01. Die Chroniken von Narnia - Der König von Narnia

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    Aus dem Englischen von Lisa TetznerIllustriert von Thomas Georg

    Fantasy

    Der Knig von

    Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

    Lewis, Clive S.:Der Knig von Narnia : ein phantastisches Abenteuer / C.

    S. Lewis. [Aus dem Engl. von Lisa Tetzner]. - Moers :Brendow, 1992

    (Edition C : C ; 356)ISBN 3-87067-479-2NE: Edition C / C

    ISBN 3-87067-479-2 Edition C, Reihe C 356 dieser Ausgabe 1992 by Brendow Verlag, D-4130 Moers iOriginalausgabe: The Lion, the Witch and the Wardrobe,

    erschienen in den Verlagen Geoffrey Bles (1950) undWilli C lli (1974)

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    INHALT

    4 Lucy schaut in einen Wandschrank10 Was Lucy dort fand19 Edmund und der Wandschrank26 Trkischer Honig35 Zurck aus Narnia43 Hinein in die Wlder51 Ein Tag bei den Bibern61 Was sich nach dem Essen ereignete70 Im Haus der Zauberin79 Der Zauberbann weicht87 Aslan naht96 Peters erster Kampf

    105 Tiefer Urzauber aus der Zeiten Dmmerung114 Die Hexe triumphiert124 Noch tieferer Zauber aus der Zeiten Dmmerung132 Was mit den versteinerten Figuren geschah141 Die Jagd auf den Weien Hirsch

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    LUCY SCHAUT IN EINEN WANDSCHRANK

    s waren einmal vier Kin-der: Peter, Suse, Edmund und Lucy. Im Krieg wurden siewegen der vielen Luftangriffe von London fortgeschickt indas Innere des Landes, in das Haus eines alten Professors,der zehn Meilen von der nchsten Bahnstation und zweiMeilen von der nchsten Post wohnte. Er hatte keine

    Frau und lebte in einem sehr groen Haus mit einerWirtschafterin, Frau Macready, und drei Zimmermd-chen, die Ivy, Margarete und Betty hieen, aber sie kom-men in unserer Geschichte kaum vor. Unsere Geschichteerzhlt blo etwas von dem, was den vier Kindern dortwiderfuhr.

    Der Professor war ein alter Mann mit struppigen wei-en Haaren. Sie wuchsen nicht nur auf seinem Kopf, son-dern auch auf seinem Gesicht. Er gefiel ihnen auf den er-sten Blick. Aber er erschien ihnen recht merkwrdig, als er

    bei ihrer Ankunft vor das Haustor trat, um sie in Empfangzu nehmen. Lucy, die Jngste, erschrak ein bichen vor

    ihm, und Edmund, der Zweitjngste, verkniff sich dasLachen und tat so, als msse er sich die Nase schneuzen.

    Sobald die Kinder dem Professor gute Nacht gesagthatten und zum Schlafen hinaufgingen, kamen die Jungenin das Zimmer der Mdchen, und sie schwatzten nochzusammen.

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    Ich glaube, wir haben Schwein gehabt, sagte Peter.Hier scheint es geradezu blendend. Der alte Knabe ltuns ganz sicher tun und lassen, was wir wollen.

    Er ist ein ses Alterchen! meinte Suse.Ach Quatsch! sagte Edmund. Er war mde, wollte

    das aber nicht zeigen, und da wurde er stets schlechterLaune. Hr doch mit dem Gerede auf.

    Was fr Gerede? fragte Suse. Fr dich ist es hchsteZeit. Geh zu Bett.

    Du versuchst mal wieder Mutter zu spielen, grollteEdmund. Seit wann hast du zu bestimmen, wann ich zuBett zu gehen habe? Geh doch selber schlafen!

    Wir sollten eigentlich alle schlafen gehen, schlug Lucyvor, es gibt sicher Krach, wenn man uns hier schwatzenhrt.

    Nein, uns hrt keiner, sagte Peter. In diesem Hauskmmert sich niemand um uns. Keiner kann uns hren.Man braucht fnf Minuten von hier aus bis zum Speise-zimmer hinunter, und dazwischen liegen noch eine MengeTreppen und Gnge.

    Pst! Was ist das? fragte Lucy pltzlich. Sie war nie

    zuvor in einem so weitlufigen Haus gewesen, und als siean die langen Gnge und die vielen Tren dachte, gruselteihr.

    Dummes Schaf, sagte Edmund. Es ist doch blo einVogel.

    Eine Eule, erklrte Peter. Hier ist ein Paradies fr

    Vgel. Ich geh' jetzt schlafen, und morgen ziehn wir losund untersuchen alles. Was werden wir hier nicht nochentdecken! Habt ihr auf unserer Fahrt die Berge gesehn?Und die Wlder? Da wird es Adler geben, Hirsche, Ha-

    bichte.Dachse, meinte Lucy.

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    Fchse, rief Edmund.Kaninchen, sagte Suse.

    Doch als der nchste Morgen anbrach, fiel ein so dichtergleichmiger Regen, da man hinter den Fenstern wederdie Berge noch die Wlder, nicht einmal den Bach imGarten sehen konnte.

    Natrlich, dacht' ich's mir doch, da es regnenwrde! sagte Edmund rgerlich.

    Sie hatten gerade mit dem Professor gefrhstckt undwaren oben in ihrem abseits gelegenen Zimmer. Es warein langer Raum mit zwei Fenstern nach der einen undzwei nach der andern Seite.

    Hr auf zu maulen, Ed, schalt Suse. Ich wette zehnzu eins, in einer Stunde oder so wird es sich aufhellen. Bisdahin sind wir hier sehr gut aufgehoben. Es gibt eine

    Menge Bcher und ein Radio.Das ist nichts fr mich, meinte Peter. Ich sehe mich

    im Haus um.Dazu waren alle bereit, und so begannen die Aben-

    teuer. Das Haus steckte voller berraschungen. Es nahmanscheinend gar kein Ende. Die ersten Tren, die sie ff-

    neten, fhrten in unbewohnte Schlafzimmer, und alswohlerzogene Kinder schlossen sie die Tren, ohne ein-zutreten. Doch bald kamen sie in einen Gemldesaal;dort entdeckten sie sogar eine Anzahl Rstungen, dahin-ter einen grnbehangenen Raum. In einer Ecke stand eineHarfe, dann fhrten drei Stufen abwrts und fnf Stufen

    aufwrts, nun kam ein Vorraum mit einer Tr auf einenBalkon und danach eine ganze Zimmerflucht. Ein Zim-mer fhrte in das andere, die Wnde waren voller Bcher;die meisten Bcher waren sehr alt und einige noch dickerals das Mebuch in der Kirche. Gleich darauf schauten siein ein vollstndig leeres Zimmer. Es war blo ein mchtig

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    groer Wandschrank darin mit einem Spiegel an der Tr,und auf dem Fenstersims lagen ein paar tote Schmeiflie-gen.

    Da ist nichts! erklrte Peter. Sie trotteten wieder hin-aus.

    Nur Lucy blieb zurck. Was steckt wohl in demSchrank, dachte sie, und obgleich sie sicher glaubte, dader Schrank verschlossen sei, ffnete sich die Tr zu ihrerberraschung ganz leicht, und zwei Mottenkugeln roll-ten heraus. Als sie hineinschaute, sah sie verschiedeneMntel hngen, hauptschlich lange Pelze. Nichtsmochte Lucy lieber als Pelze, ihren Geruch und das wei-che Fell zwischen den Fingern. Sie kroch flugs zwischendie Pelze und rieb ihr Gesicht dagegen. (Natrlichschnappte sie die Tr nicht ins Schlo, denn sie wute ge-

    nau, wie tricht es ist, sich in einen Kleiderschrank einzu-schlieen.) Bald kroch sie tiefer hinein und entdeckte da-

    bei hinter der ersten Mantelreihe eine zweite. Es warbeinahe ganz dunkel im Schrank, und um nicht mit derNase an die Hinterwand zu stoen, hielt sie die Arme vorsich ausgestreckt. Vorsichtig wagte sie erst einen, dann

    zwei, ja sogar drei Schritte, sie erwartete jeden Augen-blick, mit ihren Fingerspitzen an die Wand zu tasten, aberdie kam nicht und kam nicht.

    Das mu ja ein geradezu riesenhafter Schrank sein,dachte Lucy. Sie ging noch tiefer und schob die weichenMantelfalten zur Seite, um Platz zu schaffen. Da

    knirschte etwas unter ihren Fen. Wohl noch mehrMottenkugeln? dachte sie und beugte sich nieder, um sieaufzuheben. Aber sie fate nicht das harte, glatte Holzdes Bodens, sie griff etwas Weiches, Pulvriges und ganzKaltes. Das ist doch recht sonderbar, berlegte sie undging noch einige Schritte weiter.

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    Nun fhlte sie gar keinen weichen Pelz mehr an Ge-sicht und Hnden, sondern etwas Hartes, Rauhes, sogarStachliges. Was ist denn das? Sind das nicht Baumzweige?Da sah sie ein Licht vor sich. Die Rckwand des Schran-kes sollte doch nur wenige Zentimeter von ihr entferntsein und war wei Gott wo! Etwas Kaltes und Weichesrieselte auf sie nieder, und gleich darauf stand sie mitten ineinem Wald in stockdunkler Nacht. Unter ihren Fen lagSchnee, und aus der Luft sanken Schneeflocken herab.

    Lucy erschrak und frchtete sich, war aber zugleichauch ein wenig neugierig. Sie schaute zurck und konntezwischen den dunklen Baumstmmen noch die offeneSchranktr, ja sogar ein Stck des unbewohnten Zimmerssehen, aus dem sie gekommen war. Dort hinten schien esnoch lichter Tag. Ich kann immer zurck, wenn etwas

    schiefgeht, dachte Lucy. Sie lief weiter - knirsch ... knirsch... ber den Schnee und durch den Wald auf das andereLicht zu. Es dauerte eine Zeitlang, dann erreichte sie dasLicht. Es war eine Straenlaterne!

    Sie blieb stehn und schaute sich um. Wieso brennt mit-ten im Wald eine Straenlaterne? fragte sie sich. Da hrte

    sie pltzlich trappelnde Schritte und sah ein seltsamesWesen unter den Bumen auf die Laterne zukommen.

    Es war nur ein wenig grer als Lucy und hielt berseinem Kopf einen weibeschneiten Schirm. Von derMitte aufwrts hatte es die Gestalt eines Mannes, abernach unten zu hatte es Ziegenbeine - das Fell daran war

    glnzend schwarz - und richtige Ziegenhufe statt derFe. Es hatte auch einen Schwanz, den Lucy aber nichtgleich bemerkte, weil es ihn ber den Arm, der den Re-genschirm trug, geschlungen hatte, um ihn nicht durchden Schnee zu schleifen. Es hatte einen rotwollenen Schal

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    um den Hals, und seine Haut war auch rtlich. Sie sah einfremdartiges, doch nettes Gesicht mit einem kurzenSpitzbart und lockigem Haar. Aus dem Haar ragten zweiHrner, auf jeder Seite eins. Die eine Hand hielt - wie ichschon berichtete - einen Regenschirm, die andere sorgfltigverschnrte Pakete. Mit diesen Paketen mitten in derSchneelandschaft sah es genauso aus, als htte es Weih-nachtseinkufe besorgt. Es war ein Faun! Und als er Lucyerblickte, erschrak er derart, da er alle seine Pakete zuBoden kollern lie. Um Himmels willen! rief der Faunaus.

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    WAS LUCY DORT FAND

    uten Abend, sagteLucy. Doch der Faun war so beschftigt, seine Paketeaufzulesen, da er zunchst nicht antwortete, und als ersie alle wieder beisammen hatte, machte er Lucy einekleine Verbeugung.

    Guten Abend, guten Abend, antwortete nun derFaun. Entschuldigen Sie, ich will nicht aufdringlich sein,aber wenn ich nicht irre, sind Sie eine Evastochter.

    Mein Name ist Lucy. Sie verstand ihn nicht recht.Doch Sie sind ... entschuldigen Sie bitte ... was man so

    sagt ... ein Mdchen?

    Selbstverstndlich bin ich ein Mdchen.Sie sind wirklich ein Mensch?Natrlich bin ich ein Mensch, entgegnete Lucy, im-

    mer noch ein wenig verwirrt.Gewi, gewi! sagte der Faun. Ach, wie dumm von

    mir! Aber ich habe noch nie einen Adamssohn oder eine

    Evastochter gesehn. Ich bin begeistert! Das ist ja geradezu..., doch dann stockte er, als htte er schon zuviel gesagt,sich aber zur rechten Zeit noch besonnen. Hocherfreut!Hocherfreut! beteuerte er. Gestatten Sie, da ich michIhnen vorstelle. Mein Name ist Tumnus.

    Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Herr Tumnus,sagte Lucy.

