystem gebräuchlich ist.

1.4.9. Wie funktioniert dieses System in der Praxis?

Beispiel:1

Die Witwe W veräußert aus ihrem Hausrat einen Eichenschrank für 10.000 € an den Antiqui-tätenhändler A. Dieser veräußert ihn an den Kunsthändler B zum Nettoverkaufspreis von20.000 €. B veräußert den Eichenschrank wiederum für netto 30.000 € an die PrivatpersonHerrn C, der ihn in seiner Wohnung aufstellt.

Anmerkung: Die Händler haben die Differenzbesteuerung nicht in Anspruch genom-men (siehe Kapitel Differenzbesteuerung).

Erläuterungen: Privatperson W:

Da die Witwe W keine Unternehmerin, sondern eine Privatperson ist, fällt bei ihrerVeräußerung des Eichenschrankes keine USt an.

1 Von der Differenzbesteuerung wird im gegenständlichen Beispiel nicht Gebrauch gemacht.

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1. Einführung in die Umsatzsteuer

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Unternehmer A:Bei der Weiterveräußerung des Eichenschrankes vom Unternehmer A an B fällt da-gegen USt an. Sie berechnet sich vom Nettopreis 20.000 € mit 20 %.B muss somit insgesamt 24.000 € (Bruttopreis) an A für den Eichenschrank bezahlen.A muss als Zahllast 4.000 € an das Finanzamt abführen.

Unternehmer B:Da B den Eichenschrank von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmenerwirbt und ihm hierbei 4.000 € USt gesondert in Rechnung gestellt werden, ist er be-rechtigt, diesen Betrag als Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen.

Privatperson C:Mit der Weiterveräußerung des Eichenschrankes an C tätigt B seinerseits einen Um-satz, bei dem USt in Höhe von 20 % von 30.000 € = 6.000 € anfällt. Die Zahllast bei Bbeträgt somit 6.000 € – 4.000 € = 2.000 €.C als Endabnehmer muss für den Eichenschrank 30.000 € + 6.000 € USt = 36.000 €aufwenden. Als Privatperson kann er keinen Vorsteuerabzug geltend machen.

1.4.10. Was ist das Allphasennetto-Umsatzsteuersystem mit Vorsteuerabzug?

Aus dem oben angeführten Beispiel können Sie folgende Systemmerkmale erkennen:a) Der Unternehmer versteuert im Endeffekt lediglich die Differenz zwischen Netto-

einkaufspreis und Nettoverkaufspreis (Nettoumsatz).Z.B. beträgt diese Differenz beim Unternehmer B 10.000 €. Multipliziert man diesenBetrag mit dem Steuersatz von 20 %, so ergibt sich genau die oben dargestellte Zahl-last. Dies lässt sich damit erklären, dass durch den Vorsteuerabzug die Umsatzbe-steuerung auf der Vorstufe vollständig rückgängig gemacht wird.Die effektive Besteuerung des Nettoumsatzes nennt man Besteuerung des Mehrwer-tes. Davon stammt die im allgemeinen Sprachgebrauch übliche Bezeichnung Mehr-wertsteuer.Wie Sie am obigen Beispiel erkennen können, bedeutet dies jedoch nicht, dass tat-sächlich ein Mehrwert geschaffen wurde, da der Eichenschrank ja immer noch der-selbe geblieben ist. Sicherlich wird häufig Hand in Hand mit dem Mehrwert i.S.d.UStG auch ein tatsächlicher Mehrwert geschaffen.

b) Die USt ist innerhalb der Unternehmerkette kostenneutral.Infolge des Vorsteuerabzugs erhält der Unternehmer seine an den Vorunternehmerbezahlte USt indirekt zurückerstattet und braucht sie somit nicht als Kosten in seineKalkulation einzubeziehen. Ebenso ist die beim Ausgangsumsatz entstandene UStdann kostenneutral, wenn der Umsatz an einen Unternehmer für dessen Unterneh-men bewirkt wird. In diesem Fall kann die USt voll auf den Abnehmer überwälztwerden, weil ihre Höhe beim Abnehmer wegen des Vorsteuerabzugs ebenfalls keineRolle spielt.

c) Die USt realisiert sich für das Finanzamt letztlich erst auf der Endverbraucher-stufe.Das Finanzamt erhält, wie Sie aus dem Beispiel ersehen, im Endeffekt genau die USt,die dem Endverbraucher vom Unternehmer in Rechnung gestellt wird. Es bekommt

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1.4. Überblick über die Lieferungen und sonstigen Leistungen

Berger/Wakounig, Umsatzsteuer kompakt5 11

diesen Betrag gewissermaßen in Raten: 4.000 € von A und 2.000 € von B (fraktionierteZahlungsweise).Gelangt die Ware nicht an den Endverbraucher, so erhält das Finanzamt im Endef-fekt keinen Cent USt. Wenn z.B. der Eichenschrank bei B einem Brand zum Opferfällt, hat B nach wie vor den Vorsteuerabzug in Höhe von 4.000 €. Mangels Aus-gangsumsatz kann bei ihm keine Ausgangs-USt anfallen. B hat somit einen Vergü-tungsanspruch von 4.000 €. Damit muss gewissermaßen das Finanzamt den von Aerhaltenen Betrag von 4.000 € wieder an B ausbezahlen.

