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Theorie- und Handlungsfeld
„Migrationsgesellschaft“
VO Theorien pädagogischer Handlungsfelder
WS 2013/14; Ao. Univ. Prof. Dr. Annette Sprung
2.12.2013
Programm
2.12.: Gesellschaftliche Entwicklungen und
Herausforderungen in Migrationsgesellschaften
(Ursachen, Prozesse, Daten und Fakten, Situation in
Österreich)
16.12.: Pädagogische Aufgaben und Antworten
(Entstehung, Konzeptionen, kritische Diskurse,
Erwachsenenbildung - Praxisfelder)
„Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er
kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein
Mensch. Ein Mensch kann überall zustandkommen, auf
die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber
ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er
gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und
doch nicht anerkannt wird."
(Bertolt Brecht, Flüchtlingsgespräche)
Annette Sprung
Institut f. Erziehungs- und Bildungswisseschaft
Migration Umfang - Definition
Ca 220 Millionen internationale MigrantInnen weltweit (Schätzung IOM)
Große Bewegungen in Asien, Afrika, Arbeitsmigration in Golfstaaten, USA
Definition Migration:
„auf Dauer ausgerichteter oder dauerhaft werdender Wechsel von Menschen in eine andere Gesellschaft oder Region“ (A. Treibel 1990).
Annette Sprung
Institut f. Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Migration – UNO-Definition
UNO (1998):
„An international migrant is defined as any person who changes his or her country of usual residence. A person's usual place of residence ist that in which the person lives, that is to say, the country in which the person has a place to live where he or she normally spends the daily period of rest“.
Short-term migration: 3 Monate bis 1 Jahr
Long-term migration: ab 1 Jahr
Annette Sprung
Institut f. Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Formen und Ursachen
Typologien:
Freiwillige/ erzwungene Migration ??
Arbeitsmigration - Flucht ; Binnen- internationale Wanderung;
kontinental – transkontinental; Einzel-, Gruppen-, Kettenmigration
Ursachen:
Pull- und Push-Faktoren, langfristig wirksame historische Einflüsse
individuelle Entscheidung, eingebettet in wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche Strukturen; abhängig von historischen Entwicklungen.
Migrationsnetzwerke
Annette Sprung
Institut f. Erziehungs- und Bildungswissenschaft
F. Nuscheler
Strukturelle Schubkräfte:
Globalisierung
Entwicklungs- und Wohlstandsgefälle
Technologischer Fortschritt, u.a.
Besondere Ursachen:
z.B. Umweltereignisse
Krieg, Repression
Spezifische Krisen
Migration - globale Trends
globale Dimension, steigender Umfang, Neue
Länder
Zunahme von Binnenwanderung
Ausweitung „irregulärer“ Migration
Mischung verschiedener Migrationstypen,
Transnationale Migration, Netzwerke, Bedeutung
technologischer Fortschritt
Feminisierung der Migration
Trends Europa
Bewegungsfreiheit innerhalb der EU Abschottungspolitik
gegenüber Migration aus Drittstaaten („Schengenl“)
Gesteuerte Zuwanderung (demografischer Wandel, ökonomische
Interessen)
Vereinheitlichung der Zuwanderungspolitik in Europa
„Illegale“ , irreguläre Zuwanderung (300.000-500.000 pro Jahr)
Flüchtlinge („Lampedusa“)
IOM: World migrant Report:
http://publications.iom.int/bookstore/free/WMR2013_EN.pdf
Share of non-nationals in the resident population, 2011
Annette Sprung
Institut f. Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Fluchtmigration weltweit
45,2 Millionen Menschen auf der Flucht
15,4 Millionen Flüchtlinge,
937.000 Asylsuchende
28,8 Millionen Binnenvertriebene
(UNHCR 2013)
Hauptaufnahmeländer: Pakistan, Iran, Deutschland
Hauptherkunftsländer: Afghanistan, Irak, Somalia
81 % der Flüchtlinge leben in Entwicklungsländern
Annette Sprung
Institut f. Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Neue Migrationsformen
Transnationale Migration:
Komplexe Muster, vielschichtige Bewegungen
Migration als „Daseinsform“
Transnationale Sozialräume:
„grenzüberschreitende alltägliche
Lebenszusammenhänge“ (vgl. L. Pries 2008)
Menschen leben alltägliche soziale Beziehungen über
Grenzen hinweg.
Österreich historisch
Monarchie: Ost - West, Land - Stadt
1870 – 1910: Emigration 3,5 Millionen
Seit 1960ern: Österreich Einwanderungsland
Flüchtlingsbewegungen:
1945: 1 Mio. Volksdeutsche (Osteuropa)
1956/57 180.000 Ungarn
1968/69 Tschechoslowakei, 1981 Polen
Ab 1991: Ex-Jugoslawien („De-Facto-Flüchtlinge“)
Asyl aktuell
Asylstatistik 2012:
Ca. 17.000 Asylanträge
3.680 Personen anerkannt
Antragsstärkste Nationen: Afghanistan; Russische
Föderation; Pakistan; Syrien
EU-Politik (Dublin-Abkommen)
Lange Verfahren – prekäre Lebenslagen
Arbeitsmigration - Österreich
Anwerbeabkommen: 1964 Türkei, 1966 Jugoslawien.
Bis 1973: 230.000 ausl. ArbeitnehmerInnen
1974 Anwerbestopp – Familiennachzug
Änderung Alters- und Geschlechterverteilung
Seit 1993 restriktive Politik
Ankunft
Wien 1964
„Man hat Arbeitskräfte gerufen,
und es kommen Menschen.“
(Max Frisch)
Terminologie
„AusländerIn“ : Staatsangehörigkeit; negative Assoziationen, innen-außen; Unterschied EU- bzw. Drittstaatsangehörige.
„Migrant/ Migrantin“: Nachfolgegenerationen?
„Menschen mit Migrationshintergrund“ :Definition der Statistik Austria: Personen, deren beide Elternteile im Ausland geboren wurden
Kritische Debatte zu „Migrationshintergrund“
Bevölkerung Österreich 2013
• Nettozuwanderung 2012: 43.800 Personen
• (ergibt sich aus 140.400 Zuzügen und 96.600 Wegzügen)
• Ausl. Staatsbg: 11,9 %, Migrationshintergrund 18,9 %
• 41% der AusländerInnen aus EU
• Größte Gruppe insgesamt: Deutsche bzw. ehemaliges Jugoslawien
• Neuzuzüge: größte Gruppe aus Deutschland, gefolgt von Rumänien, Ungarn, Polen, Slowakei
Gesetzliche Regelungen: Ausländerbeschäftigungsgesetz, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, Staatsbürgerschaftsgesetz, Asylgesetz
Räumliche Verteilung
Konzentration in urbanen Ballungszentren
EinwohnerInnen mit Migrationshintergrund:
38,4 % Wien
10,3 % Steiermark
21,3 % Vorarlberg
Graz 23,5 % (ausländische Herkunft)
Anerkannte Flüchtlinge 2012: 3680
Irregulär aufhältige MigrantInnen?
Bildungsstand MigrantInnen
35 % der MigrantInnen haben Matura, 17 %.
Hochschulabschluss (mehr als Nicht-Migr.)
29 % haben höchstens einen Pflichtschulabschluss (mehr
als Nicht-Migr.)
Bildungsstand der zweiten Generation nähert sich dem
der Nicht-MigrantInnen an.
Österreichische Schulen: ungleiche Verteilung
Integration- Partizipation
• Begriffe – unterschiedliche Ansätze (Anpassung oder
Mitgestaltung?)
• Integration ....Eingliederung in ein bestehendes Ganzes
• Moderne Gesellschaften sind in sich hochdifferenziert
• Partizipation...aktive Mitgestaltung und Veränderung der
Gesellschaft
• Öffentliche Diskurse: breites Spektrum – von Assimilation
bis weitgehende Partizipation und Anerkennung
Migrations-/ Integrationspolitik
• Nationaler Aktionsplan Integration
• Diverse Gesetze (Ausländerbeschäftigungsgesetz,
Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz,
Staatsbürgerschaftsgesetz, Asylgesetz)
• Staatssekretariat im Bundesministerium für Inneres
• ExpertInnenrat des BMI, alternativer ExpertInnenrat
• Praktischen Integrationsarbeit (v.a. NGOs)
• Migration Integration Policy Index (intern. Vergleich)
MigrantInnen - Arbeitsmarkt
• Häufiger als ArbeiterInnen tätig
• Überproportional in bestimmten Branchen tätig
• Erwerbsquote niedriger als bei ÖsterreicherInnen
• Arbeitslosigkeit 9,7 % (Österr: 6,5 %)
• Geringere Löhne
Dequalifizierung
29 % der im Ausland Geborenen geben an, unter ihrer
Qualifikation beschäftigt zu sein (Ö: 10 %)
OECD-Studie (Krause, Liebig 2011): in Österreich
besonders starke Dequalifizierungsproblematik
Folgen:
Verstetigung im unqualifizierten Bereich
Veralten von Qualifikationen
Verlust von Selbstwert und Motivation
Anerkennung
Verfahren zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen:
Nostrifizierung
Nostrifikation
Gleichhaltung
In Österreich: wenig Transparenz, zum Teil hürdenreich
AST: 5 Beratungsstellen 2013 eingerichtet
Literaturhinweise
Biffl, Gudrun (2012): Migration and Labour Integration in Austria, SOPEMI Report on Labour
Migration Austria 2011-12. URL: http://www.donau-
uni.ac.at/imperia/md/content/department/migrationglobalisierung/forschung/sopemi/biffl-sopemi-
2012.pdf
Fassmann, Heinz; Münz, Rainer (1995): Einwanderungsland Österreich? Historische
Migrationsmuster, aktuelle Trends und politische Maßnahmen. Wien: Jugend und Volk.
Hess, S.; Kasparek, B. (Hg.) (2010): Grenzregime. Diskurse, Praktiken, Institutionen in Europa.
Berlin: Assoziation A.
Krause, K. ; Liebig; T. (2011): The Labour Market Integration of Immigrants and their Children in
Austria. OECD Social, Employment and Migration Working Paper No. 127. Retrieved July 2013
from http://www.oecd-ilibrary.org/social-issues-migration-health/the-labour-market-integration-of-
immigrants-and-their-children-in-austria_5kg264fz6p8w-en
Lutz, Helma (Hg.) (2009): Gender Mobil? Geschlecht und Migration in transnationalen Räumen.
Münster: Westfälisches Dampfboot.
Nuscheler, Franz (199): Internationale Migration: Flucht und Asyl. Opladen: Leske + Budrich.
.
Literaturhinweise
Oberlechner, Manfred; Hetfleisch, Gerhard (Hg.) (2010): Integration, Rassismen und Weltwirtschaftskrise. Wien: Braumüller.
Pries, Ludger (2008): Die Transnationalisierung der sozialen Welt. Sozialräume jenseits von Nationalgesellschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Reckinger, Gilles (2013): Lampedusa. Begegnungen am Rande Europas. Wuppertal: Hammer.
Stadler, Bettina; Wiedenhofer-Galik, Beatrix (2009): Arbeits- und Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich. Modul der Arbeitskräfteerhebung 2008. Wien: Verl. Österreich.
Statistik Austria (2013): migration & integration. zahlen. daten. indikatoren 2013.Wien. Online im Internet: http://www.integrationsfonds.at/publikationen/
Treibel, Annette (1990): Migration in modernen Gesellschaften: soziale Folgen von Einwanderung, Gastarbeit und Flucht. Weinheim u.a.: Juventa-Verlag
Theorie- und Handlungsfeld
„Migrationsgesellschaft“
VO Theorien pädagogischer Handlungsfelder
WS 2013/14; Ao. Univ. Prof. Dr. Annette Sprung
16.12.2013
Themen
Pädagogische Herausforderungen in Migrationsgesellschaften
• Entstehung der „interkulturellen Pädagogik“
• Konzeptionen
• Kritische Diskurse
• Erwachsenenbildung - Praxisfelder
Nachtrag 2.12.: Dequalifizierung
29 % der im Ausland Geborenen geben an, unter ihrer Qualifikation beschäftigt zu sein (Ö: 10 %) OECD-Studie (Krause, Liebig 2011): in Österreich besonders starke Dequalifizierungsproblematik
Folgen:
Verstetigung im unqualifizierten Bereich
Veralten von Qualifikationen
Verlust von Selbstwert und Motivation
Nachtrag 2.12.: Anerkennung
Verfahren zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen:
Nostrifizierung
Nostrifikation
Gleichhaltung
In Österreich: wenig Transparenz, zum Teil hürdenreich
AST: 5 Beratungsstellen 2013 eingerichtet
Interkulturelle Pädagogik - Terminologie
Es gibt nicht DIE interkulturelle Pädagogik
Alternative Begriffe aufgrund bestimmter Schwerpunktsetzungen bzw. kritischer Abgrenzung:
„Bildung in der Einwanderungsgesellschaft“ (vgl. Hamburger 1994, Elverich/Kalpaka/Reindlmeier 2006)
„Migrationspädagogik“ (vgl. Mecheril et al. 2010)
„Transkulturelle Bildung“ (vgl. Göhlich et al. 2006)
„Diversity-Pädagogik“ (vgl. Hormel/Scherr 2004)
„Pädagogik kollektiver Zugehörigkeiten“ (vgl. Nohl 2006)
„Rassismuskritische Bildung“ (Scharathow et al.)
Interkulturelle Pädagogik - Entwicklung
• 1960er Jahre „Ausländerpädagogik“: einseitig defizitorientiert
• Ausländerpädagogik als Typus des Umganges, der nicht überwunden ist
• Defizithypothese (= Migranten-Kinder als defizitär definiert, Pädagogik zur Kompensation)
• Kritik an Defizithypothese führt zu Differenzhypothese: Anerkennung und Wertschätzung von Differenz gefordert
• „Interkulturelle Pädagogik“: Anerkennung, Fokus auf Verständigung „zwischen Kulturen“, auch Einbezug der Mehrheitsbevölkerung
Annette Sprung
Institut f. Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Kritik/ alternative Ansätze
• Zunehmende Vielfalt an Themen und Konzepten seit 1980ern
• Kritik an Kulturalisierung
• Mehr Aufmerksamkeit für Diskriminierung und strukturelle Ungleichheiten (System)
• Kritik an Ausblendung von Rassismen
• Rechtsextremismus als Thema der 1990er Jahre
• Seit Mitte der 1990er „Interkulturelle Öffnung“ als Thema
Annette Sprung
Institut f. Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Aktuelle Diskurse
• Ergebnisse von Schulleistungsstudien- schlechteres Abschneiden von Kindern mit Migrationsgeschichte
• „Monokulturellere Habitus“ des Schulsystems? Wird weniger diskutiert als z.B. Sprachförderung u.ä.
• Umgang mit Mehrsprachigkeit im Bildungswesen
• „Muslimifizierung“ des Diskurses (Y. Karakasoglou): Migrationsthema wird seit mehr als einem Jahrzehnt zunehmend als Frage des Umgangs mit muslimischen Familien/Kindern/Jugendlichen in die Diskussion gebracht; zahlreiche Zuschreibungen erfolgen speziell an diese Gruppe
Annette Sprung
Institut f. Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Konzepte interkult. Pädagogik
Systematisierung der Konzepte nach Arnd-Michael Nohl (2006):
1. Ausländerpädagogik (Assimilationspädagogik): defizitorientiert, kompensatorisch
2. Klassische interkulturelle Pädagogik: Fokus auf Wertschätzung von Differenzen, auch Einbezug der Mehrheit
3. Antidiskriminierungspädagogik: Fokus auf strukturelle Ungleichheit und Ausgrenzung
4. Reflexive Weiterentwicklung interkultureller Pädagogik
5. Pädagogik kollektiver Zugehörigkeiten: mehrere Dimensionen von Zugehörigkeiten werden berücksichtigt
Kritische Diskurse in der interkulturellen Pädagogik (1)
Kritik an Kulturalisierung – Ethnisierung:
• Kulturverständnis (der in der Regel verwendete statische, nationalstaatlich definierte Kulturbegriff ist nicht mehr zeitgemäß)
• MigrantInnen als KulturträgerInnen? (Menschen sollen nicht in erster Linie als Kulturträger wahrgenommen werden)
• Zugehörigkeitsverständnisse (MigrantInnen - insbes. Nachfolgegenerationen - leben mit mehreren kulturellen Bezügen – was nicht automatisch problembehaftet sein muss; daher Mehrfachzugehörigkeiten anerkennen
• Othering (Edward Said): Gegensatz „Wir“ und „Die Anderen“ wird (re)produziert
• Fremdheit als zentrale Kategorie – „positiv“- Exotismus
Kritische Diskurse in der interkulturellen Pädagogik (2)
Gebrauch des Kulturbegriffes:
• Verharmlosung von Rassismen, Pädagogik statt Politik (Die Fokussierung auf vermeintlich kulturelle Unterschiede führt zu Entpolitisierung und verschleiert strukturelle und soziale Ursachen von Problemen)
• Defizitperspektive, Viktimisierung, politische Instrumentalisierung
Repräsentationsverhältnisse
• Wer spricht über wen? • Wer macht Angebote für wen? • Wer sind die MigrationsexpertInnen?
Beitrag der Pädagogik – Differenz wird akzeptiert aber nicht dekonstruiert
Othering findet auch in pädagogischen Prozessen statt
Migrationspädagogik
Ansatz nach Paul Mecheril (2003, 2010)
- Kein eigenständiges Konzept, sondern eine Orientierung bzw. eine spezifische Perspektive auf die Thematik
- Fordert die Praxen der Differenzsetzung selbst kritisch zu hinterfragen
(Wo wird ein Unterschied gemacht, welche Differenz wird für pädagogisch relevant erklärt? Wie und warum wird zwischen einem „Wir“ und den „Anderen“ unterschieden? Welche Eigenschaften werden mit den Anderen verknüpft? Welche Zugehörigkeitsordnungen werden bestätigt und aufrechterhalten? Welchen Beitrag leistet das Bildungswesen zur Reproduktion, aber auch zur Veränderung?)
MigrantInnen - Erwachsenenbildung
Adult Education Survey 2011/12
Teilnahme an non-formaler Bildung
Alter 25 bis 64: 46,8 % der Österr. - 35,4 % der Ausl.
(Alter 18-24: 44,4 % der Österr. – 29,2 % der Ausl.)
Häufige Hürden:
fehlende Zulassungsvoraussetzungen, mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten, familiäre Verpflichtungen, mangelnde Unterstützung der ArbeitgeberInnen
Zugangsbarrieren Erwachsenenbildung
• sozioökonomische Faktoren • Benachteiligung beginnt oft schon im Schulwesen • Informationsdefizite über Aus- und
Weiterbildungsmöglichkeiten • mangelnde Deutschkenntnisse • rechtliche Rahmenbedingungen, Anerkennung Qual. • Diskriminierungserfahrungen • Motivation bei geringen Aussichten auf beruflichen Erfolg? • Barrieren durch Bildungsinstitutionen errichtet (?)
„Interkulturelle“ Erwachsenenbildung
Bildungsmarkt: Angebote und Zielgruppen
• Spezifische Angebote für MigrantInnen („Integration“) – Deutschkurse, berufliche WB etc.
• Diverse Fachkräfte („interkulturelle Kompetenz“) im Kontext von Migrationsgesellschaft oder internationalen Kooperationen
• Politische Bildung: Sensibilisierung, Rassismuskritik, politische Partizipation
Praxisbeispiele
„Integration“:
ISOP, Danaida, SOMM, AST, u.a.
„Interkulturelle Kompetenz“:
Lehrgang zur interkulturellen (Kompetenz)Bildung beim Verein ISOP; diverse Masterlehrgänge an der Donau-Uni Krems, u.a.
Politische Bildung:
ETC Graz, Österreichische Gesellschaft für politische Bildung, Verein Zara u.a.
Sprachliche Bildung
Sprache als Garant für Integration??
Selektionseffekte durch gesetzliche Regelungen – Integrationsvereinbarung
Sprachlernmotivation hängt eng mit Lebenssituation und Aufnahmebedingungen zusammen
Korrelation von Sprachkompetenz und Beziehungsqualität
Durch Migration Verlust sprachlicher Souveränität (Verunsicherung)
Sprachenpolitik
Häufig Konstruktion einer Einheit von Nation und Sprache
Linguizismus:
bestimmte Sprachen werden anderen gegenüber als höherwertig angesehen;
nicht-erwünschte Sprachen bzw. deren SprecherInnen werden benachteiligt, lächerlich gemacht etc.
Kann bis hin zu Sprachverboten reichen (z.B. Kurdische Sprache in der Türkei, Verbot von Türkisch-Sprechen auf dem österreichischen/deutschen Schulhof)
Rahmenbedingungen in Österreich
Integrationsvereinbarung (seit 2003):
• Gilt für Drittstaatsangehörige, die nach Österreich zuwandern
• Deutschkenntnisse auf A2-Niveau, für Daueraufenthalt B1
• Prüfung verpflichtend
• Bei Nichterfüllung Sanktionen (Rückerstattung Zuschuss, Aufenthaltsbeendigung)
Aufgaben für Institutionen der EB
Ø Zugangsbarrieren für MigrantInnen identifizieren und abbauen (Voraussetzung: Wille zur Öffnung)
Ø Diskriminierung bekämpfen/verhindern Ø „Interkulturelle Öffnung“ als Aufgabe der Organisationsentwicklung begreifen Mögliche Fragen im Rahmen eines Öffnungsprozesses: Hat meine Einrichtung angemessene Konzepte und Rahmenbedingungen? Werden Bedürfnisse aller LernerInnen ausreichend berücksichtigt? Wie kann man Diskriminierungen vermeiden? Werden neue Kompetenzen in der Institution benötigt? Welche strukturellen Anpassungen sind erforderlich? Welche didaktische Konsequenzen müssen berücksichtigt werden (z.B. sprachliche
Heterogenität)? Uvm.
Literaturhinweise Auernheimer, Georg (2007): Einführung in die interkulturelle Pädagogik. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft.
Auernheimer, Georg (Hg.) (2013): Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. 4., durchg. Aufl., VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Behrens, Heidi; Motte, Jan (Hg.) (2006): Politische Bildung in der Einwanderungsgesellschaft. Zugänge, Konzepte, Erfahrungen. Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verl.
Broden, Anne; Mecheril, Paul (Hg.) (2007): Re-Präsentationen. Dynamiken der Migrationsgesellschaft. Düsseldorf: IDA-NRW.
Elverich, Gabi; Kalpaka, Annita; Reindlmeier, Karin (Hg.) (2006): Spurensicherung. Reflexion von Bildungsarbeit in der Einwanderungsgesellschaft. Frankfurt am Main: IKO-Verl. für Interkulturelle Kommunikation.
Gogolin, Ingrid; Krüger-Potratz, Marianne (2006): Einführung in die interkulturelle Pädagogik. Opladen: Budrich.
Göhlich, Michael et al. (Hg.) (2006): Transkulturalität und Pädagogik. Weinheim, München: Juventa.
Gomolla, Mechtild; Radtke, Frank-Olaf (2009): Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. 3. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften.
Hamburger, Franz (2009): Abschied von der Interkulturellen Pädagogik. Plädoyer für einen Wandel sozialpädagogischer Konzepte. Weinheim: Juventa-Verl.
Hauenschild, Kathrin; Robak, Steffi; Sievers, Isabel (Hg.) (2013): Diversity Education. Zugänge – Perspektiven – Beispiele.
.
Literaturhinweise Hormel, Ulrike; Scherr, Albert (2004): Bildung für die Einwanderungsgesellschaft. Perspektiven der Auseinandersetzung mit struktureller, institutioneller und interaktioneller Diskriminierung. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften
Kerschhofer-Puhalo, Nadja und Verena Plutzar (Hg.) (2011): Nachhaltige Sprachförderung. Zur veränderten Aufgabe des Bildungswesens in einer Zuwanderergesellschaft. Bestandsaufnahmen und Perspektiven. Innsbruck: StudienVerlag
Mecheril, Paul; Kalpaka, Annita; Castro Varela, Maria do Mar, Dirim, Inci; Melter, Claus (Hg.) (2010): Migrationspädagogik. Weinheim: Beltz (Bachelor/Master).
Nohl, Arnd-Michael (2006): Konzepte interkultureller Pädagogik. Eine systematische Einführung. B. H.: Klinkhardt.
Salfinger-Pilz, Brigitte (2013): Erwachsenenbildung. Ergebnisse des Adult Education Survey (AES). Hg. von Statistik Austria, Wien.
Prengel, Annedore (2006): Pädagogik der Vielfalt : Verschiedenheit und Gleichberechtigung in Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik. Wiesbaden: VS Verlag.
Scharathow, Wiebke; Leiprecht Rudolf (Hg.) (2009): Rassismuskritische Bildungsarbeit (Rassismuskritik, Bd. 2). Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verl.
Sprung, Annette (2011): Zwischen Diskriminierung und Anerkennung. Weiterbildung in der Migrationsgesellschaft. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann.
Statistik Austria (2013): migration & integration. zahlen. daten. indikatoren 2013.Wien. Online im Internet: http://www.integrationsfonds.at/publikationen/