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    Und darf ich fragen, o Lucy, Evastochter, wie Sienach Narnia kamen?

    Narnia? Was ist das? fragte Lucy.Hier ist das Land Narnia, antwortete der Faun. Da,

    wo wir stehn. Es liegt zwischen der Straenlaterne unddem groen Schlo Feeneden, am Meer des Ostens. SindSie aus dem Westen gekommen, aus den wilden Wl-dern?

    Nein, aus dem Wandschrank im leeren Zimmer.

    Ach, seufzte Tumnus etwas schwermtig. Htte ichnur als kleiner Faun besser in Geographie aufgepat,dann wte ich mehr ber die fremden Lnder. Nun ist eszu spt.

    Aber das sind gar keine fremden Lnder, sagte Lucy,fast lachend. Es ist gleich dahinten ... wenigstens glaube

    ich es ... Dort ist noch Sommer.In Narnia ist, solange ich mich erinnere, immerzu

    Winter. Wir werden uns beide erklten, wenn wir nochlnger hier im Schnee herumstehn, o Evastochter aus demfernen Land mit der strahlenden Stadt Wandschrank unddem ewigen Sommer! Darf ich Sie zu einer Tasse Tee bit-

    ten?Vielen Dank, Herr Tumnus, antwortete Lucy, aberich sollte jetzt lieber nach Hause.

    Ach, es ist doch gerade nur um die Ecke, bat derFaun, und dort finden wir ein prasselndes Feuer ... undToast ... und Sardinen ... und Kuchen.

    Sehr liebenswrdig von Ihnen, sagte Lucy. Aberlange kann ich nicht bleiben.Wollen Sie meinen Arm nehmen, Evastochter? fragte

    Herr Tumnus, dann kann ich den Schirm besser beruns beide halten. Da ist der Weg.

    Und so ging Lucy Arm in Arm mit diesem wunderli-

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    chen Geschpf durch den Wald, so selbstverstndlich, alshtten sie einander ihr Leben lang gekannt.

    Sie waren noch nicht weit, da kamen sie an eine Stelle,wo der Boden uneben wurde, berall waren Felsen, undsie stiegen kleine Hgel auf und ab. Am Ende einesschmalen Tales wandte sich Herr Tumnus pltzlich seit-lich, als wolle er geradewegs in einen mchtigen Felsenhineinspazieren. Erst im letzten Augenblick sah Lucy, da ersie zum Eingang einer Hhle fhrte. Sowie sie darinnenwaren, erblickte sie den Schein eines Holzfeuers. HerrTumnus beugte sich nieder, nahm ein glhendes StckHolz mit einer Zange aus dem Feuer und zndete eineLampe an. Nun wollen wir es uns bequem machen, sagteer, gleich darauf hngte er den Teekessel ber das Feuer.

    Lucy hatte nie zuvor einen reizenderen Ort gesehen. Es

    war eine kleine trockene, saubere Hhle aus rotem Stein,mit einem Teppich auf dem Boden und zwei kleinenSthlen.

    Einer fr mich, einer fr einen Freund, bemerkteHerr Tumnus.

    Es gab einen Tisch und eine Anrichte und ein Kamin-

    sims ber dem Feuer. Darber hing das Bild eines alten,graubrtigen Fauns. In einer Ecke war eine Tr, die wohlin den Schlafraum des Herrn Tumnus fhrte, und aneiner Wand stand ein geflltes Bcherbord. Lucy betrach-tete die Bcher, whrend er den Teetisch deckte. Sie fandhier Titel wie Leben und Briefe des Silenus - Der Lebens-

    wandel der Nymphen - Menschen, Mnche und Wildhter.Auch eine Studie volkstmlicher Legenden war dabei undein Band:Ist der Mensch nur ein Mythos?

    Evastochter, der Tee steht bereit.Ach, was war das fr ein wundervoller Tee! Es gab fr

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    jeden ein reizendes brunliches Ei, weich gekocht, Sardi-nen auf Toast, danach Toast mit Butter, Toast mit Honigund zuletzt eine Torte mit Zuckergu. Und als Lucy

    reichlich satt war, begann der Faun wunderbare Waldge-schichten zu erzhlen. Er erzhlte vom Mitternachtstanz,von dem Leben der Nymphen in den Quellen und vonden Waldnymphen in den Bumen, die zum Tanz mit denFaunen herniederstiegen. Er erzhlte von den Jagdennach dem schneeweien Hirsch, der Wnsche gewhrt,

    wenn man ihn aufsprt, von groen Festen und Schatz-grbereien tief unter dem Waldesboden, in Gruben undHhlen, mit dem Volk der wilden roten Zwerge. Dannerzhlte er vom Sommer, wenn die Bume grn sind undder alte Silen auf seinem plumpen Esel zu Besuch kommt.Ja, manchmal kme sogar Bacchus selbst, und dann flsse

    in den Bchen statt des Wassers Wein, und der ganzeWald verwandle sich fr viele Wochen in Lustbarkeit.

    Das alles gibt es nicht mehr. Jetzt ist immerzu Win-ter, schlo er verdrielich. Und dann entnahm er einerSchachtel auf der Anrichte eine kleine sonderbare Flte;sie sah aus wie aus Stroh geflochten. Und um sie aufzu-

    heitern, begann er zu spielen. Aber whrend er spielte, be-kam Lucy den Wunsch, zu lachen und zu weinen, zu tan-zen und zu schlafen, alles zu gleicher Zeit. Stundenmuten verflossen sein, als sie sich wach rttelte undsagte:

    O Herr Tumnus, es tut mir leid, Sie zu unterbrechen.

    Ihr Spiel ist wunderschn, aber wirklich, ich mu nachHaus. Ich wollte ja nur wenige Minuten bleiben.Der Faun legte seine Flte nieder und schttelte be-

    kmmert den Kopf. Im Augenblick ist es nicht ratsam,sich hinauszubegeben.

    Nicht ratsam? fragte Lucy. Sie sprang auf und war

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    recht erschrocken. Was wollen Sie damit sagen? Ich musofort heim. Die andern werden sich wundern, wo ich ge-

    blieben bin. Aber gleich darauf fragte sie: Herr Tum-nus, was haben Sie denn? Die braunen Augen des HerrnTumnus hatten sich mit Trnen gefllt, schon tropften sieauf seine Wangen, liefen ihm ber die Nase, und schlie-lich bedeckte er sein Gesicht mit beiden Hnden undschluchzte.

    Herr Tumnus, Herr Tumnus, rief Lucy bestrzt.Nicht doch, nicht doch! Was fehlt Ihnen denn? FhlenSie sich nicht wohl? Lieber Herr Tumnus, so sagen Sie esmir doch. Ist Ihnen schlecht? Aber der Faun schluchzteweiter, als wollte ihm das Herz brechen. Ja, sogar als Lucyihn umarmte und ihm ihr Taschentuch reichte, hrte ernicht auf zu weinen. Er nahm das Tuch und benutzte es;

    sobald es zu na war, wand er es aus, und Lucy standschlielich fast in einer Pftze.

    Herr Tumnus! schrie sie ihm ins Ohr und schttelteihn. Hren Sie doch auf! Hren Sie sofort auf! Ein gro-er, erwachsener Faun wie Sie! Schmen Sie sich doch!Warum weinen Sie eigentlich so sehr?

    Ach, schluchzte er, ich weine, weil ich ein so bserFaun bin.

    Ich glaub' gar nicht, da Sie ein bser Faun sind. Siesind der netteste Faun, den ich jemals getroffen habe.

    Wenn Sie alles wten, dann wrden Sie das nicht sagen.Ich bin wirklich ein bser Faun. Ich glaube, seit Weltbeginn

    gab es keinen schlechtem.Aber was haben Sie denn getan?Mein alter Vater - dort ber dem Kamin hngt sein

    Bild - htte niemals Derartiges getan.Was denn? fragte Lucy.Das, was ich tat. Der Faun schluchzte weiter. Diener

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    der Weien Hexe zu werden! Das bin ich nmlich. Ich stehein ihrem Sold.

    Die Weie Hexe? Wer ist denn das?

    Ei nun! Sie hat ganz Narnia unter ihrer Fuchtel. Siemacht immerzu Winter. Immerzu Winter und niemalsWeihnachten! Stellen Sie sich das einmal vor!

    Wie schrecklich, sagte Lucy. Aber wofr bezahlt sieSie denn?Das ist ja das Schlimmste von allem, klagte Herr

    Tumnus mit einem Seufzer. Ich bin ihr Werber, ihrMenschenfnger. Ja, das bin ich. Sehn Sie mich nur an,Evastochter. Wrden Sie das fr mglich halten? Ich ge-hrte zu der Sorte von Faunen, die arme, unschuldigeKinder, wenn sie ihnen im Walde begegnen, Kinder, dieihnen niemals etwas zuleide getan haben, freundlich inihre Hhle einladen, nur um sie einzulullen und dann derweien Zauberin auszuliefern.

    Nein, sagte Lucy, so etwas knnten Sie nie tun.Doch, ich tat es! jammerte der Faun.Nun denn, begann Lucy mglichst ruhig, sie wollte

    nicht zu schroff mit ihm sein, sondern ihn trsten, daswar wirklich schlecht, aber da es Ihnen so leid tut, werden

    Sie es nun bestimmt nicht wieder tun.Ach, Evastochter, Sie verstehn mich gar nicht. Ich er-

    zhle nicht nur so irgend etwas. Ich habe es nicht schonfrher getan. Ich tue es eben jetzt.

    Was soll das heien? schrie Lucy und erbleichte.Sie sind das Kind, klagte Herr Tumnus. Ich hatte

    Befehl von der Hexe, sollte ich jemals eine Evastochteroder einen Adamssohn im Walde antreffen, dann htteich sie zu fangen und ihr auszuliefern. Und wie ich Ihnen

    begegnete - Sie waren die erste, die ich jemals sah -, tatich, als sei ich Ihr Freund, bat Sie zum Tee und wartete die

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    ganze Zeit nur darauf, da Sie einschliefen. Dann wollteich zu ihr gehn, es ihr erzhlen und Sie ihr ausliefern.

    Aber das werden Sie doch nicht tun, Herr Tumnus!Nein, das tun Sie sicherlich nicht. Sie drfen es nicht tun.

    Wenn ich es nicht tue, jammerte er und weinte aufsneue, wird sie es bestimmt herausbekommen. Sie wirdmir den Schwanz abschneiden und die Hrner absgenund meinen Bart ausrupfen, und sie wird ihren Zauberstabber meine schn gespaltenen Hufe schwingen und sie inscheulich verklumpte Hornbatzen verzaubern, wie es diearmen Pferde haben. Falls sie besonders wtend ist, wird siemich versteinern, ich werde nur noch als eine Faunfigurneben den vier Thronen in ihrem schrecklichen Haus aufFeeneden stehn. Gott wei, was alles geschehn kann undnoch draus werden wird.

    Es tut mir sehr leid, Herr Tumnus, aber bitte lassen Siemich jetzt nach Hause.

    Selbstverstndlich sollen Sie nach Hause gehn. Auchich halte es nun fr das beste. Ich sehe es ein. Bevor ich Sietraf, wute ich nicht, wie Menschen sind. Seitdem ich Siekenne, kann ich Sie nicht der Hexe ausliefern. Doch wir

    mssen sofort weg. Wenn Sie nur erst an der Laterne w-ren. Ich hoffe, von da aus werden Sie den Weg nachWandschrank leicht finden.

    Bestimmt finde ich ihn.Wir mssen so rasch wie mglich fort, drngte er.

    Der ganze Wald wimmelt von Spionen. Sogar einige

    Bume stehn auf ihrer Seite.Sie lieen das Teegeschirr auf dem Tisch. Herr Tum-nus spannte seinen Regenschirm auf und reichte Lucy denArm. Sie liefen hinaus in den Schnee; ach, wie anders warder Rckweg nun. Ohne ein Wort zu sprechen, stolpertensie so schnell wie mglich vorwrts. Herr Tumnus whlte

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    die dunkelsten Pfade. Lucy war erleichtert, als sie die La-

    terne erreicht hatten.

    Finden Sie von hier aus Ihren Weg? fragte er.Lucy sphte durch die Bume. In einiger Entfernungkonnte sie gerade noch einen Schimmer erkennen, derwie Tageslicht aussah.

    Ja, rief sie. Ich sehe die Schranktr.Dann sputen Sie sich, so rasch Sie nur knnen. Und

    werden Sie mir jemals vergeben ... fr das, was ich Ihnenantun wollte?Natrlich vergebe ich Ihnen. Lucy schttelte ihm

    herzlich die Hand. Ich hoffe nur, Sie kommen meinet-wegen nicht in schreckliche Unannehmlichkeiten.

    Leben Sie wohl, sagte er, darf ich das Taschentuchbehalten?

