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X Stützbauwerke 06.10.2011
X Stützbauwerke
1 Einführung
Stützbauwerke übernehmen die vorübergehende oder ständige Sicherung von Gelände-
sprüngen, die aus technischen bzw. wirtschaftlichen Gründen nicht abgeböscht werden
können. Sie haben die Funktion, Einwirkungen aus Bodeneigengwicht und Auflasten am
Geländesprung aufzunehmen und sicher abzutragen. Konventionelle Konstruktionen von
Stützbauwerken lassen sich hinsichtlich ihres Tragverhaltens einteilen in:
flachgegründete Stützwände, die die auftretenden Einwirkungen im We-
sentlichen durch Sohlreibung und durch Sohlnormalspannungen in den Bau-
grund einleiten und
wandartige Tragwerke, bei denen die Einwirkungen über Anker- bzw.
Steifenkräfte, den mobilisierten Erdwiderstand im Einbindebereich der Wand
und den Spitzenwiderstand des Wandfußes in den Baugrund abgetragen wer-
den (siehe Kapitel „Verbauwände“).
G
A
E
(C)B
Rb
a
Ea
R
Abb. X-1 Konventionelle Stützbauwerke
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Nach den aktuellen, europaweit harmonisierten, nationalen technischen Regelwerken (vgl.
DIN 4085:2011 „Berechnung des Erddrucks“) ist der Ansatz des Erddrucks auf dauerhafte
Stützbauwerke in Abhängigkeit von der Nachgiebigkeit der Stützkonstruktion festzulegen.
Tab. X-1 Erddruckansatz in Abhängigkeit von der Nachgiebigkeit der Stützkonstrukti-
on bei Dauerbauwerken nach DIN 4085:2011
Zeile
Nach-
giebigkeit der Stütz-
konstruktion
Konstruktion (Beispiele) Erddruckansatz
1 nachgiebig
Stützwände, die während ihrer gesamten Nut-zungszeit geringe Verformungen in Richtung der Erddruckbelastung ausführen können und dürfen, z.B.: Uferwände, auf Lockergestein gegründete Stütz-wände
aktiver Erddruck
2 wenig nachgiebig
Stützwände nach Zeile 1, bei denen während ihrer Nutzungszeit Verformungen in Richtung der Erddruckbelastung unerwünscht sind, und die gegen den ungestörten Boden hergestellt worden sind.
erhöhter aktiver Erddruck ah ah 0hE 0,75 E 0, 25 E
3 annährend unnachgiebig
Stützwände, die auf Grund ihrer Konstruktion unter der Erddruckbelastung anfänglich geringfügig nachgeben, sich dann aber nicht verformen können oder dürfen, z.B.: Kellerwände und Stützwände, die in Bauwerke einbezogen sind und von diesen zusätzlich gestützt werden, Bemessung der stehenden Schenkel von Winkelstützwänden
erhöhter aktiver Erddruck im Normalfall:
ah ah 0hE 0,5 E 0,5 E in Ausnahmefällen:
ah ah 0hE 0,25 E 0,75 E
4 unnachgiebig
Stützwände, die auf Grund ihrer Konstruktion weitgehend unnachgiebig sind, z.B.: auf Festgestein gegründete Stützmauern als ebene Systeme und auf Lockergestein gegründete Stützwände als räumlich Systeme, z.B. Brückenwi-derlager mit biegesteif angeschlossenen Parallel-flügelmauern.
erhöhter aktiver Erddruck ah ah 0hE 0,25 E 0,75 E
in Ausnahmefällen bis Erdruhedruck
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2 Stützwandtypen
2.1 Schwergewichtsmauer
Die Formgebung und die Abmessungen von Schwergewichtsmauern werden u.a. auf der
Basis der Tragfähigkeitsnachweise und dem Nachweis der Gesamtstandsicherheit festge-
legt. Einfache Konstruktionen mit einer konstanten Wandstärke werden nur bei kleinen
Wandhöhen eingesetzt. In der Regel verbreitert sich das Profil der Wand nach unten,
wobei die Anschrägung vom Hang weg gelegt werden sollte ( < 0), so dass es nicht zu
einer Erhöhung des einwirkenden aktiven Erddrucks kommt. Um den Eindruck eines
Überkippens der Wand zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, die Wand auch luftseitig
anzuschrägen.
Abb. X-2 Versagensmechanismen bei einer Stützwand
Die Idealform der Wand lässt sich mathematisch aus der Bedingung ableiten, dass für
jeden Punkt der Mauerachse die Momentensumme gleich Null sein soll (Abb. X-3).
