Post on 29-Aug-2019
Wirkung des Wohlfahrtstaates auf den Lebenslauf
Quellen: „Die Institutionalisierung des Lebenslaufs“von Martin Kohli
„Lebensverläufe im Wohlfahrtsstaat“von Karl Ulrich Mayer und Walter Müller
Gliederung1. Merkmale des modernen Lebenslaufes
2. Wodurch ist die Chronologisierung des Lebens notwendig geworden?
3. Die Rolle des modernen Wohlfahrtsstaates bei der Ordnung, Regulierung und sozialen Definition von Lebensverläufen
4. Diskussion
= eigenständige gesellschaftliche Strukturdimension
Lebenslauf und Lebensalter
nicht nur zeitliche Abläufe, sondern eine “sozialeTatsache” eigener Art
Lebenslauf = soziale Institution - nach ihm wird Handeln ausgerichtet
(Institution: soziale Wirklichkeit mit Handlungsrechten, Handlungspflichten oder normativer Geltung durch die Gruppen verbindlich wirken oder handeln)
1. Verzeitlichungstarke Zunahme der Bedeutung des Lebenslaufesals soziale Institution
2. ChronologisierungVerzeitlichung ist am chronologischem Lebensalterals Grundkriterium orientiert
3. IndividualisierungProzess der Freisetzung der Individuen aus den ständischen und lokalen Bindungen
Merkmale des modernen Lebenslaufes
4. Erwerbssystem
Dreiteilung in 1. Vorbereitungsphase (Kindheit, Jugend) 2. Aktivitätsphase (Erwachsenenleben) 3. Ruhephase (Alter)
5. Bewegung der Individuen durch das Leben
1. Positionssequenzen (Karriere)
2. biografische Perspektive und Handlungen(Horizonte, Wissensbestände)
Merkmale des modernen Lebenslaufes
Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde
1.LebensdauerChronologisierung des Lebenslaufs
- Vormoderne: Tod konnte jederzeit eintretenLeben schwer vorausplanbar
- Moderne: Verschiebung der Überlebenskurve
Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde
1.LebensdauerChronologisierung des Lebenslaufs
- Vormoderne: Tod konnte jederzeit eintretenLeben schwer vorausplanbar
früher: Zufälligkeit von Lebensereignissenheute: vorhersehbarer Lebenslauf
- Moderne: Verschiebung der Überlebenskurvefast vollständiges Verschwinden des Todes aus demfrühen und sogar dem mittleren Erwachsenenalter
2. Familienzyklus
Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde
Vormoderne:
- weniger an bestimmte Altersmarken gebunden
- chronologischer Streubereich war breiter
man kann nicht von Familienzyklus sprechen
Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde
2. Familienzyklus
Moderne:
Empirische Bedingungen für Familienzyklus
- Rückgang der Altersvarianz der Ereignisse
- Abbau der Heiratsbeschränkungen
Standardisierung des Lebenlaufes
- vorangetrieben durch altersgeschichtete Systemeöffentlicher Rechte und Pflichten:
Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde
2. Die Konstitution von AltersgrenzenChronologisierung des Lebenslaufes
Zivil- und Strafrecht
Berechtigungssysteme
Altersschichtung des Arbeitsmarktes
Schulpflicht
Bildungs- und Rentensystem (Dreiteilung)
früher: - keine besondere Beachtung der Altersphase- Übergang in den Ruhestand war nicht mit
chronologischem Alter verbunden
Verzeitlichung und Chronologisierung: Historische Befunde
3. Die Konstitution von AltersgrenzenChronologisierung des Lebenslaufes
heute: - relativ einheitlich beginnende strukturellabgrenzbare Altersphase von beträchtlicherLänge für den überwiegenden Teil der Bevölkerung
- Rolle des höheren Alters
Individualisierung
Früher: analistische Konzeption
Moderne: entwicklungsgeschichtliche Konzeption
- Leben gewinnt seine Struktur aus der Abfolgevon äußeren, historischen und jahreszeitlichenEreignissen