    Aber gewi doch, rief Lucy, und so schnell es nurging und ihre kleinen Beine sie trugen, rannte sie auf dasTageslicht zu; bald darauf streiften sie keine rauhenZweige mehr, blo Mntel, und unter ihren Fen sprtesie keinen Schnee, sondern Holzboden, und schon sprangsie mit einem Satz aus dem Wandschrank und stand in

    dem leeren Zimmer, wo das ganze Abenteuer begonnenhatte. Sie schlug die Schranktr fest hinter sich zu,schnappte nach Luft und schaute sich um. Es regnetenoch, und sie hrte die Stimmen der andern drauen imGang.

    Da bin ich wieder, da bin ich wieder! schrie sie.

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    EDMUND UND DER WANDSCHRANK

    ucy rannte aus dem leerenZimmer in den Flur hinaus und traf dort die drei anderen.

    Ich bin zurck! rief sie. Ich bin zurck!Wovon redest du eigentlich, Lucy? fragte Suse.Ja, habt ihr euch denn nicht gewundert, wo ich so

    lange geblieben bin? fragte sie erstaunt.Du hattest dich versteckt, meinte Peter. Arme alteLu, versteckt sich, und wir bemerken es gar nicht. Wenndu willst, da wir dich vermissen, mut du dich schon lngerverstecken.

    Aber ich bin ja viele Stunden lang fortgewesen, versi-

    cherte Lucy.Die andern starrten sie an.Edmund tippte an seine Stirn. bergeschnappt, vllig

    bergeschnappt, brummte er.Was meinst du eigentlich damit, Lu? fragte Peter.Genau was ich sagte. Ich bin gleich nach dem Frh-

    stck in den Wandschrank und blieb viele Stunden langfort, hab' Tee getrunken, und es hat sich sehr viel ereig-net.

    Sei doch nicht so albern, Lucy, schalt Suse. Wir sindeben erst aus dem Zimmer heraus, und da warst du nochmit uns zusammen.

    Sie ist gar nicht so albern, sagte Peter. Sie erfindet

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    blo eine Geschichte, um sich wichtig zu machen. Gell,Lucy, und warum auch nicht?

    Nein, nein, Peter, nein! Es ist ein Zauberschrank. ImInnern ist ein Wald. Da schneit es, und ein Faun und eineHexe sind dort. Das Land heit Narnia. Komm mit undberzeuge dich davon.

    Die andern wuten nicht, was sie sagen sollten. Lucywar furchtbar aufgeregt, und so folgten sie ihr in das Zim-mer. Sie lief voraus und ri die Schranktr auf. Da, gehthinein! schrie sie. Schaut selbst nach.

    Aber, du Dummerchen, sagte Suse, steckte ihrenKopf in den Schrank und zog die Pelzmntel beiseite. Esist doch nur ein ganz gewhnlicher Schrank. Dahinten istdie Wand.

    Einer nach dem andern schaute hinein und schob die

    Mntel zur Seite. Lucy sah es nun auch. Sie fand keinenWald und keinen Schnee, nur die Rckwand mit Kleider-haken daran. Peter stieg hinein und polterte sogar mit denFusten an die Wand.

    Ein guter Spa, Lucy, sagte er lachend, als er wiederherauskam.

    Du hast uns schn angefhrt, alle Achtung. Fast ht-ten wir dir geglaubt.

    Aber es war doch gar kein Spa, versicherte Lucy.Noch gerade eben war alles ganz anders. Ehrenwort!

    Komm, Lu, beruhigte sie Peter. Das geht doch einbichen zu weit. Du hast deinen Spa mit uns gehabt, und

    nun mach Schlu damit.Sie wurde ber und ber rot, versuchte etwas zu sagen,

    konnte aber kein Wort herausbringen und brach in Trnenaus.

    Einige Tage lang fhlte sie sich sehr unglcklich. Siewre mit den andern ganz gut ausgekommen, wenn sie

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    selbst berzeugt gewesen wre, da sie alles nur zumScherz erfunden hatte. Aber Lucy war beraus wahrheits-liebend und wute genau, da sie die Wahrheit gesagthatte. Nun machte es sie sehr unglcklich, da die andernglaubten, sie htte ihnen etwas vorgelogen, und nochdazu albernes Zeug.

    Die zwei ltesten dachten sich nicht viel dabei, dochEdmund konnte boshaft werden, und jetzt wurde er bos-haft. Er verspottete und verhhnte Lucy und fragte sieunablssig, ob sie in andern Schrnken des Hauses neueLnder entdeckt habe. Dabei waren die Tage so herrlich.Das war das Schlimmste von allem. Das Wetter war

    prachtvoll, und sie lebten von frh bis spt im Freien, ba-deten, fischten, kletterten in den Bumen und lagen in derHeide. Lucy jedoch hatte an nichts Freude, und das dauerte

    bis zum nchsten Regen.Als an diesem Tag bis gegen Abend keine Aussicht auf

    besseres Wetter war, beschlossen die Kinder, Verstek-ken zu spielen. Suse sollte suchen, und sowie die andernverschwunden waren, huschte Lucy in das leere Zimmer.Sie wollte sich nicht im Wandschrank verstecken, dann

    wrden die andern sie nur aufs neue mit der vertracktenGeschichte aufziehn. Sie wollte nur noch einmal hinein-schauen, denn allmhlich fragte sie sich selbst, ob Narniaund der Faun nicht doch blo ein Traum gewesen seien.Das Haus war so weitlufig, so unbersichtlich und vollherrlicher Winkel, da ihr noch gengend Zeit blieb, sich

    dann anderswo zu verbergen. Doch kaum war sie in demleeren Zimmer, hrte sie auf dem Gang drauen Schritte,und so blieb ihr nichts anderes brig, als mit einem Satz inden Wandschrank zu springen und die Tr hinter sichfestzuhalten. (Sie lie das Schlo nicht zuschnappen,denn - ich erwhnte es schon - sie war keineswegs so t-

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    richt sich in einen Schrank einzuschlieen, noch dazu ineinen Zauberschrank.) Nun, die Schritte, die sich nher-ten, waren Edmunds Schritte. Er trat ins Zimmer und saheben noch Lucy in den Wandschrank huschen. Er be-schlo sofort, ihr nachzukriechen, nicht etwa weil das ein

    besonders gutes Versteck war, sondern weil er sie wiedermit dem Land ihrer Einbildung hnseln wollte. Er ffnetedie Tr. Die Mntel hingen wie gewhnlich dort, ineinem Geruch von Mottenzeug, in Finsternis und Stille.Kein Lebenszeichen von Lucy. Sie glaubt, ich bin dieSuse und hinter ihr her, sagte sich Edmund, deshalbverhlt sie sich so mucksmuschenstill. Er sprang in denWandschrank und warf die Tr zu. Er berlegte nicht,wie tricht das ist. Dann tastete er in der Dunkelheit nachLucy. Er hatte geglaubt, sie in wenigen Momenten zu er-

    wischen, und war hchst erstaunt, da er sie nirgendsfand. Um Licht hereinzulassen, versuchte er, die Tr wiederzu ffnen, aber da war keine Tr. Das gefiel ihm garnicht, und er begann nach allen Seiten wild um sich zuschlagen. Dann brllte er sogar los:

    Lucy, Lu, wo bist du? Ich wei, du steckst hier drin.

    Keine Antwort. Seine Stimme hatte einen merkwrdigen Klang,gar nicht wie in einem verschlossenen Schrank, sondernwie in der freien Luft drauen, zudem war es auffallendkalt, und pltzlich wurde es hell.

    Gott sei Dank, sagte er. Die Tr hat sich von selbstgeffnet. Er verga Lucy und ging, als sei es die offene

    Tr, auf das Licht zu, aber statt in das unbewohnte Zim-mer zu kommen, war er pltzlich mitten im Wald zwi-schen dichten, dunkeln Tannen. Unter seinen Fenknirschte trockener Schnee, und auf den Baumzweigenlag er wei und schwer. ber ihm war ein blablauerWinterhimmel. Zwischen den Baumstmmen stieg so-

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    eben die Sonne auf, rot und klar. Es war so still, als sei erdas einzige lebende Wesen in dieser Gegend. In den Bu-men gab es weder ein Rotkehlchen noch ein Eichhrn-

    chen. Der Wald dehnte sich, so weit die Blicke reichtennach allen Seiten. Er frstelte, und nun erinnerte er sich:Hatte er nicht Lucy gesucht? Und sie schlecht behandelt?Jetzt sah er: Das Land ihrer Einbildung war keine Einbil-dung. Irgendwo in der Nhe mute sie doch sein, und errief laut:

    Lu! Ich bin hier, Edmund!Keine Antwort.Sie bockt, weil ich sie geneckt habe. Obgleich es ihm

    auch jetzt noch nicht gefiel, einzugestehn, da er unrechtgehabt hatte, war es ihm doch noch weniger lieb, so ganzallein in dieser seltsamen, kalten, stillen Landschaft zu

    sein, und so schrie er abermals:Lu, es tut mir leid, da ich dir nicht geglaubt habe.

    Jetzt sehe ich, du hattest recht. Komm doch, wir wollenuns wieder vertragen.

    Noch immer keine Antwort.Ganz wie ein Mdchen, grollte Edmund. Albern,

    wie sie nun einmal sind. Erst schmollen sie, und dann m-gen sie keine Entschuldigung annehmen. Er schaute sichwieder um. Immer weniger gefiel es ihm hier. Er be-schlo, heimzugehn. Da hrte er von fern aus dem WaldeSchellengelut. Er lauschte. Der Ton kam nher, undschlielich sah er einen niedrigen Schlitten mit zwei Ren-

    tieren.Die Rentiere glichen Ponys, und ihr Fell war soblendend wei, da sogar der Schnee daneben nicht mehrso wei leuchtete. Ihre verzweigten Hrner waren ver-goldet und flammten in der Sonne wie Feuer. Ihr Zaum-zeug aus scharlachrotem Leder war mit Glckchen behngt.

    Im Schlitten sa ein dicker Zwerg, der die Rentiere kut-

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    schierte. Wenn er sich aufgerichtet htte, wre er sicher-lich nur drei Fu hoch gewesen. Er war in einen weien

    Brenpelz gehllt. Auf dem Kopf trug er eine rote Mtze, ander eine lange goldene Quaste hing. Ein riesiger Bartbedeckte seine Knie wie eine Decke. Hinter ihm, in derMitte des Schlittens, sa auf einem erhhten Sitz eine an-dere Gestalt, eine vornehme Dame. Sie war grer als alleFrauen, die Edmund bisher gesehn hatte. Ebenso wie der

    Zwerg war auch sie bis zum Hals in weien Pelz gehllt,und in ihrer rechten Hand hielt sie einen langen, geraden,goldenen Stab. Auf dem Kopf trug sie eine goldeneKrone. Ihr Gesicht war wei, viel weier als Schnee, Papieroder Puderzucker, im Gegensatz zu ihrem roten Mund.Ihr Gesicht war schn, jedoch stolz, kalt und streng. Eswar ein herrlicher Anblick, wie der Schlitten mit seinemGelut auf Edmund zuglitt. Der Zwerg knallte mit derPeitsche, und zu beiden Seiten sprhte der Schnee.

    Halt an! rief die Dame. Der Zwerg bremste so jh,da die Rentiere sich fast auf den Boden niedersetzten.Dann richteten sie sich auf, knirschten mit den Zhnenund schnaubten. Aus ihren Nstern dampfte der Atem

    wie Rauch in der frostklaren Luft.Und was ist Er, wenn ich fragen darf? Die Dame sah

    Edmund scharf an.Ich bin ... ich bin ... ich heie Edmund, stammelte er

    sehr verlegen. Ihr Blick mifiel ihm.Die Dame runzelte die Stirn. Redet man so zu einer

    Knigin? fragte sie und sah ihn noch strenger an als zuvor.Majestt, ich bitte um Entschuldigung. Ich wute nicht,

    da Sie eine Knigin sind.

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    Er kennt die Knigin von Narnia nicht? rief sie. Ha!Er soll uns noch kennenlernen! Was ist Er?

    Verzeihung, Majestt. Ich wei nicht, was Sie meinenIch war vor einigen Tagen noch auf der Schule jetzt... haben wir ... Ferien.

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    TRKISCHER HONIG

    ber was um alles in derWelt ist Er? fragte die Knigin wieder, ist Er ein ber-groer Zwerg, der sich den Bart abgeschnitten hat?

    Nein, Majestt, sagte Edmund. Ich hatte nie einenBart. Ich bin ein Junge.

