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Direkt richten sich die Augen des Rotgardisten auf denBetrachter des Gemäldes. Mit umgehängtem Gewehrsteht er auf dem Münchner Marienplatz. Er scheint einengroßen Sieg davongetragen zu haben: Die Türme der Frau-enkirche und das Neue Rathaus im Hintergrund sind rotbeflaggt. Aber er wirkt verloren; der Blick ist skeptisch bisausdruckslos, vollkommen allein steht der Mann auf demgroßen Platz. Auf diese Weise verarbeitete die KünstlerinBerta Kaiser (1875-1962), die heute vor allem für ihre im-pressionistisch geprägte Freilichtmalerei bekannt ist, dieEndphase der Revolutionszeit in München.
Das bayerische Kulturportal bavarikon hat das Gemäldeals „Eyecatcher“ für seine virtuelle Ausstellung „Revolutionund Räterepubliken in Bayern 1918/19“ gewählt, die seitHerbst 2018 zu sehen ist (https://bavarikon.de/revolution1918, in englischer Sprache unter https://bavarikon.de/revolution-bavaria-1918). Die Ausstellung entstandunter Federführung der Bayerischen Staatsbibliothek(BSB), die das Projekt in bewährter Zusammenarbeit mitden Staatlichen Archiven Bayerns und dem Haus der Baye-rischen Geschichte erarbeitete. Die BSB kam damit auchdem Auftrag der Staatsregierung an bayerische Einrich-tungen nach, einen Beitrag zum 100-jährigen Jubiläumdes Freistaats Bayern oder zum 200-jährigen Jubiläum derbayerischen Verfassung von 1818 zu leisten.
Virtuelle Ausstellungen in bavarikon
Virtuelle Ausstellungen sind noch ein relativ junges An-gebot in bavarikon. Seit dem Launch des Portals 2013 wa-ren bereits Themenschwerpunkte eingebunden, etwa zumMünchner Oktoberfest oder zu König Ludwig II. Sie stelltenallerdings keine Neuentwicklungen dar, sondern wurdenaus der Bayerischen Landesbibliothek Online (BLO) über-nommen.
Das erste eigens für bavarikon entwickelte Projekt be-schäftigte sich mit Martin Luther und der Reformation inBayern. An diesem relativ aufwändigen Vorhaben beteilig-ten sich über 20 Einrichtungen mit rund 120 Exponaten.Aus diesem Anlass wurde das bavarikon-Design behutsammodernisiert: Kachelelemente stehen nun als Gestal-tungsmöglichkeit im Ausstellungsbereich zur Verfügung.
Seit der Freischaltung des Luther-Projekts im März 2017können alle bavarikon-Partnerinstitutionen eine Ausstel-lung kuratieren. Aus Kapazitätsgründen muss dies aller-dings in deutlich kleinerem Rahmen geschehen, in der Re-gel mit ca. 40 Exponaten aus den Beständen nur einer In-stitution. Das Angebot wird gut angenommen – bis Ende2018 sind sechs Ausstellungen erarbeitet worden, weiteresind bereits in Vorbereitung.
Die Ausstellung zur Revolution 1918/19
„Revolution und Räterepubliken in Bayern 1918/19“zeigt 90 Exponate aus zehn Archiven, Bibliotheken undMuseen, die in fünf chronologisch angelegte Abschnitteund eine Vertiefungsebene gegliedert sind. Im Mittelpunktstehen dabei die entscheidenden Ereignisse in München,die von den Geschehnissen in einigen weiteren bayeri-schen Orten flankiert werden. Die Präsentation lässt sichüber drei Ebenen begehen: Über eine Einführungsseite mitder Kapitelübersicht gelangt der Nutzer in die verschiede-nen Abschnitte. Dort werden jeweils ein einführender Textund über Kachelbilder Zugänge zu den einzelnen Expona-ten angeboten. Die Objekte selbst werden anhand von kur-zen Beschreibungstexten in Ebenen mit ein, zwei oder dreiExponaten präsentiert. Von dort aus gelangt der Nutzerschließlich auch zum hochauflösenden Digitalisat.
FORUMHISTORISCHE SCHÄTZE
BIBLIOTHEKSFORUM BAYERN 13 | 2019
Revolution digitalDie virtuelle bavarikon-Ausstellung „Revolution und Räterepubliken
in Bayern 1918/19“
Von Matthias Bader
Berta Kaiser, Rotgardist
am Marienplatz, 1919
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Die Ausstellung beginnt mit dem Kriegsende 1918 undder Systemkrise der bayerischen Monarchie. Hunger, Ent-behrungen und die Niederlage des Deutschen Reiches gel-ten als zentrale Ursachen der Revolution. In der Ausstel-lung wird eine Karikatur gezeigt, die die Lebensmittel-knappheit dieser Jahre satirisch darstellt. In der Erinne-rungskultur kaum präsent ist die Tatsache, dass Bayern imOktober/November 1918 kurz vor der Umwandlung in eineparlamentarische Monarchie stand. Bereits 1917 hatte dieSPD im bayerischen Parlament einen Antrag eingebracht(„Auer-Süßheim-Antrag“), der Forderungen nach tiefgrei-fenden, demokratischen Reformen enthielt. Als dieses zu-nächst von der Regierung brüsk abgelehnte Ansinnen beiKriegsende 1918 wieder aufgegriffen wurde und umfas-sende Verfassungsänderungen realisiert werden sollten,war es jedoch bereits zu spät und der Sturz der Monarchienicht mehr zu verhindern.