- um das eigene “Ich” organisiert
Prinzip, das das Individuum organisiert und vorantreibtunterschiedlich
Fazit:- starke Zunahme der Bedeutung des Lebenslaufsals soziale Institution
- Am chronologischem Alter orientiert
- Stärkere Individualisierung
- Leben ist planbarer geworden
- Größere Standardisierung der Lebensläufe
Vier gesellschaftliche Probleme, auf die die Institutionalisierung des Lebenslaufes
antwortet:
• 1. Rationalisierung• 2. soziale Kontrolle• 3. Suksession• 4. Integration
1.Rationalisierung
• Rationalisierung staatlicher Leistungssysteme chronologisches Alter eignet sich gut für diese
Art von Rationalisierung, Leben und Durchlauf der Individuen durch soziale Systeme wird berechenbar
• Konstitution von Altersgrenzen: Schulpflicht, Renteneintritt etc. nach diesen Kriterien organisiert
• Chronologisches vs. funktionales Alterfunktionales Alter für den Wohlfahrtstaat nicht
organisierbar
Rationalisierung: Ebene des Individuums
• Chronologisierung des Lebenslauf ergibt Bezugsachse für eigene methodische Lebensführung
• Selbsttypisierung und Fremdtypisierung: Chronologisierung des Lebenslaufes ist die Grundlage
• Lückenloser Lebenslauf wichtiges Kriterium zur Fremdtypisierung
• Typisierung erstreckt sich nicht nur auf Vergangenheit auch auf Zukunft
2. Soziale Kontrolle
• In vor modernen Lebensformen erfolgte soziale Kontrolle über stabile Zugehörigkeit zur Familie und zum Stand (äußere Kontrolle)
• Übergang zur Moderne bedeutet Pluralisierung und Mobilisierung des Lebens Folge: Vergesellschaftung auf individueller Ebene
• Lebenslauf als Ablauforientierung funktionale Äquivalent zur früheren äußeren Kontrolle
• Soziale Kontrolle soll nicht nur durch monetäre Versorgung gegeben werden, auch durch Erwartbarkeit
3. Suksession
• Historische Veränderungen von Nachfolgereglungen durch Ausweitung der wohlfahrtsstaatlichen Regelungen
• In vormodernen Gesellschaften hatte nur der Primat im Haushalt ein Gewicht, das Personal wurde aus dem familial verfügbaren Stamm gewählt
• Familiale und ökonomische Suksession fielen zusammen
• Nachfolge ist jetzt freier Prozess• Durch freie externe Suche entstehen Kohorten
mit beliebigen Zeitabständen und unterschiedlichen zeitlichen Bezugspunkten
Suksession II• Verrentung Wohlfahrtsstaat hat legitime
Lösung gefunden ältere Arbeitskräfte auszusortieren und junge Kräfte einzuführen
4. Integration
• Vormoderner Haushalt: Kontinuität des Primaten• Berufliche und familiale Übergänge ergaben sich direkt
aus der Notwendigkeit der Produktion im Haushalt• Bsp. Kopplung von Ehefähigkeit und wirtschaftlicher
Lage wurde rechtlich verankert• In industrieller Ökonomie ist der individuelle Lebenslauf
die neue zentrale Reglungsebene• Für Individuen und Betriebe stellt sich die Aufgabe der
Vereinbarung von betrieblicher und familialerLaufbahnen
Rolle des Wohlfahrtsstaates bei der Ordnung, Regulierung und sozialen Definition
von Lebensverläufen
1. Beziehung zw. Entwicklung des modernenWohlfahrtsstaates und Strukturen des Lebensver-laufs?
2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staats-aktivitäten das Leben beeinflussen?
3. Einfluss der monetären Anreizsysteme des Staatesauf individuelle Lebensentscheidungen?
4. Wie wirkt sich das Handeln des Staates als Einkommenverteiler und Anbieter von Berufs-optionen im ÖD auf die Ausprägung von Lebens-verläufen aus?
1.Beziehung zw. Entwicklung des Wohlfahrtsstaates und Strukturendes Lebensverlaufs?