    Ein Junge! rief sie. Heit das, da Er ein Adams-sohn ist?Edmund stand regungslos und antwortete nicht. Er

    war noch zu verwirrt und verstand die Frage nicht.Ich sehe, Er ist ein Idiot, was Er auch sonst sein mag,

    sagte die Knigin. Ich verliere meine Geduld! Antworte

    Er mir endlich. Ist Er ein Mensch?Ja, Majestt.Und will Er mir sagen, wie Er in mein Reich kam?Bitte sehr, Eure Majestt, durch einen Wandschrank.Durch einen Wandschrank? Was meint Er damit?Ich habe eine Tr geffnet, und auf einmal war ich

    hier, Eure Majestt, antwortete Edmund.Ha, sprach die Knigin mehr zu sich selbst. Eine

    Tr, eine Tr aus der Menschenwelt. Davon hatte ichschon gehrt. Das kann zum Verderben fhren. Aber es istnur einer allein, mit dem werde ich leicht fertig! Nachdiesen Worten richtete sie sich auf und schaute Edmundvoll ins Gesicht. Ihre Augen blitzten, und im gleichen Au-

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    genblick schwang sie ihren Stab. Edmund sprte, da sieim Begriff war, etwas Schreckliches zu tun, aber er war un-fhig, sich von der Stelle zu rhren. Da ... als er sich bereitsverloren gab, nderte sie anscheinend ihren Entschlu. Miteiner ganz andern Stimme sagte sie: Das arme Kind, wieverfroren es aussieht. Komm Er her, setze Er sich zu mir inden Schlitten. Ich werde meinen Mantel ber Ihn ausbreiten,und wir wollen plaudern.

    Edmund gefiel das gar nicht, aber er wagte nicht, unge-horsam zu sein. Er stieg also in den Schlitten und setztesich zu ihren Fen. Sie umhllte ihn mit einer Falte ihresPelzmantels und packte ihn hbsch warm ein.

    Vielleicht mchte Er etwas Heies trinken?O ja, bitte, Eure Majestt, sagte Edmund, denn seine

    Zhne klapperten. Da zog die Knigin aus ihrem Gewand

    ein Flschchen hervor, das blinkte wie Kupfer. Dannstreckte sie den Arm aus und lie einen Tropfen neben denSchlitten in den Schnee fallen. Edmund sah den Tropfeneine Sekunde lang wie einen Diamanten in der Luft glit-zern. Sowie er den Schnee berhrte, gab es einen zischen-den Laut, und ein dampfender Becher, mit Juwelen ge-

    schmckt, stand im Schnee. Der Zwerg hob ihn sogleichauf und berreichte ihn Edmund mit einer Verbeugungund einem Lcheln. Es war kein sehr schnes Lcheln.

    Als Edmund den heien Trank schlrfte, wurde ihmschon viel wohler. Nie zuvor hatte er etwas derart Kstlichesgenossen. Es war sehr s und sahnig, perlte und wrmte

    ihn bis zu den Zehen hinunter.Es ist unbefriedigend, Adamssohn, zu trinken, ohne zu

    essen, sagte die Knigin gleich darauf. Was mchte Eram liebsten essen?

    Trkischen Honig, bitte, Eure Majestt, sagte Ed-mund.

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    Die Knigin lie einen andern Tropfen aus ihrer Fla-sche in den Schnee fallen, und sogleich erschien dort einerunde Schachtel, die mit einer grnseidenen Schleife ge-

    bunden war. Darin war bester trkischer Honig, gleichmehrere Pfund, und jedes Stckchen war bis zuletzt zartund s. Edmund hatte nie so Leckeres geschmaust. Jetztwar er vollstndig warm und fhlte sich sehr behaglich.

    Whrend er a, fragte ihn die Knigin aus. Zuerst gabsich Edmund Mhe, nicht mit vollem Mund zu reden. Ererinnerte sich noch daran, wie ungezogen das ist, aber

    bald verga er es und dachte an nichts anderes, als sovieltrkischen Honig wie nur mglich in sich hineinzustopfen;doch je mehr er a, um so gieriger verlangte er danach. Eskam ihm gar nicht in den Sinn zu berlegen, warum dieKnigin so neugierig war. Er mute ihr erzhlen, da er

    noch einen Bruder und zwei Schwestern hatte, da eineSchwester bereits in Narnia gewesen und hier einem Faun

    begegnet sei und da kein anderer auer ihm selbst, seinemBruder und seinen Schwestern das geringste von Narniawte. Sie wollte gar nicht glauben, da sie ihrer vierwaren. Sie kam immer wieder darauf zurck.

    Seid ihr bestimmt vier? fragte sie. Ganz bestimmtvier? Zwei Adamsshne und zwei Evastchter? Ausge-rechnet vier? Nicht mehr oder weniger?

    Den Mund voll von trkischem Honig, wiederholte er.Aber ja doch, ich erzhlte es Ihnen ja schon. Und er ver-ga sogar, sie mit Eure Majestt anzureden. Doch jetzt

    schien sie das gar nicht zu stren. Zuletzt war der trki-sche Honig aufgegessen, und Edmund sah enttuscht indie leere Schachtel. Er hoffte, sie wrde ihm noch mehrdavon anbieten. Die Knigin wute natrlich genau, waser dachte; aber er ahnte nicht, da es verzauberter trki-scher Honig war und da jeder, der einmal davon geko-

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    stet hatte, mehr und immer mehr haben wollte, ja so langeimmer wieder danach begehrte, bis er starb. Aber sie botihm nichts mehr an, sondern sagte:

    Adamssohn, ich wrde so gern Seinen Bruder undSeine zwei Schwestern sehn. Bring Er sie mir, damit ichsie kennenlerne.

    Ich werde es versuchen, meinte Edmund. Er gucktenoch immer in die leere Bchse.

    Wenn Er wiederkommt und sie mitbringt, kann Er soviel trkischen Honig haben, wie Er will. Aber jetzt nichtmehr. Der Zauber wirkt nur einmal. In meinem eigenenHaus ist es natrlich anders.

    Warum gehn wir nicht schon jetzt zu Ihnen? fragteEdmund.

    Als er vorhin in den Schlitten gestiegen war, frchtete

    er, sie wrde mit ihm irgendwohin fahren, von wo aus ernicht mehr nach Hause fnde. Aber jetzt hatte er alleFurcht verloren.

    Mein Haus ist herrlich, erzhlte die Knigin. Eswird Ihm sicher dort sehr gut gefallen. Da gibt es ganzeZimmer voll von trkischem Honig und viel anderes

    mehr. Aber was wichtiger ist, ich habe keine eigenen Kin-der, ich wnschte mir schon lange einen netten Jungen,aus dem ich einen Prinzen machen knnte. Nach meinemTod wrde er Knig von Narnia werden. Sobald er Prinzist, wird er eine goldene Krone tragen, und dann kann er

    jeden Tag so lange trkischen Honig essen, wie er mag.

    Er ist der gescheiteste und hbscheste Junge, dem ich je-mals begegnet bin. Ich glaube, ich werde Ihn eines Tageszum Prinzen erklren ... an dem Tag, an dem Er mit denandern zu mir kommt.

    Warum nicht schon jetzt? fragte Edmund. Sein Ge-sicht war rot geworden, und mit seinem klebrigen Mund

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    und seinen klebrigen Fingern sah er gar nicht mehrhbsch aus, was auch die Knigin sagen mochte.

    Nein, wenn ich Ihn jetzt mit mir nhme, wrde ichSeine Schwestern und Seinen Bruder nicht zu Gesicht

    bekommen. Zu gern machte ich die Bekanntschaft seinerliebwerten Verwandtschaft. Kein Zweifel, Er wird Prinzund spter Knig. Aber Er braucht einen Hofstaat umsich, und so will ich Seinen Bruder zum Herzog ernennenund Seine Schwestern zu Herzoginnen.

    Ach, mit denen ist nicht viel los, sagte Edmund,die kann ich auch spter noch bringen.

    Nein, wenn Er erst einmal in meinem Haus ist, er-klrte die Knigin, knnte Er alles vergessen. Er htteso viel Vergngungen, da Er kein Verlangen mehrhtte, sie herbeizuholen. Nein, Er mu jetzt in sein eigenes

    Land zurck und eines Tages mit ihnen wiederkommen.Versteht Er das? Es wrde Ihm schlecht bekommen,wenn Er sich ohne sie hier sehn liee.

    Aber ich wei ja gar nicht mehr den Weg in meineigenes Land.

    Das ist keine Schwierigkeit, sagte die Knigin.

    Sieht Er die Laterne dort? Sie zeigte mit ihrem Stab.Edmund wandte sich um und erblickte die Straenla-terne, unter der Lucy dem Faun begegnet war. Dahinterfhrt der Weg geradeaus in die Menschenwelt. Nun seheEr sich den andern Weg an. Dabei drehte sie sich nachder entgegengesetzten Richtung. Kann Er die beiden

    Hgel hinter den Bumen erkennen?Ich glaube, ja.Nun, zwischen diesen Hgeln liegt mein Palast.

    Wenn Er das nchste Mal kommt, mu Er die Stra-enlaterne suchen, die Blicke auf jene zwei Hgel rich-ten und den Wald durchschreiten, bis Er mein Haus er-

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    reicht. Aber vergesse Er nicht, die andern mitzubringen.Kme Er ohne sie, dann wrde es Ihm sehr bel er-gehn.

    Ich werde tun, was ich kann, versprach Edmund.Im brigen erwhne Er mich nicht. Wre es nicht

    hbsch, es bliebe zwischen uns geheim? Was meint Erdazu? berrasche Er die Geschwister damit! Bringe Ersie gerade nur bis zu den Hgeln. Ein gescheiter Jungewie Er wird das schon zustande bringen und eine Ausredefinden. Sobald Er an meinem Haus ist, sagt Er blo ,Latuns einmal hineinschaun und nachsehn, wer da wohntoder so etwas hnliches. Ich glaube, so geht es am

    besten. Da Seine Schwester einen Faun kennengelernthat, wird sie allerhand hliche Geschichten ber michgehrt haben und sich frchten, zu mir zu kommen. Was

    schwatzen Faune nicht alles zusammen, das kann Er sichdenken. Und jetzt ...

    Ach, bitte, bitte, rief Edmund, nachdem er aus demSchlitten gestiegen war, bitte, kann ich noch ein bichentrkischen Honig fr den Heimweg haben?

    Nein, nein, sagte die Knigin lachend. Da mu Er

    schon bis zum nchstenmal warten. Noch whrend siesprach, gab sie dem Zwerg ein Zeichen, loszufahren,aber als der Schlitten davonglitt, winkte die Knigin undrief: Das nchste Mal, das nchste Mal! Vergesse Ernicht und komme Er bald!

    Edmund starrte dem Schlitten nach, da hrte er sei-

    nen Namen rufen, er schaute sich um und sah Lucy voneiner andern Seite des Waldes auf sich zukommen.

    O Edmund, rief sie, du hast also auch den Weghierher gefunden. Ist es nicht wunderbar? Und nun ...

    Schon recht, unterbrach sie Edmund. Ich gebealles zu, du hattest recht. Es ist ein Zauberschrank. Ich

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    will Abbitte leisten, wenn dir daran liegt. Doch wo hast duso lange gesteckt? berall habe ich dich gesucht.

    Htte ich gewut, da du auch hierherkommst, htteich auf dich gewartet, entschuldigte sich Lucy. Wie ber-aus glcklich war sie, wie aufgeregt; sie bemerkte garnicht, wie schnippisch Edmund redete, wie erhitzt seinGesicht aussah und wie seltsam.

    Ich habe mit dem lieben Herrn Tumnus, dem Faun,gefrhstckt. Er ist wohlauf. Die Weie Hexe hat ihmnichts zuleide getan. Sie hat wahrscheinlich gar nicht er-fahren, da er mich gehn lie, und nun wird wohl allesgut werden.

    Die Weie Hexe? fragte Edmund. Wer ist das?Eine schreckliche Person, sagte Lucy. Sie nennt sich

    Knigin von Narnia, hat aber kein Recht dazu. Sie ist gar

    keine Knigin. Alle Faune, Wald- und Brunnennymphen,die Zwerge und die Tiere, alle Guten im Land hassen sie.Sie kann alles in Stein verwandeln und ihnen schrecklicheDinge antun. Durch ihre Zauberei ist in Narnia immerzuWinter und niemals Weihnachten! Sie fhrt in einemSchlitten umher, den Rentiere ziehn. Sie hat einen Zau-

    berstab in der Hand und eine Krone auf dem Kopf.Edmund fhlte sich schon unbehaglich genug, da er

    zuviel Ses gegessen hatte, und als er nun hrte, da dieDame, mit der er sich angefreundet hatte, eine gefhrlicheHexe sei, wurde ihm noch unbehaglicher zumute. Dochdachte er noch an den trkischen Honig und begehrte nichts

    so sehr, als ihn wieder zu schlecken.Wer erzhlte dir denn solchen Unsinn ber die Weie

    Hexe? fragte er.Der Faun, der Herr Tumnus.Man kann nicht alles glauben, was solche Faune re-

    den.