1.4.11. Wie erfolgt die Anwendung des Umsatzsteuersystems mit Vorsteuerabzug in der Praxis?

Aus dem Beispiel könnten Sie nun den Eindruck gewonnen haben, dass der Unterneh-mer bezüglich jedes einzelnen Umsatzes durch Saldierung der Ausgangsumsatzsteuermit der Vorsteuer eine Zahllast zu errechnen hat. Da ein Unternehmer i.d.R. täglich eineVielzahl von Umsätzen tätigt, erkennt man, dass dies in der Praxis nicht in dieser Weiseerfolgen kann.Der Unternehmer ist verpflichtet, i.d.R. für jeden Kalendermonat (Voranmeldungszeit-raum) eine sog. Umsatzsteuervoranmeldung (im Folgenden UVA) zu erstellen (§ 18).Darin hat er sämtliche Umsätze, die er in dem betreffenden Kalendermonat getätigt hat,zu erfassen und die Ausgangs-USt zu berechnen.Ferner muss er sämtliche in diesem Kalendermonat angefallene Vorsteuerbeträge ermit-teln und die Summe ebenfalls in die Voranmeldung aufnehmen. Überwiegt die Umsatz-steuer, ergibt sich eine Zahllast:

Ist kein Guthaben am Finanzamtskonto ausgewiesen, dann muss dieser Betrag bisspätestens zum 15. des zweitfolgenden Kalendermonats an das Finanzamt überwie-sen werden.

Ist ein ausreichendes Guthaben am Finanzamtskonto ausgewiesen, muss der Erlag-schein prinzipiell genauso wie oben ausgefüllt werden, überwiesen wird aber nur (inder Praxis) 1,– €.

Überwiegt die Vorsteuer, ergibt sich eine Gutschrift. In diesem Fall wird die Umsatz-steuervoranmeldung an das Finanzamt geschickt. Der Vorsteuerüberhang wird dannam Abgabenkonto gutgeschrieben.Für Unternehmer, deren Umsätze im vorangegangen Kalenderjahr 100.000 € nichtüberstiegen haben, ist jedoch aus Vereinfachungsgründen das Kalendervierteljahr derVoranmeldungszeitraum (§ 21 Abs. 2).

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1. Einführung in die Umsatzsteuer

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Ist das Kalenderjahr abgelaufen, muss der Unternehmer nach demselben Prinzip dieendgültige Zahllast für das ganze Kalenderjahr in der USt-Jahressteuererklärung berech-nen und beim Finanzamt einreichen.Der Unternehmer muss somit im Regelfall neben 12 UVA auch noch eine USt-Jahres-steuererklärung einreichen. Hat er das Jahr hindurch innergemeinschaftliche Lieferun-gen getätigt, hat er im günstigsten Fall auch noch 12 Zusammenfassende Meldungen(ZM) beim Finanzamt einreichen müssen. Maximal sind für Zwecke der USt 25 Erklä-rungen zu erstellen (12 UVA, eine Jahressteuererklärung und 12 ZM).Durch die Verpflichtung zur Erstellung der 12 UVA wird erreicht, dass die USt verhält-nismäßig zeitnah an das Finanzamt abgeführt wird. Die nochmalige Erfassung sämtli-cher Umsätze und Vorsteuern in der USt-Jahressteuererklärung schafft sowohl für denUnternehmer als auch für das Finanzamt die Möglichkeit, die Zahllast für das betreffen-de Kalenderjahr nochmals zu ermitteln und zu verproben.Ist die Summe der Vorauszahlungen niedriger als die Zahllast in der Jahressteuererklä-rung, wird durch die Nachzahlung gem. § 21 Abs. 5 keine abweichende Fälligkeit be-gründet. Abschlusszahlungen aufgrund von USt-Bescheiden stellen rückständige USt-Vorauszahlungen dar.

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1.4. Überblick über die Lieferungen und sonstigen Leistungen

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1.4.12. Welche Besteuerungsformen des Umsatzsteuergesetzes gibt es?