1. Differenzierung
- Paralleler Prozess
Auflösung des traditionellen Haushaltes
Segmentierung/soziale Rollen des Individuums
staatliche Regulierung der einzelnen Bereiche
1.Beziehung zw. Entwicklung des Wohlfahrtsstaates und Strukturendes Lebensverlaufs?
- Paralleler Prozess
2. Individualiserung
Individuum als Objekt der Staatstätigkeit
Akteur mit Rechten und Pflichten
2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staatsaktivitäten das Leben beeinflussen
1. Gesetzliche Altersnormen
2. soziale Sicherungssysteme
2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staatsaktivitäten das Leben beeinflussen
Zu 1.
- Bsp.: Verbot der Kinderarbeit, Schuleintritt, Heiratsalter, Verrentungsalter
2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staatsaktivitäten das Leben beeinflussen
Zu 1.
- These: gesetzliche Vorschriften alleine habenselten eine hochstrukturierende Wirkungauf den Lebensverlauf. Nur wenn mitanderen Instrumenten des staatlichenHandelns kombiniert.
- Beispiel: Bismarck und Bevölkerungsgruppe Rentner oder Ausbildungsphase
2. Modalitäten und Mechanismen, mit denen Staatsaktivitäten das Leben beeinflussen
Zu 2.
- gesetzlich verankert, monetaristisch, universalistisch und routinisiert
- Fristen “kontinuierlicher Fluss des Lebens“ wird zur Serie von Situationen, Stati(erwerbstätig/arbeitslos; krank, invalide, im Ruhestand etc.), auch Chronologisierung
- Periodisierung des Lebens durch gesetzliche Definition der Übergänge und Wechsel
- Standarisierung, Homogenisierung- Alterssegmentierung
3. Einfluss der monetären Anreizsysteme auf individuelle Lebensentscheidungen
- zu erwarten: Individuen verändern unter wohlfahrts-staatlicher Intervention ihre Lebensorientierung
- Substantive/ funktionale Rationalität
- Wo Geldanreize da sind, ist es fürs Individuum funktional rational diese zu nutzen
Schwächung eigenständiger Lebensorientierung, Bsp. Eigenheim
4. Wie wirkt sich das Handeln des Staates als Einkommensverteiler und als Anbieter von Berufspositionen im Öffentlichen Dienst auf die
Ausprägung von Lebensverläufen aus?
- Versorgungsklasse
- Frage: Unterscheiden sich Lebensverläufe dieserPersonen wesentlich von denen, die andere Art desEinkommens beziehen?
kein großer Unterschiedwichtig: größerer Teil qualifizierte Berufe mit höherem Einkommen für Frauen
- Kollektives Schicksal?eher nein
Fazit
- Staat definiert alle Ein- und Austritte in unterschiedlichen Lebensphasen.
öffentliche Ereignisse
- Kontinuität, Kalkulierbarkeit, Verfügbarkeit
- Segmentierung, Sequenzierung, Struktur
- Individualisierung
- substantiell rationales Handeln wird geschwächt
Fazit: der Zusammenhang von chronologischem Lebenslauf und
Wohlfahrtstaat• Wohlfahrtsstaat nimmt Einfluss durch
Sozialversicherung, gesetzliche Altersnormen und Alterssegmentierung
• Individualisierung Staat übernimmt die Rolle der Familie
• Wohlfahrtsstaat schafft eine Heterogenität in der Homogenität
• W. ist orientiert am chronologischen und nicht am funktionalen Alter
• W. beeinflusst durch monetäre Anreize Lebensentscheidungen der Individuen
DISKUSSION- Widersprechen sich Individualisierung und Standardisierung von Lebensläufen in der modernen Gesellschaft?
- Wer bestimmt den Lebenslauf eines Individuums? Staat, Markt oder Familie?
- Diskutieren Sie die Aussage: „Der Wohlfahrtsstaatermöglicht durch seine eingreifenden Maßnahmenin den individuellen Lebenslauf (Schulpflicht, Renten-eintrittsalter) einer größeren Zahl der BevölkerungChancen, die sie ohne diese Maßnahme nicht hätte.“