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    Warum denn nicht?Das wei doch jeder. Frag, wen du willst. Aber es ist

    ein zweifelhaftes Vergngen, hier im Schnee herumzu-lungern. La uns nach Hause gehn.Ja, nach Hause, stimmte ihm Lucy zu. Ach, Ed-

    mund, ich bin so glcklich, da du gekommen bist. Nunmssen auch die andern an Narnia glauben. Jetzt sindschon zwei von uns hier gewesen. Was wird das fr einen

    Spa geben!Doch Edmund dachte im stillen, da es fr ihn gar keinsolcher Spa sei; jetzt mute er vor den andern zugeben,da Lucy im Recht gewesen war. Er war fest berzeugt,die andern wrden alle ganz auf Seiten des Fauns und derTiere stehn. Er aber war schon fast ganz auf Seiten derZauberin. Wie sollte er das Geheimnis bewahren, wenndie andern ber Narnia sprachen?

    Inzwischen waren sie ein groes Stck gelaufen, undpltzlich sprten sie Mntel um sich statt der Zweige, undim nchsten Augenblick standen sie beide auerhalb desWandschranks im leeren Zimmer. Edmund hatte zwar t-richterweise die Schranktr ins Schlo geworfen, aber die

    andern hatten nach den beiden im Wandschrank gesuchtund nicht gut zugeschlossen.

    Edmund, rief Lucy, wie siehst du aus? Ist dirschlecht?

    Mir fehlt nichts, brummte Edmund. Aber das warnicht wahr. Er fhlte sich recht elend.

    Komm, bat Lucy. Wir wollen die andern suchen.Was haben wir ihnen alles zu erzhlen, und welch wun-derbare Abenteuer erwarten uns, wenn wir erst einmalalle miteinander dort sind!

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    ZURCK AUS NARNIA

    ie andern spielten nochimmer Verstecken, so brauchten Lucy und Edmund einigeZeit, um sie zu finden, und als sie endlich alle beisammenwaren - in dem Saal mit den Rstungen -, sprudelte Lucylos.

    Peter, Suse, es ist alles wahr. Edmund hat es nun auchgesehn. Man kommt wirklich durch den Wandschrank inein anderes Land. Wir beide trafen uns dort im Wald.Los, Edmund, erzhl es ihnen.

    Was soll das heien, Ed? fragte Peter.Und jetzt sind wir an der unangenehmsten Stelle unse-

    rer Geschichte. Bis zu diesem Augenblick hatte sich Ed-mund verdrielich, elend und verrgert gefhlt, weil Lucyrecht gehabt hatte; nun wute er sich nicht mehr zu helfen,weil Peter ihn so pltzlich fragte, und so entschlo er sichzum denkbar Hlichsten und Gemeinsten, nmlich Lucyim Stich zu lassen.

    So erzhl doch schon, Ed, drngte Suse.Edmund tat sehr berlegen, als sei er der viel ltere -dabei war blo ein Jahr Unterschied zwischen Lucy undihm -, dann sagte er von oben herab: Nun ja, Lucy undich spielten zusammen. Wir taten so, als gbe es wirklichein Land im Wandschrank. Nur so zum Spa natrlich.Es ist natrlich nichts da.

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    Die arme Lucy warf ihm einen Blick zu und rannte ausdem Zimmer. Edmund, der jeden Augenblick unausstehli-cher wurde, bildete sich ein, groen Erfolg zu haben, undfgte noch hinzu: Da luft sie wieder weg. Was hat siedenn nur? Man hat seine liebe Not mit so kleinen Gren,weil sie immer ...

    Hr einmal, rief Peter wtend, mach jetzt Schlu da-mit! Du hast dich geradezu ekelhaft gegen Lucy benom-men schon von dem Augenblick an, wo sie den Unsinn mit

    dem Schrank aufbrachte. Nun spielst du auch noch sodummes Zeug mit ihr und setzt ihr den Bldsinn aufs neue inden Kopf. Ich glaube, du tust es aus lauter Bosheit.

    Aber es ist ja doch alles Unsinn, sagte Edmund be-strzt.

    Selbstverstndlich ist es Unsinn, besttigte Peter.

    Das ist es eben. Als wir von daheim abreisten, war Lucyvllig in Ordnung, aber seitdem wir hier sind, scheint sieentweder bergeschnappt zu sein und es geht alles in ihremKopf durcheinander, oder sie hat sich in eine Lgnerinverwandelt. Nun, wie dem auch sei, was versprichst du dirdavon: An einem Tag verhhnst du sie und am nchsten

    ermutigst du sie noch.Ich dachte, ich dachte ..., stammelte Edmund.Du hast dir berhaupt nichts gedacht, schalt Peter.

    Es ist lediglich Gemeinheit. Du benimmst dich gegen Jn-gere immer ekelhaft. Das kennen wir von der Schule her.

    Hrt bitte auf, bat Suse. Streit zwischen uns macht

    die Sache nicht besser. Wir wollen uns um Lucy km-mern.

    Sie waren nicht berrascht, als sie bald darauf Lucy inTrnen aufgelst fanden. Was sie auch sagten, sie hielt anihrer Geschichte fest und erklrte:

    Mir ist es ganz gleich, was ihr denkt, und mir ist es auch

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    gleich, was ihr sagt. Ihr knnt es dem Professor erzhlenoder an Mutter nach Hause schreiben. Ihr knnt machenwas ihr wollt. Ich wei, ich bin einem Faun begegnet, achich wnschte, ich wre in jenem Land geblieben! Ihr seidalle Ekel, Ekel seid ihr!

    Es war ein unerfreulicher Abend. Lucy war unglck-lich, und Edmund sah ein, da es mit seinem Plan nicht soging, wie er erwartet hatte. Die zwei lteren Geschwisterglaubten tatschlich, Lucy sei nicht mehr richtig im Kopf.Sie standen im Flur und sprachen darber, und nochlange, nachdem Lucy zu Bett gegangen war, flstertenund tuschelten sie miteinander.

    Am nchsten Morgen beschlossen sie, dem Professordie ganze Geschichte zu erzhlen. Wenn er glaubt, damit Lucy irgend etwas nicht stimmt, wird er an Vater

    schreiben, sagte Peter, denn was verstehn wir schon da-von! Sie begaben sich also vor das Studierzimmer undklopften an die Tr.

    Der Professor rief: Herein, erhob sich, holte Sthlefr sie und sagte, er stnde ganz zu ihrer Verfgung.Dann setzte er sich, legte die Fingerspitzen aneinander,

    hrte ihnen zu und unterbrach sie nicht ein einziges Mal,bis sie die ganze Geschichte erzhlt hatten. Dann schwieg erlange, rusperte sich und fragte endlich genau das, was sieam wenigsten erwartet hatten:

    Warum soll die Geschichte eurer Schwester nichtwahr sein?

    Ja, aber ... Suse stockte. Das Gesicht des alten Man-nes war tiefernst. Sie nahm sich zusammen, und dannsagte sie: Edmund erklrte doch, sie htten nur so ge-tan.

    Eben darauf kommt es an. Das mu sorgfltig ber-legt werden. Erlaubt mir die Frage, wem glaubt ihr mehr,

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    eurem Bruder oder eurer Schwester? Wer von beiden hltsich genauer an die Wahrheit?

    Ach, Herr Professor, antwortete Peter, das ist ge-rade das Komische dabei. Bis jetzt htte ich immer gesagt:Lucy.

    Und du, mein liebes Kind, was meinst du? fragte derProfessor und wandte sich an Suse.

    Ach! Eigentlich dasselbe wie Peter, aber das kann ja

    gar nicht wahr sein. Es gibt doch keinen Wald im Kleider-schrank und keinen Faun darin.So, so, sagte der Professor. Da weit du ja mehr als

    ich. Und einen Menschen der Lge zu bezichtigen, derbisher immer die Wahrheit gesagt hat, ist eine sehr ernsteSache.

    Darum befrchten wir auch, da es keine Lgensind, sagte Suse, vielleicht ist Lucy bergeschnappt.Verrckt geworden? fragte der Professor gelassen.

    Macht euch keine Sorgen, man braucht Lucy nur anzu-sehn oder mit ihr zu sprechen und merkt sofort, da sie esnicht ist.

    Aber dann ..., rief Suse und stockte. Sie hatte sichnicht trumen lassen, da ein Erwachsener so redenknnte, wie es der Professor jetzt tat, und wute nunberhaupt nicht mehr, was sie denken sollte.

    Logik, murmelte der Professor, so halb zu sichselbst. Warum lernen sie auf der Schule keine Logik? Esgibt nur drei Mglichkeiten: Entweder lgt eure Schwe-ster, oder sie ist verrckt, oder sie berichtet die Wahrheit.Ihr wit, sie lgt nie, sie ist offensichtlich auch nicht ver-rckt, also: Ehe es sich nicht anders erweist, mssen wirannehmen, da sie die Wahrheit sagt.

    Suse blickte ihn aufmerksam an. Sie konnte ganz deut-lich sehn, da er sie nicht zum besten hielt.

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    Aber, Herr Professor, rief Peter, das kann dochnicht wahr sein!

    Und warum nicht? fragte der Professor.Aus einem ganz einfachen Grund, erklrte Peter.

    Wenn es die Wahrheit wre, warum findet dann nichtjeder dieses Land im Wandschrank? Als ich hinein-schaute, war nichts drin, selbst Lucy konnte es nicht mehrfinden.

    Was bedeutet das schon? fragte der Professor.Nun, Herr Professor, was da ist, ist da und bleibt auch

    fr immer da.Stimmt das? fragte der Professor. Fr immer? Pe-

    ter schwieg, denn er wute nicht, was er darauf antwortensollte.

    Und auerdem, rief Suse, hatte sie gar keine Zeit!

    Lucy konnte nicht irgendwohin gehen, selbst wenn einsolches Land dagewesen wre. Wir waren kaum aus demZimmer, da kam sie schon hinter uns hergerannt, keineMinute war vergangen, aber sie behauptete, viele Stundenlang fort gewesen zu sein.

    Das macht die Geschichte gerade so glaubwrdig,

    sagte der Professor. Falls es nmlich in diesem Haus eineTr gibt, die in eine andere Welt fhrt, und ich mchteauch darauf aufmerksam machen, da es ein ganz unge-whnliches Haus ist - sogar ich wei nur wenig davon -, alsonehmen wir einmal an, Lucy sei durch diese Tr ge-gangen, dann wrde es mich gar nicht berraschen, wenn

    die andere Welt auch eine andere Zeit htte, ihre eigeneZeit. Man kann so lange dort bleiben, wie man will, nie-mals wird es unsere Zeit sein. Jedenfalls glaube ich nicht,da Mdchen ihres Alters derartige Dinge erfinden.Selbst wenn sie es sich nur ausgedacht htte, wrde siesich hten, es zu erzhlen.

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    Ja aber glauben Sie denn wirklich, Herr Professor,fragte Peter, andere Welten sind berall zu finden, undeinfach nur so um die Ecke herum?

    Nichts ist wahrscheinlicher, antwortete der Profes-sor. Er nahm seine Brille von der Nase und putzte siesorgfltig. Dabei murmelte er: Ich frage mich wirklich,was sie ihnen eigentlich auf den Schulen beibringen.

    Aber was soll denn nun geschehn? klagte Suse. Siemerkte, da die Unterredung abschweifte.

    Mein liebes kleines Frulein, sagte der Professor undsah die beiden sehr eindringlich an, es gibt etwas, woranniemand bisher gedacht hat und das einen Versuchlohnte.

    Was denn? fragte Suse.Jeder kmmere sich nur um das, was ihn selbst an-

    geht.Damit war die Unterredung beendet.Es wurde wirklich ein wenig besser fr Lucy. Peter

    sorgte dafr, da Edmund nicht lnger seinen Spott mitihr trieb, und alle, sogar Lucy, vermieden es, den Wand-schrank zu erwhnen. Er war unheimlich geworden. Eine

    Weile sah es so aus, als htten die Abenteuer ein Ende ge-nommen. Das war aber nicht der Fall.

    Das Haus des Professors, das sogar er nicht zur Ge-nge kannte, war so alt und berhmt, da aus ganz Eng-land Leute herbeikamen, um es zu besichtigen. Es war inReisefhrern, ja sogar in Geschichtsbchern beschrieben,

    und man hrte allerhand Gerchte und sonderbare Ge-schichten im ganzen Land, noch sonderbarer als die Ge-schichte, die ich hier erzhle. Wenn solche Besucher ka-men und um Erlaubnis baten, das Haus zu besichtigen,dann erteilte der Professor sie ihnen, und Frau Macready,die Wirtschafterin, bernahm die Fhrung. Sie erklrte

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    ihnen die Gemlde, die Waffen und die seltenen Werke inder Bibliothek. Frau Macready mochte Kinder nicht be-sonders, und sie wollte nicht gestrt werden, wenn sie vorden Fremden ihr Wissen ausbreitete. Bereits am erstenMorgen hatte sie darum zu den Kindern unter andern Er-mahnungen gesagt: Und lat euch ja nicht blicken, wennich Fremde durchs Haus fhre.

