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Subletale Effekte von Neonikotinoiden auf das Verhalten und die soziale Organisation von Honigbienen
Symposium 16. und 17.9.2013
Mellifera e.V. Initiative für Biene, Mensch Natur Fischermühle, Rosenfeld
Bienen als Umweltspäher – Die Notwendigkeit zusätzlicher Daten für die Beurteilung der schädlichen Wirkung von Pestiziden
Randolf Menzel, Freie Universität Berlin
www.neurobiologie.fu-berlin.de
Mittlere Abhängigkeit
Die Vielfalt der Arten hat in den letzten 60 Jahren gravierend abgenommen
z.B. Biodiversität in den Niederlanden: Veränderungen seit 1950
L.G. Carvalheiro et al. 2013 Ecological Letters
Pflanzen und Bestäubung
Hummeln Andere Bienen Schwebfliegen Schmetterlinge
Bestäuber
Ganz abhängig
Unabhängig
Pflanzen
Blütenbesuchende Insekten
Verä
nder
ung
in %
Entwicklung der relativen Siedlungsdichte
Blütenbesucher
Pflanzen
Schwebfliegen Schmetterlinge Bienen
Abhängigkeit von Insektenbestäubern
ganz abhängig
mittlere Abhängigkeit
nicht abhängig
nach Opera Bericht 2013
Monokulturen Feldgröße Randstreifen Fruchtfolge
Futter- angebot für Bienen
Wetter Jahreszeiten Tageszeiten
Pestizide (Art, Menge, Verteilung)
Honigbienen- gesundheit
Pathogene (Viren, Varoa etc) Resistenz, Toleranz
Behandlung und Abwehr von Pathogenen
Acaricide (Behandlung Kontrolle)
Rückstände in Bienen- produkten
Bienen- haltung
Netzwerk der Wirkungen auf die Bienengesundheit
Lässt sich die Bienengesundheit schnell kontinuierlich einfach zuverlässig messen?
Dabei geht es um mehr als um die Bienengesundheit: Ökologischer Zustand unserer Umwelt
Honibienen sind für etwa 80% der Bestäubing zuständig
Toxikologische Untersuchungen: die Rolle von Pestiziden
Letale Einwirkungen (LD50) - akut - chronisch - in Kombination mit anderen Substanzen
Subletale Einwirkungen (akut, chronisch, in Kombination) - Verhaltenstoxikologie Wahrnehmung (anziehend, abstoßend) Motorik (stimulierend, sedierend, irregulär) Kognition ( Lernen, Gedächtnis, Navigation, Kommunikation - Ökotoxikologie (akut, chronisch, in Kombination)
Angebot (Art, Menge, Verteilung) Aufnahme (akut, chronisch, in Kombination)
Häufig werden falsche Ansprüche an Untersuchungen gestellt, weil die verschiedenen Arten toxikologischer Untersuchungen nicht unterschieden werden
Neonicotinoide
sind Insektizide (Pestizide), die als Kontakt- und Fraßgifte wirken. Sie werden über die Wurzeln aufgenommen und wirken auf alle Insekten, die Substanzen von den behandelten Pflanze abgegeben werden (Pollen, Nektar, Gutationssaft, Staub vom Acker). Sie werden als Saatgutbeizmittel oder als Besprühung verwendet. Handelsnamen: Admire, Advantage, Goucho, Merit, Premise, Touchstone (Imidacloprid) Cruiser, Platinum (Thiamethoxam), Acetamiprid, Assail, Tristar (Acetamiprid)
Bekannte Wirkstoffe: Acetamiprid, Clothianidin, Imidacloprid, Nitenpyram, Thiacloprid, Thiamethoxam, Nithiazin
EFSA (European Food Safety Authority): Für 3 Wirkstoffe wurde die Anwendung für 2 Jahre gesperrt: z.B. Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam (dagegen strengt die erzeugende Industrie ein Gerichtsverfahren an)
