Post on 04-Sep-2020
Umgang mit traumatisierten
FlüchtlingenDipl. - Psych. Florian Harder
(Psychologischer Psychotherapeut)
Trauma – Fachtagung am 26.04.2017 der NBS
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Überblick
1. Vorstellung PSZ
2. Trauma
3. (Traumatisierte) Geflüchtete
4. Umgang mit traumatisierten Geflüchteten
5. Auf sich selbst achten
6. Weitervermittlung
Erwartungen/ Wünsche
1. Psychosoziales Zentrum für Asylsuchende in Vorpommern
• PSZ besteht seit 1993 in Greifswald
• Seit 2011 in Trägerschaft des Kreisdiakonischen
Werk Greifswald-Ostvorpommern e.V. - vorerst als
Kooperation mit dem Flüchtlingsrat M-V
• Seit 30.06.2015 als selbstständiges EU-Projekt im
KDW
Beratungsorte
• PSZ Greifswald, Kapaunenstr. 10
• Begegnungszentrum Mole in Greifswald
• GU Unterkunft in Stralsund
• Nebenstelle in Wolgast, Ostrovskistr. 15 (in
Kooperation mit Korni e.V.)
Sozialberatung
• Beratung und Begleitung im Asylverfahren und im
täglichen Leben (Wohnung, Beruf, Schule,
Kinderbetreuung etc.)
• Vermittlung von ÄrztInnen und AnwältInnen
• Hilfe bei Familienzusammenführung
• Vermittlung von SprachmittlerInnen und
DolmetscherInnen
Psychologische Beratung
• Clearinggespräche ggnf. Weitervermittlung
• Diagnostik
• Stellungnahmen
• Kriseninterventionen
• Psychotherapie (Aktivitätenaufbau, Umgang mit
überschießenden Emotionen, Umgang mit
traumatischen Erfahrungen)
• Längerfristige Begleitung bei chronischen Zuständen
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2. TraumatisierungWiedererleben
• nur Fragmente werden erinnert. Erinnerungen als Fremdkörper
• die Fragmente werden häufig assoziativ ausgelößt: Intrusionen/ Flashbacks
• Auch in Form von Albträumen, starken körperlichen Reaktionen auf „Trigger“
Menschen mit Traumafolgestörungen haben die traumatische Szene nie verlassen und sind noch im „Überlebensmodus“
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2. TraumatisierungVermeiden
• Vermeiden über das traumatische Ereignis zu sprechen,
nachzudenken oder Gefühle zu erleben
• Vermeiden an das Ereignis erinnert zu werden (Orte und
Personen, die mit dem verbunden waren, was geschah)
• Eingeschränkte Gefühle, emotionale Taubheit
• Gefühl, von anderen distanziert und entfremdet zu sein, sozialer
Rückzug
• Verlust von Interessen an sonst angenehmen Aktivitäten
Körperliche Erregung
• Anhaltend wachsam bezüglich einer Bedrohung, leicht zu
alarmieren, schreckhaft sein
• Nervosität, Reizbarkeit und Wutausbrüche
• Schwierigkeiten ein- und durchzuschlafen, Schwierigkeiten
sich zu konzentrieren oder aufmerksam zu sein
(Kriterien der „Posttraumatischen Belastungsstörung PTBS“
nach der ICD-10)
2. Traumatisierung
3. (Traumatisierte) Geflüchtete
Diskussion:
Woran denke ich, wenn ich „traumatisierte
Geflüchtete höre?“
Denke ich an „Opfer“, „Täter“ „Fremde“?
3. (Traumatisierte) Geflüchtete
Häufige psychische Störungen unter Geflüchteten:
• Posttraumatische Belastungsstörung (16- 22 %, dt.
Bevölkerung ca. 2 %) (Bozorgmehr, 2016, Maerker et al.,
2008)
• Im PSZ haben wir häufig auch: Depressionen,
somatoforme Störungen, Zwangsstörungen,
Selbstverletzendes Verhalten.