    Die tut gerade, als htten wir unsern Spa daran, einenhalben Vormittag lang mit einem Haufen Erwachsenerdurchs Haus zu gondeln, brummte Edmund, und seineGeschwister dachten genau wie er.

    Und damit begannen die Abenteuer aufs neue.Einige Tage spter - an einem Vormittag -, eben als sich

    Peter und Edmund die Rstungen anschauten und ber-legten, ob sie sie ein bichen anprobieren knnten, kamen

    die zwei Mdchen ins Zimmer gestrzt und riefen:Achtung, dort kommt die Macready mit einer ganzen

    Horde hinter sich.Haltet die Klappe! rief Peter, und alle vier strzten

    durch die Tr bis ans Ende des nchsten Zimmers. Dochals sie ins grne Zimmer kamen und darber hinaus in die

    Bibliothek, hrten sie pltzlich dicht vor sich Stimmen.Das mute Frau Macready mit den Besuchern sein. Sie wa-ren offenbar die Hintertreppe heraufgekommen. Ob dieKinder nun dadurch den Kopf verloren, ob Frau Mac-ready sie zu verscheuchen suchte oder ob ein Zauber sichin dem Haus zu regen begann, der sie nach Narnia trieb -

    sie hatten die Empfindung, es verfolge sie jemand, so daSuse schlielich flsterte: Zum Kuckuck mit dieser Plage!Laufen wir ins Wandschrankzimmer, bis sie vorber sind,dorthin kommt keiner. Doch sowie sie drinnen waren,hrten sie im Flur Stimmen, und dann fummelte jemand ander Tr, und sie sahen, wie sich die Klinke bewegte.

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    Rasch, stie Peter hervor, es kommt wer!, ri dieSchranktr auf, und alle vier krochen in den Schrankhinein. Da saen sie, laut schnaufend, im Dunkeln. Peterhielt die Tr fest, ohne sie einschnappen zu lassen, denn erwar ja nicht so tricht, sich in einem Schrank einzu-schlieen.

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    HINEIN IN DIE WLDER

    enn die Macready mitall ihren Leuten nur endlich weiterginge, flsterte Suse.Mein Bein ist schon eingeschlafen.

    Und dieser ekelhafte Kampfergeruch, sthnte Ed-mund.Sicherlich stecken alle Manteltaschen mit dem Mot-

    tenzeug voll, klagte Suse.Mich sticht etwas im Rcken, stellte Peter fest.Mir scheint, es wird pltzlich ganz kalt, sagte Suse.

    Es scheint nicht nur so, es ist kalt, versicherte Peter.Und obendrein auch noch feucht. Was ist nur hier los?Ich sitze in etwas Nassem, und jede Minute wird es nas-ser. Er sprang auf die Fe.

    Sehn wir, da wir hinauskommen, schlug Edmundvor. Die sind lngst weg.

    O Gott! schrie Suse pltzlich, und alle fragten, was insie gefahren sei. Ich lehne an einem Baum! Und seht nur,dort hinten wird es heller.

    Heiliger Bimbam! rief Peter. Du hast recht. Und da,und da ... und da, rundherum nichts als Bume! Das Nasseum uns ist Schnee. Ei, ich glaube, wir sind in Lucys Waldgeraten.

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    Nun gab es keinen Zweifel mehr. Die vier Kinder blin-zelten in die Helligkeit eines Wintertages. Hinter ihnen

    hingen Mntel auf Kleiderhaken, und vor ihnen standenschneebedeckte Bume.Peter wandte sich sofort an Lucy. Verzeih, da ich dir

    nicht geglaubt habe. Es tut mir wirklich leid. Willst du mirdie Hand geben?

    Gern! Sie gab ihm die Hand.

    Aber was machen wir nun? fragte Suse.Was wir machen? Wir gehn natrlich los und schaununs um.

    Huhu. Suse stampfte mit den Fen. Das ist aberhbsch kalt hier. Wollen wir nicht einige Mntel mitneh-men?

    Sie gehren uns nicht, gab Peter zu bedenken undsah die anderen an.

    Keiner htte etwas dagegen, sagte Suse. Wir tragensie doch nicht aus dem Haus fort. Wir nehmen sie sogarnicht einmal aus dem Wandschrank.

    Daran habe ich gar nicht gedacht, Su, gab Peter la-chend zur Antwort.

    So, wie du es darstellst, kann uns natrlich keiner vor-werfen, wir htten sie gestohlen, solange wir sie in demWandschrank lassen, dort, wo wir sie gefunden haben. Undes scheint so, als ob das ganze Land im Wandschranklge.

    Suses Vorschlag war vernnftig, und sie fhrten ihn

    augenblicklich aus. Die Mntel waren reichlich gro frsie. Sie hingen ihnen bis an die Fersen und glichen mehrKrnungsgewndern als Mnteln. Aber sie waren herrlichwarm, und die Kinder waren berzeugt, jeder von ihnen

    passe in dieser Aufmachung viel besser in die Landschaft.

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    Jetzt knnten wir so tun, als seien wir Polarforscherschlug Lucy vor.

    Wir brauchen gar nicht so zu tun, es ist ohnedies auf-regend genug, sagte Peter und schritt entschlossen ihnenvoraus in den Wald hinein. ber ihren Kpfen hingenschwere dunkle Wolken. Wahrscheinlich wrde es vorEinbruch der Nacht noch weiterschneien.

    Da schlug Edmund auf einmal vor: Hallo, sollten wiruns nicht ein wenig weiter nach links halten, damit wir die

    Straenlaterne nicht verfehlen? Er hatte einen Augen-blick lang vergessen, sich so zu verhalten, als sei er nochnie in diesem Wald gewesen. Kaum war das Wort seinemMund entschlpft, als er merkte, da er sich verratenhatte. Sie blieben stehn und starrten ihn an.

    Peter stie einen Pfiff aus. Also du warst doch schon

    hier! Damals, als Lucy erzhlte, da sie dir hier begegnetist. Aber du nanntest sie eine Lgnerin. Tiefes Schweigenfolgte. Pfui Teufel, was fr eine Gemeinheit! Peter zucktedie Achseln und sagte nichts mehr. Was sollte man auchmehr darber sagen, und gleich darauf setzten alle vierihren Weg fort.

    Das werde ich diesem hochmtigen, selbstgeflligenPack noch heimzahlen, dachte Edmund heimlich bei sich.

    Wohin gehn wir eigentlich? fragte Suse, nur um dasThema zu wechseln.

    Lu sollte den Fhrer machen, rief Peter. Sie hat eswirklich verdient. Willst du, Lu?

    Wie wr's, wenn wir Herrn Tumnus besuchten?fragte Lucy. Das ist der reizende Faun, von dem ich er-zhlte.

    Sie waren damit einverstanden, marschierten flink wei-ter und stampften mit ihren Fen durch den Schnee.Lucy erwies sich als gute Fhrerin. Zunchst war sie unsi-

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    cher, ob sie den Weg noch fnde, aber bald erkannte sieeinen sonderbar aussehenden Baum wieder, an einerandern Stelle einen Baumstumpf, und so geleitete sie dieandern bis dorthin, wo der Boden uneben wurde, in daskleine Tal hinein und zuletzt vor die richtige Tr, vordie Hhle des Herrn Tumnus. Aber hier erwartete sieeine schreckliche berraschung. Die Tr war aus denAngeln gerissen und ganz zerbrochen. Im Innern der Hhlewar es dunkel und kalt. Es roch sumpfig und modrig, derOrt schien schon eine Zeitlang unbewohnt. Durch denEingang war der Schnee hineingeweht. Er haftete am Boden,vermengt mit schwarzer Holzkohle und Aschenresten destoten Feuers. Irgend jemand hatte anscheinend allesabsichtlich durch den Raum gezerrt und dann zerstampft.Das Geschirr lag zerschlagen am Boden, und das Bild

    vom Vater Faun war mit einem Messer in Stcke ge-schnitten.

    Das ist ja eine schne Bescherung, sagte Edmund.Wozu sind wir eigentlich hergekommen?

    Was ist dies hier? Peter bckte sich. Er hatte einenPapierzettel entdeckt, der durch den Teppich hindurch

    an den Boden genagelt war.Steht etwas darauf geschrieben? wollte Suse wissen.Es scheint so, antwortete Peter, doch in diesem

    Licht kann ich es nicht lesen. Gehn wir hinaus.Das taten sie und umringten Peter, whrend er die

    folgenden Worte vorlas:

    Der ehemalige Bewohner dieses Grundstckes, der FaunTumnus, befindet sich in Haft, in Erwartung eines Ge-richtsverfahrens wegen Hochverrats, begangen gegen

    Ihre Kaiserliche Majestt Jadis, Knigin von Narnia aufFeeneden, Herrscherin ber die Einsamen Eilande usw... .

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    Obendrein begnstigte er die Feinde Ihrer Majestt, be-herbergte Spione und schlo mit Menschen Brderschaft.

    Gezeichnet: MaugrimHauptmann der Geheimpolizei

    Lang lebe die Knigin!

    Die Kinder starrten einander an.Ich mchte lieber nach Hause. Ich mag nicht mehr

    hierbleiben, sagte Suse.Wer ist diese Knigin, Lu? fragte Peter. Weit du

    etwas von ihr?Soviel ich wei, ist sie berhaupt keine richtige Kni-

    gin, antwortete Lucy. Sie ist eine scheuliche Hexe. AlleWaldbewohner hassen sie. Sie hat das ganze Land ver-

    zaubert, so da es immerzu Winter ist und niemals Weih-nachten.

    Gott wei, was da alles noch passieren wird, klagteSuse, was wollen wir schon hier! Vielleicht wird's nochschlimmer. Jede Minute wird es klter, und wir habennichts zum Essen mitgenommen. Wir sollten lieber heim-

    gehn.Oh, das knnen wir doch nicht! rief Lucy. Seht ihr

    das nicht ein? Nach alldem knnen wir nun erst rechtnicht heimgehn. Ich bin doch daran schuld, da der armeFaun in solche Schwierigkeiten geraten ist. Er beschtztemich vor der Hexe. Er zeigte mir den Weg zurck. Das

    bedeutet ja: den Feinden der Knigin beistehn und mitMenschen Brderschaft schlieen. Selbstverstndlich mssenwir versuchen, ihn zu befreien.

    Nichts werden wir versuchen! schrie Edmund.Htten wir lieber etwas zu essen!

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    Du hltst den Mund! befahl Peter, der auf Edmundnoch sehr bse war. Was meinst du, Suse?

    Ich habe das schreckliche Gefhl, da Lucy rechthat, meinte Suse, eigentlich mchte ich keinen Schrittweiter tun und wnschte, wir wren niemals hierherge-kommen, aber ich glaube, wir mten was unternehmenfr diesen Herrn ... wie war doch sein Name ... ich meine,fr den Faun.

    Ich bin der gleichen Meinung, sagte Peter. Es beun-ruhigt mich aber, da wir gar nichts zu essen haben. Ichwrde vorschlagen, uns einiges aus der Speisekammer zuholen, nur ist es nicht sicher, ob wir wieder hierher zu-rckfinden, wenn wir einmal drauen sind. Deshalb

    bleibt uns wohl nichts brig, als weiterzugehn.Also dann gehn wir, sagten tapfer die beiden Md-

    chen.Wenn wir nur wten, wo der arme Kerl sitzt! sagte

    Peter. Sie schwiegen und sannen darber nach, wie sievorgehn sollten, da rief Lucy: Seht das Rotkehlchen dortvor uns! Was fr eine rote Brust es hat! Der erste Vogelhier! Ob die Vgel in Narnia wohl sprechen knnen? Es

    sieht fast so aus, als htte es uns etwas zu sagen. Sie wen-dete sich zum Rotkehlchen und fragte: Bitte, kannst duuns sagen, wo sie den Faun Tumnus hingeschleppt ha-

    ben? Sie trat einen Schritt nher auf den Vogel zu, derflog auf einmal fort, aber nicht weiter als bis zum nchstenBaum. Dort setzte er sich nieder und betrachtete die

    Kinder sehr aufmerksam. Er schien alles zu verstehn, wassie redeten. Die zwei Mdchen, kaum sich dessen bewut,traten einige Schritte nher. Da flog das Rotkehlchenwieder zum nchsten Baum und blickte sie abermals an.

    Nie hat man ein Rotkehlchen mit rterer Brust und gln-zenderen Augen gesehn.

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    Wit ihr, was? fragte Lucy. Ich glaube tatschlich, eswill, da wir ihm folgen.