Neonicotinoide wirken sublethal bei sehr geringen Dosen z.B. 2,5 ng Clothianidin oder 7,5 ng Imidacloprid pro Biene in unseren Studien ( Vortrag Johannes Fischer), 0.17 – 2,3 ng Thiamethoxam/Tag/Biene in den Studien von Henry et al. 2012. Vortrage Dr. Henry
Weitere wichtige Studien: Whitehorn et al. Science 2012: Hummeln, ökologisch relevante Dosen führen Schädigung der Biologie der Hummeln Gill et al. Nature 2012: Hummeln, Kumulierende schädliche Effekte bei Kombi- nation mit Pyretroiden auf der Kolonie- und Individuenebene Schneider et al. Plosone 2012, Honigbienen, die Orientierungsleistung ist beeinträchtigt Krupke et al. Plosone 2012: Honigbienen, Neonicotinoide werden in Individuen und in der Kolonie angereichert, wenn die Tiere auf be- handelten Pflanzen Nektar oder/und Pollen sammeln
Die Dosisabhängigkeit kann sehr komplex sein, weil die abbauenden Enzyme unterschiedliche Dosisabhängigkeiten haben können. Das bedeutet, dass niedrigere Dosen einen höheren Effekt haben können als höhere Dosen. Außerdem sind ganz offensichtlich die Messungen der aufgenommenen Mengen problematisch. Vortrag: Dr. Bischoff
Cresswell 2011, Ecotoxicology, Metastudie Guez 213, Front. Physiol., (Entgegnung: Henry and Decourtye, 2013)
Problematik:
Wo die Neonicotinoide im Insektengehirn wirken
Die komplexesten Verhaltenssteuerungen im Insektengehirn finden in den Pilzkörpern statt. Die Eingänge von den Sinnesorganen und von den vorverarbeitenden Regionen im Gehirn sowie die Verarbeitung innerhalb des Pilzkörpers erfolgt über nikotinische Acetylcholin Rezeptoren. Neonicotinoide wirken auf diese Gehirnprozesse. Bei höheren Dosen ist dies tödlich, bei sehr niedrigen Dosen stört dies die Gehirnprozesse: Wahrnehmen, Lernen, Erinnern, Orientieren, Navigieren, Kommunizieren
Regionen im Pilzkörper mit nikotinischen Acetylcholinrezeptoren
Sensorische Eingänge
Sehen Riechen
Lernen, Gedächtnis, Navigation
Zwei methodische Zugänge der verhaltens-toxikologischen Untersuchungen der Wirkungen von subletalen Dosen von Neonicotinoiden
Die Dosen sollen so gewählt werden, dass keine offensichtlichen Wirkungen auf die Wahrnehmung und auf die Motorik zu erkennen ist. Auf diese Weise lassen sich die Wirkungen auf die Kognition untersuchen.
Navigation: Lernen, Gedächtnis bilden, Gedächtnis abrufen - Verfolgen der Flugspuren von Sammelbienen
Messung der elektrischen Felder im Bienenvolk - Verhaltensänderungen zurückkehrender Sammelbienen (inklusive Kommunikation: Schwänzeltanz)
Vorträge J. Fischer, Dr. Henry
Vortrag und Demonstration U. Greggers
Verfolgen der Bienen mit einem speziellen Radargerät
Wenn man die Navigation der Bienen verstehen will, muss man wissen, wo sie herumfliegt
Harmonisches Radar
Verfolgen der Bienen mit einem speziellen Radargerät
Wie Bienen ihr Landschaftsgedächtnis erlernen und in den Sonnenkompass einzupassen
dritte Orientierungsflüge
zweite Orientierungsflüge
Jacqueline Degen u.a.
Erster Orientierungsflug der Biene w 53
Was lernen Bienen auf ihren exploratorischen Orientierungsflügen?
Das Landschaftsgedächtnis der Bienen:
Auf Orientierungsflügen lernen die Bienen nicht nur zum Stock zurück zu kommen (Wegintegration)
sondern auch die Gegend im Bereich der Orientierungsflüge.
