Post on 29-Jun-2020
D r. A d 0 If J. Eich e n see r
Zum Dudelsack im ehemaligen Nordgau
"Oitza brummas wiedo"
Wenn auch die Volksmusikforschung in der Oberpfolz, dem Sechsämterland und Egerland noch ziemlich in den Kinderschuhen steckt, so verfügen wirdennoch über einen relativ guten Wissensstand übereines der in diesem geographischen Raum beliebtesten, verbreitetsten und vor allem durch seinen besonderen Klang charakteristischsten Volksmusikinstrumente, über den Egerländer Dudelsack und den sogenannten böhmischen "Bock", der sich nur unwesentlich in der Form von ersterem unterscheidet. (BeimEgerländer Dudelsack hängt die Baßbordunpfeifevorne, bei letzterem liegt sie über der linken Schulter.)Wichtige Erkenntnisse über die Verwendung diesesInstruments in früheren Jahrhunderten in unseremGebiet verdanken wir der mustergültigen Monographie Walter Hartingers "Volkstanz, Volksmusikantenund Volksmusikinstrumente in der Oberpfalz zur ZeitHerders" (Bosse-Verlag, 1980), Fridolin Ritters Aufsatz"Der Dudelsack in Franken" (in: Fränkische Volksmusikblätter 511981 /1) und nicht zuletzt einigen begeisterten Dudelsackspezialisten, die aus den Pleysteiner Instrumentenbaukursen im Laufe der 10 Jahreihres Bestehens hervorgegangen sind. Diese dienenja der Wiederbelebung dieses auf der bayerischenSeite seit langem ausgestorbenen und bei den Egerländern, den letzten deutschen Dudelsackpfeifern,vom Aussterben bedrohten faszinierenden Volksmusikinstruments. Da sind insbesondere zu nennenneben den bereits apostrophierten Fridolin Ritter ausRonhof bei Fürth, dem Dudelsackspieler der inzwischen sehr renommierten Ronhofer Bock- und Leier-
68
musik, Herbert Grünwald aus Garching, Lothar Junghänel aus Neumarkt, der eine eigene Zeitschrift "DerDudlpfeifer" herausbringt und sogar eine neue Dudelsackschule verfaßt hat, und bei den Egerländern dieUnermüdlichen Erich Baumann aus Heidelberg mitseinem inzwischen exzellent spielenden Sohn Matthias sowie Dr. Hatto Zeidler aus Isny im Allgäu. Diesowohl auf tschechischer (= chodischer) wie bayerischer Seite in den letzten 10 Jahren aufblühende Dudelsackrenaissance ist in der Volksmusikszene unübersehbar und natürlich unüberhörbar. Viele Menschen nehmen mit Freude an dieser Entwicklung aktivoder wenigstens passiv teil. Wie sehr die Sympathiefür den wiederentdeckten Dudelsack als Volksmusikinstrument allgemein verwurzelt ist, spricht sicher ausder Tatsache, daß demnächst in Weiden ein Denkmalmit einem Dudelsackspieler aufgestellt werden soll.Und dennoch trifft man immer wieder auf Skeptiker,die nur an die Existenz des schottischen, nicht abereines eigenen Dudelsacks in unserem Gebiet glaubenwollen. Nun am Egerländer Dudelsack kommt niemand vorbei. Dazu gibt es genügend Quellenmaterial z. B. auf den berühmten volkstümlichen HochzeitsdarsteIlungen um 1800, und vor allem hat er ja in ungebrochener Tradition bis in unsere unmittelbare Gegenwart überlebt. Es gibt sowohl noch einige wenigeOriginalexemplare als auch Spieler. Aber was hat esnun mit dem Dudelsack in der Oberpfalz und imSechsämterland auf sich? Es verwundert nicht, wenneinige das Vorhandensein des Dudelsacks in diesemBereich für unmöglich halten, ist doch die Erinnerungdaran völlig erloschen, obgleich es noch wenige alte