3. (Traumatisierte) Geflüchtete
• Die Meisten haben traumatische Ereignisse in der
Heimat oder Flucht erlebt
• Nicht alle sind „traumatisiert“, dh. nicht alle leiden
unter einer Traumafolgestörung
• Viele leiden mindestens genauso sehr an Heimweh/
Trauer über Verluste sowie unsicherem Status in
Deutschland
3. (Traumatisierte) Geflüchtete
Belastung durch
• Spracherwerb (Bildungsniveau, Konzentration)
• Bürokratie (schwer verständliche Briefe)
• Unterbringung
• Abschiebung/ Unsicherer Status/ Dauer des
Verfahrens
• Auf der Stelle treten
3. (Traumatisierte) Geflüchtete
Hilfreich:
• Erwerbstätigkeit, sinnvolle Tätigkeiten
• Soziale Unterstützung: Familie/ Freunde/
Helfersystem
• Sinn und Hoffnungsstiftende Vorstellungen
4. Umgang
Person beginnt über schlimmer Erlebnisse zu
berichten:
• Wenn man kann (zeitlich, emotional) ist zuhören gut,
nicht noch genauer nachfragen, das sollte eher im
therapeutischen Rahmen passieren.
4. Umgang
Person wirkt sehr hilflos
• Spezifische, konkrete Hilfe, die Klient auch will
• Nicht überschütten, Eigenverantwortlichkeit stärken
• Viel Aufklärung zu eigenen Möglichkeiten und seinen
Möglichkeiten
• Nicht Persönlich nehmen, wenn Angebote abgelehnt
werden.
4. Umgang
Flashbacks/ Plötzliches Erinnern/ Dissoziationen
-> In die Gegenwart zurückbringen
• Ansprechen mit Vornamen, kontinuierlich, deutlich und ruhig
reden: „Ali, schauen Sie mich an, können Sie mich hören?“
• Ort : „Sehen Sie sich um, was sehen Sie? Wo sind Sie jetzt?„
• Zeit: „Wir haben den 25.04.2017“
• „Sie sind hier in Sicherheit!“.
• Sinne Aktivieren: „Was Sehen Sie noch?“ „Was hören Sie
noch?“ „Trinken Sie etwas“, „Spüren Sie den Boden unter den
Füßen“
4. Umgang
Albträume/ Schlaflosigkeit
• In die Gegenwart bringen (kalte Dusche)
• Entspannende Tätigkeit durchführen bis Müdigkeit
zurück kommt (Musik hören etc.)
• Gegenwartsanker finden: „Sehen Sie sich um – woran
erkennen Sie, dass Sie in Deutschland sind?“
4. Umgang
Aggressives Verhalten/ Erhöhte Reizbarkeit
• Möglichst nicht Anfassen (Trigger).
• Person rausschicken (bzw. selbst den Raum
verlassen)
• Wenn Person etwas runtergekühlt ist, besprechen
4. Umgang
Konzentrationsprobleme
• Ermuntern zu Kontakten, Lernen im praktischen
Kontext
• Pausen berücksichtigen, Bewegung dazwischen
• Pragmatische Erinnerungshilfen (Kalender etc.)
4. Umgang
Misstrauen bzgl. anderen Menschen/ Austesten
des Vertrauens
• Akzeptanz, da viele schlechte Erfahrungen gemacht
werden
• Aufklären über die eigenen Möglichkeiten, auch wen
man etwas weitersagt oder auch nicht
(Schweigepflicht)
• Eigene Grenzen setzen.
4. Umgang
Der Einsatz von Sprachmittlern kann vielen
Missverständnissen vorbeugen.
Welche Möglichkeiten haben Sie in Ihren
Einrichtungen bzgl. Sprachmittler?
5. Auf sich selbst achten
• Arbeit verlangt einen sehr viel ab: „Sekundäre
Traumatisierung“: Selbstfürsorge
• Eigene Zuständigkeit klären In Netzwerken arbeiten
• Intervision – und Supervision
• Wie gehe ich mit meiner Wut/ Hilflosigkeit um?
• Warum will ich helfen?