Abb. X-3 Annäherung an die Idealform einer Abb. X-4 Stützwand mit Talsporn und Stützwand – „Schöllenen-Mauer“ geneigter Sohlfläche
Gleiten Kippen Grundbruch Geländebruch
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Weitere konstruktive Maßnahmen zur Verbesserung der Tragfähigkeit einer Stützmauer
sind:
Talsporn – Die vordere Fußverbreiterung dient der Erhöhung der Sicherheit
gegen Kippen.
Geneigte Sohlfläche – Zur Verbesserung der Gleitsicherheit kann es wirt-
schaftlich sein, die Sohlfläche schräg auszuführen.
A
C B
R
H
V
�
A
C B
R
T
N
�
Abb. X-5 Ansatz der Horizontal- und Vertikalkraft bzw. der Tangential- und Normal-
kraft an einer geneigten Sohlfläche
Im Fall einer geneigten Sohlfläche ist auch der Nachweis der Sicherheit gegen Kippen in
der horizontalen, fiktiven Sohlfläche B-C zu führen. Dabei darf das Eigengewicht des
Bodenkörpers A-B-C in Rechnung zu gestellt werden.
Der Nachweis der Gleitsicherheit ist in zwei Schnitten zu führen:
Nachweis für die geneigte Sohlfläche A-B
Die in der geneigten Sohlfläche angreifenden, vertikalen und horizontalen
Beanspruchungen H und V der Resultierenden R sind in die sohlnormale
Komponente N und sohlparallele Komponente T umzurechnen.
N V cos H sin
T V sin H cos
(Gl. X-1)
Nachweis für die fiktive Sohlfuge B-C
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Wie beim Nachweis gegen Kippen muss hier das Eigengewicht des Boden-
körpers A-B-C angesetzt werden. Bei kohäsiven Böden darf bei der Ermitt-
lung des charakteristischen Gleitwiderstands Rt die Kohäsion in der fiktiven
Sohlfuge zum Ansatz gebracht werden, wenn die Kohäsion tatsächlich mobi-
lisiert werden kann.
tR N tan A c (Gl. X-2)
mit: N charakteristischer Wert der normal zur Gleitfuge angreifenden
Beanspruchung
′ charakteristischer Reibungswinkel des Bodens unter dem
Fundament
A′ die für die Kraftübertragung massgebende Sohlfläche [m², m²/m]
c′ charakteristischer Wert der Kohäsion des Bodens [kN/m²]
Bei der Ermittlung des Grundbruchwiderstands eines Gründungskörpers mit geneigter
Sohlfläche und ausmittiger Belastung ergibt sich die rechnerische Länge a′ bzw. rechneri-
sche Breite b′ aus dem Abstand der resultierenden Normalkraft von der Mittelachse der
Sohlfläche ea bzw. eb.
N
�
eb
b2
b2
Abb. X-6 Ausmittig angreifende Normalkraft auf die geneigten Sohlfläche eines Streifen-
fundaments
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2.2 Winkelstützmauer
Winkelstützmauern sind Stützwände, bei denen durch Anfügen eines Kragarms (Sporn
oder Konsole) zusätzliche „Totlast“ durch das aufliegende Erdreich in Rechnung gestellt
werden kann und so eine Einsparung an konstruktiver Wandstärke ermöglicht wird.
Abb. X-7 Vereinfachter Erddruckansatz an einer Winkelstützmauer und Verlauf
der Gleitflächen
a) nicht vollständig im Boden ausgebildete konjugierte Gleitflächen
(Ea = Näherung)
b) vollständig im Boden ausgebildete konjugierte Gleitflächen
(gleichwertiger Ansatz)
Der Erddruck ist gemäß Kapitel VI.3.2.1 „Erddruckanteil infolge Eigengewicht des
Bodens“ in Abhängigkeit der Gleitkeilausbildung hinter der Wand entweder an der Fläche
A-B-C-D gemäß Abb. X-9 oder im vertikalen Schnitt E-C-D zu ermitteln. Bei dem in Abb.
X-9 dargestellten Beispiel mit nicht vollständig im Boden ausgebildeter konjugierter
Gleitfläche führt der Ansatz des Erddrucks im vertikalen Schnitt nur zu einer Näherung
des aktiven Erddrucks.
Abb. X-8 Stützwände mit angefügten Kragelementen zur Erhöhung der
Tragfähigkeit und zur Nutzflächengewinnung (Talkonsole)
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Zur Erhöhung der Sicherheit gegen Gleiten kann ein zusätzlicher vertikaler Sporn am
bergseitigen Rand der Fundamentplatte einer Winkelstützmauer angeordnet werden. Mit
Hilfe dieser konstruktiven Maßnahme wird der Verlauf der Scherfuge von der Grenz-
schicht Fundament – Boden in den Boden verlagert. Auf diese Weise kann eine Erhöhung
des Gleitwiderstandes um die in der Scherfuge wirkende Kohäsion erreicht werden (siehe
Kapitel „Flächengründungen“).
D
C
B
A
E
�max
�a� �a�
�a
� �a=
Horizontalkomponentedes Erddrucks imSchnitt ABCD
Horizontalkomponentedes Erddrucks imSchnitt ECD( Näherung )
� �a(CD)a(EC)<
F
�ag
�
Abb. X-9 Erddruckansatz bei einer Winkelstützmauer mit nicht frei ausgebildeter kon-
jugierter Gleitfläche
2.3 Raumgitterwand
Seit Jahrhunderten werden in Gebirgsregionen Hangsicherungen mit Stützkonstruktionen
nach dem „Blockhaus-Prinzip“ angewendet. Das aus gekreuzten Balken bestehende
räumliche Gitter wird mit Boden verfüllt, wodurch ein tragender Verbundkörper entsteht.
Heutzutage haben allerdings Beton- oder Stahlbetonfertigteile diese klassische Konstrukti-
on weitestgehend verdrängt. Die Raumgitterwände werden regional auch als Krainerwände
bezeichnet
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Mauerhöhen bis ca. 25 m, in abgetreppter Bauweise sogar bis 50 m, sind erreichbar, da das
Baukastensystem nahezu beliebige Verbreiterungen oder Abtreppungen des Querschnittes
ermöglicht. Auch eine zusätzliche Verankerung hat sich in der Praxis bewährt.
Abb. X-10 Raumgitterwand („Krainerwand“) aus Holz
Die wesentlichen Vorteile der Raumgitterwände lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Rasche und vergleichsweise einfache Herstellung, auch in sehr unwegsamem
Gelände,
gute Anpassungsmöglichkeiten an örtlich unregelmäßige Gelände-, Erdruck-
und Auflastverhältnisse (problemlose Abtreppung oder Höhenstaffelung der
Konstruktion),
hohe Verformungsunempfindlichkeit der gelenkigen Konstruktion,
Entwässerung der Hinterfüllung bei guter Durchlässigkeit des Füllmaterials,
naturnaher Verbau und optisch ansprechende Gestaltung (Begrünbarkeit),
Umweltfreundlichkeit (Schallabsorption),
mögliche Verwertung von unwelthygienisch unbedenklichen, d.h. nicht
eluierbaren Abfallstoffen (als Verfüllmaterial und als Ausgangsmaterial für
Raumgitterelemente) bei relativ geringer Beanspruchung.
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Abb. X-11 Fertigteil-Raumgitterwand System „Evergreen“
Die Vorteile der Raumgitterkonstruktionen führen zu vielfältigen Anwendungen, z.B. als
Stützwand, Lärmschutzwand, für Bachverbauungen, Lawinen- und Steinschlagsicherun-
gen, gärtnerische Gestaltungen etc.
Zur Bemessung von Raumgitterwänden wird die Konstruktion einerseits als fiktive
Schwergewichtsmauer aufgefasst, andererseits als eine Reihe von Silozellen, auf deren
Rückseite der Erddruck und eventuell Verkehrslasten wirken. Der Erddruck auf die
Rückseite der Konstruktion kann mit hinreichender Genauigkeit sinngemäß wie bei
geschlossenen Wänden angesetzt werden. Im Regelfall kann vom aktiven Grenzzustand
ausgegangen und die COULOMB’sche Erddrucktheorie verwendet werden. Der Wandrei-
bungswinkel von Raumgitterwänden ist wesentlich größer als der von massiven Beton-
mauern. Er hängt vom Verhältnis der Bodenfläche zur Gesamtfläche je Laufmeter
erdseitiger Wand sowie deren konstruktiver Ausbildung ab und variiert in der Regel im
Bereich 0,75 ≤ ≤ Für die Praxis kann mit hinreichender Genauigkeit das Diagramm
in Abb. X-12 der Erddruckberechung zugrunde gelegt werden.