    Ich habe denselben Eindruck, sagte Suse, was denkstdu, Peter?

    Ganz meine Meinung, jedenfalls knnen wir es pro-bieren, antwortete Peter.

    Das Rotkehlchen schien sie genau zu verstehn. Es flogweiter von Baum zu Baum, doch blieb es stets so nahe, dasie ihm gut folgen konnten. So fhrte es sie hgelabwrts.

    Wo sich das Rotkehlchen niederlie, stubte der Schneevon den Zweigen. Bald zerteilten sich die Wolken berihren Kpfen, die Wintersonne kam heraus, und derSchnee ringsum funkelte blendend wei. Sie waren schoneine halbe Stunde lang unterwegs, die beiden Mdchenvoraus, als Edmund zu Peter sagte: Falls du dir nicht zu

    gut vorkommst, um mit mir zu reden, so htte ich dir etwaszu sagen, was du anhren solltest.

    Was ist es? fragte Peter.Pst, nicht so laut, warnte Edmund. Es ist nicht ntig,

    die Mdchen zu erschrecken. Aber bist du dir klar, was wirtun?

    Was denn? fragte Peter. Er dmpfte seine Stimme zueinem Flstern. Wir folgen einem Fhrer, den wir nichtkennen. Woher wissen wir, auf welcher Seite der Vogelsteht? Wenn er uns nun in eine Falle lockt?

    Was fr ein grlicher Gedanke ... noch dazu einRotkehlchen! Du weit doch, sie sind in allen Geschichten

    gute Vgel. Ein Rotkehlchen wrde niemals auf der fal-schen Seite stehn.Wenn es darauf ankommt, fragt es sich noch: Welches

    ist die rechte Seite ? Woher wissen wir, wer im Recht ist: derFaun oder die Knigin? Ja, ich wei, sie sagen, sie sei eineHexe. Aber Genaues wissen wir nicht.

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    Der Faun hat Lucy gerettet.Das erzhlt er ihr. Woher wissen wir aber, ob es

    stimmt? Und auerdem gibt es noch etwas zu bedenken:Wer von uns kennt den Weg zurck?

    Heiliger Bimbam! murmelte Peter. Daran habe ich jagar nicht gedacht.

    Und keine Aussicht auf ein Abendessen! trumpfte Ed-mund auf.

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    EIN TAG BEI DEN BIBERN

    hrend die beidenKnaben noch hinter dem Rcken der Mdchen tuschelten,

    schrien diese pltzlich Ach! und blieben stehn.Das Rotkehlchen ist fortgeflogen.So war es auch. Es war einfach weg und verschwunden.Was sollen wir nun machen ? fragte Edmund und warf

    Peter einen Blick zu, der soviel hie wie: Na, was habe ichdir gesagt!

    Pst, schaut doch! rief Suse.Was denn? fragte Peter.Unter den Bumen bewegt sich etwas. Dort drben

    links.Alle starrten, so aufmerksam sie konnten, nach links. Es

    war ihnen nicht sehr wohl zumute. Da kommt es wieder,

    flsterte Suse.Nun sehe ich es auch, wisperte Peter. Gerade jetzt istes hinter den dicken Baum gekrochen.

    Was ist es denn? fragte Lucy und gab sich groeMhe, ihre Aufregung zu verbergen.

    Was es auch sein mag, meinte Peter, es weicht unsaus und will nicht gesehn werden.

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    Lat uns doch heimgehn, bat Suse. Obgleich es keinerlaut zu sagen wagte, begriff pltzlich jeder, was Edmundschon vorhin Peter zugeflstert hatte: Sie waren verloren!

    Was ist es denn eigentlich? fragte Lucy zum zweiten-mal.

    Irgendein Tier, antwortete Suse, und gleich daraufrief sie: Schnell, schnell, seht, dort ist es!

    Nun sahen es alle. Hinter den Bumen schaute ein pel-ziges, brtiges Gesicht hervor, und diesmal zog es sichnicht sofort zurck. Statt dessen legte das Tier die Pfoteauf das Maul, wie Menschen den Finger auf den Mundlegen, wenn sie einem einen Wink geben, leise zu sein.Dann verschwand es wieder. Die Kinder blieben stehnund hielten den Atem an. Im nchsten Augenblick kamder Unbekannte hinter dem Baum hervor, blickte scheu

    um sich, als befrchte er Lauscher, raunte: Pst! und machteihnen Zeichen, ihm in den dichteren Wald zu folgen. Dannverschwand er aufs neue.

    Ich wei, was das ist, erklrte Peter, das ist ein Bi-ber. Ich habe seinen Schwanz gesehn.

    Wir sollen zu ihm kommen, sagte Suse. Aber er

    warnt uns, kein Gerusch zu machen.Das glaube ich auch. Sollen wir ihm folgen oder

    nicht? fragte Peter. Was denkst du, Lucy?Es ist ein netter Biber, meinte sie.Woher wissen wir das? fragte Edmund.Wir mssen es wohl wagen, schlug Suse vor. Es hat

    keinen Sinn, hier lnger rumzustehn. Auch hab' ich Hun-ger.

    Da streckte der Biber aufs neue seinen dicken Kopfhinter den Bumen hervor und winkte ihnen eifrig mit derPfote.

    Los! rief Peter. Wir versuchen es und lassen es dar-

  • 7/28/2019 01. Die Chroniken von Narnia - Der Knig von Narnia

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    auf ankommen. Wir werden dicht zusammenbleiben dannknnen wir den Kampf mit einem Biber aufnehmen falls ersich als Feind entpuppt.

    So gingen die Kinder dicht aneinandergedrngt zumBaum und fanden dahinter wirklich den Biber. Er zog sieweiter ins Dickicht hinein und raunte ihnen heiser zu:Kommt weiter, weiter, bis hierher! Drauen sind wirnicht sicher.

    Erst als er sie an eine dunkle Stelle gefhrt hatte, an dervier Bume so dicht beisammenstanden, da sich die ste

    berhrten und sie unter ihren Fen die schneefreiebraune Erde voll Tannennadeln sehn konnten, sprach ermit ihnen.

    Seid ihr Adamsshne und Evastchter? fragte er.Ja, sagte Peter, das sind wir!Pst, raunte der Biber. Ach bitte, nicht so laut! Sogar

    hier sind wir nicht sicher.Wieso? Wovor frchten Sie sich denn? fragte Peter

    mit gedmpfter Stimme. Auer uns ist doch keiner hier.Die Bume! Sie hren zu! Die meisten sind auf unserer

    Seite, aber es gibt Bume, die uns ansie verraten. Ihr wit,

    wen ich meine.Wenn wir schon von Seiten sprechen, sagte Edmund,

    woher knnen wir denn wissen, da Sie unser Freundsind?

    Verstehn Sie Edmund nicht falsch, Herr Biber, fielPeter ein. Aber wir sind hier fremd.

    Schon gut, schon gut, raunte der Biber. Hier istmein Erkennungszeichen.

    Mit diesen Worten hielt er ihnen ein kleines weiesTchlein entgegen. Sie betrachteten es berrascht, bisLucy pltzlich ausrief: Aber das ist ja mein Taschentuch!Ich gab es dem armen Herrn Tumnus.

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    Jaja, sagte der Biber. Armer Bursche. Er bekamWind von der bevorstehenden Verhaftung und bergabmir das. Er trug mir auf, falls ihm etwas zustiee, sollteich versuchen, euch hier zu treffen, euch das zu bergebenund euch nach ...

    Hier verstummte der Biber. Er machte nur ein oderzwei geheimnisvolle Zeichen, dann bedeutete er den Kin-dern, nher zu kommen, bis sie einen so dichten Kreis umihn bildeten, da seine Schnauzhaare ihre Gesichter kit-zelten.

    Sie sagen, Aslan sei unterwegs. Vielleicht ist er schongelandet.

    Und da geschah etwas Sonderbares. Keines der Kinderwute mehr als du oder ich von Aslan, aber sobald derBiber die Worte ausgesprochen hatte, berkam jedes von

    ihnen eine eigene Empfindung. Vielleicht ist es dir schoneinmal im Traum widerfahren, da jemand dir etwas sagt,was du gar nicht verstehst. Im Traum ist es von ungeheurerBedeutung, entweder so schrecklich, da der ganze Traumzu einem Alpdruck wird, oder zu lieblich, um dafr Wortezu finden, so herrlich, da es den Traum wundervoll macht

    und du dich dein Leben lang daran erinnerst und dichimmer wieder nach ihm zurcksehnst. So hnlich war es

    jetzt. Bei dem Namen Aslan fhlte jedes Kind eine andereErregung in sich aufsteigen: Edmund einen ungeheurengeheimnisvollen Schrecken; Peter pltzlichen Mut undAbenteuerlust; Suse einen kstlichen Duft in der Luft,

    whrend herrliche Klnge sie berfluteten; Lucy aber wares wie an einem Sommermorgen, wenn die groen Ferien

    beginnen.Und was ist mit Herrn Tumnus? fragte Lucy. Wo ist

    er?Pst, machte der Biber. Nicht hier! Ich werde euch an

  • 7/28/2019 01. Die Chroniken von Narnia - Der Knig von Narnia

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    einen Ort bringen, wo wir in Ruhe sprechen und auch essenknnen.

    Keiner hatte nun noch irgendwelche Bedenken, demBiber zu folgen, und selbst Edmund war bei dem WortEssen wie erlst. So wanderten sie hinter ihrem neuenFreund her. Er fhrte sie mit erstaunlicher Geschwindig-keit ber eine Stunde lang durch das tiefste Dickicht desWaldes.

    Alle fhlten sich mde und sehr hungrig, als es endlichsteil bergab ging und die Bume vor ihnen sprlicher wur-den. Die Sonne schien noch, und sie hatten eine wunder-

    bare Aussicht, denn sie standen am Rande einer steil abfal-lenden, schmalen Schlucht. Unter ihnen lag ein breiterFlu, der jedoch zur Zeit gefroren war. ber diesen Fluwar ein Damm gebaut, und nun erinnerten sie sich, da Biber

    immer Dmme bauen. Sicherlich hatte ihn der Herr Biberselbst gebaut. Er sah auch sehr befriedigt aus, genauso wieMenschen aussehen, wenn man ihre selbstangelegten Grten

    besichtigt. Aus purer Hflichkeit sagte Suse: Ein herrlicherDamm! Und diesmal machte der Herr Biber nicht Pst!,sondern meinte: Ach, nur eine Kleinigkeit, eine Lappalie!

    Er ist ja noch nicht einmal richtig fertig.Oberhalb des Dammes war ein tiefes Loch, ein Tmpel,

    der allerdings jetzt ebenfalls mit grnem Eis bedeckt war,und unterhalb des Dammes in der Tiefe war noch mehrEis, das aber war nicht glatt gefroren, sondern wellenartig,wie es das Wasser gewesen war, als der Frost pltzlich ein-

    gesetzt hatte. Wo vor dem Frost das Wasser ber die Ufergeschumt war, sahen sie einen glitzernden Kranz von Eis-zapfen, als sei der Damm ber und ber mit Blumen be-deckt, mit Krnzen und Girlanden aus klarem Zucker.Oben auf dem Damm stand in der Mitte ein drolliges, klei-nes Haus. Es glich mehr einem riesigen Bienenkorb.

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    Durch ein Loch im Dach stieg Rauch. Jeder, zumalwenn er hungrig war, wute gleich: Da wird gekocht,und fhlte sich noch hungriger als zuvor.

    Peter, Suse und Lucy sahn eigentlich nur das, doch Ed-mund beobachtete noch etwas anderes. Am untern Laufdes Flusses kam aus einem kleinen Seitental ein anderer,schmalerer Flu, der in ihn mndete. Edmund warf einenBlick auf dieses Tal und konnte sogleich die zwei Hgelerkennen. Das waren wohl jene beiden Hgel, von denendie Zauberin gesprochen hatte, als er sich neulich am La-ternenpfahl von ihr verabschiedete. Zwischen diesen H-geln also, nur einige hundert Meter von hier entfernt,mute, so nahm er an, ihr Schlo liegen. Er dachte wiederan den trkischen Honig und erinnerte sich, da er Knigwerden sollte. Ich bin begierig, was Peter dazu sagen

    wrde, fuhr es ihm durch den Sinn, und abscheuliche Ge-danken stiegen in ihm auf.

    Da sind wir, sagte der Biber. Es sieht mir ganz soaus, als erwarte uns die Frau Biberin. Ich werde voraus-gehn. Aber bitte gebt gut acht, da ihr mir nicht aus-rutscht.

    Der Damm war wohl breit genug zum Gehn, aber nichtgerade ein schner Spazierweg fr Menschen; er war ver-eist, zudem war der Tmpel nur auf einer Seite gleichhoch wie der Damm, auf der andern Seite strzte er jhzum tiefergelegenen Flu ab. Der Biber fhrte sie einzelnim Gnsemarsch. Vom Damm aus sahen sie weit strom-

    aufwrts und stromabwrts, und als sie die Mitte erreichthatten, standen sie an der Haustr.