Im zweiten Kapitel leitet die Ausstellung den Besucherüber den Umsturz am 7. November in München, die Bil-dung der Regierung unter Kurt Eisner (1867-1919) von derUSPD und den Herausforderungen der unmittelbarenNachkriegszeit zu den Wahlen im Januar 1919. Beeindru-ckend sind Exponate, die aus den ersten Revolutionstagenstammen: Auf roten Plakaten, die am 8. November inMünchen angeschlagen wurden, verkündete der neu ge-bildete Arbeiter- und Soldatenrat die Absetzung der Wit-telsbacher und die Errichtung der bayerischen Republik.
Der „Freistaat Bayern“ wurde dagegen wörtlich nur in ei-nem längeren Text proklamiert, der in den „MünchenerNeuesten Nachrichten“ publiziert wurde. Ein Glanzlichtder Ausstellung ist der handschriftliche Entwurf dieser Er-klärung von Kurt Eisner.
Die Wahlen zum bayerischen Landtag und zur verfas-sungsgebenden Nationalversammlung in Weimar fandenAnfang 1919 bereits in einer aufgeladenen Atmosphärestatt, wovon Plakate wie das der Bayerischen Volksparteizeugen. Eine revolutionäre Neuerung war die Einführungdes Frauenwahlrechts, das in der Ausstellung mit Fotosvon Nonnen vor Münchner Wahllokalen veranschaulichtwird. Die USPD erlitt bei dem Urnengang eine verheerendeNiederlage.
Der Eskalation in München ist der dritte Abschnitt derAusstellung gewidmet: Als Eisner sich zum Rücktritt ent-schloss und den Weg für eine neue Regierung frei machenwollte, wurde er am 21. Februar 1919 von einem rechtsge-richteten Studenten ermordet. Anschließend verübte einAngehöriger des Revolutionären Arbeiterrats ein Attentatauf Innenminister Erhard Auer (1874-1945) von denMehrheitssozialdemokraten. Von diesem zweiten Attentatsind Patronenfragmente und -hülsen erhalten. Auer alsFührungsfigur war nun nicht mehr handlungsfähig, einMachtvakuum entstand.
Patronenfragment und
Patronenhülse des Attentats
auf den bayerischen Landtag
am 21. Februar 1919
Angehörige des Freikorps
Görlitz auf einem
Geschützwagen Anfang
Mai 1919 in der Münchner
Goethestraße
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Die politische und gesellschaftliche Polarisierung kulmi-nierte am 7. April, als radikale Rätevertreter in Münchendie „Räterepublik Baiern“ ausriefen. Dem Phänomen der„Räterepubliken“ widmet sich das vierte Kapitel der Aus-stellung – im Plural deshalb, weil sie sich nicht nur aufMünchen beschränkten. Die meisten Räterepubliken bra-chen indes nach wenigen Tagen wieder zusammen; nur inMünchen und im Raum Rosenheim erwiesen sie sich alsetwas langlebiger. In der bayerischen Landeshauptstadthatte die seit Mitte April von Kommunisten angeführteRäterepublik nur wenig Rückhalt und schürte massiveÄngste vor dem Bolschewismus.
Anfang Mai 1919 wurde die Münchner Räterepublik vonFreikorps und Reichswehreinheiten blutig niedergeschla-gen. Die Bayerische Staatsbibliothek verfügt über eine Rei-he von Fotos dieser „Weißen Truppen“, die aus dem Foto-archiv von Heinrich Hoffmann (1885-1957) stammen,dem späteren Fotografen Adolf Hitlers. Dabei handelt essich meist um Szenen, die zu Propagandazwecken gestelltwurden. In der Ausstellung sind zusätzlich zeitgenössischeFilmaufnahmen zu sehen, welche die durch die Landes-hauptstadt marschierenden Regierungstruppen zeigen.
Die Ausstellung wird mit einem Ausblick auf das nachre-volutionäre Bayern beendet, dessen Regierung zwar dieerste demokratische Verfassung beschloss, das sichgleichzeitig aber zu einem Hort antisozialistischer, antise-mitischer, national-konservativer und teils monarchisti-scher Kräfte entwickelte. Schlagworte wie die „Dolchstoß-legende“ oder die „Ordnungszelle Bayern“ kennzeichnendies.
In der „Vertiefungsebene“ kann sich der Leser anhandweiterer Quellen und Literatur detaillierter über die Revo-lutionszeit informieren, z. B. über die Biographie Kurt Eis-ners oder die bayerischen Rätegremien. Diese Ebene be-steht wiederum aus einem bereits 2008 für die BLO erar-beiteten Themenschwerpunkt, der für bavarikon auf denneuesten Stand gebracht wurde.
FORUMHISTORISCHE SCHÄTZE
DER AUTOR:
Dr. Matthias Bader ist Mitarbeiter im Referat Bavarica der Abteilung Digitale
Bibliothek-Bavarica der Bayerischen Staatsbibliothek.
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der virtuellen Ausstellung
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