Das hier vorgestellte Umsatzsteuersystem mit Vorsteuerabzug tritt Ihnen im UStG nichtstets in Reinform (genannt auch „Regelbesteuerung“) gegenüber, sondern erfährt teilsaus Vereinfachungsgründen, teils auch aus wirtschaftspolitischen Gründen verschiede-ne Abwandlungen und auch Systembrüche.

In den folgenden Kapiteln dieses Lehrbuches werden Sie die Regelbesteuerung näherkennen lernen, wobei schwerpunktmäßig der „Normalfall“ abgehandelt werden soll.Ob ein Unternehmer die Besteuerung nach dem Normalfall der Regelbesteuerung vor-zunehmen hat, hängt generell davon ab, ob er bestimmte Umsatzgrenzen überschreitet.Wenn im Folgenden von einem Unternehmer die Rede ist und sich aus dem Sachverhaltnicht ausdrücklich Gegenteiliges ergibt, können Sie davon ausgehen, dass es sich stetsum einen Unternehmer handelt, der seine Umsätze nach dem Normalfall der Regelbe-steuerung zu versteuern hat.

1.4.13. Ausgangsumsatzsteuer1.4.13.1. Was ist der Steuergegenstand der USt?

Die Zahllast des Unternehmens ergibt sich als Saldo von Ausgangs-USt und Vorsteuer.Ausgangs-USt und Vorsteuer stellen somit die beiden Säulen dar, auf denen das USt-System ruht. Als Gegenstand der Ausgangs-USt (Steuergegenstand) haben Sie bereitsden Umsatz (Ausgangsumsatz) kennen gelernt. Mit den einzelnen Arten von Umsätzen,die unter das UStG fallen, sollen Sie nun bei den steuerbaren Umsätzen näher vertrautgemacht werden, vorher sollten Sie sich jedoch mit der nachfolgenden Aufgabenstellungvertraut machen.

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1. Einführung in die Umsatzsteuer

Berger/Wakounig, Umsatzsteuer kompakt514

1.5. Abschließende Aufgabe1.5. Abschließende Aufgabe

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1.5. Abschließende Aufgabe

Berger/Wakounig, Umsatzsteuer kompakt5 15

Aufgabenstellung:

Berechnen Sie für die unten angeführten Geschäftsfälle der Firma Heinz Hirschler je-weils den Umsatzsteuerbetrag. Geben Sie für jeden Geschäftsfall an, ob es sich bei denangefallenen Steuern um Umsatz- oder um Vorsteuern handelt. Begründen Sie bitteIhre Antworten.

Summe der Umsatzsteuerzahllast:

Geschäftsfall Steuer-Betrag USt/VSt Begründung

(a)

(b)

(c)

(d)

(e)

(f)

(g) Die Außenbeleuchtung wird vom Elektriker Ber-ger um € 225,– (exkl. 20 % USt) repariert.

(h) Kauf von Jeanshemden von der Fa. Hemd um € 6.000,– (inkl. 20 % USt)

(i) Am heutigen Tag wurde insgesamt Bekleidung um € 2.640,– (inkl. 20 % USt) verkauft.

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1. Einführung in die Umsatzsteuer

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Lösung:

Summe der Umsatzsteuerzahllast: – € 78,25 Gutschrift

Geschäftsfall Steuer-Betrag

USt/VSt Begründung

(a) Verkauf von Jeans an die Fa. Jeans-Shop um € 3.600,– (inkl. 20 % USt)

600,00 € USt Verkauf

(b) Barverkauf einer Jean um € 72,– inkl. 20 % USt

12,00 € USt Verkauf

(c) Einkauf von Büromaterial von der Firma Pencil um € 48,– (inkl. 20 % Umsatzsteuer)

8,00 € VSt Einkauf

(d) Einkauf bei der Firma MÖBEL um € 284,71 (netto).

56,94 € VSt Einkauf

(e) Einkauf von Fachliteratur um € 91,44 (inkl. 10 % USt)

8,31 € VSt Einkauf

(f) Einkauf von Ledertaschen um € 60,– (netto)

12,00 € VSt Einkauf

(g) Die Außenbeleuchtung wird vom Elektriker Berger um € 225,– (exkl. 20 % USt) repariert.

45,00 € VSt Einkauf

(h) Kauf von Jeanshemden von der Fa. Hemd um € 6.000,– (inkl. 20 % USt)

1.000,00 € VSt Einkauf

(i) Am heutigen Tag wurde insge-samt Bekleidung um € 2.640,– (inkl. 20 % USt) verkauft.

440,00 € USt Verkauf

berger_ustkomp.book Seite 16 Mittwoch, 11. Juni 2014 11:43 11