Zusätzlich zu den Nachweisen der äußeren Standsicherheit, die entsprechend einer
Schwergewichtsmauer zu führen sind, muss die Abtragung der inneren Kräfte aus Erdfül-
lung und Verdichtung nachgewiesen werden. Besondere Beachtung sind dem Nachweis
der Grundbruchsicherheit und dem Nachweis der Gesamtstandsicherheit (Geländebruch-
nachweis) zu schenken.
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20 40 60 80 100
0,8
1,0
0,6
k [-]
KLEINGLIE
DRIGE
ELEMENTE
GROSSFLÄCHIGE
ELEMENTE
VERHÄLTNIS BODEN- ZU GESAMTFLÄCHE [%]
� �= k
Abb. X-12 Wandreibungswinkel von Raumgitterwänden als Funktion des Verhältnisses
Bodenfläche zur Gesamtfläche (Öffnungsweite) und der Gliedrigkeit (Verzah-
nung) an der Wandrückseite
2.4 Bewehrte Erde
Unter dem Begriff „Bewehrte Erde“ versteht man einen Verbundkörper aus Boden und
Bewehrung. Übliche Bewehrungen, die zur Errichtung dieser Art von Stützkonstruktionen
zum Einsatz kommen, sind zum Beispiel dünne Injektionspfähle, Stahl- oder Kunststoff-
stäbe, Reibungsbänder, Geogitter und -textilien. Die Idee der „Bewehrten Erde“ beruht auf
einer Form von Stützbauwerken, die der französische Ingenieur HENRI VIDAL in den
sechziger Jahren entwickelte („Terre Armée“). Im Boden werden Bewehrungsbänder
eingelegt, die Zugkräfte aufnehmen und diese über Reibung in den Boden abtragen. An der
Luftseite wird die bewehrte Erde durch eine Außenhaut aus Stahlbeton-Fertigteilen oder
Stahlblechen abgeschlossen, an welche die Bewehrungsbänder angeschlossen werden.
Aufgrund der Korrosionsproblematik von Stahlbewehrungen im Boden werden zunehmend
Kunststoffe für diese Aufgabe eingesetzt.
Die Berechnung von Stützkörpern nach dem System der „Bewehrten Erde“ umfasst die
Untersuchung der äußeren und inneren Standsicherheit. Im ersten Fall wird der Verbund-
körper als „Quasi-Monolith“ idealisiert. Die Standsicherheitsnachweise können somit wie
für ein konventionelles, massives Stützsystem geführt werden. Die Ermittlung der inneren
Stabilität dient der Bemessung der Geometrie des bewehrten Erdkörpers, der Bewehrung
sowie der Außenhaut. In der Regel sind für den Nachweis der inneren Standsicherheit
folgende Nachweise zu führen:
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Sicherheit gegen Bandbruch,
Sicherheit des Bandanschlusses,
Sicherheit gegen Herausziehen der Bänder und
Sicherheit der Außenhaut.
Abb. X-13 Stützbauwerke nach dem System „bewehrte Erde“
Bei den Berechnungen kann von der klassischen Erddrucktheorie mit einem aktiven
Gleitkeil innerhalb des bewehrten Bodenkörpers ausgegangen werden. Der Wandrei-
bungswinkel ist mit = 0 anzusetzen, wenn kein genauerer Nachweis erfolgt. Der Einfluss
von Auflasten oder Geländeneigungen auf den Erddruck kann konventionell ermittelt
werden. Die Zugkräfte in der horizontalen Bewehrung können in Abhängigkeit von der
horizontalen Erddruckspannung an der Vorderkante des bewehrten Erdkörpers wie folgt
berechnet werden:
2 2
1 1
z b
i,k ah
z b
F e z dz db (Gl. X-3)
mit: Fi,k Zugkraft in der i-ten Bewehrungslage [kN]
eah(z) Horizontaler Erddruck im maßgeblichen Bereich vom Tiefen-
niveau z1 bis zum Tiefenniveau z2 [kN/m²]
zi betrachtete, maßgebliche Tiefenniveaus [m]
bi betrachtete, maßgebliche Abschnittsbreite [m]
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Abb. X-14 Montageschema in Ansicht und Schnitt für eine Betonaußenhaut
Für den Nachweis gegen Herausziehen der Bewehrungsbänder sind Annahmen über die
wirksame Haftlänge der Bewehrung zu treffen, längs der sie ihre Haftkraft mittels Reibung
auf den Boden übertragen. Für den Nachweis sind die außerhalb des aktiven Gleitkeils
verbleibenden Teillängen der Bewehrung li anzusetzen.