    Wir sind da, liebe Frau, sagte der Biber. Ich habe siegefunden. Hier sind die Shne und Tchter Adams.

    Sie traten gemeinsam ein. Lucy hrte beim Hereintre-ten ein Surren und erblickte eine alte, freundlich ausse-

  • 7/28/2019 01. Die Chroniken von Narnia - Der Knig von Narnia

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    hende Biberin. Die sa in einer Ecke vor einer surrendenNhmaschine, hielt einen Zwirnsfaden zwischen denZhnen und nhte. Sie unterbrach gleich ihre Arbeit underhob sich.

    Da seid ihr endlich! rief sie und streckte ihnen ihrebeiden runzligen Pfoten entgegen. Ach, da ich diesenTag erleben darf! Die Kartoffeln kochen schon, der Tee-kessel summt, und du, lieber Mann, solltest uns etwasFisch holen.

    Das wird sofort geschehn, sagte der Biber. Peterdurfte ihn begleiten. Die beiden nahmen einen Eimer undgingen nochmals ber das Eis bis zum Tmpel; dort warein kleines Loch im Eis, Herr Biber schlug es tglich mitseiner Hacke wieder auf, und er setzte sich an den Randder ffnung. Es war ihm nicht zu khl dabei. Er schaute

    angestrengt in das Loch, dann streckte er pltzlich seinePfote hinein, und bevor man schwupp dich, wupp dichsagen konnte, zog er eine schne Forelle heraus. Das wie-derholte er so oft, bis er einen ordentlichen Fang beisam-menhatte.

    Unterdessen halfen die Mdchen der Biberin den Kes-

    sel fllen, den Tisch decken und das Brot schneiden. Siewrmten die Teller im Ofen an und fllten aus einem Fa,das in der Ecke stand, einen groen Krug Bier fr HerrnBiber. Dann setzten sie die Bratpfanne auf, um das Fett zuerhitzen.

    Lucy fand das Biberhaus sehr schmuck und fein, wie-

    wohl es nicht der Hhle von Herrn Tumnus glich. Hiergab es weder Bcher noch Bilder. Statt Betten liefenBnke wie Holzpritschen an den Wnden entlang. Vonder Decke hingen Schinken und Zwiebeln in Bndelnherab, und an den Wnden lehnten Wasserstiefel, l-mntel und Spitzhacken, Baumscheren, Spaten, Maurer-

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    kellen, Zementkisten, Fischereizeug und Netze. DasTischtuch war zwar sehr sauber, aber ziemlich derb. Alses in der Bratpfanne zu brutzeln begann, kamen derBiber und Peter mit den Fischen zurck. Der Biber hattesie schon mit seinem Messer geffnet und vor dem Hausgeputzt. Man kann sich vorstellen, wie gut die Fischerochen und wie sehr die hungrigen Kinder daraufwarteten, da sie gar wurden, und ihr Hunger stieg undstieg, bis die Biberin dann endlich sagte: Jetzt sind wirfast soweit.

    Suse go das Kartoffelwasser ab und stellte den Topfauf den Herdrand, damit sie an der Seite noch ein wenigausdampften, whrend Lucy der Frau Biberin die Forellenauftragen half. In wenigen Minuten sa jedes an seinemPlatz. Es gab nur dreibeinige Holzschemel im Biberhaus.

    Lediglich fr die Frau Biberin stand ihr eigenerSchaukelstuhl behaglich vor dem Feuer. Die Kinder be-kamen einen Krug voll schumender Milch. Herr Biberhielt sich ans Bier. Auf der Mitte des Tisches leuchtete einKlumpen goldgelber Butter. Davon durfte sich jeder, sovieler wollte, zu den Kartoffeln nehmen. Und alle Kinder

    fanden - ich bin brigens ganz ihrer Meinung -, es gibtgar nichts Besseres als frisch gefangene Fische, die ebenaus der Pfanne kommen. Nachdem sie die Fische verspeisthatten, brachte Frau Biberin als berraschung aus demOfen eine riesige, wunderbar se Konfitre-Roulade, dievor Hitze noch dampfte. Gleichzeitig kochte das

    Teewasser im Kessel. Der Tee wurde aufgegossen, undnachdem jeder seine Tasse Tee hatte, schoben sie ihreSchemel so weit wie mglich an die Wand, um sichanlehnen zu knnen, und seufzten befriedigt und glcklich.

    Jetzt, begann der Biber, schob den leeren Bierkrugbeiseite und zog die Teetasse heran, wartet noch, bis ich

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    meine Pfeife angezndet habe, dann wollen wir unsereAngelegenheiten besprechen. - Es schneit wieder, stellteer mit einem Blick durchs Fenster fest. So werden wirwenigstens keinen Besuch bekommen, und sollte uns

    jemand gefolgt sein, findet er unsere Spuren nicht.

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    WAS SICH NACH DEM ESSEN EREIGNETE

    nd nun, bitte, erzhlenSie uns, was mit Herrn Tumnus geschah, bat Lucy.

    Oh, das ist schlimm, sagte der Herr Biber und scht-telte besorgt seinen Kopf, das ist eine sehr, sehr bse Sa-che. Er ist zweifellos von der Polizei verhaftet worden.

    Ich hrte es von einem Vogel, der zusah.Aber wohin haben sie ihn gebracht? fragte Lucy.Sie brachten ihn nach Norden, und alle wissen, was

    das bedeutet.Aber wir wissen es nicht, wandte Suse ein. Der Biber

    bewegte seinen Kopf noch sorgenvoller.

    Ich frchte, sie brachten ihn in ihr Haus.Aber was werden sie dort mit ihm machen, Herr Bi-ber? Lucy stockte der Atem.

    Ja, antwortete er, das kann ich nicht genau sagen.Wer einmal drin ist, kommt eben meist nicht wieder heraus.Sie ..., er hielt inne und schauderte, versteinert die Leute.

    Alle werden Steinfiguren. Das ganze Haus soll berflltsein mit ihnen, im Hof, auf den Treppen, in der Halle,berall stehn sie, alle versteinert.

    Aber, Herr Biber, jammerte Lucy, knnten wir, soll-ten wir, mten wir denn nicht etwas tun, um ihn zu ret-ten? Das ist ja zu schrecklich, und noch dazu durch meineSchuld.

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    Sicherlich wrdest du ihn retten, wenn du knntest,Liebes, sagte die Frau Biberin. Aber du hast gar keineMglichkeit, gegen ihren Willen in das Haus und jemalslebend wieder herauszukommen.

    Man knnte einen Plan aushecken, schlug Peter vor.Wir knnten uns verkleiden und als Hausierer auftretenoder so etwas hnliches oder aufpassen, bis sie einmalausgeht. Zum Kuckuck noch mal, es mu sich doch einWeg finden lassen. Dieser Faun hat meine Schwester aufeigene Gefahr gerettet, Herr Biber! Wir drfen ihn nichtim Stich lassen, bis er ... bis sie ihm das antut.

    Es hat keinen Sinn, Adamssohn, keinen Sinn, da dues unternimmst. Denn jetzt, wo Aslan unterwegs ist ...

    O ja, erzhlen sie uns etwas ber Aslan! riefen so-gleich mehrere Stimmen, und wieder berkam sie dieses

    wunderliche Gefhl von Frhling, von froher Botschaft.Wer ist Aslan? fragte Suse.Aslan? antwortete Herr Biber. Das wit ihr nicht?

    Er ist der Knig, er ist Herr ber die Wlder, aber er istnicht oft hier. Weder in meines Vaters Zeiten noch solangeich lebe war er hier. Aber wir haben gehrt, da er nun

    kommen wird, und er soll schon zurckgekehrt sein. Er wirdmit der Weien Hexe abrechnen. Er wird Tumnus retten,nicht ihr, liebe Kinder.

    Wird sie ihn nicht auch in Stein verwandeln? fragteEdmund.

    Mein Gott, Adamssohn, wie kannst du so etwas sa-

    gen? antwortete der Biber mit lautem Gelchter. Ihn inStein verwandeln! Wenn sie in ihrer ganzen Gre vorihm stehn und ihm ins Gesicht blicken kann, ist es das u-erste, was ihr gelingt, mehr kann sie sicher nicht. Nein,nein, es wird alles recht werden, so, wie es in einem altenSpruch heit:

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    Das Krumme wird gerad, sobald Aslan naht!Beim Klang seiner Stimme verweht alles Schlimme.Entblt er die Zhne und schttelt die Mhne,wird Winter vergehn und Frhling erstehn.

    Das begreift ihr erst, wenn ihr ihn seht.Aber werden wir ihn denn sehn? fragte Suse.Ja, Evastochter, darum habe ich euch hierhergebracht

    Ich soll euch zu ihm fhren, sagte der Biber.Ist ... ist er ... ein Mensch? fragte Lucy.Aslan ein Mensch? sagte der Biber emprt. Keine

    Rede davon! Ich habe euch doch gesagt, da er der Knigder Wlder ist und der Sohn des Groen Knigs jenseits derMeere. Wit ihr denn nicht, wer der Knig der Tiere ist?Aslan ist ein Lwe, der Lwe, der groe Leu.

    Oh, rief Suse. Ich dachte, er sei ein Mensch. Ist mandann auch sicher vor ihm? Vor einem Lwen habe ichAngst.

    Das macht nichts, mein Kind, du sollst auch Angst ha-ben, sagte die Biberin. Wenn jemand vor Aslan er-scheint, ohne da ihm die Knie zittern, dann ist er entweder

    unerhrt mutig oder blo ein Narr.Dann ist man also doch nicht sicher vor ihm? meinte

    Lucy.Sicher? wiederholte der Herr Biber. Ja, hast du denn

    nicht gehrt, was meine Frau sagte? Wer hat denn von sichergeredet? Natrlich, man ist nicht sicher vor ihm, aber er ist

    gut, und er ist der Knig.Ich mchte ihn sehn, erklrte Peter, auch wenn ich

    mich noch sosehr vor ihm frchte.Ausgezeichnet, Adamssohn! rief der Biber und schlug

    seine Pfote so kraftvoll auf den Tisch, da die Tassen undSchsseln klirrten.

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    Du sollst dich davor frchten. Botschaft ist schon ge-kommen, morgen hast du ihm, wenn irgend mglich, amSteintisch zu begegnen. Wo ist das ? fragte Lucy.

    Ich zeige es euch, antwortete der Biber. Unten amFlu, ziemlich weit zu laufen. Ich bringe euch hin.

    Und was wird indessen aus dem armen Herrn Tum-nus? fragte Lucy.

    Am schnellsten helfen wir ihm, wenn wir Aslan aufsu-chen sagte der Biber. Erst wenn er mit uns ist, knnenwir berhaupt etwas tun. Allerdings brauchen wir aucheuch dazu, denn es gibt einen andern Spruch:

    Sitzt einst auf Feenedens Thronvon Fleisch und Blut ein Adamssohn,vorbei ist's mit der Teufelsbrut,

    und alle bel werden gut!

    Da er und ihr alle gekommen seid, geht es einem gutenEnde entgegen. Von Aslans Erscheinen in diesen Landenhatten wir schon gehrt, lange vorher, keiner kann sagen,wann, aber nie vormals war einer der euern hier.

    Da gibt es noch etwas, Herr Biber, was ich nicht ver-stehe, sagte Peter. Ist denn die Hexe selber keinMensch?

    Sie mchte, da wir es glauben und da sie deshalb einRecht hat, unsere Knigin zu sein. Nein, sie ist keineEvastochter. Sie stammt zwar von eurem Vater Adam -

    hier verbeugte sich der Biber -, und zwar von der erstenFrau eures Adamvaters, Lilith hie sie, und die war eineDmonin und stammte einerseits von Geistern ab und an-derseits von Riesen. Nein, nein, nicht ein Tropfen reinesMenschenblut fliet in den Adern der Zauberin.

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    So ist sie also darum so durch und durch bse, meinlieber Biber? sagte seine Frau.

    Sehr richtig, erwiderte er. Man kann zweierlei Mei-nung ber menschliche Wesen haben - ich will dabei keinemder Anwesenden zu nahe treten, aber Wesen, die wieMenschen aussehn und keine sind, ber solche Geschpfegibt es nur eine Meinung.

    Ich habe aber gute Zwerge gekannt, gab Frau Biberinzu bedenken.

    Ich auch, da du schon einmal davon sprichst. Die sindselten genug, sind Ausnahmen und gleichen allem anderneher als den Menschen. Aber im allgemeinen, das rate ichdir, wenn du irgendwo einem Wesen begegnest, das sich soanstellt, als sei es ein Mensch, oder einmal menschlichesWesen annimmt und es nicht ist oder ein Mensc