Aufeinander folgende Orientierungsflüge sind in verschiedene Richtungen orientiert und erreichen
zunehmend größere Entfernungen.
Zur Orientierung dient der Sonnenkompass, größere Landschaftsstrukturen und lokale Landmarken.
Besonders wichtig sind lang gestreckte Marken, in unserem
Testareal Grenzen, Wege, Wasserkanäle
Wie nutzen die Bienen ihr Landschaftsgedächtnis?
H F Routenflüge
Auflass Stelle Heimkehrende Bienen versetzt
?
Das Versuchsdesign: Einsammeln, Transportieren und Freilassen (catch-and-release)
Routengedächtnis
Können sie auch ihr Landschaftsgedächtnis Verwenden um zum Stock zurück zu kehren?
Die Biene war vom Stock (H) über 200 m nach Osten zur Futterstelle (Fs) dressiert
Als sie an Fs nach dem Füttern abfliegen wollte, wurde sie eingefangen und zur Stelle R8 transportiert. Dort mit einem Transponder ausgestattet und fliegen gelassen.
Es lassen sich zwei Phasen der Heimkehrflüge unterscheiden: - Vektorflug (Routengedächtnis) - Heimflug (bestehend aus Suchflug und Rückflug) (Landschaftsgedächtnis)
200
400
600
800
200 400 600
R7
H
[m]
B
Vektorflug (Routen- gedächtnis)
Suchflug
Rückflug (Landschaftsdächtnis)
Neonicotinoide stören die Navigation (Landschaftsgedächtnis)
Vortrag von Herrn Fischer
Bienen laden sich im Flug elektrisch auf.
Sie nehmen die elektrischen Felder wahr, lernen sie und verwenden sie vermutlich bei der Tanzkommunikation
Elektrische Spannung auf der Körperoberfläche ankommender Sammelbienen
Hochspannung im Stock: warum elektrische Felder zwischen Bienen eine Rolle spielen
Bienen lernen elektrische Felder und unterscheiden verschiedene Muster
1. 2. 3. Lernakt
% ri
chtig
400 Hz Stop- signal Tanz
Kontrolle
Die elektrischen Felder werden mit den Antennen wie mechanische Schwingen aufgenommen.
Sie hören sozusagen die elektrischen Felder.
Sind Neonicotinoide so wie sie in der Landwirtschaft eingesetzt werden eine Gefahr oder eine Belastung
für Honigbienen (aber auch für Wildbienen und die natürliche Umwelt im allgemeinen)?
Das ist eine Frage der Dosis* - für akute Effekte - für chronische Effekte - allein oder in der Kombination mit anderen Belastungen
Neben dem imkerlichen Monitoring bedarf es einer schnellen, informationsreichen, Objektiven und automatischen Methode (Vortrag und Demonstration: U. Greggers) Außerdem bedarf es weiterer intensiver Grundlagenforschung über die Mechanismen der Wirkung dieser Pestizide (Vortrag Dr. Grünewald)
Warum scheint es als ob Bienenvölker nicht (oder massiv: Kolaps) auf Pestizidbelastung reagieren?
Das Bienenvolk ist ein „Superorganismus“, ein vielfältig und hoch geregeltes System. Solche Systeme sind robust. Systemtheorie: synergistisch und antagonistisch geregeltes Wirkungsgefüge Komplexe und verborgene Kompensationsvorgänge gegen störende Eingriffe Nichtlinearität und Chaos: plötzliches Zusammenbrechen bei scheinbar geringen Störungen
Suche nach einem „Fieberthermometer“ als Messgröße für den Gesundheits- Bzw. Krankheitszustand des „Superorganismus“
Wie könnten wir den Gesundheits-/Krankheitszustand des Bienenvolkes messen?