2.5 Polsterwand
Die Polsterwände wurden in Anlehnung an die konventionellen Stützbauwerke aus
bewehrter Erde entwickelt. Bei dieser speziellen Form der „Bewehrten Erde“ bestehen
sowohl die Verankerungselemente als auch die Außenhaut aus Geokunststoffen. In der
Regel werden die Zugeinlagen an der Luftseite umgeschlagen, wodurch sich ein polster-
ähnliches Aussehen ergibt.
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Abb. X-15 Übliche Querschnitte von Polsterwänden aus Geokunststoffen
Der Einsatz von Geokunststoffen für Stützkonstruktionen hat folgende Vorteile:
Keine Korrosionsprobleme wie bei Stahlbändern; für die Außenhaut muss
UV-beständiges Material verwendet oder der Geokunststoff imprägniert bzw.
abgedeckt werden.
Die sehr flexible Konstruktion ist ausgesprochen unempfindlich gegenüber
Setzungsdifferenzen.
Die große Variation der Spannungs-Dehnungs-Eigenschaften unterschiedli-
cher Geokunststoffe ermöglicht eine optimale Abstimmung auf die bodenme-
chanischen Erfordernisse.
Durch das Umschlagen der Bewehrungslagen an der Luftseite der Wand ent-
fallen die Probleme des Bandanschlusses, und eine zusätzliche Außenhaut ist
nicht zwingend erforderlich.
Polsterwände können begrünt werden.
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Abb. X-16 Herstellungsablauf einer Polsterwand
Für den Aufbau der einzelnen Lagen einer Polsterböschung werden temporäre oder
verlorene Schalungen vertikal auf kleinen Bermen oder im Winkel der Böschung errichtet.
Diese müssen dem Druck der Verdichtung des Füllbodens standhalten sowie eine Verdich-
tung bis an die Außenhaut des Bauwerks erlauben. Die Schalungen können nach dem
Einbau jeder Lage gezogen und für die nächste Lage verwendet werden.
Abb. X-17 Polsterwand
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2.6 Gabionenwand
Gabionen – auch als Drahtschotterkörbe oder Steinkörbe bezeichnet – sind mit Steinen
verfüllte quaderförmige Stahlgitterkörbe, die nach dem statischen Prinzip der Schwerge-
wichtsmauer zur Hangsicherung und als Verbau verwendet werden. Die Langzeitbestän-
digkeit der Gitterkörbe ist dabei von entscheidender Bedeutung. Meist werden die
Stahlgitterkörbe daher in feuerverzinkter Qualität oder aus rostfreien Edelstahlgittern bzw.
-stäben gefertigt. Je Fabrikat sind verschiedene Standardmaschentypen und Abmessungen
der quaderförmigen Elemente üblich. Gängige Abmessungen sind hierbei: Breite
50 300 cm, Höhe 50 100 cm, Länge 50 400 cm. Für die Verfüllung kann plattiges
oder rundkörniges natürliches Gesteinsmaterial oder auch Recyclingmaterial verwendet
werden. Die Korngrößen bewegen sich – je nach Maschenweite des Korbes und Hersteller
– in der Regel zwischen 80 und 200 mm. Die wichtigsten Merkmale von Bauwerken aus
Gabionen sind:
Gute Anpassungsfähigkeit an unregelmäßige Geländeoberflächen,
hoher Widerstand gegen Druck- und Zugbeanspruchungen und gute Anpas-
sung an Änderungen der Einwirkungen,
Flexibilität und ausgeprägtes Verformungsvermögen,
Durchlässigkeit,
Wirtschaftlichkeit und einfache Herstellung,
Begrünbarkeit.
Das Drahtgeflecht der Gabionen wird in der Regel zusammengelegt in Bündeln angelie-
fert, an der Baustelle geöffnet und an der Einbaustelle befüllt. Gabionenmauern erhalten
entweder luft- oder erdseitig eine Abtreppung, die üblichen Wandneigungen variieren hier
zwischen = 0° bis 10°. Dabei werden die Drahtkörbe mit versetzten Fugen übereinander
gestapelt.
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Abb. X-18 Hangsicherung mit Hilfe von Gabionen
Hinsichtlich des Langzeitverhaltens von Gabionen existieren in Italien und Österreich
positive Erfahrungen seit etwa 1890. Im Laufe der Jahrzehnte kam es meist zu einem
Einspülen von Boden und zu einem kräftigen natürlichen Bewuchs, so dass die Funktion
der Stützkörper trotz verschlechterter Drahteigenschaften erhalten blieb.
Die Bemessung von Gabionen erfolgt sinngemäß wie bei Schwergewichtsmauern.
Aufgrund der Verformbarkeit der Stützmauer kann mit hinreichender Genauigkeit der
aktive Erddruck angesetzt werden. Auf die Berücksichtigung eines Wasserdrucks kann
aufgrund der sehr guten Durchlässigkeit von Gabionen in der Regel verzichtet werden.
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3 Entwässerung
Um zusätzliche Beanspruchungen massiver (wasserundurchlässiger) Stützkonstruktionen
aus Wasserdrücken zu vermeiden, muss das im anstehenden Boden vorhandene Grund-,
Sicker- oder Kluftwasser und das durch Niederschläge bergseitig eingespeiste Wasser zur
Talseite hin frei dräniert werden. Je nach Wasserdurchlässigkeit des
Hinterfüllungsmaterials müssen hierfür zusätzliche Dränageschichten hinter der Stützwand
angeordnet werden. Abb. X-19 zeigt mögliche Anordnungen der Dränageschicht.
14
5
3
12653
19
1053
211
1
1210
53
1 Aushub 2 Hinterfüllung 3 Füllbeton 4 Steinpackung oder Rundkies 5 Gelochte oder poröse Leitung, d = 20 cm 6 Einfachfilter 7 Filter 1 8 Filter 2 9 Sickerboden10 Rundkies, 30 bis 50 mm11 Filterstein oder - platten12 Fußstein
min
Abb. X-19 Gebräuchliche Ausführungen von Hinterfüllungen
Die Dränageschichten sind filterfest (Bodenfeinteile dürfen nicht eingespült werden) und
hydraulisch wirksam (ausreichende Durchlässigkeit) auszubilden. Gegebenenfalls müssen
Stufenfilter mit abgestuften Korngrößen angeordnet werden. Die Filterschichten sind an
ihren tiefsten Punkten über Rohrleitungen durch die Wand hindurch oder unter der Wand
mit einer Leitung zu entwässern, die in die Vorflut mündet. Gegebenenfalls wird das
Wasser der Filterschichten hinter der Wand zunächst in einer längslaufenden Rohrleitung
gefasst (Längsgefälle der Sammelleitung ≥1 %; Durchmesser dmin = 20 cm; Kontroll-
schächte alle 50 m bis 70 m je nach Knickstellen der Leitung oder Änderungen im
Längsgefälle zum Spülen und Reinigen der Leitung), die dann das Wasser, wie oben
beschrieben, durch oder unter der Wand abführt.
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Ableitung des Oberflächenwassers: auf der Böschung der Bergseite anfallendes Oberflä-
chenwasser muss in Mulden, Schalen oder Rinnen hinter der Wandkrone gesammelt und
über Schlammsammler in die Sammelleitung abgeleitet werden. In Abb. X-20 sind
gebräuchliche Ableitungssysteme dargestellt:
a: Einfacher Fall ohne Schale; Geländeneigung weniger als 5 %, kleiner Was-
seranfall
b: Rasenmulde
c: Betonschale; Normalfall; mittlere Geländeneigung und mittlerer Wasseranfall
d: Wasserrinne; Geländeneigung mehr als 20 %; großer Wasseranfall
e: Schlammsammler
Abb. X-20 Ableitung des Oberflächenwassers
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Literatur:
[1] Brandl, H. (1980)
Tragverhalten und Dimensionierung von Raumgitterstützmauern
(Krainerwänden) – Heft 141 · Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen,
Wien
[2] Brandl, H. (2001)
Konstruktive Hangsicherung, Grundbautaschenbuch Band 3, 6. Auflage ·
Ernst & Sohn, Berlin
[3] DIN 4085:2011
Berechnung des Erddrucks · Beuth, Berlin
[4] EBGEO (2010)
Empfehlungen des Arbeitskreises Geokunststoffe, DGGT · Ernst & Sohn,
Berlin
[5] Smoltczyk, U. (2001)
Stützmauern, Grundbautaschenbuch Band 3, 6. Auflage · Ernst & Sohn, Ber-
lin
[6] Zilch, K.; Diederichs, C.J.; Katzenbach, R. (2001)
Handbuch für Bauingenieure · Springer, Berlin u. a.