Menschen gibt, denen Dudelsackspieler in ihrer Jugend begegnet sind.Wie im gesamten mitteldeutschen Raum waren derDudelsack oder die Sackpfeife, wie sie der AmbergerSebastian Virdung in seiner ältesten deutschsprachigen Instrumentenkunde 1511 und auch Albrecht Dürer1514 abbilden, vom Mittelalter bis zum Ende des18. Jahrhunderts und sogar in den ersten Jahrzehntendes 19. Jahrhunderts in der Oberpfalz (s. Hartinger)wie im Sechsämterland (s. Ritter) in ihren sich langsam entwickelnden verschiedenen Formen eines dermeist gespielten Volksmusikinstrumente, das von einer Schalmei, Drehleier, Geige oder später Klarinettebegleitet wurde. Auf die unzähligen archivalischenund bildlichen Quellen für Sackpfeife und Dudelsackaus dem 15./16. Jahrhundert (z. B. Dürer, Beham, Sachsetc.) in unserem durch die gemeinsame nordbairischeMundart gekennzeichneten Gebiet kann hier nichteingegangen werden. (Vgl. auch Adolf Eichenseer:"Zur Revitalisierung des Dudelsacks in der Oberpfalz" in der Zeitschrift Volkskunst, 3. November1980). Einige interessante Belege aus dem 17. und18. Jahrhundert aus dem Sechsämterland und dernördlichen Oberpfalz seien dennoch kurz erwähnt.Da wird um die Wende des 18. Jahrhunderts in einemalten Gerichtsprotokollbuch in der Registratur derStadt Hohenberg an der Eger von einer Schlägereizwischen Einheimischen und drei Dragonern berichtet.Zum Streit kam es, weil sich die Bauernburschen unddie Soldaten, die miteinander eine Rockenstube besuchten, sich über die Bezahlung eines .Scckpfeiffers" nicht einigen konnten. In Konnersreuth wurdeim Jahr 1700 ein zur Kirchweih aufspielender Dudelsackler, ein Hi rte aus Fischern (nahe Hohenberg) festgenommen, weil er sich - offensichtlich nicht mehrganz - nüchtern in ein falsches Bett schlafen legte.Ihm wurde Ehebruch angelastet. In verschiedenenGerichtsprotokollen der Stadt Weiden ist immer wieder die Rede von Obertretungen der Tanzverbotedurch Spielleute. (Freundlicher Hinweis von Frau Stadtarchivarin Annemarie Krauß). Eine eigene Sage befaßt sich mit einem Dudelsackspieler in Waldershof.Unzählige Lieder, speziell Weihnachtslieder, derEgerländer, Oberpfälzer und Sechsämterländer sprechen vom häufigen Gebrauch dieses wohl ursprüng-
lichen Hirteninstruments. Obrigens findet sich in fastjeder alten Krippe unseres Raumes mindestens einDudelsackspieler. Wissenschaftlich exakt lassen sichdiese Instrumentalisten am besten an Hand von Patentrechnungen zwischen 1780 und 1800 nachweisen,wie dies Walter Hartinger überzeugend dargelegthat. Wie zahlreich der Dudelsack im Stiftland auftrat,kann man z. B. den Rechnungen des LandrichteramtsBärnau aus dem Zeitraum von 1778-1783 entnehmen. (vgl. Adolf Eichenseer: Volksmusik im Stiftlandin Festschrift 23. Bayerischer Nordgautag Waldsassen1980).Aber selbst bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts treffenwir auf der bayerischen Seite noch Dudelsäcke an.Fridolin Ritter berichtet davon, daß beim Besuch derpreußischen Königin Luise 1805 in Alexandersbad,Burschen und Mädchen aus Kleinwendern zu denKlängen von Dudelsack und Geige vor dem Schloßgespielt hätten. Der König wollte einen 9iährigenDudelsackbläser aus Hohenberg sogar mit nach Berlin nehmen. Noch 1846 notiert der Redwitzer Buchbindermeister Johann