- Nutzung des Erfahrungsschatzes der imkerlichen Praxis (Krankheitssymptome erkennen: Totenfall, Ertragsentwicklung (z.B. Gewicht des Volkkes), Brut, Überwinterung) - Zwei Formen der Auswirkungen von Neonicotinoiden sind zu erwarten: Verlust von Sammelbienen Verhaltensänderungen der zurückkehrenden Sammlerinnen - Was müsste ein Fieberthermometer leisten? schnelle und globale Zustandsmessung z.B. der Wirkung auf das Nervensystem (Neonicotinoide) das Kommunikationssystem innerhalb des Bienenvolkes abhören (ein EEG oder EKG des Superorganismus)
Ein Meßsystem für den Gesundheits-/Krankheitszustand des Bienenvolkes beruht auf:
- Der Elektrostatik des Bienenkörpers - Der Modulation der elektrischen Felder, die vom Bienenkörper ausgehen - Der Veränderung dieser Modulation bei abweichendem Verhalten, insbesondere solchen der sozialen Kommunikation Vortrag und Demonstration U.Greggers
Ziel: schnell, kontinuierlich, einfach, automatisch, kommunikativ, ohne Störung der Bienenbiologie „Fieber“ zu messen
Bienen als Umweltspäher
Da Bienen auf zwei verschiedene Arten auf Pestizide reagieren bedarf es zwei verschiedener Messeinrichtungen, solche für (1) nicht zurückkehrende Sammelbienen (2) für zurückkehrende aber gestört reagierende Sammlerinnen
Gruppe 1: RFID (Vortrag Dr. Henry) harmonisches Radar, Flugspuren Gruppe 2: Messung der elektrischen Felder im Stock (Vortrag/Demonstration Greggers) - zeitlich hochauflösend, reichhaltige Signale, Suche nach spezifischen Signalkomponenten - Potential: gezielt und kurzfristig Proben entnehmen für physikalisch-chemische Analysen (Vortrag: Frau Dr. Bischoff)
Die Zukunft der „Fiebermessung“
- Kontinuierliche Registrierung der Kommunikationssignale mit Hilfe der elektrischen Felder bei welchen akut oder chronisch wirkenden Dosen sind diese verändert? - Identifikation charakteristischer Signalkombinationen für bestimmte Belastungen
- Alarmierung über Netzwerk/Telekommunikation bei identifizierter Belastung
- Gezielte kurzfristige Probenentnahme
Stehen wir auf hoffnungslosem Boden der Agrachemie gegenüber? Welche Verbündete haben wir? Die Wissenschaft ESFA (European Food Safety Authority) Umweltverbände Striftungen Verwaltung (Politik)
Auszüge aus web site der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA European Food Safety Authority,
www.efsa.europa.eu/de/)
Richtlinie 91/414/EWG. Sie enthält die Bestimmung, dass Pestizide nur dann auf EU-Ebene genehmigt werden können, wenn ihre Verwendung keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Bienengesundheit hat.
Die Auswirkungen von Pestiziden auf Bienen werden vor ihrer Zulassung untersucht, und ggf. werden geeignete Maßnahmen zur Risikobegrenzung zur Auflage gemacht. Wenn die Kommission schädliche Auswirkungen aufgrund der Verwendung von Pestiziden feststellt, können weitere Maßnahmen zur Risikobegrenzung getroffen werden. Dies war der Fall bei einigen Insektiziden, bei denen es zu unbeabsichtigten Freisetzungen bei der Aussaat behandelten Saatguts kam.
Next steps Member States must withdraw or amend existing authorisations to comply with the EU restrictions by 30 September 2013. They can allow the use of existing stocks until 30 November at the latest. National authorities are responsible for ensuring that the restrictions are correctly applied. As soon as new information is available, and at the latest within 2 years, the Commission will review this restriction to take into account relevant scientific and technical developments.
Bee Health: EU-wide restrictions on Pesticide use to enter into force on 1 December
A restriction on the use of three pesticides belonging to the neonicotinoid family was today adopted by the Commission. These pesticides (clothianidin, imidacloprid and thiametoxam) were identified as being harmful to Europe’s honeybee population. This restriction will enter into force as from 1 December 2013 and will be reviewed, at the latest, within two years. It targets pesticides used in the treatment of plants and cereals that are attractive to bees and pollinators.