Post on 17-Oct-2019
St. TheklaWelden
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Verkörperung der christlichen Hoffnung am süd-
lichen Stifteraltar mit Anker und Schlangenring.
Das Wappen der Grafen Fugger am Gehäuse
der Orgel Johann Andreas Steins von 1763.
St. Thekla in Welden:ein Juwel der Rokokokunst
„Die Kirche zählt als selbständiges Hauptwerk Hans Adam
Dossenbergers zu den feinsten Rokokoschöpfungen Bayerisch-
Schwabens; sie ist damit auch der bedeutendste Sakralbau
des Landkreises Augsburg.“ Mit solchen Superlativen beschrieb
1970 der Denkmalführer „Bayerische Kunstdenkmale. Landkreis
Augsburg“ den Sakralbau auf dem Weldener Theklaberg.
Zu Recht, denn die St.-Thekla-Kirche ist ein herausragendes,
stilrein erhaltenes „theatrum sacrum“: ein „heiliges Theater“,
gestaltet in der prallen Sinnlichkeit und Prachtentfaltung, die
das Rokokozeitalter prägte. Man nutzte damals theatralische
St. Thekla steht hoch über der Marktgemeinde
Welden auf dem Theklaberg. Der Stifter der
Rokokokirche, Graf Joseph Maria Fugger,
nannte ihn „Neuleblangsberg“.
Die Namenspatronin der Kirche, die heilige
Thekla, ist lebensgroß im Stuck des nördlichen
Seitenaltars abgebildet.
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Die Stuckkanzeln rechts und links des Chors
schuf Franz Xaver Feichtmayr d.Ä. Sie zeigen
Motive des Alten und des Neuen Testaments.
Die südliche Kanzel bekrönt die Figur der
heiligen Thekla. Dass zwei Kanzeln entstanden,
war vermutlich der Symmetrie geschuldet.
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Eine Votivtafel im Chor zeigt den Blutsturz,
nach dem Graf Fugger den Bau der Kirche
gelobt haben soll. Bei der Stiftungsgeschichte
handelt es sich wohl um eine für das Rokoko-
zeitalter typische fromme Legende.
christlichen Hoffnung dar. Chronos, der griechische Gott der
Zeit, hält ein Stundenglas und hebt seine Sichel. Gefasst wird
diese Szenerie von einem Baldachin mit blauen und goldenen
Fuggerlilien.
Im Chor vermitteln Votivbilder die Stiftungsgeschichte. Eine
Tafel (Öl auf Leinwand) zeigt den Blutsturz im Wald, darunter
steht in einer Rocaillekartusche zu lesen: „EX VOTO | Joseph
Maria Graff Fugger | von Wöllenburg. | den 2:ten August
1755“. Am Rahmen sieht man oben das Fuggerwappen. Rechts
davon ist auf einer kleineren bemalten Blechtafel in Form
einer Kartusche die Genesung des Stifters über einem Fugger-
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wappen und der Inschrift „Joseph Maria Graff | Fugger von
Wöllenburg | den 9 ten Juny 1756“ dargestellt. Über dem
Liegenden schwebt die heilige Thekla.
Das Gelöbnis nach dem Blutsturz bei der Jagd im Wald ist
vermutlich nur eine für jene Zeit typische, wahrscheinlich
vorgeschobene Stiftungsgeschichte. Die wahren Hintergründe
des Kirchenbaus sind wohl eher in den wirtschaftlichen und
familiären Schwierigkeiten von Graf Joseph Maria Fugger zu
suchen. Der Lebenswandel des jagd- und baulustigen Fuggers
verstimmte seine Familie. Seine gewaltigen Schulden waren
bereits 1739 der Anlass einer Sitzung des Familienseniorats
gewesen. Seine Herrschaft Wasserburg am Bodensee ver-
äußerte Graf Joseph Maria Fugger gegen den Widerstand
Ein Fuggerwappen entdeckt man auch am
Rahmen der Votivtafel, die das Blutsturzmotiv
der Weldener Stiftungsgeschichte zeigt.
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Im prunkvollen Rahmen eines Gemäldes im
Chor, das die heilige Thekla darstellt, findet
man dieses emaillierte Fuggerwappen.
Zwei Putti halten das Fuggerwappen an der
Westseite des Kirchturms. An der Wetterfahne
auf dem Kirchturm sieht man eine Fuggerlilie.
Die Wahl der Namenspatronin ist ein weiteres Indiz dafür,
dass die inoffizielle Version der Stiftungsgeschichte die wahre
sein könnte. Denn auch die vom Apostel Paulus zum Christen-
tum bekehrte Thekla wurde von ihrer Familie verfolgt, über-
stand alle Gefahren und erreichte als Eremitin ein hohes Alter.
Graf Joseph Maria Fugger benannte folgerichtig den Burgberg,
auf dem er die Votivkirche St. Thekla und das Jagdschloss er-
richten ließ, in „Neuleblangsberg“ um.
Das Fugger‘sche Jagdschloss ist auf dem Altarblatt am Hoch-
altar abgebildet, das den Tod der heiligen Thekla zeigt. In dem
Altargemälde ist am unteren linken Bildrand eine Ansicht der
Kirche St. Thekla und des benachbarten Schlosses zu erkennen.
Der nördliche Stifteraltar stellt in seinem reichen Stuck auch
ein Modell der Kirche und des angrenzenden Jagdschlosses
dar. Graf Fugger verstarb 1764 nicht auf seinem Stammsitz in
Wellenburg, sondern in Welden. Vor dem südlichen Stifteraltar
der Kirche St. Thekla ließ er sich bestatten.
St. Thekla war kurzzeitig als Wallfahrtskirche von Bedeutung.
In den ersten fünf Jahren einer 1757 gegründeten Bruder-
schaft zur heiligen Thekla wurden dort mehr als 6000 Messen
gelesen. Nach dem Tod Graf Joseph Maria Fuggers ging die
Wallfahrt auf den Theklaberg allerdings stark zurück.
Der bekannteste Bewohner von Welden, der Schriftsteller
Ludwig Ganghofer, hat die Geschichte der Kirche in seine
Autobiografie „Lebenslauf eines Optimisten“ integriert, wenn
auch unrichtig dargestellt. Auf dem Theklaberg steht eine
Lindenallee, die Ludwigs Vater August Ganghofer, königlich-
bayerischer Forstmeister in Welden, 1869 anlegen ließ.
St. TheklaWelden
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Verkörperung der christlichen Hoffnung am süd-
lichen Stifteraltar mit Anker und Schlangenring.
Das Wappen der Grafen Fugger am Gehäuse
der Orgel Johann Andreas Steins von 1763.