Christian Rockstroh (18241911) in sein Tagebuch: "Den 22. Januar wurde (bei)Menzel nach dem Dudelsack getanzt, wo ich sehr vergnügt war". Aus dieser Notiz geht allerdings nichthervor, ob es sich bei diesem Musiker um einen einheimischen oder Egerländer Dudelsackpfeifer handelte. Am 22. August 1861 schreibt das BayreutherTagblatt über einen Umzug aus Anlaß des Landwirtschaftsfestes in Wunsiedel: "Ein Dorf, Lorenzreuth(bei Marktredwitz) hatte einen Festwagen aufgestellt,der die alte Bauernwelt darstellte, ... die Musiker mitdem fr ü her so beliebten unermüdet in fast elegischer Weise spielenden Dudelsack". Offensichtlichgab es um 1860 nur noch einige, vermutlich ältereLeute im ehemaligen Nordgau, die mit diesem instrument umzugehen wußten. Seine große Zeit waraber sowohl im Sechsämterland als auch in der Oberpfalz vorbei. Später auftretende Dudelsackpfeiferwaren mit Sicherheit böhmische Wandermusikanten,die auf ihren oft bis nach Holland reichenden Wegenauch unsere ostbayerischen Dörfer und Märkte aufsuchten.In der Oberpfalz berichtet bereits 1857 Franz XaverSchönwerth, der bedeutendste Volkskundler dieser
69
ostbayerischen Region, vom endgültigen Aussterbendes Dudelsacks in der Oberpfalz. Als Begründungführt er an, daß die Bockspfeife so sehr gegen denguten Geschmack verstoße, "daß ein ehemaliger Beamter oben am Böhmerwalde Alles, was in seinemBezirke sich davon vorfand, polizeylich aufbringenund verwahren ließ". Neben anderen wohl technischen Unzulänglichkeiten war also das steigendeästhetische Musikverständnis der Bevölkerung derHauptgrund für das Verdrängen dieses Instrumentsund den Ersatz durch andere. Auch Eduard Fentscherinnert in seiner Bavaria 1863 an die wichtige ehemal i ge Bedeutung des Dudelsacks im Brauchtum.Nur die Egerländer hatten dieses Instrument als typisches Kennzeichen ihrer traditionellen Volksmusik bis1945 und in wenigen Exemplaren über die Vertreibung hinaus gerettet. Der letzte Egerländer Dudelsackbauer, Johann Ziederer, verstarb jedoch 1963 inSchirnding. Nur zwei alte Dudelsackspieler aus demEgerland leben derzeit noch, der 83jährige JohannHeinzl aus Habersberg, jetzt in Rodgau-Rollwald beiDarmstadt (früher Mitglied der berühmten Krautmannkapelle), und der etwa 60jährige Erwin Korn in
70
der Nähe von Stuttgart. Der letzte Egerländer Dudelsackspieler in Ostbayern, Ernst Kassecker, nahm 1971ein tragisches Ende in Weiden.Unter Anleitung von Tibor Ehlers, einem Karpatendeutschen aus der deutschen Sprachinsel Zips, begann1974 der Bezirksheimatpfleger der Oberpfalz mit derRevitalisierung des Egerländer Dudelsacks und desböhmischen Bocks und führte die Instrumentenbaukurse in Pleystein in der Oberpfalz ein, die jährlich inder Zeit zwischen 27. Dezember und 5. Januar stattfinden. Etwa 250 Instrumente dürften dort mittlerweilegebaut worden sein. So wurde dieses sympathischeInstrument den Egerländern erhalten, den Oberpfälzern und Sechsämterländern jedoch nach fast 150jähriger Unterbrechung wieder geschenkt. Und jetztbrummen sie wieder auf den Tanzböden so selbstverständlich, als seien sie nie gefährdet gewesen.
"Wemma wieder an Dudlsook hom,kimma wieder an Drieschlog schlogn.'Nou is wieder a Lust und a Freid,wenn der Dudlsook wieder schreit."
(Altes Volkslied aus dem Egerland)