Arbeit in „Netzwerken“
Hausarzt/ Facharzt
Behörden/ Hr. Dr. Prange
Rechtsanwalt
Sozialberatung
Psychotherapeut/ psychologische
Beratung
Ehrenamtliche Begleiter/ Angebote
Mitarbeiter in Unterkünften/
Lotsen
Kliniken
Geflüchtete selbst mit Einbeziehen – was sagen Sie, was sie brauchen?
6. Weitervermitteln
Bei auffälligem Verhalten:
• Helfersystem, welches schon da ist, aktivieren
(Freunde, Familie, Ehrenamtliche, Beratungsstellen)
• Seelsorgenummern („Mutes“, „Selefon“, „Russische
Telefonseelsorge“)
• Termin beim Hausarzt (incl. Dolmetscher) zur
Differentialdiagnostik
• Anmeldung in einem PSZ
6. Weitervermitteln
• Wenn „kein Dolmetscher“ notwendig, dann auch
Anbindung über die Regelversorgung gut möglich:
• Kinder – und Jugendliche: Tageskliniken,
niedergelassene Therapeuten, Sozialpädiatrisches
Zentrum Greifswald
• Erwachsene: Psychiatrische Institutsambulanzen
(Johanna-Odebrecht-Stiftung: 03834/543 418 sowie
Uniklinik: 03834/ 866916), niedergelassene Kollegen.
SuizidalitätSchwere emotionale Krise?
Hinweise auf Suizidalität?
Termin bei Psychologen/ PsychiaterEvtl. geplanter Stationärer Aufenthalt:Ückermünde: 0)39771 41-801Odebrecht-Stiftung: 03834 543451Uniklinikum Stralsund/ HGW: 03831 4521-30(Hausarzt informieren: Stellt Einweisungsschein aus)
Nein/ kann sich distanzieren
Ja
Psychologen oder Ärzte (z.B. Hausarzt/ Psychiater)greifbar?
Sofort dorthin bringen (lassen)
Nein
Sofortaufnahme vorschlagen (geschlossen Station)Willigt Person ein?
Auf Akutstationen anrufen und PatientMit Taxi oder selbst (und Dolmetscher wenn möglich hinbringen. Vorher noch Station informierenÜckermünde: 039771 41-801Odebrecht-Stiftung: 03834 543210Uniklinikum Stralsund: 03831 4521-10
Ja
Nein, bleibt aber sitzen Nein, verlässt Örtlichkeit
Polizei verständigenNotarzt rufen
Ja
Anmeldung im PSZ
Um einen Klienten für psychologische Beratung
im PSZ anzumelden, kann dieser entweder
Montags von 11:00- 13:00 bzw. 14:00- 16:00 zu
Fr. Holten in die Sprechzeit kommen.
Oder mit uns Kontakt aufnehmen:
psz@kdw-greifswald.de
03834/2311269
Offene Fragen
• Wer kann qualifiziert auf Interviews vorbereiten?
• Wie kann man sich Schulen lassen im Umgang mit
traumatisierten Geflüchteten?
• Wie gehen wir mit dem Mangel an psychologischer
Beratung/ Behandlung für Geflüchtete um?
• Wie gehen wir mit dem Mangel an geeigneten
Sprachmittlern um?
Weiterbildungen
Narrative Expositonstherapie: www.vivo.org
Traumapädagogik:
http://www.degpt.de/curricula/traumap%C3%A4dagogik-
und-traumazentrierte-fachberatung.html
Programm für Kinder und Jugendliche (auch für
Pädagogische Einrichtungen geeignet):
https://berzen.jimdo.com
Die Workshops sind weit weg, aber vielleicht
können diese ja mal eingeladen werden zu uns?
Literatur
Ulrike Schneck (2017): Psychosoziale Beratung und
therapeutische Begleitung von traumatisierten
Flüchtlingen. Psychiatrie Verlag
Gerne bleibe ich mit Ihnen im Kontakt. Insbesondere
auch zur Frage, wie wir in der Region die psychosoziale
Versorgung verbessern können:
harder@kdw-greifswald.de
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit